Leave Time For Love von Aphrodi ================================================================================ Umi no Hi - Marine Day (1) -------------------------- Es war heiß. Zu heiß, wenn man Sakuma nach seiner Meinung fragte. Auf Okinawa war es noch einmal ein paar Grad wärmer als in Tokyo und selbst da war der Sommer dieses Jahr nur schwer erträglich. Die Klimaanlage zu Hause rettete ihn jedes mal wieder. Doch hier konnte er nicht in das innere eines gut klimatisierten Hauses flüchten.   Sie waren noch gar nicht lange auf Okinawa angekommen und trotzdem fürchtete Sakuma, dass sein luftiges Oversized-Shirt bald an ihm kleben würde. Kein schöner Gedanke. Ein Blick zu Kidou verriet ihm nicht besonders viel. Er wirkte gelassen und cool, so als ob ihm die Hitze nicht viel ausmachen würde. Wie viel davon allerdings nur ein Pokerface war, wusste er nicht. Das leichte Glitzern an Kidous Schläfen allerdings verriet, dass auch er schwitzte. Und Genda beklagte schon, dass er sich die Haare nicht mehr geschnitten hatte. Seine wilde, dicke Mähne hing ihm bis über die Schultern und heizte sowohl den Kopf als auch den Nacken ordentlich auf.   „Wir müssen dringend an den Strand. Ich muss mich abkühlen und meine Klamotten los werden“, bestimmte Sakuma und zupfte immer wieder an seinem T-Shirt, um sich einen leichten Windhauch über die Haut zu jagen. Es half immerhin wirklich ein wenig.   Für seinen Vorschlag erntete er einen kurzen Blick von Kidou, verlor die Aufmerksamkeit seines Schwarms dann aber wieder gegen die Armbanduhr, die teuer um dessen Handgelenk hing. Kidous Mundwinkel zuckten kurz, dann richtete er sich wieder an Sakuma und Genda.   „Zuerst müssen wir Tsunami treffen. Normalerweise wäre der Strand dafür genau der richtige Ort, aber heute dürfte es anders sein. Er sagte, er würde mit seinem Fußballclub an der Parade teilnehmen.“   „Und die findet wahrscheinlich nicht am Strand statt“, murmelte Sakuma hoffnungslos. Er seufzte kurz, aber nahm es dann mit Fassung. Die nötige Abkühlung würde er noch bekommen – ganz bestimmt. Und immerhin würde sein T-Shirt bei den Temperaturen in der Zwischenzeit ziemlich schnell trocknen...   Plötzlich regte sich etwas in seinem Blickwinkel und als er zur Seite guckte, sah er eine mit Wasser gefüllte Plastikflasche neben seinem Kopf. Er folgte dem ausgestreckten Arm mit den Augen und blickte in Gendas sanft lächelndes Gesicht. Für einen Moment griff er schweigend nach der Flasche, dann hellte sich auch seine verdutzte Mimik auf und verwandelte sich in ein Lächeln.   „Danke.“   „Nicht dafür. Bei der Wärme ist es wichtig, genug zu trinken, sonst dehydrierst du.“   Das wusste Sakuma natürlich auch – theoretisch – aber einen Genda dabei zu haben, der einen daran erinnerte, dass man trinken musste, war doch so viel bequemer. Ein bisschen erinnerte ihn das an seine Mutter, wenn er ehrlich war, aber auf der anderen Seite war es dann doch auch einfach ein Zeichen dafür, was für einen guten Freund er da hatte. Er nahm ein paar Schlücke aus der Wasserflasche und reichte sie dann an Genda zurück.   „Du auch“, kommentierte er knapp und folgte dann Kidou, der sich wieder in Bewegung gesetzt hatte. Und so entging ihm, wie Genda die noch geöffnete Flasche nahezu anstarrte, als wäre sie ein besonders wertvoller Gegenstand, dessen Berührung seine Lippen nicht würdig waren.       Noch bevor sie ankamen, war die leicht schrille, traditionell japanische Musik der Parade durch die Lautsprecher der Laternen zu hören und lotste sie auf den rechten Weg. Viel verpasst hatten sie offenbar noch nicht, denn ein Blick zur Seite verriet, dass erst eine überschaubare Anzahl an Wagen vorbei gefahren waren. Der Anfang der Parade war noch zu sehen. Im Grunde glich sich das Bild, das ihnen geboten wurde, auch stark mit dem, was sie schon in der Ferne sehen konnten. Es waren tatsächlich viele Wagen, die alle einem aus Holz geschnitzten Boot ähnelten – nur eben auf Rädern, doch das Fahrwerk wurde gut durch eine mit Stoff behangene Platte versteckt. An den Booten waren Lampions befestigt und verschiedene Trommeln brachten zusätzliches Flair. Ein paar Menschen waren auf den Wagen, der Großteil ging allerdings nebenher, trommelte, tanzte und sang, während ein paar der Teilnehmer den Wagen an einem Seil zogen, wie es auch schon die Fischer früher getan hatten.   Viele Paradeteilnehmer waren in traditionelle Kleidung gehüllt oder trugen zumindest grüppchenweise die selbe Happi – eine kurzärmlige Jacke, wie sie auf Festivals getragen wird. Eine zu Dreierreihen aufgestellte Menge aus vielen Damen mittleren Alters trug farbenfrohe, teils einheitliche Yukatas, die sie ebenso als kleine Grüppchen erschienen ließ wie die verschiedenen Teams, die die Paradeboote zogen. Und dennoch tanzten sie alle gemeinsam. Ihre sanften Bewegungen waren so synchron, dass sie eine wundervolle Einheit bildeten.   Lautes Gegröle zog die Blicke vieler auf sich – unter anderem auch die von Sakuma, Genda und Kidou. Es war schon von Weitem zu hören, obwohl der Wagen noch gar nicht vor ihnen vorbei fuhr. Und trotz der Entfernung war ein rosa Haarschopf zu erkennen, der sich langsam näherte. Sie waren mit Abstand der lauteste Wagen und offensichtlich hatten die Mitglieder des Fußballclubs viel Spaß und feierten sich selbst ungemein. Tsunami befand sich auf dem Dach des Schiffs, gemeinsam mit noch einem anderen Jungen und trommelte, was das Zeug hielt. Nur sein grölender Gesang war unstetiger als sein Trommelspiel, doch er gliederte sich damit perfekt in den chaotischen Krach ein, der von allen Mitgliedern aus ging. Einzig allein die Managerin ging mit einem ruhigen Lächeln hinter dem Wagen hinterher.   „Yo!!! Da seid ihr ja!“, brüllte Tsunami von seinem Wagen herunter. Kidou verzog keine Miene, aber Sakuma lächelte müde. Ihm war das ein wenig peinlich so vor all den Leuten mit Tsunamis lautem Organ. Dass der Junge in seinen Augen kaum Benimmregeln gelernt hat, wusste er schon. Doch das hier war ein ganz neues Level für Tsunamis große Klappe.   Die Jungs hoben grüßend die Hand, lächelten teilweise mit aufgesetzt guter Miene und- Ein Blick zu Kidou ließ Sakumas Herz einen Satz machen. Das Lächeln, welches gerade sein Gesicht zierte, war so schön, dass er Probleme damit hatte, seinen Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen. Allgemein sah er Kidou selten lächeln, aber die Art, wie er die Mundwinkel sanft und nur ein Stück weit hochgezogen hatte, sentimental und sehnsüchtig – da konnte er gar nicht anders, als ihm noch mehr zu verfallen. Dass er gerade starrte, bemerkte Sakuma gar nicht, so fixiert war er auf das fremde Gesicht. Und Kidou wirkte ja selbst viel zu sehr damit beschäftigt dem Wagen hinterher zu schmachten, als dass er irgendetwas mitbekommen würde.   „Wo treffen wir Tsunami gleich?“, mischte sich Genda in den Starrwettbewerb ein, den er eher skeptisch beobachtet hatte. Wenigstens half die Frage dabei, Kidou wieder von seinem Statuen ähnlichen Zustand zu befreien. Zu Sakumas Ernüchterung wischte es ihm allerdings auch das Lächeln vom Gesicht und seine Mimik wurde wieder so neutral wie zuvor.   „Folgen wir einfach der Parade, dann kommen wir automatisch da an, wo auch Tsunami und seine Freunde sein werden.“   Ohne auf Zustimmung zu warten, verließ Kidou den Straßenrand und kehrte zurück auf den Bürgersteig. Die anderen Beiden folgten, so wie sie es noch aus ihrer Teikoku-Zeit gewohnt waren. Wenn Der Kapitän sprach, dann wurde getan, was er sagte. Während Sakumas Blick so von hinten auf Kidou lag, bemerkte er langsam aber sicher, dass dieser verdammt oft und lange zur Parade schaute. Jedoch nicht, weil er interessiert das Geschehen verfolgte. Es war nicht mehr zu bestreiten, dass irgendetwas an Tsunamis Wagen seine Aufmerksamkeit fesselte.   Der Gedanke gefiel Sakuma ganz und gar nicht. Wieder schlug sein Herz schneller, aber es fühlte sich ganz und gar nicht mehr gut an – eher krampfend. Es tat weh. Doch irgendwie schaffte er es sich einzureden, dass alles nur seine Einbildung war. Sicher war da gar nichts und er interpretierte viel zu viel hinein – völlig zu Unrecht.   Langsam schlenderten sie vorwärts, passten sich dem Tempo der Parade an und hatten damit genug Zeit, um immer wieder in die Schaufenster der Cafés, Restaurants und kleinen Souvenirläden zu gucken. Es gab spezielle Tagesangebote auf Menütafeln, die bevorzugt aus Fisch oder anderen Meeresbewohnern bestanden, um den Tag gebührend zu feiern mit allem, was das Meer eben zu bieten hatte. Zu Sakumas Enttäuschung entdeckte er allerdings keinen einzigen Pinguin in den Schaufenstern oder an den Außenständen, dafür aber einen Haufen Wale.   Es dauerte nicht lange, da hatten sie beinahe den Strand erreicht und damit gleichzeitig den Endpunkt der Parade, an dem sich viele der Teilnehmer sammelten und auch die verschiedenen Wagen vorerst geparkt wurden. Die Stimmung war heiter und ausgelassen und die Truppe um Tsunami konnte es kaum erwarten, ihre Privatparty auszuweiten und damit die anderen Leute zu infizieren. Ein paar der Jugendlichen tanzten mit den Frauen mittleren Alters und überall hätte das wohl ein wenig schräg gewirkt. Hier auf Okinawa tickten die Uhren bekanntlich anders und so war es für keinen ein seltsamer Anblick, vermutete Sakuma jedenfalls den anderen Gesichtern nach zu urteilen.   „Yo! Da seid ihr ja wieder! Hat euch die Parade gefallen?“, fragte Tsunami lautstark und kam mit einem breiten Grinsen auf sie zu. Er war tatsächlich noch ein Stück gewachsen, wie Sakuma feststellte – im Gegensatz zu ihm selbst. Irgendwie warteten seine eigenen Wachstumshormone scheinbar auf irgendwas. Sogar Kidou wuchs ihm schon über den Kopf.   „Sie war sehr.... intensiv und ausgelassen“, merkte Kidou freundlich an und schob seinen Blick an Tsunami vorbei. Hinter dem Großen trat ein weiterer Junge heran, den Sakuma noch nie zuvor gesehen hatte. Seine Haare waren wuschelig blau, der Rahmen einer Brille umspielte seine lilafarbenen Augen. „Lange nicht gesehen, Otomura.“   „Und trotzdem noch wiedererkannt. Du hast dich nicht verändert, Kidou.“   „Du auch nicht“, bemerkte der Spielmacher mit einem Lächeln, das Sakuma stutzen ließ. Skeptisch beobachtete er die Interaktion zwischen den beiden, mischte sich dann aber selbst ein.   „Wir hatten das Vergnügen noch nicht. Ich bin Sakuma Jirou“, stellte er sich schließlich höflich vor – unbeachtet dessen, dass er sich in den Vordergrund drängte, damit Kidou und der Fremde ihren Blickkontakt lösten. Irgendein Instinkt in ihm alarmierte ihn bereits, doch er konnte ihn nicht deuten. Alles, was er wusste, war, dass dieser Tag nicht so schön werden würde, wie er sich das vorgestellt hatte. Und das, obwohl Fudou nicht da war.   „Otomura Gakuya, ein alter Klassenkamerad von Tsunami.“   „Genda Koujirou, freut mich.“   „Wenn das jetzt geklärt ist, dann können wir ja weiter! Das Meer wartet auf uns!“, stellte Tsunami energisch klar und war schon ganz heiß darauf ein paar Wellen zu reiten, so wie er sich sein Surfbrett unter den Nagel riss. Otomura holte währenddessen zwei Gepäckstücke aus ihrem Paradewagen und nickte ihnen dann zu, um aufzubrechen. Hinter einem „Tsunami! Hilf gefälligst beim Aufräumen!!!“, hastete Tsunami voller Elan davon.   Die Jungs taten es ihm gleich – in einem gemächlicheren Tempo – und Sakuma konnte die lang ersehnte Abkühlung gar nicht mehr erwarten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)