Reise in die Zukunft von Vei-Chan (Kakashi in der Neuzeit) ================================================================================ Prolog: Verloschen ------------------ Kälte umfing ihn. Es war eine Kälte, die er in seinem Leben noch niemals gespürt hatte. Sein Körper pulsierte in einer Mischung aus Schmerz, Taubheit und einem Gefühl, welches er schon fast vergessen hatte: Angst. Mit Tunnelblick spähte er abwesend in blaue Augen. Tränen standen in ihnen. Eine weitere Person beugten sich über ihn, sein Kopf sank schlaff nach hinten. Die Lider halb geschlossen sackte er ab in eine Bewusstlosigkeit, aus der er gleich wieder herausgerissen wurde. Alles schmerzte, alles fror, seine Glieder erstarben. Unter ihm begann die Umgebung sich zu drehen und er hörte noch dumpf die verzweifelten Rufe seiner Schüler. »Kakashi-Sensei!«, brüllte Naruto, aber der silberhaarige Jo-Nin konnte kaum das Wort verstehen, obwohl er am Boden lag. »Bitte nicht...«, flüsterte Sakura fast lautlos, »Bitte tu uns das nicht an...« Dies war der letzte Satz, den Kakashi vernahm, dann fiel er gefühlt kopfüber in endloses Schwarz. Er hatte sein Leben verspielt, war nicht rechtzeitig weggekommen, war für Konoha gestorben. Es tat ihm endlos leid um Sakura und Naruto, die erst Sasuke und jetzt ihn verloren hatten, doch hatte er zumindest das Akatsuki-Mitglied mit in den Tod gerissen. Kakashis Gedanken erstarben und sein Leben verlosch, benetzt von den Tränen seiner besten Freunde. Es hallte in seinem Kopf. Am Anfang war nichts, nur das bloße Erwachen seines Geistes. Die Gedanken leer, die Augen geschlossen und den Körper erschlaft existierte er einen Moment einfach nur. Erst dann hoben sich langsam seine Lider. Müde, desorientiert und in gewisserweise angstvoll spähte gleichmäßiges Schwarz in eben die selbe Farbe, die eine Schwerelosigkeit um den Jo-Nin gebildet hatte. Kakashi blinzelte langsam, bewegte sich keinen Millimeter, doch bemerkte er dann, dass kein Schmerz durch seine Gliedmaßen zuckte. Er war geheilt? Langsam neigte er den Kopf, sah an sich hinunter. Tatsächlich... Er blutete nicht mehr. Die Kratzer, die Schrammen und schließlich die Wunde waren verheilt, nicht nur verödet - vernarbt, als wäre dieser Kampf Jahrzehnte her. Verwirrt blickte Kakashi geradeaus und sah nichts als Dunkelheit, schwebte aufrecht, erkannte nichts. Wo war er? Was war nach seinem Tod mit ihm geschehen? War dies der Himmel oder die Hölle? Was würde jetzt mit ihm geschehen? Als würde man ihm seine Frage beantworten, durchströmte ein blasser Lichtstrahl in diesem Moment die Finsternis. Das Gelb war keinesfalls grell, weshalb es dem Ninja nicht in den Augen schmerzte. Verwirrt beobachtete er, wie die Lichtsäule endlos hinabführte und fasste den Entschluss, zu ihr zu gelangen. Wurde er womöglich wiedergeboren? Kakashi wusste es nicht, aber er musste es erfahren. Was würde nur aus Konoha und seinen Schülern werden...? Kakashi hob vorsichtig einen Arm und dann den Zweiten. Seine blaue Jo-Nin-Kleidung war an vielen Stellen angerissen, Stirnband und Weste hatte er bereits im Kampf verloren. Mit geringem Kraftaufwand ruderte der Mann dem Licht entgegen, es war wie Schwimmen, nur eben ohne sich im Wasser zu befinden. Sein silbernes Haar fiel ihm strähnig ins Gesicht und er fühlte trotz seiner Trauer eine gewisse Leichtigkeit. Was um alles in der Welt ging hier nur vor sich? Während dieses Gedankenganges erreichte der Shinobi den Lichtstrahl. Zögerlich verharrte er einige Sekunden vor ihm, ehe er schließlich die Hand ausstreckte und mit den Fingern den Schein berührte. Eine unheimliche Wärme ging von ihm aus und erfüllte innerhalb von kurzer Zeit Kakashis ganzen Körper. Dann riss erneut etwas an seinem Bewusstsein und gleichzeitig mit der Ohnmacht schoss ihm ein schlichter Satz durch den Kopf, der keinesfalls seinen eigenen Gedanken entsprungen war. "Erfülle deine Aufgabe..." Sein Körper wurde hinabgerissen, eiskalte Nässe umspielte ihn plötzlich, ein harte Boden tat sich unter ihm auf. Aber Kakashi wehrte sich nicht dagegen - zu müde waren Geist und Glieder, zu gering waren seine Chancen, sich gegen diese unfassbare Macht zu wehren. So sackte er zurück in die Bewusstlosigkeit. Kapitel 1: Regen ---------------- Es regnete unaufhörlich an diesem Tag. Der Himmel war grau, fast schwarz und ab und an glommen Blitze auf, gefolgt von dumpfem Donnergrollen. Kaum jemand befand sich auf der Straße, vereinzelt waren Menschen zu erkennen, die hastig mit einem Regenschirm und Einkaufstüten die Straße entlangliefen oder Ladenbesitzer, die ihre draußen ausgestellte Ware hineinholten, um sie vor dem Wasser zu schützen. Stille herrschte innerhalb der Stadt, die an sommerlichen Tagen so belebt war - nur selten fuhr ein Auto vorbei und ließ Wasser hochspritzen. Eben jenes Wasser traf ein Mädchen und durchnässte einen Teil seiner Kleidung. Brummend fuhr das Auto davon, die Scheinwerfer in die aufkommende Dunkelheit des Abends gewandt und sobald hinter der nächsten Ecke verschwunden. Das Mädchen hob nur leicht den Kopf und blickte auf die Straße, es trug keinen Regenschirm. Nur eine blaue Fleecejacke sollte seinen Körper schützen. Sie sah dem Gefährt nach, wandte den Blick dann ab und suchte weiter ihren Weg auf dem Bürgersteig. Es war einer jener trostlosen Tage für Gina, an denen sie nicht wusste, wohin sie gehörte. Die Hände in den Taschen vergraben schlenderte sie ziellos durch die nassen, unfreundlichen Straßen. An ihrem kurzen roten Haar liefen die Tropfen hinab und fielen zu Boden, aber ihr machte der Regen nichts aus. Immer wenn alles so war wie heute, dann tat sie einen Spaziergang. Egal wohin er führte, Hauptsache Gina konnte nachdenken. Sie war allein und fühlte sich einsam und verloren. Gina war kein Kind von Traurigkeit, genoss das Leben und hatte stets ein Lächeln im Gesicht, aber der immer wieder erneute Abschied von ihren Eltern machte ihr zu schaffen. Beide waren Reporter und hatten das große Glück, gemeinsam zu arbeiten - hatten sich dadurch ja kennengelernt - und nur Gina war die Leidtragende in dieser Beziehung. Reporter zu sein bedeutete, Geschichten und Ereignisse zu jagen und vor Ort zu sein. Beide waren ständig weg und Gina allein. Sie nahm es ihren Eltern nicht übel. Sie verdienten viel Geld damit und der Beruf erfüllte sie, deshalb hätte Gina ihnen den Abschied niemals schwer gemacht. Immer optimistisch und lächelnd verabschiedete sie ihre Mutter und ihren Vater, nur um danach in Traurigkeit zu versinken. So wie heute eben. Freunde hatte das Mädchen nicht wirklich. Gina war 16 und bereits in der zehnten Klasse, aber die bestand überwiegend aus Mädchengruppen, mit denen sie schlicht nicht klarkam. Sie war weder oberflächlich noch ausschließlich auf Jungs aus und die eine Freundschaft hatte Gina nie gefunden. Die der Seelenverwandtschaft und des Alles-Miteinander-Teilens. Gina seufzte. Dieses Gefühl belastete sie, doch was sollte sie dagegen unternehmen? Ihre Stimmung war gedrückt, sie kam sich verloren, ausgesetzt und unnötig vor. Es würde dauern, bis sie ihre Eltern wiedersah - vielleicht acht Wochen, vielleicht ein halbes Jahr. Je nachdem eben, was in der Welt geschah... Gina fühlte sich so unwichtig im Vergleich mit der ganzen Welt. Sie blickte hinauf. Es regnete regelrecht Binnfäden und es erschien ihr nicht, als würde es in der nächsten Stunde aufhören. Aber was sollte es, ihre Jacke war wasserdicht und der Rest ihrer Kleidung war sowieso bereits durchnässt. Sie empfand keinen Ekel vor der Nässe oder der Kälte. Es war ihr egal. Das Mädchen passierte einige Schaufenster. Gina hatte eine Einkaufsgasse erreicht, in der sie auch bereits des Öfteren eingekauft hatte. Meistens mit ihren Eltern, wenn sie sich mal sahen, manchmal auch allein. Sie hielt inne und spähte durch die Glasscheibe eines Buchladens. Einige Neuerscheinungen waren dort ausgestellt, größtenteils Krimis oder Fantasyromane. Gina blickte von einem Cover zum Nächsten und blieb mit den Augen schließlich an einer recht bunten Ecke mit Mangas hängen. Gina blickte sich aufmerksam um und entdeckte einen 'Naruto'-Manga. Ja... Das war die Welt, in der sie eigentlich im Geiste lebte. Vielleicht mochte man sie auslachen oder für kindisch halten, aber das war Gina egal. Die Serie hatte viele Fans und Anhänger, allein mehrere in ihrer Klasse. Aber für sie war es nicht nur eine Geschichte, ein Manga, ein Buch mit Bildern. Nein... Für Gina war die Welt der Ninjas eine Art rettendes Floß. Immer dann, wenn es ihr wirklich schlecht ging und sie sich wieder so verlassen vorkam, dann griff sie zu Hause einen der Mangas und versank in der Welt der ihr inzwischen so geliebten Charaktere. In dieser Welt hatte sie die Möglichkeit etwas zu sein, etwas zu werden. Wichtig zu sein und stark, bekannt, weise und gefürchtet. Dort konnte sie Chu-Nin sein oder Jo-Nin, vielleicht auch Anbu... Aber hier war sie einfach bloß Gina. Eine Person wie jede andere und gefühlt vollkommen fehl am Platze. Gina setzte sich auf die kleine Kante, die das Schaufenster ließ. Hier war es etwas trockener und sie blickte gedankenverloren den Autos beim Vorbeifahren zu. Es waren nicht viele, nur ab und zu konnte man die Scheinwerfer aufleuchten sehen. Ginas Gedanken kreisten weiter um die Welt der Ninja. Als Ge-Nin in Konoha würde sie ein Team haben - zwei gleichaltrige Kameraden und einen Meister, der die Gruppe leitete und beschützte. Sie würde Freunde haben, mit denen sie ständig zusammen war. Gina stellte sich immer wieder vor, wie es wäre, unter der Leitung von Kakashi-Sensei zu stehen. Sie verehrte diese Person nahezu, hatte sie sich doch schon direkt nach dem ersten Auftauchen als ihr absoluter Lieblingscharakter herauskristallisiert. Mit der Zeit war er zu einem festen Bestandteil von ihr geworden. Skizzen von ihm zierten ihr Hausaufgabenheft oder ihre Ordner und ihre Fantasievorstellungen hatten oft etwas mit ihm zu tun. Manchmal träumte sie nachts davon, zu seinem Team zu gehören. Dann wäre sie wohl nie wieder allein. Der Tag neigte sich dem Ende zu, es musste etwa acht Uhr abends sein. Die Sommerferien hatten vor einer Woche erst begonnen, weshalb Gina besonders geknickt war, allein zu sein. Ihre Eltern hatten ihr fest versprochen, mit ihr zusammen wegzufahren - und einen Tag vor Abflug des Flugzeuges war der Anruf gekommen. In einem ohnehin schon als Krisengebiet bekannten Land hatte es wieder Unruhen gegeben, die Story war perfekt. Die Arbeit rief und Gina war allein - weitere fünf Wochen davon den ganzen Tag zu Hause und nicht einmal abgelenkt von der Schule. Das war nicht fair. Aber Gina war kein Jammerlappen... Sie musste die Dinge nehmen wie sie waren. Immerhin war Gina dies seit mehreren Jahren schon gewöhnt. Man hatte sie immer nur wenige Tage allein gelassen, als sie jünger gewesen war - und mit zunehmender Anzahl ihrer Geburtstage waren die Tage zu Wochen und manchmal Monaten geworden. Geld schickte man ihr zu genüge, aber Gina rührte es selten für andere Dinge an als für das bloße Leben. Sie hatte keinen Spaß daran, es allein auszugeben. Wozu auch? Gina blieb stehen. Ohne es bemerkt zu haben war sie aufgestanden und weitergewandert. Inzwischen hatte sie sich an den Rand der Stadt bewegt, wo es weniger schön war. Hier gab es nur noch wenige Läden und viele alte Häuser, die ungenügend oder gar nicht restauriert wurden. Gina hätte diese Ecke nie als Slums bezeichnet, aber sie hatten schon irgendwie etwas Trostloses. Schon merkwürdig, dass sie ausgerechnet heute hierher gefunden hatte, wo sie sich innerlich doch genauso fühlte. Kurz sah sich das Mädchen um, um die Orientierung wiederzufinden, aber im gleichen Moment erschreckte sie ein Geräusch. Es klang, als hätte jemand eine Blechdose oder Ähnliches auf den Boden fallen lassen. Hier gab es viele Gassen und Hinterhöfe, weshalb Gina dieses Geräusch nicht verwunderte. In den schmutzigen Gassen wimmelte es meistens von Dreck und alten Mülltonnen. Sie machte kehrt und wollte zurückgehen, aber erneut schepperte es leise. Gina wandte den Kopf und blickte in eine der besagten schmalen Straßen. Ihre Gedanken kreisten darum, ob sie nachsehen sollte. Einerseits interessierte es sie nicht wirklich, was sich dort befand, aber andererseits machte sich in ihr die Hoffnung breit, dass es sich vielleicht um einen ausgesetzten Straßenhund handeln könnte. Gina wünschte sich schon lange einen Hund, denn der bedeutete ständige Gesellschaft. Das Thema hatte sie bei ihren Eltern auch bereits angesprochen und die hatten sich gar nicht so abgeneigt gezeigt. So drehte sich Gina also um und schob sich durch die Gasse. Die Arme ausstrecken konnte sie nicht, aber doch zumindest normal gehen, wären nicht die ganzen alten Kartons, Abfalltüten und Mülltonnen im Weg. Der Regen hatte deren Inhalt in eine graue, schleimige und unappetitliche Masse verwandelt, die Gina nicht näher inspizieren wollte. Sie hatte das Ende der Gasse fast erreicht, als ihr plötzlich laut kreischend ein schwarzer Kater vor die Nase sprang und dann in großen Schritten flüchtete. Ginas Herz schlug schnell, denn sie hatte sich ziemlich erschrocken. Die Katze hatte also das Geräusch gemacht. Ein wenig enttäuscht wollte sie zurückkehren, als sie im Augenwinkel plötzlich noch etwas anderes sah. Sie ging um einen Stapel Kartons herum, der ihr die Sicht versperrte und erstarrte. Kapitel 2: Ein Wunder --------------------- Mit geweiteten Augen und fast zur Salzsäule geworden stand sie da und fixierte das, was sie soeben entdeckt hatte. Ihre Gedanken überschlugen sich zu einem verknoteten Bündel, welches kaum noch Eindrücke, geschweige denn eine eigens erstellte, sachliche Erklärung zuließ. Einfach nur starrend verharrte das Mädchen, das Herz begann wie ein Presslufthammer zu poltern und Stirn und Hände wurden nass von Schweiß. Das konnte nicht sein! »D-Das...«, murmelte Gina sich selbst zu, so als müsse sie überprüfen, ob sie noch bei Bewusstsein wäre, »Das... das kann nicht sein...« Hier in dieser Gasse, in der nassen, grauen, traurigen Einöde und Einsamkeit saß tatsächlich Kakashi Hatake! Gina musste völlig bekloppt geworden sein. War sie womöglich beim Spazierengehen vor ein Auto gelaufen und lag nun im Koma? Hatte sich ein Traum oder eine Halluzination nahtlos an ihre Sinne geknüpft? Eine andere Erklärung gab es nicht. Ihm fehlten Stirnband und Weste, aber es war zweifelsohne Kakashi. Sein Kopf war nach unten geneigt, die Augen geschlossen, die Stirn gerunzelt, so als ginge es ihm nicht gut. Er rührte sich nicht, Gina konnte nicht erkennen ob er atmete. Er trug das dunkelblaue, langärmelige Jo-Nin-Oberteil und die dazugehörige Hose, beides war stellenweise eingerissen und zerfetzt. Gina wurde schwindlig. Sie musste sich einen Moment hinunterknien und ausruhen. Ihr Blutdruck lag wahrscheinlich irgendwo im Grenzbereich des Möglichen, ganz zu schweigen von ihrem Herzschlag. Sie zitterte wie Espenlaub vor Aufregung. Nach wenigen Sekunden richtete sie sich vorsichtig wieder auf und ging zu ihm. Sie wollte sehen, was mit ihm los war, ihn berühren, um zu wissen, ob er wirklich da war und wie er sich anfühlte. Noch immer war ihre Stirn schweißnass, was vom Regen wieder hinweggewaschen wurde. Gina kniete sich hinunter und berührte zögerlich mit der Hand seine Brust. Dumpf aber schwach bemerkte sie einen Herzschlag, er war also nur ohnmächtig. Ob es wirklich Kakashi war...? Er hatte sogar die Narbe über dem Auge! Vielleicht war es ein verrückter Fan, der seine Ähnlichkeit mit ihm bemerkt und genutzt hatte? Vielleicht hatte er sich geprügelt oder war betrunken und saß deshalb jetzt hier? Es war gefährlich, ihn mitzunehmen. Gina war sich darüber im Klaren, aber sie konnte nicht anders. Wenn es tatsächlich der echte Kakashi war, was natürlich nicht ging, aber angenommen er war es, dann würde sie es sich nie verzeihen, ihn hier gelassen zu haben. Abgesehen davon, dass man generell anderen half und das sie sich sonst ihr Leben lang Fragen stellen würde. Gina rüttelte die muskulöse Schulter des Mannes. Der Stoff seines Oberteils war dick und durchnässt. »Hey«, sprach sie ihn an, »Wach auf!« Keine Reaktion. Noch immer saß er da ohne sich zu rühren. Aber so würde Gina ihn nicht tragen können. »Hey!«, rief sie jetzt etwas lauter und bewegte seinen Körper stärker. Tatsächlich zuckten Kakashis Augenbrauen und sein so angespannter Gesichtsausdruck löste sich für einen Moment. »Hörst du mich?« Seine Augenlider wanderten in die Höhe und schwarze Augen sahen ihr entgegen. Ginas Herz tat einen Sprung. Nein... Er war es. Er musste es einfach sein. Niemand konnte Kakashi so ähnlich sehen. Röte schoss Gina ins Gesicht. »A-Alles klar?«, fragte sie leise. Er blickte sie nur an, schien verloren und desorientiert. Ihr fiel sofort auf, dass er zwar die Narbe über dem linken Auge, keinesfalls aber das Sharingan hatte. Dies kippte ihre Hoffnung ein wenig. Sie wartete nicht auf eine Antwort, die sie ohnehin nicht bekommen würde. Er war verwirrt - wer würde es ihm verübeln - und Gina war sich nicht mal sicher, ob er überhaupt ihre Sprache verstand. Daher griff sie sein Handgelenk und legte den schweren Arm um ihren Nacken, stand auf und zerrte Kakashi mit sich in die Höhe. Zu ihrer Überraschung half er mit und stand etwas wackelig auf seinen Beinen, gestützt von Gina und dadurch, dass er größer war, leicht gekrümmt. »Kannst du gehen?«, fragte sie ihn, »Ich bringe dich zu mir.« Sie lief los und er half tatsächlich mit. Innerhalb weniger Sekunden sammelte sich erneut Schweiß auf ihrer Stirn, denn er war ganz schön schwer, obwohl er nicht mit ganzem Gewicht an ihr hing. »V-Verstehst du mich...?«, erhob Gina ihre Stimme. Die Aufregung, ihr schneller Herzschlag und die Anstrengung schnürten ihr die Kehle zu. Kakashi nickte ganz leicht, aber Gina bemerkte es. Er spach also tatsächlich ihre Sprache. Wahrscheinlich war er nur zu kaputt, um mit ihr zu reden. Sie beeilte sich, mit ihm vorwärts zu kommen. Kakashi humpelte nicht und schien auch keine Schmerzen zu haben - ganz im Gegensatz zu Gina, die das Gefühl hatte, ihre Knochen würden gleich entzwei brechen und ihr Brustkorb vor lauter Herzschlag zerspringen. Wenn das so weiter ging, würde sie noch einen Herzinfarkt bekommen. Aber was sollte sie machen? Kakashi Hatake... Sie konnte es einfach nicht fassen. Gina setzte Kakashi zwischendurch ab und ließ ihn pausieren. Dabei konnte sie nicht anders, als ihn die ganze Zeit über anzustarren. Ihre Augen ließen sich nicht beherrschen, ebenso wenig wie die Schweißausbrüche, die sie unter seinem Gewicht bekam. Es dauerte durch diese ganze Prozedur fast vierzig Minuten, bis Gina endlich ihren Wohnblock erspähte und schließlich in der Lobby den Fahrstuhl aktivieren konnte. Gina achtete darauf, dass sie niemand sah - der Eingangsbereich war aber gottseidank leer. Wer außer ihr trieb sich auch im Regen herum? Sie musste nur auf Leute achten, die von der Arbeit kamen, aber momentan war niemand in Sicht. Gina stieg in den Fahrstuhl, fuhr noch immer Kakashi stützend in einen der oberen Stöcke und schloss mit zittrigen Fingern die Wohnung auf, in der sie lebte. Drinnen ließ sie die Tür ins Schloss fallen und verriegelte vorsichtshalber auch wieder, ehe sie Kakashi auf das Sofa hievte und dort ablegte, denn die Eingangstür befand sich in einem größeren Raum, der gleichermaßen als Wohnzimmer und Küche diente. Noch immer war seine Mimik verkrampft und Schweiß stand auf seiner Stirn. Gina seufzte. Was hatte er nur? Es ging ihm wirklich schlecht, das merkte man. Sie lief ins Schlafzimmer ihrer Eltern und kramte dort eine Decke aus dem Schrank, die sie vorsichtig über ihn warf. Ihm die nassen Sachen auszuziehen wagte das Mädchen nicht. Mit Sicherheit hatte er sich mindestens eine Grippe eingefangen, wer wusste schon, wie lange Kakashi schon gesessen hatte? War er es wirklich? Wie war er dort hingekommen? Und wie konnte er überhaupt existieren... So viele Fragen spukten durch ihren Geist und keine von ihnen vermochte sie zu beantworten. Wohl oder übel musste sie ihn fragen, wenn er aufwachte. Fast im gleichen Moment, in dem sie gedankenverloren neben ihm auf der Couch gesessen hatte, schlug der vermeintliche Kakashi plötzlich die Augen auf und sah sich fast panisch um. Gina sprang vor Schreck auf, belehrte sich aber schnell eines Besseren und setzte sich wieder. Ihn zusätzlich zu erschrecken war nicht unbedingt das Beste. »Ganz ruhig«, versuchte sie ihn daher zu beruhigen, »Es ist alles okay.« Mit Sicherheit war für ihn nicht alles okay... Aber Gina fand den Satz ganz gut für den Anfang. Der silberhaarige Mann blickte noch immer vollkommen verwirrt in ihre Augen, ehe er sich richtig aufsetzte und dabei leise stöhnte, als würde ihn diese simple Bewegung große Anstrengung kosten. Sein nasses Haar hing schwer herab. Er hob den Kopf nach kurzer Zeit wieder und blickte sich um. Zuerst inspizierten seine tiefschwarzen Pupillen den Raum und die nähere Umgebung, dann die Decke, die jetzt bis zu seinen Knien hinabgerutscht war, sich selbst und schließlich Gina. »...Wer bist du?«, fragte er dann mit tiefer, dumpfer aber ruhiger Stimme, die Gina eine Gänsehaut über den Rücken jagte. So hatte sie sich ihn vorgestellt - und ebenso den Klang seiner Stimme. Erneut begann ihr Herz schnell zu hämmern. »I-Ich... Ich bin Gina«, stellte sie sich etwas stammelig vor - jetzt konnte sie ungefähr nachempfinden, wie sich Leute fühlen mussten, die ihren geliebten Filmstar trafen, »Ich hab dich... In dieser Gasse entdeckt.« »Danke«, sagte der Jo-Nin und blickte sie unverwandt an, dann huschten seine Augen erneut durch den Raum und stoppten wieder bei ihr, »Wo bin ich...?« »Du bist... bei mir zu Hause«, meinte Gina schließlich ratlos, »Im Jahre 2008.« »W-...«, begann Kakashi und brach ab. Er sah jetzt mehr oder weniger verzweifelt aus und fixierte sie. Er war in einer Zeitrechnung wieder aufgewacht, die es bei ihm noch nicht einmal gegeben hatte? Erst jetzt erinnerte er sich daran, was eigentlich geschehen war. Der Kampf gegen die Akatsuki... Die Verletzungen und sein Tod. Wie Bilder eines Films schossen Rückblenden in seinen Geist und schließlich sah er sich selbst, wie er diesen Lichtstrahl berührte. War dies sein neues Leben? ...Aber warum in solch einer Zeit? Erwachsen und nicht neu geboren? Gina indes konnte sich auf nichts anderes konzentrieren als darauf, ihn anzustarren. Egal wie sehr sie sich bemühte, ihre Augen wollten und wollten einfach nicht gehorchen. Sie war so fasziniert, so ungläubig, so beeindruckt... Alle durcheinanderbringenden Gefühle die es gab vermischten sich in ihr und brodelten wie Magma in Ginas Magengegend. Absichtlich hatte sie das Jahr genannt und nicht den Ort, denn jetzt war sie noch sicherer, dass es der echte Kakashi war. »Und wie heißt du?«, fragte sie aber zusätzlich, um ganz sicher gehen zu können. Kakashi schien in Gedanken gewesen zu sein und schreckte ohne sich zu rühren auf. »Entschuldige«, meinte er dann - er war ebenso höflich wie Gina es aus dem Manga her kannte, »Mein Name ist Hatake Kakashi... Ich bin... Jo-Nin aus Konohagakure.« Da war er. Der Beweiß. Es war, als fiele ein Amboss hinter Gina zu Boden. Sie starrte ihn an und wurde bleich im Gesicht. War es... War das wirklich Realität? Hatte man ihr womöglich ihren größten Wunsch erfüllt? War sie etwa... lange genug allein gewesen? »I-Ich... Ich glaubs einfach nicht«, murmelte sie und fasste sich an die Stirn. Für einen kurzen Augenblick wurde es schwarz vor Ginas Augen und sie kämpfte ernsthaft gegen die Ohnmacht. Es war tatsächlich wahr geworden. Sie kniff sich so stark, dass an der Stelle ein wenig Haut fehlte, aber es war kein Traum. Sie wusste nicht, was sie zuerst tun sollte. »Stimmt was nicht?«, fragte Kakashi und klang dabei ein bisschen verzweifelt. Es musste schlimm für ihn sein, plötzlich hier zu sein. Wobei... »Du bist also ernsthaft... Kakashi Hatake?«, erkundigte sich Gina nochmal, »Ich meine... Wie bist du in diese Stadt gekommen? Was hast du da allein im Regen gemacht?« »Ich bin... gestorben...«, murmelte er leise und Gina verstummte. Was? Ihr Lieblingscharakter war gestorben? Wie konnte der Autor es wagen! »Ich weiß auch nicht... Ich bin aufgewacht und war hier«, fügte der Silberhaarige noch an. »Das klingt wie ein Märchen...«, murmelte Gina eher für sich selbst, »Es ist allein schon merkwürdig, dass es dich gibt...« »Du sprichst, als würdest du mich kennen«, unterbrach Kakashi Ginas Gedanken und zog leicht die Augenbrauen hinab. »Ja... Das stimmt«, Gina sah keinen Grund das zu verheimlichen. »Warte kurz.« Sie stand auf, lief in ihr Zimmer und holte zwei der Mangas aus dem Schrank, die sie dort liebevoll im Bücherregal aufgereiht hatte. Obwohl Gina fast täglich in ihnen laß wiesen sie kaum Gebrauchsspuren auf, denn Gina ging sehr behutsam mit ihnen um. Gina kam zurück zu Kakashi, traute sich jetzt aber nicht mehr, sich an seine Seite zu setzen. Sie blieb stehen und reichte ihm die beiden Taschenbücher. »Fast jeder hier kennt dich«, sagte sie ernst, »Du gehörst in eine Geschichte, die viele Leute sehr gern mögen.« Der ehemalige Shinobi klappte einen der Mangas auf und blickte mehr oder weniger fassungslos die Bilder an, die ihn und seine Schüler zeigten. In den wenigen Seiten, die er überblätterte, erkannte er sogar haargenau einen ihrer Aufträge nacherzählt. Wie war das möglich? Gina indes stellte bereits Vermutungen über Parallelwelten auf, kam aber nicht wirklich zu einem Ergebnis. Kakashi sah wirklich verwirrt aus und das tat ihr ehrlich leid. Sie sollte ihn wohl auf andere Gedanken bringen. »Hast du nicht vielleicht Hunger?«, fragte sie daher - natürlich nicht ohne Hintergedanken. Wenn er aß, konnte sie ihn ohne Maske sehen, »Ich jedenfalls schon.« Er schien einen Moment nachzudenken, nickte dann aber. Er musste essen um zu Kräften zu kommen. »Dann werd ich was kochen«, sagte Gina, »Du solltest deine nassen Klamotten wechseln... Du wirst sonst krank.« Gina neigte den Kopf hinab und errötete. Ach, jetzt war Kakashi tatsächlich hier und sie sprach mit ihm, als wären sie schon jahrelang verheiratet! Er wusste doch selbst am besten, was gut für ihn war. Er allerdings sah immernoch vollkommen fertig aus und stand schließlich auf, suchte das Bad und ging hinein. Gina nutzte den einsamen Moment um so tief wie möglich ein- und auszuatmen. Okay. Ruhe bewahren. Das alles war wahrscheinlich doch nur ein genialer, realer Traum. Morgen früh würde sie sicher enttäuscht sein wie nie zuvor - aber so lange konnte sie ja alles genießen. Trotzdem war alles so echt... Gina konnte nicht glauben, dass sich Träume so anfühlen konnten. Sie selber verspürte eigentlich gar keinen Hunger, die Aufregung lag ihr wie ein Felsklumpen im Magen. Hatte er überhaupt Wechselsachen? Argh... Sie fing schon wieder damit an! Verzweifelt und beschämt gleichermaßen kramte Gina nun einen etwas größeren Topf hervor und überlegte, was sie kochen sollte. Kakashi war... eben Kakashi und so kochte sie Ramen. Das Rezept dafür war durch den Naruto-Hype bekannt geworden und Gina hatte es eine zeitlang fast täglich gegessen, daher wusste sie, wie sie es zu kochen hatte. Obwohl ihr jetzt Zweifel kamen, ob es ihm von ihrer Hand denn überhaupt schmecken würde, kannte er es doch von den Profis zubereitet. Dieser erneute, unnötige Gedankengang wurde unterbrochen, als sich die Badezimmertür öffnete und Kakashi wieder ins Zimmer trat. Gina konnte nicht verhindern, ihn erneut anzusehen. Er hatte das dunkelblaue Oberteil ausgezogen, darunter trug er ein Hautenges, Ärmelloses der gleichen Farbe inklusive seiner Maske, die eben an jenem kurzen Stoff befestigt war. Kakashi sah jetzt genauso aus wie im Krankenhaus damals nach einem seiner Kämpfe. Auch jetzt trug er ja kein Stirnband und sein silbernes Haar fiel ihm ins Gesicht, das Anbu-Tattoo war auf seinem Oberarm sichtbar. Gina wurde knallrot und wandte sich den Nudeln zu. Als er sich weiterhin aber nicht bewegte, blickte Gina wieder nach hinten. Verloren und fast traurig aussehend stand er da, das nasse Oberteil noch immer über dem Arm tragend, die Hose von eben nicht gewechselt, weil er wohl nichts darunter trug. Er tat Gina in diesem Moment unendlich leid und erinnerte sie gleichermaßen an sie. Es kam ihr bekannt vor, sich so fehl am Platz vorzukommen. »Ach... Gib mir das«, bat sie daher und kam zu ihm, nahm ihm den durchnässten Pullover ab und warf ihn im Bad in die Kiste für Dreckwäsche. Kurz blickte sie sich im Spiegel an - sie sah furchtbar aus! Ihr Gesicht war feuerrot und sie musste dringend duschen. Kakashi hatte sich noch immer nicht gerührt und ihr nur nachgesehen. »Soll ich dir... eine andere Hose geben?«, fragte sie zögerlich, wartete seine Antwort aber nicht ab, sondern ging in das Schlafzimmer ihrer Eltern und kramte dort in den Hosen ihres Vaters. Dieser trug innerhalb der Wohnung zumeist bequemere Stoffhosen, denn wer rannte schon den ganzen Tag in Jeans herum. Gina wusste, dass auch Kakashi in seiner Freizeit eine graue Stoffhose trug und lobte innerlich ihre guten Hintergrundinformationen, suchte also eine ebenfalls graue Hose heraus und brachte sie dem Jo-Nin. »Im Bad ist eine Kiste«, meinte sie noch, »Wirf die andere Hose einfach dort hinein...« Er nickte langsam und begab sich erneut ins Bad. Ginas Herz schlug bis zum Hals, als sie das Wasser salzte und schließlich die Nudeln hineingab. Erneut schoss ihr der Gedanke in den Kopf, dass es tatsächlich Kakashi Hatake war, der sich gerade in ihrer Wohnung aufhielt. Das widerrum knüpfte sich daran, dass sie eine Actionfigur von ihm auf ihrem Schreibtisch zu stehen hatte und an der Wand, an der auch ihr Bett stand, ein ausgedrucktes, coloriertes Kapitelcover des Mangas hing, auf dem Kakashi ohne Maske und mit einem weißen Hemd im Bett schlief, mit der Hand den Mund verdeckend. ...Ob sie das lieber entfernte? Die Tür öffnete sich wieder und Gina schnippelte schnell das Gemüse klein, welches sie dann ins heiße Wasser gab. Kakashi im Houselook in ihrem Wohnzimmer... Schlafen würde sie heute Nacht jedenfalls nicht, da war sie sicher. »Setz dich doch«, bot sie ihm jetzt freundlich an. Sie musste möglichst offen zu ihm sein, denn er schämte sich wahrscheinlich. »Das Essen ist gleich fertig. Ich hab gedacht, ich koche Ramen, das kennst du ja zumindest... Wobei ich nicht glaube, dass es so gut sein wird, weil du es ja bestimmt ganz anders kennst. Aber andererseits...«, Gina brach ab. Verdammt, was quatschte sie hier die ganze Zeit? Wahrscheinlich ging sie ihm jetzt schon auf die Nerven. »Danke für deine Mühe«, sagte er aber nur und warf ihr ein ehrliches, wenn auch irgendwie trauriges Lächeln zu. Gina lief rot an und servierte schließlich das Essen, bei dem sie die ein- oder andere Zutat vergessen hatte. Nicht verwunderlich bei dem ungewöhnlichen Gast, den sie heute hatte. Mit kalten Händen unterdrückte sie den Drang ihn anzustarren und wartete fast sehnlichst darauf, dass er endlich die Maske abnahm. Im Manga hatte man das nie zu Gesicht bekommen, nur manchmal auf Artworks, auf denen dann mit Absicht doch die Hälfte des Gesichtes verdeckt geblieben war. Nein, diese Aufregung hielt Gina nicht aus. Sie legte das Besteck ab und ging ins Bad - eine Frau brauchte niemals einen Vorwand, um dorthin zu gehen. Wenn er bereits beim Essen war, würde sie einfach dazustoßen. Dann konnte sie zumindest nicht die ganze Zeit so stieren. »Herrgott Gina, beherrsch dich...«, schalt sie sich selbst, ließ es aber gleich wieder. Es war, als hätte man ihr ihren größten Wunsch erfüllt. Ein Wunder.... Und das passierte ausgerechnet ihr. Sie schreckte auf und kehrte in die Küche zurück, da sie schon wieder in Gedanken versunken war. Als sie sich setzte, hatte Kakashi seine Maske noch immer auf. Gina runzelte die Stirn und blickte auf seine Schüssel - sie war leer! >Oh nein!<, stöhnte sie innerlich enttäuscht auf, >Er ist schon fertig! Verdammt, wie ärgerlich!< Er, der sich keiner Schuld bewusst war, blickte sie nur an und versuchte zu erraten, warum sie eigentlich die ganze Zeit so nervös war. Kapitel 3: Vergangenheit ------------------------ Einige stille Momente verstrichen zwischen den beiden, ehe Gina sich besann. Es würde noch viele Möglichkeiten geben sein Gesicht zu sehen - das hieß, wenn alles so lief wie sie es sich wünschte. Wobei ihr sofort ein Thema zum Reden einfiel: Was genau war jetzt eigentlich passiert? Zwischen zwei Happen Ramen fixierte das Mädchen den silberhaarigen, ehemaligen Jo-Nin kurz. »Also... Akatsuki hat dich getötet?«, fragte sie schließlich nach, »Ich hoffe, dass es okay ist, wenn ich frage...« »Ja...«, entgegnete er, »Ich hatte keine Möglichkeit mehr zu entkommen. Pain war... zu mächtig.« Sein Blick wirkte zugleich wütend und verbittert. Gina schluckte - sie hatte ihn nicht daran erinnern wollen. Pain...? Den kannte sie noch nicht einmal... Wahrscheinlich würde es also in naher Zukunft im Manga geschehen. »Wie blöd«, brummte Gina eher versehentlich, eigentlich wollte sie nur denken, brabbelte aber gedankenversunken vor sich hin, »Dann kaufe ich den Manga auch nicht mehr...« Ein verwirrtes Blinzeln traf Gina und diese räusperte sich und überging ihr eigenes Kommentar einfach. »Und... danach? Ich meine, kannst du dich an irgendetwas erinnern, bevor du aufgewacht bist?« Für den Moment kehrte der Mann in sich. »Ja, ich glaube schon. Als ich die Augen geöffnet habe, befand ich mich, glaube ich, im Jenseits. Oder zumindest an einem vergleichbaren Ort. Es war völlig dunkel, aber meine Wunden waren verheilt.« »Und dann?« »Nun... Ich glaube, dass ich einen Lichtstrahl gesehen und ihn irgendwie erreicht habe. Mir war so, als würde jemand mit mir sprechen... Aber vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet.« »Eine Stimme?«, fragte Gina nach, »Was hat sie gesagt?« »Ich... Ich kann mich nicht erinnern. Es ist zu verschwommen.« Gina runzelte die Stirn. »Na, egal. Bestimmt fällt es dir irgendwann wieder ein. Ist meistens so.« Langsam stand sie auf und stellte die Schüsseln ins Waschbecken, ehe sie Teewasser aufsetzte sich wieder ihm gegenüber niederließ. »Du kannst jedenfalls gerne hier bleiben, w-wenn du möchtest.« Gina gab sich Mühe, ihn nicht zu sehr anzustarren. Aber der Schock sackte langsam und ihr wurde bewusst, wer da eigentlich vor ihr saß. Es war wie ein verrückter Traum und hätte Gina es nicht besser gewusst, hätte sie von sich selbst geglaubt Drogen genommen zu haben. Dennoch... Sie unterdrückte ein dümmliches Grinsen - es gefiel ihr unheimlich. »Das ist sehr nett, danke«, sagte er, »Aber ich mache ungern Umstände.« »Nein, das tust du nicht, keine Angst«, Gina lächelte matt, »Wirklich nicht. Ich würde dir sehr gerne helfen.« Für den Augenblick fixierte der ehemalige Shinobi sie, ehe er langsam nickte. »Aber ich denke nicht, dass diese Wohnung für mich Platz bietet«, gab er zu bedenken, »Immerhin wohnst du hier nicht allein.« Fast hätte Gina diesen Satz abgenickt, ehe sie stutzte. »Woher...?« Ein selbstsicheres Lächeln ließ sie verlegen werden. »Ich denke nicht, dass du Rasierwasser benutzt«, meinte Kakashi dann, »Daher vermute ich, dass du mit deinen Eltern zusammenwohnst. Immerhin bist du noch jung.« »Ich bin fast volljährig!«, sagte Gina empört, »N-Na ja... in zwei Jahren jedenfalls.« Verdammt, er war ebenso scharfsinnig wie in seiner Welt. So eine Kleinigkeit war ihm aufgefallen? Gina gab sich alle Mühe, ihn nicht zu bewundern - er sollte nicht denken, dass er an ein fanatisches Fangirl geraten war... oder besser gesagt, er sollte es nicht wissen. Gina räusperte sich kurz über ihre eigenen Gedanken hinweg und sah Kakashi dann wieder an. »Du hast Recht, ich wohne hier mit meinen Eltern. Aber das braucht deine Sorge nicht zu sein, sie sind sowieso nie zu Hause. Eigentlich lebe ich alleine und bekomme nur alle paar Monate mal Besuch von ihnen.« »Wo sind deine Eltern? Führen die Menschen in dieser Welt noch Missionen aus?« »Nein, leider nicht...«, seufzte Gina, »Diese Welt ist totlangweilig. Es gibt keine Ninjakünste hier und dementsprechend auch keine Shinobi und Missionen... Hier sind wir quasi alle... na ja, normal eben. Das Geld verdient man durch arbeiten, wie bei euch auch.« »Ich weiß...«, kam es etwas leiser, »Mein Sharingan ist verschwunden und ich kann auch kein Chakra mehr schmieden.« Wieder sprach er ein wenig wehmütig - er bemühte sich, es nicht heraussickern zu lassen, doch Gina spürte es ganz genau. »Es tut mir leid«, meinte sie ehrlich, »Es muss sehr schwer für dich sein, dich hier zurechtzufinden. Ich kann es mir vorstellen.« »Ein Ninja lernt schnell, sich auf jede Gelegenheit einzustellen. Ich werde mich daran gewöhnen, es braucht nur seine Zeit.« »Ja...«, murmelte Gina leise und fuhr dann fort, um ihn abzulenken, »Meine Eltern sind Reporter, sie schreiben und filmen interessante Sachen für die Zeitung oder das Fernsehen. Sie reisen um die Welt und deshalb sind sie fast nie zu Hause.« »Verstehe...« »Mach dir also keinen Kopf«, Gina lächelte ihm zu, »Nur, falls meine Eltern mal vorbeikommen musst du dich verstecken oder in dieser Zeit untertauchen. Sonst denken die noch was Falsches.« Sie hustete nervös, um diesen dummen Gedanken abzuschütteln, der ihr dennoch absolut gefiel. »Danke«, sagte Kakashi und brachte sie damit aus dem Konzept, »Du bist sehr hilfsbereit und freundlich.« »A-Ach, nicht der Rede wert«, sie kratzte sich ein wenig verlegen am Hinterkopf. »Nein, wirklich. Du hast mich immerhin auch auf deine eigene Gefahr hin hierher gebracht.« »Gefahr?«, Gina blinzelte, »Was für eine Gefahr?« »Du befindest dich mit einem fremden Mann in deiner Wohnung. Und die Tür ist abgeschlossen, sodass du auch nicht schnell herausrennen könntest.« Für einige stille Sekunden ratterte es in Ginas Geist. Wieso wusste er von der abgeschlossenen Tür? Er war ohnmächtig gewesen, als Gina den Schlüssel gedreht hatte... Moment, er sah es wahrscheinlich an der Richtung, in die er geneigt war. Er war so scharfsinnig! Es war ein erneutes, verlegenes Räuspern. Das musste sie sich in Zukunft wirklich abgewöhnen. »Nun...«, antwortete sie etwas zögerlich und griff wieder nach dem Faden, »Ich kenne dich ja. Itachi hätte ich nicht mitgenommen.« Und da lachte er das erste Mal, seit er hier war. Gina freute sich so sehr darüber, dass sie fast debil zu grinsen begann, was sie schnell wieder abwürgte. So verbrachten die beiden den Abend mit schlichtem Reden. Gina griff die Situation beim Schopfe und fragte Kakashi aus. Sein Geburtsdatum, wann er Ninja wurde und mit welchem Alter er die Ränge erreicht hatte, wo eigentlich der Unterschied zwischen Raikiri und Chidori lag und eben solcherlei Dinge. Mit einem breiten Lächeln speicherte das Mädchen alles davon sorgfältig ab - immerhin musste man die Chance, an Insider zu kommen auch nutzen. Als sie sich irgendwann beim Thema Jutsus befanden, merkte man Kakashi deutlich an, dass es ihm nicht gut ging. Die Haut unter seinen Augen rötete sich ein wenig und er begann leicht zu schwitzen, was Gina sofort darauf schließen ließ, dass er krank wurde. Das hatte sie ohnehin schon erwartet - wer wusste schon, wie lange er dort im Regen durchweicht worden war. Seiner Kleidung nach zu urteilen jedenfalls ziemlich lange. »Geh' am besten ins Bett«, schlug sie daher vor, »Ich suche mal im Schrank nach ein paar Grippemedikamenten und bringe sie dir dann.« »Danke...«, nuschelte er erneut - man merkte ihm an, dass er unbeholfen war in solchen Sachen, immerhin versorgte er sich im Normalfall allein. Gina wäre es wohl auch merkwürdig vorgekommen, jetzt plötzlich Hilfe dabei zu haben. Aber sie dennoch stolz, dass ausgerechnet ihr dieses Glück widerfahren war. Und doch schob sie den Gedanken zur Seite, darüber konnte sie heute Nacht noch zu genüge nachdenken. Sie musste sein Fieber unten halten bevor es auftauchte, denn einen Arzt konnte sie nicht holen. Kakashi hatte weder Papiere noch Krankenkasse und das fiel definitiv auf. Sie trat in ihr Zimmer, schnappte die Kakashi-Actionfigur schnell und beförderte sie achtsam in die Schublade ihres Schreibtisches und zog das Bett ab, um es innerhalb weniger, geschickter Handbewegungen frisch zu beziehen. »So lange, wie du hier bist, schläfst du in meinem Zimmer und ich ziehe nach nebenan ins Ehebett von meinen Eltern«, verkündete sie, natürlich war Kakashi nicht erfreut darüber, dass er jemandes Bett blockierte - aber schon nach dieser kurzen Zeit hatte er das Gefühl, dass es nicht viel brachte, über die Gepflogenheiten in ihrem Haus mit ihr zu diskutieren. Sie war ein wenig wie Sakura, was solche Dinge betraf... Frauen ließ man lieber machen, stellte er fest und legte sich schließlich ergeben ins Bett. Gina klappte das Fenster an, um frische Luft hereinzulassen und verließ dann den Raum. Sie begab sich ins Bad und durchwühlte den kleinen weißen Schrank nach Medikamenten. Gina war im Grunde eine sehr gesunde Natur und hatte die Spiegeltür schon ewig nicht mehr geöffnet, sie fand sogar Tabletten, bei denen sie sich nicht erinnern konnte sie jemals gekauft oder auch nur gesehen zu haben. Für den Augenblick wurde ausgiebig gesucht, dann fand Gina ein Fieberthermometer und einen Fiebersaft. Eben das hatte sie gebraucht. Langsam schrat sie über den Flur und kurz kam ihr der unverschämte Gedanke in den Sinn, an seinem Bett zu übernachten mit der Ausrede, seine Krankheit im Auge zu behalten. »Das wirst du natürlich nicht tun, Gina«, schalt sie sich selbst, aber in Gedanken fügte sie ein zaghaftes 'Schade...' hinzu. Die Tür knarrte leise, als sie ihr Zimmer wieder betrat und Kakashi lag noch immer wie ihm geheißen im Bett - gut so. »Schau mal, ob du Fieber hast.« Gina reichte ihm gedankenverloren das Thermometer und überflug den Beipackzettel zum Saft. Tatsächlich zeigte der ehemalige Jo-Nin achtunddreißig Grad auf, weshalb er eben gleich etwas von dem Medikament schlucken durfte. Dann beschloss Gina ihn schlafen zu lassen, wünschte ihm eine gute Nacht und klinkte die Tür leise zu. Im Flur blieb sie eine Zeit lang stehen und feixte still vor sich hin, während sie es sich nicht verkneifen konnte, dabei ein mal die Fäuste in die Luft zu strecken. Jeder andere Fan wäre wohl vor Neid gestorben. Gina konnte immer noch nicht fassen, was für ein Geschenk ihr gemacht worden war und schwachsinnig grinsend begab sie sich selbst ins Bett, nur um stundenlang nicht einzuschlafen. Zu sehr beschäftigten ihre Gedanken an ihren neuen Mitbewohner sie, an die Umstände, wie er zu ihr gekommen war und ein wenig auch mit Bitterkeit, denn sie ahnte schon, dass diese Situation entweder ein irrer Traum oder aber zumindest zeitlich begrenzt war. Auch die Stimme im Jenseits ging ihr nicht aus dem Kopf... Was sie wohl gesagt haben mochte? Gina hoffte nicht, dass es etwas war, was Rückschlüsse darauf ziehen ließ, dass Kakashi nach Konoha zurückkehren konnte. Obwohl das, wie ihr auffiel, sehr egoistisch war. Aber was sollte sie tun? Wohl jeder andere hätte ihren Gedankengang verstanden. Trotz des angestrengten Nachdenkens sickerte Gina irgendwann in einen traumlosen, völlig erschöpften Schlaf. Am nächsten Morgen brauchte Gina einen starken Kaffee, um in die Gänge zu kommen. Der Automat, den ihre Eltern mal gekauft hatten wurde mit kleinen Pads bedient und da Gina normalerweise keinen Kaffee trank, waren noch genügend davon übrig. Sie kippte die schwarze Flüssigkeit hinunter, spülte die Tasse aus und setzte eine Gemüsesuppe auf, die sie Kakashi zum Frühstück geben wollte. Immerhin war er krank und sollte schnell genesen. Absichtlich unterdrückte Gina den Drang in sein Zimmer zu sehen - sie war sich sicher, dass er verschwunden war. Nichts erinnerte an ihn, das Geschirr war schon gestern Abend von ihr abgewaschen worden und die ganze Wohnung wirkte so, als wäre niemals jemand aus einer anderen Welt hier gewesen. Gina seufzte und beschloss, auf Risiko zu gehen und die Suppe einfach selbst zu essen, wenn er wirklich verschwunden war. Die Zeit, bis das Essen fertig wurde verging quälend langsam. Um etwas zu tun schob sie noch einen Toast in den Toaster, den sie dann an den Tellerrand legte, den Löffel an die andere Seite und tat schließlich mit einer Kelle die Flüssigkeit auf. Langsam, um nichts zu verschütten durchschrat Gina mit dem Tablett den Flur und vor ihrer Tür blieb sie stehen, um einige Male schwer zu schlucken. Okay - sie würde jetzt durch diesen Türrahmen gehen und ihr verlassenes Kinderzimmer vorfinden, dessen war sie sich bewusst. Gina hielt die Luft an und knarrend schwang die Tür nach innen auf. Kapitel 4: Ein Ratschlag ------------------------ Ginas Herz blieb für einen Augenblick in der Kammer stehen, als sie Kakashi in ihrem Bett schlafend erblickte. Erst nach mehreren Sekunden begann es wieder zu arbeiten und sie atmete so tief aus, dass ihr beinahe dabei die Suppe verschüttet wäre. Es war tatsächlich kein Traum gewesen... Kakashi Hatake war ernsthaft in ihrer Welt gelandet, ausgerechnet vor ihren Füßen. Sie konnte ihr Glück kaum fassen, dass er nicht verschwunden war - zumindest noch nicht. Sie trat langsam näher und stellte das Tablett mit der dampfenden Mahlzeit auf dem Nachttisch ab. Kakashi hatte seine Maske noch immer auf dem Gesicht - erst jetzt kam Gina wieder der Hintergedanke, ihn gleich endlich essen zu sehen - und er schlug, als sie näher trat, sofort die Augen auf um sie anzusehen. Gina erschrak ein wenig vor dieser hektischen Lidbewegung. Scheinbar waren seine Sinne noch immer sehr gut ausgeprägt. »Morgen«, sagte Gina dann, es wirkte ein wenig gepresst, »Ich wollte dich nicht erschrecken... Ich habe dir nur Frühstück gebracht.« Auch er schien kurz desorientiert - wer würde es ihm verübeln - dann blickte er auf den Teller. »Oh... Vielen Dank«, meinte er dann, »Ich bin sowas gar nicht gewöhnt.« »Dann wird es aber Zeit«, lachte Gina und stellte ihm das Tablett auf den Schoß, nachdem er sich aufgesetzt hatte - das ärmellose Oberteil betonte seine Muskeln, wie ihr von Nahem auffiel und dies ließ einen fiesen, roten Schleier über ihrer Nase erscheinen, »Siehst gut aus. I-Ich meine... besser.« »Ja... Ich bin fast gesund.« Gespannt starrte Gina ihn an. Er hingegen fixierte seine Gemüsesuppe, nahm den Löffel und führte dann den Zeigefinger seiner linken Hand langsam zum Nasenrücken. Ginas Herz begann schnell und unkontrolliert zu poltern, sie fühlte den starken Puls bis tief in die Kehle und schluckte schwer. Der finale Moment kam, in dem sie sein Gesicht sehen würde - sein komplettes Kakashi-Sensei-Gesicht. Ihr Körper begann zu flimmern und Gina musste alles zusammennehmen, damit man ihre Aufregung nicht bemerkte. In dem Moment, in dem Kakashi begann seine Maske hinabzuziehen, klingelte es an der Tür. Gina stapfte über den Flur und schnaufte dabei so wütend wie ein alter Stier. Verdammt, wieso kam immer etwas dazwischen? Das war nicht fair! Der Postbote wünschte ihr freundlich einen guten Tag und überreichte Gina einen Katalog, der nicht in den Briefschlitz gepasst hatte. Sie seufzte abgrundtief und warf ihn, nachdem sie die Tür wieder abgeschlossen hatte ohne hineinzublicken in den Mülleimer, ehe sie sich wieder in ihr Zimmer begab. Selbstverständlich war Kakashi bereits mit Essen fertig, das Tablett stand auf dem Nachttisch neben ihm und Gina räumte es in die Küche, bevor sie etwas unschlüssig im Türrahmen stehen blieb und ihn musterte. »Bleib' heute lieber noch im Bett«, meinte sie schließlich, »Damit du auch wirklich gesund wirst. Es gibt auch keinen wirklichen Grund aufzustehen... Vor die Tür kann ich leider nicht mit dir.« »Hm?« »Na ja... Ausweiß und so. Habt ihr in eurer Welt ja auch. Aber diesbezüglich werde ich mir schon noch etwas ausdenken.« »Ja... Ich weiß ja nicht, wie lange ich...« Er verstummte und kurz sahen sie sich an. Gina wusste, was er hatte sagen wollen - wie lange er bleiben würde. Er wollte zurück, sie verstand dies und doch machte es sie unsagbar traurig. Sie lächelte gezwungen und verließ dann kurz das Zimmer, um sich im Bad das Gesicht kalt zu waschen. Was hatte sie erwartet? Das er hier glücklich wurde? Sie schnaubte verächtlich. Nicht einmal sie war in dieser Welt glücklich. Wie sollte das da jemand sein, der aus einer wesentlich interessanteren Zeit stammte? Wütend über die eigene Naivität schlang sie eine Scheibe Toast mit Erdbeermarmelade hinunter und versuchte dabei ihre Gedanken zu ordnen. Ihre Laune hatte sich gerade auf den absoluten Nullpunkt verabschiedet. Sie freute sich unheimlich, dass er da war und er wollte einfach bloß zurück. Nicht, dass sie ihm das übel nahm, sie hätte ja auch zurück gewollt... Aber dennoch war es verletzend. Ohne, dass er es wollte und wissen konnte. Gina seufzte schwer und ließ kurz den Kopf hängen. Was sollte sie jetzt machen? Wenn sie etwas mit ihm unternahm oder viel mit ihm sprach, würde sie sich an ihn binden - stärker als an die Anime-Figur, sondern eben an ihn selbst - und wenn er dann weg war... Aber sollte sie ihn stiefmütterlich einfach ignorieren? Damit war Gina überfragt. Sie lehnte sich kurz im Stuhl zurück und dachte nach, was jetzt zu tun war. Im gleichen Augenblick klingelte das Telefon. Gina sprang auf und schnappte das schnurlose Gerät. Überrascht und gleichermaßen erfreut stellte sie fest, dass es die Stimme ihrer Mutter war, die an der anderen Leitung ertönte. »Hallo, mein Schatz! Wie geht es dir?« »Gut, danke. Schön, euch zu hören.« »Ja, uns geht es auch sehr gut. Wir haben die Zeit jetzt mal genutzt um dich anzurufen, wir haben viel zu tun. Die Unruhen hier sind gefährlich, man kann nicht einfach den ganzen Tag herumlaufen und filmen.« »Verstehe... Ist die Story gut?« »Ja, sehr gut. Aber wie läuft es bei dir, Liebes? Dein Vater ist gerade etwas zum Mittagessen besorgen, er richtet dir Grüße aus.« »Danke... Sag ihm schöne Grüße zurück.« Eine Weile lang sprachen sie über Ginas Alltag, von Kakashi erwähnte sie natürlich nichts. Gina unterdrückte Wehmut in ihrer Stimme, gerade jetzt ging es ihr gerade nicht sehr gut und sie sehnte sich den Trost ihrer Eltern herbei. Sie vermisste sie jeden Tag, aber im Gespräch zeigte sie dies nie, um ihren Eltern den Beruf nicht schwerer zu machen als er es ohnehin schon war. Sie war immer ein rücksichtsvolles Kind gewesen und dies hielt noch heute an, sie hatte sich über die Situation nie beschwert. »Dein Vater kommt wieder, Schatz...«, sagte ihre Mutter nach etwa elf Minuten, »Ich muss wieder auflegen, wird sowieso schon so teuer. Wir kommen dich irgendwann besuchen, wenn sich die Zeit findet. Du weißt ja, wir vergessen dich nicht.« »Nein... Ich euch auch nicht«, entgegnete Gina und lächelte traurig, »Macht euch keine Sorgen, ich komme klar.« »Nun gut, dann bis bald.« »W-Warte...«, meinte Gina schließlich, »Kann ich dich... was fragen?« »Natürlich. Was ist?« »Nun... Es geht um meine Schule«, log Gina, »Ich habe da einen Klassenkameraden, ein Junge. Er ist sehr nett und ich mag ihn... Aber er wird in wenigen Wochen wegziehen und dann sehe ich ihn nie wieder.« »Aber ihr könnt doch Kontakt halten, Liebes.« »N-Nein.. Das wird nicht möglich sein«, versuchte Gina die Situation mit Kakashi zu erklären, »Er... na ja... Er zieht fast ans andere Ende der Welt. Es wäre zu teuer, zu telefonieren oder so.« »Verstehe. Das ist natürlich schade...« »Bitte, Mama, sag mir...«, fragte Gina, »Soll ich mich trotzdem weiter mit ihm anfreunden? Ich meine, ich werde dann sehr traurig sein wenn er geht, aber ich finde es auch nicht richtig ihn deswegen zu ignorieren...« »Natürlich solltest du ihn weiter kennenlernen, Liebes«, antwortete ihre Mutter, »Weißt du, egal ob man Kontakt hat oder nicht - Freundschaft ist etwas, was immer bestehen bleibt. Er wird an dich zurückdenken und das wird er gerne tun, genauso wie du an ihn. Und das ist es, was eine Freundschaft ausmacht. Sie macht einen glücklich. Du solltest dich davon nicht abhalten lassen, ihn kennenzulernen.. Aber verliebe dich nicht in ihn. Sonst wirst du wirklich viel Kummer haben, wenn er geht. Ich muss jetzt aber wirklich auflegen - entschuldige, Liebes. Bis bald.« Das Telefon wurde stumm, aber Gina lächelte. Genau das hatte sie gebraucht. Ob Kakashi nun ging oder nicht - sie würde ihm die Zeit hier so schön wie möglich machen, sodass er sich zumindest gern zurückerinnerte. So kam sie zurück an sein Bett. »Sorry, dass ich einfach weg war«, meinte Gina, »Meine Eltern haben angerufen.« »Verstehe. Du siehst glücklich aus.« »Ja... Das bin ich. Ich höre sie nicht oft, weißt du? Es freut mich immer, wenn sie dann anrufen.« Kakashi nickte, als würde er verstehen. »Das kann ich nachvollziehen.« Gina lächelte ihn offen an. »Da du ja heute im Bett bleibst, schlage ich vor, dass du dich mit der Decke auf die Couch bewegst. Dann können wir fernsehen.« Kakashi tat wie ihm geheißen und Gina zog das Sofa aus, sodass sie beide genug Platz zum Sitzen hatten. Es war der erste richtige Tag mit Kakashi und erstaunlicherweise war er fast normal. Gina bemerkte, dass sie sich binnen kürzester Zeit absolut an diese Person gewöhnen konnte, keine Gesellschaft schien ihr angenehmer als er. Er war ruhig, erwachsen und doch sehr freundlich und offen, man konnte unheimlich gut mit ihm reden und das tat Gina ununterbrochen. Anfangs redeten sie über den Anime und seine Erlebnisse, aber Gina schwenkte das Thema irgendwann um auf die Welt, in der er jetzt lebte, um ihn nicht mit Erinnerungen zu belasten. Sie erklärte ihm die Technik, die er offensichtlich von seiner Welt nicht gewohnt war wie EC-Karten, das Internet, Autos und eben solche Dinge. Im Fernsehen lief leider mal wieder gar nichts, aber die Programmzeitschrift kündigte für den Abend einen tollen Horrorfilm an. »Horrorfilme sind toll«, schwärmte Gina - das sie danach immer Angst hatte, kehrte sie einfach mal wohlwollend unter den Tisch, »Lass uns den sehen.« »Ja, von mir aus.« Zum Abendbrot schob Gina zwei Pizzen in den Ofen, die ihr vor lauter Nachdenken fast verkohlten. Schnell zog sie die belegten Teigböden vom Rost und gab Kakashi seine einfach auf einem Teller, er sollte sich nicht an den Tisch quälen, wenn er noch krank war. Ihre stellte Gina auf den Couchtisch und verschwand nochmal in die Küchenecke, klaubte eine kleine Schüssel aus dem Schrank und befüllte sie mit Kartoffelchips. Unschuldig und an nichts denkend drehte sie sich um, trat zum Sofa und ließ fast die Schüssel samt Inhalt fallen, denn sie erwischte Kakashi beim Essen. Die Maske über seinem Gesicht war hinabgezogen und er biss gerade in eines der Pizzastücken, während Gina fast das Herz stehen blieb. Mit fast hypnotisiertem Blick starrte sie sein ebenes Gesicht an, ehe er es bemerkte und sie sich mit Gewalt einen gedanklichen Tritt in den Hintern gab, um wegzusehen. Sie wusste, dass er nicht wollte, dass andere sein Gesicht sahen und wenn er es ihr schon offenbarte, dann durfte sie das nicht ausnutzen. Oder sich zumindest nicht anmerken lassen, dass sie es tat... Gina hustete künstlich und stellte die Chips ab, um schleunigst im Bad zu verschwinden und sich das Gesicht zu waschen. Ihr Kopf glich einer Signallampe, ihre Ohren waren in der gleichen Farbe angelaufen. Wäre sie selbst Charakter eines Mangas gewesen, hätte ihr Kopf wohl geraucht wie eine alte Lokomotive. Das Mädchen spritzte sich einige Hände voll kaltem Wasser ins Gesicht, trocknete dieses dann sorgfältig ab und sortierte einen Moment die Gedanken. Mit aller Willenskraft konnte Gina das Bild seines Gesichtes in ihrem Hinterkopf vergraben - das konnte sie heute Nacht noch behandeln. Jetzt hieß es Beherrschung zeigen. Sich nervös räuspernd nickte sich Gina im Spiegel selbst zu und kam wieder zu ihm auf die Couch. Sie hätte nicht gedacht, dass es so schwer sein konnte, ihn nicht dauernd anzustarren. Kapitel 5: Schattenspiele ------------------------- Schließlich würgte Gina ihre Pizza hinunter und mit jedem Stück normalisierte sich ihr Puls wieder ein wenig. Er tat gar nichts und doch brachte Kakashi sie so in Aufruhr, dass es kaum auszuhalten war. »Was ist?«, fragte er zu allem Überfluss noch, er musste ihre Nervosität bemerkt haben. »Nichts«, antwortete sie auch halbwegs überzeugend, »Ich freue mich auf den Gruselfilm. Ihr habt doch auch Kinos, oder?« »Schon, ja. Aber die sind eher die Ausnahme und man findet selten Zeit, dort einen Film zu sehen.« »Ja, das kann ich verstehen. Na ja, der Horrorfilm ist jedenfalls mit fünf Sternen bewertet worden, er muss also gut sein. Diese Zeitung hat sich noch nie geirrt.« »Na, wenn du meinst...« Tatsächlich war der Horrorfilm gut - um ehrlich zu sein etwas zu gut für Ginas Verhältnisse. Am Anfang war da nur ein Beziehungsstreit in einer kleinen Hütte in Amerika - Gina ahnte schon, dass der Kerl seine Freundin lieber nicht alleine lassen sollte - und wie es in solchen Filmen eben war, ließ die erste Schrecksequenz nicht lange auf sich warten. Das Mädchen hatte selten einen so überzeugenden Film gesehen, der auch noch nach einer wahren Begebenheit gedreht worden sein sollte - ob sowas stimmte, war natürlich immer zweierlei, aber wenn Gina sich vorstellte, dass plötzlich aus dem Nichts drei Personen mit Masken auftauchen und sie zu töten versuchen würden, wurde ihr ganz flau im Magen. Selbst die charakteristische, einsame Gegend fehlte - es passierte mitten in einer Stadt. Selbst Kakashi wirkte gegen Mitte des Films recht gebannt von dem Horror und spähte aufmerksam in die Flimmerkiste. Gina wurde jede Minute banger, was sie tapfer zu verstecken schaffte. Nur ein Mal fiel sie vor Schreck fast vom Sofa, als dieser maskierte Typ auf einmal mitten im Zimmer stand - und das auch nur, weil sie halb auf Kakashis entblößtes, chipsessendes Gesicht gestarrt hatte. Das einzig Bittere war das bedauernswerte, wenn auch realistische Ende. Gina zischte in der letzten Szene scharf und blinzelte dann etwas verwirrt aufs Bild. »Wie jetzt? Das ist wirklich das Ende?« »Es ist realistisch«, sagte Kakashi nur. »Ja, schon«, sie nickte, »aber ich hatte irgendwie ein besseres Ende erwartet.« »Ich fand' es im Grunde passend. Deine Zeitschrift hat sich wirklich nicht geirrt.« Gina nahm die leere Chipsschüssel und spülte sie kurz aus, verfrachtete sie wieder in den Küchenschrank zurück. Kakashi trug seine Maske natürlich wieder. »Ich denke, ich gehe jetzt schlafen«, gab er zu bedenken, »Ist ja schon relativ spät.« »Jetzt?«, fragte Gina entgeistert und schlug sich dann die Hand vor den Mund. Natürlich hatte er keine Panik nach einem Horrorfilm... »Wieso nicht?«, entgegnete er belustigt, »Hast du Angst jetzt zu schlafen?« Gina lief von unten nach oben knallrot an. »Ach, weißt du... ich meine, ich sehe lieber vorher noch etwas Freundliches. Weil... Weil...-« Während Gina versuchte sich zu erklären, standen sie plötzlich im Dunkeln. Einige Male blinzelte das rothaarige Mädchen verwirrt, dann dämmerte es. »Oh nein«, stöhnte sie, »Stromausfall... Das hat mir gerade noch gefehlt.« »Wie lange wird das dauern?« »Kommt drauf an. Aber eine halbe Stunde bestimmt. Komisch, dabei ist doch gar kein Unwetter...« Ohne das Gina es sich selbst eingestand, wurde ihr mehr als mulmig. Im Film hatte der Strom zwar funktioniert, aber trotzdem... Es war schon ein merkwürdiger Zufall. Sie schluckte schwer und blickte sich in der Dunkelheit um, tastete sich dann voran. »Ich hole mal Kerzen...« Obwohl sie die Wohnung so gut kannte war es schwer, sich ohne Augen fortzubewegen. Gina stieß nahezu überall gegen, bis sie endlich den kleinen Schrank im Flur fand und ein Paket Streichhölzer herausfingerte. Eines brennend gezückt kam sie zurück ins Wohnzimmer, wo Kakashi mehr oder weniger regungslos auf dem Sofa verharrte - ohne Stirnband stand sein Haar etwas wild ab und das gefiel ihr wirklich - und während sie die Kerzen in der Schrankwand suchte, errötete sie. Jetzt saß sie mit einem mehr oder weniger fremden Mann in einer stockdunklen Wohnung. Wer hätte hier wohl nichts Falsches gedacht? Kurz räusperte sich Gina und dann fand sie endlich die Kerzen, die nach Zimt rochen - die waren noch von Weihnachten - aber damit konnte sie jetzt auch leben. Gina stellte sie im Ständer auf den Couchtisch und setzte sich dazu. »Na ja, schon besser wenigstens.« »Jetzt fehlen nur noch die drei Mörder, dann ist die Atmossphäre perfekt«, foppte Kakashi sie ein wenig und obwohl er so freundlich dabei lächelte, um zu zeigen, dass er sie nur etwas ärgern wollte wurde Gina stocksteif. »S-Sag es doch nicht auch noch...« »Keine Sorge. Diese Stadt ist wesentlich größer, wir befinden uns im zehnten Stock und ich bin ja auch noch da«, beruhigte der ehemalige Jo-Nin sie ein wenig reuevoll. Gina errötete so tief, dass sie wohl leuchten musste. Ich bin ja auch noch da..., wie das klang! Es war ihr so peinlich, dass sie aufstand. »Ich gehe jetzt jedenfalls ins Bett...«, verkündete Gina, »Morgen früh ist der Strom garantiert wieder da.« »Wahrscheinlich hast du Recht. Es bringt nichts, hier zu warten«, Kakashi lächelte kurz, »Gute Nacht.« »Schlaf gut«, murmelte Gina, gab ihm die Kerze, nahm selbst eine und verzog sich in ihr Elternschlafzimmer, wo sie das Leuchtmittel in einiger Entfernung auf den Nachtisch stellte. Sie hörte Kakashis etwas ungleichmäßige Schritte auf dem Flur und in ihrem Zimmer knallte es daraufhin - er war wohl irgendwo gegengelaufen und Gina konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er war eben hier doch nur ein Mensch. Sie seufzte kurz, zog sich um und pustete die Flamme aus, nachdem sie ins Bett gekrochen war. Auf der Stelle huschten ihre Augen umher und hielten immer für einige Zeit an gewissen Schatten inne. Natürlich kannte Gina ihre Wohnung in- und auswendig und doch vermochte so ein Horrorfilm einem doch alles unheimlich erscheinen zu lassen. Gina sah normalerweise diese Filme nicht aus eben diesen Gründen, obwohl sie sie eigentlich mochte. Aber gut, sie rief sich ins Gedächtnis, dass Kakashi ja auch noch da war - wie er peinlicherweise ja selbst angemerkt hatte. Gina wurde wieder einmal rot und wühlte einige Zeit in der Erinnerung an sein Gesicht, welches sie sogleich auf ein anderes Thema brachte. Genau zog sie gedanklich die Linien und Konturen nach und stellte sie ihn sich in jeder Situation ohne Maske vor, was ihre Angst verfliegen ließ. Ohne es zu wollen musste Gina mehr als je zuvor zugeben, dass er hübsch war. Nicht so metrosexuell-hübsch, sondern wirklich männlich schön. Mit heißen Ohren zwang sie sich zum Schlafen und tatsächlich funktionierte es irgendwann auch. Sie fand sich im Traum in ihrer Wohnung wieder. Gina blinzelte einige Male und verstand nicht, dass sie nur träumte - es war sehr real und sie konnte sogar den Teppich unter ihren nackten Füßen fühlen. Sie selbst und doch irgendwie gesteuert durchquerte sie auf Schienen ihre Wohnung. Erst die Küche, dann den Flur, das Bad, ihr Elternschlafzimmer und schließlich ihr eigenes. Was Gina im Traum suchte wusste sie nicht, sie folgte nur dem Traumgeschehen, welches sie als Astralkörper durch die Zimmer wandern ließ. An den Wänden hingen Bilder, die in Wirklichkeit nicht dort waren und aus dem Kühlschrank hörte sie ein hohes Gelächter. Eigentlich hätte sie es in Angst versetzen müssen, aber im Traum ignorierte sie die Stimme schlicht und suchte weiter ihren Weg. Gina trat in ihr Kinderzimmer, ohne die Tür zu öffnen - sie schwand einfach wie ein Geist durch das Holz. Kakashi saß aufgerichtet auf seinem Bett und sie sprach mit ihm, konnte aber selbst nicht erfassen was genau. Nur einzelne Wörter schwappten zu ihr durch, die dann auch nicht wirklich Sinn zusammen ergaben. Er stand irgendwann auf - er trug seine normale Ninjakleidung samt Stirnband und Weste - und nickte ihr zu. Ein Augenzwinkern später war er verschwunden und Gina schlug die Augen auf. Für den Moment desorientiert starrte sie an die dunkle Decke. Die Kerze war vom Tisch gefallen, das dumpfe Geräusch hatte sie geweckt - gottseidank brannte sie die Flamme nicht mehr, sonst hätte sie bei Ginas Glück noch die Wohnung abgefackelt. Erst nachdem sie das harte Wachs aufgehoben und abgelegt hatte erinnerte sich das Mädchen an den eigenartigen Traum von eben. Schnell übermannte sie Wehmut und Trauer - garantiert hatte Kakashi sich gerade geistig von ihr verabschiedet. Heute Nacht war es also soweit gewesen - er war nach Konoha zurückgekehrt. Vorsichtig, um keinen Lärm zu veranstalten stand Gina auf, nahm die inzwischen wieder angezündete Kerze und öffnete ihre Tür. Sie musste sich selbst davon überzeugen, dass er wirklich weg war - vielleicht war es doch nur ein Traum gewesen? Aber schnell kam sie dazu, dass er wohl doch zu real gewesen war, um eben einfach nur ein Traum zu sein... Langsam schrat Gina über den Flur und suchte auf leisen aber flinken Sohlen die Tür. Sie stand offen, Gina wusste nicht, ob Kakashi sie geschlossen hatte oder nicht - aber wie erwartet war das Bett leer. Die Decke war nicht zurückgeschlagen, so als hätte sie jemand hochgezogen oder... wäre im Liegen daraus verschwunden. Gina seufzte deprimiert. Natürlich freute sie sich für ihn und sie hatte ihm hier hoffentlich eine angenehme Zeit ermöglicht, aber wieder einmal war sie es, die zurückstecken musste. Egal was sie tat, Gina blieb immer allein zurück und musste die anderen ziehen lassen. Zu allem Überfluss würde Kakashi im Manga bald sterben, dann hatte sie noch nicht einmal mehr ihn. Wütend ballte sie die Faust und lehnte sich frustriert an den Türrahmen. Das war einfach nicht fair. Wieso war nicht sie mal zur Abwechslung die, die verschwand? Wohin auch immer, Hauptsache raus aus der ewigen Einsamkeit. Mit traurigem Blick sah sie auf sein leeres Bett, erinnerte sich daran, wie er gewesen war, wie er geredet und gerochen hatte und musste dabei Tränen mit deutlicher Stärke unterdrücken. Selbst die Angst vor der Dunkelheit um sie herum war jetzt völlig vergessen. Der Kerzenschein warf tanzende Schatten durch den Raum, die Gina gedankenversunken mit den Augen verfolgte. Was sollte sie jetzt machen? Im gleichen Augenblick fühlte sie deutlich eine Präsenz im Rücken. Atem und die Wärme einer Person strahlten ihr ganz offensichtlich entgegen - irgendjemand stand genau hinter ihr. Stocksteif vor Schreck, nicht atmend und nicht blinzelnd fixierte Gina die Kerze vor sich und ihr Geist spielte tausend Möglichkeiten durch, wer ohne ein Geräusch hier eingebrochen haben konnte. Die drei Mörder aus dem Horrorfilm kamen ihr wieder in den Sinn und Paniktränen sammelten sich in ihren Augen, während sie, die Kerze fest umklammert, versuchte ihre Schreckstarre zu überwinden und sich umzudrehen. »Ist was?«, fragte man sie dann und als Gina erkannte, dass es Kakashis Stimme war, entspannte sich so ruckartig, dass sie fast wie ein nasser Sack umgefallen wäre. Er war noch da! Er war nicht verschwunden?! War es doch nur ein Traum gewesen? Noch immer zitternd drehte sie sich um, ihr Atmen ging stoßweise. »Tu-das-nie-wieder...«, stammelte sie ihm entgegen, »Du hast mich zu Tode erschreckt...« »Entschuldige«, meinte er, »Ich war nur im Bad. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du plötzlich hier im Zimmer stehst...« Gina wurde knallrot. Wie musste das aussehen, dass sie hier war? Was dachte er jetzt von ihr? Am liebsten hätte sie vor Scham die Kerze gefressen. »I-ich...«, versuchte sie sich zu rechtfertigen, »E-Es... Es war komisch... Es war so... real. Ich wollte nur sehen, ob du noch da bist... o-oder ob du schon... ob du schon verschwunden bist. In meinem Traum hast du dich von mir verabschiedet, deshalb dachte ich...« Hilfesuchend sah sie ihn an. Das Kerzenlicht flimmerte in seinen schwarzen Augen. »Ich verstehe...«, ging er darauf ein, »Nun, dann habe ich dich wohl wirklich erschreckt. Tut mir leid.« »N-Nicht schlimm...«, seufzte Gina, die diese Situation furchtbar fand, »Dann gehe ich jetzt einfach wieder ins Bett...« Wenige Minuten später hatte sie sich wieder unter der Decke verkrochen. Was war das bloß für ein Auftritt gewesen? Er musste sie für völlig bescheuert halten. Garantiert dachte er jetzt, sie hätte Angst im Dunkeln gehabt und sich nur herausreden wollen. Gina hasste solche Sachen, wenn sie ihr passierten. [Anmerkung: Der Horrorfilm im Kapitel ist "Strangers" - kann ich nur empfehlen ^^] Kapitel 6: Rico --------------- Gina befand es für am besten, das Geschehende einfach zu ignorieren. Kakashi war zu höflich, um das nochmal zu erwähnen und darüber war sie heilfroh - es war zu typisch für sie, sich sofort zu blamieren. Trotz all der Schönheit von Kakashis (wenn auch unfreiwilligem) Besuch ging das Leben normal weiter, was zwangsweise bedeutete, dass die kurze Woche der Herbstferien vorüber war. Der Jo-Nin war erst wenige Tage vor Schulbeginn aufgetaucht und in dieser Erkenntnis hätte Gina am liebsten ins Geschirrhandtuch gebissen. Wer wusste schon, ob er zu Weihnachten noch da war? Und oh... wenn ja, was tat sie dann mit ihm? Weihnachten kamen normalerweise ihre Eltern. Gina hatte irgendwie das dumme Gefühl, dass sie morgen in der Schule jemanden einweihen musste, dem sie vertrauen konnte. Und in in der Klasse gab es nur eine solche Person. Rico war ein braunhaariger, grünäugiger Junge mit Brille, der innerhalb der Klasse gern als 'Nerd' bezeichnet wurde. Die Leute aus ihrer Schule waren dennoch relativ freundlich zu Rico und behandelten ihn nicht wie einen Ausgestoßen. Er spielte fast den ganzen Tag Computerspiele, weil er in dieser Welt ebenso unglücklich war wie Gina, das vermutete sie zumindest, nur kompensierte er es eben anders. Mit seinen siebzehn Jahren konnte er nahezu alle Programmiersprachen, die geläufig waren - nicht, dass Gina sich damit auch nur ansatzweise auskannte, sie hatte noch nicht einmal einen Computer. Aber sie hatte sich sagen lassen, dass das etwas Großartiges war und war bereit dies zu glauben. Sein Vater war Computerfachmann und er würde diesem Beispiel wohl irgendwann folgen. Als Gina den Bioraum betrat saß er bereits an seinem Tisch und kritzelte gedankenverloren auf seinem Block herum. Rico war - und so hatte Gina ihn richtig kennen gelernt - ein Naruto-Fan. Das waren gut zwei Drittel der Klasse und Rico bevorzugte als seinen Lieblingscharakter Neji, aber so hatte Gina zumindest immer jemanden zum Reden, wenn Pause war. Denn in allen Fächern außer Physik saß er genau vor ihr. Trotz dieser Tatsache pflegten sie eine distanzierte Freundschaft, sie waren quasi nur Kumpel. Rico war, wenn man den anderen glaubte, schon seit Anbeginn ihres Zusammentreffens in Gina verknallt und sie hatte sich ihm nie weiter genähert, um falsche Rückschlüsse zu unterbinden. Außerdem waren ihre Interessen bis auf Naruto zu unterschiedlich. »Morgen, Rico«, begrüßte Gina ihn freundlich, als sie ihre Tasche abstellte und sich hinter ihm niederließ, »Wie waren deine Ferien?« »Zu kurz«, kam es von ihm mit einem Grinsen, »Und bei dir?« »...Interessant«, gab Gina von sich und dabei handelte es sich in ihren Augen um die Untertreibung des Jahrhunderts. »Waren deine Eltern da?«, über ihre schwierige Situation wusste dummerweise die ganze Klasse bescheid - es war grundsätzlich ein Fehler, mit einer 'Freundin' zu reden, die als riesen Tratschtante bekannt war, »Ja, aber nur für vier Tage. Danach ging es weiter ins nächste Krisengebiet. Aber ich hatte einen... äh... interessanten Besucher.« Rico zog die Augenbrauen zusammen, er bemerkte Ginas eigenartigen Ton. »Besucher?« »Kannst du dicht halten? Ich meine, richtig?« Sofort schwoll ihm die Brust vor Stolz. »Natürlich! Du kannst mir absolut alles erzählen.« »Gut. Aber erst nachher - irgendwo, wo wir ungestört sind.« Hatte das nach etwas Falschem geklungen? Unsicher beobachtete Gina, wie Rico sich regelrecht berauscht wieder umdrehte und schlug sich gedanklich an die Stirn. Warum um alles in der Welt war es so überaus kompliziert, sich mit männlichen Individuen zu unterhalten? Entweder wurde man selber rot oder die verstanden alles falsch. Nun... Gina würde später über das kommende Gespräch nachdenken, nachdem Rico sie unter Garantie einweisen würde. Sie hätte Kakashi fotografieren müssen, fiel ihr ein. Bio zog sich quälend in die Länge. Mitose und Meiose interessierten einfach niemanden in der Klasse, aber ihre Lehrerin, die den extrem passenden Nachnamen 'Baum' trug und somit Anfang des Schuljahres für Gelächter gesorgt hatte, zog ihr Programm gnadenlos durch. Gina kritzelte Kakashi-Skizzen auf ihr Heft und schämte sich noch nicht einmal dafür, während Rico unter der Bank eine SMS schrieb. Paul am anderen Ende der Bank popelte genüsslich und Gina wandte schnell den Blick ab, bevor sie sich geistig ermahnen konnte, ihm heute nichtmehr zu nahe zu kommen. Automatisch verfinsterte sich ihr Blick, als sie nach rechts sah. Eine aus vier Sitzen voll von blondgefärbten, rocktragenden, bis zur Unkenntlichkeit geschminkten Weibern, die sich über alles und jeden lustig machten der sich nicht ihrem metrosexuellen Vorbild anpasste befand sich nahe der Tür. Gina hasste diese Clique. Erstens, weil Oberflächlichkeit mit Tierquälerei so ziemlich das Schlimmste war, was sie sich vorstellen konnte und zweitens, weil auch sie schon öfters von denen aufs Korn genommen worden war. Gina hatte kurze Haare, hielt nichts von Schminke oder dem Reden über Jungs und war deshalb ein beliebtes Opfer. Nicht so schlimm, dass sie es als Mobbing bezeichnet hätte, aber durchaus nervtötend. Vor vier Monaten hatte Paul - der, der gerade popelte - den Weibern einen Klebezettel an den Tisch geheftet, auf dem "Quartett Mätress" gestanden hatte. Gina hatte sich innerlich halb totgelacht. Eine Sache jedoch machte die Cliquenführerin mit dem wohlklingen Namen Birgitt noch unsympathischer. Sie war als einzige von den vieren Naruto-Fan und ausgeguckt hatte sie sich ausgerechnet Kakashi. Gina hätte das vielleicht als die Möglichkeit sehen können, sich mit ihr zu vertragen - aber besitzergreifende Eifersucht war einfach leichter. Sie hatte mal einen Kakashi-Schlüsselanhänger an ihrem Gürtel gesehen und war vor Neid und Eifersucht fast grün geworden. Tags darauf hatte sie 6 Stunden geshoppt, um auch einen zu finden. Nein, sie war ein definitiv zu dominantes Weibchen um Kakashi mit jemandem zu teilen. Allein die Vorstellung machte sie rasend und ließ sie sich zeitgleich dafür schämen. Schließlich klingelte es zur Mittagspause und Gina griff Rico am Ärmel und zog ihn wortlos mit sich. Jetzt irgendetwas zu erklären würde sie nur noch mehr in Ungnade fallen lassen und sie war sorgfältig darauf bedacht, sich nicht von der Weiberclique oder anderen Quatschtanten sehen zu lassen, wer weiß was die noch erzählen würden. Das wollte sich Gina lieber gar nicht erst ausmalen. Schließlich verschanzten sich die beiden hinter dem Busch, hinter dem sich immer die Raucher versteckten. Praktischerweise war die komplette Parallelklasse auf einem Wandertag und die paar Leute aus ihrer Klasse die rauchten taten dies unverblühmt mitten auf dem Schulhof bei den Klos. »Was wolltest du mir sagen?«, fragte Rico. Jetzt hieß es plötzlich schon sagen. Mein Gott, Gina malte sich lieber nicht aus, was er jetzt erwartete. »Ähm... Du wirst mich wohl für bekloppt halten«, begann sie daher ohne Umschweife, »Ich habe vorgestern eine bewusstlose Person in einer Gasse gefunden.« »Was denn für eine Gasse?« »Na hinten im Industriegebiet, du weißt schon. Jedenfalls, du wirst mir nicht glauben, wer diese Person war.« Rico blinzelte - man merkte ihm an, dass er nur noch Bahnhof verstand. »Kakashi Hatake.« Einige Sekunden geschah nichts. Ginas Gesicht lief rot an. »Öhm... Hehe«, machte Rico trocken, die Mitleidslache war fast irgendwie niedlich, »Was willst du mir damit sagen?« »Ich weiß, dass das total bekloppt klingt. Aber er ist es wirklich! Sei einfach ruhig und hör mir zu, ich erklär's dir.« Eben das tat Gina auch und brauchte dafür mehr als den Rest der Pause. Rico wurde immer bleicher, als er scheinbar entschlossen hatte ihr zu glauben, sah aber dennoh noch sehr skeptisch aus. »Kannst du ihn mitbringen? Oder kann ich zu dir kommen?« »Ich kann ihn doch nicht vorführen wie irgendeinen Gegenstand«, murmelte Gina empört, »Na ja und mitbringen wär keine gute Idee. Personalausweiß und so.« »Hm, verstehe.« »Aber ich hätte da eine Idee. Komm doch morgen mit zu mir nach der Schule, was meinst du? Wir machen zusammen Hausaufgaben und so. Dann wird er gar nicht erfahren, dass du nur wegen ihm kommst.« »Die Idee ist klasse«, er grinste über beide Ohren und Gina hatte den ganz schlechten Verdacht, dass er dachte, diese ganze Sache wäre eine Ausrede um ihn zu sich nach Hause einzuladen, »Ich komme dann morgen. Freu mich drauf.« Gina seufzte abgrundtief, als sie in den Bus stieg und nach Hause fuhr. Hätte sie wohl lieber den Mund gehalten? Jetzt war es ohnehin zu spät. Birgitt stackste an ihr vorbei und Gina empfand das unstillbare Verlangen, ihr ein Bein zu stellen, unterdrückte diese Gelüste aber wie immer. Sie hoffte, dass Kakashi den ganzen Tag alleine klargekommen war - besser gesagt, dass er sich nicht zutode gelangweilt hatte. Sie hatte ihm gezeigt, wo Fertigessen im Schrank zu finden waren und wie der Fernseher funktionierte mit der eindringlichen Bitte, weder ans Telefon zu gehen noch irgendwie die Tür zu öffnen - am besten noch nicht einmal das Fenster. Und sie war sich sicher, dass er sich daran halten würde. Als Gina die Wohnung wieder betrat und abschloss, erspähte sie Kakashi auf dem Sofa. Sie wollte schon den Mund öffnen um ihn zu begrüßen, sah dann aber, dass er schlief - scheinbar machte er ein Nickerchen. Vorsichtig trat sie bis auf zwei Meter auf ihn zu und sah einen der Naruto-Mangas auf seinem Bauch liegen, was sie schon wieder mit Wehmut erfüllte. Er musste wirklich Heimweh haben. Mit schlechtem Gewissen machte sie sich daran ihm ein tolles Abendbrot zu kochen, vielleicht brachte ihn dies zumindest kurzzeitig auf andere Gedanken. Kapitel 7: Eingeweiht --------------------- Am nächsten Tag starrte Rico, wenn er nicht gerade auf den Unterricht achten musste, Gina unverwandt an. Und andauernd schlich sich dieses kindliche Leuchten in seine Augen, welches das Mädchen vorab schonmal als ganz schlechtes Omen interpretierte. Aber sie ließ sich nichts anmerken, blieb normal und achtete etwas mehr auf den Unterricht, als es eigentlich sonst ihre Art und Weise war. Kakashi hatte sie bereits angekündigt, dass Besuch kam und natürlich hätte er nie irgendetwas dagegen gesagt. Er respektierte die Tatsache, dass er sich quasi bei Gina einquartiert hatte doch extremer, als sie es sich gedacht hätte - Kakashi hätte sich wohl sogar in irgendeinen Kerker gelegt um zu schlafen, wenn sie es mit ihrem Hausrecht begründet hätte. Seine ausgesprochene Höflichkeit könnte hier durchaus ein Problem werden, aber das würde sie ihm später irgendwann mal sagen. Ricos Besuch war jetzt erstmal genug seelische Belastung, Gina rechnete fest damit, dass er auf der Stelle entweder ohnmächtig oder verrückt wurde, wenn er den ehemaligen Jo-Nin sah. Hm, vielleicht hätte sie sich Äther oder sowas besorgen sollen, um ihn am Schreien zu hindern? Schließlich waren alle Gedanken vergebene Mühe, denn das Rico vorbeikam war unausweichlich. Seine Laune war nahezu grässlich gut und Gina hoffte mittlerweile, dass er nicht allzu enttäuscht wäre, wenn er bemerkte, dass dies keine Ausrede gewesen war um ihn zu sich zu holen. Nun... Er würde es überleben. Gina schloss die Tür auf und ließ Rico eintreten. »Ich bin zu Hause«, rief sie, aber das Rauschen der Dusche war hörbar. »Wird wohl noch eine Weile dauern. Hast du Hunger?« »Nein, wir können sofort anfangen«, meinte Rico und breitete seinen Matheblock samt Buch auf dem Tisch aus, »Ich habe unterwegs doch den Burger gegessen.« Gina aß zwei Toasts mit Tofu und gesellte sich dann zu Rico. Die Art, wie er Blickkontakt aufnahm war unverkennbar - ihre Befürchtung bewahrheitete sich. >Kakashi, dusch schneller, verdammt nochmal...<, schalt sie ihn geistig. Als Rico ihr gerade, natürlich leicht aufrückend, eine Formel erklärte, öffnete sich die Badezimmertür und Kakashi trat nach wenigen Minuten in die Küche. Sein Haar hing noch leicht vom Duschen herab und er trug seine übliche, hier ernannte Hauskleidung - mit ihm zu shoppen hatte sie sich bisher nicht getraut. »Willkommen zu Hause«, sagte er zu ihr - so begrüßte er sie jeden Tag und es musste in seiner Welt wohl normal sein, das war es hier allerdings nicht und Gina liebte es jetzt schon es jeden Tag zu hören. Es schenkte tiefe Geborgenheit und das Gefühl erwünscht zu sein, außerdem klang es aus seinem Mund wie fast alles so herrlich höflich. Vor lauter Freude hätte sie fast vergessen den stocksteifen Rico neben sich zu beachten, dessen Gesicht fahl war wie die Kalkmauern auf den Schulklos. Sein Kiefer war ein wenig aufgeklappt, scheinbar im Wort irgendwie stecken geblieben und seine Augen waren gefährlich glasig. Kippte der wirklich gleich um? »Das ist Rico«, meinte Gina grinsend, »Ihm ist gerade sein Pfefferminzbonbon in den Rachen gerutscht.« »Ja«, keuchte Rico so heiser, dass es kaum hörbar war, »Freut mich...« »Mich auch«, entgegnete Kakashi normal und nickte ihm zu. Ob er etwas ahnte war unklar, wenn, dann hätte er es sich so und so nicht anmerken lassen. »Hast du schon gegessen?«, fragte Gina ihren Mitbewohner. »Ja«, bestätigte Kakashi, »Im Gefrierfach war so eine gefüllte Teigtasche.« »Du meinst die Wraps«, lachte Gina, »Bist du mit der Mikrowelle klargekommen?« »Ja, ich denke schon. Es war nicht schwer.« Nicht schwer also. Gina hatte wesentlich länger gebraucht, um die Bedienung von diesem komplizierten digitalen Ding zu lernen. »Ich lasse euch am besten allein«, sagte Hatake dann, »Ich wollte ohnehin eine Dokumentation im Fernsehen schauen.« Damit machte er kehrt und bewegte sich aufs Sofa. Er war nur etwa fünf Meter entfernt, aber Gina wusste ganz genau, dass er nicht zuhören würde. Er war einfach zu höflich dafür. »Lebst du noch?«, raunte Gina Rico leise zu, »Willst du an die frische Luft?« »Geht schon...«, murmelte Rico, »Hast du einen Kaffee?« Gina lachte jetzt doch und brühte ihm eine starke Tasse, die bald wieder Farbe in sein Gesicht zu bringen begann. Kakashi brachte sie ebenfalls eine, der dankend annahm. »Gina, ganz ehrlich. Ich glaube dir wirklich alles, aber ich wusste gestern nicht, was ich sagen soll.« »Das war mir bewusst. Deshalb wollte ich es dir zeigen.« »Nun... Ich glaube dir.« »Vielen Dank«, grinste sie, »Dein Urteil?« »Absolut genial«, murmelte er, »Wenn auch völlig unglaublich. Ich kann's noch gar nicht fassen.« »Geht mir auch so. Aber das muss unser Geheimnis bleiben, okay? Bitte versprich es mir. Wenn das jemand erfährt, komme ich in Teufels Küche. Und wer weiß, was die mit Kakashi machen. Am Ende noch Experimente wie an den armen Tieren oder sowas.« »Du hast mein Wort«, sagte Rico ehrlich und sah ihr dabei so ernst in die Augen, dass es ihr schon fast wieder peinlich wurde, »Ich sage es niemandem. Hoch und heilig versprochen.« »Danke«, seufzte Gina. »Ich bin total froh, dass du es mir erzählt hast. Ich hätte nicht gedacht, dass du mir so vertraust.« Nun... Gina bis vor einem Tag auch nicht. »Klar. Könntest du mir im Gegenzug vielleicht einen Gefallen tun?« »Worum geht's?« »Na ja. Du weißt doch, meine Eltern und so. Wenn sie ihn hier sehen würden sie... das will ich mir nicht ausmalen.« »Verstehe. Du willst ihn bei mir unterbringen?« »Ja. Es wäre ja nicht oft. Wäre das möglich?« »Klar«, er grinste, »Meine Eltern kennen Naruto sowieso nicht. Ich quartiere ihn dann bei mir ein und zeige ihm, was eine Lan-Party ist.« Gina grinste bei der Vorstellung, ihr Wissen reichte gerade noch um zu sagen, was eine Lan-Party war. »Vielen Dank Rico. Du hast was gut bei mir.« Ob sie das wohl lieber nicht gesagt hätte? Aber in Ricos Gesicht sah sie nur Freude und das nahm ihr die Sorgen. Nein, sie war sich sicher, er hatte es richtig verstanden. »Aber ehrlich«, meinte er dann, »Das mit dem Personalausweiß und der Krankenkasse ist ein echtes Problem.« »Na ja, Krankenkasse weniger. Wir können ihn privat versichern.« Geld genug hatte Gina definitiv auf dem Konto, ihre Eltern verdienten als Reporter sehr gut und ließen ihrer Tochter mehr zum Leben als nötig war - sie wollten damit wohl wett machen, dass sie ihr keine Nähe schenken konnten. »Aber er braucht unbedingt einen Ausweiß«, Gina seufzte, »Ich habe keine Ahnung, wie ich das anstellen soll.« Rico überlegte. »Hm. Mal sehen, vielleicht kann ich mir was einfallen lassen. Aber rechne nicht damit, diese Sache ist wirklich brandheiß.« »Was willst du tun?« »Ich bin ein Nerd, schon vergessen?«, fragte Rico grinsend, »Ich kann noch mehr als ein paar Skriptsprachen.« Gina hatte an diesem Tag nicht weiter gefragt. Wenn sie ehrlich war, wollte sie gar nicht genau wissen, in welch illegale Machenschaft sich Rico da werfen würde. Aber abhalten konnte sie ihn wohl ohnehin nicht - und wenn sie zu Kakashi sah, wollte sie es eigentlich auch nicht. Sie war es leid ihn wie einen Gefangenen in ihrer Wohnung festzuhalten. Aber dennoch - eines konnte sie mit ihm tun, nämlich shoppen gehen. »Also...«, sagte Gina daher am nächsten Tag beim Mittagessen - Brokkoli-Auflauf, »Ich würde dich gern mit in die Stadt nehmen, wenn du dazu Lust hast. Dazu brauchst du auch keinen Ausweiß.« »Du willst mir deine Welt zeigen, hm?«, fragte er, »Gern.« »Ja... Auch. Aber es hat noch einen anderen Grund. Ich weiß nicht, wie lange du hier sein wirst, aber ich denke es wäre besser, wenn du einpaar Sachen für dich hättest. Also Klamotten, einen Rasierer, sowas halt. Du sollst ja nicht immer das gleiche anziehen müssen.« »Hm, das klingt vernünftig...« »Super. Dann gehen wir morgen shoppen, okay?« »Nur eines«, warf Kakashi ein, »Ryou sind vermutlich nicht mehr eure Währung, habe ich Recht?« »Oh, nein«, Gina lächelte, »Aber mach dir darum keine Sorgen, das mach ich schon.« »Das kann ich unmöglich annehmen«, antwortete er sofort widerstrebend, »das wird dann warten müssen, bis ich selbst zu Geld gekommen bin.« »Das wirst du vorerst wohl nicht... Weil du dafür arbeiten müsstest. Personalausweiß, Schulzeugnisse und sowas..., du verstehst? Und mir macht das gar nichts. Meine Eltern geben mir genug, um mich quasi jeden Monat einzukleiden, aber ich mache es nicht.« »Wieso nicht?« »Na ja...«, murmelte Gina, »Es macht keinen Spaß, alleine Geld auszugeben. Also komm, ich kaufe mir was Neues und du auch. Bitte.« Er seufzte und sah damit überhaupt nicht glücklich aus. »Na schön... Aber ich schulde dir dann auch etwas.« Gina biss sich auf die Zunge, um davon nicht allzu bald Gebrauch zu machen. Einige unvernünftige Ideen schwirrten ihr durch den Kopf - allen voran ein Treffen mit Birgitt in seinem Beisein. Kapitel 8: Ein Stück Normalität ------------------------------- Freitags darauf wünschte Gina, der Bus würde schneller fahren. Sie freute sich schon die ganze Woche auf den Einkaufsbummel mit Kakashi und war fest entschlossen, einige ihr nicht erlaubte Blicke zu erhaschen, während er in der Umkleidekabine war. So sehr sich ihr wohlerzogener Verstand auch dagegen wehrte, sie ließ sich nicht umstimmen - es kostete ohnehin schon allen ihr verfügbaren Anstand, um ihn nicht irgendwann beim Duschen zu bespannen oder "ausversehen" hereinzukommen. Gina seufzte abgrundtief. So kannte sie sich überhaupt nicht. Aber jetzt war es auch zu spät, sich darüber zu beklagen. Als sie in die Wohnung trat, fiel ihr auf, dass sie noch ein durchaus problematisches Gespräch mit Kakashi zu führen hatte und bevor sie sich weiter aufhielt, wollte sie es lieber gleich angehen. »Ich bin da!«, rief Gina, noch bevor sie gesehen hatte, dass Kakashi mit einem Buch auf dem Sofa lag und zu ihr aufschaute. »Willkommen zu Hause«, grüßte er sie üblich, »Wie war dein Tag?« Ein Mal mehr musste Gina sich selbst wieder wachrütteln - auch nach über einer Woche hatte sie diese Art von Begrüßung und Interesse einfach noch nicht als Gewohnheit erfasst. Es war jeden Tag aufs Neue einfach zu schön um wahr zu sein. »Gut«, grinste sie ihm entgegen, »Lass uns essen und dann gehen, okay?« Er nickte und setzte sich auf, dabei legte er das Buch mit dem rostroten Einband auf den Couchtisch. Gina erstarrte in der Bewegung. »Was ließt du da?«, erkundigte sich das Mädchen und ahnte Schlimmes. »Hm...«, machte Kakashi und sah auf das Cover, »'Blüten der Liebe'. Ist das ein Problem?« Für den Moment wurde es still. Gina lief puterrot an. »Das ist nichts meins«, log sie, »Das gehört meiner Mutter.« Kakashi begann zu grinsen, man sah es unter seiner Maske deutlich. »Du hast mir angeboten, mit ein Buch zu nehmen und da habe ich das entdeckt. Ich fand sehr interessant, dass du sowas ließt.« »Ich lese das nur, um darüber zu lachen. Kitsch ist nicht mein Ding.« Er lachte leicht. »Du brauchst dich doch nicht zu schämen«, sagte er dann, »Es richtet doch niemand von deinem Buchgeschmack auf dich.« »Natürlich tust du das, tu doch nicht so«, zischte Gina knallrot, »Ach... Was redest du eigentlich? Du ließt Icha Icha, das ist viel schlimmer.« Nun war Kakashi für den Moment still. »Das weißt du doch gar nicht.« »Ich kenne den Autor, das sagt mir absolut alles.« »Hm, ich würde sagen... Unentschieden.« Gina lachte und schrat zur Küchenzeile, um zwei Pizzen in den Ofen zu schieben. Heute sollte es schnell gehen. Als die beiden beim Essen saßen, überlegte Gina einige Minuten, wie sie anfangen sollte. Ihr fiel allerdings nichts Gutes ein, also beschloss sie einfach loszulegen. »Hm, du, Kakashi?«, meinte Gina zwischen zwei Bissen, »Da ist noch eine Sache.« »Hm?« »Na ja... Das ist für dich sicher nicht so toll, aber heute in der Stadt kannst du deine Maske nicht tragen.« Er hörte kurz auf zu essen. »Wäre das ein Problem?« »Ja, ein ziemlich Großes«, gestand Gina, »Generell würden dich die Leute anschauen, als wenn du spinnst. Dazu kommt aber noch, dass du dann mehr nach dir aussiehst als es hier gesund wäre. Verstehst du das?« Er sah ein wenig unzufrieden aus. »Klar, ich verstehe das.« »Dann ist ja gut«, meinte Gina beruhigt, »Ich hatte schon befürchtet, dass du... Moment, mir kommt eine Idee.« Sie sprang auf und lief ins Bad. Irgendwo in der Kiste unterm Waschbecken musste dieser hellblaue Mundschutz herumliegen, den Gina vor zwei Jahren gekauft und niemals angerührt hatte. Ihr eigenwilliger Rektor verlangte, dass kranke Schüler eben diesen trugen, um die Mitschüler nicht anzustecken - in Japan sei das normaler Brauch und er wollte zumindest in der Schule die gleiche Regel einführen. Gina hatte nur mit den Schultern gezuckt - selbst die paar Fehltage im Arm gönnte der Blödmann ihnen nicht. Nach kurzem Suchen fand sie die leicht zerknitterte, durchsichtige Verpackung und brachte sie Kakashi, der gerade mit seiner Pizza fertig geworden war. Auch Gina nahm ihr letztes Stück und setzte sich zu ihm. »Wär das als Ersatz okay? Das würde nicht auffallen, die Leute denken dann, dass du krank und sehr höflich bist.« Kakashi legte kurz den Kopf zur Seite und warf ihr dann ein Lächeln zu. »Warum nicht? Danke.« »Keine Ursache.« Vierzig Minuten später - Gina hatte zum ersten Mal im Leben nicht gewusst, was sie anziehen sollte, da sie immerhin gut neben Kakashi aussehen wollte - standen beide an der Bushaltestelle und warteten auf die richtige Verbindung. Kakashi blickte für den Moment irritiert auf den Fahrplan, aber das Blitzen der Erkenntnis in seinen Augen verriet, dass er das Geschreibsel binnen weniger Minuten verstanden hatte. Seine Intelligenz war ihm geblieben, was Gina unwillkürlich erröten ließ. Sie selber war vor einem Jahr noch ausversehen falsch eingestiegen und er kapierte es in Minuten - das Leben war irgendwie nicht fair. Als der Bus anrollte, trat Kakashi einen ungewollten Schritt zurück. »Ist das Gleiche wie ein Zug, nur ohne Schienen«, erklärte Gina, obwohl er das sicher schon selbst bemerkt hatte. »Praktisch«, stellte Kakashi nur fest und sie setzten sich gemeinsam hinein. Die Tendenz war beunruhigend. Ginas Blick huschte umher und wohin auch immer sie sah, glotzten einige Jugendliche geistesabwesend in ihre Richtung. Ein Mädchen wurde knallrot und begann nach Luft zu schnappen, während ein älterer Junge vor Schreck seine Zigarette in den Dreck fallen ließ. Unglücklicherweise war es früher Nachmittag, was bedeutete, dass der Bus fast ausschließlich mit Kindern und Teenagern gefüllt war, die entweder gerade Schulschluss oder noch eine Verabredung gehabt hatten. Als das Fahrzeug sich fast komplett gefüllt hatte fiel auf, dass in etwa neunzig Prozent der Insassen "zufällig" in ihre Richtung schauten. Kakashi beugte sich ein wenig zu Gina. »Haben wir ein Problem?« Gina kostete gerade den Gedanken aus, dass nur sie neben ihm sitzen und mit ihm reden - na ja, mit ihm wohnen durfte, als ihr eine Idee kam. »Nein, keine Sorge«, murmelte sie und fügte dann laut genug hinzu, dass fast jeder es hören konnte, »Ich freue mich auf die private Cosplayparty. Wird super.« Schlagartig ging eine Art Seufzen durch die Umgebung und fast alle Neugierigen drehten sich zurück. Gina atmete auf. »Was ist Cosplay?« »Unsere Rettung. Man verkleidet sich als ein Charakter aus einer Geschichte, die man mag. Und du bist heute eben Kakashi-Cosplayer.« »Sehr gute Idee.« »Vielen Dank«, erwiderte Gina stolz. Das war auch die einzig vernünftige Ausrede. Er sah nicht nur aus wie Kakashi - logischerweise - sondern trug auch noch die Konoha-Hose und das Oberteil. Noch hatte er nichts anderes und das machte ihn umso auffälliger. Nicht zu vergessen der verdecke Mund. Schließlich tauchten beide in die stickige Luft des Kaufhauses - das zweite Zuhause einer jeden Frau. Jetzt, da Gina Gesellschaft hatte (und auch noch solche), fühlte sie ihre deutlich zu schwere Brieftasche. Oder besser gesagt, die EC-Karte im Innern. »Wo sollen wir anfangen?« »Ich denke, ich lasse mich führen...« »Das wirst du heute Abend bereuen.« »Schon möglich.« Gina schleifte ihn durch das gesamte Kaufhaus. Zuerst mussten es einpaar Turnschuhe sein, denn die Ninjasandalen waren erstens auffällig und zweitens auf Dauer zu kalt. Gina schwatzte ihm ihre Lieblingsmarke mit der tollen Wolfstatze auf und Kakashi ließ die Schuhe gleich an. Gina kaufte sich genau das gleiche Paar in ihrer Größe und für Frauen - gottseidank schien Kakashi mit dem Wort 'Partnerlook' nichts anfangen zu können und Gina feixte darüber unverschämt in ihrem Innern. Sie brauchte keine neuen Schuhe, aber der Drang war einfach zu stark gewesen. Durch die neuen Schuhe büßten sie einpaar Prozent der Gaffer ein. Kakashi war nicht nur Kakashi, sondern durch seinen Mundschutz auch noch als krank gekennzeichnet - es war außerordentlich praktisch, wie alle eine Schleuse bauten. Daran konnte Gina sich glatt gewöhnen. Noch schöner war, dass er die Taschen trug. Es kam nicht in Frage, sie eine Frau schleppen zu lassen und so musste Gina sich ernsthaft beherrschen, ihn nicht zum Packesel zu degradieren. Anlaufpunkt Nummer zwei war das Geschäft für Kleinkram. Als Kakashi Deo, Parfüm, Rasierwasser und einen Rasierer in den Korb legte hatte Gina plötzlich das Bedürfnis, sich höflich abzuwenden. Ein anderer Teil von ihr wollte hemmungslos starren und am besten noch an allem Proberiechen. Nein, mit solchen Gefühlen war sie definitiv nicht vertraut. Eine Haarbürste wanderte noch ins Behältnis, einige Päckchen Socken, eine neue Ersatzzahnbürste, weil er die jetzige benutzte, Boxershorts (bei denen Gina sich umdrehte und irgendein Regal anstarrte) und eben solche Dinge. Als Kakashi zwei Unterhemden in den Korb legte und sie ihm zum x-ten Mal versichern musste, dass er kaufen sollte, was er brauchte, weil Geld wirklich kein Problem war, musste Gina sich auf die Zunge beißen, um sich nicht vorzustellen, wie er sie trug. Das Rot hätte wahrscheinlich jeder gesehen. Richtig zeitaufwendig wurde es erst im Klamottengeschäft. Hier war Gina kaum zu bremsen - sie warf nur drei Oberteil und zwei Hosen für sich selbst in den Wagen, bevor sie bei Kakashi voll loslegte. »Öhm...«, fiel ihr rechtzeitig auf, »Es stört dich doch nicht, wenn ich dir helfe, also aussuchen und so, oder?« »Nein, keine Sorge. Nett, dass du mir hilfst.« Innerlich schämte sie sich fast für seine Höflichkeit - dabei hatte sie so viele Hintergedanken, von denen er scheinbar gar nichts ahnte. Sie kauften Pullover, T-Shirts - langärmelige und kurzärmelige - und lauter Dinge, die im Grunde nicht sehr interessant waren. Gina hätte sie nicht einmal am Ständer bemerkt, wenn nicht Kakashi sie tragen wollen würde (er bevorzugte Kleidung ohne Applikationen, was sie nicht wunderte). Sie wartete geduldig und fluchte innerlich, dass sie an der Umkleidekabine nicht spannen konnte - das hätte er, so wie sie geschnitten war, definitiv bemerkt. Bei den Hosen schaffte Gina es tatsächlich, ihm Jeans aufzuquatschen. Jeder lief in Jeans herum, das war normal - so viel von ihren Begründungen entsprach zumindest der Wahrheit. Die andere Wahrheit, die sie mit fadenscheinigen Äußerungen überdeckte ('die sind total modisch!' und 'die halten toll warm und schützen vor Verletzungen') war, dass sie Kakashi schon immer mal hatte in Jeans sehen wollen. Einmal hatte sie sogar ein Bild gezeichnet. Kakashi und Jeans passten einfach - und als er sie anprobierte musste sie sich ernsthaft beherrschen, um nicht den berüchtigen Fangirl-Schrei loszulassen. Verdammt - sie hätte alles getan für diesen Anblick. »Nicht gut?«, fragte er mit einem unsicheren Blick auf die schwarze, grobmaschige Jeans, als er Ginas verkniffenen Gesichtsausdruck sah. Diese ließ ein Grinsen verlauten, dass gequälter kaum hätte wirken können. »Doch, absolut genial.« Das war schwer untertrieben. Sehr peinlich war die Tatsache, dass ein kleiner Junge von etwa zwölf Jahren entgeistert stehen blieb, als Gina und Kakashi an ihm vorbeischraten. »Mama!«, rief er und zeigte zu allem Überfluss noch mit dem Finger auf den ehemaligen Jo-Nin, »Das ist Kakashi! Das ist er!« Gina lief knallrot an - so ein Mist! »Aber Dave«, seufzte sie, »Kakashi gibt es in Wirklichkeit nicht. Komm weiter jetzt.« Sie warf Kakashi einen Blick zu. »Tut mir leid.« »Kein Problem«, antwortete dieser aalglatt, »Das passiert mir öfters.« Der Tag neigte sich dem frühen Abend zu, als sie beiden alle Dinge besorgt hatten. Kakashi trug fünf prallvolle Tüten und sogar Gina trug eine, weil es einfach zu viel geworden war. »Na, jetzt haben wir auf jeden Fall alles, was du brauchst«, lachte sie. »Entschuldige die Umstände«, meinte er noch immer beschämt. »Ich habe doch gesagt, dass es okay ist. Vergiss es einfach.« »Ja... Aber was tust du damit, wenn ich...? Wenn ich zurückkehre?« »Ich verkaufe sie wieder. Da gibt es gute Plattformen in dieser Welt«, sagte Gina etwas zu schnell. Sie hatte sich diese aalglatte Ausrede überlegt. »Verstehe. Dann ist es ja gut...« Sie schraten weiter und Gina verdrängte den Gedanken daran, dass sie eher heulend darauf liegen als sie verkaufen würde. Bevor sie den Bus nach Hause nahmen, schleifte Gina Kakashi ins McDonalds. »Ein Restaurant?« »Eine Fastfood-Kette. Schnell, lecker und überaus ungesund, so wie es sich gehört.« »Bist du hier oft?« »Ja, mindestens einmal die Woche«, erklärte Gina ihm, »Bevor ich auf die weiterführende Schule gekommen bin sogar alle zwei oder drei Tage. Ich war regelrecht süchtig nach diesen Burgern, bis ich gemerkt habe, dass sie auf Dauer schädlich sind. Seitdem esse ich hier immer die Salate, die sind absolut großartig.« Kakashi nickte. Sie hatten die Taschen an zwei Thresenplätzen abgestellt, wo sie sitzen würden und standen in der Schlange an der Kasse. »Ich glaube, insgesamt habe ich in diesem Laden bestimmt schon zwei oder drei ganze Jahre verbracht«, lachte Gina, »So wie die LKW-Fahrer an den Ampeln.« Sie warf einen Blick über ihre Schulter. Ein Jugendlicher hatte auffällig auf ihre Taschen gespäht. »Du, geh am besten zum Platz. Wegen den Taschen. Ich bestelle.« »Nein, setz dich ruhig, wir sind viel gelaufen«, sagte Kakashi höflich wie immer, »Ich bestelle, ich weiß ja, was du möchtest.« Geschmeichelt bewegte sich Gina zu ihrem Platz und sah ihn dann gedankenverloren an. Er war einfach zu toll, um für immer bei ihr zu bleiben - so ein Glück hatte sie nicht verdient. So ein Glück hatte wahrscheinlich niemand auf der ganzen Welt verdient. Gina seufzte und drohte deprimiert zu werden. Wie sollte sie nur je wieder ohne ihn klarkommen? Ganz allein, ohne Gesellschaft? Sie wusste es nicht. Aber Kakashi tat ihr gut und gleichzeitig machte er sie schwächer. Und das war alles andere als erstrebenswert. Aber sie konnte auch nicht verhindern, jede Sekunde bei ihm mit jeder Pore zu genießen. Gina erschrak durch ein lautes Poltern und fuhr zusammen. Es klang fast wie Schüsse und hektisch blickte sie umher, nur um Kakashi an der Kasse zu erspähen, der von einem Konfettiregen übergossen wurde. Die Situation war zu kritisch, um sich darüber zu wundern, denn Kakashi ging reflexweise in Kampfstellung. Gina sprang auf, ignorierte die Taschen und umfasste seinen Arm von hinten, bevor er mehr tun könnte. Sie drückte seine Elle ein wenig an sich und er entspannte den Körper wieder. Das war verdammt knapp gewesen. »Herzlichen Glückwunsch!«, rief die Kassenfrau süßlich, »Sie sind der zehnmillionste Kunde! Sie erhalten das komplette Menü heute umsonst.« Gina klappte der Kiefer runter. »Passiert das öfter? Warum hast du mich nicht gewarnt?«, fragte Kakashi sie leise. »Nein, das passiert nicht öfter«, knirschte Gina und hätte die Frau am liebsten erwürgt, »In den ganzen, verdammten Jahren, in denen ich hier gegessen habe nicht!« Das Leben konnte so unfair sein. Kapitel 9: Überraschung! ------------------------ Birgitt schlunste am nächsten Tag ständig um Gina herum. Scheinbar erhoffte sie sich, irgendetwas zu hören, was nicht für ihre Ohren bestimmt war. Gina konnte darüber nur müde lächeln und warf sich mit Rico öfters wissende Blicke zu, die Birgitt und auch ihre Sklavin Trine fast in den Wahnsinn trieben. An diesem Tag schrieben sie einen Mathetest. Gina hasste Mathe wie die Pest, aber Rico war gut darin und lies sie abschreiben. Gina bereute daraufhin, dass sie Rico vorher nie so richtig beachtet hatte. Zwar hatten sie gemeinsam über Naruto geredet, aber inzwischen saßen sie nebeneinander und waren beim Betrügen in Arbeiten und Tests ein eingespieltes Team. Als Gina nach Hause kam, schmiss sie ihre Tasche in die Ecke und sah sich um. Kakashi war nirgends zu sehen, aber der Fernseher lief, also konnte er nicht weit sein. Vielleicht zog er sich gerade um oder so. Gina ging in die Küche und fingerte ein Paket mit Nudeln aus dem Schrank. Gina liebte diese Dinger, es war zwar ein Fertiggericht, aber die Pilzsoße darüber war einfach nur klasse. Sie wandte sich dem Herd zu und holte einen Topf raus. Und als Gina in ein Topf sah, saß in diesem eine gigantische Spinne. »ARGH!«, schrie das Mädchen auf, ließ den Topf scheppernd fallen und rannte wie gestochen ins Bad, um ein Handtuch oder sowas zu holen, irgendwas, womit sie die Spinne eben da rausholen konnte. Gina hatte furchtbare Angst vor Spinnen - sie wusste nicht wieso, aber die Panik schnürte ihr die Kehle zu. Gina rannte ins Badezimmer - und Kakashi stand gerade in der Dusche. »ARGH!«, schrie sie zum zweiten Mal und rannte wieder raus, knallte die Tür zu und wurde feuerrot. »Tut mir leid!«, rief sie ins Bad, »Aber die Spinne...« Es herrschte einige Sekunden Stille, auch Kakashi schien verlegen, dann aber hörte man ihn wieder. »Spinne?« »Im Kochtopf!«, rief Gina wieder, »Ein riesiges Vieh!« Die Tür ging auf und Kakashi trat hinter sie. Er trug nur eine Hose und das Handtuch hing noch um seine Schultern. »Du hast Angst vor Spinnen?« »Bitte mach sie weg!«, wimmerte Gina. Kakashi seufzte, ging zum Kochtopf, nahm das Tierchen auf die Hand und setzte esdraußen ins nächste Gebüsch. Gina war noch immer knallrot und starrte auf den Boden. »Ähm... Sorry, wenn ich dich in deiner... Privatsphäre gestört habe...«, murmelte sie, aber Kakashi grinste nur und ging sich sein Oberteil anziehen. Am nächsten Tag machte sich Gina nach der Schule erstmal auf den Weg zur Bank, denn sie hatte eine Vermutung, die sich bestätigte. »Kakashi!«, rief sie, als sie die Tür öffnete. Zu ihrer Erleichterung duschte Kakashi heute nicht sondern kochte gerade Reis. »Hm?«, machte er und drehte sich zu ihr um. »Shoppiiiiing! Meine Eltern haben mir wieder Geld geschickt - und viel mehr als sonst! Ihr Thema muss gut laufen.« »Schön«, meinte er ehrlich, konnte sich aber nicht vorstellen, worauf Gina hinauswollte. »Wir gehen heute shoppen!« »Aber was willst du denn kaufen?« »Muss man denn immer einen Einkaufszettel haben, um shoppen zu gehen?«, fragte Gina missmutig. »Frauen...«, murmelte Kakashi, tat den Reis auf, kippte die Soße drüber und servierte. Beim Essen schaute Kakashi Gina an. »Du, sag mal... Kann man hier auch irgendwie trainieren?«, meinte er langsam, »Ich hab das Gefühl, zu zerfallen.« »Stimmt«, bestätigte Gina und nickte, »Du hast ja immer Aufträge gemacht und jetzt tust du gar nichtsmehr... Hm... Wir haben ein Fitnessstudio in der Stadt, da kannst du ja immer Vormittags hin, wenn ich in der Schule bin.« »Geht das?« »Klaro! Du kannst hin wann du willst. Und teuer ist es auch nicht.« Nachdem sie gegessen hatten, schleppte Gina Kakashi in die Innenstadt. Dort gab es reihenweise Geschäfte, mit Klamotten, Videospielen, Spielzeug und sonstigem Krimskrams. Kakashi sah sich ein Waffengeschäft an und war total begeistert von einem Katana, während Gina in Kleinkramläden herumstöberte. Sie fand ein Paket mit blauen Schweißbändern und kaufte es für Kakashi, da sie ideal für sein baldiges Training waren und für sich entdeckte sie ein hübsches kleines Armband. Als sie zu Kakashi zurückfand, stand dieser immernoch vor dem Katana im Schaufenster. Gina gab ihm ein Softeis, was sie mitgebracht hatte, aß ihres daraufhin und beschloss, ihm das Katana zum Geburtstag zu schenken. Gemeinsam liefen sie durch die Stadt und machten im nahegelegenen Park halt. Dort setzten sie sich auf die Bank, aßen auf und fütterten einige Tauben mit den Krümeln der Eiswaffeln. Die Sonne wurde orange und es dämmerte bereits, als Gina sich zurücklehnte und Kakashi ansah. »Du bist jetzt schon ziemlich lange bei mir...«, meinte sie, »Meinst du, du findest einen Weg zurück in deine Zeit?« »Ich weiß es nicht...«, sagte Kakashi, »Vielleicht habe ich eine Aufgabe hier und kann erst zurück, wenn ich sie erfüllt habe.« Gina sah ihm in die Augen und Kakashi erwiederte ihren tiefen Blick. »Würdest du gehen?«, fragte sie. »Würdest du mitkommen?«, erwiederte er. Sie sahen sich eine Zeit lang an und Gina verstand in diesem Moment, dass sie alles für ihn tun würde. Und trotzdem besannen sie sich und gingen gemeinsam nach Hause, ohne weiter darüber zu reden. Denn sie beide wussten, dass sie sich irgendwann sowieso trennen müssten. Als das Wochenende anbrach, schlief Gina am Samstag erstmal ordentlich aus. Das frühe Aufstehen tat ihr gar nicht gut. Kakashi war zwar längst wach, weckte sie aber nicht und machte Frühstück. Er stand gerade vor dem Tisch als es klingelte. Neugierig stellte er sich vor die Tür und schaute durch das Loch - und sein Herz blieb stehen, als Ginas Eltern vor der Tür standen. Er kannte sie von den Fotos, die im Haus hingen und war völlig verzweifelt. Geistesgegenwärtig versteckte er das Frühstück und rannte dann ins Schlafzimmer. »Gina!«, rief er, »Deine Eltern sind da!« »Was?!«, Gina erschrak zu Tode und saß kerzengerade im Bett. »Was soll ich machen?« Sie sprang auf und zog sich ihren Morgenmantel über. »Versteck alles, was auf zwei Personen hindeutet und dann ab in meinen Wandschrank, bis ich dich hole!« »Okay...«, meinte er resigniert und begann mit dem Räumen. Gina ging an die Tür und öffnete sie. »Hallo Gina!«, rief ihre Mutter vergnügt und presste sie ansich, »Schön dich zu sehen!« »Hallo, mein Schatz«, meinte ihr Vater und küsste sie auf die Stirn, »Wie geht es dir?« »Gut«, meinte Gina, »Ihr habt mir gefehlt.« »Du uns auch, Schatz... Du weißt, dass diese blöde Arbeit uns so einspannt.« »Schon okay... Setzt euch, ich muss noch kurz wo hin und was erledigen.« Gina stürmte ins Schlafzimmer und zog sich schnell an, dann trug sie alles, was darauf schließen ließ, dass sie dort geschlafen hatte, in ihr Zimmer und steckte es in den Wandschrank, nachdem sie Kakashi dort rausgeholt hatte. »Was soll ich machen?«, flüsterte Kakashi ihr zu. »Überlass das mir. Ich locke meine Eltern jetzt in mein Schlafzimmer und du schleichst dich dann raus, okay?« »Okay.« »Du wartest dann draußen auf mich.« »Okay.« Gina lief ins Schlafzimmer. »Mama, Papa? Kommt mal her, ich hab mir was überlegt!« So begann Gina im Schlafzimmer Ausführungen über die Wandfarbe und eine eventuelle Umdekorierungsidee, währenddessen sich Kakashi aus dem Haus schlich. Als Gina das Haus verließ, zerrte sie Kakashi schnell hinter sich her. »Schnell weg!« »Aber wo soll ich denn hin, Gina?« »Ich bringe dich zu Rico.« Gottseidank hatte er Gina schonmal zum Geburtstag eingeladen, sodass sie wusste, wo er wohnt. Es war auch nicht sonderlich weit von ihrem Wohnblock, vielleicht ein Fußmarsch von fünfzehn Minuten. Er wohnte am Rande der Innenstadt, aber seine Eltern hatten ein eigenes Haus. Gina klingelte und Rico selbst kam heraus, was Gina viel Zeit ersparte. »Hallo Gina!«, freute sich Rico. »Du Rico, kannst du mir einen Gefallen tun? Kann Kakashi eine Weile bei dir bleiben? Meine Eltern sind plötzlich auf Besuch da.« »Oh«, meinte Rico und grinste, »Kein Problem. Ich erzähl meinen Eltern er ist zu Hause rausgeflogen... Die haben ja immer so viel Mitleid. Ruf mich aber an und sag mir, wie lange.« »Alles klar. Danke Rico.« Etwas hilfesuchend sah Kakashi Gina an. »Tut mir leid, dass ich dich abschieben muss... Ich bringe dir Klamotten, falls es länger wird, okay?«, meinte Gina und lächelte ihn aufmunternd an. »Ja...«, sagte Kakashi, »Viel Spaß mit deinen Eltern.« »Danke.« Als Gina zurückging, kaufte sie in der Stadt noch einen Kuchen in der Bäckerei. Immerhin musste ihr plötzliches Verschwinden ja erklärt werden. Gina fühlte sich einsam. Es war das erste Mal seit langem, dass Kakashi wirklich weg war. Sie verstand nicht wieso, aber bereits jetzt, wo sie wusste, dass sie ihn nur ein- oder zwei Wochen nicht sehen würde, kribbelte es in ihrer Nase und sie fühlte sich, als hätte sie alles verloren. >Was soll das nur werden...<, dachte Gina, >...wenn er wirklich weg ist...?< Trotzdem freute sich Gina auf das Zusammensein mit ihren Eltern. Sie mochte die beiden wirklich sehr gern und vermisste sie immer schrecklich, aber Kakashi hatte ihr dort rausgeholfen. Und das ganz unbewusst. Als sie wieder zu Hause war, stellte sie den Kuchen auf den Tisch. »Dafür hättest du doch nicht extra weggehen brauchen!«, meinte ihre Mutter und strich ihr über den Kopf. »Kein Problem, Mama...« Gina verbrachte einen wunderschönen Abend mit ihren Eltern. Es war, als hätte sich ein Wunsch erfüllt. Allerdings ernüchterte es Gina, als sie hörte, dass ihre Eltern übermorgen bereits den nächsten Flug nach Afghanistan antreten würden. Aber wie es eben war und wie Gina sich daran gewöhnt hatte, sah sie ihre Eltern eben nie für lange. So genoss sie die Zeit mit den beiden, ging mit ihnen einmal shoppen und ins Kino und schließlich war dann der Morgen gekommen, an dem sie wieder abreisen mussten. Es war Montag, weswegen Gina und ihre Eltern das Haus etwa zeitgleich verließen. »Pass auf dich auf, meine Süße«, meinte Ginas Mutter und umarmte sie, »Wir kommen so schnell es geht wieder.« »Kein Problem«, sagte Gina und versteckte ihren Missmut wie so oft, »Macht eure Arbeit, ich komme ja klar.« »Bis bald, mein großes Mädchen«, sagte ihr Vater noch und Gina schaute den beiden hinterher und spürte wieder diese Leere - aber sie war nicht halb so schlimm wie damals, bevor Kakashi bei ihr war... Und das baute sie auf. Kapitel 10: Ein großer Verlust ------------------------------ Als Gina an diesem Tag von der Schule zurück war, wartete Kakashi bereits in der Wohnung. »Hi!«, rief Gina, als sie ihn sah und umarmte ihn kurz, »Wie war's bei Rico?« »Eigentlich gut«, sagte Kakashi ehrlich, »Am Ende haben wir uns gut verstanden.« »Das freut mich... Meine Eltern müssten jetzt bald landen.« Gegen Nachmittag klingelte das Telefon. »Ich geh' schon ran!«, rief Gina aus dem Badezimmer und nahm den Hörer ab. »Ja?«, fragte sie. Kakashi war zu dieser Zeit im Kinderzimmer und räumte seine Klamotten wieder aus. Er hörte, wie der Telefonhörer zu Boden knallte und daraufhin einen weiteren, dumpfen Knall. Und dann schrie Gina. Sie schrie so laut und weinerlich, dass Kakashi beinahe das Herz stehenblieb. Er rannte um die Ecke und fand Gina vor dem Telefon sitzend vor, er rutschte auf den Knien zu ihr und legte seinen Arm um sie. »W-Was ist passiert?«, stammelte er und drückte sie fester, aber Gina bekam kein Wort heraus. Kakashi sah zum Telefon und nahm es ans Ohr. Die Verbindung schnarrte, der Display war gebrochen, aber es funktionierte noch. »Hallo?«, keuchte er atemlos in den Hörer, »Was ist passiert?« Und da sagte man ihm, dass das Flugzeug abgestürzt war und die Leichen von Ginas Eltern bereits geborgen wurden. Es regnete und einige Blitze zuckten über den Himmel. Gina hatte sich seit dem Anruf nicht bewegt. Noch immer hockte sie stumm am Boden, das zerborstene, schnurlose Telefon neben sich, geräuschlos aber unaufhörlich weinend. Kakashi saß auf dem Sofa und beobachtete sie. Er hatte keine Ahnung, wie er sie jetzt trösten sollte. Er selbst war vollkommed geschockt von dieser Nachricht. Nie im Leben hätten die beiden mit soetwas gerechnet... Die arme Gina. »Gina...«, begann Kakashi und stand langsam auf. Das Mädchen sagte kein Wort, bewegte sich nicht und zwinkerte auch kaum. Erst als er sich zu ihr kniete und eine Hand auf ihre Schulter legte, brach das Eis und Gina begann zu schluchzen. Kakashi fühlte sich hilflos mit dieser Situation, aber wie hilflos musste sich erst Gina fühlen? Kakashi erinnerte sich daran, wie Inari um seinen Vater getrauert hatte - noch lange Zeit nach dessen Tod - und seufzte innerlich. »Gina...«, wiederholte er, aber diese weinte nur und sah ihn nicht an. Kakashi schob einen Arm unter Ginas Beine und hob sie hoch. Er trug das Mädchen zum Sofa und legte sie dort hin, setzte sich dann vor sie und sah sie an. »Bitte...«, begann Kakashi, »Hör mir zu.« Ginas Schluchzen wurde leiser und sie sah ihn an. Dicke, feuerrote Ränder hatten sich unter ihren Augen gebildet und das Blau ihrer Iris leuchtete heller als jemals zuvor. »Es tut mir leid... Ehrlich. Aber du musst dich jetzt beruhigen und versuchen zu schlafen.« »I-ich...«, stammelte Gina, »...kann nicht...« »Doch, du kannst. Ich koche dir jetzt einen Tee, und wenn du den getrunken hast, wirst du schlafen.« »I-ich k-kann n-nicht i-i-in... d-dieses Zimmer!« »Du schläfst in deinem Zimmer und ich schlafe hier.« Kakashi stand auf und ging ins Bad. Er durchwühlte den Medizinschrank, der gleichzeitig ein kleiner Spiegel war nach irgendetwas, was Gina helfen würde. Er fand eine kleine Flasche mit Baldrian und überflog den Beipackzettel. Das war das, was er suchte. Kakashi kochte den Tee auf und mischte etwas von der Flüssigkeit in den Tee. Noch immer hörte er Ginas unterdrücktes Schluchzen und es tat ihm in der Seele weh, das zu hören. Da Küche und Wohnzimmer ein Raum waren, musste er nicht weit gehen, um ihr den Tee auf den Tisch zu stellen. »D-danke...«, murmelte Gina und trank. Sie ahnte, dass Kakashi etwas hineingetan hatte, sagte aber nichts. Sie vertraute ihm und wusste, dass es gut für sie sein musste. Bereits kurz nachdem sie ausgetrunken hatte nahm die Müdigkeit Einzug und Gina fielen die Augen zu. Kakashi stand gerade vor ihr und überlegte, was er nun machen sollte. Es war zu früh, um schlafen zu gehen. Also setzte er sich neben Gina auf das Sofa (sie hatte sich zusammengekrümmt und so hatte er Platz) und schaltete den Fernseher an. Er konnte sich nicht auf das Programm konzentrieren, weil ihm zu viel durch den Kopf ging. Eher gedankenversunken stierte er in den Bildschirm und ließ den Film an sich vorbeirauschen wie ein Auto. Trotzdem verging die Zeit weiter wie gewohnt. Kakashi war es gewöhnt, dass Leute starben - er selbst hatte viele getötet. Aber Gina war kein Ninja und es dementsprechend auch nicht gewöhnt, Leute oder Kameraden zu verlieren. Und dann noch ihre Eltern. Als sich der Zeiger der Elf zuwandte, stand Kakashi auf, holte eine Decke und legte sie über das Mädchen. Sie jetzt zu wecken erschien ihm sinnlos, jetzt, da sie gerade Ruhe gefunden hatte. So verzog er sich in Ginas Zimmer, zog dann Schlaf-Shirt und Shorts an und legte sich ins Bett. Er starrte den Schrank an und dachte nach, bekam aber nach über einer Stunde noch immer kein Auge zu. Er sorgte sich um Gina - eigentlich tat er das immer, aber jetzt viel mehr -, um ihre Gesundheit und ihren Zustand. Kakashi drehte sich mit dem Gesicht zur Wand und dachte nach. Dann hörte er, wie jemand über den Flur trat. Die Tür öffnete sich knarrend und Gina stand darin. Kakashi sah auf und ihre Blicke trafen sich. »Kann ich... bei dir schlafen...?«, fragte Gina mit matter Stimme. Innerlich seufzte Kakashi. Ihre Unruhe ließ sie nicht schlafen. Auf dem Sofa hatte sie gezuckt und das Gesicht verzogen, so als würde sie sich gegen etwas wehren. Kakashi »Natürlich, komm her.« Sagte er tief und drehte sich auf die Seite, rückte etwas mehr ans Ende des Bettes. Sie legte sich schweigend hin und Kakashi deckte sie mit der Decke zu. Gina lehnte die Stirn an seine Brust und schloss die Augen. Sie schwieg und er hörte nur ihren unregelmäßigen Atem. Es ging ihr schlecht, das war logisch, aber man sah es auch an leichten Augenringen und verbitterten Zügen, die Kakashi an Zabuza erinnerten. Sie tat ihm leid, aber er konnte nichts für sie tun. Aber vielleicht konnte er einfach nur bei ihr sein. Langsam legte er einen Arm um sie und ließ diesen auf ihrem Rücken ruhen. »...Versuch ein noch Bisschen zu schlafen... Es wird dir sicher gut tun.«, meinte er leise, »Wenn irgendetwas ist, weck' mich.« Gina sagte eine Weile nichts. »...Bleib hier, Kakashi... Bitte...« Wie aus Reflex zog Kakashi sie dichter zu sich und Gina klammerte sich mit einer Hand an sein Oberteil. »...Ich bleibe hier. Versprochen.« Und dann gab er ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. Ihr Atem wurde sehr bald ruhig und gleichmäßig und auch Kakashi erlaubte sich nun, zu schlafen. Wenn Menschen leiden, dann leiden sie richtig. Gina nahm ab und aß die nächste Zeit lang kaum etwas. Kakashi musste sie zwingen, wenigstens irgendetwas zusich zu nehmen und beschränkte sich dabei immer auf Dinge mit viel Kohlenhydraten und Energie, damit ihr Körper keinen Schaden davon nehmen würde. Als Ninja hatte er gelernt, energiereich zu essen und das kam ihm nun wieder mal zugute. Das, was ihren Zustand eigentlich so schlimm machte, war die Tatsache, ihre Eltern beerdigt werden mussten. Zwar zahlte dies der Staat, aber die Zeremonie war schmerzhaft genug für Gina. Und da sie kein eigenes Geld verdiente, konnte sie die Wohnung nicht halten - und sollte in ein Jugendheim ziehen. Nach langem Diskutieren schafften Gina und Kakashi es, dieses Unglück abzuwenden; Kakashi war alt genug und musste sich Arbeit suchen. Dann konnten sie sich als Paar ausgeben und von Kakashis Geld weiter in der Wohnung leben. Wahrhaft schwierig war es für Kakashi, Arbeit zu suchen und sich gleichzeitig um Gina zu kümmern, die nicht mehr zur Schule ging. Verübeln konnte Kakashi es ihr nicht und Rico war ein wahrer Freund, denn er brachte ihr den Unterrichtsstoff, den er mithilfe von Blaupapier für sie mit abschrieb, erklärte ihr die Themen und half, wo es nur irgendwie ging. In einer ruhigen Minute, in der Rico und Kakashi allein waren, sah er den Silberhaarigen an. »Bitte tröste sie und pass gut auf sie auf«, meinte Rico nur und sah ihm in die Augen. Kakashi verstand diese Anspielung und wollte dagegen reden - »Wir sind nicht zusammen« - aber dann sah er Gina wieder aus Bad kommen, eine Welle von Einsamkeit und Trauer um sich herum aufgebaut wie eine Mauer und war sich nicht mehr so sicher, ob er das wirklich so meinte. In dieser Zeit bemerkte und verstand Kakashi, dass er alles für Gina tun würde. Und für Gina war er nichtmehr gern gesehen und erwünscht, sondern lebensnotwendig. Kapitel 11: Gedanken -------------------- Die Zeit nimmt keine Rücksicht und läuft weiter. Innerhalb von drei Wochen änderte sich nicht viel, nach vier Wochen hatte Kakashi einen Job als Lagerist gefunden und auch Gina bewegte sich nun wieder zur Schule. Durch Ricos Hilfe gelang es ihr, den Einstieg relativ schnell wieder zu finden. Auch ihre Laune hatte sich wieder etwas gebessert. Nach acht Wochen hatte sie sich schließlich soweit wieder gefangen, dass sie größtenteils wieder normal war - außer, wenn sie an das Unglück erinnert wurde oder in ruhigen Minuten, die Kakashi ihr möglichst nicht gab. In der neunten Woche begann er endlich mit dem Fitnessstudio und nahm Gina zumeist mit. Sie sah ihm zu, wie er Hanteln stämmte und seine Muskeln anderweitig trainierte und das brachte sie auf andere Gedanken. Es fiel Gina leichter, mit dem Tod ihrer Eltern umzugehen, da sie auch so nie zu Hause gewesen waren. Nur dieser Schock saß ihr so tief in den Knochen, dass es dauern würde. Aber sie hatte ihre Fassung inzwischen größtenteils wiedererlangt. Sogar Birgitt und Trine hatten Gina in dieser Zeit in Ruhe gelassen. Sie hatten davon erfahren und sich zurückgehalten. Erst jetzt begannen sie wieder, Gina dann und wann zu schikanieren. Birgitt, die inzwischen einen Freund hatte - Carl, den größten Mistkerl der ganzen Stadt - versuchte ihr Glück noch weitere drei Mal bei Kakashi, blitzte aber jedes Mal ab und gab es schließlich auf. Gina fürchtete nichts. Das, was Kakashi und sie verband, war so stark, dass es nichts gab, was dazwischen funken könnte. Das wussten beide. Der Sommer endete, der September war angebrochen. Kakashi und Gina liefen wieder mal durch den Stadtpark, was sie neuerdings immer öfter taten. Ihn hatten die beiden allein entdeckt und nur für sich. Auf ihrer Stammbank sitzend beobachteten sie die Tauben und die Kinder, die mit ihren Hunden Gassi gingen. »Wir müssen uns irgendwann auch mal einen Hund holen«, meinte Gina. »Einen Hund?«, Kakashi musste an seine Kuchiyose denken, »Er kann Pakkun heißen.« »Ja«, meinte Gina und lachte, »Das kann er. Wenn ich auch arbeiten gebe und wir mehr Geld haben, holen wir uns einen Hund.« Kakashi sah sie einige Zeit lang an, bis sie ihn bemerkte und zurückblickte. »Schön, dass du wieder lachen kannst...«, sagte er dann ehrlich und sah sie an, »Ich hatte schon Angst, du wirst nie wieder so wie früher.« »Das hab ich dir zu verdanken.« »Nein, du bist sehr stark«, sagte Kakashi, »Als Obito und Minato gestorben sind, ging es mir ähnlich wie dir.« Gina sah ihn an und lächelte dann. »Danke, Kakashi-Kun.« Sie machten sich auf den Rückweg, denn es dämmerte bereits. Die Tage wurden inzwischen kürzer und es wurde schneller dunkel. Auf dem Weg blieb Kakashi stehen. »Warte mal«, sagte er und fingerte in ihrem roten Haar herum, »Da hat sich was verfangen.« Gina drehte sich um und erspähte ein kleines, dünnes Spinnennetz. »Ih... Gottseidank war da keine Spinne mehr drin...« Ein Lachen ertönte und Kakashi und Gina fuhren herum. Eine alte Frau mit einem Großspitz an der Leine stand vor ihnen. »Das ist das Netz der Baldachinspinne«, erzählte sie lächelnd, »Die fliegen mit den Netzen durch die Luft. Man nennt das Altweibersommer.« »Altweiber-was?«, fragte Kakashi. Die Frau lachte abermals. »Im Volksglauben hat man gesagt, wenn sich das Netz im Haar eines Mädchens verfängt, wird es bald heiraten.« Lächelnd ging die Frau an ihnen vorbei, ihr Hund folgte ihr. Gina wurde rot und Kakashi sagte lieber gar nichts. Mitte des Herbstes fand eine große Manga-Convention statt, auf die Gina unbedingt gehen wollte. »Cosplay!«, rief sie schon tagelang vorher vor Freude und überlegte sich, als was sie gehen wollte. Bei Kakashi war die Wahl nicht sonderlich schwer. »Du gehst als Kakashi!« »Wenn du meinst...« Nach einigem Hin und Her entschied sich Gina schließlich für Gaara. Ihre kurzen, roten Haare passten zu ihm und es fehlte nurnoch die Kürbisflasche, die sie mit Kakashi aus Pappe bastelte. Als der Tag gekommen war, zeichnete Kakashi ihr mit Tusche das Kanji 'Ai' - Liebe - auf die Stirn. Die erste Zeit schämte sich Kakashi etwas auf der Versammlung, denn dauernd kamen Jugendliche und Kinder zu ihm, die ihm erzählten, wie toll er verkleidet war und das er wirklich so aussah wie der echte Kakashi und ihn baten, in ihr 'Con-Hon' zu malen und Andere blieben gleich entgeistert stehen und starrten ihn an. Aber als er sich daran gewöhnt und Gina ihm mehrere Male versichert hatte, dass ihm hier überhaupt nichts passieren konnte, entspannte der Mann sich und verbrachte mit Gina einen wunderschönen Tag. Das Mädchen konnte sich nicht verkneifen, ein kleines Kakashi-Plüschtier zu erwerben, wovon er in Person gar nicht begeistert war. »Das sieht so... knuddelig aus!«, beschwerte er sich, inzwischen wieder auf den Rückweg und Gina grinste diabolisch. Aber Kakashi war alles recht, denn Gina hatte ihre Laune und ihren Charakter wiedererlangt. Kakashis Arbeitszeiten richteten sich - zum Glück beider - größtenteils nach Ginas Schulzeiten. Sie waren meist beide gegen Nachmittag zu Hause und das Geld reichte zwar nicht für besonderen Luxus aber allemal zum Leben und zum Spaß haben, denn auch von dem Vermögen ihrer Eltern, was Gina jeden Monat auf ihr Konto überwiesen bekomme hatte, war noch etwas übrig. Das wirkliche Erbe sah höher aus, aber dieses durfte Gina erst mit 18 Jahren antreten. An diesem Tag hatte Gina keine Lust, mit Kakashi ins Fitnessstudio zu gehen.Er selbst war überglücklich mit dieser Tätigkeit - seine Arme waren inzwischen fast doppelt so breit wie noch damals als Ninja auch auch seine Kraft und Ausdauer hatte sich extrem gebessert, was ihm bei seinem Beruf sehr hilfreich war. »Dann gehe ich derweile spazieren.« »Bist du sicher?«, fragte Kakashi sie besorgt. Allein sein war nicht gut - jedenfalls momentan nicht. »Ja, kein Problem«, Gina lächelte ihn an, »Ich muss etwas nachdenken... Trainier du nur schön.« »Alles klar...« Kakashi nahm sein Handtuch und seine Tasche und hob die Hand zum Gruß, bevor er die Tür schloss und verschwand. Gina sah ihm starr nach. Einige Sekunden verstrichen so und dann zog sie sich ihre blaue Fleecejacke über und machte sich auf den Weg in die Innenstadt. Der Himmel war bewölkt und heute dämmerte es bereits, deshalb wollte Gina sich etwas beeilen. Ihre Füße führten sie quer durch die Stadt. An den Geschäften hatte sie heute kein Interesse, ihre Blicke waren auf den Boden gerichtet. Viel ging ihr durch den Kopf. Gina dachte über ihre Eltern nach. Erinnerungen ihrer tiefsten Kindheit kamen an die Oberfläche; ein Besuch im Zoo, das Sitzen auf den Schultern ihres Vaters oder das Schlafen zwischen den beiden im Ehebett nach einem schlechten Traum. All diese Dinge schmerzten Gina unheimlich, denn sie wusste, dass sie das nie wieder haben würde. Sie erinnerte sich daran, wie ihre Eltern sich von ihr verabschiedet hatten, kurz bevor sie starben. Tränen sammelten sich in Ginas Augen und sie sah auf, um sich abzulenken. Ihr Unterbewusstsein hatte sie in diese heruntergekommene Gegend etwas abseits der Stadt gebracht. Oft kam Gina dann hierher, wenn es auch in ihrem Innern trostlos aussah. Sie erspähte die Gasse, in der sie Kakashi gefunden hatte und dies war ihr Ziel. Gina drückte sich zwischen den Papkartons und Mülltonnen durch, die noch schlimmer stanken als beim letzten Mal und blieb an ungefähr der Stelle stehen, wo Kakashis Körper gesessen hatte. Ihre Augen erspähten nichts von Interesse - kein Tor, kein Schlüssel, keine Lichtkugel oder mysteriöse Strahlen - es war einfach eine ganz normale Gasse. >Was habe ich überhaupt erwartet?<, fragte Gina sich in Gedanken. Sie sah auf die Uhr und bemerkte, dass sie schon recht lange unterwegs war. Sie wollte sich langsam auf den Rückweg machen, damit Kakashi sich nicht sorgen würde. Gina machte kehrt und durchquerte eine andere Gasse als Abkürzung. »Wen haben wir denn hier?«, fragte plötzlich eine raue Stimme und Gina fuhr herum. Kapitel 12: Vertrauen --------------------- Hinter ihr, am Anfang der engen Gasse, standen zwei Kerle von etwa Kakashis Alter. Ihr Gesichtsausdruck und ihre Klamotten verrieten nichts Gutes. Gina fuhr herum, um abzuhauen, aber da kam bereits ein weiterer Kerl aus der anderen Ecke und Gina schluckte schwer. Es war Carl - Birgitts Freund und der größte Mistkerl weit und breit. Er klaute, soff, nahm Drogen, hing den ganzen Tag in Clubs ab, nahm jedes Mädchen und war als übler Schläger verschrien. Gina wich seitlich mit dem Rücken an die Wand. »Was wollt ihr?«, keuchte sie. »Hm... Kommt drauf an, was du zu bieten hast!«, meinte Carl und lachte, seine Freunde ebenfalls. Gina bezweifelte, dass er überhaupt wusste, dass sie Birgitts Erzfeinding war... Wahrscheinlich kannte er nichtmal Birgitts Nachnamen. »Ein bisschen Geld vielleicht?«, witzelte der eine. »Oder ein körperlicher Dienst?«, meinte ein anderer der Typen und trat auf Gina zu. Er stand nun vor ihr und grinste sie an. Instinktiv zog Gina ihr Knie hoch und traf ihn damit voll zwischen die Beine. Er sackte zusammen und sie rannte, so schnell sie ihre Beine trugen. Hier kannte sie sich nicht besonders aus und so fiel es ihr schwer, ein Versteck oder Ähnliches zu finden. Sie nahm Kurs Richtung Innenstadt, denn dort liefen auch um diese Uhrzeit noch viele Leute herum. Und da konnten Carl und seine Kumpels sich keinen Fehltritt leisten. »Bleib stehen, du verdammtes Miststück!«, kreischte Carl, hinter ihr und holte immer mehr auf. Gina sprang vor Verzweiflung quer über eine Abfalltonne und befand sich nun auf einer verlassenen, hinterhofartigen Deponie, wo Anwohner scheinbar ihre Mülltonnen lagerten. Panisch sah sich das Mädchen um und wollte gerade eine Richtung einschlagen, als man sie grob packte und gegen eine der Stahltonnen schleuderte. Durch den Ruck knallte sie mit dem Hinterkopf dagegen und sank hinunter auf den Hosenboden. Der Betonboden war eiskalt unter ihr und sie spürte die nahende Gefahr, aber ihr Kopf dröhnte so furchtbar, dass sie sich nicht bewegen konnte. Gina öffnete die Augen und sah Carl auf sie zukommen. Er kniete sich zu ihr runter, nahm ihren Kragen und zog das Mädchen etwas zu sich. »Hier sind wir ungestört!«, hauchte er ihr zu. Sein Mundgeruch war kaum zum Aushalten und Gina verzog angewidert das Gesicht. »Lass mich in Ruhe...«, murmelte Gina, ihr Kopf tat so unheimlich weh. »Du bist doch freiwillig hierher gekommen.« Das stimmte. Gina hatte sich aus eigenen Stücken in das Revier dieser Idioten begeben. Aber sie hatte ja nicht gewusst, was sich hier herumtreibt. »Was machen wir mit ihr?«, fragte Carls Kumpel. Der, dem Gina zwischen die Beine getreten hatte, war verschwunden. Wahrscheinlich hockte er noch immer mit Schmerzen am Boden, was ihr wenigstens etwas Genugtuung brachte. »Ich würde sagen, wir gucken mal, wieviel Geld sie beisich hat. Und dann könnten wir... na ja, vielleicht noch etwas Spaß mit ihr haben.« Er sah seinen Kumpel an und dieser grinste nur. Gina presste den Rücken an das kalte Metall und kniff die Augen zusammen. Sie unternahm einen letzten Fluchtversuch, indem sie mit den Beinen nach Carl trat, sich dann wegrollte und aufstand, aber schon bevor ihre wackeligen Beine sie trugen, drückte Carl sie wieder hinunter, sodass sie nun mit dem Bauch auf dem Beton landete. »Nicht so schnell, ich war noch nicht fertig!«, knirschte er und steckte seine Hand in eine von Ginas Jeanshosentaschen. Eine grausige Gänsehaut lief ihr über den Rücken. »Zieh ihr die Hose doch gleich aus, Carl!«, meinte sein Kumpel und Carl begann zu grinsen, drehte Gina problemlos auf den Rücken und streckte seine Hand nach dem Knopf und Reißverschluss von Ginas Hose aus. Gina schloss abermals die Augen sie spürte, wie wehrlos sie war. Nichts konnte sie gegen diese Typen tun, sie war nur ein Spielzeug, eine Puppe in den Händen dieser Kerle. Eine Träne rann an ihrer Wange entlang auf den Boden - und zeitgleich erschrak sie durch ein lautes, polterndes Klatschen. Gina öffnete die Augen und sah, wie Carl neben ihr auf den Steinboden knallte. Er schrie, weil er voll auf dem Ellenbogen aufkam und wutentbrannt sah er auf - Gina tat es ihm gleich. Seine Faust noch vom Schlag geballt, mit etwas herunterhängendem Haar vom Duschen stand Kakashi über ihr. Er trug sein schwarzes Trainingsshirt und die gleichfarbige Hose dazu und stierte wütend auf Carl. »Ka...Kakashi...!«, keuchte Gina und spürte eine solche Erleichterung, ein solches Glück und eine solche Freude, ihn zu sehen, dass sie zu weinen begann. Kakashi sah sie an, schob seinen Arm unter ihren Rücken und hob sie hoch, sodass sie sich für einen kurzen Moment ganz nahe waren. Gina empfand in diesem Moment ein Gefühl bedingungsloser Liebe für ihn und schlang ihren Arm um seinen Hals. Kakashi selbst hielt sie nur fest, schweifte mit dem anderen Arm nach hinten aus und traf Carls Kumpel im Gesicht, der gerade auf Kakashi losgegangen war. Er ließ Gina los und sah ihr in die Augen. »Geh in Deckung«, meinte er zu ihr und sein Ton war etwas hart, was ihr im ersten Moment etwas wehtat, aber dann nickte sie und torkelte hinüber an die Wand, ließ sich dort nieder und ergab sich ihren Kopfschmerzen. »Was wollt ihr von ihr?«, fragte Kakashi barsch, aber es klang eher wie ein Befehl. Carl stand auf und streckte den Arm, auf dem er aufgekommen war. Ein lautes Knacken ertönte und er starrte Kakashi in die Augen, der Silberhaarige tat es ihm gleich. Einige Sekunden standen sie nur so da, während Carls Kumpel sich nun auch aufrappelte. »Nun...«, Carl grinste, »Sie ist uns ja förmlich in die Arme gelaufen, die kleine Hure... Und da dachten wir, wir könnten etwas Spaß mit ihr haben.« Kakashis Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Wieso gehst du nicht zu deiner kleinen Hure?«, fragte er zischend, »Deine Birgitt ist bei mir ja nicht gelandet - also hat sie dich genommen.« Ausdruckslos stierten sie sich an, Gina hielt die Luft an. Eine Sekunde später rannten sie aufeinander zu und Fäuste flogen durch die Luft. Der erste Schlag gehörte Carl, aber Kakashi wich ihm aus und trat ihm die Beine weg. Schnell sprang der andere wieder auf und schlug abermals zu, Kakashi fing die Faust ab und traf Carl in die Seite. Jetzt mischte sich Carls Kumpel ein und griff Kakashi von hinten an. Er traf ihn mit einem Streifschlag am Hinterkopf, woraufhin der ehemalige Ninja etwas zur Seite torkelte, sich dann umdrehte und mit einem Fußkick beide niedermähte. Wenn es etwas gab, was Kakashi Hatake konnte, war es kämpfen. Ein Ninja, der nicht kämpfen konnte, starb schon im Alter von zwölf. Jedenfalls dort, wo er herkam. Und das Fitnessstudio hatte ihm auch nicht geschadet. Carl schlug nach Kakashis Weichteilen, aber dieser sprang knapp davon. Ginas Peiniger stand wieder auf und traf Kakashi mit einem Faustschlag in den Magen. Dieser krampfte sich zusammen, kniff die Augen zu und sammelte sich einige Sekunden. Schließlich nahm er den Willen zusammen, diesen Typen zu Brei zu schlagen, richtete sich wieder auf und schlug Carl genau ins Gesicht. Dieser fiel um und hielt sich die Nase, die unaufhörlich zu bluten begann. Sein Kumpel stand vor lauter Angst zwischen den Fronten . »Lass uns abhauen, Mann!«, rief er Carl zu. Dieser überlegte kurz und stand langsam auf. »Das wirst du noch büßen, du Arschloch«, zischte er Kakashi zu und sah dann Gina mit einem abfälligen Blick an, diese hatte aber die Augen inzwischen wieder geschlossen und bekam das nicht mit. »Verpiss dich«, entgegnete Kakashi nur. Carl und sein Sklave erhoben sich und verschwanden schließlich in der Dunkelheit der Gassen. Einige Sekunden verharrte Kakashi an seinem Platz und sah ihnen nach. Vielleicht wollte er sichergehen, dass sie nicht wiederkamen. Dann sah er zu Gina, die vor Kopfschmerzen noch immer gekrümmt an der Wand saß und kniete sich zu ihr. »Hey...«, flüsterte er halb und Gina erkannte eine Zärtlichkeit in seiner Stimme, die sie vorher noch nie bei ihm oder überhaupt jemanden gehört hatte, »Ist alles in Ordnung bei dir?« »Mein Kopf...«, brummte Gina und ließ die Augen geschlossen, »...tut so weh...« »Was ist passiert?« Kakashis Hand tastete Ginas Kopf nach offenen Stellen ab, fand aber nichts. »Bin gegen den... Container geknallt...« »Verstehe...« Kakashi umfasste Gina und hievte sie auf seinen Rücken. »Lass uns nach Hause gehen«, meinte er und Gina legte die Arme über seine Schultern, um sich festzuhalten. Kakashi lief durch die inzwischen dunklen Gassen und es begann zu regnen. Gina legte ihren Kopf seitlich an Kakashis Rücken und presste sich an ihn. Sie weinte wieder und die Tränen liefen ihr über die Wangen. Warum sie weinte wusste sie selbst nicht. Einerseits war es noch die Angst in ihren Knochen, andererseits die Demütigung, dass sie so schwach war und auch war es einfach Erleichterung und Dankbarkeit, dass es Kakashi gab und das er ihr geholfen hatte. »Danke...«, flüsterte sie und drückte sich etwas fester gegen den Mann. Dieser sah nach hinten. »Weinst du?«, fragte er leise. »Nein...«, entgegnete Gina, »...Nur der Regen...<< Kapitel 13: Gefühle ------------------- Mitte des Septembers hatte Kakashi Geburtstag. Gina machte sich einige Tage vorher auf den Weg in die Innenstadt und kaufte das Katana, was Kakashi damals so toll gefunden hatte. Es riss ein ganz schönes Loch in ihr Budget, aber das war es Gina wert. Anschließend kaufte sie ihm noch ein Paar neue Schweißbänder, denn seine waren durch sein Training schon ganz schön zerlumpt. Am Morgen des großen Tages war Gina schon lange vor Kakashi wach. Das sie damals in seinem Bett geschlafen hatte war einmalig gewesen und sie verweilte jetzt auf dem Sofa. Zwar hatte Kakashi sie immer wieder überreden wollen, doch mit ihm zu tauschen, aber schließlich hatte sie sich durchgesetzt. Sie schlief gern auf der Couch. Gina bereitete Frühstück vor und baute das Katana samt Halterung auf dem Tisch in der Mittte auf. Es dauerte schier eine Ewigkeit, bis Kakashi endlich aufstand und aus dem Bad kam. Angezogen war er auch schon, was Gina für praktisch befand, denn sie hatte mit ihm heute etwas vor. »Morgen«, murmelte Kakashi etwas verdutzt und Gina fiel ihm sogleich um den Hals. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!«, rief sie quietschvergnügt. »Ähm... Danke...« »Was ist denn?« »Ah, nichts. Ich bin nur nicht gewöhnt, meinen Geburtstag zu feiern.« »Dann wird es aber Zeit!«, Gina zog Kakashi zum Tisch und seine Augen wurden größer, als er das Katana sah. »Das ist für dich!« »Oh... Danke, Gina!« Kakashi besah das Schwert, zog es aus der Scheide und begutachtete die Klinge, die mit Verzierungen dekoriert war und stellte es zurück auf das dafür angefertigte Gestell. »Das ist wirklich gut verarbeitet«, meinte er fröhlich, »Schade, dass man das in eurer Welt nicht mit herumtragen darf.« »Na ja, das ist eher zum Hinstellen.« »Danke«, sagte er ehrlich und sah sie an. Sie frühstückten und danach begann Gina mit ihrem weiteren Attentat. Da ja Herbst war und der Wind nun stärker wurde, kramte Gina einen Flugdrachen und einen Korb raus. »Wir gehen zur Drachenwiese. Die ist nicht weit von hier.« Kakashi besah sich den Drachen. »Die gab es in meiner Zeit schon.« »Umso besser!« Gina packte einen Picknickkorb zusammen und gemeinsam machten sie sich dann auf den Weg. Es war Samstag und das traf sich gerade gut. Auf der Wiese versuchte Gina einige Male vergeblich, das Ding in die Luft zu bekommen, bis Kakashi aufstand und den Drachen nach oben schleuderte. Da verfing sich der Wind endlich in dem Stoff und brachte ihn in die Luft, wo er mit vielen anderen schwebte. Das Glück wehrte allerdings nicht lang, denn wenige Minuten danach riss plötzlich die Schnur und der Drache verschwand am Herbsthimmel. »Verdammt«, schnaubte Gina, »Die Schnur war schon zu alt...« »Lass uns essen«, beschwichtigte Kakashi sie und so setzten sie sich auf die mitgebrachte Decke und aßen Sandwiches. Trotz des Windes war es ein warmer Herbsttag - zumindest tagsüber - und so blieben sie einige Stunden an dieser Stelle, hörten Radio, was sie ebenfalls mitgebracht hatten, aßen Weintrauben und beobachteten liegend die Wolken. »Unglaublich, dass der Himmel in jeder Zeit der Selbe ist«, meinte Kakashi irgendwann. »Ja...«, bestätigte Gina, »Da hast du Recht.« Der Nachmittag verstrich relativ schnell und nach dem Picknick gingen sie ins Kino. Spannend wie der Film am Anfang geklungen hatte, entpuppte er sich als widerwärtige Liebes-Schnulze der kitschigsten Art. Gina und Kakashi vergaßen ihre Enttäuschung darüber recht schnell und verbrachten die restliche Zeit damit, sich über den Film lustig zu machen, was ihnen einige hasserfüllte Blicke der restlichen Zuschauer einbrachte. Als sie nach Hause gingen war es bereits dunkel und wirklich kalt. Gina, die fror, weil sie die Temperaturen überschätzt und sich falsch gekleidet hatte, bekam Kakashis Jacke um die Schultern gelegt. Protestieren half nicht und so ergab sie sich und kuschelte sich unauffällig etwas hinein. »Versprich mir, dass du von dieser Gegend fernbleibst«, meinte Kakashi irgendwann an einer Ampel zu ihr in Bezug auf die Schlägerei. »Versprochen«, meinte Gina sofort, denn sie selbst hatte nicht vor, jemals wieder einen Fuß dorthin zu setzen. »Gute Nacht«, meinte Kakashi, als er zu Bett ging, »Und danke nochmal.« »Nichts zu danken«, entgegnete Gina und legte sich auf die Couch. Sie zappte noch etwas durch das Fernsehprogramm, aber wie so oft kam nur Müll im Fernsehen, also schaltete sie ab. Noch über die Schlägerei nachdenkend, wurde sie sich ein weiteres Mal darüber bewusst, wie toll und cool Kakashi war und das er sie beschützt hatte. Auch seine Wut über Carls Beleidigung ihr gegenüber war dem Mädchen nicht entgangen. So schlief sie überglücklich ein, nur mit dem leicht bitteren Nachgeschmack, dass Kakashi irgendwann wieder verschwinden würde... Der Traum, der Gina plagte, war grauenhaft. Sie träumte davon, dass sie mit Kakashi in einem Flugzeug säße. Die Atmosspähre, so finster und grau, jagte ihr Angst ein und schließlich stürzte das Flugzeug in ihrem Traum ab. Panisch starrte sie aus dem Fenster und erspähte unlogischerweise den Piloten - und das war Carl, hysterisch lachend mit gebrochener Nase und blutüberströmt. Sie schreckte auf und sah in die Dunkelheit. Augenblicklich schien diese sie zu verschlingen. Schatten und Formen, die Gina normalerweise gewöhnt war - ja, die gar vertraut waren, erschienen ihr nun wie Gefahren. Das Mädchen legte sich hin und schloss die Augen wieder, aber Carl erschien vor ihrem geistigen Auge und lachte so grauenhaft. Gina hatte das Gefühl, dass jemand in der Dunkelheit auf sie zukam und schaute wieder auf. Langsam richtete sie sich auf und selbst, als sie über den Flur lief, drehte sie sich mehrere Male um. Im Bad ging sie aufs Klo und wusch sich dann das Gesicht kalt ab. Der Schweiß auf ihrer Stirn wurde weggespühlt und Gina betrachtete sich im Spiegel. Sie hatte seit dem Tod ihrer Eltern wieder etwas zugenommen, was sie allerdings nur Kakashi zu verdanken hatte, denn er hatte sie sozusagen zum Essen gezwungen. Überhaupt verdankte sie Kakashi so viel... Gina knippste das Licht im Badezimmer wieder aus und trat in den Flur. Jetzt, da sie gerade noch Licht gesehen hatte, erschien ihr die Dunkelheit noch tiefer. In der Wohnzimmertür blieb Gina stehen. Irgendetwas raschelte - sie wusste nicht, ob sie sich das einbildete oder ob da wirklich ein Geräusch war. Kurz überlegte sie und dann machte sie kehrt und nahm Ziel auf ihr eigenes Zimmer. Ihr Blick fiel auf die Tür des Elternschlafzimmers. Seit dem Vorfall hatte Gina die Tür nichtmehr geöffnet - und in so naher Zukunft hatte sie es auch nicht vor. Schließlich drückte sie langsam gegen die angelehnte Tür des Kinderzimmers, die Kakashi, im Falle dass etwas war, nie ganz schloss. Kakashi wachte sofort auf und er sah zur Tür. »Ist was passiert?«, fragte er mit doch leicht müdem Unterton. »Nein... Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe...«, murmelte Gina, »Ich hab... nur schlecht geträumt...« Ohne ein Wort rutschte der Mann ein Stück zurück und hob seine Decke hoch. Wieder fühlte Gina diese Dankbarkeit dafür, dass er sie blind und ohne Worte verstand. Sie legte sich zu ihm und Kakashi deckte das Mädchen wieder zu. »Deine Eltern?«, fragte er dann etwas zögerlich. »Nein...«, meinte sie wieder und schüttelte leicht den Kopf - sie konnte Kakashi in die Augen sehen und er ihr, weil der Vollmond etwas Licht ins Zimmer warf. Die Rolläden ließen das Mondlicht in schmalen Streifen in den Raum gleiten. »Carl... Und das Flugzeug. Wir sind abgestürzt und Carl war der Pilot.« »Ohje...« Kakashi legte einen Arm um Gina und ließ ihn auf ihrer Taille ruhen. Die beiden lagen genau voreinander und noch immer spähte Gina ab und an in Kakashis Augen, die ihr in diesem fahlen Licht so viel tiefgründiger erschienen, als sie es ohnehin schon waren. »Weißt du...«, begann Gina leise und lehnte die Stirn an Kakashis Brust - er trug das dunkelgrüne T-Shirt, was sie ihm mal geschenkt hatte, »Du hast mir sehr geholfen.« »Das war selbstverständlich...« »Nein... Nicht nur wegen... dieser Sache... Ich meine generell. Du hast mir... den Alltag so erleichtert, der mir sonst so schwer gefallen ist.« Kakashi erwiderte nichts und zog sie etwas dichter an sich heran. Gina spürte jetzt seine Wärme an ihrem ganzen Körper, denn vorher hatte sie doch noch mit etwas Scham ein Stück weit von ihm weg gelegen. Jetzt lehnte sie das Gesicht an seinen Oberkörper und schloss die Augen. Gina spürte eine Geborgenheit, die sie noch nie zuvor gekannt hatte. Dieses starke Gefühl war auch an dem Tag schon aufgeflammt, als Kakashi sie vor Carl und seiner Meute beschützt hatte. Und heute fühlte sie es wieder. Gina legte ihren Arm ebenfalls um Kakashi und drängte sich möglichst unauffällig etwas an ihn. Nicht nur, dass sie schüchtern war - Gina wusste, dass Kakashi irgendwann in seine Zeit zurückkehren würde. So unterdrückte sie zum Teil ihre Gefühle, um es Kakashi nicht so schwer zu machen. Da spürte sie, wie Kakashi mit der Hand über ihren Kopf strich und sie so fast automatisch dazu bewegte, ihn anzusehen. Ginas Herz begann schneller zu pochen und es war so laut, dass sie meinte, sogar Kakashi würde es hören. Der Mann sah ihr noch immer in die Augen, aber seine Hand hatte inzwischen den Weg hinunter an ihrer Wange entlang zu ihrem Kinn gefunden. Das Pochen wurde stärker, als Kakashi ihr näher kam. Gina zerbarst fast vor Aufregung und versuchte das Gefühl, welches sie hatte, zu unterdrücken. Trotzdem schloss sie die Augen und Kakashi küsste sie schließlich. Gina erwiederte den Kuss, während in ihrem Innern ein Feuer entflammte, welches sie nicht zu beschreiben vermochte. Diese Nacht genoss Gina so sehr, dass sie am liebsten die Zeit angehalten hätte. Sie spürte Kakashis warme Hand an ihrem Rücken und gegen Morgen erwachte sie langsam, während Kakashi ihr über den Kopf strich. Beide wussten nicht, wie sie sich jetzt dem Anderen gegenüber verhalten sollten und so beschlossen sie unabhängig voneinander im Stillen, so weiterzumachen wie bisher. Kapitel 14: Kein Zurück ----------------------- Der Oktober brach an, ohne das sich irgendetwas verändert hatte. Diesesmal war es Helloween, wozu Gina Kakashi überredete - und so klapperten die beiden nur so zum Spaß als Gespenster verkleidet die Türen der Nachbarschaft ab und erhielten dabei doch eine beachtliche Menge an Süßigkeiten. An einem der Kaugummis erstickte Kakashi fast, da Gina vergessen hatte ihm zu sagen, dass diese extra sauer waren... Zu Ginas großer Freude sollte es weiße Weihnacht geben und es schneite schon eine Woche davor heftig. Kakashi, dem wenigstens das vertraut war, konnte sogar Schlittschuhlaufen und brachte es Gina innerhalb von zwei Tagen erfolgreich bei, was die Bewunderung des Mädchens ihm gegenüber ein weiteres Mal aufflammen ließ. Als Gina es geschafft hatte, Kakashi in eine Schneeballschlacht zu verwickeln und sie ihn voll ins Gesicht traf, lief er mit gesenktem Kopf zum Schutz vor den Bällen auf sie zu und warf sie zu Boden. Beide landeten auf einem schrägen Schneehaufen und Kakashi fing sich kurz über ihr ab, woraufhin sie keine zehn Zentimeter voneinander entfernt waren und sich wieder direkt ansahen. Es war schon immer der Tag der Tage für Gina gewesen, aber es war das erste Weihnachten ohne ihre Eltern, was ihr sichtlich zusetzte. Das Fest, was sie immer mit ihnen zusammen gefeiert hatte, brach an und Gina war allein. Aber Kakashi war ja immerhin auchnoch da... Er schenkte ihr eine Kette mit einem kleinen, silbernen Anhänger daran in Form eines Kanji, dessen Bedeutung er Gina allerdings nicht verriet. Gina, die verwundert darüber war, wieviel Geschmack Kakashi hatte, trug die Kette mit unendlicher Freude und Zufriedenheit. »Eines haben wir noch nicht zusammen gemacht!«, bemerkte Gina irgendwann kurz vor Silvester, »Wir waren noch nie zusammen bowlen!« »Was ist bowlen?«, fragte Kakashi nur etwas ratlos, aber Furcht spürte er vor Ginas Unternehmungen nicht mehr, denn geschadet hatte ihm das noch nie. »Das wirst du schon noch sehen... Such dir Turnschuhe mit heller Sohle und dann kann es losgehen.« Auf der Bowlingbahn sah sich Kakashi schließlich um und zuckte unwillkürlich zusammen, wenn die Kugeln gegen die Kegel knallten. Gina, die das Ziel des Bowlingspiels schnell erklärt hatte, programmierte den Zählcomputer und schnappte sich dann die erste Kugel. Im Normalfall benutzte sie immer die neuner-Kugeln, aber um wenigstens etwas stärker auszusehen nahm sie sich eine Zehn. Mit ganzer Kraft rollte sie die Kugel möglichst mittig über die Bahn, die dann aber wegdriftete und nur zwei der Kegel umhaute. »Die sind aber leicht...«, beschwerte sich Kakashi, als er ebenfalls eine Zehnerkugel hatte, »Da passen ja kaum meine Finger rein!« »Dann nimm' doch eine Schwerere, du Angeber«, meinte Gina künstlich beleidigt und Kakashi nahm eine Fünfzehner, warf und räumte alle mit einem Wurf ab. »Du hast immer so ein Glück...«, knirschte Gina und dachte verbittert an den McDonalds-Besuch. Als sie wieder zurück waren, sahen sie sich noch eine Dokumentation über die Ninjazeit an, die gerade richtig lief. Kakashi sagte nichts und Gina auch nicht, aber das Mädchen spürte förmlich die Wehmut, die Kakashi ausstrahlte. Gina wusste, wie sehr ihm seine Welt fehlte und sie verstand das. Trotzdem tat es ihr weh. Mehr noch, weil Kakashi es vor ihr verbarg um sie nicht traurig zu machen. Und immer, wenn Gina gerade glücklich war - immer, wenn sie unbewusst für einen kurzen Moment dachte, dass es für immer so bleiben könnte, wurde sie irgendwie daran erinnert, dass ihre Zeit begrenzt war. Einige Tage lang war Gina betrübt deswegen, aber mit der Zeit beschloss sie, einfach alles so lange zu genießen wie möglich. Silvester feierten die beiden mit Rico, der sich über die Einladung unglaublich freute. Er brachte eine Flasche Wodka und Absinth mit, der Gina fast die Eingeweide aus dem Leib brannte. »Ich steig' aus«, meinte sie nach zwei Gläsern, aber Rico und Kakashi vergnügten sich weiter mit dem Wodka. Kakashi, der selten trank und wenn auch nur Sake gewöhnt war, konnte die Stärke der besagten Getränke nicht wirklich abschätzen. Zwar hatte Gina ihn vorher gewarnt, so wurde es ihm kurz nach dem Feuerwerk doch ziemlich schwummerig. Kurz nach eins begann er dann mitten beim Sprechen zu schnarchen, was Gina dann doch veranlasste, ihn ins Bett zu schicken. Sie und Rico blieben noch eine Weile zusammen sitzen und Gina nutzte die bestehende Gelegenheit, um sich bei ihm für alles, was er für sie getan hatte, zu bedanken. Rico, der auch nicht schlecht angeheitert war, nuschelte ein verschämtes "Keine Ursache", bevor auch er beachtlich torkelnd den Heimweg antrat. Kakashi blieb den kompletten nächsten Tag mit brummendem Schädel im Bett liegen und war heilfroh, dass sein Urlaub noch nicht zuende war. Es war ein Streit - ein dummer Streit um Kleinigkeiten, der die Idylle trügte. Gina war traurig und wütend auf sich selbst, da sie es nicht schaffte, dauerhaft ihre Angst zu unterdrücken. Zwar hatte sie sich vorgenommen, nichtmehr daran zu denken, was in der Zukunft geschehen könnte, so gelang es ihr doch nicht. Kakashi, der die Grenze nicht sah und sich mit seinen gutgemeinten Fragen einen Schritt zu weit nach vorn wagte, ließ Gina die Beherrschung verlieren. Sie fuhr ihn an und verließ dann die Wohnung, um nachzudenken. Das schlechte Gewissen folgte ihr sofort und sogleich fand sie sich in einer Situation wieder, die ihr bisher unbekannt gewesen war. Gina ließ die Hände in den Taschen verschwinden und sah zu Boden. Der Streit war ihre Schuld gewesen und das wusste sie. Sie war schwach und ärgerte sich darüber so sehr, dass sie ungewollt Kakashi die Schuld gegeben hatte. Dabei hatte der sie immer unterstützt und ihr oft sehr geholfen. Tränen sammelten sich in Ginas Augen und sie blieb stehen. Wie sollte sie sich bei ihm entschuldigen? Sie erinnerte sich an seinen Gesichtsausdruck. Er schien wirklich gekränkt gewesen zu sein... Eine Weile flogen Ginas Gedanken noch über das gemeinsame Leben mit Kakashi her, ehe sie sich abwandten und zu ihren Eltern glitten. Auch Rico kam ihr in den Sinn, auch er hatte ihr so oft geholfen. Sie seufzte und kam sich plötzlich wie ein Egoist vor, was ihr schmerzhaft auf den Magen drückte. Abermals verließ ein Seufzen Ginas Mund und sie schaute in den Himmel. Es dämmerte bereits und sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie wohl schon drei Stunden unterwegs sein musste. Das Mädchen machte kehrt und nahm wieder Ziel auf ihre Wohnung. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ein Gespräch mit Kakashi anfangen sollte, aber abends hier zu sein schien ihr nicht geheuer. Und als hätte Gina es in ihrem Innern geahnt, kam ihr nach einigen Minuten, in denen es wieder dunkler geworden war, eine kleine Gruppe hochgewachsener Männer entgegen. Sie fühlte Unsicherheit, beherrschte sich aber, einfach an ihnen vorbeizugehen. Aber sie war noch nicht ganz vor ihnen, da erkannte das rothaarige Mädchen Carl und seine Meute. ...Als Gina zusich kam, war sie desorientiert und verwirrt. Ihr Herz schlug panisch, als sie bemerkte, dass man sie an einen Stuhl gefesselt hatte. Ihr Nacken schmerzte höllisch. Durch das blutige Pulsieren ihrer Schläfen versuchte sie, eine Erinnerung zu finden. Was war geschehen? Ihre Gedanken blieben an der Szene, wo sie Carl und co. gegenüberstand stecken und wollten nicht weiter. Ihr Kopf hämmerte stärker. Gina sah sich um. Sie befand sich in einer überaus großen Halle, die sie leicht als alte Autowerkstadt identifizieren konnte, was ausgeschlachtete Karossen, Ölfässer und Werkzeugkästen unterstrichen. Sie hörte jemanden etwas rufen und erkannte Carls Stimme, der sich einige Meter von ihr weg befand. Als sie ihn erspähte und er sich zu ihr wandte, schloss sie schnell die Augen, ließ den Kopf sinken und tat so, als sei sie noch ohnmächtig. Nachdem seine kühle Stimme in ihr Ohr gelangt war, hatte auch die Erinnerung wieder den Weg zurück in ihren Geist gefunden. Es war nur ein kurzer Moment, den sie vergessen hatte; ein kurzes Gespräch, eine Beleidigung, ein dumpfer Schlag. Und hämisches Lachen. Gina hielt die Augen geschlossen, aber Tränen sammelten sich in ihnen. Sie fühlte sich überfordert mit der derzeitigen Situation und sie hatte Angst vor Carl und seiner Bande. Sie wollte gar nicht wissen, was sie mit ihr machen würden und noch immer verfluchte sie sich für diesen elenden, unwichtigen Streit. Sie hasste sich dafür, wieder an Carl geraten zu sein und sie hatte grauenhafte Angst davor, dass Kakashi nicht kommen würde, um ihr zu helfen - oder vielleicht war es gerade das Grauen, wenn er kam und sich wieder für sie einsetzte? Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie irgendwie loskommen musste. Ihre Gedanken kreisten darum, was Carl vorhatte und wieso er sie hier festhielt, während Gina an ihren Fesseln rüttelte. Es fühlte sich nicht wie ein Seil sondern eher wie ein Stück Stoff an, was sie wahrscheinlich hier in der Halle gefunden hatten. Es war kalt und Gina fror, aber für solcherlei Gefühle hatte sie momentan keine Zeit. Als das Mädchen spürte, dass die Stofffasern langsam nachgaben und etwas stärker rüttelte, bekam Gina plötzlich einen Schlag ins Gesicht. Ihr Kopf wirbelte zur Seite und ihre Wange schmerzte augenblicklich brennend, aber es war nur ein leichter Stoß mit der flachen Hand gewesen. Hasserfüllt sah sie auf und erspähte Carl. »Jetzt wird noch nicht abgehauen«, meinte er, aber von seiner spöttischen Art vom letzten Mal war heute nichtsmehr zu sehen. Seine Nase stand schief, Gina vermutete, dass Kakashi sie ihm tatsächlich gebrochen hatte und er starrte sie geradezu ausdruckslos an. »Was willst du von mir?!«, keuchte Gina atemlos und erwiderte seinen Blick noch immer fest. »Von dir will ich gar nichts«, kam es von Carl, »Ich will nur deinem Typen die Fresse polieren.« Gina schluckte. Das hatte sie geahnt. »Da musst du eben herhalten«, fügte der junge Mann hinzu, »Wenn du hier bist kommt er sicher. Und dann wird er sein blaues Wunder erleben.« »Er hat dich schonmal fertig gemacht!«, rief Gina mutig. »Dieses Mal endet es anders...«, murmelte Carl leise und langte in seine Tasche - Gina sah ein Klappmesser darin und verstummte. Ihr Gegenüber zog ein weißes Tuch aus der anderen Tasche und knebelte Gina damit. »Du plärrst mir sonst zuviel herum.« Carl entfernte sich von ihr und schien ungeduldig herumzulaufen. Gina zweifelte nicht daran, dass er es jetzt wirklich ernst meinte. Am Anfang hatte er Kakashi scheinbar unterschätzt und das schien ihn zu ärgern. Sie musste um jeden Preis verhindern, dass Carl auf Kakashi treffen würde. Aber wie sollte sie das nur tun? Es dauerte nur eine weitere halbe Stunde, bis Kakashi schließlich im Eingangsbereich der Halle auftauchte. Er war geschwitzt und anscheinend gerannt. In seinen Augen spiegelte sich eine Wut, die Gina noch nie gesehen hatte. Einerseits war sie froh, dass er gekommen war, doch andererseits hatte sie furchtbare Angst davor, dass ihm etwas passieren würde. Er war kein Ninja mehr und konnte sich ohne Techniken gegen ein Messer nicht verteidigen. Gina senkte den Blick und schluchzte leise. Kakashis Wut wurde dadurch noch größer, denn wusste nicht, was Carl ihr angetan hatte. Sie zweifelte nicht daran, dass Carl Kakashi in seinem gekränkten Ehrgeiz auch töten würde. »Was willst du von ihr?«, zischte Kakashi, »Muss ich dir erst Arme und Beine brechen, damit du sie in Frieden lässt?!« »Du kannst sie gerne haben«, meinte Carl gelassen, »Ich wollte nur dich. Und du bist ja jetzt hier... Du wirst dafür büßen, dass du mir die Nase gebrochen und mich bloßgestellt hast!« Mit diesen Worten schlossen zwei von Carls Freunden die Tür und stellten sich davor. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Carl näherte Gina und zückte sein Messer. Er hielt die blankpolierte Klinge in ihre Richtung und lachte, Gina streckte sich ganz durch und zitterte. Sie traute ihm alles zu und kniff die Augen fest zusammen. Kakashi, der etwa einen Meter von Carl entfernt stand, ballte eine Hand zur Faust. »Lass sie in Ruhe«, warnte er, »Wenn du mich willst, dann nimm auch mich.« »Das hättest du wohl gern!«, lachte Carl und drückte mit der Klinge etwas gegen Ginas Haut, sah aber ununterbrochen Kakashi an. Gina nutzte diese Gelegenheit und rieb mit dem Mund an ihrer Schulter, die sie in ihrer aufrecht sitzenden Lage knapp erreichen konnte. Nach wenigen Ansätzen sank der Knebel um ihren Hals und Gina biss Carl mit ganzer Kraft ins Handgelenk. Dieser brüllte auf und ließ vor lauter Schreck das Taschenmesser fallen. Er holte aus und schlug Gina mit Wucht ins Gesicht, welche von seiner Kraft samt Stuhl umkippte und schmerzhaft auf dem Oberarm aufkam. Dabei stieß sie mit dem Kopf gegen eine der Blechtonnen und riss sie mit um. Kakashi reagierte sofort und boxte Carl in den Magen. Er sank kurz auf die Knie, bekam allerdings seine Waffe zu fassen und stieß mit der Klinge nach seinem Gegner. Der Silberhaarige wich zur Seite und trat Carl abermals in den Bauch, rutschte dann jedoch weg und landete der Länge nach mit dem Rücken am Boden. Desorientiert spähte Kakashi zur Seite und erkannte einen großen Ölfleck. Die schwarze, zähflüssige Masse lief aus der Tonne, die jetzt am Boden lag. Er machte sich gewaltige Sorgen um Gina, aber dann sah er schon Carls Klappmesser von oben auf seine Brust hinabstürzen und rollte schnell nach rechts. Carl trat ihm dabei ins Gesicht und Kakashi blieb einen Moment lang betäubt liegen, wobei seine Hand ausgestreckt neben ihm verweilte. Gerade wollte er sich mit ihr abstützen und so hochhieven, als die Klinge des Messers sie durchbohrte. Kakashi schrie auf und krümmte sich. Kapitel 15: Höllenfeuer ----------------------- [Viel Spaß beim vorletzten Kapitel ^^] Dieser Schrei ließ Gina wieder zusich kommen. Sie konnte sich kaum bewegen, vom Schmerz in ihrem Hinterkopf war sie wie gelähmt. Aber trotzdem rüttelte sie eisern an dem Stoff, der ihre Arme fesselte, bis er schließlich riss und sie freigab. Gina band ihre Beine los und kroch mit letzter Kraft vom Stuhl. Sie spähte zu den Männern. Kakashi stand leicht gekrümmt da und hielt sich die Hand, an dessen Oberfläche ein stark blutendes Loch klaffte. Carl lachte und hielt noch immer das Messer in der Hand, dessen Klinge rot verfärbt war. Sie musste irgendwas tun, aber sie konnte kaum kriechen und hatte gegen Carl keine Chance. Zu ihrer Erleichterung mischten sich Carls Kumpels nicht ein, scheinbar hatte er sie dazu ermahnt, nur aufzupassen, dass niemand abhauen konnte. Gina hielt die Augen eisern offen und schaute sich panisch um. Und dann sah sie, als hätte der Himmel persönlich ihn dort hingestellt, einen Werkzeugkasten an der Wand. Sie kroch auf allen Vieren zu ihm und ignorierte mit ganzer Kraft ihr Schwindelgefühl. Als sie den Kasten erreicht hatte, hielt sie sich einen kleinen Moment an ihm fest, so als wäre sie sich nicht sicher, ob er gleich wieder verschwinden würde, ehe sie ihn so leise wie möglich öffnete. Carl und Kakashi schlugen wieder aufeinander ein, aber Kakashi hatte nurnoch einen Arm und war klar im Nachteil. Gina sah nur, wie er zwei Schläge in den Magen bekam, ehe sie den Blick schnell abwandte und im Kasten herumsuchte. Sie fand einen eisernen Schraubenschlüssel. Der reichte vollkommen. Gina schnappte sich den Schlüssel und rappelte sich langsam auf. Die Zeit, ehe ihre Beine sie wieder fest trugen, erschien ihr wie eine Ewigkeit. Carl hatte ihr den Rücken zugekehrt, aber nichtmal Kakashi bemerkte sie. Gina holte mit dem Werkzeug aus und schlug damit nach dem Hinterkopf ihres Gegners, doch dieser hatte sich genau in diesem Moment vor einem Tritt von Kakashi weggedreht und sie streifte ihn nur. Er fuhr herum und fixierte sie eine Zehntelsekunde lang, ehe er sie mit einem Stoß zu Boden riss und mit der Faust nach ihr ausholte. Kakashi kam von hinten und schlug ihn unter lautem Aufschrei mit der durchlöcherten Faust seitlich ins Gesicht. Carl flog von Ginas Bauch und rollte sich ab. Er prallte mit dem Kreuz gegen eine weitere Blechtonne, welche er einen kurzen Moment verzweifelt fixierte, ehe er sich wieder erhob und kurz in seiner Tasche nach etwas kramte. Er schien total verrückt geworden zu sein und warf die weiteren Fässer um. Dann zückte er ein Feuerzeug und hielt sich die Flamme neben den Kopf. Gina zog sich abermals in die Höhe und schrie noch, dass Carl es nicht tun sollte. Aber Kakashi reagierte und gab seiner Freundin einen heftigen Stoß, durch den sie fast einen ganzen Meter wegtorkelte und dann auf dem Hosenboden landete. Zeitgleich zündete das Gegenüber die Ölspur an, die einen brennenden, gleißenden Kreis um Carl und Kakashi zog. »Nein!«, schrie Gina und sackte auf die Knie, »Kakashi!« »Du bist lebensmüde!«, rief dieser Carl zu. »Ich habe nichts zu verlieren!«, entgegnete er, »Aber dich nehme ich mit!« Wieder folgten Schläge und wieder trafen sie überwiegend Kakashi. Gina lehnte die Stirn an den schmutzigen Boden und weinte bitterlich. Sie konnte Kakashi nichtmehr helfen und es war einzig und allein ihre Schuld, dass es soweit gekommen war. Es wurde plötzlich wärmer und sie herum und Gina sah nach oben. Das Feuer hatte einen alten Vorhang in Brand gesteckt und noch bevor Gina realisieren konnte, was da geschah, waren die Flammen weiter nach oben gezüngelt und hatten die Holzdielen der Raumdecke ebenfalls mit angesteckt. Ein oranges Leuchten erfüllte die Halle und unter den Schlaggeräuschen der Männer vernahm man nun noch das Knistern der Flammen. »Scheiße!«, keuchte Gina und stand auf - ihr Schmerz schien vergessen. Sie waren in Lebensgefahr. Das Feuer hatte sich in wenigen Sekunden extrem ausgebreitet und bereits jetzt rieselten brennende Holzstückchen zu Boden. Panisch sah Gina zu Carl und Kakashi, aber diese hörten nicht auf mit ihrer Prügelei. Beide sahen inzwischen sehr lädiert aus und Gina sandte Stoßgebete zum Himmel, dass dieser Abend ein gutes Ende nehmen würde. »Verdammt, das gerät aus der Bahn!«, rief plötzlich einer von Carls Freunden, der andere fügte hinzu: »Los, verschwinden wir!« Sie öffneten die schwere Tür und machten sich aus dem Staub. Fassungslos darüber, dass sie ihren "Freund" im Stich ließen starrte Gina ihnen nach, ehe sich ihre Aufmerksamkeit wieder auf die beiden Streithähne richtete. »Wir müssen weg!«, schrie sie durch die lauten Geräusche um sie herum, »Vergesst euren Streit und kommt!« Andererseits konnten sie gar nicht kommen. Immerhin waren sie von Flammen umzingelt. Das Mädchen suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, den Kreis zu löschen, aber Öl war nur mit Schaum löschbar und sowas stand hier nirgends rum. Gina kniff die Augen zusammen und hustete. Ihre Lunge brannte von den Gasen, die das Feuer absonderte und ihre Augen tränten so stark, dass sie kaum noch etwas sehen konnte. Irgendwie begann alles um sie herum so merkwürdig zu flackern. »Kakashi!«, brüllte sie noch ein letztes Mal und endlich reagierte er. Schockiert sah Gina, wie er auf den Flammenkranz zurannte. Er schützte mit den Armen seinen Kopf und sprang dann mit einem Hechtsprung hindurch. Einige Stellen seiner Kleidung begannen zu fackeln, aber Kakashi rollte sich sofort nach seinem Aufprall über den Betonboden und erstickte das Feuer so. Gina half Kakashi auf. Seine Hand hing schlaff herunter, das Blut strömte noch immer heraus und auch aus seinem Mund und einigen anderen Stellen tropfte die rote Flüssigkeit. Carl stand noch immer verwirrt im Feuer und wusste wohl nicht, was er tun sollte. Im selben Moment vernahmen sie draußen Sirenen der Feuerwehr. »Du bist gerettet«, meinte Kakashi leise. Gina sah ihn verwirrt an, denn dieser Satzbau kam ihr merkwürdig vor. Aber da spürte sie, wie ihre Beine unter ihrer Last zusammenbrachen. Die Welt verschwamm vor ihren Augen und Gina sank zu Boden. Ein großer Klos steckte in ihrem Hals, aber sie war zu schwach um ihn hochzuhusten. Da spürte sie, wie Kakashi seine Hände unter sie schob und sie wegtrug. Für einen kurzen Moment konnte sie seinen Geruch sehr stark wahrnehmen, so als hätte sich ihr Geruchssinn ums Tausendfache verbessert. Es beruhigte und benebelte sie gleichzeitig und schlaff sank ihr Kopf an Kakashis Brust. Sie blinzelte das erste Mal wieder, als ihr die Kälte der Nachtluft entgegenschlug. Kakashi hatte sie aus der Halle gebracht und sie näherten sich einem Krankenauto. Dankbar spähte Gina nach oben und erschrak, als sie sah, dass ein schwarzhaariger Feuerwehrmann sie trug. Eine Frau öffnete die beiden Hinterladerklappen eines Krankenautos und Gina wurde von dem Mann hineingesetzt. Er legte ihr ein Beatmungsgerät an, aus dem herrlich frische Luft strömte. Sie atmete einige Male tief durch und ihre Lebensgeister kehrten augenblicklich wieder zurück. »Sie hatten großes Glück«, sagte die Frau fast zärtlich und gab Gina eine Decke, die sie anstandslos nahm. Sie schaute auf den Ausgang der Halle. Carl wurde ebenfalls hinausgebracht, allerdings wurde er ärztlich versorgt und weggebracht. Scheinbar hatte es ihn schlimmer erwischt. Sie wartete, aber Kakashi verließ die Fabrik nicht. Jetzt panisch wollte sie aufstehen, wurde aber zurückgehalten. »Wo ist mein Freund?«, keuchte sie und riss sich das Beatmungsgerät vom Mund, »Wo ist er?« Der Feuerwehrmann, der sie rausgebracht hatte, kam zu ihr. »Wer?« »Mein Freund! Er ist noch drin!« »Da drin ist niemand«, meinte der Mann verständnislos, »Und wir haben auch niemanden weiter gesehen.« Fassungslos starrte Gina den Schwarzhaarigen an. Wie konnte er Kakashi einfach dadrin lassen? »Aber er hat mich doch zu ihnen getragen!« »Nein, junge Frau«, entgegnete er mit sanftem Unterton, »Ich habe sie am Boden liegend gefunden und rausgebracht.« »A-Aber...«, murmelte Gina und ihre Gedanken kreisten wild um ihre Erinnerung. Kakashi hatte sie hinausgetragen - jedenfalls konnte sie ihn riechen. Aber da fiel ihr auf, dass er garkeinen Ton vonsich gegeben, als er seine verletzte Hand unter sie geschoben hatte. »Aber...«, wiederholte Gina unsicher, »Wo ist er denn dann?« »Da war niemand«, beteuerte der Feuerwehrmann. »Machen sie sich keine Sorgen. Sie sind nur knapp einer Vergiftung durch die Gase entkommen. Da bildet man sich oft etwas ein. Halluzinationen sind da bekannt, glauben sie mir.« »N-Nein!«, meinte Gina noch, aber da drückte man ihr die Beatmungsmaske wieder auf den Mund. »Hmh...«, gab Kakashi vonsich, als er die Augen öffnete. Seine Schmerzen waren noch da, aber nurnoch halb so stark wie vorhin. Er brauchte einige Sekunden, um sich daran zu erinnern, was geschehen war. Er hatte die Feuerwehrsirene gehört und irgendetwas zu Gina gesagt, aber dann hatte er ganz plötzlich das Bewusstsein verloren. Waren es die Gase des Feuers gewesen, die ihm die Kraft geraubt hatten? Aber wieso hatte er dann vorher nichts bemerkt? »Aber das...« Ratlos spähte er in die Umgebung und bemerkte, dass er sich an einem sehr vertrauten Ort befand... Kapitel 16: Ewigkeit -------------------- Das ist nun das letzte Kapitel dieser FF. Den Epilog habe ich mit drangehangen, da sonst beides allein zu kurz gewesen wäre. Danke an alle die, die treu mitgelesen haben. Schaut doch mal in meine anderen FFs, würde mich sehr freuen ;) Es dauerte beinahe eine Stunde, bis das Feuer gelöscht war. Gina hatte die ganze Zeit über starr dagesessen, die warme Decke um die Schultern und noch einige Zeit lang das Gerät auf dem Mund. Man nahm es ihr zwischendurch wieder ab, aber Gina hörte gar nicht hin. Ausdruckslos stierte sie zu der jetzt noch qualmenden Halle. Instinktiv wanderte ihre Hand zu der Kette an ihrem Hals, die Kakashi ihr geschenkt hatte. Sie fühlte sich heiß an, aber sie war da. Bevor ihre Finger den Anhänger gefunden hatten, hatte Gina kurz daran gezweifelt, Kakashi jemals kennengelernt zu haben. Er war wie vom Erdboden verschluckt und plötzlich war ihr, als habe sie sich alles nur eingebildet. Gina dachte an den Kuss und Tränen sammelten sich in ihren Augen. »Wie geht es dem anderen Jungen?«, fragte die Krankenschwester, die sich auch um Gina gekümmert hatte. »Er muss einpaar Tage auf der Station bleiben, zur Kontrolle«, meinte eine Andere, »Sieht aus, als ob er sich ganz schön geprügelt hat.« Man kontrollierte nochmal ihren Blutdruck und fragte sie einige Sachen, ehe Gina nach Hause gehen durfte. Es hatte sie nicht so schlimm erwischt und das ersparte ihr einen Krankenhausaufenthalt. Sie schlurfte durch die Straßen und weinte fortwährend. Kakashi war weg; einfach verschwunden. Vielleicht unter Trümmern begraben? Nein, sie wollte daran nicht denken. Gina schüttelte den Kopf und lief schneller. Sicherlich war er zu Hause und würde dort auf sie warten. Ja. So musste es sein. »Ich komme...«, murmelte Gina und rannte so schnell sie konnte durch die Straßen. Ihre Lunge brannte sofort, da sie noch mitgenommen von den Gasen war, aber sie ignorierte das und beeilte sich, heimzukommen. Die kühle Nachtluft schlug ihr ins Gesicht, aber Gina hatte nur den einzigen Gedanken: Kakashi finden. Als sie ihre Wohnung erreicht hatte, schloss sie mit zittrigen Fingern die Tür auf. »Kaka...«, setzte sie an, aber da sah sie, dass die Wohnung unerleuchtet und menschenleer war. Und dann wurde ihr schlagartig klar, dass sie Kakashi nie wieder sehen würde. Er hatte seine Aufgabe erfüllt; anscheinend sollte er sie vor Carl retten, vor dem Feuer oder ihr auch einfach beim Tod ihrer Eltern beistehen - oder alles zusammen. Sie richtete den Blick starr in die Dunkelheit und die Tränen tropften hinunter, fielen in die Tiefe und erstarben am Boden. Kurze Zeit später sackte Gina zusammen und begann bitterlich zu weinen. Sie hatte alles verloren. Einen kurzen Moment lang war sie der glücklichste Mensch der Welt gewesen. Kakashi, ihr sosehr bewunderter Kakashi war einfach so bei ihr aufgetaucht. Das Leben war perfekt, doch dann starben ihre Eltern. Und jetzt, wo Kakashi auch zurückgekehrt war, hatte Gina niemanden mehr. Sicherlich war er jetzt glücklich und sie freute sich ehrlich für ihn, aber die Tränen wollten nicht trocknen und der Schmerz nicht verebben. Das Gefühl der Einsamkeit fraß sich in ihr Herz und sie konnte nirgendwo hinsehen, denn jeder kleine Fleck erinnerte sie an Kakashi, überall hing sein Geruch in der Luft - entweder sein Eigener oder sein Deo. Gina erhob sich, ihr Gesicht war nass und verschmiert. Sie wischte sich dürftig darüber und dachte einen kurzen Moment darüber nach, was sie tun sollte. Schließlich versuchte sie sich einen Tee zu brühen. Zuerst verbrannte sie sich am heißen Wasser und danach verfehlte sie mit dem Teebeutel drei Mal die Tasse, ehe sie endlich traf. Gina schlurfte zum Tisch, setzte sich und stützte die Stirn auf die aufgerichtete Hand. Ihr Kopf fühlte sich heiß an und die Tränen tropften auf die Tischplatte. »Kakashi...«, murmelte sie erstickt und jetzt begriff Gina erst, wie sehr sie ihn liebte. Es zeriss sie, zu wissen, dass sie sich als Letztes gestritten hatten und sich nichtmal verabschieden konnten. Doch dann fiel ihr etwas ein. Es war wie ein Aufflackern, ein Silberstreif am Horizont - eine wage Hoffnung. Sie erhob sich so schnell, dass die Teetasse zu Boden fiel und dort scheppernd zerbarst. Die Nacht war kalt und brannte ihr auf dem tränennassen Gesicht. Gina strich sich dürftig ihr Haar zurück und beeilte sich, ihr Ziel zu erreichen. Eigentlich hätte sie Furcht empfinden müssen, nachts allein unterwegs zu sein, doch angesichts ihrer Situation und ihrer Hoffnung spürte sie nichts dergleichen. Sie wollte einfach nur schnell ankommen. Ihre Lunge brannte erneut. Sie hatte unbewusst zu Rennen angefangen. Ihre Füße bewegten sich unrhythmisch und fast geräuschlos in der trockenen Nacht. Sie nahm Kurs auf den Teil der Stadt, vor dem Kakashi sie gewarnt hatte - dem Ort, wo Carl und seine Bande sich für gewöhnlich herumtrieben. Dem Ort, wo sie Kakashi vor fast einem Jahr gefunden hatte. Als sie die Gasse erreicht hatte, schlug ihr Herz schnell und unkontrolliert. Wieder bahnten sich die Tränen einen Weg über ihre blasse Haut und sie spähte verloren in die Dunkelheit. Langsam schritt Gina durch den schmalen Gang bis zu der Stelle, an dem Kakashi damals gelegen hatte. Dort war nichts. Nichts als die dunklen Pflastersteine und einpaar Abfalltüten. Ihre Hoffnung zerschmetterte sich und Gina starrte weiterhin auf die leere Stelle. »Weg...«, flüsterte sie leise und ließ den Kopf sinken. »Wo bist du?!«, wimmerte das Mädchen weinend und ballte die Hände fest zu Fäusten, »Warum hast du mich im Stich gelassen?!« Wut war für kurze Zeit in ihrer Stimme mitgeschwungen, die nun wieder verebbte. Leise gestand sie sich ein, wogegen sie sich so lange gewehrt hatte. »Ich... Ich kann nicht ohne dich...«, am Ende waren ihre Worte nurmehr ein Flüstern in die düstere Nacht, »Ich... Ich liebe dich...« Ihre Worte waren gerade verebbt, da spürte sie plötzlich einen Windstoß. Nur ein leichter, warmer Hauch in ihrem Nacken, der sich fast wie ein Wort vernahm. Einen kurzen Moment hielt sie inne, überlegte und realisierte, ehe sie sich umwandte und abermals in Finsternis spähte. Ihre Augen waren gerötet, der Blick matt und hoffnungslos. Die Wimpern verklebt von Tränen stand sie da, sah zu Boden aber weinte nicht mehr. In ihrer Brust tobte ein Schmerz, der sie betäubte. Lange war sie noch nicht von ihm getrennt und schon jetzt vermisste sie ihn so sehr, dass sie sterben wollte. Gina setzte einen Fuß vorran, um nach Hause zurückzukehren. Und genau in diesem Moment, in dem sie es am wenigsten erwartete, schlangen sich plötzlich zwei warme Arme um ihren Oberkörper. Überrascht bewegte sich das Mädchen nicht; die Hoffnung flackerte wie ein Feuer in ihrer Seele auf und Gina fuhr herum. Sie sah in Kakashis Gesicht. Noch immer klebte Blut an seinem Mundwinkel, sein Haar hing schlaff herab. Die Hand war noch immer blutig und verletzt, so als wären kaum mehr als einpaar Sekunden vergangen, aber Gina nahm das alles nicht wahr, sie spürte nur die Freude und gleichzeitig ein Gefühl, welches sie nicht beschreiben konnte. »Ka...«, setzte sie an, aber er durchbrach ihre Worte mit einem innigen Kuss. Sie schloss die Augen und ließ es geschehen, gab sich ihm hin und wurde erneut in eine Umarmung gezogen. All das, was davor passiert war, schien in diesem Augenblick vergessen. Nur noch verschwommen und vollkommen unwichtig war der Streit, die Not und die Trauer ohne ihn. Als er sich von ihr löste, blieb er wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Seine Arme lösten sich nicht von ihr und er spähte in ihre blauen Augen. Gina sah ihm entgegen und ihr Blick flimmerte wieder von Tränen, die dieses Mal ihr Glück ausdrückten. Sie wusste nicht, wie er zurückgekommen war und ob er wirklich für immer bleiben würde, oder ob seine Zeit wieder begrenzt sein sollte, doch daran wollte sie jetzt nicht denken. Seine gesunde Hand strich über ihre Wange und wischte mit dem Daumen über ihre Augen, um sie zu trocknen, ehe er sie wieder an sich heranzog und küsste. Kurze Zeit später ließ er erneut von ihr ab, fand wieder das Tiefblau und öffnete seine Lippen leicht zu einem flüsternden Satz. »Ich liebe dich auch.« Epilog Das Mondlicht schimmerte blass durch die Rolläden und tauchte das Zimmer in bläuliches Licht. Gina lag noch wach, den Kopf auf Kakashis Brust gelehnt und sah gedankenverloren in die Ferne. Drei Monate war jener Abend her, an den sie gerade dachte und nach diesem Gedanken spähte Gina zu ihm, der tief ruhend neben ihr verweilte. Er hatte ihr erzählt, was geschehen war. Nach seiner Ohnmacht hatte sich der silberhaarige Mann wieder in jener dunklen Dimension wiedergefunden, in der sein Abenteuer begonnen hatte. Wirr war erneut die Stimme an sein Ohr gedrungen, die ihn schon damals in Ginas Welt gebracht hatte. Das Licht vor ihm tauchte wieder auf, es war genau das gleiche Szenario wie damals. Nur, dass Kakashi dieses Mal wusste, dass er mit einer Berührung des Lichts nach Hause zurückkehren würde. Und da hatte er er sich abgwandt und war der Finsternis entgegengerudert. Alles hätte er in Kauf genommen, doch nach Hause wollte er nicht. Es waren Sekunden, vielleicht auch einige Minuten, in denen Kakashi sich gegen das Licht wehrte und sich immer weiter von ihm entfernte - und da öffnete sich etwas gleich einem Fenster in der Schwärze und gab die Sicht auf Ginas Rücken preis. Kakashi hatte einfach die Arme ausgestreckt und Gina schließlich damit erreicht. Sie ergriff seine um Einiges größere Hand und strich mit dem Daumen an ihr entlang. Sie war endlos dankbar dafür, dass er sein Leben nur für sie aufgegeben hatte. »Danke...«, flüsterte Gina und drehte sich von ihm weg auf die Seite. Er folgte ihr wenige Sekunden später, legte seinen Arm um sie und drückte ihren schmächtigen Körper ansich. »Wofür?«, fragte der Mann leise und mit tiefer Stimme. Es war, als bekäme er stets alles mit und würde niemals wirklich weg sein. »Für alles... Und... Und das du bei mir bleibst.« »Keine Ursache«, kam es von Kakashi zurück und er küsste Ginas Nacken. Sie schloss die Augen, genoss und drehte sich schließlich wieder auf den Rücken, um seine Lippen mit einem Kuss zu versiegeln. Kakashi schaute ihr in die Augen und sie sah nichts als Zufriedenheit. Leicht wandte Gina den Kopf zur Seite, als der Kettenanhänger, den Kakashi ihr einst schenkte, mit leicht dumpfem Geräusch auf das Kissen neben ihr sank. Kurz spähte sie zum matten Glänzen des silbernen Schriftzeichens und schaute dann wieder den Mann über ihr an. »Kakashi?«, fragte sie leise, wieder war es nur ein Flüstern. »Ja?« »Verrätst du mir nun, was das Zeichen bedeutet?« Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie hinters Ohr, ehe der Zeigefinger seiner ehemals verletzten Hand, auf der nun eine streifenförmige Narbe lag, an ihrem Schlüsselbein entlangstrich. Erselbst trug kein Oberteil und Gina fuhr mit sanften Zügen seine Muskeln nach. »Ja...«, hauchte er in ihr Ohr, küsste sie erneut auf den Mund, ließ dann von ihr ab und sprach: »Ewigkeit.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)