Schreibaufgabe 2016 von Felicity (Eine kleine Geschichte pro Tag) ================================================================================ Tag 12: Spiegel (Attack on Titan) --------------------------------- „Schwärmt aus und sucht nach Verwertbaren“, lautete Erwins simpler Befehl, als sie das ehemalige Dorf erreichten. Augenblicklich nahmen Späher auf den Hausdächern ihre Positionen ein und hielten Ausschnau nach Titanen, um nicht überrascht zu werden. Levi schmunzelte ironisch. Ihre Ausgangsposition war diesmal allerdings eher schlecht, das Gebiet um die Dorfruine war von Wald umgeben, der die Sicht erschwerte. Zwar war ein kleiner Bereich im Umkreis offenbar einmal für Landwirtschaft gerodet worden, aber die Sichtweite war trotzdem knapp genug, dass sie wirklich die Beine in die Hand würden nehmen müssen, bis die Späher Angreifer sahen. Levi schnaubte etwas mürrisch und sprang aber gehorsam von seinem Pferd ab, das natürlich brav auf der Stelle stehen blieb. Er streichelte ihm kurz automatisch über die Flanke, als es sich vorbeugte und auf dem verwahrlosten Boden an ein bisschen Unkraut knabberte. Sollte es nur. Levi warf einen schnellen Blick umher. Seit er das erste Mal einen dieser Orte betreten hatte, fragte er sich, wie das Leben vor den Titanen hier draußen gewesen sein musste. Es war nicht selten, dass sie ganz normale Alltagsgegenstände fanden, entweder in Hast zurückgelassen oder vergessen, wenn die Besitzer vermutlich ihr Ende fanden, ehe sie verstanden, was passierte. Aber das Leben konnte nicht so viel anders gewesen sein, als es heute in den Mauern war, denn bisher hatten sie wenig gefunden, dass ungewöhnlich gewesen wäre. Ein wenig seltsam war das vielleicht schon, wenn man bedachte, dass laut allen Geschichten mindestens einhundert Jahre vergangen sein sollten, andererseits gab es wohl in Mauern beim Kampf ums Überleben nicht so viele Möglichkeiten sich um Fortschritt Gedanken zu machen. Aber solche Grübeleien überließ er lieber Erwin, er selbst zog es vor sich nicht zu viele Gedanken darüber zu machen, warum etwas passiert war. Das hier und jetzt war wichtiger. Er lief also in das kleine Haus zu seiner rechten, dem sich offenbar noch niemand angenommen hatte. Das Dach hier existierte nicht mehr und Sonnenlicht fiel von oben hinein und beleuchtete eine einzige, sehr kleine Wohnstube. Ein einfacher Herd, die Überreste von einem Tisch und ein paar Stühlen und eine Schlafstätte. Alles war überraschend gut erhalten und scheinbar nur vom Zahn der Zeit beschädigt. Levi schmunzelte wieder leicht ironisch. Nun, Titanen interessierten sich wenig für menschliche Möbel ... Hier und da waren ein paar Dinge in Unordnung geraten, vermutlich von streunenden Tieren. Nichtsdestotrotz ging Levi in die Hocke und verzog leicht das Gesicht, als er die dreckige Truhe anfasste, die neben dem Bett stand und hineinsah. Er erwartete nicht groß etwas und so war er nicht überrascht, als ihm alte Kleidung und ein paar billig aussehende Schmuckstücke entgegen kamen. Unten drin lag eine silberne Platte. Er holte sie heraus, wenn es echtes Silber war, konnten sie es vielleicht gebrauchen. Etwas verdutzt stellte er fest dass sie sehr poliert war und sich das Licht der Sonne so arg brach, dass er blinzeln musste. Er neigte die Platte zur Seite und blinzelte nochmal. Ein mürrisch und unwillig dreinblickendes Gesicht sah ihm entgegen. Und nun verstand er, was er da in der Hand hielt. Das war ein Spiegel. Er hatte nie zuvor einen in der Hand gehalten, das war wohl für die meisten Menschen zumindest aus seinem Herkunftsbereich normal. Entgegen der gängigen Meinung hatte er eine grobe Ahnung, wie er selbst aussah - immerhin gab es Spiegelungen auch im Wasser oder unter bestimmten Lichtverhältnissen in Fensterscheiben. Es war allerdings das erste Mal, dass er sich wirklich scharf sah. Bestimmt eine Minute saß er etwas unschlüssig da, ehe er beschloss den Spiegel einzupacken. Nicht, weil er es für wichtig hielt sein Gesicht zu kennen, sondern, weil es Silber war. „Titanen!“ Der Schrei löste eine fast schon reflexartige Handlung aus und Levi sprang auf und direkt auf den Rücken seines wartenden Pferds. Eingeübt ritt die Truppe schnell davon und fast hätte Levi vergessen, was er noch in der Hand hielt, wäre da nicht Erwin neben ihn gekommen und hätte gefragt: „Ein Spiegel?“ Ein amüsiertes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Und, was sagst du zu deinem eigenen Gesicht?“ Natürlich konnte der Bastard sich denken, dass er sich nie selbst gesehen hatte. Levi warf Erwin die Silberplatte zu. „Genauso mürrisch, wie ich mich fühle“, erwiderte er nur knapp und ließ sich auf seine eigentliche Position ein Stück weiter hinten zurückfallen. Spiegel mochten interessant sein, aber man konnte gut ohne sie leben und weder hier draußen noch in der Welt, in der er aufgewachsen war, brauchte man sie. Das war was für die Adligen, die meinten, sie hätten das nötig, mehr nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)