Waldleben von kleines-sama (DoflamingoXCrocodile (AU)) ================================================================================ Kapitel 8: Part II: Schuld -------------------------- Mit dieser Frage hatte Doflamingo nicht gerechnet gehabt. Eigentlich wollte er den anderen Wolf fortscheuchen; ihm lagen bereits ein paar böse Worte auf der Zunge, doch er schluckte sie hinunter. Es verging etwa eine halbe Minute, ehe Doflamingo zu erzählen begann: „Vor zweieinhalb Jahren stieß mein Partner bei der Jagd zufällig auf drei Welpen, die in einer kleinen Kuhle im Erdboden lagen. Sie waren nackt und völlig schutzlos.“ Noch immer hegte Doflamingo keine Sympathien für Marco; doch trotzdem brachte er es einfach nicht über sich ihm seinen Wunsch zu verwehren. Wenn er selbst sich in Marcos Situation befände, dachte er sich, dann würde er auch in Erfahrung bringen wollen, was mit seinem Partner geschehen war. Und mit seinen Kindern. Auch wenn sie alle womöglich längst schon tot waren... Doflamingo wusste aus eigener Erfahrung, wie wichtig es war mit der Vergangenheit abzuschließen, damit man seinen Blick endlich wieder auf die Zukunft richten konnte. „Zuvor hatte ich bereits den Geruch eines weiblichen Gestaltenwandlers mit dem Tiergeist eines Wolfes ausgemacht“, fuhr Doflamingo fort. „Ich ahnte, dass es sich bei diesen Welpen um die Kinder jener Wölfin handelte. Mein Partner wollte sie mit nach Hause nehmen und sich um sie kümmern. Weil ich es jedoch nicht für richtig hielt, sie der Wölfin einfach wegzunehmen, drängte ich Crocodile dazu die Drillinge in Ruhe zu lassen und nach Hause zurückzukehren. Doch bei meinem Partner handelt es sich um eine sehr sture und eigenwillige Person: In der folgenden Nacht schlich er sich heimlich aus unserer Höhle. Als ich sein Verschwinden bemerkte, war mir natürlich sofort klar, wohin er gegangen war; ich verfolgte ihn bis zu jener Kuhle, die wir am Tag zuvor entdeckt hatten.“ Doflamingo hielt für einen Moment inne. Er erinnerte sich noch sehr gut an den Fund der Drillinge; man könnte meinen es wäre erst gestern gewesen. Trotzdem fiel es ihm nicht leicht darüber zu sprechen; immerhin war es Zoros, Mihawks und Monets leiblicher Vater, der ihm zuhörte. Doflamingo senkte den Blick, ehe er fortfuhr: „Die Welpen waren nicht allein: Neben ihnen lag der Kadaver einer Wölfin. Ich weiß nicht, wer sie ihr zugefügt hat, doch ihr Körper war übersät mit Wunden. Wir konnten nichts mehr für sie tun. Nun ja, außer uns um ihre Kinder zu kümmern natürlich.“ Marco war ganz still; er gab überhaupt keinen Ton von sich. Auch sein Gesicht war völlig ausdruckslos. Er wirkte wie versteinert, fand Doflamingo. „Es war ein sehr schockierender Anblick“, fuhr er fort, weil ihn das Schweigen des anderen Gestaltenwandlers bedrückte. „Meinen Partner traf es besonders schwer. Crocodile kommt ursprünglich aus der Stadt und lebte zu diesem Zeitpunkt erst seit zwei Jahren bei mir. Ich spürte überdeutlich, dass ihn dieser furchtbare Anblick sehr stark mitnahm. Ich kann mich auch noch ganz genau an seine Worte erinnern. Sie ist zu ihren Kindern zurückgekommen, sagte er zu mir. Vielleicht hatte sie noch Hoffnung. Sie konnte ihre Kindern nicht einfach im Stich lassen.“ Marco nickte langsam. Doflamingo sah, dass er schwer schluckte. „Vielen Dank“, sagte er mit belegter Stimme, „dass du mir davon erzählt hast. Jahrelang habe ich mich gefragt, was mit meiner Partnerin passiert ist. Ob sie noch lebt oder längst schon tot ist. Nun habe ich endlich Gewissheit.“ „Es tut mir sehr leid.“ Keine Spur von Hohn oder Missgunst schwang in seiner Stimme mit; Doflamingos Worte waren ehrlich gemeint. „Darf ich dir noch eine weitere Frage stellen? Nur noch eine einzige? Danach werde ich für immer verschwinden. Wie versprochen.“ „In Ordnung.“ „Wie heißen sie?“, wollte Marco wissen. „Die Drillinge? Ich habe nur den Namen eures ältesten Sohnes mitbekommen. Corazon, nicht wahr?“ Doflamingo nickte. „Die Drillinge heißen Zoro, Mihawk und Monet“, erklärte er. „Zoro und Mihawk sind die Namen der Brüder meines Partners gewesen. Monet war eine Freundin von mir; sie starb vor vielen Jahren, als sie mich vor einem menschlichen Jäger beschützte.“ „Einer der beiden Jungen hat dunkleres Haar...“, begann Marco. Doflamingo wusste sofort, worauf der andere Wolf hinauswollte. „Der dunkelblonde Welpe heißt Mihawk“, beantwortete er die unausgesprochene Frage. „Zoro und Monet haben hellblondes Haar.“ Bisher verlief die Nacht sehr ruhig. Lediglich das Geräusch von gleichmäßigen, wenn auch rhythmisch sehr unterschiedlichen Atemzügen erfüllte den Wohn- und Schlafbereich der Höhle; es beruhigte Crocodile ein wenig. Müsste er deswegen nicht seine Kinder allein lassen, hätte er sich längst schon auf die Suche nach seinem Partner gemacht. Mit jeder Minute, die verging, ohne dass Doflamingo heimkehrte, wuchs Crocodiles Sorge. Es kam nur äußerst selten vor, dass der Wolf so lange fortblieb. Mihawk, der noch immer an seiner Brust lag, drehte sich im Schlaf mehrmals. Eigentlich war der kleine Welpe weniger wild als seine Geschwister, doch nachts kehrte sich dessen ruhiges Wesen häufig ins Gegenteil um: Wenn Mihawk tief und fest schlief, drehte er sich um die eigene Achse oder schlug um sich. Kaum hatte Crocodile seinen Gedanken zu Ende geführt, spürte er, wie sein Sohn ihm unabsichtlich gegen den Unterbauch trat. Um seine schlafenden Kinder nicht aufzuwecken, saugte Crocodile bloß scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. Auch wenn Mihawk erst drei Jahre alt war, verfügte er über eine immense Kraft. Eigentlich dürfte es ihn nicht wundern, dachte Crocodile, während er sich mit der rechten Hand über den schmerzenden Bauch rieb, dass der kleine Welpe sich heute Nacht besonders wild bewegte. Immerhin hatte er nur wenige Möglichkeiten gehabt, um seine überschüssige Energie loszuwerden. Normalerweise sorgten Doflamingo und er dafür, dass ihre Kinder voll ausgelastet wurden: Jeden Tag gingen sie zum Spielen nach draußen. Corazon, Zoro, Mihawk und Monet durften rennen, springen, schreien und klettern so viel sie nur wollten. Heute jedoch waren die Welpen dazu verdonnert worden drinnen zu bleiben. Und auch wenn die Höhle sehr weitläufig war, konnte sie dem immensen Bewegungsdrang ihrer vier jüngsten Bewohner nicht gerecht werden. „Pass bitte gut auf sie auf“, bat Marco. „Auf sie alle. Lass sie nicht frieren oder hungern.“ „Ich verspreche es“, erwiderte Doflamingo. „Unter der Obhut von Crocodile und mir wird es ihnen an nichts fehlen. Wir lieben unsere Kinder mehr als alles Andere auf der Welt.“ „Du kannst dir nicht vorstellen, wie unfassbar erleichtert ich bin“, meinte der andere Gestaltenwandler. Er schloss seine Augen und atmete mehrmals tief ein und aus. „Die Wölfe, die Tsurus Rudel angehören, erzählten mir schreckliche Dinge über dich. Sie sagten, du hättest vorgehabt den Drillingen das Genick zu brechen, solltest du keine passenden Adoptiveltern finden. Und dass du völlig grundlos einige Mitglieder ihrer Gruppe getötet hättest.“ „Ich töte niemals grundlos“, meinte Doflamingo mit ernster Stimme. „Tsurus Leute haben versucht mich umzubringen. Nachdem ich Akainu, ihr stärkstes Rudelmitglied, erledigt hatte, wollten sie meine Kinder töten und meinen Partner entführen, um mich zu erpressen. Sie haben nichts Besseres als den Tod verdient! Nachdem ich sichergestellt hatte, dass meine Familie in Sicherheit war, kehrte ich zurück, um ihr furchtbares Rudel auszulöschen. Doch sie waren bereits weitergezogen. Das einzige, was sie zurückließen, waren Knochen, zerlöcherte Decken und einen kleinen Welpen. Ich bin froh, dass Tsurus Rudel nun endlich für immer vernichtet worden ist.“ „Sie erzählten mir von ihrem jüngsten Rudelmitglied“, erklärte Marco kopfnickend. „Einen zweieinhalbjährigen Jungen. Irrsinnigerweise gaben sie dir die Schuld an seinem vermeintlichen Tod. Weil du seine Eltern getötet und das Rudel zum Weiterziehen genötigt hast.“ „Ich... habe C-corazons Eltern getötet?“ „Vielleicht haben sie auch gelogen, als sie mir davon erzählten“, gab Marco zu bedenken. „Ich weiß nicht, welche ihrer Geschichten wahr und welche erlogen sind. Jedenfalls erzählten sie mir, dass Corazons Eltern draußen vor der Höhle Wache hielten, während der Rest des Rudels sich beriet. Als andere Wölfe sie ablösen wollten, waren die beiden bereits tot gewesen. Dies war wohl der Moment, in dem Tsurus Rudel beschloss trotz des bevorstehenden Winters weiterzuziehen. Du scheinst ihnen mit diesen lautlosen Morden einen riesigen Schrecken eingejagt zu haben.“ Doflamingo senkte den Blick. Plötzlich kam ihm alles sehr weit weg vor: sein Gegenüber, die Brücke, die Wiese... Selbst die Luft, die er einatmete, kam ihm mit einem Mal viel dünner vor. Für einen Moment glaubte er sogar das Bewusstsein zu verlieren. „Ich... ich wusste nicht, dass es sich bei den beiden Wachen um Corazons Eltern handelte.“ Es überraschte Doflamingo selbst, wie schwach und leise seine Stimme klang. „Ich hegte keinen persönlichen Groll gegen sie... Doch sie gehörten zu Tsurus Rudel und daher wollte ich sie töten... Ich... es ging schnell und schmerzlos vonstatten... Ich quälte sie nicht. Es war vorbei, ehe sie überhaupt begriffen, was mit ihnen geschah.“ „Ich mache dir keinen Vorwurf“, hörte er Marco sagen. „Hättest du die beiden nicht getötet, dann wären sie früher oder später meinen Verbündeten und mir zum Opfer gefallen. Wir ließen keinen am Leben. Ihr Ende ist so oder so absolut unvermeidbar gewesen.“ Die Worte des anderen Gestaltenwandlers stellten bloß einen sehr schwachen Trost dar, fand Doflamingo. Auch wenn die beiden Wölfe Tsurus Rudel angehört hatten... auch wenn sie selbst vermutlich keinen Moment gezögert hätten ihn zu töten... Doflamingo presste die linke Hand auf seinem Mund; ihm war plötzlich speiübel. Das Blut der Eltern seines Adoptivsohnes klebte an seinen Händen! „Du bist ein guter Vater, Doflamingo“, sagte Marco. „Corazon scheint es unter deiner Obhut sehr gut zu gehen. Und vergiss nicht: Du hast zwar seine Eltern ermordet, doch auch sein Leben gerettet. Wenn du dich nicht dazu entschieden hättest ihn aufzunehmen, wäre er mit Sicherheit längst tot. Es zeugt von wahrer Stärke seinen Hass und seine Wut nicht an Unschuldigen auszulassen. Nicht viele Gestaltenwandler würden das Kind ihres Feindes wie das eigene großziehen. Es gibt keinen Grund, wieso du dich schlecht fühlen solltest, Doflamingo. Corazons Eltern haben den Tod verdient.“ „Ich wünschte, ich wäre niemals auf dich getroffen!“ Doflamingo nahm seine Hand vom Mund und warf Marco einen hasserfüllten Blick zu. Er fühlte sich vollkommen verzweifelt. „Ich wünschte, du wärst niemals hierher gekommen. Verschwinde! Und ich warne dich: Solltest du es wagen jemals wieder einen Schritt über diese Brücke zu setzen, dann werde ich nicht nur den Vater meines ältesten Sohnes auf dem Gewissen haben!“ Marco nickte. „Ich habe dir versprochen, dass ich niemals zurückkehren werden“, sagte er. „Und ich bin ein Mann, der zu seinem Wort steht. Es tut mir leid, dass ich dir so viel Kummer bereitet habe. Das ist nicht meine Absicht gewesen. Ich wollte bloß herausfinden, was mit meiner Partnerin und den Drillingen geschehen ist. Nun da ich weiß, dass es Zoro, Mihawk und Monet gut geht, besteht kein Grund mehr für mich, um zu bleiben. Welches Recht habe ich dir deine Kinder wegzunehmen? Leb wohl, Doflamingo!“ „Hau ab, du verdammter Hund!“, knurrte Doflamingo mit nach hinten an den Kopf angelegten Ohren. „Verschwinde! Lauf so schnell du kannst oder ich bringe dich an Ort und Stelle um!“ Um zu beweisen, dass es sich nicht um eine leere Drohung handelte, nahm Doflamingo die Gestalt seines Tiergeistes an. Knurrend und jaulend rannte er auf den anderen Gestaltenwandler zu. Marco gelang es gerade noch rechtzeitig sich zu verwandeln und schnellen Schrittes die steinerne Brücke zu überqueren. Crocodile lag die ganze Nacht lang wach. Gedankenverloren ließ er seinen Blick durch den Wohn- und Schlafbereich der Höhle gleiten. Seit fast fünf Jahren lebte er gemeinsam mit Doflamingo hier. Sie beide hatten bereits so unfassbar viel zusammen durchgestanden... Bei Crocodile handelte es sich längst nicht mehr die unerfahrene und hilflose Hauskatze, die er die meiste Zeit seines Lebens gewesen war. Inzwischen war er dazu in der Lage sich selbst Nahrung zu beschaffen, im Wald ein Versteck zu finden und Fährten zu lesen. Im Ernstfall käme er auch allein zurecht. Trotzdem konnte er sich ein Leben ohne seinen Partner nicht vorstellen. Doflamingo brachte ihn jeden Tag zum Lachen. Crocodile würde es niemals offen zugeben, doch er liebte die fröhliche und fürsorgliche Art des Wolfes. Bei ihm fühlte er sich immer gut aufgehoben. Hoffentlich hatte ihre gemeinsame Zeit nicht bereits ein Ende gefunden. Die Vorstellung, dass es womöglich zu einem Kampf mit dem anderen Gestaltenwandler gekommen war und Doflamingo gegen diesen nicht ankommen konnte, versetzte Crocodile einen schmerzhaften Stich ins Herz. Was sollte er bloß den Kindern erzählen, wenn ihr Vater nicht heimkehrte? Wie sollte er sie alle versorgen? Das Hundefutter, das Doflamingo aus der Stadt besorgt hatte, würde nicht ewig reichen. Crocodile bemühte sich darum Ruhe zu bewahren. Wie immer war er viel zu pessimistisch eingstellt, versuchte er sich selbst einzureden. Es gab Dutzende gute Gründe für die lange Abwesenheit seines Partners. Womöglich hatte dieser beschlossen noch einen Jagdzug zu starten, ehe er nach Hause zurückkehrte. Oder es war sehr schwierig gewesen die Fährte des fremden Wolfes wiederzufinden. Erst die beiden kleinen Fäuste, die sich schmerzhaft in seinen Rücken krallten, holten Crocodile ins Hier und Jetzt zurück. „Daddy?“, flüsterte Corazon hoffnungsvoll und richtete sich im Bett auf. Glücklicherweise ließ der kleine Welpe seinen Rücken rasch wieder los, weil er mit den Händen stattdessen seine müden Augen rieb. „Noch nicht“, sagte Crocodile und drehte sich herum. Nun lag er mit dem Gesicht zu seinem ältesten Sohn und mit dem Rücken zu Mihawk (der ihm im Schlaf -wie könnte es auch anders sein?- gegen genau die Stelle trat, die Corazon eben gekniffen hatte.) „Wo bleibt er denn?“, wollte Corazon mit niedergeschlagen klingender Stimme wissen. „Ich vermisse ihn.“ „Ich vermisse ihn auch“, gestand Crocodile, während er mit der rechten Hand hinter sich griff, um Mihawks Füße von sich zu schieben, „aber ich bin mir sicher, dass er jeden Moment nach Hause kommen wird. Mach dir keine Sorgen, Cora.“ „Du sagst immer die gleichen Dinge“, warf sein Sohn ihm vor und verzog das Gesicht. „Du lügst, oder? Du weißt selber nicht, wann Daddy endlich wiederkommt.“ „Pass auf, was du sagst“, erwiderte Crocodile in einem scharfen Tonfall. „Tut mir leid“, sagte Corazon rasch und wandte den Blick ab. „Ich wollte nicht sagen, dass du ein Lügner bist, Papa. Aber du machst dir selber doch auch Sorgen, nicht wahr?“ „Ein bisschen“, gestand Crocodile. „Aber ich weiß, dass meine Sorgen sich am Ende als unbegründet herausstellen werden. Doflamingo ist ein starker und schneller Wolf. Er kommt zurecht.“ Und um das Thema zu wechseln, fragte er: „Wieso bist du eigentlich aufgewacht? Es ist noch mitten in der Nacht. Hast du wieder schlecht geträumt?“ Corazon schüttelte den Kopf. „Ich träume jetzt nicht mehr schlecht“, erklärte er. „Überhaupt nicht mehr.“ „Das ist schön zu hören“, sagte Crocodile, doch kam nicht umhin eine Augenbraue hochzuziehen. „Wie kommt es denn, dass deine Alpträume so plötzlich aufgehört haben?“ „Ich verstehe sie jetzt“, antwortete Corazon mit ruhiger Stimme. „Was meinst du denn damit?“, hakte Crocodile skeptisch nach. „Der böse Wolf, vor dem ich mich so sehr gefürchtet habe, ist Daddy gewesen“, erklärte ihm sein Sohn. „Ich bin darauf gekommen, als du mir davon erzählt hat, wie du ihn kennengelernt hast. Als ich ihn das allererste Mal gesehen habe, war er bestimmt auch in der Gestalt seines Tiergeistes unterwegs. Deswegen hatte ich Angst vor ihm. Aber eigentlich gibt es gar keinen Grund, um sich vor Daddy zu fürchten. Er ist lieb und nett und fröhlich. Deswegen träume ich jetzt nicht mehr vom bösen Wolf. Nur noch von einem lieben Wolf.“ „Das freut mich“, sagte Crocodile und fuhr mit einer Hand durch Corazons welliges Haar. Er wollte noch irgendetwas hinzufügen, doch schluckte die Worte hinunter, als er ein paar Geräusche hörte, die aus dem Eingangsbereich der Höhle stammten. Sofort richtete Crocodile sich auf; Corazon folgte seinem Beispiel. Wenige Augenblicke später betrat ein großer Wolf mit hellem Fell den Wohnbereich der Höhle; in seinem blutverschmierten Maul hing der Kadaver eines jungen Hirsches. „Daddy!“, kreischte Corazon quietschvergnügt und lief so schnell auf seinen Vater zu, das er beinahe über seine eigenen Beine stolperte. „Ich habe dich ganz doll vermisst“, sagte der kleine Welpe, während er sich an Doflamingos Vorderbein klammere und sein Gesicht in dessen Fell vergrub. Der Wolf legte den Hirsch auf den Fußboden ab und nahm seine menschliche Gestalt an; Corazon hob er während dieses Vorgangs kurzerhand in seine Arme. „Ich habe dich auch vermisst, mein Liebling“, erwiderte Doflamingo und küsste Corazon auf die Stirn. Crocodile spürte sofort, dass mit seinem Partner irgendetwas nicht in Ordnung war. Hatte es etwa tatsächlich Probleme mit dem fremden Gestaltenwandler gegeben? „Wie geht es dir?“, fragte er und näherte sich Doflamingo. „Gut“, erwiderte der Wolf in einem eher halbherzig klingenden Tonfall. „Ich bin unverletzt.“ Sie umarmten sich und küssten sich auf den Mund, doch sein Partner schien nicht so wirklich bei der Sache zu sein. Er erweckte einen sehr gedankenverlorenen und abwesenden Eindruck. Sofort verstärkte sich Crocodiles Sorge. „Corazon“, sagte er und wendete sich an seinen Sohn, der seinen Kopf in Doflamingos Halsbeuge vergraben hatte, „du solltest dich wieder ins Bett legen. Es ist immer noch mitten in der Nacht.“ „Ich möchte bei Daddy bleiben“, wendete Corazon sofort ein. „Er ist bestimmt auch müde. Können wir nicht einfach alle zusammen schlafen gehen?“ „Es gibt einige Dinge, die ich mit Doflamingo besprechen muss“, erwiderte Crocodile kopfschüttelnd. „Wir werden später nachkommen.“ „Aber ich will nicht!“, gab sein kleiner Sohn wütend zurück. „Ich will bei Daddy bleiben! Er war so lange weg!“ „Morgen wirst du mehr als genug Zeit haben, um mit ihm zu kuscheln und zu reden“, versuchte Crocodile ihn zu besänftigen. „Und nun los, Corazon: Ab ins Bett mit dir!“ Als der Welpe sich über seine Anweisung hinwegsetzte, sah Crocodile keine andere Möglichkeit als unerbittlich durchzugreifen. Er ignorierte Corazons Widerstand und hob diesen kurzerhand aus den Armen seines Vaters (Doflamingo ließ es wortlos geschehen); anschließend trug er seinen Sohn, der wild zappelte und mit den Füßen nach ihm trat, hinüber zum Bett. Es war ein Wunder, dachte Crocodile sich, dass die Drillinge nicht wach wurden bei dem fürchterlichen Lärm, den ihr älterer Bruder verursachte. „Jetzt reicht es aber wirklich!“, meinte Crocodile mit strenger Stimme, als er Corazon absetzte. Damit dieser nicht sofort wieder zu Doflamingo lief, hielt er ihn an den Handgelenken fest. Der Griff war nicht schmerzhaft, doch trotzdem schrie und weinte der Welpe ohne Unterlass. „Mir ist es egal, was für ein Theater du hier veranstaltest“, sagte Crocodile und blickte seinem Sohn tief in die Augen. „Du kannst nicht immer deinen Willen durchsetzen, Corazon. Doflamingo ist nicht nur für dich alleine da. Morgen kannst du mit ihm kuscheln so lange du möchtest, aber jetzt ist Schlafenszeit!“ Es dauerte fast fünf Minuten, bis Corazon sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Crocodile wies seinen Partner mittels einer Kopfbewegung an, in eines der Nebenzimmer zu gehen, ehe er die Handgelenke des Welpen losließ. „Hast du dich jetzt wieder beruhigt?“, fragte er. Corazon nickte langsam. Er schwieg für einen Moment, ehe er in einem kläglich klingenden Tonfall wiederholte: „Ich möchte bei Daddy bleiben.“ „Das verstehe ich“, sagte Crocodile, während er seinen ältesten Sohn zudeckte. „Unser Gespräch wird auch nicht lange dauern, versprochen. Bald kommen Doflamingo und ich zu dir ins Bett. Und morgen hast du den ganzen Tag lang Zeit, um mit ihm zu reden, zu kuscheln und zu spielen. In Ordnung?“ „Hm-hm.“ Corazon schien mit der Situation noch immer nicht zufrieden zu sein, doch gab schlussendlich klein bei. „Gute Nacht“, sagte Crocodile und gab dem kleinen Welpen einen Kuss auf die Stirn. „Gute Nacht, Papa“, erwiderte Corazon. „Bis gleich.“ Doflamingo wartete in einem der zahlreichen Nebenräume ihrer Höhle, während sein Partner den schreienden Corazon ins Bett brachte. Er schluckte schwer und fuhr sich mit der linken Hand durch sein kurzes, blondes Haar. Um ehrlich zu sein, war er mit der fröhlichen Begrüßung seines ältesten Sohnes vollkommen überfordert gewesen. Corazon hatte so glücklich gewirkt; er schien sich über seine Rückkehr unfassbar zu freuen. Doch wie würde er reagieren, wenn ihm offenbart wurde, dass der Mann, den er so sehr liebte, seine Mutter und seinen Vater getötet hatte? Würde sein Sohn ihn... ihn hassen, wenn er davon erfuhr? Unweigerlich spielte Doflamingo mit dem Gedanken, Corazon diese Sache einfach zu verschweigen. Zu wissen, wer seine Eltern ermordet hatte, würde ihm am Ende doch überhaupt nichts bringen, nicht wahr? Außer einer Menge Kummer natürlich. Wahrscheinlich war es nicht nur für Doflamingo, sondern auch für Corazon das Beste, wenn er das Gespräch mit Marco einfach für immer aus seinem Gedächtnis löschte. So tat als hätte es niemals stattgefunden. Als hätte er niemals diese furchtbare Nachricht erhalten... „Doflamingo.“ Es war die leise Stimme des Katers, die ihn aus seinen Gedanken riss. Crocodile hatte einen besorgten Gesichtsausdruck aufgesetzt; er kam auf ihn zu und legte die Arme um ihn. „Was ist los? Ist irgendetwas passiert? Gab es ein Problem mit dem fremden Gestaltenwandler?“ Doflamingo schwieg. Eigentlich wollte er eine Erwiderung geben, doch die Worte blieben ihm im Halse stecken. Wie sollte er Crocodile bloß erklären, was vorgefallen war? Würde sein Partner sich von ihm abwenden, wenn er erfuhr, was er getan hatte? „Bitte sprich mit mir“, hörte er Crocodile sagen. „Ich mache mir Sorgen, Doflamingo. Du verhältst dich so seltsam. Sag mir bitte, was passiert ist.“ Doflamingo zögerte. Er wich dem Blick seines Partners. Es vergingen mehrere Minuten, ehe er schließlich zu erzählen begann: Dass der fremde Wolf ihn in ein Gespräch verwickelt hätte. Dass sein Name Marco wäre und es sich bei ihm um den leiblichen Vater der Drillinge handelte. Dass er sich auf den Weg gemacht hätte, um nach seinen leiblichen Kindern zu sehen und um zu erfahren, was damals mit seiner Partnerin geschah. Und dass Tsurus Wolfsrudel inzwischen endgültig vernichtet worden war. Dass es sich bei ihm um den Mörder der leiblichen Eltern ihres Adoptivsohnes handelte, ließ er jedoch mit keinem Wort verlauten. Doflamingo hielt es für klüger, diese grausame Wahrheit für sich zu behalten. Er wollte dem Kater diese schlimme Bürde nicht auf die Schultern laden. Er allein sollte sie tragen. ~ „Du wirst nicht schon wieder weglaufen!“, hörte er den Kater sagen. Er stellte sich ihm in den Weg und rückte auch dann nicht zur Seite, als Doflamingo die Gestalt seines Tiergeistes annahm. Absolut furchtlos stand er mit ausgebreiteten Armen vor ihm. „Bleib hier!“, befahl ihm Crocodile. „Lass uns reden!“ Für einen Augenblick spielte Doflamingo mit dem Gedanken, Crocodile wütend anzuknurren und anschließend ungerührt an diesem vorbeizulaufen. Doch kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende geführt, wurde ihm klar, um was für ein furchtbares Arschloch es sich bei ihm handelte, sollte er dies tatsächlich tun. Schließlich war es sein Partner, der da vor ihm stand, und nicht irgendein dahergelaufener Gestaltenwandler. (Auszug aus Kapitel 9) bye sb Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)