treacly trash von KleineSchwester ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Mit einem üblen Gefühl lag er zusammengerollt auf der strohgefüllten Matratze seines Bettes. Er kniff die Augen zusammen und biss sich verzweifelt auf die Unterlippe. Vor einem Tag hatte sich sein, bisher schon armseeliges, Leben in eine Katastrophe verwandelt. Die Nachricht vom Tot des Vaters brachte gleich der Schuldeneintreiber. Spielschulden und fällige Kredite hatten er angehäuft, bevor er, berauscht von zu viel Alkohol, glaubte durch Falschspielen sein ärmliches Dasein verbessern zu können. Die Betrogenen, ebenfalls alles andere als nüchtern, hatten ihn sich vorgeknöpft und totgeschlagen. Die Mutter war fassungslos und verzweifelt in Tränen ausgebrochen. In den zwei schäbigen Zimmern, die sie zur Untermiete bewohnten, gab es nichts von Wert um die Schulden zu tilgen. Die Blicke des Fremden waren auf die 2 Jungen und das Mädchen gefallen. Blass und zitternt bettelte die Mutter auf Knien ihr die Kinder nicht zu nehmen. Damian war der Älteste der drei, schon 16; doch verdiente er als Tagelöhner gerade genug, um seine Familie nicht verhungern zu sehen. Er hatte zu seine Geschwistern geschaut, noch viel zu jung, erst 9 und 5. Mit erstem Gesicht und zusammengebissenen Zähnen trat er zu seiner Mutter und legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie klammerte sich an seinen Arm und flehte ihn an, es nicht zu tun. Er war hübsch und schlank, seine Haut ebenmäßig und hell. Der Mann würde sein Angebot nicht ablehnen. Sein Kinn war angehoben worden. Prüfend wanderte der Blick über sein Gesicht, über die klaren, dunkelblauen Augen mit den dichten, dunklen Wimpern, die stolz zurückblickten; die leicht geschwungene Nase, die vollen Lippen und das trotzig hervorgeschobene schmale Kinn. Der Fremde willigte ein und die Mutter wimmerte. Bald war es Mittag, die Zeit, zu der man ihn abholen kommen würde. Damian wurde wieder schlecht. Morgens hatte er sich schon übergeben müssen ohne überhaupt etwas gegessen zu haben. Die letzten Stunden mit seiner Familie hätte er genießen sollen, denn er wusste, er würde sie, wenn er überhaupt die Gelegenheit dafür bekam, für lange Zeit nicht wiedersehen. Doch er hatte zu viel Angst. Er ließ sich nichts anmerken, als sie kamen um ihn zu holen und er sich von seinen Lieben verabschiedete. So stark er auch nach außen hin wirkte, so schwach und ausgeliefert fühlte er sich. Zu seiner Mutter sprach er einige beruhigende Worte, zu seinem Bruder sagte er etwas, dass ihm Mut machen sollte, aber erst als seine kleine Schwester sich weinend an seine Beine klammerte, wurde sein Hals eng und er kämpfte mit seine Tränen. Aufrecht und mit festem Blick, ließ er sich von den zwei Männern in dunklen Anzügen zu der Kutsche, die gleich vor dem baufälligen Haus wartete, begleiten. Er hatte sich verkauft und er wusste nicht, was man mit ihm vorhatte. Jedoch auf Grund seines Aussehen, glaubte er, für eine bestimmte Sache geradezu prädestiniert zu sein. Von diesem Moment an stand er völlig neben sich und konnte keine klaren Gedanken mehr fassen; nur sah es ihm niemand an. Die Kutsche hielt vor einem großen, dunklen Gebäude. Jeder Einwohner der Stadt wusste, was sich hinter diesen Mauern befand. Gut betuchte Kundschaft konnte hier, in fast jeder beliebigen Spielart ihre Lust an Frauen und Männern stillen. Damian hatte kurzeitig das Gefühl zu ersticken. Was er zuvor nur geahnt hatte, wurde nun Realität. Als er aus der Kutsche stieg, hatte er Schwierigkeiten zu Gehen, so sehr zitterte er. Tapfer hielt er sich aufrecht zwischen den beiden Männern, die ihn begleiteten. Die hohe Tür des Seiteneinganges schloss sich hinter ihm mit einem dunklen, engültigen Geräusch. Panik überkam Damian und er kämpft sie mit aller Kraft nieder. Den kerzenbeschienenden Gang, den weichen Teppisch, die frivolen Ölgemälde, nichts davon nahm er wahr. Der Raum in den er geführt wurde, war fast schon zu gut beheizt. Es war düster und stickig vom Qualm einiger Zigarren. Drei Männer warteten dort auf ihn. Den Schuldeneintreiber erkannte Damian. Von den anderen beiden war der eine feist und zu prunkvoll gekleidet, während der andere schlicht und elegant und kalt war. Er erstarrte unter den prüfenden Blicken. Ein vierter Mann betrat fast geräuschlos den Raum, wurde von dem dicken Mann als Arzt vorgesellt. Damian wurde aufgefordert sich zu entkleiden. Verängstigt kam er dem nach. Der Arzt roch beißend nach Kräutersalbe und untersuchte Damien von den Augen der anderen Männer genaustens. Es genügte ein Nicken des Mediziners um den Anwesenden die Gesundheit der Ware zu bescheinigen. Damian durfte sich wieder anziehen. Nun trat der elegante Mann zu ihm. Seine kalten, hellblauen Augen fixierten ihn bis Damian sein Blick senkte. Seine Neven waren zum Zerreißen gespannt und die Nähe diese Mannes versetzte ihn in Panik. Schlanke, kühle Finger umfassten sein Kinn und zwangen ihn sein Gesicht zu heben. Zitternd stand er da. Er atmete hektisch und seine Unterlippe bebte. Tränen füllten seine Augen und verschleierten seinen Blick. Der Ausdruck des Mannes vor ihm blieb unbeteiligt trotz der feuchen Spuren auf den blassen Wangen des Jungen vor ihm. Sie ließen ihn einfach mitten im Raum stehen, währen sie um ihm feilschten. Doch Damian kämpfte immer noch mit seiner Angst und verstand nicht was sie sagten. Die Wort drangen einfach nicht bis zu seinem Verstand vor. Das Zimmer war klein und spärlich eingerichtet. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, alles aus grob behauenen Holz. Die Matratze war klumpig aber das Stroh darin frisch und trocken. Die Decke darauf kratzig aber sauber. Jetzt erst kam Damian langsam wieder zu sich. Bitter stellte er fest, dass er keine Ahnung hatte, ob sein Verkauf genug Geld einbringen würde, um die Schulden seiner Familie zu begleichen. Zaghaft näherte er sich dem kleinen verglasten Fenster. Mit einem langen, klagenden Quitschen öffnete er es und sah aus dem zweiten Stockwerk hinunter in eine schmale Gasse. Ein alter, gebückt gehender Mann in mitleiderregendem Zustand schlurfte von einem Müllhaufen zum anderen und durchwühlte sie nach verwertbaren Überresten. Sie ließen die klamme Tristesse der Stadt hinter sich und Damian war, bei einem Blick aus dem Fenster der luxuriösen Berline, überwälitig von all dem frischen Grün. Sein ganzes, bisheriges Leben hatte sich zwischen grauen und braunen Häusern abgespielt. Der zum Teil unerträgliche Geruch enger Gassen war ihm vertraut. Jetzt war er erstaunt, wie weit er in die Ferne sehen konnte, wie klar das Blau des Himmels war und wie tief und frei er atmen konnte. Für einen Moment vergaß er, dass er nicht wusste, wohin er gebracht wurde, was mit ihm geschehen würde. Er vergaß seinen neuen Herrn, der mit ihm kaum sprach und mit verschlossener Miene ihm gegenübersaß. Drei Tage war es her, seit er sich von seiner Familie verabschiedet hatte. Die Zeit, bis sein Herr ihm abhohlen gekommen war, hatte er in dem kleinem Zimmer im Bordell verbracht. Man hatte ihn darin eingeschlossen und mit außreichend Wasser und Nahrung versorgt. Erst am heutigen Vormittag war er in einen seperaten Baderaum geführt worden und musste sich gründlich waschen, bevor man ihm saubere Kleidung gab. Damians Aufmerksamkeit wurde von einem großen, weißgetünchten Gebäude auf sich gezogen. Ein so prachtvolles Bauwerk konnte nur ein Schloss sein, glaubte er. Es leuchtete in der hochstehenden Sonne und er kniff die Augen zusammen. Er wollte es nicht glauben, als der Kutscher das Gefährt in die breite Auffahrt lenkte, dass das ihr Ziel sein sollte. Sein Herr sah teilnahmslos aus dem anderen Fenster und war für die Ängste des Jungen vor sich unempfänglich. Schon die Größe des Gebäudes flößte Damian gehörigen Respekt ein. Er biss sich nervös auf der Unterlipper herum, während seine Hände unaufhörlich den weißen Stoff seine Hemdes zerknitterten. Kaum atmend folgte Damian seinem Besitzer, wie ein gut abgerichtetes Hündchen, die halbrunde Treppe hinauf zum Haupteingang. Der hagere Butler warte vor der weitgeöffneten Tür, grüßte seinen Herren mit verkniffenem Gesicht und nahm, so bald sie die Halle betreten hatten, Stock, Handschuhe und Hut entgegen. Der Klang ihrer Schritte auf den steinernen Fließen hallte von der hohen Decke wieder, als sie zu der offenen Tür des Salones gingen. Mit Samt bezogenen Sofas und Sessel warteten auf auf ausgewählten Gäste dieses Hause. Vergoldete Kandelaber auf dem Karmin, das Holz von Boden und Möbel mit aufwendigen Intarsien verziehrt. Vasen aus feinem Porzellan mit frischen Blumen darin. Damian stand erführchtig und verunsichert still. Er kam aus der Unterschicht; war in den Augen von Menschen, wie diesen, die in Häusern, wie solchen lebten, Abschaum. Die Anschaffung des Teppichs hatte seinen Eigentümer, so vermutete Damian, mehr gekostet als seine eigene. Er wollte nicht hier sein und kam sich noch keiner und unbedeutener vor als sonst. Ein junger Mann betrat den Salon, kaum älter als Damian. Die kalte Arroganz eines Aristokraten war ihm anerzogen worden. „Ich habe dir Gesellschaft mitgebracht, Jadon!“, kam der Mann mit den frostigen Augen ohne Begrüßung zum Grund seines Hierseins. „Ich habe keine Zeit und muss sofort wieder zurück!“ Jadons gelangweilter Blick wanderte kurz zu Damian. „Ich brauche keine Gesellschaft!“ Der abweisende Tonfall traf Damian ohne das er verstand warum. „Du kennst die Konsequenzen!“ Der Mann stieß sich vom Kamin ab, an dem er bis eben gelehnt hatte und verließ mit den Worten: „Wenn es meine Zeit erlaubt, werde ich mein Wochenende hier verbringen.“ den Raum. Jadons Gesichtsausdruch blieb undbeteiligt, nur das kurze Zucken seiner Finger verriet seine Anspannung. Er drehte sich um und ging ebenfalls. Völlig durcheinander blieb Damian allein zurück. Er hatte keine Ahnung was man nun von ihm erwartete. Bewegungslos blieb er im Salon stehen, in der Hoffnung, dass irgendwer ihm irgendwann sagte, was er zu tut hatte. Schneller als erwartet erschien Jaden wieder in der Tür. „Auf was wartest du? Komm mit!“ Er zeigte keine Gefühlsregung. Damian bekam eine Gänsehaut. Mit gesenktem Kopf stieg er hinter Jadon die breite, geschwungene Treppe hinauf, sein Herz schlug ihm bis zum Hals. „Warum bist du wie ein Junge angezogen?“, unterbrach Jadon das drückende Schweigen. Damian blieb überrascht stehen. „...weil ich ein Junge bin!“, brachte er brüchig hervor. Nun hielt auch Jadon an, drehte sich um und mussterte ihn von oben bis unten, wobei er seinem Gesicht besondere Aufmerksamkeit widmete. „Wie alt bist du?“ Unter Jadons intensiven Blick, senke Damian den Kopf wieder. „16...“ Unweigerlich fragte er sich, ob der junge Herr ihn für ein Mädchen gehalten hatte. Zwar trug er sein Haar recht lang, trotz seiner niederen geselschaftlichen Stellung, so war es doch nicht unüblich, wie man an Jadons ordentlich gebunden, braunem Haar sah. Dazu kam das Fehlen jeglicher weiblicher Formen seines Körpers. Damian kam zu dem Schluss, dass es wohl an seinem Gesicht gelegen haben musste, dem es entschieden an Maskulinität mangelt. Anfangs hatte Damian angespannt jeden neuen Tag erwartet und gezählt. Nun waren schon 5 Wochen vergangen ohne das er sich im Klaren darüber war, welche Aufgaben er zu erfüllen hatte. Zum regulären Personal gehörte er wohl nicht, denn er bewohnte eines der unzähligen Gästezimmer, wenn auch ein wenig prachtvolles. Abgesehen davon behandelte das Personal ihn auch nicht wie ihresgleichen, eher wie eine unvermeidbare, zusätzliche Aufgabe. Essen durfte er in dem kleinen Speisezimmer, in dem auch Jadon seine Mahlzeiten hin und wieder, wenn er es nicht vorzog auf seinem Zimmer zu essen, zu sich nahm. Überhaupt bekam er den jungen Herren kaum zu Gesicht und fragte sich, wie er jemanden, der sich so zurückzog, Gesellschaft leisen sollte. So machte er sich Sorgen um seine Zukunft. Wenn er hier keine Aufgaben zu erledigen hatte, würde man ihn wohl wieder zurück in das Bordell bringen und sein eigentlicher Herr, Jadons Onkel, würde sich für seinen finanziellen Aufwand durch Damian entschädigen lassen. Schon einige Male hatte Damian schüchtern Jadons Nähe gesucht. Jedes Mal ohne Erfolg. Der junge Adlige begegnete ihn immer wieder wortkarg und unterkühlt. Also verbrachte er seine Zeit damit die gepfegeten Gärten und das umliegende Gelände zu erkunden, jede einzelne Mahlzeit zu genießen als wäre es seine letzte und abens traurig in einen unruhigen Schlaf zu fallen. Der Duft der Blüten faszinierte Damian immer noch. Der Gärtner sah ihm misstrauisch hinterher, wenn er von Pflanze zu Pflanze spazierte und daran roch. Wenn, wie heute, die Sonne von einem wolkenlosen Himmel schien, war alles erfüllt vom Duft der Blumen und dem Summen der Insekten. Es war so unfassbar friedlich hier und Damian bekam ein schlechtes Gewissen. Er schlenderte durch den Garten hindurch, immer weiter, bis zu einem kleine See, den er vor einigen Tagen entdeckt hatte. Ein alter, gut erhaltener Steg ragte hinaus aufs Wasser; ein Boot gab es nicht. Gerade wollte er den Steg betreten, da entdeckte er unweit entfernt Jadon, kniend neben einem Gebüsch; sehr interessiert an dem, was dort halb verborgen war. Als hätter er Damians neugierigen Bilck gespührt, dreht es sich zu ihm um. Er stand auf und hielt dabei etwas in der Hand. Mit einer kleine Geste winkte er den Jungen zu sich. Von plötzlicher Aufregung befallen, brauchte Damian einen Moment. Sein Herz schlug schnell und seine Beine fühten sich hölzern an. Er ging langsam zu Jadon und sah nun, was dieser in der Hand hielt. Ein Katzenjunges, mit wachem Blick und denoch zu jung, um von der Mutter getrennt zu werden. Es begann kläglich zu miauen. Damian wollte einen Blick um Jadon herum auf die vermeintliche Katzenfamilie werfen. Jadon hielt ihm am Arm fest und zog ihn zurück. Zu spät! Damian hatte einen Blick auf die blutigen Überreste der Katzen erhascht. Erschrocken schnappte er nach Luft. In der Stadt hatte er mehr als einmal tote Tiere herumliegen sehen, doch hier passte derartiges nicht hin. „Nimm und kümmere dich darum!“ Jadon gab ihm das Kätzchen. Damian nickte und sah zu dem Älteren hoch. Dieser Blick aus Jadon dunkelgrünen Augen, ließ ihn die Luft anhalten. „Du brauchst etwas gegen deine Langeweile!“, meine Jadon leise. „Danke.“, brachte Damian scheu heraus. Jadons Augen schienen noch dunkler zu werden und Damian drückte die Katze fester an sich. Die junge Katze fasste schnell Vertrauen zu Damian und wich ihm nur noch ungern von der Seite. Er kümmerte sich rührend um das kleine Tier, pflegte und beschützte es. Hauspersonal, dass sich nicht angemessen gegenüber dem neuen Mitglied es Hauses verhielt, bekamt bestenfalls einen strengen Blick zu geworfen; ging jemand zu weit, waren es unmissverständliche und mahnende Worte. Zu Damians Überraschung wuchst mit der Übernahme der Verantwortung auch sein Selbstvertrauen. Sein Auftreten wurde sicherer, jedoch nie unfreundlich. Nach dem Abendessen ging Damian wieder hinauf in sein Zimmer. Er wartete am Ende der Treppe. Mira war noch zu klein um mit ihm Schritt halten können. Hingehockt lockte er sie mit leiser Stimme und steichelte sie lächelnd, als sie auch noch sein Knie mit kleinen, spitzen Krallen erklimmen wollte. In seinem Zimmer ließ er sich auf dem Teppich nieder und begann Mira ein verknotetes Wollknäul jagen zu lassen. Er bemerkte nicht gleich, wie Jadon in die offene Tür trat und ihn beobachtete. Dann jedoch nahm Damian eine Bewegung wahr und zuckte erschrocken zusammen; selbst Mira sprang überrascht zur Seite. Jadons vormals weicher und nachdenklicher Gesichtsausdruck wurde wieder ernst. „Für deine Katzte!“ Er hielt Damian einen flachen Korb entgegen. „Danke.“ Damian war aufgestanden und strich sich die Hose glatt, bevor er das Körbchen an sich nahm. Er lächelte aufrichtig erfreut. Nach all den Wochen erwartete er keine wirkliche Reaktion mehr von Jadon und doch war es ihm, als wäre die Kälte aus dem schmalen Gesicht gewichen. Er legte sofort die Decke, auf der Mira bisher geschlafen hatte, in den Korb Gemeinsam beobachteten sie, wie die Katze ihren neuen Schlafplatz beäugte. „Es scheint ihr zu gefallen. Ich danke euch vielmals.“ Damian schenkte Jadon ein weiteres noch strahlenderes Lächeln, die leise Hoffnung hegend, den Älteren doch ein wenig aus seiner selbst auferlegten Einsamkeit zu locken. „Es ist nicht der Rede wert.“ Jadon nickte ihm zu und verließ den Raum. Enttäuscht presste Damian die Lippen aufeinander. Er hätte es besser wissen sollen. Einige Wochen später lief Damian laut den Namen seiner Katze rufend durch die Gänge. Er kannte sich in seinem neuen zu Hause gut genug aus, um sich nicht mehr zu verlaufen. Bei Mira war er sich da nicht so sicher. Stur vermied er den Gedanken daran, dass Mira sich draußen verirrt haben könnte. Sie leistete ihm so oft die dringend benötigte Gesellschaft und vertrieb die Einsamkeit. Sie musste wieder kommen. In der Bibliothek entdeckte er Jadon. Damian brauchte sich nicht bemerkbar machen, er sah sofort auf. „Suchst du deine Katze?“ „Ja! Habt ihr sie gesehen?“ Jadon schüttelte seine Kopf. „Nein. Es tut mir leid.“ Was Damians Lächeln nicht erreicht hatte, schaffte sein trauriger Blick. Jadons Züge wurden so offensichtlich sanft, doch Damian war zu sehr in Sorge um es zu bemerken. Noch einen Moment sah er Jadon trostsuchend an, drehte sich dann leise seufend um und setzte die Suche nach Mira fort. Der Abend kam viel zu schnell. Damian hatte nichts essen können und lag nun wach und unglücklich in seinem Bett. Mira war nicht wieder aufgetaucht. Jetzt fühlte er sich so allein, wie bei seiner Ankunft hier. Es klopfte leise an seiner Zimmertür und er richtete sich auf. „Herein!“ Seine Stimme war belegt und er war sich nicht sicher, ob er überhaupt gehört worden war. Die Tür wurde geöffnet. Jadon stand mit Mira auf dem Arm da, die unruhig wurde als sie Damians Nähe wahrnahm. Sein Glück kaum fassend, sprang Damian aus dem Bett, rutschte aus, fiel, stand auf und blieb freudestahlend vor Jadon stehen. Seine Augen wurden feucht, als er Mira an sich nahm. „Ein Hausmädchen hat sie versehendlich in ihrer Kammer eingesperrt.“, erklärte Jadon mit rauer Stimme das Verschwinden der Katze. Damian sah von Mira zu Jadon. Seine Stimmung kippte so plötzlich. Seine Katze konnte nicht die Nähe zu einem geliebten Menschen ersetzten. Schniefend und tonlos dankte er Jadon. „Das...“ Jadon brachte den Satz nicht zu Ende. Sein Gesicht spiegelte seine Unsicherheit wieder. Damian ließ Mira von seinen Armen springen und schlang diese statt dessen um Jadon. Er schmiegte sich an den fremden Körper und schaffte es nicht mehr seine Tränen zurückzuhalten. Zitternd und schluchtzend drückte er sich an Jadon, der nur zaghaft den Jüngeren in den Arm nahm. Es beruhigte Damian, dass Jadon ihn nicht zurückgewiesen hatte. Kaum waren seine Tränen versiegt, wurde Damian klar, wie unziehmlich derartiges Benehmen war. Er wich vor Jadon zurück, ohne ihn ansehen zu können. „Entschuldigt bitte...“, er machte noch eine Schritt nach hinten. Ihm war völlig unklar, wir er so dreist hatte sein können. Doch mehr noch erschreckte ihn die leise Sehnsucht nach mehr von Jadons Nähe. Da er immer noch nicht wagte, Jadon in die Augen zu sehen, blieb ihm der versteinerte Gesichtsausdruck erspart. Alles wirkte stiller als sonst. Der Leerstand des Schlosses schien sich noch weiter ausgeweitet zu haben. Jadon hatte sich nicht persönlich bei Damian verabschiedet, ihm lediglich über eines der Dienstmädchen seine mehrtägige Abwesenheit ausrichten lassen. Selbst die Sonne verkroch sich hinter grauen Wolken. Damian fühlte sich verlassen und verunsichert. Immer wieder sagte er sich, dass nicht er der Grund für Jadons Abwesenheit war, dass er sich selbst eine zu große Bedeutung beimaß. Doch nach seinem Gefühlsausbruch, war ihm Jadon ausnahmslos aus dem Weg gegangen. Dass er den jungen Adligen nicht verstand, war für ihn nicht neu, nur seine eigenen Gefühle hatte er bisher immer nachvollziehen können. Jetzt gaben auch sie ihm Rätsel auf. Es war später Nachmittag. Eines der Mädchen hatte Damian Tee auf sein Zimmer gebracht, der immer noch, jetzt allerdings kalt, auf dem Tischchen neben ihm stand. Die Beine auf den Sessel gezogen, saß er da und sah aus dem Fenster hinaus auf einen trüben Himmel. Mira hatte es aufgegeben ihn tröten zu wollen und döste in ihrem Korb vor sich hin. Sie hob den Kopf, als Damian seufzte und sich mit leisem Klirren die Tasse nahm. Er wollte auf keine Fall undankbar erscheinen und trank sie aus. Das süße Gebäck ließ er liegen. Vom Flur aus hörte er eilige Schritte und aufgeregte Stimmen. Er wollte sich sein Herzklopfen selbst nicht eingestehen, als er neugierig zur Tür ging, um nachzusehen. Die Dienstmädchen waren schon davon geeilt. Damian lief ihn hinterher. Auf der Gallerie blieb er stehen. Über das Geländer gelehnt, schaute er zum Haupteingang, den der Butler gerade so hoheitsvoll öffnete, als wäre er selbst der Hausherr. Jadon trat, gefolgt von seinem Kammerdiener, ein. Er nickte dem angetretenen Personal abwesend zu und sah nach oben zur Gallerie. Ein glückliches Lächeln erstahlte auf Damians Gesicht, als sich ihre Blicke trafen und verblasste wieder, denn Jadens Gesicht blieb regungslos. Enttäuscht drehte sich Damian um und lief zurück in sein Zimmer. Er schallt sich eine Dummkopf und konnte nicht begreifen, warum ihn Jadons Gleichgültigkeit weh tat. Erschöpft ließ er sich auf sein Bett fallen und starrte an die Decke. Mira sprang zu ihm hinauf und lief einige Kreise, bevor sie sich auf seinen Bauch legte. „Vielleicht...“ Er begann Mira zu kraulen und seufzte. „...irgendwann...“ Das Schnurren und die Wärme ließen ihn kurz darauf einschlafen. „Damian?“ Der Angesprochene zuckte, aus seinem Schlaf gerissen, zusammen, setzte sich auf und sah verwirrt zu Jadon. „Wieso bist du noch hier?“ Jadon trat näher. „Was???“ Immer noch nicht ganz bei sich, rieb Damian sich die Augen. „Wieso bist du nicht weggelaufen? Zurück zu deiner Familie. Du hattest Gelegenheit dazu.“ Mit unergründlichem Blick kam Jadon näher. „Und du bist hier weder freiwillig noch glücklich.“ Von dem Wortschwall völlig überrumpelt, musste Damian zunächst seine Gedanken ordnen. „Das würde doch keine Sinn machen.“, begann er zögernd. „Ich habe mich freiwillig verkaufen lassen um die Schulden meines Vaters zu tilgen. Wenn ich weglaufen würde, wäre alles umsonst gewesen und meine Familie müsste darunter leiden.“ „Oh...“, kam es enttäuscht zurück. „Es war nicht das, was ihr hören wolltet?“, fragte Damian ohne nachzudenken und sah unschuldig zu Jadon hoch. „Und was wollte ich, deiner Meinung nach, hören?“, hakte Jadon nach, ohne erkennen zu lassen, ob er verärgert oder amüsiert über die Dreistigkeit war. Nur wurde auch Damian klar, welchen Fauxpas er begangen hatte und errötete. Und dann noch mehr, als ihm klar wurde, dass er seine Vermutung unmöglich laut aussprechen konnte ohne endgültig unverschämt zu wirken. Jadon ließ sich neben ihn nieder und sah ihn direkt an. „Ich würde schon gern wissen, was du meintest.“ Nur kurz wagte es Damian ihn anzusehen. Es fiel ihm schwer zu denken, denn sein Herz schlug so hart und schnell. „Nun sag schon!“, drängte Jadon und löste mit dem Klang seiner warmen Stimme ein zartes Kribbeln in Damians Bauch aus. „...dass ihr der Grund wart, für mein Bleiben...“ Damian zog die Schultern hoch. „Entschuldigung. Es war nicht meine Absicht... Ich bin zu weit gegangen. Es tut mir leid.“, wisperte er mit gesenktem Kopf. „Gib mir deine Hand!“, forderte ihn Jadon auf. Ängstlich gehorchte der Jüngere. Ruhig holte Jadon etwas aus seiner Tasche. „Du hast Recht!“ Erschrocken sah Damian ihn an. „Womit?“ „...das war ziemlich unverschämt!“ Der Schreck duchzuckte Damian. „...und ich habe gehofft, der Grund für dein Bleiben zu sein!“ Damian konnte sein Erstaunen nicht verstecken und sah Jadon atemlos mit offenem Mund an. „Hier!“ Der Ältere legte ihm ein gefaltgetes Blatt in die Hand. Damian sah verwundert auf seine Hand. „Was ist das?“ Er falltete das Papier auseinander. „Kannst du lesen?“ Beschämt beantwortete er Jadons Frage mit einem Kopfschütteln. Mit den Fingerspitzen hob Jadon das Kinn des Jüngeren leicht an, beugte sich zu ihm und küsste leicht die weichen Lippen. „Die restlichen Schulden deiner Familie sind jetzt auch beglichen!“, wisperte Jadon. Damian musste Abstand nehmen um ihn überrascht ansehen zu können. „Ihr habt das getan? Wie kann ich euch dafür nur danken?“ Er braucht nur kurz nachdenken um eine Idee zu haben. Scheu näherte er sich Jadon und gab ihm ebenfalls einen Kuss. 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