Zerbrochene Träume von RhapsodosGenesis (The Midsummernight-Princess - Sonderkapitel) ================================================================================ Kapitel 1: Extra: Shan ---------------------- Dämmerlicht … Nein … das war es nicht … Sonne? War es Sonne? Wie hätte das die Sonne sein können? Shan streckte ihre Hand nach der hellen Scheibe aus, die alles Grau erleuchtete und somit einen schönen Glanz darauf hinterließ. Die Sonne … Sie berührte sie. In dem Moment erlosch sie und reines Grau blieb zurück. Sobald sie die Hand zurückzog, erschien das helle Licht wieder. Plötzlich verwandelte sich die Sonne in Midna. Sie lächelte auf sie herab, nahm sie mit dem sanften Ausdruck in ihren Augen auf und ließ sie sich geborgen fühlen. Als würden sie … zusammengehören … Die Wärme umschloss sie und sie genoss für die Augenblicke, die es anhielt. Sie hatte keine Ahnung, wo genau sie sich befand – oder wie lange sie schon hier war. Sie war nur durch das Grau geflossen, konnte nicht einmal schwören, dass sie einen vollständigen Körper hatte … aber vor allem war sie … leicht. Leicht. Frei. Schuldlos. Sie tastete nach ihrer Brust, in welcher noch immer ein Stich zu sehen war. Der Schwertstich, der sie erlöst hatte. Link erklomm ihre Gedanken. Sie hätte schwören können, dass ihr Herz noch schneller schlug als sonst. Dass es schlug. Aber das war nicht möglich. Sie war tot. Diese Erkenntnis traf sie nicht wirklich überraschend. Es war ihr von Anfang klar gewesen – einer hätte sowieso sterben müssen. Und dass ein Schwächling wie sie unter den Opfern sein würde, war auch logisch gewesen. Sie … hatte lediglich die Hoffnung gehabt, überleben zu können. Aber die hatte sich dann wohl auch als Irrlicht herausgestellt. Sie fragte sich, ob Ganondorf ihr verzeihen würde. Ob er sie bei sich aufnehmen würde, obwohl sie seine Hoffnung auf Leben zunichte gemacht hatte. Sie hatte nicht nur ihr eigenes Leben ausgelöscht. Sie hatte drei Leben beendet, indem sie gestorben war. Und sie hatte fünf Leben zerstört. Nein, sechs … Immerhin hatte sie auch Mirais Leben auf dem Gewissen. Sie dachte an die letzten Augenblicke der Schwarzen Fee, wie sie ihr angsterfüllt entgegen geschaut hatte, als sie damit begonnen hatte, ihre Energie zu entreißen und sie Ganondorf zuzuführen. Wie sie mit jeder Sekunde schwächer geworden war … Es hätte kaum mehr etwas gebraucht, um ihren geliebten Meister wiederzubeleben. Und doch hatte sie im letzten Moment versagt. Aus der Sonne, die noch immer mit dem Gesicht ihrer Zwillingsschwester über ihr schien, sonderte sich Licht ab. Glitzernder Glanz nahm vor ihr Gestalt an, wurde langsam, aber sicher zu etwas Körperlichem. Zuerst glaubte sie, einen Schwan in der Form zu erkennen, mit seinem Schnabel und seinen Flügeln. Ein schöner Schwan, der gekommen war, um über sie zu richten. Dann jedoch verformte sich der Vogel mehr und mehr und irgendwann verstand sie, dass da eine kleine Möwe vor ihr saß. „Möwe, oh, Möwe, weit bringt dich der Wind“, sang der Vogel, „Und irgendwann kommst du nach Hause, bestimmt.“ Das Tier verzog das Gesicht. Shan hielt das für ein Lächeln. Aber was machte eine Möwe in ihrem Totentraum? „Du bist nicht tot“, wies sie sie hin, als hätte sie ihre Gedanken gelesen. Sie klang belustigt. Sie … Shan erkannte die Stimme wieder. Das kleine Mädchen, die sie sooft hatte sprechen hören, aber mit der sie kaum ein Wort gewechselt hatte. Die, die Link vor ihr geküsst hatte … Ein seltsames Gefühl stieg in ihr auf. Am liebsten hätte sie sich selbst belächelt. Eifersüchtig. Auf ein Kind. „Terra“, sprach sie den Namen also aus. Als hätte sie damit einen Bann gebrochen, nahm sie direkt vor ihr eine … menschliche … Gestalt an. Nichtsdestotrotz trug sie auf ihrem Kopf einen Hut, an dem ein Möwen-Schnabel befestigt war. Sie trug ein weißes Kleid, dessen lange, weite Ärmel beinahe wie Flügel wirkten und ihre Füße steckten in gelben Schuhen. Aber das Gesicht mit den neugierigen grünen Augen und die langen, braunen Haare waren unverkennbar. Aber was machte sie hier? Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: „Link hat dich nicht retten können“, stellte sie fest. Kühl hörte sich ihre Stimme an, aber in Wahrheit war sie sehr aufgewühlt. Nein … eine jahrzehntealte Fee umzubringen, war eine Sache … aber ein Kind?! Am liebsten wäre sie in den grauen Wolken versunken, ohne Bewusstsein, ohne Dasein. „Nein!“, schrie Terra plötzlich. Shan sah an sich herunter. Sie hatte einen festen Körper bekommen. Sie trug das Kleid, in welchem sie mit Link am Festplatz getanzt hatte. Das Kleid, das sie so sehr liebte, weil nur sie es besaß. Weil es zu ihr gehörte. Doch der untere Rand war bereits im Nichts versunken. „Bleib hier“, bat sie sie mit einem gehetzten Gesichtsausdruck, aber einer sanften Stimme, „Ich … will mit dir reden.“ „Was willst du?“, fragte Shan ungehalten. Sie wollte nicht unfreundlich sein, aber … sie verstand nicht, was Terra hier tat! Sie sollte doch leben! Zumindest sie … „Du hast die Feen unglücklich gemacht“, schalt das Mädchen sie plötzlich, „Hast Prinz Kyrion ziemlichen Ärger bereitet, hast Yurai ihre Schwester genommen und du hast Link verletzt!“ Shan umklammerte ihren Körper mit ihren Armen. Ja. Dann war hier tatsächlich ihr Richter gekommen. „Tu mit mir, was du möchtest …“, bot sie ihr ruhig an, „Es hat keinen Sinn …“ „Eben.“ Die Bestätigung ließ Shan aufschauen. Terra lächelte. „Ich will dir nichts tun. Ich will nur sichergehen, dass du auch kapiert hast, dass das, was du versucht hast, echt dämlich war.“ „Woher weißt du, was ich versucht habe?“, informierte sich Shan dann unsicher. „Wir sind hier in deiner Gedankenwelt, in deinem Bewusstsein“, erklärte Terra, „Das hier ist deine Welt, hier ist alles, was dich ausmacht. Ich sehe alles, was du getan hast, was du gedacht hast …“ Sie zeigte um sich herum. „Und … darum kapiere ich auch irgendwie, wieso du das getan hat.“ Ein Schatten legte sich dann über ihr Gesicht. „Aber das macht es nicht richtig.“ „Ich weiß“, murmelte sie, „Aber das weißt du …“ Sie nickte. „Hör jetzt auf, in Selbstmitleid zu versinken. Deinetwegen habe ich Kyrion kennengelernt.“ „Den Feen-Prinzen?“, mutmaßte Shan verbittert. Das machte ihre Taten auch nicht besser. „Er ist deinetwegen losgesegelt, aber er war auch sehr unglücklich, weil du seinen Bruder umgebracht hast.“ Sie durchlöcherte sie mit ihrem anklagenden Blick. „Es ist nicht wieder gutzumachen“, gab sie zu. Am liebsten wäre sie weiter zurückgewichen, bis sie gegen eine Wand lief und nicht mehr weiter konnte, aber zumindest eine Stütze hätte. Aber ein Bewusstsein hatte keine Wände. Terra nickte. „Ganz recht. Und dass du Link die ganze Zeit über belogen und getäuscht hast, dass du ihn sogar töten wolltest!“ Shan wandte den Blick ab. Konnte der Anklage nicht standhalten. „Ich bin froh, dass ich es nicht geschafft habe …“ Ein kleines, kaum merkliches Lächeln umspielte ihre Lippen. „Das war wohl das Einzige, was ich richtig gemacht habe …“ Alles, was sie je richtig tun hatte können: versagen. Was für eine Ironie … dass sie glücklich über ein Versagen war … „Ich will dir nicht noch mehr Vorwürfe machen“, fuhr Terra dann mit sanfter Stimme fort, „Was ich getan habe, war ja auch nicht immer völlig in Ordnung …“ Sie hielt kurz inne. „Wobei ich natürlich nie jemanden umgebracht habe.“ Sie wirkte nach wie vor nicht wütend. Shan spürte plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter. Sie schaute überrascht auf. Terras Lächeln nahm ihre komplette Sicht ein. Ein Strahlen, das sie erfüllte. Sie brauchte keine Sonne, wenn sie Leute wie Terra haben konnte. Leute, die ihr verziehen, die sich um sie kümmerten … Waren das … Freunde? Waren nicht auch sie und Link Freunde gewesen? Hatten sie nicht einander vertraut, verziehen und sich umeinander gekümmert? Die Erinnerungen an ihren Krankenhausaufenthalt kamen in ihr hoch. Sie durchfluteten ihren Körper. Und sie hatte ihn letzten Endes doch verraten. Hatte all ihre Gefühle zurückgekämpft, die ihr gesagt hatten, dass sie aufgeben musste – und dann hatte sie ihm aufgebürdet, sie zu töten. „Was hätte ich damals nicht dafür gegeben, auch so von ihm angesehen zu werden“, kam es von Terra, welche die Hände hinter ihrem Rücken verschränkt hatte, „Gleich angesehen haben wir ihn ja beide.“ Sie zwinkerte. Shan wandte sich ab. „Nein … Er hat mich nie geliebt.“ „Bist du blind?“, fragte Terra trocken, „Das hier sind deine Erinnerungen. Du hast es also sehr wohl bemerkt!“ Sie seufzte. „Freundschaft nennt sich so etwas. Ihr wart Freunde. Er hat sich richtig um dich gesorgt.“ „Aber er liebt meine Schwester nach wie vor …“, warf sie verzweifelt ein. „Wie er auch Ilya liebt, deren Leben du wohl auch zur Hölle gemacht hast …“ Sie stockte. „Du gehst echt schlecht mit Konkurrenz um.“ „Lass die Scherze“, keifte Shan sie an, „Link …“ Es tat ihr sofort leid, wie sie mit Terra sprach. Aber … ihr Gewissen – sie konnte doch nicht so darauf herumtrampeln! „Link ist nicht hier, sei froh drum!“, meinte Terra, „Genauso wie ich froh bin, dass Kyrion nicht hier ist.“ „… Nicht hier …“ Shans Augen weiteten sich. „Bedeutet das, dass Ganondorf sich hier befindet?“ Ihr Herz schien zu rasen. Ganondorf. Sie konnte zu Ganondorf. „Ganondorf?“ Terra starrte sie überrascht an. „Nein, nein! Shan! Du darfst nicht gehen!“ Sie bemerkte, dass sie sich wieder auflöste. Damit löste sich auch ihre Sicht auf. „Stopp!“, rief Terra – leicht panisch - und griff nach ihr, „Halt! Geh nicht zu ihm!“ Nur noch verschwommen nahm sie die Vogeldame wahr. „Er hat dich nur ausgenutzt, fall nicht auf ihn rein! Er ist nicht dein Freund! Du kümmerst ihn kein Stück!“ Plötzlich stand sie wieder. Direkt vor Terra. Diese starrte sie genauso überrascht an, wie Shan sich fühlte. Aber sogleich schlich sich ein Lächeln auf die Lippen der anderen. „Gut, du bist geblieben …“ „Woher … willst du wissen, dass er mich nur ausnutzt?“, fragte Shan leise. „Du hast es doch selbst gesehen. Daher weiß ich es.“ Sie winkte ab. „Du verleugnest es bloß, versuchst, all die Anzeichen zu überdecken, um ihn lieben zu können.“ Shan schwieg auf die Anschuldigung hin. … Nein, sie wollte ihr nicht glauben. … Konnte ihr nicht glauben … „Lass endlich Link dein Ganondorf werden“, riet Terra ihr freundschaftlich, „Lass ihn in dein Herz.“ „Ganondorf einfach austauschen?“, fuhr sie das braunhaarige Mädchen an. Sie wusste nicht, woher der Gefühlsschwall kam. Aber irgendetwas drückte gegen sie. Drückte sie nach unten. Drückte alles an ihr nach unten. Sie schloss die Augen. Es fühlte sich an, als würde sie fallen. Tief, tief fallen. Aber Ganondorf würde für immer in ihrem Herzen bleiben. Er war immerhin derjenige, der sie befreit hatte. Der, dem sie alles verdankt hatte … „Ja“, unterbrach Terra ihre Gedanken. Sie öffnete ihre Augen erneut und bemerkte, dass sie noch unbewegt dastand. Es fühlte sich für sie dennoch an, als würde sie in ein tiefes Lochen stürzen – regungslos. Wie ein Stein. „Wenn er sich um dich kümmern würde, wäre er auch mittlerweile hier“, erklärte sie weiter, „Ist er aber nicht.“ „Hier?“, wunderte sich Shan – schockiert. Sie hätte nie daran gedacht, Ganondorf wiedersehen zu können. Sie war tot. Dass man im Tod …! „Wir sind nicht tot“, warf Terra ein, „Wir sind nur in einer Art … Dämmerzustand. Nicht fähig zu leben, aber auch noch nicht tot.“ Ihr verständnisloses Gesicht schien Terra zu belustigen, jedenfalls erklärte sie weiter: „Ich bin in meinem Körper unterdrückt worden, mein Geist lebt noch, aber er kann nicht leben, ohne dass Mirai lebt. Ich werde also erst sterben, wenn Mirai das Zeitliche segnet.“ „Der Rubin“, schoss es Shan plötzlich, „Mein Geist ist im Rubin.“ Sie fühlte sich plötzlich beobachtet und sah deshalb zurück. „Ganondorf und Zanto sind also auch hier?“ Terra nickte. „Und scheinbar ist das hier eine ganze Parallelwelt, sonst wäre ich nicht hier.“ Sie lächelte. „Von hier aus kann man Meer sehen.“ Ihr Lächeln erstarb. „Aber keine Menschen.“ Sehnsucht trat in ihre Augen. Vermutlich vermisste sie den Feenprinzen – oder Link. … Sie selbst vermisste Link ebenfalls … Was sie dafür geben würde, ihn noch einmal zu sehen … Aber sie hatte sich diese Chance selbst genommen. Sie war so dumm gewesen. „Ich weiß nicht, was geschehen wird, wenn wir sterben“, gab Terra nach einer kurzen Pause zu, „Aber ich hoffe, dass wir alle dann vereint sein können.“ Sie hob ihre Arme auf, als würde sie sich gleich in die Luft erheben können. Dann lächelte sie. „Ich denke, ich weiß, weshalb ich hier zu dir gekommen bin. Also – mach Schluss mit Ganondorf. Vergiss ihn.“ „Link wird den Rubin zerstören, nicht wahr?“, erkannte Shan dann, „… Und falls ich im Tod nicht mit ihm reden kann … muss ich es jetzt tun.“ Sie fühlte sich, als würde sie sich erheben, als würde ein großes Gewicht von ihr fallen. „Das ist die richtige Einstellung!“ Terra umarmte sie. Dann sah sie ihr in die Augen. „Auch wenn ich dir die Sache mit Link noch nicht ganz verziehen habe.“ Dann erhob sie sich wirklich. „Danke“, brachte Shan hervor. Sie hob ihre Hand zum Winken an und sah der Vogelfrau dabei zu, wie sie der Sonne entgegen flog. „Viel Glück bei der Heimreise …“ Terra mochte zwar damit im Recht sein, dass sie sich von Ganondorf loslösen musste – hier, wenn man nur seine Gedanken war und somit ständig von ihnen umgeben, war es viel einfacher, sich dem zu stellen, was man ein Leben lang verleugnet hatte -, doch es war nicht so einfach, sich ihm gegenüberzustellen. Ohne Bedauern. Ohne Zweifel. War er wirklich … böse? Ohne Übergang war sie da. Sie wollte es noch immer nicht glauben, obwohl seine Blicke Bände sprachen. Er saß dort, mitten in ihren Gedanken. Auf einem Thron aus Stein, in den viele, goldene Verzierungen eingearbeitet waren. Im Thronsaal befand sich kein Licht. Alles war schwarz. So dunkel wie seine Absichten. Sein Gesicht war ruhig, emotionslos, sein Blick ruhte auf ihr, verfolgte sie, als sie näher trat. Wie hatte er es geschafft, sich hier eine solche Burg zu errichten? Zanto war nirgendwo zu sehen. Genauso wenig wie die klaffende Wunde auf seinem Bauch. Sie kniete vor ihm nieder. Damit tat sie wohl das Gegenteil dessen, was Terra ihr aufgetragen hatte. Aber … es war nötig. Bitternötig. Erst, wenn sie am Boden lag, konnte sie aufstehen. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Die Stille lag zwischen ihnen wie Nebel. Schien alles noch dunkler zu gestalten. Und sie wusste, dass er ihr die Schuld dafür gab. Ob es sich so anfühlte, wenn zwei Geister aufeinander prallten? … Aber sie musste hier den Schlussstrich ziehen. Terra hatte Recht mit ihren Worten: Shan liebte Link. Ganondorf … war nicht der, für den sie ihn all die Zeit halten wollte. Er war … die Verkörperung ihrer Wünsche. Sie hatte all ihre Hoffnung in ihn hinein transplantiert, ohne dass er das je wirklich war. „Also hast du es nicht geschafft“, durchbrach er ruhig das Schweigen. Die Feststellung, seine resignierte Stimme … Sie brachte es nicht über sich, den Blick zu heben, ihm in die Augen zu blicken. Sie konzentrierte sich auf den kalten Steinboden. Kalter Steinboden … Aus wessen Gedanken der wohl stammte? Wen beschrieb er? „Erhebe dich.“ Ohne darüber nachzudenken, tat sie, wie ihr geheißen wurde. Als hätte er alle Kontrolle über sie. Als müsste sie noch immer tun, was er sagte. … Sie wollte sich doch wehren … wollte ihm sagen, dass sie froh darüber war, verloren zu haben … „Sieh mich an.“ Langsam hob sie den Blick, suchte vorsichtig, zögerlich nach den bernsteinfarbenen Augen, die sie immer so eindringlich angesehen hatten. So fordernd … und die so unvergleichlich schön waren … Sie fand seinen Blick. Und zu ihrer Überraschung fand sie keinerlei Anklage darin. Vielmehr … Bedauern. Aber keine Enttäuschung. Keine Enttäuschung. Sie hielt die Luft an, die sie ohnehin nicht mehr hätte atmen müssen. Er war nicht enttäuscht von ihr. Er klagte sie nicht an. „Ich- …“, begann sie mit erstickter Stimme, schwieg allerdings, als er langsam den Kopf schüttelte. „Ich hätte dich nicht wählen sollen“, sah er ein, „Von Anfang an war mir klar, dass du zu schwach sein würdest.“ Ihre Augen weiteten sich. … Das … bedauerte er …? Sie … gewählt zu haben … „Aber nur durch diese Schwäche hat sie sich auf diese Seite ziehen lassen.“ Hinter dem Thron trat plötzlich Zanto hervor. Er versteckte sein Gesicht hinter einer steinernen Maske. Er lehnte sich lässig an den Thron, als würde kein König darauf Platz genommen haben. „Dieselbe Schwäche, die mich ebenfalls diesen Irrsinn hat erleben lassen.“ Er verschränkte die Arme. Der Thronsaal veränderte sich. Die Farbmuster aus dem Dämmerlicht umgaben sie nun. „Ihr hättet Herrscher sein können“, erklärte Ganondorf, „doch beide habt ihr versagt.“ Versagt. Aus seinem Mund traf sie dieses Wort wie ein Blitz. … Er hatte all seine Hoffnung auf sie gelegt. Sie hätte ihn retten können. Indem sie Link zerstörte. … Nein, das hätte sie nie schaffen können. „Ist Midna eine gute Königin?“, erklang Zantos Stimme, „Was ist schon eine gute Königin?“ Er sah sich um. „Eine, die auf diese Schwäche nicht reagiert. Ist es das, was sie zur Auserwählten gemacht hatte?“ Die Frage blieb unbeantwortet. … Was Midna wohl zu ihren Dummheiten sagen würde? Ob sie sie wohl vermisste? … Aber sie war eine Königin. Sie war rund um die Uhr eingespannt. „Wir hätten Macht haben können“, grollte Ganondorf, „Stärker sein können, besser sein können als alle Könige der Welt zusammen.“ Er hob seine linke Hand. „Das Triforce der Kraft, die Macht zweier Schicksalskinder … Niemand hätte uns aufhalten können.“ „Link“, hörte Shan sich selbst sagen, „Er hat uns aufgehalten.“ „Du hast dich aufhalten lassen“; bemerkte Zanto. „Du hast Ganondorf aufgehalten“, kommentierte Shan dann, „Wie Link mich aufgehalten hat.“ „Ich wollte zumindest im letzten Moment noch Ehre beweisen. Beweisen, dass unser Tun einen Sinn hat, dass wir keine … Monster sind.“ Er warf einen erzürnten Blick auf Ganondorf. „Doch nichts hat es sich gebracht.“ Nun wandte er sich an Shan – und eine seltsame Sänfte trat in seine Augen. „Jetzt sind wir einfach tot.“ „Ich habe mein Bestes gegeben“, murmelte Shan zögerlich. Es war doch wahr – sie hatte getan, was sie konnte. Hatte alles so ausgelegt, dass es zu ihrem Sieg hätte führen müssen … doch es gab Berge, die sie nicht zu überwinden vermochte. „Dein Bestes ist wohl einfach nicht gut genug“, richtete Ganondorf dann bestimmt. Und mit diesen Worten wurde Shan etwas klar: Ihr Weg hatte nie zum Sieg führen können. Immerhin … hatte er sie ausgewählt. Sie war eine Versagerin, jemand, der nie etwas vollbringen hatte, nie etwas können würde und der es nie schaffen würde, andere glücklich zu machen. Sie konnte nichts verändern, egal wie sehr sie es versuchte. Und dennoch lief sie wie ein Idiot immer wieder gegen eine geschlossene Tür. „Ich weiß“, antwortete sie also mit fester Stimme. Überrascht schaute Ganondorf sie an. Vermutlich hatte er jetzt etwas Unterwürfiges erwartet. Oder eine Entschuldigung. „Aber zumindest … habe ich mich aufhalten lassen“, fuhr sie ruhig fort, „Sodass … niemand mehr in der Dunkelheit leben muss, die Ihr mit Euch bringt.“ Sie begegnete Ganondorfs Augen. Sie musste sich von ihm lossagen. Jetzt hatte sie noch Zeit. Doch statt eines Wutausbruchs oder einer Moralpredigt, wie sie sie erwartet hätte, erhob er sich lediglich und schritt langsam auf sie zu. Sie erhob sich ebenfalls. Als er kurz vor ihr war, streckte ihr seine Hand nach ihr aus. Sanft lächelnd. Und in dem Moment zerbrach alles um sie herum wie ein zersplitternder Rubin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)