Abgeblitzt von Lyndis (KaiXRei) ================================================================================ Kapitel 2: Spiel mein Spiel --------------------------- Kai   Es war so peinlich gewesen. So unsagbar, unsagbar peinlich. Er hatte es gestern tatsächlich getan. Er hatte dem ganzen Club gestern offenbart, dass der Chinese, der scheinbar jeden Samstag einen anderen mitnahm, ihn hatte abblitzen lassen. Yuriy hatte es besonders amüsiert mit anzusehen, wie ihn jeder einen Schlappschwanz genannt hatte. So war der einzige Trost, dass auch jeder andere, der behauptete, mit dem Kleinen geschlafen zu haben, nicht besser war, als er selbst. Im Gegenteil. Er log wenigstens nicht, nur um seinen Stolz zu schützen. Allerdings hätte er dieses Geheimnis normalerweise auch nicht Preis gegeben. Jeder der ihn danach gefragt hätte, hätte nur einen abweisenden Blick bekommen und damit wäre die Sache gegessen gewesen. Lügen lag ihm nicht recht. Das war eine Schwäche, die er nur zu dem gewöhnlichen Fußvolk gerne überließ. Manchmal allerdings, erforderten bestimmte Spiele auch bestimmte Regeln. Und in diesem Spiel war eine Regel gewesen, dass er nur weiter kam, indem er seinen Stolz fallen ließ. Es war schwer gewesen und hatte weh getan, aber das war es Wert gewesen. Denn jetzt saß er in einem kleinen, gemütlichen Café und wartete auf seine Gegenleistung: Einen Kaffee mit dem Objekt seiner Begierde. Wobei er sich solcherlei Gedanken wohl abgewöhnen sollte. Sollte sein zukünftiger Freund je herausfinden, dass er ihn objektifizierte, wäre der Traum vom neuen Freund schnell ausgeträumt.   Als er dann endlich die Eingangstür passierte, konnte Kai nicht anders, als zufrieden zu lächeln. All die Strapazen gestern, waren es wirklich wert gewesen. Er stand auf, wie es sich eben gehörte und mehr aus Reflex zog der den Stuhl dem seinem gegenüber unter dem Tisch hervor, damit der Andere Platz nehmen konnte. "Huh, was ein Gentleman", kam es leicht spottend von Rei, der offensichtlich noch nie so behandelt worden war und es als übertrieben empfand. Kai zuckte nur lässig mit den Schultern: "Erziehung." Und setzte sich wieder, nachdem sein Date ebenfalls saß. "Wer erzieht seine Söhne denn heutzutage noch so altmodisch?", feixte Rei mit einem leichten Grinsen. Kai war sich nicht ganz sicher, wie er darauf antworten sollte. Es schreckte viele ab, wenn man ihnen sagte, dass man ein reicher Konzernerbe war. Andererseits wollte er ehrlich sein. Das war schließlich etwas, was der andere schätzte, also wich er der Frage nicht aus: "Multimillionäre und Konzerninhaber schätze ich." Er sagte das so locker wie möglich, damit es nicht so rüber kam, als wolle er damit angeben. "Und zu welcher Kategorie gehörst du?" Kai hob teils skeptisch, teils verwirrt eine Augenbraue. So schwer war der Wink doch nun nicht zu verstehen gewesen, oder? "Zu beidem." "Wie schade." Hä? Scheinbar musste sein Gesichtsausdruck ausnahmsweise Bände gesprochen haben, denn der Chinese begann breit zu Grinsen: "Na, ich dachte, wenn ich mir schon einen reichen Schnösel angele, dann wenigsten einen Multimilliardär. Millionen sind so schnell ausgegeben."   Kai musste tatsächlich lachen, während sich gleichzeitig ein warmes Gefühl in seinem Bauch ausbreitete. Rei hatte nicht nur kein Problem mit seiner Abstammung, er war auch noch schlagfertig. Das mochte er an anderen. "Du kannst ja sogar lachen.", schmunzelte Rei. "Ich dachte schon, man hätte dir auch die kühle Geschäftsmiene anerzogen." "Gewöhn' dich besser gar nicht erst dran. Oft bekommt man das nicht zu hören." "Dachte ich es mir. Du bist also wirklich ein alter Griesgram." "Oh, du hast keine Ahnung." Kai pausierte kurz ehe er fortsetzte: "Aber reden wir doch einmal darüber, warum du es tunlichst vermeidest über dich zu reden. Du zwingst mich ja förmlich in die Position, über mich zu reden. Und eigentlich bin ich der, der in Konversationen für gewöhnlich schweigt und zuhört." Doch Rei zuckte nur die Schultern und lächelte: "Ich bin eben ein sehr zuvorkommender Mensch. Außerdem sollten Leute mit deinem Ego doch sehr gerne von sich sprechen, oder?" "Du lenkst schon wieder von dir auf mich. Anscheinend ist das ein Schema." Er würde sich nicht platt reden lassen. Sie beide waren hier um sich kennen zu lernen, nicht, damit sein Gegenüber ihn ausfragen konnte. Er würde heute auch etwas über ihn erfahren, dafür würde er schon sorgen. "Ich bin ziemlich langweilig." "Sagt der Kerl, der reihenweise Kerle abschleppt und keinen von ihnen ran lässt." "Ich denke, das macht mich nicht unbedingt zu einer interessanten Person." "Und ich denke, dass nichts an dir langweilig ist. Sonst hättest du niemals meine Aufmerksamkeit bekommen." Amüsiert hob Rei eine Augenbraue: "Ach, das heißt also, du warst nicht hinter mir her, weil ich offensichtlich jeden mitgenommen habe und dir gar keine Beachtung schenkte?" "Du schenkst niemandem Beachtung. Du tanzt einfach nur und hast deinen Spaß. Du machst das nicht um von irgendwem Aufmerksamkeit zu bekommen." "Ja,", seufzte der Chinese theatralisch. "Hübsch zu sein ist eine ganz schöne Bürde." Kai musste abermals schmunzeln. Der Kleine gefiel ihm wirklich. Er war eine Herausforderung, aber auch nicht so kompliziert wie Yuriy. Und er war definitiv nicht zu sehr wie Kai selbst. Sie würden sich sicherlich gut ergänzen.   "Was muss ich tun, damit du mir etwas von dir verrätst?" "War die Abmachung nicht, dass wir einfach einen Kaffee zusammen trinken? Ich wusste nicht, dass das mit der Verpflichtung zu reden einher geht." Das würde noch ein langer Nachmittag werden. Doch bevor er antworten konnte, kam die Bedienung und nahm ihre Bestellungen auf. Er ließ seinem Date den Vortritt und bestellte dann einen schwarzen Kaffee. "Wir trinken offensichtlich aber keinen Kaffee zusammen. Du hast gerade Grünen Tee bestellt." Mal sehen wie er sich da wieder heraus wand. "Kaffee oder Tee ist egal. Es ist der gleiche Wirkstoff drin. Es ist nur eine andere Pflanze aus der die Getränke gewonnen werden." "Wenn du das einem Kaffee- oder Teeliebhaber erzählst, bringt der dich um." Rei grinste daraufhin nur breit: "Weiß ich. Ist dennoch Fakt." Er hätte jetzt darüber zu diskutieren beginnen können, aber er ließ das Thema einfach fallen. Es würde zu viel Zeit kosten und ihm immer noch nichts über seinen Gegenüber verraten. "Du solltest Anwalt werden...", murmelte Kai, mehr zu sich, als zu seinem Date. "Du schaffst es außerordentlich gut abzulenken." Kurz musterte er ihn, dann fuhr er mit einem leichten Schmunzeln fort: "Du hast gesagt du würdest mich angeln. Also gibt es eine Verpflichtung. Du bekommst mich nicht, wenn ich nichts über dich weiß." Doch das brachte Rei nur zum Lachen: "Was? Das halte ich für ein Gerücht. Ich hätte dich längst, wenn ich dich gelassen hätte, wie du wolltest. Wenn ich dir sagen würde, dass ich nichts dagegen hätte mit dir auf die Toilette zu verschwinden um ein wenig Spaß zu haben, würdest du ganz sicher nicht nein sagen." In gekränktem Stolz hob Kai eine Augenbraue und musste sich zurückhalten, auf diese Beleidigung nicht einzugehen. "Schon wieder ein Ablenkungsmanöver", zischte er unter zusammengebissenen Zähnen. Der Kerl war wirklich hervorragend mit Worten. Wenn es mit dem Zusammenkommen nicht klappte, konnte man durchaus über eine Karriere in seiner Firma nachdenken. Gute Redner waren immer brauchbar. Wenn das aber so weiter ging, würden sie niemals voran kommen und er nichts neues erfahren. Also musste er seinen Stolz hinunter schlucken und den Schlag einstecken. Da musste er wohl mit einer anderen Taktik ran. "Hm... nun. Wie wäre es, wenn wir das Ganze ein wenig effektiver gestalten. Du darfst mich etwas fragen, worauf ich möglichst vollständig und natürlich wahrheitsgemäß antworte und dann darf ich dich etwas fragen. Du musst natürlich genauso vollständig und wahrheitsgetreu antworten." "Das klingt interessant." "Du darfst aber nicht wieder ablenken. Eine Frage, eine Antwort, dann bin ich dran." Rei schien den Nutzen davon abzuwägen und offensichtlich hatte er gut genug gezeigt, dass er nicht gewillt war nachzugeben, denn sein Date nickte. Sehr schön. "Dann fang an." Rei musste nicht einmal lange überlegen, ehe er zu grinsen begann und seine Gedanken aussprach: "Was ist das peinlichste, was dir je passieren könnte?" Schmunzelnd hob Kai eine Augenbraue. "Du bist echt darauf aus mich fertig zu machen, oder?" Er seufzte kurz, antwortete aber noch nicht, da ihre Getränke kamen und er erst einmal einen Schluck von seinem Kaffee nahm. Er musste nachdenken, wenn er ehrlich war. Es gab viel was passieren konnte, was ihm peinlich wäre, aber das Peinlichste? Das war schwierig. "Ich bin mir nicht sicher.", antwortete er dann wahrheitsgemäß. "Aber ich schätze, wenn ein Foto von mir in die Lokalen Wirtschaftszeitungen käme, in denen ich Frauenkleider trage oder ähnliches und dabei in einer eindeutig submissiven Situation mit einem anderen Kerl zu sehen wäre, würde ich wohl sterben vor Scham. Natürlich würde ich mir das nicht anmerken lassen. Ich würde jeden umbringen, der das auch nur erwähnt und meine Geschäftspartner wissen das, aber... dennoch. Mein Ego würde das wohl nicht ertragen. Dennoch kann ich nicht sagen, dass das wirklich das Peinlichste ist. Möglich, dass es noch Schlimmeres gebe, aber es fällt mir sonst nichts ein." Er war so ehrlich wie er konnte. Allein die Vorstellung ließ ihn schon unangenehm erschauern. So was durfte definitiv niemals passieren. "Du trägst also Frauenkleider?", feixte sein Gegenüber, doch darauf ging er gar nicht ein. "Das musste du dir für deine nächste Frage aufheben." Ein wenig Enttäuschung blitzte in Reis Augen auf, doch darum scherte sich Kai nicht weiter. Regeln waren Regeln. Er war dran und er wollte etwas langsamer starten, als sein Date. Wenn das hier funktionieren sollte, musste er vorsichtig sein. "Was tust du beruflich?" Das war doch ein schöner Einstieg. Unkompliziert und er erfuhr einiges dadurch über den Anderen. Taktisch sehr klug, wie er dachte. Als allerdings etwas herausforderndes in Reis Augen aufblitzte, war er sich nicht mehr so sicher. Schelmisch grinste er, als er antwortete: "Ich bin Callboy." Für einen kurzen Augenblick wurde Kai schlecht, bis Wut in ihm aufstieg. "Was soll das?", zischte er und wollte gleichzeitig lachen. "Die Regeln lauten, die Wahrheit zu sagen!" Er war schließlich auch ehrlich gewesen, warum tischte er ihm jetzt so eine offensichtliche Lüge auf? Doch Rei legte nur den Kopf leicht schief und grinste: "Du wirfst mir also vor zu lügen? Das ist aber nicht sehr nett. Es ist nicht einfach so etwas auszusprechen."   Warum tat er das? Er verstand es nicht. Das war so dermaßen offensichtlich eine Lüge. Warum hatte er ihm nicht etwas anderes erzählt? Etwas weniger eindeutiges? Rei war offenbar äußerst intelligent und gut mit Worten, wie konnte er ihm dann so etwas auftischen? Dachte er tatsächlich, er würde damit durchkommen? Was konnte er so schlimmes tun, dass er lieber behauptete ein Callboy zu sein? War er arbeitslos? Drogendealer? Oder hatte einen Sugar-Daddy der ihn unterstützte? Viel mehr konnte er sich nicht ausdenken, was Rei dazu verleiten könnte, so etwas zu behaupten. Nein, er verstand das ganze nicht. Und er war ziemlich beleidigt, wenn er ehrlich war. Wollte er tatsächlich mit jemandem zusammen sein, der ihn derart anlog? Am liebsten wäre er jetzt aufgestanden und wäre gegangen, aber sein Stolz verbot ihm das. Er hatte so lange gebraucht um hier her zu kommen, erst einmal würde er jetzt nicht umkehren. "Nun gut... Lassen wir das erst einmal so stehen. Du bist dran." Er konnte nicht beweisen, dass er log, aber vielleicht konnte er ihn in eine Falle locken. Lügen waren immer schwer aufrecht zu erhalten, wenn es immer mehr in Details ging.   "Du trägst also Frauenkleider?" "Nein. Ich bin nicht der feminine Typ. Mir ist meine Männlichkeit sehr wichtig." Er war nicht mehr wirklich scharf darauf besonders ausführlich zu antworten. Das Ganze hier frustrierte ihn nur. Aber jetzt war er wieder an der Reihe und mit raubtierhafter Freude versuchte er den Anderen aus der Reserve zu locken: "Wenn du also Callboy bist... warum kennt dich niemand aus dem Club? Warum erkennt dich keiner? Ich bezweifle, dass niemand von denen jemals nach Callboys gesucht und dich dann dabei nicht gefunden hat." Doch entgegen seiner Hoffnung blieb Rei ganz ruhig, was die Frustration von Kai nur noch höher trieb: "Ich bin bi. Ich arbeite nur in der Heteroszene und vergnüge mich Samstags in einem Schwulenclub, weil ich weiß, dass mich dann niemand erkennt. Bisexuelle suchen auf einer Heteroseite nicht nach Kerlen. Und falls mich doch jemand erkennt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sich traut das weiter zu geben, sehr gering. So was ist trotz allem ja noch sehr verpönt. Das traut sich nicht jeder zuzugeben."   Das klang frustrierend logisch. War es vielleicht doch möglich...? Nein.. nein, das gab man nicht einfach so zu. Vor allem nicht, wenn man vorher so sehr darauf bedacht gewesen war, eben gar nichts über sich preis zu geben. Hmpf... dann musste er eben auch noch logischer werden. Das wurde ja geradezu wie zu einem Wettkampf. Interessant, auch wenn er immer noch sauer darüber war, dass der andere log. Nun war Rei wieder an der Reihe und er war wirklich gespannt, was er noch auf Lager hatte: "Was ist deine geheimste Sexfantasie?" Kai hätte sich fast an seinem Kaffee verschluckt. Was hatte er auch anderes erwartet? Offenbar versuchte der andere ihn schon von Anfang an zum Aufgeben zu bringen. "Ist... ist das dein Ernst?" Natürlich war es das, aber er brauchte die kurze Zeit zum nachdenken. Das selbstsichere Lächeln seines Gegenübers nahm ihm aber selbst das. Was sollte er jetzt antworten? Sollte er lügen? Nein.. das kam für ihn wirklich nicht in Frage. Genauso wenig wie das Spiel abzubrechen. Wahrscheinlich wäre er rot geworden, wenn er seinen Körper nicht dermaßen gut unter Kontrolle hätte. Seine Fantasien waren wirklich etwas, worüber er noch nie mit irgendwem gesprochen hatte. Das kam vor allem daher, dass er nie vor hatte, sie umzusetzen. Niemals. Warum sie also preisgeben? Aber scheinbar zwang ihn der Chinese dazu, viele seiner eigenen Grenzen zu überschreiten. Das war schwer, weil er sich nicht anmerken lassen wollte, dass es ihm schwer fiel.   So stellte er betont gelassen die Tasse wieder ab, und lehnte sich etwas nach vorne um zu zeigen, dass er nicht zurückschreckte. Ein leichtes Grinsen umspielte seine Lippen, als er antwortete: "Das wird dich enorm langweilen. Aber wie du möchtest. Ich bin ein Geschäftsmann und ich bin es gewohnt, alles unter Kontrolle zu haben. Ich brauche das. Aber das verhindert, dass mein Kopf zur Ruhe kommt. Demnach ist meine geheimste Fantasie einfach nur eine logische Schlussfolgerung daraus: Ich sehne mich im Geheimen danach, dass mich jemand vollkommen dominiert, mich unterwirft und mir die Macht nimmt etwas dagegen zu tun. Er soll die Kontrolle übernehmen und sich von meiner sonst dominanten Art nicht aufhalten lassen. Für eine Session soll er mich brechen und dafür sorgen, dass ich nichts unter Kontrolle habe und, dass mich genau das kein Stück stört." Sein Gesprächspartner schien nicht beeindruckt oder, falls er es war, zeigte er es nicht. Unbeirrt fuhr Kai also fort: "Das wird allerdings niemals geschehen. Es ist und wird eine Fantasie bleiben." Er gab Rei nicht einmal die Chance irgendetwas dazu zu sagen, denn er wollte wirklich nicht darüber reden. So fuhr er mit seiner nächsten Frage fort: "Wenn du Callboy bist, solltest du dann nicht Samstags arbeiten? Gerade am Wochenende sollte das Geschäft doch eigentlich brummen." Er war sich sicher, dass er ihn damit hatte. Daraus könnte er sich nicht heraus winden.   "Das ist Absicht. Ich bin sehr beliebt. Und wenn du bemerkt hast: Ich komme früh und ich gehe früh. Den Rest der Nacht arbeite ich dann. Dass ich in der frühen Samstag Nacht nicht buchbar bin, kurbelt das Geschäft an. Sobald ich nach Hause komme, habe ich einen Haufen von Aufträgen." Kai war bewusst, dass dieses Prinzip tatsächlich funktionieren konnte, war sich aber nicht sicher, ob das in diesem Milieu tatsächlich so klappte. Das war wirklich etwas, dazu konnte er keine Aussage treffen. Warum hatte der Kerl zu jeder Frage eine passende Antwort? Hatte er solche Gespräche schon öfter geführt? War es eine Art Standardlüge? Das würde erklären, warum er dabei so ruhig blieb. Irgendwie war das dennoch merkwürdig. Und langsam gingen Kai die Fragen aus.   "Hast du dir schon mal einen Callboy gerufen?" "Ja." Und das gab er ganz schamlos zu. Er schämte sich für so etwas nicht. "Mein erstes Mal mit einem Kerl war mit einem Callboy. Ich habe das Geld um mir ein anständiges Etablissement auszusuchen und darauf zu achten, dass keine Krankheiten im Spiel sind. Als ich rausfand, dass ich schwul bin, habe ich sehr mit mir gehadert. Und ich dachte ich bekomme diese Fantasien von Kerlen aus meinem Kopf, wenn ich einfach mit einem schlafe und dann feststelle, dass es ekelhaft ist oder so etwas. Ich wollte mir aber niemanden angeln, weil das zu viel Aufmerksamkeit hätte geben können. Ein Callboy hält für gewöhnlich seine Klappe, wenn man ihn gut genug bezahlt und ihn gut behandelt." Er hielt sich nicht zurück, versuchte es nicht zu beschönigen. Wenn Rei darauf bestand, dass er mit in diese Berufsgruppe fiel, dann musste er eben auch ertragen können, dass die Welt nicht besonders viel von jemandem wie ihm hielt. Bestellte man so jemanden, war das immer nur Mittel zum Zweck.   "Warum führst du diesen Job aus? Ich kann mir kaum vorstellen, dass dir das Spaß macht. Und ich kann mir ebenfalls nicht vorstellen, dass du nichts besseres bekommen könntest." Doch Rei zuckte nur mit den Schultern. "Was besseres sicherlich. Aber ehrlich gesagt ist es gar nicht so schlimm und die Bezahlung stimmt." Langsam bekam Kai wirklich ein ungutes Gefühl. War es doch die Wahrheit?   "Kommen wir doch endlich zum eingemachten: Du als großer Konzernchef, dem seine Ehre und sein Stolz so wichtig sind und der Angst davor hat, dass Peinlichkeiten in der Zeitung über ihn erscheinen, könntest du mit einem Callboy zusammen sein?"   Plötzlich wurde sich Kai bewusst, dass sein Date das Spiel, was er als Waffe eingesetzt hatte, komplett gegen ihn verwendet hatte. Gott dieser Kerl war gut! Er trank den letzten Rest seines Kaffees und stellte die Tasse geräuschvoll auf den Tisch. "Die Dinge die du aufgezählt hast, würden mich nicht davon abhalten, eine Beziehung mit einem Callboy zu führen! Als ob es mich interessieren würde, was andere von mir denken." "Aber?" Ja, aber.... "Ich bin kein Mensch der gerne teilt.", gestand er dann. "Ich weiß nicht, ob ich es ertragen könnte, dass noch andere deinen Körper so berühren dürften wie ich. Ich bin nicht der Typ für irgendetwas offenes. Ich suche etwas Beständiges und Exklusives." Er zog dieses Schmierentheater wirklich durch. Ob er von Anfang an nicht vor gehabt hatte, dieses Treffen zu irgendetwas führen zu lassen? Hatte er vielleicht gedacht, er würde ihn nicht anders los? Was für ein billiger Trick. "Ich muss dich also enttäuschen. Eine Beziehung mit einem Callboy ist wirklich nicht drin für mich. Und da dieses Treffen dann wohl vorbei ist..." "Gut, ich wollte sowieso nur an dein Geld." Was? "Ich habe es doch von Anfang an gesagt. Nicht? Zu schade, dass es nicht funktioniert. Ich hatte gehofft du bietest mir an, mich raus zu kaufen."   Er verstand die Welt nicht mehr. Was war das? Was tat dieser Kerl da? Warum sagte er so etwas? Er war doch nicht dumm, das hatte er ihm doch schon bewiesen! Warum zerstörte er dann auch noch den Rest dieses Dates, gerade als er selbst es auflösen, ihn daraus hatte entlassen wollen? Das war vollkommen unlogisch!   "Was verbirgst du, Rei?" Mit kritischen Augen musterte er den Chinesen und versuchte dabei heraus zu finden, was los war. Doch der schien gar nicht antworten zu wollen. "Warum versuchst du so hartnäckig mich abzuweisen? Wenn du dich nicht mit mir treffen wolltest, hättest du von Anfang an 'Nein' sagen können. Ich bezweifle doch sehr, dass du mich einfach nur demütigen wolltest. Du bist ein so toller, interessanter und intelligenter Mann. Was ist los, dass du plötzlich so sehr anfängst zu beißen?"   Doch Rei lächelte nur, trank seinen Tee aus und stand dann auf. "Danke für die Einladung und für den Tee. Aber ich muss jetzt los." Und damit war der Kleine wieder weg. Verschwunden. Kai war schon wieder abgeblitzt und hatte schon wieder keine Ahnung, warum eigentlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)