Babylon-6 - 03 von ulimann644 (Gegenangriff) ================================================================================ Kapitel 3: Erstkontakt ---------------------- Bereits siebzehn Minuten später stand Lynden B. Hayes hinter dem Platz des Captains im Kommandozentrum der SHERIDAN und blickte in die Runde. Hier herrschte das übliche Durcheinander eines bevorstehenden Alarmstarts. Der spanische Kommandant des Trägerraumschiffs hatte auf der anderen Seite des Sessels Aufstellung genommen und gab über einen Kommunikator, den er am linken Ohr trug, schiffsweit letzte Anweisungen. Wie immer würde er nach dem Start darauf bestehen, dass sein Vorgesetzter im Sessel Platz nahm. In dieser Hinsicht hatte sich Esposito von Beginn an als erstaunlich stur erwiesen, wenn Hayes an Bord des Flaggschiffes der Kampfgruppe-Epsilon weilte. Hayes hatte diese Marotte des Spaniers mittlerweile akzeptiert und er wusste sie als Zeichen des Respekts zu würdigen. Esposito hatte bereits jahrelang, als Erster Offizier im Rang eines Commanders, an Bord der ANDROMEDA, dem früheren Flaggschiff des Verbandes, zusammen mit ihm gedient. Nachdem dann im Herbst letzten Jahres das neue Trägerschlachtschiff SHERIDAN in Dienst gestellt worden war, hatte Hayes ihn zum Captain befördert und persönlich als Kommandant dieses neuen Kriegsschiffs vorgeschlagen. Zusammen mit Esposito hatte der General gleichzeitig Lieutenant-Commander Melanie Sterling auf die SHERIDAN übernommen und sie zum Commander befördert. Zuvor als Kommandantin des Bordgeschwaders der ANDROMEDA dienend, hatte die zierliche Australierin nun, neben der Funktion als Geschwaderkommandantin der 48 Jäger und ebenfalls 48 Jagdbomber, nun zusätzlich die Position des Ersten Offiziers an Bord inne. Bisher hatte die oft ernst wirkende Frau diese Doppelfunktion hervorragend ausgefüllt. Zudem bestand zwischen Esposito und der Schwarzhaarigen ein besonderes Vertrauensverhältnis, das sich jedoch auf den rein dienstlichen Bereich beschränkte. Beide waren im Laufe der gemeinsamen Dienstjahre zu guten Freunden geworden - mehr nicht, aber auch nicht weniger. Zwei Minuten später wandte sich Fernando Esposito an seinen Vorgesetzten und meldete: „Der Verband ist klar zum Start, General. Bitte nehmen Sie Platz.“ Hayes grinste beinahe verzweifelt und setzte sich in den Kommandosessel. Dabei raunte er dem Spanier amüsiert zu: „Nur damit Sie Ihren Seelenfrieden finden, Captain.“ Esposito grinste offen, sagte aber nichts dazu. Er wusste, dass Hayes der Meinung war, der Kommandantensessel würde ausschließlich dem Schiffskommandanten zustehen, und das war im Grunde nicht Hayes, sondern er selbst. Hayes nutzte die SHERIDAN lediglich als Flaggschiff und legte die strategischen Richtlinien für den Verband fest. Die Schiffsinterna unterlagen allein seiner Kommandogewalt, als Captain des Schiffes und natürlich wusste und akzeptierte Hayes das. Andererseits empfand es Esposito als unmöglich, den Kommandeur des Verbandes im Kommandozentrum herumstehen zu lassen, während er selbst gemütlich im Sessel saß. Während des letzten Einsatzes hatte es sich so ergeben, dass sie sich den Sessel geteilt hatten, wenn sie beide längere Zeit im Kommandozentrum weilten, womit Esposito notfalls auch diesmal würde leben können. Auf dem Bildschirm erkannte Hayes, wie das Schiff langsam Fahrt aufnahm, nachdem Esposito den Befehl dazu erteilt hatte. Der General wusste, auch ohne es zu sehen, dass dem Flaggschiff zwei Zerstörer der NOVA-KLASSE und zwei Schiffe der ALPHA-II-KLASSE folgten. Zusammen mit den Bordgeschwadern sollten diese fünf Schiffe ausreichen um nicht in Verlegenheit zu geraten, falls jene Unbekannten, die unter noch ungeklärten Umständen, offenbar sieben alte ALPHA-KLASSE Kreuzer gestohlen hatten, erneut zuschlagen wollten. Im Gegensatz zu den sieben verloren gegangenen Kreuzern waren diese fünf Kriegsschiffe voll bemannt, auf dem höchsten Stand der Technik, und in Alarmbereitschaft. Ein eventueller Aggressor würde also eine riesengroße Überraschung erleben, falls er einen Angriff riskieren sollte. Vor den fünf Raumschiffen wurde in diesem Augenblick, von der Station aus, die im Sprachgebrauch ihrer Besatzung schlicht nur BABYLON-6 genannt wurde, einhundert Kilometer entfernt, ein gelb leuchtender Vortex von fünf Kilometern Durchmesser etabliert, durch den ein Eindringen in den Hyperraum möglich war. In geschlossener Formation drangen die fünf Kriegsschiffe der Erdstreitkräfte in den Hyperraum ein, der sie mit seinem gewohnt düsterroten Wallen und Wabbern aufnahm. Im Kommandozentrum der SHERIDAN stand Lynden B. Hayes abrupt auf und wandte sich zu Esposito: „Captain, nach den Koordinaten, die von der Narn übermittelt worden sind, liegt der Sektor in dem wir auf ihr Raumschiff treffen werden, etwa einen Flugtag von hier entfernt. Ich werde mein Quartier aufsuchen. Melden Sie mir jede Unregelmäßigkeit, die sich möglicherweise ereignen könnte.“ Damit wandte der General sich ab und verließ das Kommandozentrum, das sich ziemlich genau im Achsenquerschnitt des Trägerschlachtschiffes befand. Zielstrebig durch die Gänge schreitend erreichte er eine halbe Minute später sein Quartier. Dort angekommen begab sich der Mann zum Computerterminal und aktivierte das Gerät. Nachdenklich sagte er: „Computer, liste alle Fakten zu einer Narn namens G´Ryka auf, die sich in der Datenbank befinden.“ „Bitte warten“, kam die Reaktion des Computers und Hayes fragte sich, wer auf die Idee gekommen sein mochte, die Stimmausgabe für Computer an eine einschmeichelnde Frauenstimme anzupassen. Im nächsten Moment fügte die Stimme hinzu: „Auftrag ausgeführt. Daten erscheinen auf dem Bildschirm.“ Hayes beugte sich neugierig etwas vor und blickte angestrengt auf den Text des eingeblendeten Dossiers. Laut dieser Angaben handelte es sich bei der besagten Person um die Tochter von G´Kar und Da´Kal. Beide Namen waren Hayes ein Begriff. G´Kar war einst Botschafter auf BABYLON-5 gewesen. Später hatte er ein religiöses Buch verfasst, das so etwas wie ein Bestseller unter gläubigen Narn geworden war. Über sein späteres Schicksal wusste Hayes nur sehr wenig, außer dass ihm vereinzelt Gerüchte zu Ohren gekommen waren, sein Tod, im Jahr 2278 hätte mit dem des damaligen Imperators der Centauri-Republik, Londo Mollari, in enger Verbindung gestanden. Seine Frau, Da´Kal, hatte viele Jahre lang zum Ersten Kreis gehört, zu dem nur eine Handvoll Narn gehörten, welche die Regierungsgewalt innerhalb des Narn-Regimes ausübten. Auch heute, so sagte man, hielt sie noch Verbindungen zum Ersten Kreis. Und nun hatte ausgerechnet deren Tochter, die lange Jahre zum Zweiten Kreis gehört hatte, welcher quasi den Senat innerhalb des neuen Kha´Ri darstellte, Verbindung aufgenommen und behauptete, einen der vermissten Offiziere der verschwundenen sieben Kreuzer, gerettet zu haben. Das alles klang reichlich mysteriös für den Grauhaarigen. Es war jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass jener Lieutenant Eireene Connally, von der in G´Rykas Nachricht die Rede gewesen war, unzweifelhaft an Bord eines der Kreuzer gewesen war. Woher sollte die Narn diesen Namen kennen, wenn sie nicht tatsächlich diese Frau an Bord hatte? Die einzig vorstellbare Alternative wäre gewesen, dass sie selbst an dem Überfall beteiligt gewesen war. Doch Hayes verwarf diese Möglichkeit sehr schnell wieder. In diesem Fall Verbindung mit ihm aufnehmen zu wollen wäre reichlich dumm gewesen. Außerdem: Woher sollte die Narn ihn ausgerechnet in diesem Sektor vermuten? Hayes lehnte sich im Stuhl zurück. Natürlich konnte man diese Nachricht vorher aus dem Lieutenant herausgepresst haben, doch der Gedanke schien Hayes zu abwegig. Außerdem hatte er Erfahrung damit bei Dossiers auch zwischen den Zeilen zu lesen, und das von G´Ryka erweckte nicht den Verdacht in ihm zu einer Verbrecherin unterwegs zu sein. Für einen Moment bedauerte er, nicht Irina Zaizewa dabei zu haben denn eine Telepathin wäre notfalls in der Lage Licht ins Dunkel zu bringen. Nach einer Weile lächelte der General unbewusst. Nein, die Telepathin würde ihm bestenfalls erneut die Hölle heiß machen wenn er sie dazu drängte ein Wesen gegen seinen Willen zu scannen, ohne ausreichende Verdachtsmomente. Sich seufzend aus dem Stuhl schälend überlegte Hayes, was für ein menschliches Verhältnis ihn und Irina Zaizewa momentan verband. Eines war sicher: In den letzten Wochen hatte sich mehr entwickelt zwischen ihnen beiden, als eine normale Kameradschaft. Aber was es genau war, das konnte Hayes nicht sagen und das verwirrte ihn. Rastlos schritt er im Arbeitsraum hin und her. Er wusste ja nicht einmal zu sagen was er selbst für diese Frau empfand. War es Freundschaft, Kameradschaft, oder war es mehr als das? Er wusste momentan nur, dass seine Gefühle für Irina, ganz gleich welcher Art, ziemlich zwiespältiger Natur waren. Eine Verwünschung zwischen den Zähnen zerquetschend setzte er sich schließlich wieder an das Computerterminal und las die Fakten erneut. Dabei überlegte er, wie eine Narn, die den offiziellen Quellen nach nicht zum Militär der Narn gehörte, zu einem bewaffneten Kreuzer gekommen sein mochte. Noch vor ihrem bevorstehenden ersten Kontakt befand der Generalmajor, dass diese Narn wohl kaum weniger imponierend sein konnte als ihr Vater. Nun, spätestens in knapp vierundzwanzig Stunden würde er wohl schlauer sein.   * * *   Die letzten dreiundzwanzigeinhalb Stunden waren geradezu sensationell ereignislos verlaufen und so brannte Lynden B. Hayes, der nun wieder neben Captain Esposito im Kommandozentrum der SHERIDAN stand, um so mehr darauf endlich im Zielgebiet einzutreffen und mit der Narn reden zu können. Der Generalmajor atmete hörbar ein und aus, als sein kleiner Verband endlich den Hyperraum verließ und auf dem Bildschirm die ewige Schwärze des Weltalls sichtbar wurde. Bereits wenige Augenblicke später meldete der Ortungsoffizier: „Kontakt in 037.121, Sir. Der Größe nach handelt es sich um das Schiff welches uns kontaktiert hat. Entfernung: Knapp zwei Millionen Kilometer.“ „Wir gehen heran und fliegen ein Anpassungsmanöver“, wies Captain Fernando Esposito die Pilotin der SHERIDAN an. Danach wandte er sich zum Funkoffizier und befahl: „Rufen Sie das Schiff über einen gesicherten Kanal an.“ Während die Anweisungen des Spaniers ausgeführt wurden trat Hayes an seine Seite und meinte leise: „Ich bin bereits sehr gespannt auf diese Kontaktaufnahme. Von G´Rykas Vater, G´Kar, habe ich in meiner Jugendzeit die tollsten Dinge gehört, wobei ich glaube, dass einige der Anekdoten wohl etwas ausgeschmückt wurden. Nun, wir werden ja sehen.“ Esposito, der in diesem Moment erst erfuhr wessen Tochter G´Ryka war, blickte etwas verblüfft seinen Vorgesetzten an und erkundigte sich raunend: „Reden wir hier von dem G´Kar, Sir? Mir war nicht bewusst, dass dieser Narn überhaupt eine Frau hat, geschweige denn ein Kind.“ Bereits im nächsten Moment wechselte das Bild auf dem Hauptschirm und es wurden zwei Wesen darauf erkennbar. Lynden B. Hayes erkannte zwei Frauen; eine davon ohne jeden Zweifel eine Narn. Die andere Frau war menschlich, blond, und man sah ihr an dass die letzten Tage nicht ganz spurlos an ihr vorbei gegangen waren. Der Hintergrund wurde orangerot beleuchtet, was typisch für Raumschiffe der Narn war da ihre Sonne denselben Farbton aussandte. Der General räusperte sich und wandte sich an die Menschenfrau, welche eine Uniform der Erd-Allianz mit den Insignien eines First-Lieutenants trug: „Nennen Sie Ihren Namen, Lieutenant.“ „Eireene Connally. Zuletzt unter Commander Jason Hrrurfuhruhurr, auf dem ALPHA-KLASSE Kreuzer EAS KLOTHO im Dienst. Sir, was ich zu berichten habe ist dringender Natur, und ich möchte das nicht über Funk verlauten lassen.“ Der General nickte knapp und wandte sich etwas nach Rechts um nun mit der Narn zu reden. „Sie sind G´Ryka?“ Die Narn legte ihre beiden Fäuste vor die Brust und verbeugte sich leicht. Dabei drückten ihre roten Augen eine Mischung aus Tatendrang und Neugier aus als sie mit rauer Stimme antwortete: „Das ist richtig, General. Lieutenant Connally ist mir auf der Transferstation LOOKOUT über den Weg gelaufen. Ich habe mich ihrer angenommen und bot ihr meine Hilfe an, da sie zu diesem Zeitpunkt in Schwierigkeiten steckte.“ Hayes versuchte im Gesicht der Narn auszuloten was ihre Beweggründe dafür gewesen sein mochten – ohne großen Erfolg wie er sich missmutig eingestehen musste. Fordernd erklärte er: „Ich würde auch Sie gerne sprechen, Miss G´Ryka. Mir wäre es lieb, wenn Sie und Lieutenant Connally mit einem Shuttle an Bord meines Flaggschiffs, die EAS SHERIDAN, kämen, damit wir uns unterhalten können.“ Die Narn erweckte kurzzeitig den Eindruck als wäre sie mit dem Vorschlag des Generals nicht einverstanden. Doch dann sagte sie schließlich: „In Ordnung, General. Ich nehme an, das von Ihnen erwähnte Flaggschiff ist dieser beeindruckende Riesenkasten, den wir in der Ortung haben?“ Der Flaggoffizier erlaubte sich ein Schmunzeln. „Sie vermuten richtig. Bitte benutzen Sie beim Anflug den oberen rechten Hangar - dort werde ich Sie erwarten. Hayes, Ende.“ „Lieutenant Connally und ich werden zu Ihnen übersetzen. G´Ryka, Ende.“ Die Verbindung wurde unterbrochen und Hayes wandte sich an Esposito. „Bestellen Sie vier Leute der Sicherheit zu Hangar-1. Sicher ist sicher. Ach und Captain: Halten Sie die Augen offen, solange wir uns in diesem Sektor aufhalten. Ich mag keine Überraschungen, wenn Sie verstehen was ich meine.“ „Ich halte den Verband gefechtsbereit, Sir“, bestätigte Esposito mit etwas enttäuschter Miene. Er hatte gehofft, dass der General ihn mitnehmen würde. Doch er verstand andererseits die Vorsicht seines Vorgesetzten. In einer nicht überschaubaren Situation wie dieser war sein Platz im Kommandozentrum seines Schiffes. So blickte er Hayes missmutig nach, als dieser die Zentrale verließ um den Hangar, im Frontsektor des gut drei Kilometer langen Trägerschlachtschiffes, aufzusuchen. Der General indessen nutzte das Steuerbord-Röhrenbahnsystem der SHERIDAN, um in den Frontbereich des Trägerschlachtschiffes zu fahren. Auf Raumschiffen vom Rang der SHERIDAN hatte sich ein solches System als unabdingbar erwiesen, denn es dauerte im Allgemeinen zu lange ein so gewaltiges Raumschiff zu Fuß zu durchqueren. Auf der SHERIDAN gab es zwei solcher Transportsysteme, bestehend aus jeweils sechs Röhrenbahnen, die von den mittleren drei Decks erreicht werden konnten, und deren Trassen durch die gesamte Länge des Schiffes führten. Haltestationen gab es insgesamt fünf, und zwar im Hangarsektor, dem Kommandobereich, dem Antriebssektor, und den beiden jeweiligen Bereichen zwischen diesen drei Hauptsektoren. Strecken, die kürzer waren als jene zwischen diesen fünf Bereichen konnten zeitnah weiterhin zu Fuß durchquert werden. Während Hayes in den Frontsektor des Schlachtschiffes fuhr überlegte er, dass sich ein solches Transportsystem zum ersten Mal an Bord der beiden, fast drei Kilometer langen, Raumkreuzer der VICTORY-KLASSE bewährt hatte. Kein Wunder also, dass die um 52 Meter längere SHERIDAN ebenfalls mit einem Transportsystem ausgestattet worden war, welches sich jedoch in seiner Konstruktion signifikant von dem dieser beiden ISA-Kreuzer unterschied. Hauptsächlich war es platzsparender konstruiert worden. Wenig später hatte der Generalmajor den Endpunkt des Röhrenbahnsystems erreicht und er verließ das Gefährt, das bis zu fünfzig Menschen gleichzeitig transportieren konnte. Im Wartebereich des Hangars stieß Hayes auf die vier Sicherheits-Soldaten. G´Ryka und Lieutenant Connally waren bereits zugegen und blickten abwartend zu ihm, als er sich näherte. Der General gab den vier Soldaten ein Zeichen ihm zu folgen. Etwa drei Schritt vor den beiden so unterschiedlichen Frauen blieb er stehen und sah der Narn direkt in die Augen, während diese ihre Geste wiederholte, die er bereits auf dem Bildschirm hatte beobachten können, als sie sich über Bildfunk unterhalten hatten. Um nicht unhöflich zu sein legte Hayes seinerseits die Fäuste an seine Brust wobei aus der Verbeugung eher ein angedeutetes Kopfnicken wurde. Dann sagte er mit sonorer Stimme: „Willkommen an Bord der SHERIDAN, Miss G´Ryka.“ Erst dann blickte er zu der Menschenfrau und meinte: „Ich heiße auch Sie willkommen, Lieutenant Connally. Sie werden verstehen, dass ich sehr gespannt auf Ihren Bericht bin. Bitte kommen Sie und G´Ryka mit mir, ich möchte keinerlei Zeit vergeuden.“ Er wandte sich um und ging voran, während die vier Soldaten der Sicherheit die beiden Frauen zwischen sich nahmen. Bei einem flüchtigen Blick über die Schulter bemerkte Hayes, wie sich die Narn sehr aufmerksam umsah, offensichtlich beeindruckt von dem, was sie sah. Der Generalmajor schmunzelte leicht. Selbst ihm war es so ergangen, als er zum ersten Mal das Schiff inspiziert hatte. Als sie endlich den Mittelsektor erreicht, und einen der kleineren Konferenzräume betreten hatten, brach die Narn das Schweigen und erkundigte sich, mit einem schnellen Blick zu den vier Sicherheitsleuten, die sich rechts und links des Schotts, entlang der Wände postiert hatten: „Ich lege Wert darauf festzustellen, dass ich nicht als Ihre Gefangene hier bin, sondern als freie Narn, General Hayes. Ansonsten wird dies ein sehr einseitiges Gespräch werden.“ Der General bot den beiden Frauen Platz an dem einfachen Tisch, mit dem eingeprägten Symbol der Erd-Allianz, an und erwiderte, zu G´Ryka gewandt, während er sich selbst an das Kopfende des Tisches setzte: „Sie ihrerseits werden sicherlich verstehen, dass ich mich absichern muss. Ich kenne Sie nicht, Miss G´Ryka, und mich beunruhigt die Tatsache, dass Sie von unserem Hiersein wissen.“ „Sir, Sie müssen der Narn vertrauen“, schaltete sich an dieser Stelle Eireene Connally ein. „Sie hat mir geholfen, als...“ „Zu Ihnen komme ich gleich noch, Lieutenant, Connally!“, donnerte der General mit lauter Stimme, wobei er die blonde Frau, die, G´Ryka gegenüber, zu seiner Linken am Tisch saß, mit finsterer Miene musterte. „Sie haben nicht nur eine Zivilperson in die Nähe unseres geheimen Aufmarschsektors geführt, sondern Sie haben Ihr auch noch die Anwesenheit unserer Einheit verraten, die so lange, wie nur möglich, geheim bleiben soll!“ Verblüfft über diesen plötzlichen Ausbruch des Mannes schwieg die Blondine betreten. Inzwischen wandte sich der Generalmajor erneut der Narn zu. „Miss G´Ryka, ich möchte nicht, dass Sie mich für undankbar halten. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie einem Offizier der Erd-Allianz geholfen haben, doch allein der Umstand, dass Sie von der Präsenz der Erdstreitkräfte in diesem Raumsektor wissen, bringt mich in eine unangenehme Situation. Sie können nicht von mir erwarten, dass ich einer mir vollkommen fremden Person vorbehaltlos vertraue.“ Die Narn beugte sich im Stuhl nach vorne und blickte den Generalmajor mit zusammengepressten Lippen an. Nur in ihren Augen, die in diesem Moment beinahe zu glühen schienen erkannte man, wie sehr es in ihr arbeitete. Nach einigen Augenblicken entspannte sich ihre Haltung etwas und mit einem schnellen Blick auf die vier Wachen erklärte die Narn, mühsam beherrscht: „Nun gut, ich kann Sie nicht daran hindern, mich und die Besatzung der NE´VAR zu inhaftieren, aber es wäre bestimmt ein Fehler, General. Wenn ich finstere Absichten hätte, dann wäre ich doch sehr dumm gewesen, Lieutenant Connally hierher zu bringen, anstatt mein Wissen anderweitig zu Geld zu machen, finden Sie nicht?“ „Genau das wäre mein Argument, um mich in Sicherheit zu wiegen“, hielt Hayes dagegen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte die Narn scharf, bevor er sich an die Wachen wandte und zu ihrem Sergeant sagte: „Begleiten Sie und ihre Leute Lieutenant Connally für einen Moment auf den Gang hinaus, ich möchte etwas allein mit G´Ryka besprechen.“ Hayes erkannte das Unbehagen im Blick des Angesprochenen und erklärte: „Ich werde mich zu wehren wissen, falls die Narn mir an den Kragen will. Aber das glaube ich nicht.“ Eireene Connally verstand den Wink. Sie erhob sich schnell und verließ mit den vier Sicherheitsbeamten den Raum. Nachdem sich das Schott hinter den fünf Personen geschlossen hatte, und der Generalmajor mit G´Ryka allein im Raum war, legte er seine Fingerspitzen gegen einander, atmete tief durch und erklärte ruhig: „Was ich zunächst von Ihnen möchte, G´Ryka, ist zu erfahren, was Lieutenant Connally Ihnen erzählt hat, bevor ich sie selbst dazu befragen werde.“ Die Narn blickte einige Momente in die Augen des Generalmajors. Dann nickte sie und gab wieder, was Eireene Connally ihr an Bord der NE´VAR erzählte. Nachdem sie geendet hatte, nickte der Flaggoffizier ernst und erklärte: „Ich glaube, dass Sie die Wahrheit gesagt haben, G´Ryka. Mein Problem ist, dass Sie zu viel wissen, als dass ich Sie einfach so vom Haken lassen könnte.“ Hayes erkannte das Unverständnis der Narn-Frau, bei seinen letzten Worten und erklärte, was er mit „vom Haken lassen“ gemeint hatte. Danach fuhr er fort: „Aus diesem Grund möchte ich Ihnen ein Angebot machen, das vielleicht für uns beide von Vorteil wäre, Miss G´Ryka. Sie sagten, dass die NE´VAR erschreckend unterbesetzt ist. Ich könnte dafür sorgen, dass sich diese Tatsache ändert, indem ich Ihnen mit kompetenten Freiwilligen aushelfe, darunter auch einige ausgezeichnete Jagdpiloten, die einen FRAZI-Jäger fliegen können. Im Gegenzug dafür arbeiten Sie für mich. Sie können zu Orten fliegen, an denen meine Einheiten zu auffällig wären, und sich dort Informationen beschaffen, die wichtig für mich sein könnten. Die Alternative wäre, Sie, Ihre Mannschaft und Ihr Schiff zu kassieren. Was also sagen Sie?“ G´Ryka gab vor zu überlegen. Insgeheim gefiel ihr der Plan, doch sie hatte einige Bedingungen, die sie nun vorbrachte. Ernst erwiderte sie: „Wenn ich mich auf Ihren Vorschlag einlasse, General, dann nur, wenn ich dabei meine eigenen Pläne weiterverfolgen darf. Ich kann es mir nämlich nicht leisten, diese zu vernachlässigen. Irgendetwas Seltsames geht vor sich, im Kha´Ri und mittelfristig werde ich große finanzielle Mittel benötigen, um einer drohenden Gefahr aus dieser Richtung entgegentreten zu können. Wenn Sie also ein paar tüchtige Geschäftsleute in Ihren Reihen haben, dann wären die von Interesse für mich. Wir machen es also auf meine Art, oder wir machen es gar nicht, General.“ In Hayes Gesicht arbeitete es. Dann nickte er und antwortete: „Also gut, Miss G´Ryka. Sie gehen Ihren Geschäften nach, aber Sie halten Ihre Augen und Ohren offen. Ich vermute ohnehin, dass sich unsere Interessen decken, da möglicherweise dieselbe Organisation die mir momentan zu schaffen macht hinter dem stecken könnte, was Sie vermuten. Ihnen werden Techniker, Piloten und sonstiges Personal zugeteilt, das Sie benötigen. Ich werde Ihnen ein Gastquartier zuweisen lassen und Sie machen mir bitte innerhalb der nächsten halben Stunde eine Aufstellung dessen, was Sie an Personal und Nachschubgütern brauchen. Ich selbst werde mich in dieser Zeit eingehend mit Lieutenant Connally unterhalten.“ Der Generalmajor erhob sich und G´Ryka tat es ihm nach. Nachdem Hayes sich am Schott von Ihr verabschiedet, und den Sergeant darum gebeten, hatte sie zu einem der Gästequartiere zu bringen, bat er Eireene Connally zu sich. Wieder am Tisch Platz nehmend begann die blonde Frau mit ihrem Bericht, nachdem sie der Generalmajor dazu aufgefordert hatte. Hayes hörte während der gesamten Zeit sehr aufmerksam zu und stellte nicht eine einzige Zwischenfrage. Erst nachdem Eireene Connally geendet hatte, forderte der Ergraute die Frau nachdenklich auf: „Berichten Sie mir noch einmal genau, wie sich der unfreiwillige Übergang, vom Hyperraum zum Normalraum ereignet hat. Dieser Teil Ihres Berichtes klingt beinahe fantastisch.“ Eireene Connally erwiderte beinahe beschwörend den Blick des Generals und erwiderte: „Es hat sich so ereignet, wie ich es sagte, Sir. Zuerst stellten wir einen seltsamen Energieanstieg im Hyperraum fest, etwas, das bisher einmalig gewesen ist. Kurze Zeit später blähte sich vor unseren Kreuzern eine Kugel aus düsterroten bis grell orangenen Blitzen auf. Als die Kreuzer von ihr erfasst wurden da wurden die Kreuzer wild durchgeschüttelt und danach befanden sie sich plötzlich im Normalraum. Einen optischen Effekt, wie den eines Vortex gab es dabei nicht, soweit ich mich an die Ereignisse zurückerinnern kann. Den Rest habe ich bereits erzählt. Die Kreuzer wurden geentert, und die Besatzungen ermordet.“ Die Hände des Generalmajors ballten sich auf dem Tisch zu Fäusten. Tonlos fragte er schließlich: „Es war also mehr ein aus dem Hyperraum heraus phasen, als ein heraus springen wollen Sie damit sagen, ist das richtig?“ Die Frau überlegte kurz und nickte dann. „Das wäre wohl der passende Vergleich, Sir.“ Generalmajor Hayes schluckte und fragte Lieutenant Connally nach einem langen Moment: „Wissen Sie, welches Volk eine solche Technik beherrscht hat?“ Die Blonde wurde aschfahl im Gesicht. „Die Schatten, Sir. Aber das...“ Hayes nickte. „Die Schatten sind fort, aber sie hatten Helfer. Allen voran die Drakh. Wir dachten bisher, sie besiegt zu haben, doch möglicherweise ist diese Ansicht falsch, Lieutenant. Die Art, wie man die Kreuzer aus dem Hyperraum holte, scheint einen fürchterlichen Verdacht zu bestätigen. Raiders, Telepathen, und Drakh die noch immer über die Machtmittel der Schatten verfügen, die nun zusammenarbeiten. Das ist eine schreckliche Vorstellung.“ Eireene Connally blickte den General fragend an. „Was haben Sie nun mit mir vor, Sir?“ Hayes erwiderte den Blick der Frau und antwortete: „Ich nehme an, Sie möchten umgehend auf Ihren Posten zurückkehren. Leider ist das momentan nicht möglich. Sie wissen zu viel.“ „Sir, mit Ihrer Erlaubnis würde ich mich gerne als Erste freiwillig für den Einsatz an Bord des Narn-Raumschiffes melden. Mit Verlaub, G´Ryka könnte eine fähige Navigatorin, wie mich, ganz gut gebrauchen.“ Der Generalmajor zögerte mit der Antwort. Er war sich nicht ganz darüber im Klaren, ob sich die Blonde wirklich aus den richtigen Gründen zu dieser Mission meldete. Geradeheraus sagte er: „Eine private Vendetta kommt nicht in Frage, Lieutenant. Wenn ich mein Einverständnis gebe, dann werde ich G´Ryka anweisen dahingehend ein wachsames Auge auf Sie zu haben, damit Sie klarsehen, Lieutenant.“ „Vollkommen klar, Sir.“ Der Mann blickte Eireene Connally forschend an und nickte schließlich. „Also schön, Miss Connally. Sie werden dabei sein. Auf diese Weise sind Sie vorerst aus der Schusslinie Ihrer Verfolger. Aber geben Sie acht – Sie könnten schneller wieder mittendrin sein, als Sie denken. Vielleicht wäre es eine gute Idee etwas an ihrem Äußeren zu arbeiten. Vielleicht ein anderer Haarschnitt und eine andere Farbe als Tarnung.“ „Ja, Sir“, entgegnete die Frau wenig begeistert zurück und verzog das Gesicht. Beinahe verschmitzt grinsend erklärte der Generalmajor: „Dann wäre das geklärt, Lieutenant Connally, und nun werde ich mir die Aufstellung von G´Ryka ansehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)