Babylon-6 - 02 von ulimann644 (Gegner im Dunkel) ================================================================================ Kapitel 6: Ein grausiger Fund ----------------------------- Etwas weniger als drei Tage später verließ das erste und vorerst auch einzige Trägerschlachtschiff der Erdstreitkräfte, die EAS SHERIDAN, gefolgt von zwei Schweren Zerstörern der WARLOCK-KLASSE und zwei schwer bewaffneten Kanonen-Kreuzern der NOVA-KLASSE, den Hyperraum. Die fünf Kriegsschiffe fächerten auf und setzten ihre Eigengeschwindigkeit so weit herab, bis sie nur noch mit wenigen Kilometern pro Minute durch die ewige Schwärze des Weltalls glitten. In den Hangars der fünf Raumschiffe warteten insgesamt 144 Jäger der STARFURY-KLASSE darauf ausgeschleust zu werden. Die 48 Jagdbomber der THUNDERBOLT-KLASSE, an Bord der SHERIDAN, waren zwar bemannt, aber Hayes gedachte, sie vorerst zurück zu halten, nur für den Fall dass es unliebsame Überraschungen geben würde. Im Kommandozentrum der SHERIDAN gab Generalmajor Hayes dem Captain des Trägerschlachtschiffs, Fernando Esposito, ein Zeichen und der Südländer befahl den Start der Jäger. Über Funk stand er mit der Geschwaderkommandantin der SHERIDAN, Commander Melanie Sterling, in direktem Kontakt. Hayes bekam mit, wie Esposito sie anwies: „Commander Sterling, lassen Sie die Jäger in alle Richtungen ausschwärmen. Wenn es hier irgendetwas zu finden gibt, dann sollten die Jäger in der Lage sein es zu entdecken. Gute Jagd. Esposito, Ende.“ Da die Antwort über den Kommunikator erfolgte, den Esposito am linken Ohr trug, bekam Hayes die Antwort der Australierin nicht mit, obwohl er sich denken konnte, wie sie ausfiel. Als Fernando Esposito zu ihm sah, meinte Hayes grimmig: „Was halten Sie davon, Esposito? Keine Spur von den sieben Kreuzern. Ich hatte insgeheim gehofft, dass es Anzeichen für ihren Verbleib geben würde oder das wir sie gleich hier finden, falls es während des Fluges zu irgendeiner Katastrophe gekommen sein sollte. Aber hier ist gar nichts, wie es bis jetzt aussieht.“ Der Spanier nickte ernst. „Geradezu unheimlich ist das, Sir. Wenn ich an Geister glauben würde, dann hätte ich einen Verdächtigen für das Verschwinden der Schiffe. Aber so...“ Der General nickte mit säuerlicher Miene. „Die Erklärung, was den Kreuzern widerfuhr, wird ganz bestimmt am Ende keine Geister beinhalten, sondern sehr greifbar werden, fürchte ich.“ „Haben Sie Vorahnungen, Sir“ Hayes schüttelte den Kopf. „Darauf gebe ich nicht viel. Aber hierbei habe ich ein ziemlich mieses Gefühl, wenn Sie so wollen. Was mich beunruhigt ist, dass es keinen Notruf gegeben hat. Denn falls unseren Kreuzern tatsächlich etwas zugestoßen sein sollte, so würde das bedeuten, dass das – was immer es auch war - was unsere Kreuzer überraschte, schnell und hart zuschlug.“ „Also doch Vorahnungen. Warten wir ab, ob die Jäger etwas finden“, schlug Esposito vor. „Vielleicht sehen wir schon bald sehr bald klarer.“   * * *   Etwa in demselben Moment, in dem Esposito diese Worte sprach, löste sich Lieutenant-Commander Thore Ingersson, der Geschwaderkommandant der Jäger an Bord der DEMETER, von seinem Flügelmann, dem er den Befehl erteilt hatte, einige Grad zur Grün-Koordinate hin abzuschwenken. Das gewohnte Vibrieren der Triebwerke spürend, als er selbst etwas nach Rot korrigierte, starrte er angespannt auf das Multi-Funktions-Display direkt vor sich. Er hatte vor wenigen Momenten umgeschaltet von Energieortung auf Masseortung. Seiner Meinung nach hätten die Mutterschiffe der Jäger längst jede signifikante Energiequelle geortet, die auf ein Raumschiff mit aktiven Systemen hingewiesen hätte. Seine über die Jahre geschärften Instinkte als Jagdpilot sagten ihm, dass er mehr Erfolg haben würde, wenn er sich auf die Masseortung konzentrierte, denn bei dieser Ortungsmethode waren die Jäger ihren Mutterschiffen, denen mitunter kleinere Körper durch die Maschen gingen, leicht im Vorteil. Auch wenn die Reichweite von deren Systemen denen der Jäger wiederum überlegen war. Kein Vorteil ohne Nachteil. Commander Sterling hatte den Befehl gegeben, sich nicht weiter vom Trägerverband zu entfernen, als maximal eine Astronomische Einheit. Das machte Sinn, denn selbst innerhalb dieser Entfernung wurde ihr kugelförmiges Netz bereits so löcherig, dass das Auffinden von Trümmerteilen fast schon zur reinen Glückssache mutierte. Der gebürtige Schwede, der den meisten Menschen sofort durch sein fast weißblondes Haar auffiel, gab den akustischen Befehl: „Computer, Erfassungskegel um drei Grad ausweiten.“ „Kommando ausgeführt“, meldete die einschmeichelnde Stimme des Bordcomputers. „Schwaches Echo auf Rot.“ „Na, bitte!“, rief der Skandinavier aus. Dann befahl er rasch: „Besten Flugvektor zum Echo auf den Bildschirm legen.“ Gleich darauf wurde der einzuschlagende Kurs auf dem MFD eingeblendet und Ingersson korrigierte schnell und sicher die Fluglage des wendigen Jägers, bis das kleine Raumschiff auf das Ziel ausgerichtet war. Laut der Display-Anzeige war das Objekt, auf das er zuhielt, etwas weniger als zwei Meter groß und nur noch etwa zehn Kilometer entfernt, was den Skandinavier nachdenklich stimmte, denn normalerweise wurden massive Trümmer dieser Größe in viel weiterer Entfernung ausgemacht. Näher und näher kam sein Jäger der Stelle im Raum, an der sich das fragliche Objekt befinden sollte. Als es sich nur noch wenige hundert Meter vor dem Jäger befand aktivierte der Pilot die Bordscheinwerfer, verzögerte weiter, und näherte sich nun mit wenigen Metern pro Sekunde. Etwas geriet in den Erfassungsbereich der Scheinwerfer, ein um seine Achsen trudelndes Etwas. Sekunden später erkannte Ingersson, was es war und er glaubte, sein Magen würde sich umdrehen. Einen Moment lang um seine Fassung ringend blickte der Pilot auf das, was er entdeckt hatte und auf sein MFD, auf dem nun weitere Objekte derselben Größe angezeigt wurden. Dann meldete er Commander Sterling über Funk, was er entdeckt hatte.   * * *   Generalmajor Lynden B. Hayes überkam ein ganz und gar ungutes Gefühl, als Fernando Esposito Commander Melanie Sterling dazu aufforderte ihre Meldung an ihn zu wiederholen. Nach einem Moment versteinerte die Miene des zumeist gut gelaunten Südländers förmlich. Mit einer mechanisch wirkenden Geste den Kommunikator abnehmend blickte der Captain seinen Vorgesetzten an und meldete ihm: „Sir, einer unserer Piloten hat eine Wolke aus im Raum treibenden Leichen entdeckt. Ich will nicht vorgreifen, oder wilde Vermutungen anstellen, aber ich denke, es handelt sich um die Überführungscrews der vermissten Kreuzer.“ Mit undurchdringlicher Miene erwiderte der Generalmajor den Blick des Spaniers, ballte seine Hände zu Fäusten und wies den Captain der SHERIDAN mit tonloser Stimme an: „Lassen Sie die Leichen bergen, Esposito. Wir nehmen sie mit nach BABYLON-6. Dort wird Lieutenant-Commander Yldirim und ihr Ärzte-Team Autopsien an ihnen vornehmen. Wir werden schon in Erfahrung bringen, was sich hier ereignet hat.“ Fernando Esposito bestätigte. Er legte den Kommunikator wieder an und fügte hinzu: „Melanie hat ihre Energieortung auf dem gesamten Spektrum laufen lassen, und sie hat, laut ihren eigenen Worten, eine sehr merkwürdige Reststrahlung aufgefangen. Sie wird sie scannen, damit wir auch diese Strahlung analysieren können, um festzustellen ob sie wirklich so merkwürdig ist. Vielleicht kommen wir auch nur zu dem Ergebnis, dass sie nichts zu bedeuten hat.“ „Ich glaube nicht an solche Zufälle, Captain. Lassen Sie Sterling das Gebiet ganz genau scannen, vor allen Dingen nach Waffenenergie- und Triebwerks-Restsignaturen.“ Der General blickte finster vor sich hin, bevor er sich erneut zu Esposito wandte. „Vor meinen Augen entwickelt sich ein sehr düsteres Bild, Esposito. Ein Bild, das mir gar nicht gefällt.“ Fernando Esposito nickte nur und beobachtete Hayes dabei, wie er sich auf dem Geländer, das den Kommandobereich umlief, mit den Händen abstützte, dabei den Handlauf fest umklammernd. Ihm selbst gingen einige Gedanken durch den Kopf aber ein klares Bild kam dabei nicht zustande. Vielleicht gelang es Lieutenant-Commander Nurcan Yldirim und ihrem Team, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Esposito lächelte unbewusst, als er an die türkische Stationsärztin dachte. Nachdem die Kampfgruppe-Epsilon die Station MFB-VI-023 vor etwa fünf Wochen erreicht hatte, waren er und die Ärztin sich auf der Station gelegentlich über den Weg gelaufen. Einige Male hatten sie sich dabei unterhalten und Esposito hatte diese Unterhaltungen durchaus genossen. Er mochte die kühle, zurückhaltende Frau, und er hätte etwas dafür gegeben zu wissen, ob er ihr ebenfalls sympathisch war. Momentan wusste er nämlich überhaupt nicht, woran er bei ihr war. Normalerweise schloss der Spanier sehr schnell Freundschaften, doch die Ärztin war zu wie eine Auster, wie man so schön sagte. Vielleicht reizte ihn gerade das, mehr über sie erfahren zu wollen. Bei diesen Gedanken verirrte sich sein Blick zu Hayes. Esposito war aufgefallen, dass sich der Generalmajor spürbar verändert hatte in den letzten Wochen. Durchaus zum Positiven, wie es schien. Um dies jedoch zu bemerken musste man den General schon einigermaßen kennen, so wie er zum Beispiel. Fernando Esposito ahnte auch, was, oder besser: wer der Grund für diese Veränderung war. Vielleicht sollte ich Nurcan Yldirim auch einmal zu einem Abendspaziergang überreden, überlegte der Spanier, halb amüsiert, halb nachdenklich. Esposito riss sich schließlich aus diesen Betrachtungen und blickte auf den großen Frontschirm. Auf Steuerbord voraus, mit leichter Überhöhung, war die ARTEMIS, einer der beiden Zerstörer der NOVA-KLASSE, die sie begleiteten, zu sehen. Gelegentlich gewann Esposito den Eindruck, dass die Konstrukteure bei dieser Raumschiffsklasse nach dem Prinzip: Soviel Waffen pro Quadratmeter Schiffsfläche, wie nur möglich vorgegangen waren. Die schwere Bewaffnung machte sie relativ schwerfällig, so dass sie nur selten ohne Flankenschutz durch leichtere und wendigere Kreuzer operierten. Der Captain der SHERIDAN blickte zu Hayes, als dieser in ansprach und meinte: „Schärfen Sie Commander Sterling ein, dass wir keine einzige Leiche zurücklassen wollen. Die Jäger sollen darum sorgfältig das gesamte Gebiet scannen.“ „Natürlich, Sir.“ Während Esposito seinen Befehl an Melanie Sterling weitergab, brütete Hayes düster vor sich hin. Welches Drama, zur Hölle, mochte sich hier abgespielt haben? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)