Quidquid agis, prudenter agas von KradNibeid (et respice finem) ================================================================================ Prolog: Die Wahrheit -------------------- Mit geweiteten Augen blickte Judy auf das Gerät in ihrer Hand, und sie spürte, wie Angst sich als ein Klumpen aus Kälte und Übelkeit in ihrem Magen festsetzte, ein hässliches Geschwür aus all ihren Sorgen und Bedenken, das sich gewaltsam seinen Weg in die Realität gekämpft hatte. Sie war schwanger. Einige Minuten saß sie reglos da, während sie begann, diese Wahrheit zu begreifen, bis sie plötzlich aufsprang und den Schwangerschaftstest verzweifelt in den Mülleimer warf. Sie konnte nicht schwanger sein – sie durfte nicht schwanger sein. Nicht von ihm. „Du lügst.“ Sie konnte den nur mühsam unterdrücken Zorn in der Stimme ihres Gesprächspartners deutlich hören, und nervös rieb sie sich über die Stirn. Ein Telefonat war wohl nicht die beste Wahl gewesen, um ihre freudige Nachricht zu überbringen. „Es ist die Wahrheit, ob es dir passt oder nicht. Ich bin schwanger, gratuliere zum neuen Elternglück.“ Sarkasmus troff wie heißes Pech aus ihrer Stimme, und ein ungeduldiges Schnauben antwortete ihr. „Es ist nicht von mir“, eine Antwort, mit der sie gerechnet hatte. Seufzend schüttelte sie den Kopf. „Du bist der Einzige, mit dem ich in den letzten Monaten Verkehr hatte.“ Ein freudloses Lachen traf sie wie ein Dolch ins Herz. „Meine Güte, Judy Tate. Ich wusste nicht, wie vertrocknet du wirklich bist, als ich mich auf dich eingelassen habe.“ Empört schnappte Judy nach Luft, bereit, ihrem gesamten Frust und ihrer gesamten Verzweiflung in einer Tirade aus Beschimpfungen freien Lauf zu lassen, als ihr Gesprächspartner ihr das Wort abschnitt. „Der Test war fehlerhaft.“ Seine Stimme war inzwischen zu einem bedrohlichen Knurren geworden, und Judy lief es eiskalt den Rücken hinunter. Sie atmete einige Male tief ein und aus, bevor sie weitersprach. „Ich habe das Ergebnis von meinem Frauenarzt bestätigen lassen. Ich bin schwanger, in der siebten Woche. Mit deinem Kind.“ Ihre Stimme war immer flehender geworden, doch sie wusste selbst nicht, was sie sich erhoffte. Dass das Kind in ihr plötzlich verschwinden würde, wenn sie ihm die Wahrheit sagte? Dass er das Kind annehmen und sie unterstützen würde? Dass er eine Lösung für all ihre Probleme parat haben würde? Das Schweigen, das die Leitung belegte, kam ihr vor wie eine Ewigkeit, und mit jedem weiteren Augenblick spürte sie, wie bittere Tränen sich ihren Weg in die Freiheit kämpften, bis sie es schließlich nicht mehr aushielt und ihre Verzweiflung sich als Hilferuf befreite. „Nun sag doch etwas-“ „Mach es weg.“ Mit diesen Worten wurde das Telefonat beendet, und mit bebender Brust saß Judy da, während die unterbrochene Leitung unbarmherzig in ihren Ohren rang. Langsam ließ sie das Telefon sinken, und ein leises Schluchzen drang aus ihrer Kehle. Sie war schwanger. Von Boris Balkov. Und er wollte, dass sie ihr Kind tötete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)