Screen Time von OtakuCifer (-- Die andere Dimension --) ================================================================================ Kapitel 3: Better Life - Besseres Leben --------------------------------------- Kapitel 3: Better Life - Besseres Leben "Wie leben in einer beschissenen Welt, aber ich könnte mir keine bessere vorstellen." von Andreas Reissnauer 12.02.2022 - 20:34 Uhr - Tokyo - Shibuya - "Bit Valley" "Ich bin dann jetzt fertig!" Nachdem ich dies gesagt hatten, stand ich vom Stuhl auf und schaute in die Runde. Unterschiedliche Gesichter erblickten mich. Darunter der Chef der Abteilung, welcher auf mich zukam. Ein anerkennendes Lächeln zierte seine Lippen. Stundenlang hatte ich ein neues Sicherheitssystem in die Server dieser Firma integriert, getestet und noch verbessert. Das war mein Auftrag. Heute morgen hatte man mich kontaktiert und gemeint, man hätte einen Job für mich, der vielleicht etwas zu anspruchsvoll für nur eine Person wäre. Ich sollte sämtlichen Servern ein Sicherheitsupdate verpassen. Dieser Job kam für mich wie gerufen. Seit Wochen hatte ich keinen Auftrag mehr. Ich war tatsächlich sogar kurz davor alles an den Nagel zu hängen. Zu gut wusste ich aber auch, dass ich mir eine Veränderung in meinen Leben am Ende sowieso nicht getraut hätte. "Äußerst beeindruckend! Das was Sie hier geleistet haben, hätte ich wirklich nicht für möglich gehalten!", sprach der Abteilungsleiter weiter lächelnd. Ich entgegnete: "Nachdem ich nun persönlich jeden Server hier selbst getestet habe, kann ich sagen, sie sind sicher." Der nach wie vor begeistert lächelnde Mann zeigte mit seiner linken Hand auf seine Bürotür und meinte: "Kommen Sie erst einmal mit. Wir regeln dann mal die formellen Dinge." Ich folgte ihm langsam. Erst jetzt spürte ich die ganze Müdigkeit. Meine Arme und Beine wurden schwer und meine Augen wollten jetzt einfach nur noch eines: Sich schließen, um danach für eine lange Zeit sich nicht mehr zu öffnen und ihre wohlverdiente Ruhe zu erhalten. Doch wie der Abteilungsleiter gesagt hatte, zuerst kommen die Formalitäten. Ich bekam meine Bezahlung. In meiner Branche, wenn man sie denn so nennen darf, ist es nicht unüblich einen Check zu bekommen oder auch direkt bar ausgezahlt zu werden. Ich bin ein sogenannter freischaffender IT - Spezialist. Ich bin damit selbstständig. Wir befanden uns jetzt im Büro. Der Abteilungsleiter hieß Nishimura Yuuto. Sein Aussehen wirkte bereits wie das eines typischen Abteilungsleiters. Mitte 50, graue-schwarze Haare, einen altmodischen Anzug und eine Brille zum Gesamtpaket. Er muss wahrscheinlich jahrelang einfache Arbeiten erledigt haben. Mit etwas Glück und auch durch seine jahrelange Erfahrung wurde er dann befördert. Lange Zeit wollte ich genauso werden wie er. Nach meinen Studium bei einer IT-Firma starten. Wenn ich 30 Jahre alt sein würde, würde ich dann eine Familie gründen. Zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen und auch eine Frau, die weder sonderlich hübsch noch hässlich sein sollte, mir aber treu blieb und mich unterstützte. Dann ein Haus kaufen und ein Auto, welches nicht zu viel Sprit verbrauchte. Irgendwann dann befördert werden und eine Gehaltserhöhung bekommen. Mit dieser könnte ich dann das Studium meiner Kinder finanzieren. Als alter Mann aus dem Dienst ehrenvoll ausscheiden. Meine Abschiedsfeier würde nicht so pompös ausfallen. Doch in meiner Rede würde ich allen Menschen danken, die mich begleitet haben. Und dann würden meine Kinder schließlich heiraten und selber Kinder bekommen. Ich würde, während ich mit meiner Frau mich um meine Enkelkinder kümmere, mit ihr gemeinsam über die Regierung klagen und meinen Unmut zum Ausdruck bringen. Irgendwann kommt dann die Zeit in der nichts für uns beide los wäre und wir zur Ruhe kommen würden. Seite an Seite würden wir unsere letzten Tage miteinander verbringen. Und zurückschauen. Zurückschauen auf das gemeinsame Leben und was wir auf dieser Welt hinterlassen hatten. Nicht alles war schön, nicht alles war gut, doch wir hatten unseren Weg gemeinsam bestritten. Das Geld für unsere Beerdigung hätte ich schon angespart. Es würde ein Teil des Vermächtnis werden, welches ich meinen Kindern gebe. Meiner Tochter würde ich das Haus vermachen. Sie soll ein herzensguter Mensch werden und sich wenn es notwendig ist, um ihren Bruder kümmern. Meinen Sohn würde ich das Auto und alle anderen Gegenstände vermachen, die ich besaß. Früh hätte ich ihn auch für die Informatik begeistert. Das wäre einer meiner Träume gewesen. Doch genau wie ich würde er naiv sein und das Glück brauchen, eine Frau zu bekommen, so wie ich sie hatte. Und schließlich würde ich friedlich von dieser Welt gehen. Kein schlechter Traum. Ganz und gar nicht. Doch ich hatte auch einen anderen Traum. Nach der Universität nahm ich mir vor selbstständig zu werden. Vielleicht sogar meine eigene Firma gründen. Ich wollte groß raus kommen. Etwas vollbringen von dem die Welt noch einige Jahre sprechen würde. Die ersten Jahren waren schwer. Ich lebte größtenteils mit den Geld meiner Eltern. Als ich meinen ersten Auftrag bekam, war ich echt erleichtert gewesen. Oftmals hatte ich den Gedanken gehabt eine feste Stelle zu suchen. Doch die Wirtschaftskrise hatte das Land in schwere Depression gestürzt. Der Arbeitsmarkt war nicht sehr vielversprechend. Informatiker gab es mittlerweile wie Sand am Meer. Man braucht eine menge Glück, um bei einer großen Firma zu landen. Die kleineren Betriebe starben aus. Sie gingen in ihren Krediten unter und so gut wie keine Einziger schaffte den Durchbruch. Kredite, sie sind es, die einen alles nehmen. Irgendwann konnten meine Eltern mir kein Geld mehr schicken. Mein Vater hatte einen Schlaganfall bekommen. Er ging in Frührente und bekam gerade genug, um über die Runden zu kommen. Meine Mutter hatte jahrelang als Krankenschwester gearbeitet. Doch dann schloss man das Krankenhaus, indem sie arbeitete. Der Staat konnte es sich nicht mehr leisten. Und sie fand auch keine neue Stelle mehr. Das Geld, das sie bekam, war auch nicht sonderlich viel. Und ich wollte meine Eltern auch nicht länger belasten. Ich log sie an und meinte, dass ich eine Stelle bekommen hätte und sie sich keine Sorgen machen sollten. Und der Kredit von der Bank wuchs immer weiter an. Ich setzte mich hin. Erwartungsvoll wartete ich auf meinen Verdienst. Der Abteilungsleiter schrieb etwas auf einen Zettel. Es war ein Check, den ich also bekommen sollte. Dem Mann vor mir konnte man seine Müdigkeit erkennen. Zahlreiche Falten zierten sein Gesicht. Der Stress der letzten Jahre hatte ihn deutlich zugesetzt. Doch flößte seine ruhige und bedachte Stimme mir enormen Respekt ein. Er erhob seinen Kopf und reichte mir das Stück Papier. Ich versuchte zu lächeln, doch sein Lächeln war gänzlich verschwunden. Er wartete, dass ich mir den Zettel genauer ansah. Ohne etwas auch nur zu ahnen, nahm ich den Zettel entgegen und begutachtete ihn. Als ich sah, was darauf stand, weiteten sich meine Augen. "Das war nicht die Summe, die wir vereinbart hatten!", schoss es aus mir heraus. Der eben noch freundliche Mann sah mir kalt in die Augen und entgegnete: "Ich habe mit meinen Boss geredet und versucht ihn umzustimmen, doch ich konnte nicht mehr aus ihm herausholen. Die Betriebsausgaben sind äußerst hoch und deshalb können wir uns es nicht leisten Ihnen die anfangs genannte Summe auszuzahlen." Ich sah ihn ungläubig an und stammelte: "A-Aber...das können Sie...nicht machen.." Das Gesicht des Abteilungsleiters veränderte sich. Er war wütend. Er stand auf und schlug auf den Tisch und schrie mich an: "Ich habe sehr lange mit meinen Chef diskutiert, damit ich Ihnen, so viel es geht, geben kann! Und jetzt sind Sie auch noch unzufrieden?! Haben Sie denn keinen Anstand!?" Ich flüsterte fast nur: "Da-Das ist a-a-ber....nicht mal die Hälfte der vorherigen Summe.." Er schlug wieder auf den Tisch, voller Wut sah er mich an und meinte: "Wenn Sie das Geld nicht wollen, dann können Sie es auch zurückgeben!" Ich sagte daraufhin kein Wort und drehte mich um. Schweren Schrittes verließ ich das Büro. Wut hatte sich in mir aufgestaut. Doch mit ihr war es auch Verzweiflung. Mit dem Geld könnte ich nicht einmal die bald anstehenden Raten bezahlen. Und ich musste mich auch noch um die Miete meiner Wohnung kümmern. Ich stand schon 2 Monate in Verzug. Ich brauchte das Geld. Und eine Klage einreichen? Ich wusste zu gut, wie aussichtslos das war. So ein Prozess zog sich lange hin und kostete ungeheuer viel Geld. Geld, dass ich nicht besaß. Ohne es groß zu bemerken stand ich schon an der Kreuzung. Viele Menschen gingen über die Straße. Jeder besaß ein Ziel und jeder von ihnen strebte schlichtweg nach einem: Einen besseren Leben. Ich bin bedeutungslos. In dieser Masse gehe ich unter. Was will ich mit alldem erreichen? Ich sah selbst keine Zukunft in meiner Selbstständigkeit. Ich bin nicht dazu bestimmt der eine zu sein, der das Glück erhält und den Durchbruch schafft. Als jemand bedeutungsloses werde ich in die Geschichte eingehen. Nun so schwer war das auch gar nicht. Ich überquerte die Kreuzung. Die Kreuzung auf der alle durcheinander in alle Richtungen gingen. Jemand rempelte mich an. Nein, es waren zwei. Dann wurden es drei. Die Menschen achteten nicht auf ihre Umgebung. Einige telefonierten oder sahen einfach auf ihr Smartphone. Andere lachten und gingen zusammen mit jemand Anderen irgendwohin. Doch jeder hier lebte für sich selbst. Nun vielleicht noch für seine Familie und Freunde. Was hatte er? Einmal im Jahr schrieben mir meine Eltern eine Neujahrskarte. Sie hatten mir einiges an Geld mit der letzten Karte geschickt. Trotz dessen dass ich sie bat, mir nichts mehr zu schicken. Das Geld hatte ich längst verbraucht. Dann telefonierte ich alle paar Monate mit meiner Mutter. Ich hatte beide seit 2 Jahren nicht mehr gesehen. Ich kam am Bahnhof an. Dort stand schon die Chūō-Hauptlinie. In die musste ich einsteigen. Ich rannte und schaffte es geradeso herein. In meiner rechten Hand war meine Laptop-Tasche. Fast wäre diese noch in der Tür steckengeblieben. Ich atmete schwer. Körperlich gesehen war ich nicht die sportlichste Person. So ein kurzer Sprint konnte mir ganz schön zusetzen. Ich bin schon erbärmlich, nicht wahr? Meine Wohnung liegt in Nakano. Ich muss deshalb drei Haltestellen mit der Linie fahren. Doch ich möchte jetzt nicht nach Hause gehen. Ich werde erst einmal etwas essen. Und zu Hause in meiner kalten Wohnung hatte ich zurzeit wirklich keine Lust etwas zu essen. Ich ging deshalb in einen meiner Lieblingsläden. "Pizza Hut". Der Laden war in einen typischen japanischen Stile aufgebaut. Man ging durch einen Gang und setzte sich dann anschließend in eine der Kabinen. Die Privatsphäre wurde hier sehr geachtet. Das Beste an diesen Laden hier war aber, neben dem Essen und der Einrichtung, der kostenlose WLAN-Zugang für Kunden. Ich packte meinen Laptop raus und schaltete ihn erst einmal ein. Dann kam die Kellnerin und fragte, was ich denn gerne haben würde. Sie war sehr freundlich und ich war froh jetzt ein Lächeln zu sehen. Sie kannte mich. Ich war sehr oft hier. Manchmal fragte ich mich, ob ich sie ansprechen sollte. Doch ich traute mich nicht. Zu groß war die Angst vor Ablehnung. Und zu groß war auch die Angst nicht mehr als ein Stammeln herauszubekommen. Deswegen tat ich das, was ich immer tat. Ich hielt die Speisekarte vor mein Gesicht und bestellte unsicher etwas. Ich hörte sie kichern. Als ich aufsah, blickte ich ihr direkt ins Gesicht. Mein Herz schien kurz auszusetzen und ich bekam leichte Bauchschmerzen. Doch sie taten keineswegs weh. Dann meinte sie munter: "Komm sofort der Herr!" Es war ein ehrliches und aufrichtiges Lächeln, das sie mir gab. Ich atmete dennoch erleichtert aus, als sie ging. Das Ganze war mir äußerst unangenehm. Was sie wohl von mir dachte? Ich musste ganz schön bescheuert für sie herüberkommen. Dann allerdings blickte ich auf meinen Laptop. Ich ging auf unterschiedliche Seiten. Ich las einen Artikel über die PS5, die vor kurzem auf den Markt erschienen war. Ich selber konnte sie mir nicht leisten. Doch das war nicht mal so tragisch für mich. Mein Laptop reichte mir. Danach holte ich meine Kopfhörer heraus und sah mir einen Trailer eines kommenden Filmes an. Als das Video vorbei war, kam die Kellnerin wieder. Ich schaute nicht von meinem Laptop auf und tat so, als wäre ich beschäftigt. Sie legte das Tablett auf den Tisch und sagte: "Hier bitte sehr!" Ich mochte ihre Stimme. Sie war sanft, nicht unhöflich und doch zeugte sie von einer gewissen Stärke. Ich warf ihr einen schnellen Blick zu, nickte und flüsterte ein leises Danke. Sie hatte es wohl aber gehört und meinte: "Kein Problem!". Dann verschwand sie wieder. Als nächstes ging ich auf meine E-Mail. Zunächst fiel mir auf, dass mir niemand zurückgeschrieben hatte. Ich schrieb immer viele Bewerbungen, ob nun schriftlich oder auch per E-Mail. Doch nur einer von zehn antwortete. Und von denen sagte bisher niemals einer zu. Ich bekam nur sinnlose Werbung oder irgendwelche News von Seiten, die ich irgendwann mal abonniert hatte. Solche Dinge bereue ich am allermeisten. Meine E-Mail wurde nicht selten von nutzlosen Zeug zugemüllt. Doch was blieb mir jetzt anderes übrig, als all diese Sachen jetzt zu löschen? Ich las den jeweiligen Betreff der einzelnen Mails um sicher zugehen, dass ich keine wichtige Nachricht löschte. Dann nahm ich mir ein Stück der Peperoni-Pizza, die ich bestellt hatte und biss ein Stück ab. Dazu hatte ich ein einfaches Glas Wasser geholt. Ich beobachtete kurz die Eiswürfel im Wasser, ehe ich mir einen Schluck genehmigte. Nebenbei sah ich mir die Mails weiter durch. Ich wurde aufmerksam auf eine mit dem Betreff: "Möchtest du ein besseres Leben?" Deprimiert sah ich mir die E-Mail an. Typische Werbung. Irgendwelche Leute werden gezeigt, die über Nacht reich geworden sein sollen. Es wird darüber geschrieben, was man alles erreichen könnte und wie leicht das Leben eigentlich ist. Doch das Leben ist hart. Vergeblich suche ich nach Hoffnung und ich bin jemand, der eigentlich auch jeden Strohhalm ergreift, egal wie dünn er ist. Das hat sich heute wieder bestätigt. Der Auftrag war eigentlich unmöglich für eine einzige Person machbar. Ich nahm ihn trotzdem an, da ich nichts anderes hatte. Und meine Hoffnung wurde sogleich wieder enttäuscht. Das Geld, welches ich bekommen hätte, wäre genug gewesen, die Finanzhaie von der Bank eine Weile lang loszuwerden und auch die überfällige Miete zu bezahlen. Jetzt stehe ich vor dem nichts. Ich löschte die E-Mail, ohne einmal hineinzusehen. Ich hatte genug von leeren Versprechungen. Manchmal wünschte ich mir sogar den Tod. Doch ich bin feige, das weiß ich. Ich könnte nicht einfach alles hinschmeißen. Meine Eltern so sehr sogar nach meinen Tod zu belasten, das könnte ich nicht. Ich will nicht noch alles schlimmer machen, als es eh schon ist. Ein Schrei holte mich aus meinen Gedanken heraus. Die Kellnerin. Ich schaute um die Ecke. Das was ich sah, ließ eine enorme Wut in mir aufkommen. Ein alter Mann hielt sie an ihren Handgelenk fest und zerrte sie zu sich. Sie meinte verzweifelt: "Lassen Sie mich los!" Doch der Mann war scheinbar betrunken. Er hörte nicht auf sie und sagte mit einer widerlichen Stimme: "Nun hab dich doch nicht so! Du willst es doch auch!" Ich wollte aufstehen. Doch ich traute mich nicht. Mein Herz schrie danach, nicht länger zuzusehen und der Kellnerin zu helfen. Ich hasste mich für meine Feigheit. Sie sah zu mir rüber. Und ich sah ihre verzweifelten Augen und eine Träne, welche ihr übers Gesicht lief. Ich stand auf und ging schnellen Schrittes auf sie zu. Es war eine komische plötzliche Kraft in mir, die aufstieg, die all die Verzweiflung in mir hinfort fegte. Und ich packte mit aller Kraft das Handgelenk des Mannes. Er grunzte, sah zu mir hoch und fragte: "Was willste, eh?" Mit ruhiger Stimme sagte ich: "Lassen Sie sie los." Der Mann sah mich fragend an und hakte nach: "Was hast du gesagt?" Angst kam wieder in mir auf. Was tat ich hier eigentlich? Ich bin kein Held. Der Mann fragte erneut: "Ich hab gefragt, was hast du gesagt?" Ich zitterte und sagte dann: "Lassen..Sie sie los." Dann passierte etwas, was ich so nicht erwartet hatte. Er ließ tatsächlich los. Hatte er mich verstanden? War meine Stimme etwa zu ihm durchgedrungen? Ich schloss meine Augen kurz und atmete erleichtert aus. Als ich meine Augen allerdings wieder öffnete, bemerkte ich, dass der Mann aufgestanden war. Er überragte mich um einen Kopf. Sein Gesicht war mit Hass erfüllt. Ich sah nur noch, wie er ausholte und wie eine Faust mir immer näher kam. Ich schlug hart auf den Boden auf. Der Schmerz hatte mich betäubt. Meine ganze Welt drehte sich. Verschwommen nahm ich wahr, wie jemand mich durchschüttelte. Jemand saß mit den Knien auf den Boden. Die Person hatte sich über mich gebeugt. Langsam wurde mein Blick wieder klar. Es war die Kellnerin. Sie sah besorgt auf mich und fragte: "Ist alles in Ordnung mit ihnen? Können sie mich hören?" Ich richtete mich auf und sah ihr in die Augen. Dann sah ich mich um. Hinter ihr stand ein anderer Mann als eben. Ich saß auf den Boden des Ladens. Der Betrunkene war weg. Sie bemerkte offenbar, was in mir los war und erklärte: "Nachdem er Sie geschlagen hatte, ist er einfach gegangen." Der Mann hinter ihr reichte mir seine Hand. Ich nahm sie entgegen. Dann zog er mich auf die Beine und stellte sich vor: "Ich bin der Manager des Ladens. Sayoko hat mir erzählt, was passiert ist. Geht es Ihnen gut? Es tut mir wirklich leid, was hier geschehen ist." Ich war immer noch überrascht und sah den Mann verwundert an. Dann meldete sich die Kellnerin, die offensichtlich Sayoko ist hieß, wieder und verbeugte sich: "Danke sehr, Sie haben mir geholfen und wurden dann meinetwegen verletzt. Es tut mir wirklich sehr leid." Ich wusste nicht so richtig, was ich sagen sollte und stammelte wirres Zeug vor mich hin. Die beiden sahen mich ratlos an. Dann meinte ich mit etwas sicherer Stimme: "Das ist doch kein Problem. Solange es Ihnen gut geht." Der Manager schien erleichtert zu sein und meinte freundlich: "Das Essen geht aufs Haus. Ich werde die Polizei rufen, sollte der Mann wieder hierher kommen. Entschuldigen Sie nochmal für die Unannehmlichkeiten. Genießen Sie doch bitte Ihren restlichen Aufenthalt hier." Als ich wieder an meinem Tisch war, schaute ich zurück zu der Stelle, wo ich eben noch lag. Meine linke Wange schmerzte. Ich schmeckte Blut. Meine Zähne waren noch ganz. Ich trank etwas Wasser. Mein Laptop lag noch wie eben da. Ganz schön rücksichtslos meinen Laptop einfach so unbewacht hier liegen zu lassen. Doch das Adrenalin hatte mich wohl alles vergessen lassen. Ich musste schmunzeln. Wie lang war es her, dass mich jemand so kräftig geschlagen hatte? Ich dachte wieder an die Kellnerin. Sayoko, sie hatte einen schönen Namen. Sie war besorgt gewesen, als ich da auf den Boden lag. Sie war besorgt um jemanden wie mich. Ich konnte es selbst nicht glauben. Dann blickte ich wieder auf meinen Laptop. Wo war ich gewesen? Ich hatte meine E-Mails überprüft. Ich löschte noch die restlichen unbrauchbaren Mails. Dann ging ich auf das Verzeichnis "gelöschte E-Mails", um sie endgültig loszuwerden. Erneut sprang mir die E-Mail von vorhin ins Auge: "Möchtest du ein besseres Leben?" Meine Hand schien sich selbstständig zu machen. Ich drückte auf die E-Mail. Doch statt wie erwartet massenhaft Werbung zu sehen oder statt das sich mein Antiviren-Programm meldet, um mir zu sagen, dass sich ein Trojaner in meinen PC eingeschlichen hätte, erblicke ich eine scheinbar vollkommen normale E-Mail. Ich las mir den Inhalt durch. Was ich las, widersprach so vielen, an was ich bisher geglaubt hatte. Doch war es möglich? Ich las sie mir nochmal einmal durch. Sogar noch ein drittes Mal. "Liar" Ein neues Licht schien am Ende eines langes Tunnels. Hoffnung. Ohne groß zu überlegen schrieb Akimichi Choji seine Antwort auf diese Mail. Es mag schwer sein, einen Menschen der am Boden liegt, wieder Hoffnung zu geben. Doch manchmal reicht eine Hand, die ihm aufhilft und ein besorgter Blick, um diesen Menschen wieder an etwas glauben zu lassen... Kapitel 3 Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)