Kapitel 11. Erlösung von ougonbeatrice (Eine Stunde bis zum Morgen) ================================================================================ Kapitel 1: Basis ---------------- In dem verzweifelten Versuch sich von der Klaue loszureißen, die seinen Kopf fest umklammert, greift er nach allem in seiner Reichweite. Sein Atem rast, obwohl er sich nach jeder verpassten Gelegenheit einen der größeren Steine zu packen zu bekommen, und damit eine weitere Gelegenheit sich in Sicherheit zu ziehen, fühlt als würde er ertrinken. Alles, was er zu fassen bekommt, ist die kalte Luft, die erbarmungslos durch seine Finger rinnt. Scharfkantige Steinchen kratzen Furchen in seine nackte Haut während seine Fingernägel endlich etwas finden, an dem sie sich festhalten können, obwohl sich allein die Berührung mit der sehnigen Hand, die viel zu groß war, als dass sie hätte menschlich sein können, unwirklich anfühlt. Wie eine leblose Puppe hatte dieses Ding ihn aus dem Wasser gehoben und zieht ihn nun Schritt für Schritt durch die dunklen Schächte der Mine. Er hatte versucht sich mit den Füßen dagegen zu stemmen, aber alles, was er damit erreicht hatte, war ein schmerzendes Knie. Als er zusammen mit Mike ins Wasser gesprungen war, hatte er sorgfältig darauf geachtet nicht völlig im Wasser unterzugehen. Nasse Füße zu haben war schon schlimm genug, da wollte man nicht auch noch nasse Klamotten am ganzen Körper haben. Doch als er angegriffen wurde hat ihn das Ding unter Wasser gedrückt bevor es ihn erbarmungslos durch das Nass mit sich zog. Sofort, als er in Kontakt mit dem Wasser gekommen war, hatte die Kälte seinen Atem geraubt. Josh hatte noch nie gut mit dem eisigen Gefühl umgehen können, welches sich während der Wintermonate in die Knochen schlich. Eigentlich müsste er solche Temperaturen gewohnt sein, lebte er doch in Alberta. Vor ein paar Jahren hat es einen Winter gegeben, während dem es nie wärmer  als -20°C geworden ist, aber für Josh war nicht einfach nur der Winter das Problem. Mehr als einmal, selbst während den heißesten Tagen des Jahres an denen die anderen die warme Brise genossen, zitterte er unkontrolliert, völlig unfähig sich selbst warm zu bekommen. Wenn er alleine war, war es am schlimmsten. Er hasst es alleine zu sein. Wenn er alleine war, gab es nur die Kälte, die nach ihm griff, und die Stimmen. Ein weiterer, scharfer Stein erinnert ihn daran, dass er jetzt, in diesem Moment, nicht alleine ist. "Nein, du bist nicht real. Du kannst nicht real sein", murmelt er immer wieder vor sich hin wie ein Gebet. Er hatte aufgeschrien vor Schmerz, als sein Kopf von der Klaue mit gezogen wurde und sein Schicksal damit besiegelte, weshalb seine Stimme nun nur noch ein Röcheln ist. All der psychische Stress und die Anstrengungen der letzten Stunden haben ihn an den Rand der Erschöpfung gebracht. Immer wieder verliert er für wenige Sekunden das Bewusstsein, wobei er jedes Mal beinahe den Halt an der Hand verloren hätte, doch er schafft es immer sich noch mit den Nägeln festzukrallen, bevor er ganz abgerutscht wäre. Seine Füße hängen nutzlos in dem völlig durchnässten Overall. Nur ein kaltes Brennen geht von ihnen aus, wenn er es wagt, sie zu bewegen. Warum ist er so nass? Für einige Sekunden ist er plötzlich völlig desorientiert und kann sich nicht erklären, weshalb in seinen Schuhen das Wasser steht. Mit einem Mal sieht er das Gesicht von Mike in den Schatten, der mit der Faust in seine Richtung ausholt. Josh verkrampft sofort seinen ganzen Körper in Erwartung an das, was gleich folgen würde. "Nicht. Nicht schlagen!", schreit er mit weit geöffneten Augen, wobei er zu ängstlich ist um seine Hände von der Klaue zu bewegen. So plötzlich, wie Mike in seinen Gedanken erschienen war, ist er auch schon wieder verschwunden. Mike ist nicht hier. Er war bei ihm gewesen, sie sind zusammen durch die Minen gelaufen auf der Suche nach einem Ausgang, nachdem sie sich von Sam verabschiedet hatten. Aber jetzt ist er fort. "Er muss doch da sein", wundert sich Josh. "Mike? Mike! Wo bist du Kumpel? Komm schon, erschreck' mich nicht so. Es ist Jessica, hab' ich Recht?" Während er spricht versucht er seinen Kopf nach hinten zu drehen und so eine bessere Sicht auf seine Entführerin zu bekommen, doch der Griff hält ihn auf Position. Röchelnd entgleitet ihm ein leises Lachen. "Jessica ist in einem Kostüm!", atmet er schwer aus. "Jess! Jess, du hast mich erwischt. Lass mich bitte los. Sam, bitte. Sag' denen sie sollen aufhören!" Sam wird ihm helfen, redet er sich ein. Sam ist immer auf seiner Seite. Sie war da, zusammen mit Mike, also kann sie nicht weit weg sein. Das Gefühl wieder allein in der Höhle zu sein überrollt ihn und verdreht seinen Magen. Er bekommt kaum Luft. "Sie war hier." Sam's Worte hallen von den Wänden wieder. "Wer war hier?", fragt er heiser. "Sie hat Beth ausgegraben und –" "Du hast Jessica umgebracht." "Nein! Ich WAR es nicht!", schreit er den Anschuldigungen Mikes entgegen, bis ihm die Stimme bricht. "Josh, sie war hier unten. Wochen … einen Monat." " – hat Beth ausgegraben und –" Plötzlich glaubt er sich übergeben zu müssen. Das Bild eines schlichten, gleichzeitig aber auch vertrauten Schmetterlings erscheint vor seinem inneren Auge. Er erinnert sich, wie Hannah ihn nach seiner Meinung zu einem möglichen Tattoo gefragt und wie er sie ungläubig angestarrt hatte. Ein Tattoo war nichts, was er seiner schüchternen, kleinen Schwester zugetraut hätte. Am Ende hatte er über ihre Alternative statt sich ein Tattoos stechen zu lassen einfach fortzurennen gelacht und sich für das kleinere Übel entschieden. Die Szene schien Äonen her zu sein. Denselben Schmetterling hat er auf dem Arm der Kreatur hinter ihm gesehen. Die andern würden nicht mit seinen Erinnerungen an seine Schwestern spielen nur um ihm einen Streich zu spielen. Das würden sie nie tun.   "Du bist allein." Wieder einmal erinnert ihn die Stimme seines Doktors daran, dass er seine Freunde verloren hatte und dass sie durchaus in der Lage wären, ihm wehzutun. "Nein! Verschwinden Sie!" Egal was passiert, die anderen würden nie derart mit ihm spielen, setzt er in Gedanken nach. Ein lautes Kreischen durchbricht die Stille der Mine. Die ganze Zeit über hatte er nur seinen eigenen Atem und das Rauschen seines Blutes in den Ohren hören können, zusammen mit dem Schlurfen, das sein eigener Körper verursacht, der über Stein und Geröll gezogen wurde. Dieser plötzliche Ausbruch an Lärm lässt ihn zwar zusammenfahren, aber er bringt seinen Verstand auch zurück in die Realität. "Hannah." Das Wort ist nur ein Flüstern, doch Josh selbst ist so klar wie seit Stunden - vielleicht sogar wie seit Monaten - nicht mehr. "Han", ruft er ein zweites Mal. Ein scharfer Schmerz durchzieht seinen Nacken, als er hochgehoben wird. Einen kurzen Moment erwartet er das Gesicht seiner Schwester zu sehen, doch stattdessen spürt er, wie er durch die Dunkelheit geschleudert wird nur um kurz darauf etwas Hartes zu treffen. Dumpf kommt sein Körper auf dem kalten Boden zum Stillstand, doch der Aufprall hat jegliche Luft aus seinen Lungen gepresst, weshalb Josh erneut hustend nach Sauerstoff keucht. Es dauert ein paar Momente, bis er sich gesammelt hat, soweit es ihm möglich ist. Wie ein Kind rollt er sich auf dem harten Untergrund zusammen und umklammert seine Knie. Dabei sickert unter dem Druck seiner Finger etwas Wasser aus dem Stoff seiner Kleider, was etwas von dem getrockneten Blut und Schmutz von ihm wäscht. Während der letzten Stunden wurde er geschlagen, angebrüllt, herumgeschleift und mental attackiert sowohl von seinen Freunden als auch von seinen eigenen Albträumen.  Er hat nun einen Punkt erreicht, an dem sein Körper und sein Geist vor dem Zusammenbruch stehen. "Tief einatmen, Josh. Tief einatmen", ermutigt er sich selbst in den Boden hinein pustend um sich zu beruhigen, aber jeder Atemzug schickt Wellen des Schmerzes über seinen Rücken. All das Ziehen und der Wurf haben quälende Spuren hinterlassen. Als er den harten Stein mit dem Rücken zuerst getroffen hat, hat er sich aus Versehen in die Lippe gebissen. Während er das metallische Blut herunterschluckt hört er ein unangenehmes Knirschen direkt in seinem Kopf gefolgt von einem ekligen Gefühl auf seinen Zähnen. Etwas Staub und Dreck hat den Weg in seinen Mund gefunden, allerdings kommt Josh nicht auf die Idee auszuspucken, um sich dadurch vom bitteren Geschmack auf der Zunge zu erlösen. Während er auf dem Boden liegt rechnet er damit, dass Hannah in irgendeiner Weise reagieren würde – handeln würde -, aber der erwartete Angriff bleibt aus. Hannah würde ihn langsam umbringen, anstatt sein Genick innerhalb von Sekunden zu brechen, was ihm damit einen schnellen Tod bescheren würde. Sie würde ihn quälen wie seine Albträume es tun, da ist er sich sicher. Er kann nicht mehr. Er hatte geglaubt, wenn er ihnen erst ihre Fehler vorgezeigt hätte und sie alle im Laufe des Prozesses dadurch geheilt sein würden, dann würden sie ihn verstehen. Seine Gedanken hatten ihnen gegolten, der Gruppe, die er wieder zusammenbringen wollte, aber alles ist schief gelaufen. "Es war doch nur ein Spiel. Ich wollte niemandem weh tun." Wieder droht er abzudriften, als ein Schrei in der Ferne davon abhält das Bewusstsein zu verlieren. Ohne den festen Griff am Kopf kann er sich endlich wieder frei bewegen und damit seine Umgebung begutachten. In der Dunkelheit sieht er allerdings noch nicht einmal die eigene Hand vor seinen Augen. Als er sich nach etwas leuchtenden umschaut um sich besser orientieren zu können, entdeckt er zwei bleiche, aber leuchtende Punkte nicht weit von ihm. Josh streckt langsam seine Füße aus, während er versucht, sich selbst vom Boden hoch zu drücken. Stück für Stück kämpft er sich laut stöhnend nach oben, bis er schließlich fast aufrecht in der Höhle steht. Er fühlt sich, als hätte er eines dieser verdammten Schweine hochgehoben, anstatt seinen eigenen Körpers. Zuerst glaubt er, seine Knie sind einfach zu schwach um ihn sicher auf den Beinen zu halten, doch als er den unnatürlichen Zug der Schwerkraft bemerkt wird ihm schnell klar, dass das eigentliche Problem das zusätzliche Gewicht der mit Wasser vollgesogenen Kleider ist. In seinen Schuhen schmatzen seine durchnässten Socken unangenehm hin und her, als er ein paar unsichere Schritte geht, und bringen ihn damit beinahe wieder zu Fall. Jede Sekunde, in der er sich nach oben gekämpft hatte, war sein Blick auf die schwebenden Punkte fixiert gewesen. Seit er sie zuerst gesehen hatte, hatten sie sich noch nicht bewegt. Noch immer den Blick auf die einzige Lichtquelle gerichtet, streckt er unsicher die Arme aus in der Hoffnung, irgendetwas zu fassen zu bekommen. Seine Finger streichen über feuchten Untergrund, was er als Höhlenwand identifiziert, gegen die er sich sofort lehnt, um seine Beine zu entlasten. Statt normal zu laufen zieht er seine Beine eher nur hinterher. Zunächst fühlt er sich besser, als er beinahe eine Position gefunden hat, die seinen Körper schont, als er plötzlich gegen etwas Hartes stößt. Der Schock bleibt ihm im Hals stecken, während es passiert. In der Dunkelheit hat er einen großen Felsen übersehen, der aus dem Boden ragt und ist gegen ihn gerempelt. In der Hoffnung das Gleichgewicht zu halten wedelt er wild mit den Armen, kann seinen Fall aber nicht verhindern. Zusammen mit seinem eigenen Gewicht hört er mehrere dumpfe Aufschläge, gefolgt von einem lauten Getöse. Während seines Sturzes und seines kläglichen Versuches sich noch aufzufangen hat er mehrere kleinere Steine, die auf dem größeren gelegen hatten, mitgerissen. Josh muss seine Ohren bedecken, da er den plötzlichen Lärm zu viel für ihn ist. Beinahe sofort kommt auch Hannahs wütendes Gekreische dazu, das wieder und wieder von den Wänden zurückgeworfen wird. Wie ein Blitz kommen ihm die Punkte entgegen. 1.     "Rede mit Hannah." 2.     "Verteidige dich."   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)