An deiner Seite von kateling ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 1 -------------------- Kapitel 1: Ich weiß nicht warum ich das Foto überhaupt noch habe! Und vor allem: Warum hole ich es immer wieder raus und schaue es mir stundenlang an? Die Ecken sind schon ganz verknickt und die Worte in Raphaels akkurater Handschrift kann ich inzwischen in- und auswendig. »Danke für die schöne Nacht« »Belassen wir es dabei« »Raphael« Warum kann ich es nicht einfach dabei belassen? Warum kann ich ihn nicht einfach aus meinen Gedanken streichen? Die ganzen Fragen. Es war nur ein One-Night-Stand. Eine schöne Erinnerung. Nicht mehr. Und es ist inzwischen drei Monate her. Also warum denke ich immer noch ständig darüber nach? Vielleicht weil ich mir Raphaels Flucht am nächsten Morgen nicht erklären kann… Als ich runter in die Küche kam und Danny nach seinem Bruder fragte, meinte dieser Raphael sei wegen einem Notfall nach Hause gefahren. Ich hatte mich nicht getraut weiter nachzuhaken oder gar nach Raphaels Nummer zu fragen. Danny und Alina hatten schon Lunte gerochen, als ich überhaupt mit Raphael angefangen habe. Es hätte nur Fragen aufgeworfen. Fragen, die ich nicht beantworten wollte und immer noch nicht beantworten will. deswegen habe ich Alina auch nichts von dem Sex mit Raphael erzählt. Ich habe sie sogar deswegen angelogen. Sie hat gefragt, ob ich an jenem Abend Sex hatte. Dabei habe ich sonst nie Geheimnisse vor meiner besten Freundin und Mitbewohnerin. Ich habe ein schlechtes Gewissen und trotzdem… seufzend schiebe ich das Foto in die unterste Schublade meines Nachttischs. Genug über Raphael nachgedacht! Ich strecke mich ausgiebig und strecke meinen Fuß aus dem warmen Bett. Brr ist das kalt! Es ist Samstag kurz nach sechs Uhr. Schnell verlasse ich mein Bett, schnappe mir meine Klamotten und beeile mich ins Bad und unter die heiße Dusche zu kommen. Eigentlich stehe ich am Wochenende nie so früh auf. Aber heute muss ich meinen Eltern im Café aushelfen. Eine der Bedienungen ist abgesprungen und mit nur drei Personen ist der Ansturm am Wochenende kaum zu bewältigen. Das weiß ich aus Erfahrung. Ausnahmsweise verlasse ich das Haus mal ohne Frühstück. Aber ich fahre ja zu meinen Eltern… Und ich habe mal wieder Recht. Kaum bin ich durch die Hintertür des Cafés, umarmt mich meine Mutter. „Hallo, Süße! Ich habe gerade das letzte Blech aus dem Ofen geholt. Und Kaffee ist auch schon gekocht.“ Dann wuselt sie auch schon in die Backstube in der sie all die Köstlichkeiten herstellt für die das Café so bekannt ist. Und mit bekannt meine ich wirklich bekannt. Es ist zu jeder Jahres- und Tageszeit fast immer vollbesetzt und Mamas selbstgebackene Torten, Kuchen, Muffins, Plätzchen, Kekse, Pralinen und das ganze andere Süße sind berühmt berücksichtigt. Inzwischen steht das Café sogar in mehreren Reiseführern und im Gastronomieführer der Stadt. Vor ein paar Jahren sind meine große Schwester Antonia, die eigentlich nur Tony genannt wird, und ihr Mann Eric in das Geschäft eingestiegen. Sie helfen Mama in der Backstube und irgendwann werden sie das Café sicherlich übernehmen. Und das sicherlich mit Erfolg, denn Süßes Backwerk ist die Passion der beiden. Was man wie ich gestehen muss auch ansieht. Sie sind beide um die Taille etwas füllig, aber irgendwie passt das zu dem gemütlichen Flair, der hier überall herrscht. Ich schaue kurz in die Backstube wo Mama singend ein paar Törtchen verziert. Sie trägt eine hellblaue Schürze mit weißen Punkten, in ihrem braunen Haar hängt Mehl und an ihrer Wange klebt rosa Zuckerguss. Genau so kenn ich sie. Mama riecht immer nach etwas Süßem. Schokolade, Zimt, Honig… Diese Düfte begleitend mich schon mein ganzes Leben. Ich ziehe die Tür zur Backstube zu und gehe ins Café. Der Sitzbereich ist von der Auslage getrennt. Was wirklich sinnvoll ist. So viele wie sich ein Stück Kuchen zum mitnehmen holen. Trotzdem ist es ein großer Raum. Alles ist in weiß und sonnengelb gestrichen. Die Möbel verschnörkelt. Auf den Bänken liegen geblümte Kissen. Und an der Decke hängen große silberne Leuchter. Mein Vater sitzt an einem der hinteren Tische in seine Zeitung vertieft. Ich ziehe mit einen Stuhl heran und setze mich vor die frische Tasse Kaffee, die schon auf mich wartet. „Morgen Papa!“ Seine braunen Augen richten sich auf mich. „Hallo, Mila!“ Dann vergräbt er sich wieder in seinem Sportteil. Mein Vater ist ein Morgenmuffel. Vor zehn Uhr ist er kein wirklich gesprächiger Mann. Ich bin das gewöhnt und doch ganz froh, dass ich in diesem Punkt eher nach meiner Mutter komme. Gute Laune am Morgen ist doch ganz schön. Ich mache mich über mein Frühstück her. Selbstgebackenes Brot mit Marmelade und einen von Mamas Schokomuffins, die einen verlässlich in den siebten Himmel katapultieren. Dann mache ich mich daran den Gastraum vorzubereiten. Ich stelle die Stühle von den Tischen, lege frische Tischdecken auf und richte das Dekor. Um viertel vor acht gehe ich in den Personalraum, dort treffe ich auf Nina. Eine der Bedienungen. Ein junges Mädchen, das nächstes Jahr ihr Abitur macht und hier samstags aushilft um ihr Taschengeld aufzubessern. Wir unterhalten uns über den neusten Klatsch, während wir unsere Arbeitskleidung anziehen. Sie besteht aus einem hellblauen ärmellosen Kleid mit kleinen Blüten am Saum. Dazu eine Schürze, Bolerojacke und Schuhe mit fünf Zentimeter Absatz in cremweiß. Um Punkt acht Uhr folgen wir meiner Mutter zur Eingangstür, wo sie aufschließt, das Tagesangebot auf die Kreidetafel neben der Tür schreibt und das Metallschild auf geöffnet dreht. Das ist mein liebster Moment im Café. Am Morgen, wenn es nach frisch gebackenem Kuchen und Kaffee riecht und Mama diesen kleinen Schritt tut um den Menschen einen schönen Moment zu bescheren. Es ist jeden Morgen dasselbe Ritual. Ein Ritual, das es schon so lange gibt wie ich denken kann. Kaum ist Mama wieder in ihrer Backstube verschwunden klingelt die kleine Glocke über der Tür das erste Mal. Der helle Ton hallt durch das ganze Café. Frau Schmidt betritt den Gastraum mit ihrem Rauhaardackel Albert. Frau Schmidt ist schon über neunzig. Sie war Mamas allererste Kundin. Seit inzwischen neunundzwanzig Jahren kommt Frau Schmidt jeden Samstagmorgen als erste in das Café, wie an dem Samstag, als Mama das erste Mal die Vordertüre aufgeschlossen und das Schild von geschlossen auf geöffnet gedreht hat. Ich begrüße die alte Dame und kraule den Dackel kurz am Kinn. Albert schmiegt sich schwanzwedelnd an mich. „Einmal das Tagesangebot und eine Tasse Milchkaffee!“ Das ist keine Frage von mir. Es ist seit neunundzwanzig Jahren jede Woche dieselbe Bestellung. Frau Schmidt schenkt mir ein Lächeln und setzt sich an einen Fensterplatz. Ich mache ihre Bestellung fertig und bringe sie zu ihrem Tisch. Da außer Frau Schmidt noch keine anderen Gäste da sind setze ich mich auf den Stuhl ihr gegenüber. „Wie geht es Ihnen? Wir haben uns ja schon länger nicht mehr gesehen!“ Sie nippt an ihrem Kaffee. „Ja, das ist wahr Kindchen! Mir geht es gut. Aber Alfred ist verliebt…“ Und dann höre ich ihr zu, wie sie von den neuen Mietern in ihrem Haus erzählt. Die haben eine Dalmatienerhündin in die der Rauhaardackel ganz verschossen zu sein scheint. Als die Türklingel leise läutet sehe ich auf. Ein junger Mann hat gerade das Café betreten und steht vorne am Tresen bei meiner Mutter. Sie wechseln ein paar Worte. Er ist groß, schlank, trägt einen anthrazitfarbenen Anzug und sein blondes Haar lockt sich leicht in seinem Nacken. Irgendwoher kommt er mir bekannt vor. Er sucht sich einen Platz ganz hinten. Ich will gerade zu ihm gehen um seine Betellung aufzunehmen, da winkt meine Mutter mich zu sich. Sie drapiert gerade ein Stück Kuchen auf einem Teller. „Lass mich ihn bedienen!“ Verwirrt sehe ich zu dem Gast. Mama bedient schon seit Jahren nur noch in Ausnahmesituationen selbst. Ihr Wirkungsbereich ist die Backstube. „Ich bediene hier seit ich vierzehn bin regelmäßig! Bin ich etwa so schlecht und du hast es mir nur all die Jahre verschwiegen?“ Wirklich ernst meine ich das natürlich nicht, aber ich würde es doch ganz gerne verstehen. „Natürlich nicht, Schatz!“ Mama sieht mich entschuldigend an. „Er ist nur sehr eigen. Es gab schon mehr als einmal Probleme mit den Bedienungen!“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch, komme aber nicht dazu weiter nach zu harken, denn Mama hat scheinbar die Bestellung fertig. Fragend sehe ich zu Nina, die gerade eine der Muffinplatten bestückt. „Ich kenne ihn nur vom sehen. aber er hat Amber einmal so zur Schnecke gemacht, dass sie geweint hat. Seit dem bedient ihn nur noch deine Mutter!“ Was muss der Mann gesagt haben, dass er die taffe Amber zum Weinen bringt? Aus dem Augenwinkel beobachte ich meine Mutter. Sie stellt das Tablett mit dem Kuchen und einer Tasse vor ihm ab und streicht ihm kurz über die Schulter. Huh? Was ist denn da los? Ich muss Mama später unbedingt nach ihm fragen! Bevor ich mich jetzt allerdings weiter Gedanken über den Fremden machen kann, betreten mehrere Kunden das Café. Während Nina sich um die Bestellungen zum mitnehmen einpackt nehme ich die in Angriff die ich im Gastraum an den Tischen nieder gelassen haben. So bekomme ich nicht die Gelegenheit meine Mutter auszufragen. Und das wird auch noch etwas warten müssen, denn das Café füllt sich immer mehr. Trotzdem ist der Gast, den meine Mutter so… ja mütterlich behandelt hat nicht aus meinen Gedanken zu verdrängen. Er kommt mir so bekannt vor. Immer wieder werfe ich ihm einen unauffälligen Blick zu. Als ich einen Tisch in seiner Nähe abräume sehe ich sein leeres Geschirr. Ich überlege kurz ob ich nicht besser meine Mutter herschicke, entscheide mich dann aber dagegen. Vielleicht kann ich meine Neugierde befriedigen! Ich trete an seinen Tisch. „Kann ich ihnen noch etwas bringen?“ Ich strecke meine Hand nach dem Geschirr aus, als er langsam den Kopf hebt und weißblaue Augen mich durchdringend anschauen. Mein Hirn ist wie leergefegt. „Raphael?!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)