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Memories

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Der Prolog wurde von suzuika geschrieben! :3
Und sie hat es mehr als gut gemacht omg ich musste so weinen. ;A; Ich hoffe, mir gelingt das erste Kapitel ebenso gut... ;; Komplett anzeigen

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Prolog

„In Anbetracht der Verletzungen, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit Folgeschäden mit sich tragen.“
 

Immer wieder hallte dieser Satz in seinem Kopf wider, immer wieder wurde er an die Härte und die dahinter liegende Bedeutung dieser Worte erinnert, die ihm der Mann in Weiß Stunden zuvor mitgeteilt hatte. Er war den Tränen so nahe gewesen, war es immer noch, und doch hatte bisher nicht der kleinste Tropfen Wasser sein Auge verlassen. Es war der Schock, meinten die Ärzte. Er würde erst in den folgenden Tagen realisieren, was in dieser Nacht wirklich geschehen war. Wen er in dieser Nacht verloren hatte.

Lebendig und tot zugleich lag der zierliche Körper des gelockten Mannes im Bett vor ihm. Verkabelt und an Maschinen geschlossen, die ihm und dem Personal bewiesen, dass Taka noch immer unter ihnen weilte. Physisch. Er hatte sich seit sie hier eingetroffen waren nicht geregt, hatte nicht mit den Fingern gezuckt, oder die Augen geöffnet. Er lag nur da und atmete die sterile Krankenhausluft ein. Stumm.
 

„Es war nicht Ihre Schuld gewesen, der Führer des anderen Wagens hat Ihnen die Vorfahrt genommen, er ist tot.“ Jene Worte des Polizisten waren wie durch ein Sieb zu ihm gedrungen, verschleiert und unklar, hatte sein Blick doch nur auf dem kleinen Körper gelegen, der von den Notfallhelfern und Ärzten in den Krankenwagen geschoben wurde. Verletzt. Bewusstlos. Und rot vor Blut.
 

„Sie hatten unglaubliches Glück, nur mit ein paar Prellungen und Verstauchungen diesem Crash entkommen zu sein. Ihr Schutzengel muss wirklich gut auf Sie aufgepasst haben.“
 

„Das hat er.“, hatte er dem Ersthelfer leise mit heiserer Stimme geantwortet. Das hat er und jetzt würde er vielleicht sterben.
 

Wie ein Metronom hing das Geräusch der Maschine, welche Takas Puls maß, im Raum. Wurde von den Ärzten als „stabil“ bezeichnet.

Wieso lag der kleine Mann dort im Bett mit Verbänden am ganzen Körper, womit hatte er das verdient? Wieso war es Taka gewesen, der alles abbekommen hatte und nicht er selbst? Wieso hatte er ihm versprochen, für immer auf ihn aufzupassen und war jetzt derjenige, der hilflos an seinem Krankenbett stand? Wieso war er so unfähig gewesen ihn zu beschützen? Wieso musste all dies passieren?
 

Wieso hatte man ihm genommen, was er am meisten liebte?

 

Fading Memories

Auch, wenn es nicht seine Eltern waren, es enttäuschte ihn, dass sie sich einen Dreck darum scherten, was mit ihrem Sohn passierte. Selbst nach dieser Zeit. Aber sie schienen endgültig miteinander abgeschlossen zu haben.

Ob sie überhaupt mitbekommen hatten, was vorgefallen war?
 

Toru wandte seinen starren Blick vom noch immer regungslos daliegenden Taka ab und ließ die glasigen braunen Augen auf dem silbernen Ring an seinem Finger verweilen.

Ein leises Klopfen ertönte, kurz darauf trat jemand vom Personal ein. Die Schwester setzte ein tröstendes Lächeln auf, doch auch dieses ließ Torus noch immer traurige Mimik unverändert.
 

„Sie sind ein Freund, nehme ich an?“, erkundigte sich die Pflegerin zunächst. Ein stummes Nicken. „Sie werden es sicher schon gehört haben, aber sein Zustand ist stabil, also wird er wohl bald wieder bei Bewusstsein sein.“, wiederholte die Dame die Prognose des Chefarztes. Wieder nur ein leichtes Nicken.

Nun trat die junge Frau näher an das Bett des Lockigen heran, hob den Kopf leicht an, um ihm das nun mehr platte Kissen zu entziehen und es wieder etwas aufzuschütteln. Im nächsten Moment befand sich besagtes Stück auch wieder unter der Lockenpracht und die schmalen Finger der Dame glitten in ein Fach des neben dem Bett stehenden Nachtschrankes. Der Blonde konnte nicht genau sehen, was sie dort hinein gelegt hatte. Das konnte er sich trotz dessen aber auch ohnehin vorstellen…

Mit einer kurzen, verabschiedenden Geste, hatte die Pflegerin dann das steril riechende, weiße Zimmer wieder verlassen.
 

Takas nichts aussagende Gesichtszüge konnten dem Gitarristen nicht verraten, ob er jetzt wohl schmerzen verspürte oder ob in diesem Zustand alles wie betäubt wirkte. Wenn dem so wäre, würden die Schmerzen dann erst beim Aufwachen eintreten?

So sehr Toru auch versuchte, dass Leiden von seinem Taka aus seinen Gedanken zu verbannen, es war schier unmöglich. Ob nun sein psychisches oder physisches Leiden, einem von beiden würde er mit Sicherheit erliegen.
 

~
 

Nein, er hatte sich nicht geirrt und das machte die ganze Sache noch deprimierender. Toru hielt ein kleines blaues Beutelchen in der Hand, welches die Angestellte zuvor im Fach des Nachtschrankes verstaut hatte. Die wenigen Gegenstände, die Taka beim Unfall bei sich hatte, sah Toru nun mit schwerem Gefühl im Herzen an. Dabei fixierte er sich lediglich auf den kleinen, silbernen Ring, dessen Gegenstück er selbst trug.
 

Es war ihr Verlobungsring.
 

Sich der höchstwahrscheinlich auftretenden Folgen bewusst, nahm Toru besagten Ring an sich. Es fiel ihm schwer, denn somit würde er nicht nur Takas Vergangenheit vor ihm verstecken, er wollte ihnen beiden damit einen Gefallen tun. Es würde den Gitarristen nur mehr kränken, wenn er mit ansehen müsste, dass sich Taka wahrscheinlich nicht mal an ihre Verlobung erinnern würde, sowie auch an vieles anderes nicht. Er wollte nicht sehen, wie verwirrt der kleinere reagieren würde und wie sehr es Toru selbst verletzen würde, wenn auch Taka nicht die Verantwortung für diese Folgeschäden trug.
 


 

Schweren Herzens raffte sich Toru auf, schritt neben das Bett des regungslosen Lockenkopfes und strich ihm mit zwei Fingern sanft über die Wange und fischte ihm somit auch ein paar wirre Locken aus dem Gesicht. „Ich bin bald wieder da…“, wisperte der junge Mann. Sich über Takas Kopf beugend, hauchte er ihm einen leichten Kuss auf die Stirn. Eine Träne löste sich aus seinen Augen.
 

„Schlaf gut, mein Engel.“

Toru zog die Tür leise hinter sich zu und mit schwerem Klopfen im Herzen verließ er seinen Schutzengel. Es war besser, hier für kurze Zeit raus zu kommen, um sich mit Tomoya und Ryota in Verbindung zu setzen.
 

Vor dem Haupteingang des Krankenhauses auf die beiden Bandkollegen wartend, welche er zuvor benachrichtigt hatte, ihn abzuholen, zündete sich der Gitarrist eine seiner Zigaretten an. In den grauen Himmel hinauf schauend, war anzunehmen, dass es bald anfangen würde zu regnen. Ein kalter Wind zog zwischen den Gebäuden entlang, der den Rauch der Zigarette mit sich zog. Bei diesem Wetter waren Unfälle vorauszusehen, da könnte es noch etwas dauern, bis der Wagen von Ryota vorfahren würde.
 

Die ersten Regentropfen berührten den Erdboden, kurz nachdem sich Toru einen weiteren Glimmstängel angezündet hatte. Eigentlich hatte er Taka versprochen, für ihn aufzuhören, doch in solch einer Situation wie dieser, fiel es ihm schwer. Doch sobald der Morita die Augen wieder öffnete, wäre das Rauchen vorbei. Mittlerweile hatte der Regen zugenommen, auch der Wind fegte jetzt noch stärker durch die Straßen.
 

Selbst die Engel trauern um dich, sprach Toru in Gedanken zu seinem Verlobten.
 

Ein dunkelgrauer BMW kam neben dem Bordstein zum Stehen. Die Kippe austretend, blies Toru den Rauch in die kalte Umwelt hinaus, öffnete die Beifahrertür und nahm neben dem Fahrer platz. Es fiel kein ‚Hallo’ oder sonst ein Gruß. Der Fahrer warf dem Blonden nur einen mitleidigen Blick zu. Die Tür zugezogen, griff der größere zum Gurt, um sich anzuschnallen. Der Bassist setzte den Wagen langsam in Bewegung und entfernte sich mit Toru immer weiter fort von Taka.

„Tomoya und ich lassen dich nicht alleine.“, versicherte Ryota seinem langjährigen Freund entschlossen. „Es ist für uns alle schwer…“, setzte er seufzend nach. Der Gitarrist biss die Zähne zusammen. So sehr versuchte er, die aufsteigende Flüssigkeit in seinen Augen zurück zu halten.

An einer Kreuzung kam der Jüngste zum Stehen. Die Ampel zeigte rot. Von weitem war das Aufheulen des Martinhorns zu erkennen. Irgendwie versuchten die Autos dem Krankenwagen platz zu machen, was sich bei einer roten Ampel als ziemlich schwierig gestaltete. Zwischen zwei Fahrstreifen bahnte sich das mit Blaulicht ausgestattete Gefährt durch, zischte im zügigen Tempo weiter, sobald es über die Kreuzung gefunden hatte. „Bei dem Sturm war das ja zu erwarten.“, nuschelte Ryota vor sich hin, schien das mehr zu sich selbst zu sagen.
 

> Taka betrachtete noch immer gedankenverloren den silbernen, klar glänzenden Ring an seinem Finger. Sein Herz klopfte wie wild. Er blinzelte eine Träne der Freude aus seinem Auge. „Bist du etwa traurig, dass du jetzt für immer der Meine bist?“, neckte Toru seinen Beifahrer. Aus den Augenwinkeln hatte er das Betrachten des Moritas auf den Ring beobachtet. Gesagtes ließ Taka verwirrt aufsehen. Ein breites Grinsen legte sich auf die vollen, unwiderstehlichen Lippen seines Sängers. „Du Idiot.“, brummte Taka dann doch gespielt beleidigt. „Das war ich doch schon vorher.“ Die Wangen des kleineren plusterten sich auf, in seinen Augen lag dieser Hundeblick, welcher Toru immer schwach werden ließ. Das war dem Lockenkopf durchaus bewusst, weshalb er diese Methode auch zu gerne anwendete.

„Aber jetzt kann es auch jeder sehen.“, erklärte der Leader und deutete auf den silbernen Verlobungsring. Darin war ein Name in schwungvoller Schrift eingraviert. Toru. Auf dem Seinen war der Name seines Lockenkopfes in der Selben Schrift zu lesen. „Konzentrier dich mal lieber, sonst klebt dein Blick nur noch an mir und wir haben Sex im Auto.“, witzelte Taka wissend darüber, dass das gar nicht mal so unlogisch war. Ein kurzes Auflachen über Torus fein geschwungene Lippen, dann konzentrierte er sich wieder auf die Fahrbahn.
 

Es war spät, die Straßenlaternen beleuchteten den Weg unter ihnen. Allzu viele Autos waren in dieser Straße nicht unterwegs.

„Ich möchte dir danken, du hast so viel für mich getan. Irgendwie kann ich immer noch nicht glauben, tatsächlich glücklich zu sein. Ich liebe dich.“ Taka legte seine Hand auf dem Oberschenkel des Blonden ab, warf ihm einen intensiven Blick zu, auch wenn Toru sich gerade auf die Straße konzentrierte. Der schwarze Wagen kam an einer Abzweigung zum Stehen. „Auch wenn es zu Beginn etwas holprig war, ich würde auch ein zweites Mal so handeln, wie ich es damals getan habe.“ Ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen, die großen braunen Augen glänzten die fast schwarzen Juwelen des kleineren. Dieser Blick hielt viel zu kurz, da hatte sich der Fahrer wieder der Straße zugewendet. Es war frei, er konnte also weiter fahren. „Lass uns doch wenn wir Zuhause sind-…“, begann Taka, wurde jedoch durch einen laut panischen Aufruf von Toru unterbrochen. „Taka pass auf!!!“
 

Es krachte. Laut. Aus dem Wagen des Unfallverursachers ertönte ein lautes Hupen.
 

Alles um ihn herum klang verschwommen, die Stimmen, die versuchten mit ihm zu reden, waren nicht zu verstehen. Das Lenkrad war erst nur ein verschwommener Kreis, doch wie sein Sichtfeld klarer wurde, kam ihm nun alles in Erinnerung. Der Herzschlag hallte deutlich – schwer – in seinen Ohren wieder. Als würde alles in Zeitlupe ablaufen, drehte sich sein Kopf zur Beifahrerseite.

Ein scheinbar lebloser Körper, blutüberströmt wurde von den Einsatzkräften aus dem Wagen gezogen. Es war, als hätte er seine eigene Stimme verschluckt. Er wollte nach ihm rufen, am liebsten wäre er ausgestiegen und dem verletzten Körper in den Rettungswagen gefolgt, doch es war der Schock, der ihn stumm dort sitzen lies. Nur ein starkes Ruckeln an der Schulter holte ihn aus dieser wie in Zeitlupe ablaufenden Situation zurück, sodass auch die Geräusche um Toru herum klar wurden. Alles lief wieder in realer Geschwindigkeit ab, auch bemerkte er jetzt, dass er während des Schocks die Luft angehalten hatte und nun schwer am Atmen war.
 

„Sir, ist alles in Ordnung mit ihnen? Sir!“, versuchte ein Polizist weiterhin den Fahrer zu einer Reaktion zu bringen. Toru jedoch starrte den Beamten nur mit der Leere in seinen Augen an, so als wäre sein Geist noch immer in einer anderen Welt. <

Broken Past

Das alles kam ihm so irreal vor, als würde er träumen und ohne die Situation gänzlich erfasst zu haben, wünschte sich bereits ein Teil von ihm, dass dies lediglich ein Alptraum war und neben ihm nicht wirklich der blutüberströmte Körper der Person lag, die ihm alles bedeutete.
 

„Sir?“ Wieder vernahm er die Stimme neben sich, nachdem er sich von dem Mann abgewandt hatte, um Taka fassungslos anzustarren. Sein Körper reagierte nicht auf seine verzweifelten Versuche sich zu bewegen, dem Kleineren zu helfen. Nichts reagierte. Nichts an ihm. Die Welt um ihn herum jedoch bewegte sich unaufhörlich und das obwohl sich der Blonde nichts mehr wünschte, als dass sie anhielt. Oder noch besser, dass die Zeit zurücklief. Hätte er den Wagen doch nur früher gesehen, wäre er aufmerksamer gewesen, hätte er sich nicht so auf Banalitäten konzentriert und-

Toru fuhr herum, als er eher unsanft aus dem Fahrzeug gezogen wurde, leistete jedoch keinerlei Widerstand des Schockes wegen. Noch einmal sah er zu seinem Verlobten, die Augen weit aufgerissen. Alle Emotionen und Worte, welche seine Stimme nicht aussprechen konnte, lagen in seinem Blick, doch wer war dieser Sprache schon mächtig?

Taka war es. Taka wäre es.

Das alles war zu viel für ihn, in seinem Kopf hämmerte es und erst jetzt, wo er den diesen durch die aufrechte Haltung leicht senkte, bemerkte Toru, wie ihm ein Rinnsal Blut von der Stirn tropfte. Die ersten Helfer scharten sich bereits um ihn, tupften ihm dieses von der Haut und stützten ihn, bewegten sich auf eine für ihn bereitgestellte Trage zu.
 

„Taka…“, schaffte er mit kratziger Stimme zu wispern, war im Begriff sich wieder zu dem kleinen Körper umzudrehen, doch seine Beine gehorchten ihm nicht und sie zu verfluchen wäre zu kraftaufwendig gewesen. Niemand hörte sein stimmloses Flehen. Niemand der Helfer und schon gar nicht der Mann, an den dieses gerichtet war. Es war hoffnungslos und so frustrierend.
 

„Sir, bitte legen Sie sich, wir versorgen ihre Wunden und fahren Sie anschließend ins Krankenhaus.“ Toru leistete den Anweisungen des Ersthelfers eher unbewusst Folge, wurde er doch von den anderen praktisch auf diese verfrachtet. Es sollte ihm gleichgültig sein, alles war ihm gleichgültig. Alles außer dem kleinen Lockenkopf, dessen Präsenz sich noch die ferner angefühlt hatte. Der Blonde wollte weinen, schreien, alle Götter dieser Welt anbeten, die Zeit doch bitte zurückzudrehen und ihm dieses Leid zu ersparen und sie verfluchen, falls sie dies nicht täten. Nie in seinem Leben fühlte sich Toru unfähiger, nie in seinem Leben fühlte er sich einsamer und nie in seinem Leben hasste er sich und was er getan hatte so sehr wie jetzt.
 

„Hey,“, brachte er hervor und hielt einen vorbeilaufenden Polizisten am Saum seiner Jacke fest. Wenigstens die Kraft schaffte er aufzubringen. Der Beamte drehte sich etwas perplex um. „was ist mit ihm?“ Schwach aber bestimmt neigte Toru seinen Kopf leicht in Takas Richtung und sah wie der Mann kurz seinen Blick abschweifen ließ, als wäre ihm etwas unangenehm. Etwas in Toru zog sich zusammen.
 

„Er lebt, aber zum jetzigen Zeitpunkt kann ich Ihnen Weiteres leider nicht genau sagen.“ Ein Teil in dem Blonden entspannte sich, woraufhin ein anderer begann sich anzuspannen, da ihm der Polizist keine genaue Auskunft geben konnte. Weitere Sirenen klangen in der Ferne. „Es war nicht Ihre Schuld gewesen, der Führer des anderen Wagens hat Ihnen die Vorfahrt genommen, er ist tot.“ Plötzlich erinnerte Toru sich wieder an das schwarze Auto, welches plötzlich aus dem Nichts auf Takas Seite aufgetaucht war, die ganze Szene spielte sich vor seinem inneren Auge erneut ab, wie er Gas geben wollte, vorher noch mit Taka gescherzt hatte und diesen plötzlich anschrie, als die vorher unbemerkt gebliebenen Scheinwerfer neben ihnen erschienen, noch eine Hand ausstreckte, aber es bereits zu spät war. Alles überkam ihn wieder, Adrenalin schoss durch seinen Körper und mit weit aufgerissenen Augen und voller Panik richtete sich der Blonde auf, um sich im nächsten Moment unkontrolliert auf den Asphalt neben sich zu übergeben.
 

„Ein Handtuch!“, rief einer der rot gekleideten Männer und bekam schon wenige Sekunden später das angeforderte Objekt, tupfte Toru damit den Mund ab und drückte ihn sachte zurück auf die Trage, die sich nun in Bewegung setzte. Der Blonde wollte so sehr weinen, aber er konnte nicht. Sein Körper fühle sich so kalt und leblos an, als wäre es nicht sein eigener.
 

„Taka…“, murmelte er ein weiteres Mal, diesmal jedoch laut genug, dass zumindest der Ersthelfer, der ihm zuvor das Handtuch gegeben hatte, sich zu ihm drehte. Seine Haare waren lockig und schwarz. Ähnlich wie die von Taka. Wieder fühlte Toru sich nach Übergeben, versuchte aber dieses Gefühl zu unterdrücken, würde sich aber auch nicht wundern, wenn sich sein Körper abermals gegen seinen Willen richtete. Was machte es schon?
 

„Ich weiß leider nicht genau, was mit Ihrem Freund passiert ist, aber ich versichere Ihnen, dass er sich in den besten Händen befindet. Sie werden zum jetzigen Stand der Dinge in dasselbe Krankenhaus gebracht, jedoch werden Sie glücklicherweise nicht auf die Intensivstation müssen.“ Es gab vieles an diesen Sätzen, was der Blonde gerne verbessert hätte. Dass Taka nicht sein Freund, sondern sein Verlobter war, dass egal in welchen Händen sich der Kleine befindet, Toru das keineswegs beruhigte und auch, dass man wohl kaum von Glück reden konnte, wenn die Person, die einem Alles bedeutete, der eigenen Schuld wegen so schwer verletzt wurde, dass Sie auf die Intensivstation muss. Es gab so vieles, was Toru an diesen Sätzen hätte verbessern wollen, doch es fehlte ihm einfach die Kraft. Mittlerweile befanden sie sich im Krankenwagen und der Blonde spürte, wie die ersten Nadeln ihren weg in seine Haut fanden, die ersten Verbände angelegt wurden und die Sirenen allmählich leiser wurden, da sich das fahrende Fahrzeug von der Unfallstelle entfernte. Und von Taka.

„Sie hatten unglaubliches Glück, nur mit ein paar Prellungen und Verstauchungen diesem Crash entkommen zu sein. Ihr Schutzengel muss wirklich gut auf sie aufgepasst haben.“ Wieder diese falsche Verwundung des Wortes „Glück“. Was war an all diesen Gegebenheiten Glück? Wieso hatte es ihn nicht getroffen, sondern den kleinen Schwarzhaarigen, der doch mit der gesamten Situation während des Unfalls so gar nichts zu tun hatte, nur neben Toru saß, ihn sogar Minuten vorher daran erinnerte, seine Aufmerksamkeit dem Straßenverkehr zu widmen. Wieso traf es Taka?
 

„Das hat er.“, antwortete er monoton und starrte nur an die weiße Decke des Krankenwagens, dessen Martinshorn ihm so fern vorkam, wie durch deine Glaswand. Die Augen des Blonden begannen zu brennen und beinahe rechnete er damit, endlich fähig zu sein, Tränen zu vergießen, doch es blieb nur bei dem Kribbeln in seinen Lidern, ehe er diese langsam schloss, als die Wirkung der Medizin einsetzte. Womit hatte sein Schutzengel das verdient?
 

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„Ich kann das Geräusch nicht mehr hören.“, murmelte Toru auf das Martinshorn bezogen, und sah in die Richtung, in die der Krankenwagen verschwunden war, fragte sich innerlich, welcher Person wohl diesmal etwas genommen wurde, was sie liebte. Augenblicklich krampfte sich seine Brust zusammen und er seufzte.
 

„Wir treffen uns bei Tomoya, wir dachten das sei besser, als wenn wir dich jetzt in die Öffentlichkeit setzen, weil…naja, weil du wahrscheinlich deine Ruhe willst und die auch dringendst brauchst.“ Wären die Umstände andere gewesen, so hätte Toru vermutlich über die Fürsorglichkeit seines besten Freundes geschmunzelt, so aber nickte er nur zustimmend uns sah anschließend wieder aus dem Fenster. Er verspürte nicht den Drang zu reden, was sollte er ohnehin schon groß sagen? Abgesehen von Schwestern, Ärzten und Polizisten hatte er in der vergangenen Woche nicht viele Menschen zu Gesicht bekommen und das war ihm auch Recht so. Auch wenn es seine Bandkollegen nur gut meinten, wäre es nach ihm gegangen, so würde er Tag und Nacht am Bett seines Verlobten wachen, was jedoch aufgrund seiner bereits vollzogenen Entlassung nicht mehr möglich war. Wenigstens einen scheiß Arm hätte er sich doch brechen können, dann hätte er jetzt noch länger im Krankenhaus bleiben müssen und müsste die Zeit mit Taka jetzt nicht auf die blöden Besucherzeiten reduzieren.
 

„...en?“ Aus den Gedanken gerissen wandte Toru seinen Blick von dem mit Regentropfen besprenkelten Fenster ab, durch das er ohnehin nichts wirklich fokussiert hatte und sah Ryota, der an einer Kreuzung zum Halten gekommen war, entschuldigend an.
 

„Sorry, ich war mit meinen Gedanken woanders, was sagtest du?“ Der Brünette formte nur ein verständnisvolles Lächeln, als sein Freund ihn so verloren ansah. Die sonst schon ohnehin präsenten Augenringe des Blonden waren noch viel dunkler und auch sein helles Haar hing ihm achtlos in die Stirn. Viel Schlaf schien der Ältere in den vergangenen Tagen nicht gehabt zu haben, was Ryota zwar gewissermaßen widerstrebte, aber in Anbetracht der Situation verständlich war, daher wagte er es nicht, Toru darauf anzusprechen, zumindest nicht direkt.
 

„Schon okay, ich fragte nur, ob du heute schon was gegessen hast, ansonsten würden wir bei Tomoya was bestellen, wenn du bock hast. Selber kochen wäre bei uns dreien dann doch eine mittelschwere Katastrophe.“, meinte Ryota und fuhr an, da die Ampel grün anzeigte. Toru zwang sich zu einem Lächeln auf die gut gemeinten Worte des Jüngeren hin, obwohl seine Augen abermals anfingen zu brennen. Wenn sie sich zu viert trafen, war es immer Taka der kochte und ihnen zumeist Anweisungen gab in der Hoffnung, dass die drei Instrumentalisten es doch eines Tages auch hinbekämen, sich selbst ohne seine Hilfe zu versorgen. Doch jetzt ohne Taka würde niemand in der Küche stehen und sie schief von der Seite angucken, wenn sie das Gemüse umständlich schnitten, oder nicht wussten, wie manch Küchengerät benutzt wurde. Es würde niemand da sein, der Tomoya frei aus einer Laune heraus den Kochlöffel auf den Hintern haute. Es würde niemand vorm Herd stehen und Toru in Abwesenheit der anderen zärtliche Küsse auf die Wange drücken und anschließend so tun, als wäre nichts gewesen. Es würde niemand da sein der-

„Also?“
 

„Nein. Nein, ich hab noch nichts gegessen. Aber ich weiß auch nicht, ob ich was runterbekomme, ehrlich gesagt.“, gestand Toru. Dass er sich seit Tagen lediglich von Wasser und einem Schokorigel täglich, den er morgens routinemäßig am Krankenhaus Kiosk kaufte ernährte, verschwieg er Ryota. Er wollte dem Bassisten nicht mehr Sorgen bereiten, als er bereits hatte, immerhin litten er und Tomoya ebenfalls unter der Situation. Taka war ihr engster Freund.
 

„Ich verlange ja auch nicht von dir, dass du eine ganze Pizza verdrückst, ich will einfach nur sehen, dass du deinem Körper zumindest ein paar Proteine zuführst, denn die hast du deinem Aussehen nach ehrlich gesagt bitter nötig, du Zombie.“ Ryota versuchte locker zu klingen, wollte seinen Freund etwas ablenken. Aus dem Augenwinkel sah er, dass sich die Mundwinkel des Blonden zumindest ein wenig hoben und gab sich mit dieser Reaktion zufrieden.

Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend, was Toru wohl gerade am besten tat, ehe sie auf den Parkplatz, der zum Wohnkomplex gehörte, in dem Tomoya wohnte, fuhren und den Wagen dort abstellten.

Es war bereits einige Zeit vergangen, seit Toru das letzte Mal bei ihrem Drummer gewesen war. Die meiste Zeit trafen sie sich bei ihm oder Taka, ganz einfach aufgrund von mehr Platz und der Lage ihrer Wohnungen, die im Vergleich zu Tomoyas und Ryotas doch deutlich weiter im Zentrum der Stadt lagen. Es kam dem Blonden nicht so vor, als habe sich seit seinem letzten Besuch etwas verändert, als er dem Brünetten in das Gebäude folgte, nachdem dieser angeklingelt hatte, aber eigentlich hatte er ohnehin nie groß auf die Umgebung geachtet, war er doch stets in hitzige Gespräche mit seinen Bandkollegen verwickelt gewesen.

Auf dem Weg durchs Treppenhaus griff der Blonde nach dem Eisengeländer, um sich etwas festzuhalten, da seine Beine vom langen Liegen und den ganzen Medikamenten doch noch etwas schwach waren und fuhr zusammen, sowie ein lautes Klirren seine Ohren erreichte. Wie wachgerüttelt bleib Toru stehen und musterte seine linke Hand, nachdem er diese wieder vom Geländer genommen hatte.
 

„Der Ring…“, murmelte er eher zu sich selbst, da er noch gar nicht realisiert hatte, dass sein bester Freund ebenfalls stehen geblieben war und ihn nun mit einem besorgten Blick musterte.

Das metallische Geräusch wurde verursacht von seinem silbernen Verlobungsring, der in Torus Bewegungsablauf an das matte Treppengeländer gekommen war. Das Schmuckstück war ein wenig verrutscht, sodass „Ta“ von Torus kleinem Finger verdeckt wurde, was der Blonde jedoch sofort korrigierte und anschließend sachte mit dem Finger über die verschnörkelte Gravur strich. Für gewöhnlich erinnerte ihn der Anblick des silbernen Objektes daran, dass es Taka und ihn für immer miteinander verband, da der Lockenkopf das Gegenstück trug, doch jetzt gerade löste er genau das Gegenteil in Toru aus.

Sein Lockenkopf trug den Ring nicht und Toru war sich auch nicht sicher, ob er es je wieder könnte, das Schmuckstück lag in ein kleines Säckchen gepackt bei sich zuhause sicher in einer Schublade, wo er seinen früher oder später wohl auch hintuen würde. Er hatte Taka mit Abnahme dieses Ringes seiner Vergangenheit beraubt und das einzig und allein aus Egoismus, aus Angst davor, einer Zukunft zu begegnen, in der sich Taka nicht mehr in ihn erinnern würde. In der Taka ihn nicht mehr lieben würde. Toru würde den Ring früher oder später ohnehin zurückbekommen, also was machte es schon für einen Unterschied? Wieso sollte sich Taka ein zweites Mal in ihn verlieben, wieso sollte dem Blonden ein solches Glück ein zweites Mal wiederfahren, wo er doch so jämmerlich versagt hatte, seinen Liebsten zu beschützen? Welches Recht hatte er, derartige Entscheidungen zu treffen, zu entscheiden, dass Taka noch einmal ganz von vorne, ohne ihn als Verlobten beginnen sollte? Es war jämmerlich, es war feige. Doch wie konnte er es ertragen zu sehen, wie der Lockenkopf keinen blassen Schimmer hatte, wer er war? Wie sollte er bloß dazu in der Lage sein, Taka nach all dem wieder als einen gewöhnlichen Freund anzusehen – wohlmöglich für immer? Und wie zum Teufel sollte er dazu fähig sein, die Präsenz einer Person zu ertragen, die noch immer dieselbe war, jedoch nicht mehr wusste, wer man war, obwohl man noch Wochen zuvor das Wichtigste im Leben dieser Person war?
 

Ohne, dass Toru es wirklich bemerkte, sank er zu Boden, den Ring fest umklammert und brach in Tränen der Verzweiflung aus.

When Angels fall

Das warme Wasser prasselte auf seiner Haut nieder und der Dampf breitete sich im ganzen Raum aus. Der Vorschlag von Tomoya, sich unter der Dusche zunächst einmal zu erfrischen, hatte sich als richtig erwiesen, denn zumindest fühlte sich der Blonde etwas aufgeweckter, dennoch brannten seine Augen von den Tränen, die sie kurz vorher im Treppenhaus vergossen hatten. Das Wasser abdrehend, stieg Toru aus der Dusche und warf sich ein Handtuch um, trocknete sich ab und schlüpfte in die Kleidung, die Tomoya ihm bereit gelegt hatte. Toru hatte immer ein paar wenige seiner Klamotten bei seinen Kollegen gelagert, falls er mal ungeplant bei diesen übernachten würde. In die frischen Klamotten gestiegen, rubbelte er mit einem zweiten kleineren Handtuch schließlich noch über seine Haare, bis auch diese zumindest nicht mehr vor Nässe trieften.

 

Wie der Gitarrist ins Wohnzimmer trat, wartete dort schon die von den Bandkollegen bestellte Mahlzeit auf ihn. Wenigstens eine kleine Pizza sollte Toru essen, sonst würde er wegen des Mangelns an Nahrung dem Krankenhaus einen weiteren Besuch abstatten, dessen Grund dafür dann aber nicht Taka war. „Danke.“, war es leise zu vernehmen. „Nicht dafür.“, lächelte Tomoya seinem Freund zu. „Ich hoffe, es geht dir wenigstens ein bisschen besser.“, fügte er noch hinzu. Ein zustimmendes Nicken des Blonden. „Ja.“, antwortete der Yamashita, wischte sich dennoch unterhalb der Augen die leicht angesetzte Feuchtigkeit ab. Er spürte, wie mit jeder Sekunde, die er an Takahiro dachte, weitere Tränen aufstiegen, so müsste er sich jetzt irgendwie ablenken, um dies zu vermeiden.

Ryota klopfte auf den freien Platz der Couch neben sich, gestikulierte somit, dass Toru sich setzen sollte. Der Blonde setzte sich langsam in Bewegung, nahm neben seinem besten Freund Platz und betrachtete für einen Moment lediglich die kleine Pizza in der bereits offenen Verpackung, bevor er doch einen Bissen zu sich nahm. Erleichtert konnten Ryota und Tomoya mit ansehen, wie der Leader ihrer Band seinem Körper nach Tagen wieder etwas Gutes tat.

 

        „In welchem Zustand befindet er sich eigentlich…“, erkundigte sich Tomoya nun vorsichtig kleinlaut. Toru blickte auf, erschauderte innerlich, sowie ihm alles wieder hochkam. Die Pizza zurücklegend, schwieg er einen Moment, wusste nicht, wie und ob er antworten konnte. Allerdings hatten die beiden ein Recht darauf, zu erfahren, wie es um ihren Frontmann stand, doch war Takahiro derjenige, dessen Herz nur für Toru bestimmt war – und umgekehrt. Zumindest war das bis vor kurzem so gewesen. Wie gerne würde Toru weiter in der Vergangenheit leben, wo alles noch so rosig um sie stand, die Beziehung, von der sie glaubten, sie würde für immer sein, und jetzt war sie dahin. Fort. Das alles war wie eine Seifenblase, es war viel zu schön gewesen. Wie in einer Seifenblase hatten sie gelebt, doch dieser Unfall, die Ursache dafür, dass es Taka jetzt so schlecht erging und verantwortlich für seine beraubte Vergangenheit war, war die Nadel gewesen, welche diese wunderschöne, regenbogenschimmernde Seifenblase zum Platzen gebracht und Toru auf den kalten Asphalt der Gegenwart fallen gelassen hatte, während Takahiro wohl seiner einsamen Vergangenheit erliegen würde.

                    

         Stimmte es wirklich? Gab es wirklich kein ‚für immer’? Es war Taka gewesen, der ihn selbst mittels eines Songs  sein Wort gegeben hatte, dass es so etwas wie ‚für immer’ gab und er immer an Torus Seite bleiben würde. Nur Taka war in der Lage all das, wozu Toru oder sonst jemand nicht in der Lage war, in Worte zu fassen, in Songs zu verfassen, die bisher noch jeden berührten und Hoffnung gegeben hatten. Jetzt aber war da diese Mauer, von der Toru nicht sagen konnte, wie stark sie ist, solange er nicht wusste, an wie viel Taka sich wirklich noch erinnern konnte. Irgendwo, auch wenn es nur ein kleiner Funke war, hoffte Toru doch innständig, dass der Lockenkopf sich wenigstens im Entferntesten an ihre Beziehung erinnern konnte, schließlich waren sie so lange glücklich miteinander gewesen und am Ende Verlobt – so etwas könnte doch niemand vergessen?

 

Es verharkte sich ein Gedanke mit dem anderen, sodass immer mehr Erinnerungen hochkamen. Sie waren so erdrückend, sorgten augenblicklich für Schmerzen unter der blonden Pracht. Die Bilder, welche diese unvergesslichen Momente von ihnen zeigten, hingen in beider Wohnungen, würden an eine Zeit erinnern, die vielleicht nie mehr wieder kommen würde.

           

„Toru?“ Eine vor Torus Gesicht winkende Hand rief benannten wieder zurück in die Realität. Ryota sah seinen besten Freund besorgt an, hatte seine Hand auf der Schulter des Älteren abgelegt. „Er wird vermutlich nicht mehr der sein, den wir zum Schluss erlebt haben…“, wisperte Toru, woraufhin sich wieder etwas der salzigen Flüssigkeit aus seinen Augenwinkeln löste und an seinen Wangen hinab rann.  Auch wenn sich seine beiden Freunde nur wage etwas unter dieser Aussage vorstellen konnten, so wollten sie nicht weiter fragen stellen. Ryota lies seine Hand  von der Schulter des Blonden in seinen Nacken gleiten, zog ihn an seine eigene Schulter herunter, um seinen Kopf an den des Gitarristen  zu lehnen.

 

Der kleine Sänger war alles für ihn gewesen und Toru  war alles für Taka gewesen. Die beiden hatten aneinander so viel erlebt, durchgemacht. Toru hatte ihn damals aufgenommen, als er niemanden hatte, hatte ihn wieder aufgepäppelt, ihn gebeten, in seine Band zu kommen. Takahiro hatte mit der Zeit so viel an Selbstbewusstsein gefunden, dass man ihn kaum wiedererkannte. Toru war stolz gewesen. Auf den Lockenkopf, der sich nach langer Zeit wieder etwas zugetraut hatte…

 

            Toru hatte sich noch am selben Abend von seinen Kollegen nach Hause bringen lassen, nachdem sie ihn mit aller Kraft versucht hatten, zu beruhigen. Er war seinen Freunden dankbar, dass sie ihm beistanden, immerhin teilten sie auf einer Ebene dasselbe Leid, doch würde er fürs Erste lieber für sich alleine sein wollen.

Der bislang wütende Sturm bestand inzwischen nur noch aus eiskaltem Regen, der unaufhörlich auf der Stadt niederprasselte. „Wenn du noch irgendwas brauchst, weißt du ja, wo du uns erreichen kannst.“ Toru nickte verständnisvoll, öffnete die Tür der Beifahrerseite und verabschiedete sich vom Drummer, ehe er in Richtung Wohnung tappte - zu seiner Wohnung, in welcher so viele Erinnerungen an den Sänger in Form von einigen eingerahmten Fotos auf ihn warteten.

 

Den dunklen Flur betretend, knipste Toru das Licht an, lies die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Es kam ihm vor, als wäre er eine Ewigkeit nicht hier gewesen. Gerade als er aus seinen Schuhen schlüpfen wollte, fiel ihm die auf dem Boden liegende Zeitung auf, die der Bote durch den für die Post vorgesehenen Schlitz in der Tür geschoben hatte. Auf der Titelseite war die Schlagzeile ganz groß zu lesen. Viel eher sorgte aber das darauf abgedruckte Bild für ein entferntes Dämmern in Torus Hinterkopf, als er die Zeitung aufhob.

 
 

…Der Fahrer kam mit leichten Verletzungen davon, während der Beifahrer zu gegebener Zeit noch im Krankenhaus liegt. Nach bisherigen Informationen soll sein Zustand dennoch stabil sein. Der Unfallverursacher starb noch am Unfallort an…
 

 
 

Die Zeilen, die Toru im Artikel aufgegriffen hatte, brachen sogleich wieder ab. Egal wo, überall wurde er an diesen Tag erinnert. Immer wieder.  Als würde  man ihm die Schuld zuweisen wollen. Aus der Trauer wurde allmählich Wut, sodass die Papiere in seinen Händen unter dem Druck Falten bildeten, bis den Blonden doch die Kraft verlies, er das Knäuel schlapp zu Boden fallen lies. Es brachte nichts. Am liebsten würde er wieder bei Taka sein, an seiner Seite wachen, auf ihn aufpassen und da sein, wenn er die Augen wieder öffnete. Doch es würde ihn wohl nur noch weiter runterziehen, ihn einfach dort liegen zu sehen. Regungslos.

Weiter ins Wohnzimmer schreitend, lies er sich dort auf die weiche Couch fallen. Toru bemerkte, wie sehr der Schlaf, den er seit Tagen nicht gehabt hatte, an ihm zerrte. Er musste nicht weiter darüber nachdenken, war er schon in einen festen Schlaf verfallen. Trotz der Tatsache, dass das Wetter draußen erneut begann zu einem Sturm zu werden und den Wind stetig an die Fensterscheiben peitschen lies, bemerkte der Leader davon nicht das Geringste. Zu sehr hatten ihn die letzten Stunden, Tage den Atem und jede Menge Kraft geraubt. Für ein paar Stunden konnte Toru all dem entfliehen. Vor seinem inneren Auge war alles so dunkel und still, nicht ein Traum hatte sich in seine Gedanken genistet, selbst dafür war der junge Bandleader viel zu erschöpft gewesen.

 

Vom gestrig wütenden Sturm war an diesem Morgen nicht mehr die geringste Spur zu vernehmen. Die Sonne schien grell durch die Lücken der Jalousien, traf in das makellose Gesicht des Blonden, was dazu führte, dass Toru schließlich aufwachte. Die Uhr an der Wand verriet ihm, dass es bereits kurz vor 9 Uhr war. Er hatte ziemlich lange geschlafen, wollte sich gerade nach seinem gelockten Freund umsehen, war immer noch etwas schlaftrunken, bevor ihn sein klarer Verstand erreicht hatte. Was jetzt noch von Takahiro geblieben war, waren die Bilder. Eher zögerlich berappelte sich Toru, schritt langsam herüber ins Schlafzimmer.

Ein Doppelbett, in dem sie aneinander schon so einige Nächte gestohlen haben, jetzt aber war es leer. Kein Taka war da, der ihn liebevoll wecken würde, indem er ihm zärtliche Küsse auf die weiche Haut hauchen würde. Und auch kein Taka, der ihn mit seiner wunderschönen Stimme in den Bann zog, wenn er an einem neuen Song arbeitete.

 

All diese Zeit müsste Toru jetzt verdrängen – zusammen mit Taka. Auch wenn sie nicht allzu viele Bilder gemeinsam hatten, die, Toru damals stolz hier und dort platziert hatte, um jeden Morgen erinnert zu werden, was für ein Glück er hatte – auch wenn es ihm noch so sehr widerstrebte, er würde sie abnehmen. Er würde sie ebenso untergehen lassen, wie den Verlobungsring, den Takahiro erst vor kurzem von ihm bekommen hatte. Toru prägte sich immer wieder ein und dieselbe Lüge in den Kopf; dass er das nur tun würde, um den kleinen Lockenkopf zu schützen, ihn nicht zu verwirren. Doch  viel eher zog er für sich einen Schlussstrich. Indem er auch die in Bild gehaltenen Augenblicke mit Taka abnahm, würde auch für ihn einiges verschwinden. Wie selbstsüchtig, obwohl er es doch mit einem Stechen im Herzen tat. In seinen Augen machte sich erneut dieses verräterische Brennen bemerkbar.

 

Eines nach dem anderen nahm er ab, verstaute es in der Schublade seines Nachttisches. Nur eines lies er auf der Ablage des kleinen Tisches stehen. Ein einziges, auf dem nur Taka zu sehen war, wie er breit grinsend in die Kamera schielte. Toru betrachtete das Foto noch einen Moment gedankenverloren auf dem weichen Bett sitzend, bevor ihn ein lautes Surren aus den Gedanken zog. Sein iPhone vibrierte lautstark in der hinteren Hosentasche – der Blonde hatte es vor lauter Müdigkeit gestern weder geschafft sich umzuziehen, noch sein Smartphone irgendwo abzulegen. Toru befreite das silberne Objekt aus der Tasche, stellte das eingerahmte Bild zurück an seinen Platz, als er den Namen ihres Managers auf dem Bildschirm erkannte.

 
 

„Das Krankenhaus hat sich gemeldet. Taka ist aufgewacht.“
 

 

Realisation

Der vertraute Geruch von Desinfektionsmittel kam ihm entgegen, als würde Toru gegen eine Wand laufen, als er völlig atemlos durch den gläsernen Eingang des Krankenhauses, in dem er in den letzten Wochen so unzählig viele Stunden verbracht hatte, trat. Es war ruhig im Empfangsbereich, so ruhig, dass sein eigener Herzschlag das Lauteste war, was der Blonde vernahm. Er pochte in seinen Ohren, schien der Rhythmus zu sein, an den sich sein Körper nun zwangsläufig halten musste und der ihn bestimmte. Torus Hände waren nass, ob vor Schweiß oder dem Regen, welchem er nicht das kleinste Bisschen Beachtung geschenkt hatte, wusste er selbst nicht, aber es wäre in dieser Situation ohnehin nicht von Belangen gewesen. Nicht für Toru.

 

Die Schwester, die sich scheinbar seiner annehmen wollte ignorierend, lief Toru in Richtung Treppenhaus. In einem Fahrstuhl, dessen Tempo er nicht bestimmen konnte, auszuharren kam für ihn nicht in Frage. Fast schon provokant presste sich sein Smartphone gegen seinen Oberschenkel, als er die ersten zwei Stufen gleichzeitig nahm, erinnerte ihn an die SMS ihres Managers, die noch immer auf dem Display zu sehen war, würde Toru ihn entsperren. Sein Herz schlug noch immer wild, vielleicht sogar noch etwas schneller. Taka war wieder wach, er würde wieder mit ihm reden können, seine Stimme hören, sein Lächeln sehen, seine Hand durch die dunklen Locken gleiten lassen, die eigenen Lippen mit den vollen des Älteren vereinen.

 

Abrupt bleib Toru stehen, vernahm den eignen Puls ein paar Sekunden lang nicht, blendete ihn aus. Richtig. Sein Lockenkopf hatte Amnesie, er würde sich wohlmöglich nicht mehr an ihn erinnern können, geschweige denn an das, was zwischen ihnen war. Gewesen war.

Wie sollte sich Toru verhalten? Würde er es überhaupt ertragen in Takas Gegenwart zu sein? Was wenn er anfing zu weinen, was sollte Taka denken? Etwas in dem Blonden brach in sich zusammen und landete auf dem großen, bereits vorhandenen Scherbenhaufen in ihm. Was dachte er sich überhaupt? Es würde nur wehtun den Sänger zu sehen, es würde Taka nur verwirren Toru jetzt schon zu begegnen.

In seinem Hinterkopf entstand die Versuchung einfach wieder kehrt zu machen und zu verschwinden, doch als Toru den Kopf drehte und die bereits zurückgelegten grau gefliesten Stufen betrachtete, fühlte sich nichts falscher an als der Gedanke des Weglaufens. Das würde er Taka nicht antun können und sich selbst nicht antun wollen.

 

Mit einem drückenden Gefühl in der Brust schritt er die Treppen weiter hinauf, was ihm nun deutlich schwerer fiel als zuvor, geschuldet den Sorgen, die nun wieder wie ein zusätzliches Gewicht auf seinen Schultern ruhten und aus jedem Schritt einen Kraftakt machten. Ein Teil von ihm wünschte sich nichts sehnlicher, als den Menschen, den er am meisten liebte endlich wiederzusehen, ein anderer hatte so schreckliche Angst vor eben genau dieser Begegnung, dass Toru schlecht wurde, sobald er diesem nachgab.

 

„Intensivstation "

 

Seine Gedanken drehten sich im Kreis, sie zu verfolgen würde Toru nicht weiterbringen, er würde sich lediglich in ihnen verlieren.

In der dritten Etage war es ruhig, in einiger Entfernung war das tiefe Lachen eines Mannes zu hören, gefolgt von dem eines weiteren. Ein kurzer Blick auf das an der weißen Wand angebrachte Ziffernblatt verriet Toru, dass es gerade einmal zehn Uhr war, es war nicht viel Zeit vergangen, nachdem er die Nachricht über den erwachten Sänger erhalten - und er sich auf den Weg ins Krankenhaus gemacht hatte.

 

„Intensivstation“

 

Langsam schob er die gläserne Tür auf, bedacht darauf so wenig Geräusche wie möglich von sich zu geben, auch wenn ihn wohl kaum jemand durch die dicken Türen hätte hören können. Zur linken Seite des Flures befand sich ein Fenster, durch das Toru im Vorbeigehen die hellen Sonnenstrahlen sah, welche die Sonne nach dem letzten Regenschauer zuvor ausstrahlte, sie aber für den Moment – so schön dieser Anblick auch war – als zweitrangig abstempelte, stattdessen auf eine weiße Tür zuging, die die zweitletzte an der rechten Wand war. Der Blonde hätte auch ohne das an der Wand angebrachte Schild mit dem Namen des hier liegenden Patienten gewusst, wer sich in diesem Zimmer befand, doch bei dem Anblick der vier Schriftzeichen überkam Toru wieder Angst. Ihn und Taka trennte lediglich diese Tür, lediglich diese Tür war es, was ihn davon abhielt, seinen Lockenkopf wieder in die Arme zu schließen. Sie und die nackte Angst vor der Ungewissheit. Noch nie in seinem Leben war Toru so verunsichert gewesen, noch nie hatte er so mit sich selbst ringen müssen. Der kalte Türgriff in seiner Hand fühlte sich an, wie eine Stange Dynamit die jeden Moment hochgehen, man sie aber der Panik wegen nicht mehr loslassen konnte.

 

Kühle Luft kam Toru entgegen, man hatte wohl das Fenster aufgemacht. Aus dem Augenwinkel sah der Blonde, wie die weißen Gardienen sich leicht im Windzug bewegten, geradezu in den Raum hineintanzten, bevor sein Blick auf das Bett fiel, neben dem er so oft gewacht hatte. Er fühlte seine Augen wieder feucht wurden und verspürte den Drang, den aufrecht im Bett Sitzenden um den Hals zu fallen, genießen zu können, wie sich diesmal auch die Arme des Älteren um seinen Körper legten, er ihm sanft den Rücken streichelte und ihm sagte, dass alles okay sei. Als sich Takas Kopf zu ihm drehte meinte er, sein Herz aussetzen zu spüren und beinahe vergaß Toru zu atmen, als ihn große, braune Augen durch eine wilde Lockenmähne hindurch ansahen. Die Lippen seines Freundes sahen trocken aus, die Wangen jedoch gesund rot, ebenso wie die Nasenspitze des Sängers. In seinen Händen hielt er einen Zettel, dessen Aufschrift Toru jedoch nicht erkennen konnte. Wie angewurzelt starrte er den Lockenkopf an. Seinen Lockenkopf. Seinen Taka.

 

„Taka, i-“

 

„Toru!“ Wie ein Kind, das von seiner Mutter aus der Kindertagesstätte abgeholt wurde, strahlte Taka den Blonden an, dem sein eigenes Wort im Hals stecken geblieben war. Seine Augen weiteten sich und Toru befürchtete, dass Tränen binnen weniger Sekunden abermals an diesem Tag ihren Weg über seine Wangen fanden. Taka wusste, wer er war. „Oh wow, die blonden Haare stehen dir aber!“ Ein Lachen verließ die Kehle des Kleineren, welches jedoch von den tausenden Scherben, welche in Torus Inneren zu Boden fielen, übertönt wurde. Taubes Gefühl machte sich in seinen Beinen breit, woraufhin Toru etwas schwankend auf Takas Bett zuging und sich zu dessen Füßen auf die Matratze sinken ließ.

 

„Alles in Ordnung? Der Doktor meinte, du wärst auch in den Unfall verwickelt gewesen, vielleicht wäre es besser, wenn du wieder in dein Zimmer gehst und dich hinlegst? Die Medikamente scheinen richtig reinzuhauen bei dir. Ich meine, wir können ja später auch noch reden, oder?“ Taka wusste von dem Unfall, er hatte bereits mit einem Arzt gesprochen, okay. Er wusste aber nicht, dass Toru bereits entlassen wurde und der Blonde ging davon aus, dass Taka auch nicht wusste, wie lange er selbst bereits hier lag.

 

„Nein, nein, alles bestens, ich bin in Ordnung.“ Eine Lüge. „Ist nur alles ein bisschen…viel, denke ich?“ Vorsichtig sah Toru auf, traf den besorgten Blick seines Freundes und wollte heulen. Verzweifelt zwang er sich zu einem Lächeln. „Sag mir lieber wie es dir geht.“

 

„Besser als ich aussehe.“ Wieder lachte der Kleinere, hob dabei seinen rechten Arm, an den einiges angeschlossen war, um seine Aussage zu untermalen. „Nachdem ich aufgewacht bin kamen schon die ersten Ärzte und Schwestern, um meine Werte zu überprüfen, sie meinten alles sei hervorragend und wenn es über Nacht so bliebe, dürfte ich sogar schon morgen von der Intensivstation runter.“ Toru war erleichtert, dass zumindest die physische Verfassung seines Freundes in Ordnung zu sein schien, auch wenn der Verband um Takas Kopf im ersten Moment auf etwas anderes schließen ließ, ebenso wie die ganzen Schläuche um den Sänger herum. Generell war das Bild des fröhlich grinsenden Schwarzhaarigen in einer solchen Umgebung geradezu grotesk.

 

„Uhm…der Doktor hat mir erzählt was passiert ist, also das mit dem Unfall. Im ersten Moment hab ich mir fürchterliche Sorgen um dich gemacht, weil ich dich ja nicht direkt hier bei mir hatte, aber er meinte sofort, dass du um einiges glimpflicher davongekommen wärst als ich, da war ich erleichtert.“, erzählte der Kleinere weiter und zeigte seinem Gegenüber aufmunternd einen Daumen nach oben, worüber dieser in einer anderen Situation vielleicht geschmunzelt hätte. Toru spürte seine Wangen etwas wärmer werden, als Taka meinte, dass er sich Sorgen um ihn gemacht habe, auch wenn das natürlich auf einer völlig anderen Ebene gemeint war, als der Blonde es interpretierte. Er verkniff sich ein Seufzen.

 

„Und deine Verletzungen?“ Mit dem Kinn deutete Toru in Richtung Kopf des Kleineren, meinte augenscheinlich den Verband, spielte aber eigentlich auf etwas anderes an.

 

„Ach der.“, begann Taka und zupfte etwas an dem weißen Stoff oberhalb seiner Augen, schielte zu ihm hinauf. „Nein, keine Sorge, den trage ich nur wegen einer Platzwunde, auf die man kein Pflaster machen konnte.“ Besänftigend lächelte er den Blonden an, ließ seinen Blick dann aber auf die weißen Laken fallen, strich eine nicht vorhandene Falte aus der Decke.

 

„Was ist?“, fragte Toru, wobei er die Antwort wahrscheinlich schon kannte und hielt sich im letzten Moment davon ab, nach der Hand des Älteren zu greifen.

 

„Naja, es ist nur…also der Doktor meinte, dass ich mit großer Wahrscheinlichkeit Amnesie habe, also mich an Dinge nicht mehr erinnern kann.“ Auf die Erläuterung hätte Toru gerne verzichten können, verkniff sich diesen Kommentar aber natürlich. „Also…an den Unfall kann ich mich nicht mehr erinnern, aber das sei wohl bei 9 von 10 Patienten so, ansonsten…“ Er griff nach dem Papier, welches er bei Torus Eintritt in sein Zimmer noch in der Hand gehalten hatte und faltete es auseinander. „Ansonsten gibt nicht vieles einen Hinweis darauf, an wie viel ich mich noch erinnern kann, weil die Ärzte mich ja persönlich nicht kennen und meine Aussagen daher nicht bestätigen können, deswegen sollte ich Menschen oder Ereignisse aufschreiben, an die ich mich erinnere.“ Auffordernd hielt er Toru das Blatt entgegen, wollte wohl, dass der Blonde ein Blick darauf warf. Den Drang, die Kompetenz des Fachpersonals anzuzweifelnd, da diese Taka nicht einfach gefragt hatten, welches Jahr sie hätten, unterdrückte er. „Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass ich eine Gedächtnislücke von lediglich ein paar Tagen habe, aber da man sich im Krankenhaus wohl kaum die Haare bleichen kann, hab ich wohl doch etwas mehr verpennt.“ Der Körper des Jüngeren spannte sich an, als er Takas Finger an seinem Ohr spürte, wie sie nach einer der hellen Strähnen griffen und sie fast schon würdigend betasteten. „Schau bitte auf das Papier und sag mir, an wie viel ich mich erinnere, bitte.“ Am liebsten hätte Toru diesen Dienst verweigert, war aber nicht fähig den Kopf zu schütteln, geschweige denn Nein zu sagen. Viel zu eingenommen war er von der Präsenz des Sängers. Mit einem flauen Gefühl im Magen las er die ersten Zeichen auf dem karierten Papier.

 

Shinichi Mori -> Vater
Masako Mori -> Mutter
Tomohiro Moriuchi -> kleiner Bruder
Hiroki Moriuchi -> jüngster Bruder
 

An seine Familie schien sich Taka zu erinnern, auch wenn es Toru missfiel, dass er diese vor der Band, vor ihm, erwähnte, zumal sie solchen Krach gehabt hatten. Aber was konnte der Lockenkopf da schon für, wohlmöglich erinnerte er sich nicht mal mehr daran.

 

ONE OK ROCK -> Band
Toru Yamashita -> Gitarrist von ONE OK ROCK
Alexander Reimon Onizawa -> Gitarrist von ONE OK ROCK
Ryota Kohama -> Bassist von ONE OK ROCK
Tomoya Kanki -> Drummer von ONE OK ROCK
 

An seinem eigenen Namen blieb er hängen, las ihn mehre Male, ohne dass sich die Schriftzeichen änderten. Was hätte er lieber gelesen? Toru Yamashita -> Gitarrist von ONE OK ROCK/mein Verlobter vielleicht. Toru Yamashita -> mein Verlobter/Gitarrist von ONE OK ROCK. In der Reihenfolge wäre es ihm sogar noch lieber gewesen. Doch Taka erinnerte sich nicht. Er würde sich vielleicht nie wieder erinnern und Toru würde den Teufel tun ihm zu sagen, was er ihm bedeutet hatte, das konnte er dem Lockenkopf nicht antun. Ihm ein Schicksal aufzuzwingen, für das er, der jetzige Taka, sich nicht entschieden hatte, wäre falsch. Ihm sein altes zu verschweigen aber auch. Alle Möglichkeiten, die der Gitarrist hatte fühlten sich verlogen und feige an. Er wollte sich verkriechen, weinen, vielleicht sogar schreien. Er saß direkt neben Taka, fühlte sogar dessen Berührung an seiner Ohrmuschel und doch war da ganz deutlich diese Distanz zwischen ihnen, diese Mauer die er unmöglich einreißen konnte, so sehr er es auch versuchte, so sehr er es sich auch wünschte.

Beim Lesen der Schriftzeichen unter seinem Namen, die Taka in seiner zugegeben recht unleserlichen Schrift mit Kugelschreiber auf die Linien gezeichnet hatte, hob Toru erst eine Augenbraue, bevor der Blonde allmählich realisierte was es bedeutete, dass dieser Name dort aufgelistet war.

 

Alexander war nicht mehr Mitglied von ONE OK ROCK.

 

„Taka,“ Schon lange nicht mehr. „Alex hat die Band vor 6 Jahren verlassen.“

The world I hide

Er wollte er könnte es; die Tränen abermals über seine Wangen laufen lassen, seinem Sänger gestehen, wie es ihm erging, ohne ihn an seiner Seite.

Aber um wen sorgte er sich hier eigentlich gerade mehr? Taka musste es doch so viel schwerer fallen. All die Ereignisse, die innerhalb der letzten Jahre geschehen waren und an die der Lockenkopf sich nun nicht mehr zu erinnern vermochte, ließen es so aussehen, als wäre sein Schicksal damit endgültig. Wer konnte ihm denn schon mit Sicherheit sagen, dass seine Erinnerungen zurückkommen würden? Wenn man es genau nahm, dann taperte Taka zum gegebenen Zeitpunkt – und wohl auch in Zukunft – im Nebel. An was oder viel eher an wen konnte sich Taka denn noch vollkommen erinnern? Toru wollte auf keinen Fall, dass sein Sänger wieder so verschlossen wurde, total unsicher darüber, wem er vertrauen konnte und wer eher eine Familie für ihn gewesen war. Der Gitarrist verharrte nun auf einer noch dünneren Eisschicht als zuvor, immerhin wusste er nicht, wie er das Ganze nun handhaben sollte. Was genau war denn gut für Taka und wovor hatte er ihn besser zu beschützen – insofern der Lockenkopf diese Fürsorge überhaupt annehmen würde?

 

Bestürzt über den sich bietenden Anblick vor ihm, zuckte der Blonde zusammen. Die glasig gewordenen, tief braunen Augen des Sängers füllten sich mit Flüssigkeit, bis doch ein Rinnsal seinen Weg über die zarte linke Wange des Dunkelhaarigen fand. Beinahe war Toru dazu geneigt, den Kleineren einfach in eine feste Umarmung zu ziehen, ihm gleich darauf einen Kuss auf die Lippen zu legen, doch er fing sich. Ein brennender Schmerz machte sich in seiner Brust bemerkbar. Leise schluchzte Taka vor sich hin, war einfach zu geschockt und doch verwirrt von dieser Wahrheit, die ihm einfach banal an den Kopf geknallt worden war. Trotzdem nahm Taka dies seinem Bandkollegen in keinster Weise übel, denn Toru war im Augenblick wohl der einzige, der ihn verstand, da er selbst am Unfall beteiligt gewesen war. Außerdem hatte der Lockenkopf jetzt wenigstens Gewissheit darüber, wie viel seiner Vergangenheit ihm wirklich geraubt worden war.

 

„Toru.“, schniefte der Kleinere nun. Toru sah daraufhin nur erneut auf, in die traurig glitzernden Augen.

„Nimmst du mich in den Arm, bitte?“

Diese einfachen Worte nahmen Toru irgendwie jegliche Last von seinen Schultern, lehnte sich der Blonde einfach nach vorne, sodass sich die zierliche Person, angeschlossen an jenen Geräten, gegen die Brust des Gitarristen lehnen konnte. Gar zögerlich legte Toru seine Hände auf dem Rücken des Anderen ab, schlug sein Herz dabei wie wild, sodass der Blonde befürchtete, Taka würde seinen Herzschlag an der eigenen Brust spüren können. Am liebsten würde der Gitarrist dem Dunkelhaarigen beruhigende Worte zuflüstern, ihn mit ein paar Küssen auf Stirn und Wange wieder zum Lächeln bringen, doch diese Option hatte Toru nun nicht mehr. Und was sollte er dem Sänger schon sagen? Die Worte ´Alles wird wieder in Ordnung kommen. Die Erinnerungen kommen sicher zurück` wären wohl doch eher ein Schutzschild, welches auf einer Lüge basierte und das dem Lockenkopf definitiv nicht weiterhelfen würde.

Doch wollte Toru dem Sänger nicht das Gefühl geben, alleine dazustehen in dieser schweren Zeit. Auch, weil der Blonde selbst am Unfall beteiligt gewesen war und sich mit Taka diesbezüglich auf dieselbe Ebene stellen konnte.

 

„Hey, ich habe dir früher schon geholfen und das wird sich auch jetzt nicht ändern.“ Taka gab ihm darauf zwar keine Antwort, jedoch konnte Toru ein leichtes Nicken in der Umarmung vernehmen und wagte es einfach mal, den Lockenkopf doch ein Stückchen mehr an sich zu drücken. Sachte ließ der Blonde sein Kinn auf der zierlichen Schulter des anderen nieder, die Augen starr vor Schreck, versuchte er die Tränen zu bändigen, wollte er keinerlei Schwäche vor dem Älteren zeigen. Nicht jetzt. Trotz – oder vielleicht auch wegen – der eintretenden Stille, fokussierte sich der Kleinere nun noch mehr auf die Tatsache, dass seine Amnesie einen großen Teil seines Lebens verschluckt hatte, weinte nun noch kläglicher. Toru wollte einfach nichts lieber, als diesem zittrigen Körper an ihm zu sagen, wie sehr er ihn liebte und dass er ihm niemals von der Seite weichen würde, doch dieser Wunsch verflog, sowie der Blonde eine immer unregelmäßiger werdende Atmung an seiner Brust verspürte. Einen leichten Kuss hauchte der Jüngere in die volle Lockenpracht des anderen, so leicht, dass dieser ihn nicht einmal spüren konnte.

 

„Taka, bitte. Versuch ruhig zu atmen.“ Dieser Satz passte dem Blonden irgendwie nicht. Es war ihm nicht Recht, wie er sich darin ausgedrückt hatte. Beinahe hätte sich doch das Wort ´Schatz` über seine Lippen geschlichen, wie er Taka nur zu gerne nannte und auch jetzt lieber mit diesem Kosenamen beruhigen wollte. Doch trotzdem schien sich der Lockenkopf langsam zu beruhigen, wurde der angespannte, schmale Körper doch augenblicklich lockerer.

 

-

 

Der Lockenkopf hatte sich vollkommen beruhigt, sich von der starken Brust gelöst und trotzdem schien er die Situation noch nicht akzeptiert zu haben. Sanft lächelnd, die Hände locker auf der Matratze stützend, warf der Ältere dem Blonden einen Blick zu, mit dem er hoffte zu bewirken, dass er den Gitarristen beschwichtigen würde.

            „Danke.“, lächelte der Sänger dem müden Gesicht des Blonden entgegen.

Lediglich dieses eine Wort reichte, um dem Größeren ein ehrliches Lächeln auf die fein geschwungenen Lippen zu zaubern, griff der Yamashita rein aus Reflex nach der kleineren Hand, um seine Finger erst über den Handrücken streichen zu lassen und dann doch die eigene Hand vollkommen auf ihr abzulegen. Doch da bemerkte Toru erst, was er da tat, blickte den Dunkelhaarigen perplex an und merkte sogleich ein schreckhaftes, kurzes Zucken seiner Hand, die doch noch immer auf Takas verweilte. Zu stören schien dieser Kontakt den Lockenkopf aber anscheinend nicht, wie Toru kurz darauf anhand von dessen Gesichtsausdruck vermuten konnte. Taka lächelte noch immer – aufrichtig – mit so intensivem Blick dem Blonden entgegen, dass es Besagtem gar einen Schauer den Rücken hinunterjagte.

            „´Dafür sind Freunde doch da`, wie man so schön sagt…“ Etwas verstummte der Satz dann doch im Nichts, setzte der Herzschlag des Yamashitas für ein paar gefühlte Sekunden aus und beinahe hätte er sogar das Ausatmen vergessen, würden ihn diese tiefbraunen Augen des Lockenkopfes nicht mit diesem ihm bekannten Hundeblick anschauen.

Als hätte sich Toru an siedendem Wasser verbrannt, zog er seine Hand von der des Sängers, sowie sie beide ein Klopfen an der Tür vernahmen, schweiften ihre Augen in die Richtung des genannten Objektes, standen da schon Ryota und Tomoya im Türrahmen. Die beiden verhielten sich wie zwei unzertrennliche Brüder, waren sie doch selten ohne den anderen an der Seite aufzufinden. Ein Grinsen, von einer zur anderen Wange, zierte ihre Gesichter, natürlich waren sie ebenso froh wie Toru, ihr ´Familienmitglied` wieder unter den Lebenden zu sehen.

 

„Stören wir euch bei irgendwas?!“, flötete Ryota vergnügt vor sich hin, kassierte er für diesen Satz nur einen mehr als finsteren Blick seitens des Yamashitas, verzog sich dadurch sofort das noch zuvor dagewesene breite Grinsen. Taka schien diese Aussage irgendwie ausgeblendet zu haben, zu glücklich war er im Moment, dass nun auch der Rest der Band aufgetaucht war – obwohl für den Sänger nach seiner letzten Vermutung noch Alex dazu gehörte. Das Duo aus Bassist und Drummer war nun auch ans Bett getreten, beäugten den kleinsten ihrer Band schließlich neugierig.

„Du hast aber ganz schon was abbekommen. Wie geht es dir denn bisher?“, erkundigte sich Tomoya mit schleichender Besorgnis in der Stimme, waren ihm der Verband am Kopf, sowie die vielen unzähligen Kabel am Arm des Sängers nicht entgangen.

„Ist nur halb so schlimm, wie’s aussieht. Höchstwahrscheinlich kann ich morgen sogar schon von der Intensiv runter!“, beschwichtigte Taka wie ein stolzes Kind die Prognose des Chefarztes.

 

„Du hast uns echt einen Schrecken eingejagt. Toru ist ja immerhin noch glimpflich davon gekommen.“, meinte der Jüngste unter ihnen nur, kratze sich dabei erleichtert am Hinterkopf.

„Hmn, aber mal was anderes. Wie viel habe ich eigentlich verpasst? Was genau ist damals mit Alex passiert?“ Stille. Seit diesem Vorfall hatten sie nicht ein Wort weiter darüber verloren und wollten das auch eigentlich nicht wieder aufziehen. Dass Toru die drei damals beisammen halten konnte, war wirklich seiner starken Willenskraft zu verdanken. Vor allem aber war ihnen jetzt klar, wie groß die Gedächtnislücke des Sängers tatsächlich war. Untereinander tauschten sie für ein paar Sekunden unsichere Blicke aus, wollten diese Frage am liebsten umgehen, aber Taka brauchte und wollte nun einmal Antworten, das war ihnen ebenso bewusst wie die Tatsache, dass sie eben dieser Frage nicht aus dem Weg gehen konnten.

 

„Taka“, ergriff Toru schließlich entschlossen das Wort. „Lass uns das ein anderes Mal klären, in Ordnung?“ Wenn es dem Sänger auch eher schlecht als Recht war, so abgewiesen zu werden, akzeptierte er die Entscheidung des Gitarristen stillschweigend und vertraute stattdessen auf sein Wort. Als Toru dies bemerkte, wollte er gerade einen erleichterten, stummen Seufzer loslassen, jedoch sorgte Ryota doch dafür, dass sein Atem schlussendlich stockte.

„Anscheinend sollte dich ein gewisser Jemand über die Zeit mit dir an der Seite aufklären.“ Bei diesem provokanten Satz landete sogleich ein diabolisches Lächeln bei dem Blonden. War Taka dem Blick, den Ryota besagter Person schickte, gefolgt, blieb ein verwirrt dreinschauender Sänger daraufhin nicht ausgeschlossen. Völlig überfordert mit all den Blicken, die einzig und allein auf Toru lagen, suchte dieser in Gedanken nach einem Ausweg, wollte er dem Lockenkopf einfach nicht erzählen, was zwischen ihnen einmal gewesen war und in welcher Zukunft sie so nahe standen, nun aber durch ein einziges Geschehnis, wieder so weit voneinander entfernt waren.

 

„Ich muss los.“ Kaum hatten diese Worte seine Lippen verlassen, hatte der Blonde seine Sitzposition verlassen und hatte sich bereits seinen Weg an dem Bassisten und dem Drummer vorbei gesucht.

            „Wo willst du hin?“, fragte die zaghafte Stimme des Sängers. Auch Tomoya und Ryota schienen keine Ahnung zu haben, was da nun gerade vorging und reagierten ebenso verwirrt wie ihr Sänger auf diese Situation.

 

„Ich… hab noch ein Date.“ Bei dieser Lüge brachte es Toru einfach nicht übers Herz, den Lockenkopf auch nur ansatzweise anzuschauen, verfehlten seine Augen diesen knapp. „Leider habe ich wegen dem ganzen Hin und Her vergessen ihr abzusagen und einfach nicht zu kommen, oder im letzten Moment abzusagen ist nun mal nicht meine Art.“

 

-

 

Dafür, dass er schon am frühen Vormittag bei dem Lockenkopf gewesen war, war es jetzt inzwischen schon dunkler geworden, die Sonne war bereits dabei unterzugehen. Die Zeit bei seinem Taka war ihm viel zu schnell vergangen, als dass Toru sie hätte genießen können, wobei von ´genießen` unter den gegebenen Umständen wohl kaum die Rede war, dachte er dabei doch nur an das Beisammensein mit Taka. Mit dem Taka, den er noch jetzt, trotz des Gedächtnisverlustes, liebte, wie er es noch vor dem Unfall getan hatte. Wieso hatte er es soweit kommen lassen? Was hatte ihn dazu verführt, dem Lockenkopf gegenüber solch eine Lüge zu offenbaren? Dass er eine Beziehung führte – mit einer Frau. Weshalb hatte er es nicht dabei belassen, dass lediglich zwischen ihnen nichts war – und selbst diese Lüge war schon eine viel zu große Sünde – und Toru doch Single war. Niemals hatte Toru die Rolle eines Heuchlers übernehmen wollen, schließlich befand sich Taka doch in solch einer empfindlichen Lage. Wenn er dahinter kam, wie würde er ihm das verzeihen können?

            So viele unzählige Gedanken schossen dem Blonden binnen Sekunden durch den Kopf, sodass er nicht den Hauch einer Chance hatte, diese zu sortieren oder gar einfach abzuschalten. Ein brauchbarer Gedanken schob sich letztendlich doch in den Vordergrund, ließ den Blonden auf dem Gehweg stehen bleiben. Toru hatte nicht daran gedacht, wie spät es jetzt wohl sein würde, wie viel Zeit er tatsächlich bei dem Sänger verbracht hatte. Ein Blick auf das silberne iPhone, das er sofort aus seiner Hosentasche herauszog, verriet ihm, dass es bereits sechs Uhr war. Um sich zu vergewissern, schaute er doch noch ein zweites Mal auf den Bildschirm, der trotz des zweiten Versuchs noch immer dieselbe Uhrzeit anzeigte, war Toru doch etwas verwundert darüber, dass er wirklich so lange bei ihm gewesen war. Die Sache besser machen tat dieses Wissen aber auch nicht. Noch immer plagten den Leader Gewissensbisse, die ihn sicherlich noch im Schlaf verfolgen würden und auch wenn eine bekannte Maßnahme gegen solche Fälle nicht die beste Lösung war, hinderte es Toru in diesem Augenblick nicht daran, den nächsten Convini aufzusuchen. Der Wodka würde wohl das einzige sein, was ihn heute durch die Nacht brächte, wo doch sonst immer ein gewisser Lockenkopf für verantwortlich war…

Into a new life

Ungeduldig warf Taka dem weißen Ziffernblatt an der Wand erneut einen Blick zu, nur um zu bemerken, dass sich der Minutenzeiger noch keinen Millimeter weiter bewegt hatte. Immer noch nicht.

Seit seinem Aufwachen waren vier Tage vergangen, in denen er sich allen möglichen Tests hatte unterziehen müssen. Von seinem Sprachvermögen bis hin zu seinen motorischen Fähigkeiten wurde alles überprüft und notiert und alles mit demselben Ergebnis abgestempelt: keine Einschränkungen. Wenigstens eine gute Nachricht angesichts der Tatsache, dass der Schwarzhaarige beim besten Willen nicht wusste, was für eine Welt ihn außerhalb der Krankenhaustüren erwartete. Nervös sah er abermals zur Uhr, unterdrückte ein Stöhnen und sank tiefer in den Sessel, welcher wohl der gemütlichste Platz im Wartezimmer war, wenn sich Taka die restlichen, aneinandergereihten Holzstühle so ansah. Ryota und Tomoya hatten angeboten ihn abzuholen, da Taka selbst scheinbar – noch immer – keinen Führerschein hatte, es sich aber ohnehin nicht zugetraut hätte, bereits wieder alleine dem Verkehr in Tokio zu begegnen. Einzig Toru würde er heute wohl nicht zu Gesicht bekommen. Bereits am Vortag hatte der Jüngere ihm gesagt, dass es ihm nicht möglich wäre heute vorbeizuschauen, weil er nach eigenen Angaben Angelegenheiten mit ihrem Management regeln musste, da ONE OK ROCK durch den Ausfall ihres Sängers nun wohl für einen ungewissen Zeitraum verhindert war und sie ihren Tätigkeiten als Band nicht nachgehen konnten. Bei dem Gedanken daran machte sich ein unwohles Gefühl im Bauch des Sängers breit. Ihm war klar, dass er nichts für die Sachlage konnte, er hatte sich nicht gewünscht, gar Jahre seines Lebens zu vergessen, doch war ihm ebenso klar, dass er trotz dieser Tatsache Hauptfaktor der derzeitigen Situation war.

Mit der Intention, die bösen Stimmen in seinem Kopf zu übertönen, drehte Taka die Musik, die durch seine roten Kopfhörer in seine Ohren drang, lauter. Toru hatte ihm vor zwei Tagen seinen iPod vorbeigebracht, wofür Taka dem Blonden überaus dankbar war und seitdem praktisch durchgehend die Lieder hörte, die ihm unbekannt, dem Erscheinungsdatum zufolge aber bereits Jahre alt waren. Es war ein eigenartiges Gefühl derartig hinterher zu hinken, obwohl man doch eigentlich alles miterlebt hatte. So fühlte sich wohl eine Reise in die Zukunft an, mit dem einzigen Unterschied, dass man bei einer solchen nicht altert. Die Sorge bereits graue Haare bekommen zu haben, hatte Taka bereits Stunden nach Torus erstem Besuch bei wachem Zustand im Keim erstickt, indem er mindestens eine Viertelstunde vor dem Spiegel im zimmereigenen Badezimmer überprüft hatte, ob seine Haare auch wirklich noch genauso voll und dunkel waren, wie er es in Erinnerung hatte. Im Nachhinein kam er sich dafür ein wenig dämlich vor, aber es hatte ja niemand gesehen, der ihn damit wohlmöglich hätte aufziehen können.

 

„Yo, Taka!“ Überrascht sah der Lockenkopf auf, hatte er Ryota gerade noch so durch den etwas ruhigeren Teil von 21 Guns gehört und sah in das breit grinsende Gesicht des Bassisten, der den ein Stück kleineren Drummer im Schlepptau hatte, welcher nur gut gelaunt salutierte.

 

„Na endlich!“ Augenblicklich sprang Taka auf und schnappte sich die schwarze Reisetasche, in die er bereits am Vorabend alles gepackt hatte, was er während seines Aufenthaltes im Krankenhaus von Freunden, aber auch vom Personal bekommen hatte. Die Tüte mit den wenigen Wertsachen, welche er beim Unfall mit sich getragen hatte, ebenso wie jegliche Papiere, die seinen körperlich und geistig stabilen Zustand bescheinigten, hatte ihm ein Arzt, gefolgt von einem Pfleger am Morgen zusammen mit dem Frühstück ans Bett gegeben. Wie auf heißen Kohlen tapste der kleine Sänger von einem Fuß auf den anderen, konnte es ganz offensichtlich kaum noch erwarten das steril gehaltene Gebäude endlich zu verlassen.

 

„Ehh, was soll der Ton?“, neckte Ryota, die Mundwinkel noch immer nach oben gezogen. „Wir haben 11 Uhr ausgemacht, wir sind sogar überpünktlich.“

 

„Hast du dich überhaupt schon abgemeldet und deine Sachen in Empfang genommen? Dokumente und so?“ Tomoya wirkte nicht ganz so gelassen wie Ryota. Zwar guter Dinge, aber dennoch schwang in seiner Stimme ein gewisser besorgter Unterton mit.

 

„Ja, hab ich. Alles eingepackt und verstaut. Ich hab mich abgemeldet und auch höflich für Speis und Trank gedankt.“ Ein schiefes Grinsen stahl sich auf das Gesicht des Lockenkopfes. „Können wir jetzt los? Bitte?“ Große Kulleraugen sahen zu Ryota hinauf, der erneut bemerkte, wie sehr dieses Verhalten an den Taka von früher erinnerte, den er ja jetzt auch praktisch vor sich hatte, auch wenn diese Realität immer noch nicht so ganz in seinen Kopf rein wollte.

 

„Vorbildlicher Junge!“, lobte Tomoya und strubbelte dem Jüngeren durch das gelockte Haar, woraufhin dieser wie ein verstörtes Kätzchen zurückschreckte und dem Ältesten der Band einen grimmigen Blick zuwarf, sich die Haare anschließend wieder weitgehend richtete. Nun überkam Ryotas Lippen doch noch ein herzhaftes Lachen, in das anschließend die anderen zwei mit einstimmten.

 

 

„Hat sich Toru schon bei dir gemeldet?“ Den Blick auf die Straße gereichtet  und mit Taka auf der Beifahrerseite, stellte der Bassist diese Frage mit offensichtlicher Vorsicht, was aber scheinbar nur Tomoya, der hinter ihm saß, zu bemerken schien. Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf.

 

„Nein, wollte er das?“

 

„Ah, nein. Ich dachte nur, weil…ihr so enge Freunde seid.“ Tomoya wagte nicht, sich in die Konversation mit einzuklinken, zu groß war das Risiko sich zu verplappern, was Ryota gerade, so nahm er an, um ein Haar passiert wäre. Es war ihm noch immer ein Rätsel, warum sie dem Sänger ihrer Band vorenthalten sollten, welch eine glückliche Beziehung er vor dem Unfall mit Toru geführt hatte, selbst nachdem dieser ihnen seinen Beweggründe erläutert hatte, machte es für ihn einfach keinen Sinn. Doch letztendlich war es Torus Entscheidung, schließlich ging es um sein Leben mit Taka.

 

„Waren wir das? Noch enger als am Anfang der Band?“ Offensichtlich hatte Ryota Takas Neugier geweckt, ganz zum Leidwesen des Jüngsten. Er wollte sich nicht noch weiter in diese Lüge einwickeln, bekam aber von Tomoya, dem er über den Rückspiegel einen Hilfe suchenden Bick zuwarf, nur ein verneinendes Kopfschütteln.

 

„Also…ja, schon. Sehr.“ Mit flauem Gefühl im Magen fuhr Ryota also fort.  „Ich meine, man hat euch so gut wie nie ohne den anderen angetroffen. Ich denke es gab niemanden der dem jeweils anderen so nah stand.“

 

„Klingt ja fast so, als seien wir verheiratet gewesen.“, lachte Taka und sah zu Tomoya, der sich zu einem Lächeln zwang. Im Grunde genommen konnten sie jetzt kaum noch was falsch machen, leiert waren Toru und Taka ja wirklich nicht gewesen.

 

„Nein, nein, verheiratet wart ihr nicht.“, entgegnete Ryota mit einem Lachen, welches Tomoyas Meinung nach ziemlich überzeugend klang. Er entspannte sich etwas.

 

„Es ist so schade, dass ich mich nicht mehr erinnere, ich wette wir hatten eine Menge Spaß zusammen. Also auch ihr und ich.“

 

„Positiv bleiben, es ist nicht gesagt, dass du dich nie wieder erinnern wirst. Wer weiß, vielleicht stehst du ja eines Tages in der Küche, siehst einen ganz bestimmten Kochlöffel und bahm! Du weißt wieder alles.“ Aufmunternd sah der Bassist zu seinem Beifahrer, der ihm ein ehrliches Lächeln schenkte. Es tat ihm gut zu wissen, dass noch Hoffnung bestand und auch, dass trotz seiner Amnesie die Leute, die ihm nahe standen, zu ihm hielten.

 

„Danke, aber wieso ausgerechnet in der Küche?“

 

„Na weil du der weltbeste Koch bist! Wenn du wüsstest wie oft wir uns drum gerissen haben von dir bekocht zu werden. Meistens hatte aber nur Toru die Ehre.“, platzte es nun doch aus Tomoya heraus. Wenn es um Essen ging wurde er nun mal schwach. Erst recht wenn es um das Essen ging, welches der Lockenkopf schon so oft für sie zubereitet hatte.

 

„Toru muss sich ja wirklich sehr glücklich schätzen, mich als besten Freund zu haben.“, flötete Taka und löste seinen Gurt, da Ryota auf den Parkplatz zu seinem Apartmenttrakt einbog. Wenigstens konnte sich der Lockenkopf noch an Umgebungen und Gebäude erinnern, sofern sich diese nicht zu sehr geändert hatten und das allzu bekannte Gelände nun wiederzusehen, tat unglaublich gut.

 

„Das hat er, glaub mir.“, murmelte Ryota, doch Taka war schon ausgestiegen.

 

„Ey, ey, was machen wir, wenn da in der Wohnung irgendwas ist, was, naja, sehr auf eine Beziehung mit Toru hindeutet?“ Tomoyas Kopf war so plötzlich zwischen den Sitzen aufgetaucht, dass Ryota sichtbar zusammenzuckte und seinem besten Freund anschließend mit einem Schulterzucken begegnete.

 

„Keine Ahnung, verstecken? Mitgehen lassen? Aber soweit ich mich erinnere, hatte Taka da doch aber eh kaum Kram, weil er ständig Besuch bekam und das nicht öffentlich machen wollte, oder so?“, antwortete der Jüngere und löste nun auch seinen Gurt.

 

„Ja aber wir wissen nicht, was versteckt irgendwo liegt! Stell dir vor Taka hortet irgendwo irgendein Bettspielzeug mit einer >In Liebe, Toru.<-Karte dran!“ Der ungläubige Blick, den Ryota seinem Bandkollegen zuwarf, sprach Bände und so beschloss Tomoya, das Thema vorerst ruhen zu lassen und stattdessen ihrem Sänger hinterherzueilen, der bereits im Hauptgebäude verschwunden war.

Nachdem Taka verweigert hatte, dass seine zwei Freunde ihm etwas abnahmen und anschließend damit drohte, ihnen anhand der ärztlichen Bescheinigung seines körperlich einwandfreien Zustandes zu beweisen, dass er in der Lage war seine Klamotten selbst zu tragen, trotteten diese einfach nur stillschweigend hinter dem Lockenkopf her, warfen sich lediglich hin und wieder verunsicherte Blicke zu, weil sie beim besten Willen nicht einschätzen konnten, was sie hinter der Wohnungstür des Sängers nun erwartete.

 

Zwar hatten sie mit einigem gerechnet, mit dem Zustand, in dem sich Takas Wohnung aber tatsächlich befand, jedoch nicht. Ungläubig starrten die drei Männer in den Flur, bevor sie vorsichtig eintraten.

 

„Hast du irgendwie deine Miete nicht bezahlt und musstest Sachen pfänden, oder bevorzugtest du schon immer den spartanischen Lebensstil?“ Dass Taka diese Frage unmöglich beantworten konnte, war Tomoya klar, dennoch stellte er sie, ohne weiter darüber nachzudenken, zu sehr verwirrte ihn der Anblick der Innenausstattung, die so gar nicht der glich, an die sich der Drummer bei seinem letzten Besuch hier erinnern konnte. Zwar standen der Großteil der Möbel noch an Ort und Stelle, jedoch fehlte jeglicher Inhalt. Weder Kleidung, noch Bücher, noch Takas DVD Sammlung mitsamt seiner heißgeliebte Star Wars Kollektion war mehr anzufinden.

 

„Ich…weiß es nicht?“ Ein lautes Klatschen ließ sowohl Taka, als auch Tomoya herumfahren und sie musterten den Jüngsten verwirrt, der sich offensichtlich gerade die Hand gegen die Stirn geschlagen hat.

 

„Ah, wie konnte ich das vergessen!“, stöhnte er. „Du hattest vor einigen Wochen erwähnt, dass du in nächster Zeit peu à peu bei Toru einziehen wolltest! Scheint so, als wären die meisten deiner Sachen diesen Umzug schon angetreten.“

 

„Hätte dir das nicht früher einfallen können?“ Taka, der nun gar nichts mehr verstand, stand einfach stillschweigend zwischen den  beiden nun diskutierenden Männern und beschloss, sich in seinen vier Wänden etwas umzusehen. Oder nun ehemaligen vier Wänden, so genau schien das hier niemand zu wissen. Einige Möbel kamen ihm bekannt vor, kleinere Regale und Schränkchen schien er sich innerhalb der letzten sechs Jahre angeschafft zu haben. Generell wirkte alles so, als würde gerade jemand einziehen, wo doch nirgends persönliche Gegenstände zu finden waren. Nicht mal Bilder von seiner Familie, wobei Taka das nun wirklich nicht wunderte, auch wenn er insgeheim gehofft hatte, sich in der vergessenen Zeit mit dieser wieder vertragen zu haben. Im ehemaligen Wohnzimmer blieb sein Blick an dem an der Wand stehenden, schwarzen Klavier hängen. Scheinbar hatte es sich in den sechs Jahren keinen Millimeter bewegt. Die Klappe war geöffnet und ein Papier wurde auf die Halterung gestellt, sodass Taka seine Neugierde nicht mehr unterdrücken konnte und näher an das Instrument herantrat. Im Grunde genommen konnte er sich hier eigentlich alles erlauben, es war immerhin seine Wohnung, auch wenn sie sich gerade mehr als fremd anfühlte. Zu seiner Enttäuschung stand auf dem Zettel entgegen seiner Hoffnung kein Songtext, der ihm hätte Aufschluss darüber geben können, was ihm in den Wochen vor dem Unfall so durch den Kopf gegangen war, lediglich einige Noten und Buchstaben, die wohl Akkorde bedeuten sollten, waren auf die Linien gekritzelt. Nein, seine Handschrift war auch kein Stück leserlicher geworden. Beinahe ehrfürchtig ließ er seine Finger über die kalten Tasten gleiten, verspürte das Bedürfnis auf ihnen zu spielen, welches er jedoch unterdrückte. Wenn er seine Gefühle in Töne packen müsste, würde er wohl ständig in den Tonarten springen, sodass es möglichst unharmonisch klänge. Vielleicht ergab sich in den kommenden Tagen noch die Möglichkeit Musik zu machen, wenn er sich besser fühlte. Etwas schwerfällig ließ er von dem Klavier ab und schloss die Klappe voller Vorsicht, legte das Papier anschließend auf den Deckel, wer weiß was er ursprünglich damit vorgehabt hatte, bevor er zurück in den Flur ging, wo Tomoya und Ryota augenscheinlich noch immer darüber diskutierten, ob die Verantwortung, sich an solche banalen Dinge zu erinnern nun beim Älteren, oder bei dem, der noch mehr Hirnzellen hatte, lag.

 

„Uhm…“, begann Taka und lugte vorsichtig um die Ecke „Sollten wir dann jetzt nicht zu Toru fahren?“

 

 

Selbst auf der Fahrt hielt die Diskussion darüber, wem die Schuld an diesem vermeidbaren Umweg nun zuzuschreiben war, an, auch wenn es sich eher wie ein freundschaftlicher Meinungsaustausch anhörte, da die Argumente immer lächerlicher wurden. So hieß es laut Tomoya, dass es Ryotas Schuld war, da er dessen letztes McDonald’s Menü bezahlt hatte. Wie der Drummer nun genau zu diesem Schluss kam, hinterfragte Taka erst gar nicht, stattdessen freute er sich, dass er Toru nun doch sehen konnte und sie endlich wieder alleine und vor allem wieder in vertrauter Umgebung Zeit miteinander verbringen konnten. Wenn sie sich wirklich so nah gestanden hatten, wie Ryota meinte, dann konnte er es kaum noch erwarten, den Blonden wiederzusehen und so war er auch irgendwie nervös, als sie vor Torus Wohntrakt aus dem Auto stiegen, obwohl es doch eigentlich überhaupt keinen Grund dazu gab. Es war zu schade um die Erinnerungen, die von seiner und Torus Freundschaft nun wohl verloren gegangen waren, doch nachdem Taka am Tag seines Aufwachsens so kläglich in Torus Armen geweint hatte, hatte er diesem versprochen, positiv zu denken und das Beste aus dem Kommenden zu machen. Was passiert war, konnte ohnehin keiner von ihnen ändern und so würde er sich wirklich Mühe geben, der Zukunft positiv entgegenzutreten. Allein war er ja ganz offensichtlich nicht.

 

„Was, wenn Toru noch beim Management ist?“, fragte Taka, nachdem sie vor der weißen Tür, zu deren linken das Namensschild „YAMASHITA, TORU“ angebracht war, zum Stehen gekommen waren. Gemeldet hatte Taka seinen Umzug den Behörden scheinbar noch nicht.

 

„Dann wissen wir, wo der Zweitschlüssel liegt.“, antwortete Tomoya und drückte bereits die Klingel. Öfter als nötig. Taka spürte, wie sich sein Körper anspannte, versuchte jedoch diese Gegebenheit weitgehend zu ignorieren, weil es völlig unnötig war, auf einmal so nervös zu werden. Toru würde ihn wohl kaum vor der Tür stehen lassen. Oder doch?

Ehe er diesem Gedanken weiter nachgehen konnte, wurde die Tür geöffnet, woraufhin ein anerkennendes Pfeifen seitens Tomoya und Ryota ertönte.

 

„Wen willst du denn in dem Aufzug beeindrucken, Toru-nii?“ Ein wenig überrumpelt und unwissend darüber, wie er mit der Situation umzugehen hatte, starrte Taka nur auf Toru, welcher abgesehen von einem weißen Handtuch um die Hüfte nichts trug. Die nasse, zugegebenermaßen gut gebräunte Haut, ebenso wie die blonden Haare, war nass, was darauf schließen ließ, dass der Gitarrist geradewegs aus der Dusche kam. Am durchtrainierten Bauch des Jüngeren blieb der Lockenkopf für einen Augenblick hängen, spürte wie ihm die Röte in die Wangen stieg. Wem sollte diese Situation peinlicher sein, ihm oder Toru?

 

„Eh…“ Langsam wanderte sein Blick höher, bis er auf Torus traf, der scheinbar genauso überrascht darüber war, dass ausgerechnet Taka vor seiner Tür stand, wobei er damit hätte rechnen müssen, wo doch die Wohnung des Älteren praktisch leer war. „Stören wir?“

 

„Ah, nein, kein bisschen, ich war nur gerade duschen. Die Angelegenheiten mit dem Management sind übrigens geregelt, wir haben jetzt erstmal für unbestimmte Zeit Urlaub.“ Den zweiten Teil des Satzes sagte Toru eher zu Ryota und Tomoya und Taka musste zugeben, dass er sich ein wenig übergangen fühlte, ignorierte das aber für den Moment.

 

„Wir wollten nur eben Taka hier absetzen. Der eigentliche Plan war, dass er wieder in seine Wohnung einzieht, aber oops, die war ja leer. Wer hat das noch gleich vergessen?“ Kaum zu übersehen war das Neigen von Tomoyas Kopf in Ryotas Richtung, der schon dazu ansetzte, dem Älteren etwas entgegenzubringen, als Toru ihm ins Wort fiel.

 

„Ihr seid Experten, das haben wir so oft erwähnt. Macht es euch was aus, wenn wir das drinnen regeln, ich hab wenig Lust mich jetzt noch, wo ich den Herbst soweit ziemlich gut überstanden habe, zu erkälten.“ Der Aufforderung des Bandleaders folgeleistend, traten die drei ein, woraufhin sich Toru kurz entschuldigte, da er sich etwas anziehen wollte. Staunend sah sich Taka in dem großen Apartment um. Scheinbar hatte der Blonde irgendwann in den letzten sechs Jahren renoviert, sowohl Möbel, als auch die sonstige Innenausstattung waren dem Sänger nämlich fremd und das trotz der Tatsache, dass er hier angeblich vor dem Unfall noch gewohnt hatte. Stumm folgte er Tomoya und Ryota ins Wohnzimmer und setzte sich neben ihrem Drummer auf das breite Ledersofa. Eine große Fensterfront war ihnen gegenüber in die Wand eingearbeitet, von der Taka, soweit er sich erinnern konnte, schon damals begeistert gewesen war. Besonders das Tokioer Nachtleben bot sich bei Dunkelheit von seiner schönsten Seite, war man doch unfähig all die Lichter und Lampen zu zählen. Der Lockenkopf fühlte sich wohl, sehr wohl. Vielleicht, weil ihm der Ort vertraut war, vielleicht aber auch, weil er seine engsten Freunde um sich hatte.

 

„Sorry, sorry, bin schon da.“, merkte Toru an und ließ sich in den Sessel neben dem Sofa fallen. Man sah, dass der Blonde nicht allzu viel Zeit gehabt hatte sich anzuziehen, trug er doch lediglich eine Jogginghose und einen blauen Pullover, der ihm aber, wie Taka bemerkte, äußerst gut stand.

Nun, da auch das vierte ONE OK ROCK Mitglied im Kreis platzgenommen hatte, waren sie komplett. Auch wenn Taka noch immer nicht verstand, warum.

 

„Also…“, setzte er zögernd an, bekam augenblicklich die gesamte Aufmerksamkeit im Raum. „was genau ist denn nun damals mit Alex passiert? Was ist generell passiert?“

Fear

Vielleicht hatte Toru Recht gehabt. Vielleicht hätte sich Taka doch noch etwas zurückhalten sollen. Noch immer hallten die Worte, die der Jüngere bezüglich des Austritts von Alex an ihn gerichtet hatte, in seinem Kopf wider. Als fegten sie all sein naives Wissen über die Band einfach so hinfort in weite Ferne. Niemals hätte der Sänger dem Leadgitarristen so etwas zugetraut, dabei war es dem Rest der Band wohl ebenso ergangen. Ein unbehaglicher Gedanke nach dem anderen häufte sich abermals im Kopf des kleineren an. Waren sie trotz dessen noch immer eine Familie? Und hielten sie noch immer so fest zusammen, wie schon damals?

 

„Es tut mir Leid, ich hätte es doch lieber lassen sollen.“, merkte Toru an, nachdem Ryota und Tomoya gegangen waren. Sie hatten sehr lange geredet und es war spät geworden. Er hatte bereits bemerkt, wie die dunklen Knopfaugen des Älteren auf einen imaginären Punkt starrten, was dem Blonden zu verstehen gab, das Taka in seine Gedankenwelt abgetaucht war – einmal mehr. Besorgt warf er diesem nun einen mitleidigen Blick zu, machte sich der Yamashita doch Vorwürfe, dass er sich vom Anderen dazu hatte verleiten lassen, mit der Wahrheit rauszurücken.

 

„Hm? Was hast du gesagt?“ Irritiert blinzelte das Augenpaar unter den lockigen Strähnen auf, traf direkt die großen Augen des Gitarristen.

 

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Toru stattdessen und raffte sich zu einem schwachen Schmunzeln auf. Taka gestikulierte nur mit einer abwinkenden Geste. Es war doch irgendwie blöd auch nur einen weiteren Gedanken an diesen Teil seiner Vergangenheit zu verschwenden. Scheinbar waren sie doch immer noch die Band, die Takahiro damals gerettet hatte, aus seinem alten Leben gezogen hatte. Viel eher wollte nun der Lockenkopf aber etwas vollkommen anderes wissen und um auch Toru nicht länger Sorgen zu bereiten, fragte er stattdessen ganz banal: „Wie war dein Date gestern Abend eigentlich?“.  Verblüfft über diesen doch recht plötzlichen Themawechsel, musste sich Toru doch erstmal umstellen, um gleich darauf doch eine kleine Herzattacke zu erleiden, hatte er diese Ausrede – oder vielmehr Lüge – am gestrigen Abend durch den Alkohol versucht zu vergessen. Damit, dass der Sänger ihn daraufhin allerdings noch einmal ansprechen würde, hatte der Blonde nun wirklich nicht gerechnet, obwohl es doch deutlich anzunehmen war, wo sie doch laut Ryotas Aussage so eng miteinander befreundet waren.  

 

„Ach das. Also… weißt du. Irgendwie hatte ich mir das doch anders vorgestellt…“ Regelrecht verzweifelt suchte sich Toru irgendeine Erklärung zusammen, bemerkte nach diesem recht fehlgeschlagenen Versuch, wie Takahiro nur den Kopf schief legte, dabei zweifelhaft eine Augenbraue in die Höhe zog.

 

„Wie meinst du das jetzt?“

Toru seufzte innerlich, setzte sogleich noch einmal neu an, in der Hoffnung, es nun doch endlich auf den Punkt zu bringen.

 

„Sie ist nicht mein Typ,“, äußerte sich der Jüngere nun, drang sich noch zu einem bedauerlichen „leider.“ und hoffte damit, den Dunkelhaarigen überzeugen zu können. Gleichzeitig fiel dem Blonden auch ein kleiner Stein vom Herzen, da diese Aussage nun wirklich nicht einmal ganz gelogen war. Etwas betrübt warf der Lockenkopf seinem Freund einen entsprechenden Blick zu.

 

„Oh, tut mir echt Leid für dich.“ Eindeutig tief bedrückt schien Takahiro darauf zu reagieren, dies jedoch störte den Leader irgendwo. „Aber du wirst schon noch die Richtige finden. Wieso sollte so ein gutaussehender Kerl wie du denn keine abbekommen?“, versuchte der Lockenkopf den anderen aufzumuntern, verfehlte dieses Ziel allerdings. Am Liebsten würde Toru ihm ganz einfach sagen, dass er einfach aus dem Grund keine abbekommen würde, dass er sich nicht im Geringsten auf einer derartigen Ebene für Frauen interessierte, sondern lediglich für diesen einen Mann ihm gegenüber, der sein Leben so verändert hatte. Für Taka. Aber das konnte er ihm ja nicht sagen. Und es störte ihn ebenso, dass Taka soviel Mitleid für ihn zu empfinden schien. Nicht ein kleines Stück von Erleichterung war in seiner Stimme zu vernehmen. Andererseits konnte Takahiro das ja auch nicht. Ihm fehlten ganze sechs Jahre. Und  zu der damaligen Zeit hatte nicht einmal Toru daran gedacht, dass er je etwas anderes als Freundschaft für den Sänger empfinden würde, warum also warf er Taka nun genau das vor?

 

Ein Tropfen bestehend aus diesem altbekannten, salzigen Wasser sammelte sich in Torus Augenwinkel an, drohte damit sein Auge zu verlassen. Der Leader schenkte diesem nur herzlich wenig Beachtung, schien seinen Ausbruch nicht einmal zu realisieren.

 

„Ich hoffe, du machst dir jetzt keine Vorwürfe, dass eure Beziehung an dir gescheitert ist. Du hast das nämlich nicht nötig und weißt du warum?“

Die sanfte Stimme Takas und die warme Hand, die sich auf Torus linker Wange ablegte, um das Rinnsal hinfort zu streichen, ließen sämtliche Härchen im Nacken des Blonden kerzengerade erfrieren. Erst jetzt hatte der Gitarrist bemerkt, in welche Lage ihn seine Gedanken da getrieben hatten, dennoch schaute er erwartungsvoll in die dunklen Augen des Älteren. Dieser lächelte zunächst zuversichtlich, bevor er zu einer Antwort auf die eigene Frage ansetzte.

 

„Du bist sensibel, siehst immer das Gute im Menschen und auf dich ist Verlass. Auch, wenn ich mich an vieles nicht mehr erinnern kann, ich kann durchaus mit Sicherheit sagen, dass nicht nur ich froh bin, auf dich getroffen zu sein, das gilt nämlich ebenso für Ryota und Tomoya.“ Ein breites, festes Grinsen legte sich auf die vollen Lippen des Gelockten. Diese gut gemeinten Worte, die Toru ein gewisses Kribbeln durch die Adern jagen ließen, sorgten dafür, dass der Jüngere ebenso wie der andere es vorgemacht hatte, ein ehrliches Lächeln zulassen konnte.

„Danke.“ Viel mehr konnte der Blondschopf in diesem Augenblick nicht heraus bringen, da Taka den Verlust seiner Tränen wohl falsch interpretierte, dennoch waren diese Worte zu süß, als das Toru darüber weniger erfreut wäre, so etwas gerade vom Lockenkopf zu hören.

 

„Keine Ursache. Aber wie wäre es jetzt eigentlich mal mit Abendessen? Nach all den Jahren hast du dir das Kochen allerdings wohl immer noch nicht angeeignet, huh?“, scherzte Taka vergnügt, machte einen kleinen Hopser von der Couch, um nur noch mal im Vorbeigehen, durch die blonde Pracht des Yamashitas zu wuscheln, eher er in der Küche verschwand. Fähig zu einem kurzen vergnügten Auflachen über diese Situation war Toru dann allerdings nicht mehr, schlich dem Lockenkopf stattdessen einfach mal hinterher. Fast war er dazu geneigt, die Arme um den schmalen Körper zu schlingen, als Takahiro bereits an der Küchenzeile herumwerkelte, konnte sich schließlich jedoch noch fangen, um sich stattdessen einfach neben dem Sänger zu positionieren und ihm damit seine Hilfsbereitschaft anzudeuten.

 

„Eh, nein. Ich weiß deine Hilfe wirklich zu schätzen, aber aus dem, was ich noch in Erinnerung habe weiß ich, dass du schon damals eine mittelschwere Katastrophe als Hilfe warst, was das Kochen betrifft.“, entschuldigte sich der Lockenkopf und verwies den Blondschopf einfach mal wieder zurück auf die Couch. Das Kochen war nach dem Singen das Hobby, was Takahiro am meisten Spaß machte und da konnte er eine Niete wie Toru nun mal nicht gebrauchen, so fies das jetzt auch klingen mochte. Liebevoll widmete sich der selbsternannte Koch seinen Utensilien, die in Torus Küche glücklicherweise trotz des Umbaus noch genauso verteilt waren, wie er es in Erinnerung hatte und bereitete ihnen beiden damit einmal mehr ein schmackhaftes Essen zu. Darauf konnte sich auch Toru verlassen und wenn Takahiro damals aus einem anderen Grund zu ihm gezogen wäre, als wegen ihrer Beziehung, dann wohl aufgrund dessen, dass er ohne Taka verhungern würde, wenn man es denn dramatisch betrachten wollte.

Nach einer guten Stunde hatte der Lockenkopf alles angerichtet und rief den Blonden mit den Worten „Essen ist fertig!“ zu sich. Als Toru das bereitgestellte Essen auf dem Tisch vorfand, staunte er nicht schlecht. Irgendwie war es ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen, dass er mal ordentliches – im Bezug auf gesundes – Essen zu sich genommen hatte.

 

„Setz dich.“, leitete der Sänger ihn an, schnappte sich lediglich die Schüssel mit dem Reis, um auch diese auf der Tischplatte zu platzieren, ehe er sich auf einem der Stühle niederließ.

 

„Sieht lecker aus.“, lobte Toru den Kleineren und setzte sich diesem gegenüber.

 

„Danke, ich hoffe es schmeckt auch so, wie es deiner Aussage nach aussieht.“

Ein anerkennendes Lächeln seitens Toru, bevor dieser er sich mal herausnahm, ihnen beiden etwas von dem großen Menü auf die Teller zu geben. Beide verbeugten sich anschließend kurz, wie das so üblich war und wünschten dem jeweils anderen einen guten Appetit.

 

„Das war wirklich gut – wie immer eigentlich.“, seufzte der Jüngere zufrieden, nachdem er seine Portion, ebenso wie den Nachschlag verputzt hatte.

 

„Was hast du eigentlich gemacht, während ich für uns gekocht habe?“, wollte Takahiro spaßeshalber wissen und legte die eignen Stäbchen ebenfalls beiseite. Dass er Toru damit einmal mehr in eine Zwickmühle verfrachtet hatte, war dem Sänger ihrer Band natürlich nicht klar, so hatte doch Toru stets die Aufgabe gehabt, an dem zierlichen Körper zu kleben und ihn, während dieser seiner Arbeit nachging ihren Hunger zu stillen, hin und wieder mit federleichten Küssen an Hals und Nacken zu bedecken.

 

„Ich habe dafür gesorgt, dass meine Wohnung sauber bleibt.“, zog sich der Leader aus seiner misslichen Lage, dabei war das auch gar nicht mal so falsch. „Also, lass mich abräumen und du kannst es dir ja auf der Couch bequem machen.“

Dem Vorschlag des Blonden nachgehend, verzog sich der Brünette tatsächlich in das anliegende Wohnzimmer, schnappte sich seinen iPod, den er bei seiner Ankunft auf dem flachen Tisch abgelegt hatte, um sich nun endlich mal die Zeit zu nehmen und was die Band betraf, der vergessenen Zeit nachzugehen. Schnell hatte er den angelegten Ordner für ihre Band gefunden, in dem alle Lieder zu finden waren, die sie bis zur gegenwärtigen Zeit komponiert hatten. Da Toru wohl nichts dagegen haben würde, die Musik, an der er ebenfalls beteiligt war zu hören, ließ Taka die Lieder einfach laut abspielen, während er entspannt und doch von Neugier geplagt auf der bequemen Couch lag und zu aller erst einem Song lauschte, welcher deutlich ruhigere und langsamere Töne hervorbrachte. So wie er dann aber seine eigene Stimme vernahm, durchjagte ihn ein angenehmer Schauer. Das war eindeutig ein Liebeslied, aber an wen gerichtet? Taka wusste es nicht mehr, aber es bestanden für ihn gewisse Zweifel darin, ihn einfach so aus einer Laune heraus komponiert zu haben. Alles, was er je verfasst hatte, betraf entweder ihn oder eine festlegende Tatsache. Dass dieser Song aber auf einer Tatsache basierte, bezweifelte der Sänger jedoch stark. Ganz eindeutig hatte er seine Gefühle in diesem Lied ausdrücken wollen. Es war an jemanden gerichtet, für den er scheinbar tiefe, innige Gefühle hegte, aber wusste das auch die betroffene Person?

 

Letztendlich ließ Taka es doch auf sich beruhen, konnte ja auch sein, dass das einmal gewesen war und durchstöberte stattdessen den Rest ihrer Discographie. Dabei stieß er doch wieder auf einen ähnlichen Song wie den, den er zuerst gehört hatte. Das Erscheinungsdatum zeigte ihm an, dass dieser Titel noch aktuell war, also musste da doch jemand sein, für den er seine Gefühle in einen Song interpretiert hatte.

 

Die Arbeit in der Küche beendet, taperte Toru zurück ins Wohnzimmer, hörte aber schon von weitem die Songs seiner Band. Als der gerade spielende Titel aber immer klarer zu vernehmen war, verspürte der Größere mit einem Mal ein deutliches Brennen in der Brust. Das letzte Lied, das Takahiro für ihn verfasst hatte, um ihre Liebe festzuhalten, erfüllte den ganzen Raum. Taka bemerkte sogleich die Anwesenheit des anderen, suchte und fand schließlich Blickkontakt. Fragend.

 

„Toru!“ Abrupt schwang sich der kleine Körper auf und saß mit einem Mal auf der Couch und winkte den Blondschopf zu sich herüber. Zu gerne würde Toru dem Gespräch, welches er bereits erahnen konnte, aus dem Weg gehen, aber er konnte es dem Lockenkopf auch nicht  verübeln. Sich neben den kleineren setzend, wartete er schließlich auf eine Bestätigung seiner Annahme.

„An wen sind diese Texte gerichtet? Erst dachte ich, das wäre alles vergangen, aber scheinbar nicht. Für welche Person habe ich all meine Gefühle in Songs verfasst und was ich viel eher wissen möchte, weiß diese Person auch davon? Und wenn sie davon weiß, wieso hat sie sich noch nicht bei mir gemeldet?“

Fragen über Fragen und Toru wusste keine passende Antwort. Er wusste, an wen diese Songs gerichtet waren. Ja, an ihn. Und doch, er hatte sich nach dem Unfall gemeldet, er war sofort bei ihm gewesen. Aber nichts davon konnte er in eine Antwort verpacken.

 

„Darüber hast du nicht geredet.“ Perplex über diese Aussage reagierte Takahiro schon sehr deutlich.

 

„Wie, ich hab nicht darüber geredet? Zumindest dir muss ich doch irgendetwas erzählt haben!“, fuhr der Lockenkopf seinen Nebenmann mehr verärgert als eigentlich gewollt an. Toru zog sofort abwehrend die Schultern nach oben.

 

„Du saßest immer im Wohnzimmer, schenktest deine Konzentration allein den Zeilen auf deinem Papier und wenn du mit einem Song fertig warst, kamst du stolz und glücklich sogleich angelaufen und hast ihn uns gezeigt. Wir haben oft nicht gefragt, welchen Hintergrund all deine Texte hegten. Sie waren immer so voller Emotionen und manche waren so bedrückend geschrieben – wir haben angenommen, dass du schon von dir aus darüber reden würdest, wenn du es wolltest. Also haben wir lieber keine Fragen gestellt.“

 

So wirklich konnte sich Taka das nicht vorstellen. Seiner Familie und gleichzeitig engsten Freunden – vor allem Toru – würde er doch alles anvertrauen.

 

„Ich weiß es wirklich nicht.“, verdeutlichte der Yamashita dem Kleineren mit diesen Worten, legte dabei seine Hand tröstend auf der zierlichen Schulter des anderen ab. Nachvollziehend, dennoch nicht akzeptierend, nickte der Lockenkopf, musste er fürs Erste den Worten des Blonden glauben, bis er selbst eine Erklärung dafür fand.

Ein erschöpfter Seufzer verließ seine vollen Lippen, ehe er sich schließlich zurück gegen die Rückenlehne der Couch fallen ließ.

 

„Lass uns doch einen Film gucken. Ich will mal diesem ganzen Unwissen entkommen und einfach  mal abschalten.“, schlug Takahiro stattdessen vor und brachte damit auch Toru in eine Phase der Erleichterung.

 

„Wie wäre es mit Star Wars? Vielleicht hat deine Amnesie ja auch Teile aus deiner Lieblingsfilmreihe verschluckt?“, scherzte der Jüngere, woraufhin auch der Gelockte ein Lachen zulassen konnte, nickte anschließend und gab dem Blonden somit seine Zustimmung. Stillschweigend trottete der Größere hinüber zum Regal, in welchem sich sämtliche DVD’s von ihm und Taka angesammelt hatten und zog den bestimmten Titel heraus, warf ihn in den Player unter dem Fernseher und begab sich anschließend zurück zum Lockenkopf, bestimmte dem Fernseher von dort aus per Fernbedienung, die DVD abzuspielen.

 

Vielleicht war es der Erschöpfung der gegebenen Umstände zuzuschreiben, dass Takahiro schon vor der Hälfte des Filmes spürbar müde wurde. Als Toru allerdings auf einmal spürte, wie sich der Kopf des Kleineren an seine Schulter sinken ließ, war der Jüngere doch etwas verwundert darüber. Wo war denn nur dieser aufgeweckte Sänger hin? Er schmunzelte. Er wollte den anderen nicht aufwecken, um ihm vorzuschlagen, vielleicht doch lieber ins ruhige Schlafzimmer zu gehen und seinen Schlaf dort weiter zu führen. Nein, dann wäre er wirklich nicht mehr ganz bei Trost. Stattdessen schob er den Lockenkopf sanft aber bestimmt in eine aufrechte Position, damit er selbst sich erheben konnte, um dem schlafenden Körper schließlich unter die Kniekehlen und Arme greifen zu können, ihn anschließend sachte hochhob und in das nebenan liegende Schlafzimmer trug. Der leichte Körper des Sängers schlief tief und fest und merkte den Wechsel des Ortes nicht. Vorsichtig legte Toru den schmalen Körper auf einer Seite des Bettes ab und auch, wenn der Blonde zunächst zögerte, setzte er sich dann doch dazu durch, den kleineren von der engen Jeans zu befreien und ihn schlussfolgernd mit der weichen Bettdecke die nötige Wärme zuzuführen.

 

„Schlaf gut.“, wisperte er dem schlafenden Taka zu, strich federleicht mit dem rechten Handrücken über die weiche Wange des Lockenkopfes. Sich von dem schlafenden Körper abwendend, zog Toru die Tür leise hinter sich zu. Da er noch nicht müde war, entschloss er sich dazu, sich den Film noch bis zum Ende anzusehen, doch auch dann würde er bestimmt nicht an der Seite des Sängers zum Einschlafen kommen. Wenn er das täte, hätte er viel zu viel Sorge darum, dass er am nächsten Morgen an Takas Brust gekuschelt erwachen würde und besagter Sänger ihm dann nur noch mehr Fragen stellen würde. Die nächsten Tage würde sich die Couch also als der Schlafplatz des Yamashitas entpuppen, bis Takahiro ihn auch daraufhin hinweisen würde, dass es ja wohl keine Sache wäre, wenn sie sich das Doppelbett teilten, wenn sie ja so eng miteinander befreundet waren.

 

Der Abspann erschien auf dem großen Bildschirm und nun schlich sich doch ein Gähnen durch Torus Lippen. Er schnappte sich die Decke vom Fußende, breitete diese aus und schüttelte eines der kleinen Kissen auf, um es auf der Armlehne abzulegen. Den Fernseher ausschaltend, ließ Toru ermüdet den Kopf in das doch ziemlich gemütliche Kissen fallen, brauchte nur binnen von Sekunden, um ebenso wie der Lockenkopf, in einen tiefen Schlaf zu verfallen.

 

Es war ein lauter Schrei, der dafür sorgte, dass Toru kerzengerade auf der Couch saß, die Augen geweitet vor Schreck. Seine Gedanken ordnend, durchfuhr ihn sogleich noch ein zweiter, aber viel größerer Schreck gefolgt von anfliegender Panik, als Toru realisiert hatte, woher der Schrei gekommen war und damit überhaupt auch von wem.

 

„TAKA!“ Panisch sprang der Blonde auf und riss die Tür zum Schlafzimmer auf, fand auch gleich den Lichtschalter und hätte beinahe weiche Knie bekommen, dem Anblick zuzuschreiben, der sich ihm bot. Taka stand völlig zitternd und lautstark schluchzend neben dem Bett, umklammerte sich selbst, schien Probleme damit zu haben, seinen Atemrhythmus unter Kontrolle zu bekommen.

 

„Toru…“, versuchte Taka mit ganzer Kraft über seine Lippen zu bringen, jedoch verstummte ein Teil des Namens, da dem Lockenkopf eindeutig die Luft zum Sprechen fehlte. Nicht länger zögernd, überwand Toru die letzten Meter zwischen ihnen, zog den zierlichen, hilflosen Körper fest in seine Arme und strich Taka ihn kreisenden, beruhigenden Bewegungen über den Rücken. Sowie Taka den starken Körper an sich spürte, nutzte er die Chance, seine Arme um Torus Hüfte zu schlingen, seine Finger in den Stoff am Rücken zu krallen und sich noch fester an die Gestalt des anderen zu drücken.

 

„Ich bin doch hier Taka, alles wird wieder gut, aber beruhige dich bitte.“

 

Nicht eine Sekunde unterließ er das beruhigende Streicheln über Takas Rücken, so merkte Toru, wie sich das Zittern verringerte, bis auch Takas Atmung wieder in einen Rhythmus fand, der ihm gestattete zu sprechen. Doch Takahiro schwieg weiterhin und ließ es zu, dass sich Torus Kopf an seinen eigenen lehnte, was ihm noch ein weiteres Gefühl von Wohlbehagen zusprach. Der Klammergriff lockerte sich, so legte Taka seine Hände flach auf dem Kreuz des Blonden ab und schniefte, dabei noch immer an die Brust geschmiegt. Dann löste er sich für wenige Zentimeter, sodass er hinauf in das Gesicht des Jüngeren blicken konnte. Die tiefroten, gläsernen Augen, die Torus Gesicht absuchten, verursachten einen Stich in Torus Herzgegend, strich mit zwei Fingern die störenden Locken beiseite.

 

„Was ist denn passiert, hm?“, fragte Toru nach einer Weile besorgt und nahm unbewusst das Gesicht des Älteren in beide Hände.

 

„Die Dunkelheit. Als ich aufgewacht bin…war alles schwarz. Ich…Ich dachte, ich wäre tot…und…alleine…“ Der Satz brach ab, da sich Takahiro offensichtlich wieder in seiner Erinnerung, wie er erwacht war, verlor und war dieses Mal der Hyperventilierung deutlich näher, als zuvor.

 

„Nein, nicht.“, wisperte Toru und musste sich dabei doch die eigenen Tränen, die seine Verzweiflung hervorrief, unterdrücken. „Ich bin doch bei dir und ich werde nicht weggehen, hörst du? Du bist nicht alleine und das wirst du auch niemals sein.“

Wieder zog sich der zierliche Körper fest an seinen eigenen, Takas Gesicht vergrub sich dicht an seiner Brust und Toru konnte das Vergießen seiner Tränen deutlich spüren, als sein T-Shirt eine gewisse Menge an Nässe durchdrang.

 

„Hör auf Taka, hör bitte auf zu weinen…“, schluchzte der Blonde mit einem letzten Versuch in die volle Lockenpracht des Kleineren. Ob es nun die Wortwahl, oder die Art, wie verzweifelt sich der Jüngere ausgedrückt hatte war, die dazu führte, dass sich Takahiro doch wieder beruhigte, konnte der Leader nicht mit Sicherheit sagen, blickte nur mit großen Augen in das zwischen seinen Händen auftauchende Gesicht des Dunkelhaarigen und strich dem Sänger mit beiden Daumen die Tränen von den Wangen.

 

„Ich will nicht alleine einschlafen und auch nicht ohne Licht.“, schluchzte Taka herzzerreißend und ließ seinen Blick hinüber zum Bett schweifen. Toru verstand und nicht eine Sekunde würde er es wagen darüber nachzudenken, die Bitte des Sängers abzuweisen.

 

„Leg dich ins Bett und mach die Nachttischlampe an, ich mache die Deckenlampe aus und lege mich dann zu dir.“, bedeutete er dem Sänger mit besänftigender Stimme. Still krabbelte der Sänger zurück unter die Decke, schaltete das kleine Licht neben seiner Bettseite an und wartete darauf, dass sich der Blonde zu ihm begab. Seine eigenen Bedürfnisse beiseite legend, nahm Toru dicht am Körper des anderen platz und legte einen Arm um die schmale Gestalt, die sich daraufhin an der starken Brust bediente und dicht an diese schmiegte. Zunächst jedoch hegte Takahiro doch noch eine gewisse Angst darüber einzuschlafen, doch das Streicheln durch Torus Hände und die Umarmung, in die er ihn somit zog, beseitigten diese Angst dann doch soweit, dass der schmale Körper letztendlich doch in einen ruhigen Schlaf verfiel, sich dabei aber fest an Torus Körper kuschelte.

 

„Wenn ich bei dir bin, brauchst du dich nicht zu fürchten…“, wisperte Toru, bevor sich auch sein Sichtfeld verdunkelte und er mit dem Lockenkopf in seinen Armen einschlief. Und trotzdem schlich sich der Gedanke in seinem Unterbewusstsein herum, dass mit der Psyche seines kleinen Freundes doch nicht alles in Ordnung zu sein schien…

With you near

Es war mitten in der Nacht, zumindest ging Toru davon aus, als er von einer sanften, aber bestimmten Berührung an seiner linken Wange geweckt wurde. Schlaftrunken blinzelte er einige Male, ehe er verstand, woher diese Berührung kam und auch, in was für einer Situation er sich befand. Das vertraute Gefühl, welches er beim Aufwachen gehabt hatte, war trügerisch schön gewesen und jetzt, wo er den kleinen Lockenkopf in seinen Armen registrierte, fühlte es sich für einen winzigen Augenblick vollkommen richtig an, ehe Toru die Realität dann doch wieder einholte. Taka lag nicht aus Liebe zu ihm in seinen Armen, sondern weil er Schutz suchte. Schutz vor dem Unsichtbaren, den Ängsten, die sich tief in seine Seele gebrannt hatten. Vermutlich hatte er Angst bekommen und Toru deswegen geweckt.

 

„Alles in Ordnung?“ Vorsichtig strich er dem Sänger eine dunkle Strähne aus der Stirn. In dieser Situation konnte es von Taka eher als eine beruhigende, als eine liebevolle Geste verstanden werden, weswegen sich der Blonde diese kleine Zärtlichkeit nun auch traute.

 

„Ja, schon.“, murmelte Taka leise und Toru bemerkte, wie rot dessen Augen waren. Hatte er geweint, während Toru geschlafen hatte? „Das klingt vielleicht komisch, aber wenn du bei mir bist, fühle ich mich sicher.“ Ehe der Gitarrist auf diese Worte eingehen konnte, sprach der Ältere schon weiter. „Als ich eben aufgewacht bin, hab ich mich nicht alleine gefühlt und dunkel war es auch nicht. Ich fühlte mich nicht tot, sondern irgendwie…sehr lebendig.“

 

„Das bist du ja auch.“ Wieder fuhr Toru mit seiner Hand durch die dunklen Locken des Kleineren, brauchte länger als nötig für diese Bewegung und merkte, wie sich Taka in seine Berührung lehnte. Vielleicht tat er es, weil er sich sicher fühlte bei ihm, dass hatte er selbst gesagt, vielleicht war es aber auch aus einem anderen Grund. Es war vermutlich nur naives Wunschdenken, resultierend aus Müdigkeit und auch Verzweiflung, aber bestand vielleicht doch noch die Chance für einen Neuanfang? Wäre es wirklich möglich, dass sich Taka noch ein zweites Mal in ihn verliebt?

Es war zu spät, um derartige Gedanken zu verfolgen, beschloss Toru. „Hast du mich geweckt, um mir das zu sagen?“ Taka hatte bereits wieder die Augen geschlossen, genoss die Wärme von Torus Hand sichtlich. Auf die Frage des Jüngeren hin, löste er sich ein wenig von diesem und schüttelte leicht den Kopf.

 

„Nein, nicht direkt. Aber das wollte ich dich so oder so noch wissen lassen.“ Ein warmes Lächeln legte sich auf die vollen Lippen des Kleineren und endlich schaffte Toru es, sich dazu durchzuringen, seine Hand aus den weichen Locken Takas zu ziehen, was für diesen scheinbar das Zeichen gewesen war, weiterzusprechen. „Eigentlich wollte ich etwas trinken, aber es ist alles dunkel…alleine traue ich mich nicht.“ Toru schenkte dem Kleineren ein verständnisvolles Lächeln, ehe er sich zusammen mit diesem im Bett aufrichtete.

 

„Schon verstanden, ich komme mit.“ Ehe der Blonde realisieren konnte, was gerade passierte, hatte Taka bereits nach seiner Hand gegriffen und krabbelte zusammen mit dem Jüngeren aus den Federn, hielt sich dicht hinter diesem, als sie in den unbeleuchteten Flur traten. Toru spürte, wie der Sänger seine Finger drückte, ganz offensichtlich tatsächlich Angst hatte, was dem Größeren nur noch mehr Sorgen bereitete. Als er das Licht anknipste, merkte er deutlich, wie sich der Griff um seine Finger entspannte, Taka diese aber keinesfalls losließ. Barfuss trotteten sie in die Küche, wo er dem Lockenkopf ein Glas reichte, welches dieser sich am Waschbecken volllaufen ließ.

Toru lehnte an der Küchenzeile und musterte Taka, welcher am Esstisch platzgenommen hatte und schluckweise sein Glas leerte, dabei irgendwie mehr als verloren aussah.

 

„Wie lange hast du das schon?“ Sichtlich aus den Gedanken gerissen, blickte Taka Toru an, stellte anschließend sein Glas ab und fuhr den Rand mit dem Zeigefinger nach.

 

„Was meinst du genau?“, fragte er leise. Es war offensichtlich, dass er genau wusste, worauf Toru anspielte. Sehr wahrscheinlich war es ihm selbst unangenehm, oder er wollte sich nicht eingestehen, dass mit ihm doch nicht alles so stimmte, wie seine Papiere es vielleicht bescheinigten.

 

„Deine Angstattacken. Seit wann hast du die?“ Taka unterbrach die Bewegung seines Fingers für einen Augenblick, setzte sie dann unverändert fort, sah Toru beim Sprechen nicht an.

 

„Meine…erste hatte ich direkt nachdem ich aus dem Koma aufgewacht bin. Es war früh am Morgen und alles verdunkelt. Ich wusste nicht wo ich war und was geschehen war.“ Das Zittern von Takas Hand war nicht zu übersehen, als er sich das Glas erneut an die Lippen führte und einen Schluck nahm. „Ich hörte Piepen um mich rum, Geräusche die ich nicht zuordnen konnte. Mir war kalt und warm zugleich und ich konnte mich an nichts erinnern, ich dachte ich sei tot, also…also hab ich einfach angefangen zu schreien, bis schließlich eine Schwester zu mir kam. Sie mussten mir Beruhigungsmittel injizieren, weil ich auf ihre Worte und Anweisungen nicht reagierte und sonst Gefahr gelaufen wäre, mich selbst zu verletzten. Später an dem Tag kamst du mich besuchen und ich hab das mit der Amnesie erfahren. Die Ärzte hielten meine Panikattacke für stressbedingt, daher gingen sie ihr auch nicht weiter nach und ich glaubte ihnen. Als ich dann in der zweiten Nacht aufgewacht bin, wusste ich, woher all die Geräusche kamen, wer ich war und wo ich war, trotzdem bekam ich unglaubliche Angst, als ich einfach nur Schwarz sah, einfach…ich dachte jemand oder etwas schnürt mir die Kehle zu.“ Erst jetzt bemerkte Toru, dass Taka angefangen hatte zu weinen. „Ich hab mich panisch von all den Kabeln losgerissen und hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen, ich war so orientierungslos. Irgendwie hab ich’s dann geschafft, das Licht anzumachen. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich da am Boden saß und geweint habe. Ich kam mir so…blöd und hilflos vor. Und allein. Ich hab mir dann von den Schwestern unter einem Vorwand eine Taschenlampe besorgen lassen, mit der ich solche Attacken in den Nächten, die ich auf der normalen Station verbracht hatte, in den Griff bekommen hatte. Die musste ich aber natürlich bei meiner Entlassung wieder abgeben, da sie dem Krankenhaus gehörte, sonst wäre das heute Nacht…ich meine, ich hätte…“ Das herzzerreißende Schluchzen war nun unüberhörbar und ohne weiter nachzudenken, ließ sich der Blonde auf den Stuhl neben Taka nieder und zog den Kleineren in eine enge Umarmung, fühlte bereits zum zweiten Mal in dieser Nacht, wie der Körper des Sängers in seinen Armen zitterte.

 

„Warum hast du nichts gesagt?“ Beruhigend strich Toru mit seiner Hand über Takas Hinterkopf, kraulte leicht den Nacken des Älteren.

 

„Was hätte ich denn sagen sollen?“, murmelte der Lockenkopf in das Shirt des Bandleaders, ehe er sich ein Stück von diesem löste und zu ihm hinaufsah. Nasse Wangen, rote Augen. Das Bild war herzzerreißend. „Dass ich Angst vor der Dunkelheit habe? Dass mit meinem Kopf etwas nicht stimmt? Nicht, dass das etwas Neues wäre. Wenn ich ganz viel Glück hab, bin ich vielleicht für immer auf die Hilfe anderer angewiesen, toll, oder?“ Der triefende Sarkasmus in der Stimme des Älteren schmerze Toru auf eine nicht zu definierende Art und Weise. Er wollte Taka so nicht sehen, ihm fiel aber auch nichts ein, was das Leid von den Schultern des Kleineren hätte nehmen können. Alles was er tun konnte, war dem Lockenkopf Mut zuzusprechen, auch wenn das beim wiederholten Mal wahrscheinlich nicht mehr die erwünschte Wirkung hatte. Doch Ehrlichkeit war das Aufrichtigste, was er ihm bieten konnte.

 

„Du hättest alles sagen können, Taka. Ich hätte dir alles geglaubt und bei allem meine Hilfe angeboten.“ Kurz zögerte Toru, ehe er seine Hand dann doch auf die nasse Wange seines Sängers legte. „Dass du Angst vor der Dunkelheit hast, ist nichts für das du dich schämen solltest, da es von einem Trauma herrührt für das du nicht kannst.“ Dass die Schuld stattdessen ganz alleine bei ihm lag, schluckte der blonde Gitarrist herunter. Noch mehr Pessimismus wollte er dem Kleineren keinesfalls zumuten. „Wegen so etwas bist du nicht krank im Kopf, die Ärzte bescheinigten dir nicht umsonst einen einwandfreien Zustand. So etwas lässt sich behandeln, vielleicht therapieren. Und alleine bist du auf keinen Fall.“ Über seinen Handrücken lief eine warme Träne, welche Sekunden zuvor Takas Auge verlassen hatte und aus dem Augenwinkel sah Toru, wie sich der Ältere auf die Unterlippe biss, während diese leicht zitterte. Er kannte diese Angewohnheit von damals, Taka tat offensichtlich sein Bestes die Fassung wenigstens halbwegs zu bewahren. „Es ist in Ordnung zu weinen, Taka. Es ist in Ordnung zu weinen weil du Angst hast. Und für mich ist es mehr als in Ordnung nachts von dir geweckt zu werden, wenn du jemanden brauchst, der dich im Arm hält deswegen.“ Das Zittern von Takas Unterlippe war nun unübersehbar. Langsam lehnte er sich wieder vor und legte seinen Kopf auf der Schulter des Jüngeren ab, krallte sich in dessen Oberteil, als fürchte er, jeden Moment losgelassen zu werden.

 

„Ich hätte dir alles von vornherein sagen sollen, Toru, es tut mir so leid.“

 

Seine Vermutung, dass bei Taka noch alle Dämme brechen würden, hatte sich im Laufe ihrer Unterhaltung am Esstisch bestätigt. Völlig aufgelöst hatte ihn der Lockenkopf in all seine Ängste und Bedenken eingeweiht und, so egoistisch es auch war, Toru empfand Dankbarkeit und Genugtuung, als Taka ihn darum bat, all das für sich zu behalten. Sie hatten sich darauf geeinigt nach dem Frühstück erneut ins Krankenhaus zu fahren, um Takas Angst untersuchen zu lassen und ihm gegebenenfalls Medikamente dagegen verschreiben zu lassen. Nachdem der kleine Sänger so viel geweint hatte, war er einfach in Torus Armen eingeschlafen und einmal mehr hatte ihn in dieser ins Bett getragen, sich aber dieses Mal zu ihm gelegt und ihn ganz eng an sich gedrückt. „Ich wünschte, all das wäre mir passiert, Taka.“

 

- - -
 

„Hey, Toru, die sagen heute wird es warm und sonnig, lass uns nachher noch irgendwo hin gehen, ja?“, drang Takas Stimme aus dem Wohnzimmer, wo es sich dieser, mit einem Brötchen in der Hand und einer Tasse Kaffee auf dem Tischchen vor sich, auf dem Sofa eingerichtet hatte und interessiert den Fernsehnachrichten lauschte.

 

„Nach was wär dir denn?“ Das, was in der Nacht passiert war, hatte keiner von ihnen nochmals angesprochen und Toru hatte für sich entschieden, dass es zumindest seinerseits auch dabei bleiben würde. Wenn Taka ein weiteres Gespräch suchte, sollte die Initiative von ihm aus gehen, Toru würde ihn zu nichts zwingen. Den Schwarzhaarigen musternd, biss er ein Stück von dem Apfel ab, welchen er zuvor geschält hatte, hielt dem anderen die Platte anschließend ebenfalls hin, woraufhin dieser das Angebot dankend annahm.

 

„Ich weiß nicht, nach der großen Action ist mir noch nicht, aber in die Stadt gehen klingt so verlockend.“, murmelte Taka vor sich hin, während er gedankenverloren an seinem Apfelstück knabberte. Kurz überlegte Toru.

 

„Hm, nahe der Hauptstraße ist ein Café in das wir früher oft gegangen sind. Wir können uns da ja nach draußen setzten und Kuchen essen, wenn wir das im Krankenhaus erledigt haben?“ Begeistert nickte Taka und trank seine noch halbvolle Tasse in wenigen Schlucken leer, griff anschließend nach einem weiteren Stück Apfel.

 

„Da kann ich mich nicht mehr dran erinnern, also war er noch nicht immer da?“ Toru schüttelte den Kopf.

 

„Es hat sich einiges in den letzten Jahren verändert, aber ich glaube die Geschäfte, in die du am liebsten gegangen bist, sind noch da.“

 

„Was, das kannst du mir nicht mit Sicherheit sagen? Ich bin entsetzt!“ Wild gestikulierte der Lockenkopf, setzte ein erschrockenes Gesicht auf und verließ das Wohnzimmer, sammelte offensichtlich seine Sachen zusammen und Toru beschloss, es ihm gleichzutun.

 

 

Dass er das Krankenhaus nach nur so kurzer Zeit bereits wieder betreten musste, war nicht wirklich das Ziel, auf das Taka hingearbeitet hatte, jedoch blieb ihm angesichts der Umstände wohl keine andere Wahl. Ein kleiner Trost war Toru, neben dem sich der Lockenkopf hielt und den er gebeten hatte, der ärztlichen Besprechung doch beizuwohnen, da er immerhin versprochen hatte, das mit ihm gemeinsam durchzustehen. Sie waren mit der Straßenbahn gefahren, da Toru sich noch kein neues Auto gekauft hatte und insgeheim war Taka ein wenig enttäuscht gewesen, da er gehofft hatte, dass es eventuell Erinnerungen wieder aufgeweckt hätte, wenn er neben dem Blonden in einem Auto gesessen hätte.

Stumm saß er neben dem Jüngeren im Sprechzimmer und sah sich im Raum um, welcher eine gewisse Büroatmosphäre aufwies. Dieses Zimmer hatte er während seines Aufenthaltes nicht betreten und suchte daher nach etwas Neuem, Interessantem, was er betrachten konnte, entschied aber recht schnell, dass es nichts gab, was er seine Aufmerksamkeit schenken konnte. Das Spannendste waren vielleicht noch die paar Fotos auf dem weißen Schreibtisch, welche zwei Mädchen zeigten, vermutlich die Töchter das Arztes, ebenso wie die Palme in der hinteren Ecke des Raums, von der Taka unter Umständen hätte die Blätter zählen können. Er seufzte.

 

„Alles klar?“, fragte ihn Toru und der kleine Sänger sah auf. Toru sah in dieser Umgebung und vor allem in diesem Licht – sie saßen dem großen Fenster, durch das die Mittagssonne schien, gegenüber – so anders aus. Als würde er herausfinden wollen, was genau so anders an dem Blonden war, musterte Taka ihn ausgiebig. Die blonde Mähne des Jüngeren wirkte etwas zerzaust, schien aber so, wie sie war, perfekt zu liegen und große, dunkle Augen sahen ihn durch einzelne Strähnen hindurch an. Mit dem Blick weiter nach unten wandernd bemerkte Taka, dass die Lippen des Gitarristen ein Stück geöffnet waren und versuchte sich zu erinnern, ob sie schon immer so rosig gewesen waren. Noch weiter unten blieb sein Blick an dem tiefen Ausschnitt von Torus schwarzem Oberteil hängen, woraufhin sich Taka wieder fing und zu dem Jüngeren aufsah, sich fragte, was in aller Welt das jetzt sollte.

 

„Ja, alles klar. Etwas nervös vielleicht.“, antwortete er wahrheitsgemäß, konnte seine knappe Antwort aber nicht weiter ausführen, da sich hinter ihnen die Tür auftat und ein Mann in weißem Kittel das Zimmer betrat. Er gab ihnen beiden die Hand und setzte sich anschließend auf die andere Seite des Tisches. Taka schätze ihn anhand der Falten auf seiner Stirn und der deutlich weniger gewordenen Haardichte auf Mitte bis Ende vierzig.

 

„Herr Morita,“, begann der Arzt und tippte einige Worte in seinen Rechner, sah dann erwartungsvoll zu dem Lockenkopf. „Was kann ich für Sie tun?“

 

„Ich…also, die Sache ist…die…“ Taka räusperte sich, vermied offensichtlich Blickkontakt mit dem Mann in Weiß und fühlte sich augenscheinlich ganz und gar nicht wohl, das entging auch Toru nicht. Er würde doch nicht so kurzfristig doch noch einen Rückzieher machen?

 

„Herr Morita?“ Vorsichtig griff Toru nach Takas Hand, verschränkte ihre Finger miteinander, wissend, dass der Arzt ihnen gegenüber dies unmöglich sehen konnte, wobei ihm das eigentlich recht gleichgültig war. Seit er Taka in der Nacht zuvor so eng in seinen Armen gehalten hatte, hatte der Blonde sich stetig ausgemalt wie es wäre, wenn sich der Sänger tatsächlich noch ein zweites Mal in ihn verliebte. Ihm war bewusst, dass es sehr wahrscheinlich lediglich sein naiver Wunsch nach der Person war, die er so sehr liebte, dennoch gab ihm dieser Gedanke die Kraft, dem Älteren zumindest kleine, nach außen fürsorgliche, freundschaftliche Zärtlichkeiten zukommen zu lassen, obwohl sie für den Blonden so viel mehr bedeuteten. Taka schien sich auch keineswegs an ihnen zu stören, so auch jetzt nicht, im Gegenteil. Er schien erleichtert über den warmen Kontakt, drückte die Hand des Gitarristen leicht und fand endlich die Kraft zu sprechen.

 

„Seit ich aus dem Koma erwacht bin, durchlebe ich Angstzustände, die teilweise in Panikattacken ausarten, ausgelöst durch Dunkelheit. Es macht keinen Unterschied, ob ich weiß, wo ich mich befinde, oder nicht, sobald ich nichts mehr sehen kann, beginnt mein Herz zu rasen und…“ Toru spürte, wie der Kleinere seine Hand drückte. Beruhigend strich er mit dem Daumen über Takas Handrücken. „Und ich habe das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen.“

 

„Und wie äußern sich diese Zustände körperlich?“, fragte der Arzt und tippte er erneut etwas in seinen Computer ein.

 

„Ich…bin mir nicht sicher…“

 

„Er weint und ist orientierungslos.“, warf Toru in das Gespräch ein. Er hatte eine Attacke miterlebt, also konnte er zumindest das schildern, was er gesehen hatte. „Sein ganzer Körper zittert und er neigt zur Kurzatmigkeit.“

 

„Verstehe. In Ihren Akten steht, Sie hatten vor wenigen Wochen einen Unfall, hatten Sie vor diesem jemals einen derartigen Anfall?“ Unsicher, was er antworten sollte, sah Taka hilfesuchend zu Toru. Er wusste nicht, ob er in den sechs Jahren vor dem Unfall jemals solche Anfälle hatte.

 

„Nein, hatte er nicht. Sehen Sie, er hat durch den Unfall die letzten Jahre seines Lebens vergessen, daher wird er wohl auf einige Fragen, welche ein „vor dem Unfall“ behandeln, nicht antworten können.“ Toru hatte nicht vor, seine Worte so schnippisch klingen zu lassen, aber es war offensichtlich, wie unwohl sich Taka gerade fühlte und im Interesse des Älteren, wollte er das hier so schnell hinter sich bringen, wie möglich. „Ich habe die letzten Jahre mit ihm zusammengelebt und ich versichere Ihnen, dass er nie so auf Dunkelheit, oder andere Dinge reagiert hat.“ Er sah dem Arzt an, dass dieser zu gerne ihre Beziehung zueinander hinterfragen würde, da war Toru schon fast dankbar, dass das über das Interessengebiet eines Arztes weit hinausging. Die Wahrheit hätte er ohnehin nicht preisgeben können.

 

Die Fragerei ging noch eine geschätzte Viertelstunde lang. Mal konnte Taka vollständige Antworten geben, mal musste Toru einspringen und mal wussten sie beide keine und zuckten nur mit den Schultern. Letztendlich wurden Taka Beruhigungsmittel verschrieben, welche er im Notfall einzunehmen hatte, ebenso wie einige Vitamintabletten, da er noch immer recht schwach wirkte.

 

 

Mürrisch betrachtete Taka die weißen Verpackungen seiner soeben aus der Apotheke geholten Medikamente. Der Gedanke daran, jetzt auch noch darauf zu achten, diese ständig bei sich zu tragen, missfiel dem Sänger und er kam sich der Psychopharmaka recht ausgeliefert vor.

 

„Als ich das letzte Mal Tabletten nehmen musste, hatte ich eine Woche lang Durchfall.“, murmelte er und sah zu Toru hinauf, der neben ihm die Straße entlangschlenderte. Etwas irritiert über diese Information, hob der Blonde eine Augenbraue, lachte aber anschließend kurz auf.

 

„Ich glaube an das wahre letzte Mal kannst du dich nicht erinnern, Taka. Und da hattest du bestimmt keinen Durchfall.“, scherzte er, woraufhin Taka die Wangen aufplusterte, das Thema aber vorerst auf sich beruhen ließ. Er wollte in der Öffentlichkeit nun wirklich nicht über seine Verdauung und deren Reaktion auf Medikamente sprechen. Stattdessen blickte sich der Sänger staunend um und bemerkte, dass sich die Stadt doch mehr verändert hatte, als Toru am Morgen gesagt hatte. An viele Läden erinnerte sich Taka noch, einige waren aber auch neu hinzugekommen, sogar ganze Straßen und Passagen schienen in den letzten sechs Jahren gebaut worden zu sein. Zu wissen, dass man hier aufgewachsen ist und einem trotz dessen vieles so fremd vorkam, fühlte sich mehr als eigenartig an.

 

„Toru, gibt es diesen Park hier in der Nähe eigentlich noch? Lass uns da nachher auch noch hingehen, okay?“ In der Ferne sah Taka ein Café, konnte aber nicht mit Sicherheit  sagen, ob es sich auch um das handelte, von dem Toru zuvor gesprochen hatte. Erst, als der Blonde deutlich in die Richtung einlenkte, bestätigte sich seine Vermutung.

 

„Ja, den gibt es noch, können wir von mir aus gerne machen. Die haben da vor drei Jahren oder so große Teiche angelegt, die sind wirklich schön.“, merkte der Jüngere an, während er sich an einen der vor der Tür platzierten Tische setzte und bereits eine der auf den Tisch gelegten Karten aufschlug.

 

„Ah, das klingt fantastisch!“, merkte Taka an und setzte sich neben Toru, schaute einfach frech mit in dessen Karte, anstatt eine eigene aufzuschlagen. „Wenn es die Alleen da noch gibt, dann sehen die Bäume zur jetzigen Jahreszeit bestimmt wahnsinnig toll aus.“

 

„Das tun sie, glaub mir.“ Kurz erinnerte sich Toru an ein Date, auf das er Taka vor einigen Monaten ausgeführt hatte. Es war Frühling gewesen und überall hatten die Kirschblüten geblüht, er hatte Taka sogar dazu überreden können, sich eine ins Haar zu stecken. Irgendwo musste er sogar noch ein Foto davon haben…

 

„Also ich nehme einen Cappuccino und ein Stück von dem Schokoladenkuchen.“, entschied Taka und deutete auf das Bild von dem mit Sahne verzierten Kuchenstück in der rechten, oberen Ecke der Karte.

 

„Tust du immer.“ Ein Grinsen stahl sich auf das Gesicht des Bandleaders. Manche Dinge würden sich wohl nie ändern. „Dann nehme ich einen Espresso und erlaube mir auch ein Stück Schokokuchen.“

 

„Ich würde ja sagen, dass du das immer tust, nur weiß ich das bedauerlicherweise nicht.“ Nun grinste der Lockenkopf ebenfalls und irgendwie kam es Toru so vor, als wären sie gerade auf ihrem ersten Date. Die Zeit, in der noch eine gewisse Distanz zwischen zwei Menschen besteht, obwohl sie wissen, dass sie sich zueinander hingezogen fühlen. Wobei Taka das vermutlich nicht mal tat. Ein Klingeln aus seiner Hosentasche holte den Blonden wieder zurück in die Realität und nach Zücken seines Smartphones sah er, dass Ryota ihn anrief.

 

„Es ist Ryota, bestell du bitte für mich mit.“, sagte er und stand auf, um in einigen Metern Entfernung in Ruhe telefonieren zu können. Taka nickte lächelnd und blätterte anschließend aus Spaß ein wenig weiter in der Karte rum, spielte mit dem Gedanken sich noch ein weiteres Dessert zu bestellen, da die Backwaren alle – zumindest auf den Fotos – köstlich aussahen.

 

„Haben Sie sich schon für etwas entschieden?“, fragte eine männliche Stimme, die neben dem Schwarzhaarigen aufgetaucht war, vermutlich die Bedienung.

 

„Ah, ja, haben wir.“, antwortete er und legte die Karte vorsichtig beiseite. Als er aufsah, stockte Taka der Atem und er war sich nicht sicher, ob er je in seinem Leben sein Herz so laut hat schlagen hören.

Thunderstorm

„Bis gleich dann, ja?“ Mit einem Wink verabschiedete sich der Sänger, konnte Toru dem Älteren noch ein „Pass auf dich auf!“ zurufen, ehe der dann doch die Tür hinter sich verschlossen hatte.
 

Nachdem Takahiro sich freiwillig aus einer Laune heraus dazu bereiterklärt hatte, ihnen jeden Morgen aus dem kleinen Café, in dem er letztlich Takeru kennengelernt hatte - oder eigentlich besser gesagt nach längerer Zeit wieder begegnet war – ihr Frühstück von dort zu besorgen, war es doch Takas Intention, den für ihn neugewonnenen Freund etwas näher kennenzulernen.
 

Kaum hatte der Lockenkopf die Straße betreten, musste er den Kragen seiner Jacke doch etwas höher ziehen, des kühlen Windes wegen, der an diesem Morgen durch die Straßen fegte. Auch die Wolkendecke hatte sich deutlich verdunkelt, so entschloss sich Taka den heutigen Ausflug ins Café zu kürzen, um nicht im völligen Regen nach Hause zu kommen, oder doch gar im Gewitter. Letzteres hoffe der Frontmann dann doch vermeiden zu können, so konnte er sich noch zu gut daran erinnern, eine gewisse Angst gegenüber derartigen Naturereignissen auszuleben. Für einen Rückzug war es jetzt aber ohnehin zu spät und der Weg ins Café erwies sich zum Glück des Sängers nicht mehr als allzu lang, sodass er binnen weniger Minuten sowieso dort sein würde.
 

„Guten Morgen Taka. Ich habe dir bereits alles Nötige in die Tüte hier gepackt, da ich denke, du nimmst dasselbe wie die Tage zuvor auch?“ Ein freundliches Lächeln schenkte ihm der junge Mann, der sich natürlich als Takeru entpuppte. Die beiden Männer hatten sich bereits nach dem zweiten Wiedersehen im Café das Du angeboten, zumal sie sich ja so oder so schon vorher kannten; war dies jedoch in Takas Gedächtnis vorerst noch verloren gegangen.
 

Nickend nahm der Lockenkopf schließlich die kleine Tüte entgegen, ebenso wie die kleine Palette mit den darin georderten Koffeingetränken und bedankte sich bei seinem Freund. „Vielen Dank.“, richtete der Ältere der beiden dann noch an den Anderen, bekam von diesem nur einen freundlichen „Guten Appetit“ gewünscht, bevor er den Sänger schließlich auf die Wolkenwand hinwies, die sich in der kurzen Zeit deutlich dichter zugezogen hatte und wollte ihn damit daran erinnern, sich nun doch lieber wieder auf den Heimweg zu machen. Eigentlich hatte sich der Lockenkopf vorgenommen, sich an diesem Morgen ein wenig mit dem Brünetten zu unterhalten, mehr über dessen Leben herauszufinden, über das er womöglich vor dem Unfall bestens Bescheid gewusst hatte, jedoch war die Vorstellung, dass er deswegen im Gewitter zurück zu Torus Wohnung musste, alles andere als angenehm, weswegen er dieses Vorhaben wohl oder übel auf einen anderen Zeitpunkt verschieben musste.
 

„Ich würde dich ja gerne fahren, aber morgens ist hier doch recht viel los und die brauchen hier jede Hilfe. Beeil dich am besten und melde dich, wenn du Zuhause bist, ja?“, bat Takeru schließlich noch, sorgte jedoch damit für ein verwirrtes Stirnrunzeln in Takas Gesicht. „Ach ja, hab ich ganz vergessen. Du wirst meine Nummer wohl nicht mehr haben, nachdem dein altes Handy doch kaputt gegangen ist.“, merkte Takeru an und zückte bereits einen Kugelschreiber aus seiner Brusttasche, der normalerweise dazu diente, Bestellungen aufzunehmen. Flink kitzelte der junge Mann eine Zahlenfolge auf Takas Handrücken, schenkte ihm zum Abschluss noch ein breites Lächeln, ehe er sich der nachfolgenden Kundin zuwandte und sich Taka dann doch auf den Weg machte.

Sein Herz klopfte wie wild, als er die Nummer auf seinem Handrücken immer wieder durchlas und sie wohl bald auswendig kennen würde. Wahrscheinlich war es dieses kleine Kunstwerk auf seiner Hand, das den Sänger von dem über sich zusammenbrauenden Unwetter ablenkte, bevor er schließlich doch wieder in Torus unmittelbarer Nähe war. Die Augen wieder auf den Weg richtend, erblickte der Lockenkopf schon die Tür, hinter der sich nach einigen erklommenen Treppen die Wohnung des Gitarristen verbarg.
 

„Bin wieder da!“, flötete der Sänger, musste jedoch nach einigen Sekunden der Stille feststellen, dass Toru scheinbar nicht hier war. Etwas geknickt, oder vielmehr besorgt war der Ältere dann schon, da sich der Blonde nicht bei ihm über sein Fortgehen gemeldet hatte, aber wie sollte er auch? Taka hatte noch immer kein Handy, einfach aus dem Grund, dass er es momentan nun mal nicht benötigte. Doch nicht mal einen Zettel mit der nötigen Information hatte Toru ihm auf einem Tisch hinterlassen, stellte Taka fest, als er die Küche betrat und dort Brötchen und Kaffee auf dem Tisch abstellte. Nur um ganz sicher zu gehen, verkroch er sich ins Wohnzimmer, um auch dort nach einer möglichen Nachricht zu suchen.
 

Ein lautes Donnern, was viel mehr nach einer Explosion klang, sowie der darauf folgende, grelle Blitz, der das Zimmer erleuchtete, ließen Taka reflexartig zusammen zucken, sank der zierliche Frontmann die Hände über dem Kopf ablegend panisch schreiend auf die Knie. Wahrscheinlich hatte das Gewitter irgendwo eine Stromleitung lahmgelegt, da plötzlich jegliche Lichter und sonstige Stromquellen in der Wohnung, und auch sonst wo in den Straßen Tokios ausfielen.
 

„T...t...to...o…ru...“, zitterte der Sänger mit leiser Stimme, verzog das Gesicht in ängstliche Züge, wobei er die Augen so sehr zusammenkniff, dass es wehtat.

Ein weiterer lauter Knall; Taka dachte nicht einen Moment weiter darüber nach, sondern verkroch sich schnellstmöglich unter den Tisch im Esszimmer, kauerte sich darunter zusammen und begann, sich zu verkrampfen. In kurzen Zügen zog der Sänger immer wieder die Luft ein, atmete diese ebenso schnell wieder aus, sodass Taka, wenn er sich nicht bald beruhigte, wohl ohnmächtig werden würde. An die Tabletten hatte er, als er das Gebäude verlassen hatte, nicht gedacht und in dieser Panik würde er auch nicht darauf kommen, wo er sie jetzt finden würde und so kam es ihm jetzt auch nicht in den Kopf, sein vermeidliches sicheres Plätzchen zu verlassen, um nach ihnen zu suchen.
 

„Toru...“, wimmerte Taka nun deutlich verzweifelter als zuvor, hielt sich die Ohren mit den Händen zu und biss die Zähne krampfhaft zusammen. Bitterlich weinte der zierliche Mann, schrie schon praktisch, doch es kam niemand. Keiner war da, der ihn hörte. Niemand war da, der ihn tröstete und um ihn herum tobte noch immer dieses Unwetter, das mit jedem Donner das laute, Schluchzen, die verzweifelten Hilferufe verschluckte.
 

„TOORUU!!!“, schrie Taka mit aller Kraft, die er jetzt noch aufbringen konnte, ließ sich schließlich ergeben gegen das Tischbein hinter sich fallen, war er doch so schwach und enttäuscht darüber, dass seine Hilferufe einfach kein Gehör fanden.
 

Die Tür würde lautstark aufgerissen, sodass eine Konfrontation mit der dahinterliegenden Wand vorherzusehen war, ignorierte dies Toru, der soeben die Wohnung betreten hatte, jedoch und stürmte panisch ins Innere.
 

„Taka?? Taka, wo bist du?!!“, rief Toru verzweifelt durch die Zimmer, schenkte den Tränen, die sich bereits der in ihm aufsteigenden Panik in seinen Augen ansammelten keine Beachtung. Zwar bekam er keine Antwort, vernahm aber trotz dessen ein deutliches Schluchzen aus dem Esszimmer.

Auf leisen Sohlen schlich der Bandleader in den besagten Raum und konnte sofort eine zusammengekauerte Person unter dem darin positionierten Tisch vorfinden.
 

„Taka, ganz ruhig. Ich bin ja hier, okay?“ Federleicht legte er die Hände von hinten auf den Schultern des Sängers ab, versuchte ihn nicht zu erschrecken, konnte Taka allerdings ein schreckhaftes Aufzucken nicht vermeiden. „Komm her, hier bei mir bist du sicher.“, wisperte Toru, hatte er sich hinter dem Frontmann niedergelassen und zog ihn nun vorsichtig unter dem Tisch hervor und auf seinen Schoß. Da der zierliche Körper kaum Gewicht aufwies, hatte Toru damit herzlich wenige Probleme und Taka würde sich auch nicht dagegen wehren.

Zärtlich strich er dem kleinen Mann immer wieder beruhigend durch die Locken, drückte ihn dicht an seine Brust und wiegte ihn durch eine Bewegung, ausgeführt von Torus eigenem Körper, doch tatsächlich leicht vor und zurück.
 

Zwar war Taka erleichtert darüber, den Blonden endlich um sich zu spüren, weinte er nun aber um einiges mehr, schrie immer wieder verkrampft auf, endete allerdings jeder Schrei in einem heiseren Kratzen im Halse des Schwarzhaarigen.

Weitere Tränen sammelten sich an und nun konnte auch Toru diese nicht länger unterdrücken, nicht langer zurückhalten, und ließ sie endlich laufen, Taka würde sie vermutlich ohnehin nicht bemerken. Unendliche Schuldgefühle machten sich in seinem Körper breit. Er war doch gefühlt nur einige Minuten fort gewesen und doch saß Taka jetzt hier bitterlich weinend in seinen Armen mit einer Panikattacke, ausgelöst vom draußen wütenden Unwetter, dabei hätte er es doch besser wissen müssen. Schon immer hegte Takahiro eine schreckliche Phobie gegenüber Gewittern, gerade der Blitze wegen und doch hatte Toru leichtsinnig gehandelt und ihn zum ersten einfach auf die Straße gehen lassen und zum zweiten, alleine in seiner Wohnung zurück gelassen, anstatt auf seine Rückkehr zu warten, dabei war er doch nur in den Keller gegangen, um die Wäsche aufzuhängen, da er sich seither davor sträubte, sie einer Wäscherei auszuhändigen, hatte Taka in zu jener Zeit dazu bewegt, die Dinge selbst zu erledigen und seinen häuslichen Pflichten nachzukommen und jetzt hatte er die Quittung für sein Handeln bekommen.
 

„Kleiner, jetzt bin ich hier und nichts kann dir mehr passieren. In meinen Armen bist du ganz sicher, versprochen.“ Enger drückte er sich gegen den zitternden Körper, um seinen Worten Bedeutung zu schenken. Sofort konnte der junge Bandleader spüren, wie sehr sich Taka in den Stoff seines Shirts am Rücken krallte, sich dabei mehr als verängstig gegen den Kontakt lehnte und herzzerreißend weinte, was jedoch abgedämpft wurde, da er sein Gesicht fest an Torus Brust presste.
 

„Lass mich nicht los, Toru...bitte nicht...“, flehte Takahiro leise gegen den dünnen Stoff, der durch die Tränen an einem Fleck nass geworden war.
 

Stumme Tränen rannen über Torus Wangen, versuchte er sein Bestes den Kleinen zu beruhigen, indem er ihm langsam über den Rücken strich.

„Das werde ich ganz bestimmt nicht tun, Taka. Ganz sicher nicht. Bitte verzeih' mir, dass ich nicht sofort hier war, als du mich brauchtest.“, wisperte Toru leise, fanden diese warmen Worte doch endlich Gehör bei dem Kleineren. Langsam beruhigte sich dessen Atmung, sein Körper lockerte sich und heißer Atem traf auf die durchnässte Stelle an Torus Brust.
 

Die Gänsehaut, welche dem Jüngeren drohte aufzusteigen, musste er mit aller Kraft versuchen zu unterdrücken, ebenso ein schweres Schlucken, da ihm die Nähe zu dem Sänger deutlich zusetzte, seinen Herzschlag schwerer werden ließ.
 

„Es tut mir so leid...“, flüsterte Toru, bahnte sich noch eine letzte, dicke Träne den Weg über seine nasse Wange. Wieder begann er leicht hin und her schaukeln, schien es den kleinen Sänger dieses Mal deutlich besser zu beruhigen.

Das Gewitter dauerte zwar noch immer an, Torus beruhigende Gesten und vor allem dessen Nähe konnten Taka allerdings so weit beruhigen, dass dieser zumindest nicht wieder einer Panikattacke verfiel.
 

„Danke.“ Fast hätte der Gitarrist dieses kleine Wort überhört, war es doch so leise und beinahe stumm gewesen und doch erwärmte es das Herz des Blonden. Doch noch immer löste sich Takahiro nicht von dem Größeren, auch wenn sich sein Griff in dessen Shirt deutlich lockerte. Flüchtig wischte sich der Bandleader mit dem Handrücken jene Rinnsale von Tränen fort, legte seine Hand danach sofort wieder auf dem schmalen Rücken ab und verweilte dort eine kleine Ewigkeit, bis das Gewitter vorüberzog.
 

„Kann ich noch irgendwas für dich tun?“, erkundigte sich Toru schwach lächelnd beim Älteren, als sich dieser etwas von ihm löste, um Blickkontakt zu suchen. „Ich denke nicht...glaube ich..“, murmelte Taka noch immer etwas abwesend vor sich hin, waren seine Augen vom vielen Weinen noch immer ganz rot, so war auch eine gewisse Müdigkeit in ihnen zu erkennen.
 

„Wie wäre es mit ein bisschen Schlaf? An Frühstück ist jetzt wohl erstmal nicht zu denken. Ich werde auch nicht weggehen, sondern die ganze Zeit über neben dir liegen, in Ordnung?“, bot der Blonde um die Verfassung des Älteren besorgt an. Ein schwaches, dennoch zunächst zögerliches Nicken gewehrte dem Toru schließlich, zusammen mit dem Lockenkopf auf den Armen aufzustehen.
 

„Ich will lieber auf der Couch schlafen.“ Noch bevor Toru einen Schritt getan hatte, erreichten ihn diese Worte mit niedlich gesprochener Stimme, woraufhin er sich ein sanftes Lächeln nicht verkneifen konnte. Ohne Weiteres setzte er sich also auf die Couch, krabbelte Taka sobald er saß stillschweigend und vorsichtig von seinem Schoß herunter, um sich auf besagtem Möbelstück lang zu machen, seinen Kopf zuletzt einfach auf Torus Oberschenkel ablegte, ohne Weiteres die Augen schloss und sich nur noch einmal nach außen hin auf die Seite drehte, dann nicht mehr lange brauchte, ehe er tatsächlich eingeschlafen war.
 

Auch Toru nahm es sich heraus, eine Weile zu ruhen, ließ den Kopf gegen die Rückenlehne fallen, schloss seufzend die Augen und streichelte den Arm des Sängers schon unbewusst, wollte er ihm so dennoch zeigen, dass er bei ihm war. Sich dermaßen um den Kleineren kümmern zu müssen, zerrte allmählich an den Kräften des Jüngeren, doch wollte er nur zu gerne für den Lockenkopf da sein, vor allem, weil er ihn noch immer mit jeder Faser seines Körpers liebte...
 

Ein nervöses Winden von Takas Kopf auf seinem Schoß rief Toru zurück aus seinem Halbschlaf, hatte er doch eindeutig gehört, wie Taka gesprochen hatte, da die Worte aber unverständlich gewesen waren, machte Toru bereits Anstalten, noch einmal nachzufragen, als er dann aber den noch immer schlafenden Körper ausmachte, unterdrückte Toru seine Neugierde, zumal Taka die Worte, oder wie sich jetzt herauskristallisierte, den Namen widerholte. Doch auch wenn er das tat, so konnte der junge Bandleader noch immer nicht ausmachen, um wen es sich in Takas Traum handelte. Der Name begann wohl mit einem T, den Rest konnte der Gitarrist vorerst aber immer noch nicht verstehen. Eigentlich sollte er sich schämen, den Älteren derartig zu belauschen und irgendwo tat er das auch tatsächlich, nur die Tatsache, dass es sich hierbei um ihn selbst handeln könnte, der da in den Träumen des Kleineren herumhuschte, ließ sein Herz doch einige Takte schneller schlagen, wenn es sich hierbei auch bloß um den verzweifelten Drang danach handelte, endlich wieder so mit dem Lockigen leben zu können, wie er es vor dem Unfall getan hatte.
 

Wieder vernahm er Takas nuschelndes Seufzen, hinter dem sich eindeutig ein Name verbarg und es zerbrach Toru beinahe das Herz, wie er die linke Hand des Sängers an dessen Gesicht erblickte, die er im Schlaf dort positioniert hatte und auf der in schnörkeliger Schrift eine Zahlenreihe notiert worden war. Einer Kettenreaktion gleichend, fügte sich so einiges in Torus Kopf zusammen. Den Namen, den er plötzlich meinte deutlich verstehen zu können in Verbindung mit der Handynummer, die er anhand der ersten Ziffern als solche identifizieren konnte, welche offensichtlich nur von einer Person stammen konnte, sorgten dafür, dass sich das bereits schon viel zu oft beanspruchte Herz in Torus Brust bis aufs Kleinste zusammenzog.
 

Es war Takeru, von dem Taka da auf seinem Schoß liegend träumte.

Blocked & Caught

Der Lockenkopf wusste nicht wie spät es war, als er gähnend die Augen wieder öffnete. Die vorhergegangene Panikattacke saß noch immer in seinen Muskeln, schmerzten diese doch auf eine Art und Weise, die ihn, wenn er es nicht besser wüsste, würde vermuten lassen, er sei einen Marathon gelaufen. Sich die Müdigkeit aus den Augen blinzelnd, sah Taka sich um, suchte nach Toru, von dem er wusste, dass er neben ihm gesessen hatte, als er eingeschlafen war.

 

„Toru?“, rief er in die Wohnung, bekam jedoch auch nach einigen Sekunden des Wartens keine Antwort. Diesmal schien der Blonde jedoch vermerkt zu haben, dass er die Wohnung verlassen hatte, entdeckte Taka, nachdem er sich vom Sofa erhoben hatte, immerhin einen kleinen Zettel auf dem Esstisch.

 

„Bin die restliche Wäsche aufhängen. Tagsüber wird es heute nicht mehr regnen hat der Wetterdienst gesagt, also keine Sorge.“, stand in dicken Strichen auf dem rosa Post-it und da Taka nicht wusste, wo genau der Blonde gerade die Wäsche aufhängte und auch nicht besonders scharf darauf war, sich in dem großen Apartmenttrakt zu verirren, würde er wohl in der Wohnung auf dessen Rückkehr warten müssen.

Resigniert seufzend strich sich der Sänger eine dunkle Strähne aus der Stirn. Dieser Tag war eigenartig. Generell war alles eigenartig, was jedoch wohl in erster Linie auch daran lag, dass er sich an all das Vorhergegangene nicht mehr erinnern konnte. Generell erhielt er so wenige Informationen über das, was die Jahre zuvor passiert war. Zwar hatte er sich ein ungefähres Bild davon machen können, was sie als Band in dieser Zeit erreicht hatten, doch was war mit ihnen persönlich passiert? Mit ihnen als einzelne Personen? Einmal mehr schweiften Takas Gedanken ab zu den ganzen Liedern und den dazugehörigen Texten, die er verfasst hatte und an die unbekannte Person, an die er diese scheinbar gerichtet hatte. Hatte er wirklich niemandem von seiner Liebe erzählt? Nicht mal Toru, seinem besten Freund? Und waren er und diese Person überhaupt noch zusammen? Immerhin hatte sich niemand, der sich als seine Freundin vorgestellt hat, gemeldet. Doch wie sollte diese vermeidliche Person das denn auch tun, Takas Handy war immerhin kaputt und demnach würde wohl auch keine Nachricht ankommen und jegliche Anrufe mit einem „diese Nummer ist nicht vergeben“ abgeblockt werden. Doch selbst wenn dem so war, wenn er wirklich eine Freundin hatte, oder gehabt hatte, dann wusste diese doch wohl wo er wohnte, oder von wo sie sich anderweitig Informationen bezüglich Takas Zustandes würde beschaffen können. Oder?

Egal wie sehr sich der Lockenkopf über dieses Thema den Kopf zerbrach, letztendlich führte es alles zu nichts, sondern ließ Taka nur mit dem Gefühl zurück, er würde sich lediglich im Kreis drehen.

 

Genervt von seinen eigenen wirren Gedankengängen, beschloss Taka sich etwas abzulenken und gleichzeitig die Zeit, bis Toru wiederkam, zu überbrücken, indem er den Fernseher anschaltete. Mit nur wenig Interesse zappte er durch die verschiedenen Kanäle, wobei ihm beim Halten der Fernbedienung die Zahlenreihenfolge auffiel, die noch immer auf seinen Handrücken geschrieben war, woraufhin er sich am liebsten gegen die Stirn geschlagen hätte. Er hatte Takeru versprochen, dass er sich melden würde, sobald er zuhause war!

 

Ohne weiter darüber nachzudenken, griff der Lockenkopf nach Torus Handy, immerhin hatte der Jüngere ihm angeboten, dieses zu benutzen, solange er selbst noch kein neues hatte. Dass Torus Sperrbildschirm ein Foto seiner Gitarren war, überraschte Taka nicht mal wirklich und so grinste er nur schief, ehe er auf das Hauptmenü zugriff und augenblicklich stutzte. Hinter den Icons der Apps, die Toru besaß, prangte, ein wenig verdeckt aber nicht unerkennbar, ein Foto von zwei Händen, welche die Finger miteinander verschränkt hatten. Die obere Hand konnte Taka ganz klar als die Torus identifizieren, kannte er die darauf sichtbaren Adern doch nur zu gut, wo er den Blonden in den vergangenen Wochen doch stets beim Schneiden von Obst und Gemüse und generell bei seiner Arbeit in der Küche korrigiert hatte. Die untere Hand konnte Taka kaum erkennen und daher auch niemandem zuordnen, war der Großteil doch von Torus verdeckt, worum er sich jedoch nicht weiter scherte, da ein anderes prekäres Detail  seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es waren zwei silberne Ringe, die jeweils an den Ringfingern der beiden Hände steckten. Augenblicklich entstanden in Takas Kopf tausende Fragen, die er nicht zu stellen wusste, da sein Verstand binnen von Sekunden zig Möglichkeiten zur Erklärung dieses Bildes zusammensetzte, jede einzelne von ihnen im Grunde aber nur weitere Fragen aufwarf, die zu den bereits existierenden in die Fragezeichen-Kartei in Takas Innerem hinzugefügt wurden.

 

Hatte Toru eine Verlobte gehabt? Oder war er gar verheiratet gewesen? Gingen aus dieser Ehe womöglich auch Kinder hervor? Hatte er sich etwa scheiden lassen und das Date, was er am Tag von Takas Aufwachens gehabt hatte, hatte als Trostpflaster fungiert? Hatte es noch weitere von diesen Trostpflaster-Dates gegeben? War Toru über den Verlust seiner großen Liebe etwa nach all dieser Zeit noch nicht hinweggekommen und lebte noch immer mit einem gebrochenen Herzen? Wieso aber hatte er nichts gesagt?

 

Fragen über Fragen für die Taka keine Antwort wusste und sich beim besten Willen auch keine zusammenbauen konnte, da in den 6 Jahren sonst was hätte passiert sein können, was das Bild, welches er von sich und der Welt hatte, grundlegend ändern könnte und daher von allen totgeschwiegen wurde. Was war nur passiert?

 

„Taka, was machst du da?!“ Wie vom Donner gerührt fuhr der Lockenkopf vom Sofa auf und hätte um ein Haar das iPhone des Jüngeren fallen gelassen, wenn eben dieser ihm jenes Objekt nicht augenblicklich aus der Hand gerissen hätte. Unfähig etwas zu antworten, starrte der Lockenkopf nur mit großen Augen ins Gesicht seines Freundes, welches das Handy auf dem Esstisch ablegte. Außerhalb von Takas Reichweite. „Gehst du immer an die Sachen anderer?!“

 

„Ich…nein, du hast doch gesagt-“, begann Taka schließlich sich zu rechtfertigen, brach jedoch mitten im Satz ab, da es ihn erschrak, wie wütend der Blonde zu sein schien. Was hatte er den gemacht? Er wollte doch nur Takeru anrufen und da Toru ihm immerhin erlaubt hatte sein Handy zu benutzen, war er lediglich im Begriff gewesen, dieses Angebot auch anzunehmen. Oder hatte er etwas falsch verstanden? Sich auf die Unterlippe beißend unterdrückte der kleine Lockenkopf die Tränen, die seine Augen drohten zu verlassen, sah betroffen zu Boden. „Tut mir leid.“

 

„Fass meine Sachen nicht an, Taka.“, zischte Toru und wandte sich vom Älteren ab, griff nach seinem Handy und knallte die Tür zum Schlafzimmer hinter sich zu, sowie er in diesem verschwand, was Taka alles nur akustisch mitbekam, da er noch immer seine Füße anstarrte, auf die bereits die ersten Tröpfchen rieselten, die er dann doch nicht mehr zurückhalten konnte. Er musste hier raus.

Nicht weiter über das nachdenkend was er gerade tat, zog sich Taka seine Jacke über, griff nach einem Schal und war bereits aus der Haustür raus.

 

Stunden zuvor hatte Toru ihn noch im Arm gehalten, ihm gesagt, dass er sicher wäre, solange er nur bei ihm sei und dass er ihn niemals loslassen würde. Und jetzt war er ihn derartig angefahren, sodass Taka sich für eine Sache entschuldigt hatte, von dessen problematischer Existenz er nicht mal gewusst hatte und es immer noch nicht tat, schließlich war der Sänger sich im Grunde genommen keiner Schuld bewusst, immerhin hatte er doch nichts Falsches getan.

Wenn die Dinge so standen, dann wusste der Lockenkopf beim besten Willen nicht mehr, was richtig und was falsch war, was er durfte und was nicht. Dicke Tränen rannen die Wangen des Kleinen herab und sowie er sich den Schal umband, hoffte er insgeheim, dass sie niemand bemerkte. Leise schluchzte er in die dicke Wolle, was glücklicherweise vom auf der Straße herrschenden Verkehrslärm überdeckt wurde. Ihm fiel nur ein Ort ein, an den er jetzt konnte, nur eine Person, die er jetzt sehen wollte.

 

Stickig warme, mittlerweile jedoch ebenso vertraute Luft schlug ihm entgegen, sowie Taka das kleine Café zum zweiten Mal an diesem Tag betrat. Augenblicklich wanderte ein vertrautes Augenpaar in seine Richtung und nur Sekunden später stand Takeru, der, zumindest ließ das Tablett mit leeren Tassen und Tellern in seiner Hand darauf schließen, gerade abräumte.

 

„Taka, was ist los? Weinst du etwa?“, fragte er besorgt in einer so leisen Stimme, dass nur der Lockenkopf seine Worte verstand.

 

„Kann ich mit dir reden?“ Takas Stimme war brüchig, doch noch rang der Sänger um Fassung, wollte nicht an einem Ort wie diesem die Fassung verlieren, zumal er auch nicht wollte, dass sich Takeru seinetwegen bei irgendwem für mögliche Unannehmlichkeiten entschuldigen musste.

 

„Ja, sicher. Meine Schicht ist in 10 Minuten ohnehin vorbei, aber da die Bedienung, die mich ablöst, schon da ist, kann ich bestimmt früher gehen, warte hier einen Augenblick.“ Stumm nickte Taka und sah dem Brünetten nach, sowie der in einer Tür, über der „STAFF ONLY“ stand, verschwand. Glücklicherweise dauerte es nicht lange, bis Takeru wieder auftauchte und da dieser nun Jacke und Schal trug, ging Taka davon aus, dass man ihm erlaubt hatte, früher zu gehen.

 

„Ich will wirklich keine Umstände bereiten.“

 

„Tust du nicht, komm jetzt.“ Warm lächelte der Jüngere auf Taka herab, was, zur Verwirrung des Lockenkopfes, eine angenehmes Kribbeln in dessen Bauch verursachte und widerstandslos ließ er sich von Takeru nach draußen auf den Bürgersteig schieben. „Lass uns in den Park gehen, da sind wir um diese Zeit relativ ungestört.“ Mit lediglich einem Nicken stimmte Taka diesem Vorschlag zu.

 

- - -

 

„Ich hab einen Muffin für dich mitgenommen. Du siehst ziemlich blass aus, also dachte ich, dass ein wenig Zucker da sicher nicht schaden könnte.“, erläuterte Takeru und zog besagtes, fein säuberlich eingepacktes Objekt aus seinem Rucksack und reichte es Taka, nachdem sie sich im Stadtpark auf einer Bank niedergelassen hatten. Wie auf Kommando grummelte der Magen des Lockenkopfes, immerhin hatte dieser an diesem Tag noch keinen Happen zu sich genommen, und mit einer völlig überschwänglichen Verbeugung dankte er dem Jüngeren für diesen Snack, wurde dabei aber auch des unabsichtlichen Geräusches wegen peinlich berührt rot um die Nase.

 

„Ahh, danke, ich hatte heute noch nichts zu essen.“ Trotz des offensichtlichen Hungers Takas, biss dieser recht zurückhaltend in die Süßigkeit und ließ sich die kleinen Schokoladenstückchen genießerisch auf der Zunge zergehen.

 

„Was ist mit dem Essen passiert, was du heute Morgen abgeholt hast?“, fragte Takeru und beobachtete von der Seite, wie Taka Stückchen für Stückchen den Muffin in seinem Mund verschwinden ließ.

 

„Wir kamen nicht dazu.“ Es war eine knappe Antwort, der Takeru jedoch unmissverständlich entnehmen konnte, dass der Ältere dieses Thema nicht weiter ausschmücken wollte, was dem Brünetten auch ganz recht war. Derartige Dinge gingen ihn immerhin nichts an, wenn er selbst nicht persönlich involviert war, daher beschloss er einfach zu warten, bis Taka aufgegessen hatte und selbst mit dem anfing, wovon er ihm erzählen wollte.

„Ich weiß nicht wie ich mit Toru umgehen soll.“

 

„Hm?“ Zwar hatte der Brünette mit vielem gerechnet, dass er nun allerdings in die zwischenmenschlichen Probleme von Taka und seinem besten Freund eingeweiht wurde, überraschte ihn nun aber doch ein wenig. „Naja, das ist doch irgendwie verständlich, oder nicht? Ich meine die Situation ist schon ziemlich prekär, immerhin trennen euch jetzt im Grunde 6 Jahre, die ihr erst langsam wieder aufholen müsst. Außerdem muss diese Verbindung, die zwischen euch bestand, auch erst wieder hergestellt werden und das braucht halt seine Zeit.“, versuchte Takeru möglichst objektiv zu antworten.

 

„Ja, schon…aber ich weiß nicht. Manchmal ist er so freundlich zu mir und lieb und gibt mir das Gefühl einer richtigen Familie und dann ist er wieder so abweisend und kalt und ich fühle mich absolut fehl am Platz.“ Vorsichtig sah Taka zu dem Brünetten auf. „Heute Morgen zum Beispiel hat es doch so gewittert und da war er halt nicht in der Wohnung und ich hatte eine Panikattacke und als er dann kam, hat er mich in den Arm genommen und mir gesagt, dass alles gut ist, wenn er da ist und mich so lange festgehalten, bis ich mich wieder beruhigt habe und dann später, nachdem ich etwas geschlafen habe, wollte ich dich anrufen, weil ich total vergessen hatte, mich zu melden und da ich noch kein eigenes Handy hab, wollte ich Torus benutzen und als der dann rein kam, hat er mich total zusammengestaucht, gefragt ob ich immer an die Dinge von anderen gehe und das obwohl er mir erlaubt hat, sein Handy zu benutzen, bis ich wieder ein eigenes habe. Dann ist er völlig aufgebracht und ohne ein weiteres Wort in seinem Zimmer verschwunden und hat die Tür hinter sich zugeknallt.“ Eigentlich hatte Taka damit gerechnet, dass ihm, während er all dies erzählte, weitere Tränen über die Wangen liefen, doch erstaunlicherweise blieben seine Augen trocken, viel eher schilderte er das Geschehene aufgebracht und irgendwie auch wütend.

 

„Scheint irgendwie, als wüsste er nicht genau, wie er in manchen Situationen mit dir umgehen soll. Aber ich glaube nicht, dass er dich absichtlich blöd behandelt, Taka. Wenn er sich schon so rührend um dich kümmert, wenn es dir nicht gut geht, dann wird er dich wohl kaum verletzen wollen. Wahrscheinlich ist er mit der Gesamtsituation überfordert, wäre ich an seiner Stelle glaube ich auch. Nicht, dass du eine Last bist, denk das bloß nicht, nur wurde sein, beziehungsweise euer Alltag durch den Unfall völlig auf den Kopf gestellt. Könnte mir auch vorstellen, dass er sich deswegen noch immer Vorwürfe macht, schließlich saß er am Steuer.“, erklärte Takeru seine Gedankengänge ruhig und irgendwie tat es Taka gut, dem Jüngeren zuzuhören, seine eigenen Sorgen endlich jemandem von außen anvertrauen zu können.

 

„Das sollte er aber wirklich nicht, immerhin war das nicht seine Schuld, das sagt auch die Polizei. Wir waren einfach nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort…“ Jetzt, wo Takeru angesprochen hatte, dass Toru die Gesamtsituation womöglich zu viel sein könnte, musste Taka auch unweigerlich wieder an dessen Hintergrundbild denken, daran, dass ihn scheinbar ein sehr wichtiger Mensch verlassen hat und dass sein bester Freund nun auch noch eine Gedächtnislücke von 6 Jahren hatte, half dem Bandleader sicherlich kein Stück. Und auch wenn Takeru ihn extra darum gebeten hatte es nicht zu tun, so fühlte sich Taka doch wieder wie eine zusätzliche Last auf den Schultern des Blonden.

Dass sich sein Blick wieder gesenkt hatte und er nun wieder seine Fußspitzen ansah, war Taka gar nicht aufgefallen, dem brünetten Mann neben ihm dafür umso mehr.

 

„Hey Taka, pass auf.“, begann er und augenblicklich hob sich der Blick des Kleineren wieder, sah in das freundlich lächelnde und, wie Taka nun aus der Nähe auffiel, echt hübsche Gesicht Takerus. „Wir gehen jetzt in die Stadt und besorgen dir erst mal ein neues Handy, dann werden weitere Missverständnisse deswegen schon mal vorgebeugt und nachher setzte ich dich bei Toru ab und ihr sprecht euch aus, ich bin mir nämlich sicher, dass er das alles gar nicht so gemeint hat, ehrlich. Immerhin seid ihr schon so lange miteinander befreundet. Und wenn dann doch noch was ist, dann meldest du dich einfach wieder bei mir, ich speichere dir meiner Nummer nachher direkt im Handy ein. Wir wär’s?“ Dass ihm der Jüngere ein solches Angebot machte, ließ Taka glücklich schmunzeln und er war froh, dass er sich getraut hatte, sich mit all dem an Takeru zu wenden, da ihm der Brünette scheinbar wirklich zuhörte und auch helfen wollte. Besonders letzteres verursachte in Taka wieder ein angenehmes Kribbeln und unauffällig versteckte er seine rot werdenden Wangen hinter dem Stoff seines Schals.

 

„Ja, klingt nach einem guten Plan.“, gestand er schließlich und wurde von Takeru auf die Beine gezogen, ehe sie sich Richtung Einkaufsmeile bewegten.

 

- - -

 

Erschöpft, aber glücklich kam der kleine Lockenkopf wieder zuhause an und schloss die Tür zu Torus Wohnung auf. Der Tag mit Takeru hatte ihm zu neuem Mut verholfen und nun war er bereit, dieses Missverständnis zwischen ihm und dem Blonden aus der Welt zu schaffen.

 

„Toru, ich bin wieder da, können wir reden?“, rief er in die Wohnung, fixierte seinen Blick aber nebenbei auf das Display seines neuen Handys, welches ihn doch zugegebenermaßen ein wenig überforderte, obgleich es dasselbe Model war - jedoch in einer anderen Farbe, damit sie sie auch ja nicht vertauschten -, welches Toru besaß und er daher ein wenig vertraut mit der Bedienung sein sollte, wo er dem Gitarristen beim Benutzen seines iPhones doch öfter mal über die Schulter geschaut hatte.

Takeru hatte wie versprochen seine Nummer eingespeichert und dem Lockenkopf auch gleich gezeigt wie und wo er ihm Nachrichten zu schicken hatte, was Taka, so hatte er entschieden, im Laufe des Abends auch definitiv tun würde. Das flache Objekt in seiner Tasche verschwinden lassend, schritt der Sänger in die Wohnung. „Toru?“, widerholte er. Auf leisen Sohlen schlich Taka durch die Wohnung, wollte den Jüngeren nicht wecken, falls dieser irgendwo eingeschlafen war.

Der Wohnbereich war leer, ebenso wie Küche und Bad. Vorsichtig lugte Taka, nachdem er angeklopft hatte, in das Schlafzimmer, in welchem er den Blonden bei ihrem Auseinandergehen hatte verschwinden hören, doch auch hier war niemand. Nach einem Zettel suchend tapste der Sänger schließlich durch die Wohnung und bemerkte bei seiner Suche nach einer Nachricht ein paar Chipstüten, ebenso wie drei Coladosen auf dem Couchtisch, welche wohl einfach achtlos dort liegen gelassen wurden. Hatte Toru alleine einen DVD Marathon gemacht, oder waren Freunde vorbeigekommen?

 

In der Küche wurde Taka schließlich fündig, als er einen rosa Post-it am Kühlschrank hängen fand, dasselbe Model, welches er Stunden zuvor auf dem Esstisch vorgefunden hatte. Wahrscheinlich war Toru davon ausgegangen, dass Taka ohnehin noch an den Kühlschrank gehen und daher auch die an ihm angebrachte Notiz nicht übersehen würde.

Leicht schmunzelnd nahm er sie ab, stutzte jedoch, als er bemerkte, dass es nicht Toru gewesen war, der diese Worte verfasst hatte.

 

„Toru übernachtet heute bei mir. Heute Nacht soll es Gewittern, komm einfach nach, falls du nicht alleine sein willst, hier ist genug Platz für alle.  – RYOTA“ Eine Mischung aus Enttäuschung und Fassungslosigkeit machte sich in dem Lockenkopf breit. So viel zum Thema „ich lasse dich nicht alleine“.

 

Frustriert knüllte er das Papierchen zusammen und versenkte es im Mülleimer, ehe Taka sich wieder im Wohnzimmer einfand, dort sein Handy herauskramte und die einzige Nummer wählte, die ihm zur Verfügung stand.

Die ohnehin zur einzigen Person gehörte, die er jetzt sehen wollte. 

Perfect Fall

Frustriert und wütend zugleich, war der Blonde ins Schlafzimmer gestürmt, knallte lautstark die Tür hinter sich zu, nur um sein aufgewühltes Inneres irgendwie zu unterstreichen. Die Blockade, die er somit zwischen sich und den Lockenkopf gestellt hatte, klärte sich erst, nachdem er sich einfach ins Bett hatte fallen lassen und dort jenen Tränen freien Lauf ließ. Dabei konnte sich für Toru nicht einmal herauskristallisieren, wem diese Tränen nun gewidmet waren. Der Angst, dass Taka womöglich das Bild gesehen hatte und nun dahinter kam oder sich nur noch mehr Fragen stellte? Der Tatsache, dass er diesen dafür aus einem für Taka unerfindlichen Grund zusammengestaucht hatte oder doch mehr der Verzweiflung wegen, dass sich der Kleine nun von ihm abschotten würde?

Er wollte Taka kein Schicksal auferzwingen, für das er nicht bereit war. Trotzdem wollte er bei ihm bleiben, die Nähe, die ihm noch erlaubt war genießen, doch nun hatte er vielleicht selbst dieses Privileg selbst in den Sand gesetzt, aus purem Egoismus heraus.

Wie würde denn Taka in diesem Augenblick dastehen? Alleine gelassen, getrennt von einer Tür, die er sich wahrscheinlich nicht mal mehr traute zu öffnen, aus Furcht heraus, erneut so abgewiesen zu werden.
 

Die Finger, die sich in die Kissen krallten, ballten sich krampfhaft zu einer Faust zusammen, versuchte Toru die verzweifelten Schreie, in Kraft umzuwandeln. Stumm weinte er in den weichen Stoff hinein, hörte aus der Ferne, wie eine Tür ins Schloss fiel, sein Körper damit reflexartig zusammenzuckte.
 

Taka war gegangen.
 

„Warum…“, schluchzte der Blonde, die Stimme gedämpft von den weißen Laken. „Geh nicht…Taka…“ Seine Atmung war stoßhaft, abertausende Gedanken pochten gegen seinen Schädel, doch er war ihnen nicht mächtig genug, um sie zu Wort zu bringen. Nicht allen von ihnen. „Ich liebe dich…“

Die Einsamkeit, erstickende Kälte, die sich um ihn bemerkbar machte, ließ noch jeden seiner Muskelfasern gefrieren. Der Mann, der all das von ihm ferngehalten hatte, war jetzt fort. Doch fasste Toru einen Funken Mut und benachrichtigte diejenigen, die ihm am nächsten standen, ihn schon nach dem Unfall aufgefangen hatten. Sein silbernes iPhone hervorziehend, tippte er eine kurze Nachricht in das Textfeld, betrachtete die Nachricht einen Moment lang, eher er auf ‚Senden’ klickte.
 

„Hast du gerade Zeit? Bring ruhig auch Tomoya mit, da ich mal davon ausgehe, dass der eh bei dir ist?“
 

Gebannt und noch immer mit brennenden Augen, starrte ihr Leader auf den Bildschirm. Zuvor hatte er überlegt, ob er ihnen einen flüchtigen Grund nannte, weshalb sie vorbeikommen sollten, doch wollte er nicht unnötig per Medien Erlebtes breittrampeln, wenn er nicht auch in Ruhe mit ihnen darüber reden konnte. Kurz darauf erhielt er von dem Bassisten ein gut gelauntes „Sind schon auf dem Weg. Toru legte resigniert das Smartphone beiseite, richtete sich seitlich auf und fixierte irgendeinen imaginären Punkt, während sich weitere Tränen den Weg über seine zarten Wangen bahnten, sich schließlich in den Laken verliefen.
 

Toru war gar nicht aufgefallen, wie schnell dann doch die Zeit vergangen war, in der er einfach vor sich hin schwieg, die Tränen langsam abebbten, als er dann schreckhaft zusammenfuhr, geschuldet dem plötzlichen Klingeln an der Tür. Müde setzte sich der Blonde auf, stütze sich an der Bettkante ab, um wieder auf die Beine zu kommen. Auch die Kopfschmerzen hatten nach dieser Stresssituation etwas angenommen, wie er feststellen musste, als er sich auf den Weg zur Tür machte, sich dabei vorsichtig durch die Haare fuhr, um einige verfangene Strähnen aus seinem Sichtfeld zu streichen.
 

„Oh Gott, wie siehst du denn aus? Hat Taka dich die Zwiebeln für das Essen schneiden lassen oder welche logische Erklärung gibt er hierfür??“, plapperte ihr Ältester auf ihn ein, sobald Toru die Tür geöffnet hatte. Trotzdem war in Tomoyas Stimme doch ein verräterischer Anflug von Sorge zu vernehmen.

Trotz dessen zwang sich Toru zu einem Lächeln, entrann ihm entgegen dessen eine Träne aus den Augenwinkeln, was die Sorge des Drummers somit nur bestätigte, sogleich einen Schritt in die Wohnung machte.

„Was ist vorgefallen?“ Ehe Toru auch nur zu einer Antwort ansetzen konnte, wurde er prompt von dem Jüngsten, gefolgt von Tomoya ins Wohnzimmer geschoben, ungeachtet darauf, ob sie Schuhe und Jacke ablegten.

Sowie sie sich zu dritt auf die gemütliche Couch sinken ließen, fiel Torus Blick auf seine Füße, Strähnen bedeckten dabei sein Gesicht, sodass die beiden nur durch die Stimmlage ihres Leaders erkannten, dass bei diesem bald alle Dämme brachen. Schwer seufzend faltete Toru die Hände in seinem Schoß, schloss die Augen mit der Intention, seinen Kopf frei zu bekommen und erklärte seinen Freunden, was vorgefallen war, musste jedoch hin und wieder eine Pause einlegen, da die brennende Flüssigkeit in seinen Augen dann doch mal die Überhand bekam. Es war doch tröstend zu wissen, wie aufmerksam Tomoya und Ryota ihm nur zuhörten, wie sein längster Freund beruhigend mit der Hand über seinem Rücken kreiste, sodass Toru sich doch wieder ein Herz fassen konnte, um fortzufahren.
 

„…und aus der Panik daraus, habe ich ihn so angefahren. Ich war so verzweifelt, dabei war das gar nicht meine Absicht und… und jetzt ist er weg. Gott weiß wohin!?“ Nachdem er sich all das von seinem Herzen geredet hatte, brach auch letztendlich der letzte Damm in Toru, schluchzte er unaufhörlich und die Tränen rannen über seine Wangen, als veranstalteten sie ein Wettrennen.

„Ich hab ihn verloren. Komplett!“ Torus Gesicht verzog sich in herzzerreißende, schmerzende Züge, aber das alles war ihm in diesem Moment egal. Eigentlich war ihm alles egal. Alles, nur Taka nicht. Aber gerade diesen hatte er behandelt, als wäre er es ihm. Egal.

Keiner der beiden Männer wagte es, Toru eine Antwort zu geben, die ihn ohnehin nicht trösten könnte. Worte konnten nicht beschreiben, nicht annehmen lassen, wie sich der Blonde gerade fühlte und was er durchmachte. Welchen Menschen er von Bedeutung in seinen Augen verloren hatte. Ebenso konnten sie auch nicht annehmen, wie es Taka jetzt tatsächlich erging. Also blieb dem Bassisten nichts weiter, als seinen langjährigen Freund, den er nach all der Zeit noch nie in solch einer niederschlagenden Phase erlebt hatte, in den Arm zu nehmen, um ihm dort mit einer Nähe entgegen zu kommen, die ihm dennoch längst nicht ausreichen würde. Aber es war ein Anfang, wenn auch ein kleiner.
 

Es verging eine kleine Zeit, nachdem Toru sich doch überwunden hatte. Tränen alleine – oder überhaupt – würden Taka auch nicht zurückbringen. Sich von dem Jüngsten lösend, setzte sich der Gitarrist wieder in aufrechte Position, fuhr sich mit dem Handrücken unter den Augen entlang, schluckte noch einmal schwer, ehe er einfach vor sich hin schwieg.

Nach dem Vorschlag von Tomoya hin, sie könnten zur Ablenkung ja einen Film gucken, organisierte Ryota ihnen schnell ein paar Coladosen, die glücklicherweise noch im Kühlschrank vorzufinden waren und starteten daraufhin dann irgendeinen Streifen, dem Toru aber so gar keine richtige Beachtung schenken konnte, nippte er nur hin und wieder an seiner Cola, gedankenverloren.
 

„Also, Tomoya und ich haben jetzt einfach mal über deinen Kopf hinweg entschieden, dass wir dich mit zu mir nehmen. Alleine lassen werden wir dich hier ganz bestimmt nicht!“, erläuterte Ryota entschlossen, als er nach dem Filmende von der Couch aufsprang und den Größeren sogleich auf die Beine zog, der ihm aber nur einen ziemlich verwirrten Blick schenkte. Dann aber dämmerte es ihm, lehnte er den Vorschlag des Bassisten nur dankend ab.
 

„Es soll doch heute Abend wieder gewittern und nur für den Fall, dass Taka dann wieder hier sein wird, will ich sicherheitshalber hier bleiben.“, erklärte er, schüttelte Ryota daraufhin jedoch nur mit dem Kopf.
 

„Wir hinterlassen ihm einfach eine Nachricht. Wenn er will, kann er ja nachkommen. Aber hier wirst du ja ständig an alles erinnert und bei mir ist es, wenn ich das jetzt mal so freiheraus sagen darf, schon recht gemütlich und Platz genug für uns alle ist da auch!“ Ohne Toru weitere Entscheidungsfreiheit zu überlassen, wurde dieser einfach mit in den Flur gezogen und ohne Protest streifte dieser sich doch tatsächlich seine Schuhe und ebenso eine Jacke über, ehe er mit den beiden zusammen die Wohnung verließ, Ryota jedoch noch einmal schnell in die Küche huschte, um scheinbar besagte Nachricht an Taka zu verfassen.

 

- - -
 

„Hängst du also schon so sehr an mir, dass du kaum einen halben Tag ohne mich auskommst?“, scherzte der Brünette, als Taka ihm die Tür öffnete und Takeru sogleich einen Schritt in die Wohnung machte, sorgfältig Schuhe und Jacke von sich streifte und diese beiseite räumte. Nur schwerlich konnte Takahiro über diesen Kommentar schmunzeln, durchlief er in Gedanken, wie er am Handy die Nummer des Jüngeren gewählt und diesen schließlich hergebeten hatte. Ganz unbemerkt schien die geistige Abwesenheit des Lockenkopfes nicht zu bleiben, da der Andere schließlich seine Hände auf den zierlichen Schultern des Sängers ablegte und ihn besorgt ansah.
 

„Was ist passiert, ich denke, du wolltest noch mal mit Toru reden?“

Schwer schluckend, fiel Takas Blick an Takeru vorbei, spürte bereits, wie die altbekannte, salzige Flüssigkeit in seine Augen stieg. „Dazu hatte ich erst gar nicht die Möglichkeit.“, wisperte er, noch bevor er sich aber weiter erläutern konnte, hatte ihn der Brünette bereits in eine feste Umarmung gezogen. „Im Flur zu reden, ist doch etwas blöd. Besser wir setzen uns auf die Couch.“, beschloss Takeru, griff nach der Hand des Dunkelhaarigen und schritt voran in das Wohnzimmer. Mit schleichenden Schritten folgte Taka ihm, war sein Griff in Takerus Hand doch so locker und kraftlos, dass er annahm, gleich vollkommen alleine dazustehen, fuhr kurz zusammen, als der Brünette dann doch etwas einnehmender seine Hand umschloss. Penibel betrachtete Taka ihre umschlossenen Hände, genoss die Wärme, die Takerus Hand ausstrahlte, beinahe ein bisschen zu lange. Aus den Gedanken gerissen, fand sich der Sänger auf einmal vor der Couch vor, ließ sich einfach wie in Trance versetzt in die weichen Polster sinken. Takeru nahm neben ihm Platz, schenkte ihm ein zuversichtliches Lächeln.
 

„Also, was wolltest du mir erzählen?“, fragte er nun vorsichtig nach, fixierte dabei die schwarzen Juwelen des Älteren. Dieser versuchte einmal mehr dem durchdringenden Blick Takerus zu entkommen, fühlte sich Taka diesem gegenüber wie ein offenes Buch, dem man jene Emotionen aus den Augen ablesen konnte. Irgendwie kam ihm das aber vertraut vor. Diese obstrusen Gedanken für den Moment beiseite werfend, atmete Taka zu seiner Antwort auf.
 

„Als ich nach Hause kam, war er nicht da. Ich hab nur einen Zettel gefunden, mit der Info, dass er die Nacht wohl mit Tomoya bei Ryota verbringen würde. Er muss echt sauer gewesen sein, dass er mir jetzt nicht mal vor die Augen treten will.“, mutmaßte Taka und bemerkte dabei gar nicht, wie sehr seine Unterlippe bereits zitterte. „Aber das Schlimmste, neben dem Gefühl, dass er zutiefst enttäuscht von mir ist, ist ebenso, dass er mich trotz meiner Panikattacken alleine zurückgelassen hat, dabei weiß er doch genau, wie….“ Die wimmernde Stimme Takas brach gänzlich ab, erlag er einzig und allein den Tränen, die über seine geröteten Wangen kullerten, so zitterte er am ganzen Körper, während sich seine Finger krampfhaft in die eigenen Oberschenkel krallten.
 

„Hey… Lass dir Zeit, ich bin doch bei dir.“, sprach Takeru sanftmütig, dicht an das Ohr des Älteren gelehnt. Sanft aber bestimmt, zog er den zierlichen Körper an seine Brust und legte die Arme still schweigend um diesen, sein Kinn lehnte auf dem Scheitel des Dunkelhaarigen, so schloss Takeru die Augen, streichelte dem Anderen federleicht über den Rücken und konnte nur darauf warten, dass sich Taka allmählich beruhigte. Wie Taka die Gegebenheiten nun so geschildert hatte, reagierte der Brünette umso mehr geschockt, was seine Sorgen nur noch schneller ansteigen ließ und er würde es garantiert nicht wagen, den Lockenkopf alleine zu lassen.
 

„Ich bin verrückt...“, schluchzte Taka herzzerreißend gegen den Stoff an Takerus Brust. „Ich habe Angst vor Dunkelheit und Gewittern. Wie kann das schon normal sein?!“ Diese Worte über die Lippen bringend, verzweifelte Taka nur noch mehr, da ihm plötzlich in Erinnerung kam, wie er auf dem Schoß des Blonden gesessen hatte, mit diesem über seine Panikattacken gesprochen hatte und sich einander letztendlich versprochen hatten, mit niemand anderem darüber zu reden. Wer war Taka, dass er eine dritte Person seinem besten Freund vorzog, die ihn zumal niemals so gut kennen konnte, wie Toru es tat? Es schwirrten so viele Gefühle in dem Sänger herum, dass er unmöglich herausfiltern konnte, was genau er eigentlich empfand. Ebenso fühlte er sich schuldig. Schuldig dessen, das er Toru womöglich verraten hatte, auch wenn dieser davon gar nichts mitbekommen würde. Auf der anderen Seite, fühlte es sich doch so gut an, mit jemandem darüber zu reden, jetzt wo Toru nicht da war, obwohl er diesen jetzt eigentlich gebraucht hätte. Dabei war der Lockenkopf noch immer ratlos darüber, weshalb der Gitarrist nun so sauer auf ihn war. Wie auch immer, an der gegebenen Situation konnte er jetzt nichts ändern, noch nicht. Das wurde ihm ja verwehrt, doch Takeru wollte er nicht als eine Art zweite Wahl benutzen. Im Gegenteil, der Lockenkopf öffnete sich ihm gegenüber, weil er ihm vertraute und dieser ihm bedingungslos ein offenes Ohr zur Verfügung stellte. Wahrscheinlich hatte Takeru Recht und Toru war mit der ganzen Sache tatsächlich überfordert, zumal der ja noch sein eigenes Leben in den Griff bekommen musste.
 

„Du bist nicht verrückt.“, riss ihn plötzlich eine angenehme Stimme aus den schmerzenden Gedanken. „Ich habe zwar keine Ahnung davon, warum so etwas zustande kommt, aber ich bin immer für dich da, hörst du? Und Toru wird das auch sein. Gib ihm etwas Zeit, ich denke, er muss auch erst mal wieder einen klaren Kopf bekommen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass zwischen euch schon bald wieder alles in Ordnung sein wird.“ Wenn ihn die Worte des Jüngeren auch einerseits rührten, irgendetwas passte da nicht, ein ganz bestimmtes Detail.
 

„Es wird nie wieder alles in Ordnung sein.“ Taka nahm sich zusammen, schaute durch gerötete Augen hinauf in die des Brünetten. „Ich weiß ja nicht einmal, wie es war, als alles in Ordnung war. Verstehst du? Ich habe keine Erinnerung an die Zeit mit meinem besten Freund und niemand kann mir sagen, ob diese Zeit je wieder in mein Gedächtnis zurückkehren wird!“ Aufgewühlt ließ der Dunkelhaarige seinen Kopf erschöpft an die Schulter des Anderen fallen, schloss seufzend die Augen, da jene Tränen nun endlich abgeebbt waren.
 

„Selbst wenn es nicht so werden wird wie früher, vielleicht schweißt euch diese Situation ja noch viel enger zusammen und dann wird diese Zeit sogar noch besser? Das kannst du dir zum jetzigen Zeitpunkt wohl noch nicht vorstellen, aber wer weiß?!“ Ein ehrlich gemeintes Lächeln zierte die präsenten Lippen des Jüngeren und Taka musste zugeben, dass ihm erst jetzt auffiel, wie hübsch diese doch waren und sein Herz vermeidlich doch einen anderen Takt anlegte.

„Und jetzt würde ich sagen, lenken wir uns etwas ab? Ich kann ja mal schauen, was ihr so da habt oder spricht irgendetwas dagegen?“, erkundigte sich Takeru sicherheitshalber, bekam von Taka dann aber ein zuspruchsvolles Nicken und der Brünette suchte sich den Weg in die Küche. Kaum wenige Minuten später war der Jüngere mit zwei Flaschen Bier in den Händen zurückgekehrt und reichte eine von ihnen dem Lockenkopf, nachdem er sie mit dem ebenfalls mitgebrachten Öffner von dem Deckel befreit hatte. Taka hatte derweil den Fernseher eingeschaltet und war durch einige Programme gezappt, ehe er bei irgendeinem Halt machte, ließ diesen einfach im Hintergrund laufen.
 

„Du bist nicht alleine.“, erinnerte Takeru den Dunkelhaarigen schließlich, was diesen etwas verwirrt aufsehen ließ, dann doch aber ein dankbares Lächeln zeigte und an die Flasche des anderen anstieß und sie beide einen Schluck von dem kühlen Getränk zu sich nahmen.
 

- - -
 

Inzwischen wusste keiner von ihnen, wie spät es bereits war, doch spielte dies schon bald keine Rolle mehr, war doch in der Ferne bereits ein klares Donnern zu vernehmen, was den Lockenkopf schreckhaft zusammenzucken ließ, hatte er sich, nachdem er sich auch den Rest seines Kummers von der Seele gesprochen hatte, immerzu an Takerus Brust gelehnt.
 

„Taka, wo sind deine Tabletten?“ Sofort reagierte der Brünette und fuhr herum, legte seine Hände beruhigend auf den zierlichen Schultern des Schwarzhaarigen ab, doch dieser wimmerte nur kläglich, versuchte wohl immer wieder, zu einer Antwort anzusetzen, doch sein erzitternder Körper verhinderte jenes Verlangen nach seiner Stimme. So blieb dem Lockenkopf nur ein wildes Kopfschütteln, bedeutete dem Anderen so, dass er überhaupt keine Ahnung hatte. In der jetzigen Situation war er einfach zu überfordert, als dass er sich jetzt einen Kopf darum machen konnte, wo seine Arzneimittel waren. Ihm blieb nichts anderes übrig, als seiner Angst, die er ohnehin nicht kontrollieren konnte, da sie wann immer sie wollte aus dem Zaun brach, freien Lauf zu lassen. Ohne weiteres zog Takeru den ängstlichen Körper, der so kurz davor stand, zu hyperventillieren, in seine Arme, drückte ihn so fest an sich, bis der Sänger diesen Kontakt registrieren konnte und sich ebenfalls um den schlanken Körper klammerte, sein Zittern aber nicht ein bisschen abnahm.
 

„Es...ist so dunkel… und so kalt…“ Takeru spürte bereits, wie die heißen Tränen den dünnen Stoff seines Shirts einnahmen, aber es störte ihn nicht im Geringsten. Die schlanken Finger in den dicken Locken des Älteren vergrabend, löste er den aufgelösten Körper vorsichtig von sich, fuhr mit der Hand unter dessen Kinn, um den Kopf des zierlichen Mannes etwas anzuheben.
 

„Schau mich an, Taka. Versuch dich nur auf mich zu konzentrieren, ja? Ich bin hier und ich werde einen Teufel tun, dich jetzt los zu lassen!“ Der Blick des Jüngeren war so intensiv, seine Augen so undurchdringlich und doch verlor sich Taka in ihnen, bei dem Versuch sich lediglich auf die dunklen Juwelen des anderen zu konzentrieren. Takerus Worte pulsierten noch immer in seinem Körper, bis sie schließlich die Stelle erreichten, an der Taka immerzu sein schlagendes Herz vermutet hatte, doch genau dort zerbrach etwas. Und etwas Neues, Schöneres kam dafür zum Vorschein. Als hätte die ganze Zeit über eine harte Schale um sein Herz gelegen, die jenes Schlagen zurückgehalten hatte und nun hämmerte das kleine Herz des Sängers so sehr gegen seinen Brustkorb und doch ignorierte Takahiro dies, denn viel zu gefangen war er in den Augen des Anderen, dass er gar nicht mal realisierte, wie sie sich langsam näher gekommen waren. Die prickelnde Atmosphäre ließ selbst den grellsten Blitz erlischen und den lautesten Donner erstummen. Taka war sich nicht sicher, was das war. Einerseits war es ihm fremd, aber irgendwo auch vertraut. Sein Atem lag so schwer in seinen Lungen, nur einen kleinen Hauch brachte er über die vollen Lippen. Dann spürte er einen federleichten Druck. Die letzten Millimeter hatten sie überbrückt, lagen die Lippen auf dem denen des jeweils anderen, doch schon nach dem Bruchteil einer Sekunde, war alles vorbei. Nur noch dieses pulsierende Gefühl um sie herum war geblieben. Aus dem warmen Rotschimmer auf Takas Wangen wurde ein allmähliches Glühen. Sie hatten sich geküsst, aber keiner von beiden schien dies zu realisieren, da in diesem Moment die Köpfe beider so oder so nicht fähig waren, zu arbeiten. In der Brust des Sängers zog es schwerlich, zog ihn nach vorne, so fixierte der Schwarzhaarige noch immer die dunklen Augen des anderen, ehe sein Blick auf die so hübschen Lippen fiel.
 

Schüchtern und noch etwas zurückhaltend, drückte Takeru sein Lippenpaar gegen das des Lockenkopfes, arbeitete mit äußerster Vorsicht gegen dieses, ehe er einen Funken von Erleichterung verspürte. Taka schien seinen Kuss zu erwidern, schloss sogar die Augen und sämtliche Anspannung schien von ihm zu fallen, ließ er sich einfach langsam nach Hinten fallen, den Jüngeren mit sich ziehend. Da der Oberkörper des Anderen nun über ihm lehnte, rauschte sein Blut mit solch einer Geschwindigkeit durch seinen Körper, dass Taka es sogar hören konnte, ebenso wie sein laut schlagendes Herz. Er versuchte irgendwie diese fragwürdige Reaktion seines Körpers zu ignorieren, sich stattdessen lediglich auf das Spiel ihrer Lippen zu konzentrieren. Mit der Intention, diesem Gefühl auf den Grund zu gehen, verweigerte es der Sänger Takeru auch nicht, als dieser mit einer Hand unter den Pullover des Lockenkopfes fuhr und dort federleicht mit Fingerspitzen über die heiße Haut fuhr. Immerhin zuckte der Schwarzhaarige etwas erschrocken, da ihn das doch ziemlich überraschte. Dann, für einen Moment, lösten sich ihre Lippen von einander. Aufatmend, öffnete Taka seine Augen, erschauderte, als diese genau auf die des Brünetten fielen. Taka meinte sogar, einen feinen Rotschimmer auf Takerus Wangen ausmachen zu können, war sich letztendlich nicht sicher, ob er sich das nicht doch nur einbildete.
 

Während eine Hand des Jüngeren noch immer unter dem Pullover auf der Brust des Lockenkopfes verweilte, strich er mit der anderen ein paar Locken aus dem Sichtfeld des Dunkelhaarigen.

Stille. Noch immer fixierten sie lediglich die Augen des anderen, als wären sie in eben diesen so verloren, doch aufgefangen von dem Lippenpaar des jeweils anderen, kehrten ihre Seelen in den eigenen Körper zurück. Die geschickten Finger, die soeben die dicken Locken des Sängers hinter sein Ohr gestrichen hatten, verweilten nun an dessen weicher Wange, wanderten dann aber hinter Takas Ohr, wo sie dem Älteren langsam durch die vollen Locken kraulten. Völlig entspannt seufzte Taka in den Kuss hinein, wagte es nun, seine eigenen Arme auf Takerus Schulterblättern abzulegen, presste seinen Körper gegen dessen und aus dieser Aktion heraus entstand beinahe eine Explosion aus einem Schauer, der ihnen beiden den Körper hinunter ran. Als dann auch Takeru ergeben in den Kuss seufzte, verspürte Takahiro ein angenehmes Prickeln auf den vollen Lippen, erwachte aus seiner Starre und arbeitete so hingebungsvoll, wie es ihm erlaubt war, gegen Takerus rosige Lippen, während bereits dessen zweite Hand unter Takas Pullover abgetaucht war und nun mit beiden Händen über Brust und Bauch des Lockenkopfes streichelte.
 

- - -
 

Da sie weder Gardinen, noch Jalousien herunter gezogen hatten, waren sie am nächsten Morgen folglich früh wach, auch wenn man nach prüfendem Blick auf die Uhr, neun Uhr nicht als sonderlich früh einstufen konnte. Aneinander gekuschelt waren sie aufgewacht, schenkten dem anderen nur ohne irgendein Wort ein verschlafenes Lächeln, war es dann aber Takeru, der liebevoll durch die dicken Locken Takas fuhr und diesem schließlich einen „Guten Morgen“ wünschte. Sogleich erwiderte der Sänger die Worte, reagierte aber etwas perplex, als Takeru sich schließlich aufsetzte.
 

„Ich muss in einer Stunde im Café sein. Du bist mir doch nicht böse oder?“, entschuldigte er sich, erhielt von dem Lockenkopf doch nur eine abwinkende Geste. Noch immer hatte er das gestrige Geschehen weder realisiert noch verarbeitet, aber er hatte auch ohnehin nicht den Mut, irgendwie auch nur zu versuchen, den Jüngeren darauf anzusprechen. Überhaupt würde er das alles wohl erst einmal verschweigen, ehe er in der Lage war, dem bezüglich einen klaren Gedanken verfassen zu können.
 

Dem Brünetten noch zur Tür folgend, lächelte Taka diesen etwas verlegen an, als Takeru dann die Tür öffnete. „Danke noch mal.“ Noch wärmer wurden seine Wangen. „Also dafür, dass du gestern für mich da warst.“ Takeru lächelte nun ebenfalls, strubbelte dem Dunkelhaarigen aber kaum einen Moment später etwas wild durch die Locken.
 

„Kein Problem. Ich hab dir doch immerhin versprochen, dass ich für dich da bin oder nicht?“
 

Mit den lauten Schlägen seines Herzens, sah er zu, wie Takeru zum Abschied noch die Hand hob, ehe er durch die Tür verschwunden war.

Was genau war gestern geschehen?

You

Gedankenverloren räumte Taka die zwei Bierflaschen, aus denen er und Takeru am Abend zuvor getrunken hatten, vom Tisch und beschloss dabei, in der gesamten Wohnung ein wenig für Ordnung zu sorgen, da neben den zwei Glasbehältern die Chipstüten und Coladosen, die wohl auf Torus Konto gingen, noch immer einen Teil der Dekoration im Wohnzimmer ausmachten. Geistig abwesend sammelte der Sänger die Dosen und Flaschen zusammen und stellte sie zu den restlichen leeren Pfandwaren in die Küche, wo er einmal mehr bemerkte, wie ruhig es doch ohne jegliche Gesellschaft in Torus Wohnung war. Wenn er Takeru darum gebeten hätte zu bleiben, wäre dieser wohl bei ihm geblieben, trotz seiner Arbeit? Hätte er ihm diesen Gefallen getan? Taka seufzte. Eigentlich hatte er versucht seine Gedanken um alles Mögliche, außer den hübschen Brünetten kreisen zu lassen, allerdings war dies nahezu unmöglich bei dem, was in der Nacht zuvor geschehen war. Was hatte er nun von Takerus Verhalten zu halten? Und vor allem von seiner eigenen Reaktion darauf?

Resigniert seufzend griff er nach den Chipstüten, von denen er die noch halbvolle zurück in den Schrank legte und die leere in den Plastikmüll gab. Vielleicht wäre es das Beste, wenn er sich selbst erst mal fertig machen würde, ehe er sich all dem stellte, zumal die Vorstellung einer warmen Dusche geradezu verlockend war.

Auf leisen Sohlen schleppte sich der junge Musiker ins Bad, wo er sich das erste Mal an diesem Tag im Spiegel betrachtete und nicht überrascht war, als er sah, wie zerzaust seine Lockenpracht doch war. Taka hatte seine Frisur anders in Erinnerung gehabt und auch die unzähligen Tattoos an seinen Armen waren ihm größtenteils fremd, doch mittlerweile hatte er sich an beide Dinge gewöhnt, schließlich waren seit seinem Erwachen gut zwei Monate vergangen. Der Schlaf stand ihm noch ins Gesicht geschrieben, woraus Taka schließen konnte, dass er nicht allzu lange geschlafen hatte, zumal er auch beim besten Willen nicht sagen konnte, wann er und Takeru in der Nacht zuvor ins Bett gegangen, beziehungsweise auf der Couch weggenickt waren. Takeru.

Ungewollt stieg Taka die Röte in die Wangen und peinlich berührt schüttelte der Sänger den Kopf, als versuchte er die Erinnerungen loszuwerden, wobei er dies eigentlich ganz und gar nicht wollte. Ein starkes, aber angenehmes Kribbeln entstand in seinem Bauch, sowie er einen dunklen Fleck an seinem Hals entdeckte.
 

„Oh nein.“, murmelte Taka seinem Spiegelbild entgegen und lief zurück ins Wohnzimmer, um dort nach seinem Pullover zu suchen, den er am Tag zuvor getragen hatte. Vielleicht hatte er diese Einstellung in den sechs Jahren eigentlich geändert, jedoch vertrat der Musiker jetzt gerade die Meinung, dass ihm derartige Auffälligkeiten, gerade solche, die auf Intimitäten hinwiesen, hochgradig peinlich waren, weswegen er nicht wollte, dass sie jemand sah. Auch er nicht. Zumindest nicht jetzt, wo er an alles außer Takeru denken wollte.
 

Da der Lockenkopf seinen Kapuzenpulli im Wohnzimmer nicht fand, war er drauf und dran, sich einen anderen aus dem Schlafzimmer zu holen, als er im Vorbeigehen einen blauen Stoff, der über einem der Stühle im Esszimmer hing, bemerkte. Sowie Taka auf das Objekt zuging, wurde ihm klar, dass es Takerus Schal war, den der Jüngeren allem Anschein nach bei ihm vergessen hatte, was zugegeben ziemlich ungünstig war, da es - nach einem prüfenden Blick aus dem Fenster - nicht gerade warm draußen aussah. Vielleicht sollte er ihm das Kleidungsstück im Laufe des Tages vorbeibringen, was jedoch voraussetzte, dass sich Taka bei dem Anderen meldete. Ob der Sänger dafür jedoch den Mut zusammenbekam, zweifelte er selbst stark an und so sah er nur, unsicher was zu tun war, auf den blauen Stoff in seinen Händen herab. Ob er wohl nach Takeru roch? Bei dem Gedanken daran, dass es schließlich der Schal des Jüngeren war und daher davon auszugehen war, dass er auch nach ihm roch, machte sich in Taka das Bedürfnis breit, dies zu überprüfen.

Eine angenehme Wärme entstand in seinem Körper, als Taka feststellen musste, dass es wirklich Takerus Geruch war, der an dem Schal hing und während er diesen inhalierte, schossen ihm endlos viele Erinnerungen und Gedanken durch den Kopf, die seine Wangen geradezu glühen ließen. Vielleicht sollte er sich später doch noch bei dem Jüngeren melden. Vielleicht.
 

Ein Klicken im Hausflur ließ den kleinen Lockenkopf zusammenfahren und sich darüber unschlüssig, ob er sich verstecken sollte, oder die Person, die gerade im Begriff war die Wohnung zu betreten, mit dem nächstbesten Gegenstand bewaffnet begrüßen sollte, blieb Taka einfach nur angewurzelt stehen und erinnerte sich in letzter Sekunde an den Knutschfleck an seinem Hals, schlang sich Takerus Schal gerade noch rechtzeitig um den Hals, ehe ein gewisser Blondschopf den Raum betrat.
 

„Hallo, Taka.“ Fast schon verunsichert stand Toru um Raum, hatte eine Tüte Brötchen in der Hand und schenkte Taka ein Lächeln, welches dem Lockenkopf aus irgendeinem Grund missfiel. Taka konnte nicht benennen was genau ihn am Gesichtsausdruck des Jüngeren störte, vielleicht waren es die müden Augen mit ihren dunklen Ringen, vielleicht lag es aber auch gar nicht an dem Erscheinungsbild, sondern eher daran, dass noch immer eine gewisse Unstimmigkeit zwischen ihnen bestand.
 

„Morgen.“, nuschelte der kleine Lockenkopf in den Schal und war geradezu dankbar dafür, dass er ihn sich ziemlich hoch ins Gesicht geschlungen hatte, da seine Wangen nun mit Sicherheit rot waren, wo ihm nun permanent Takerus Geruch in der Nase hing. „Du siehst…kaputt aus.“
 

„Ja, bin ich auch ehrlich gesagt.“ Nervös lachte Toru und kratzte sich etwas verloren am Hinterkopf, ehe seine Augen wieder die des Älteren fixierten. „Eigentlich…wollte ich fragen ob wir reden können, ich hab Frühstück mitgebracht.“ Die Tüte in seiner Hand hebend blickte der Gitarrist den Sänger fragend an, sodass dieser bei dem Hundeblick Torus gar nicht hätte ablehnen können, aber abgesehen davon wollte Taka dieses scheinbare Missverständnis ebenso sehr aus der Welt schaffen, wie der Jüngere, weswegen er zustimmend und mit einem angedeuteten Lächeln nickte.
 

„Gerne, ich würde auch gerne reden.“
 

Bis der Tisch gedeckt war und die beiden Männer einander gegenüber saßen, herrschte angespanntes Schweigen und aus irgendeinem Grund entstand in Takas Kopf der Eindruck, dass sich Toru und er praktisch über Nacht ein ganzes Stück voneinander entfernt hatten, was gänzlich gegen das war, auf was er gehofft und was Takeru ihm eigentlich prophezeit hatte.

Ein Räuspern seitens des Gitarristen ließ Taka von seinem Brettchen aufschauen.
 

„Hast du dich erkältet?“ Erst sah er Toru etwas verwirrt an, realisierte dann aber, dass dieser damit indirekt hinterfragte, wieso er einen Schal trug.
 

„Ah, nein, nicht direkt, ich hab nur seit gestern eine trockene Kehle, weißt du?“ Inständig hoffte Taka, dass sein bester Freund es ihm nicht ansah wenn er log, aber auch wenn er sich fast sicher war, dass der Blonde ihn für nichts verurteilen würde, so wollte er ihm nicht sagen, dass er sich die Nacht zuvor von einem anderen Mann hatte verführen lassen, obgleich dies doch in völligem Einvernehmen geschehen war.
 

„Oh, achso. Ich kann nachher mal schauen, ob ich Halsschmerztabletten finde, okay?“ Ein wenig warm wurde dem Lockenkopf dann doch ums Herz, sowie der Jüngere ihm dieses fürsorgliche Angebot machte und so nickte er dankend. Einige Sekunden herrschte wieder Schweigen, ehe der Gitarrist vorsichtig erneut das Wort ergriff und Taka ihn aufmerksam ansah, nicht zuletzt weil er so ungewohnt unsicher klang. „Aber…weswegen ich eigentlich mit dir reden wollte, Taka, ich wollte mich entschuldigen. Ich hätte dich gestern ehrlich nicht so anfahren dürfen, nur…ich hab in dem Moment einfach überreagiert, weil sich auf dem Handy einiges an persönlichem Material befindet und ich da generell sehr empfindlich bei bin, aber das konntest du ja nicht wissen…deswegen. Jedenfalls…es war nicht mein Recht dich so anzumachen und es tut mir ehrlich und aufrichtig leid.“ Deutlich spürte Taka seine Wangen wärmer werden und war sich nicht mehr sicher, ob dies nun wirklich ausschließlich am Geruch Takerus lag, oder auch daran, dass ihm der blonde Mann auf der anderen Seite des Tisches gerade sein Herz ein stückweit geöffnet hatte. So oder so konnte Taka kaum in Worte fassen, wie erleichtert er gerade darüber war, dass es scheinbar tatsächlich nicht seine Schuld gewesen war, sondern Toru einfach nur aus dem Affekt heraus unangemessen reagiert hatte.
 

„Ah, Toru, ich hatte mir solche Sorgen deswegen gemacht und es tut mir auch leid, dass ich danach einfach abgehauen bin, anstatt dich vernünftig zu fragen, was los war. Du…bist mein bester Freund, ich will nicht, dass irgendwas zwischen uns steht. Ist jetzt auch okay, aber wenn demnächst irgendwas sein sollte, dann sag sofort was…ja?“ Erst als er sprach, bemerkte der kleine Sänger, wie erleichtert er scheinbar tatsächlich war, zitterte seine Stimme zum Ende des Satzes doch immer mehr und auch eine einsame Träne der Erleichterung fand schließlich ihren Weg über seine warme Wange.
 

„Hey Kleiner…“, begann Toru und saß bereits wenige Augenblicke später neben dem Älteren, legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Jetzt ist ja alles wieder gut und ich verspreche dir, dass ich demnächst sofort zu dir komme. Dich so anzupflaumen war definitiv nicht richtig von mir, woher hättest du denn auch wissen können, dass ich was mein Handy angeht so empfindlich bin?“ Ganz vorsichtig zog Toru Taka in eine Umarmung, in welche sich der Sänger sofort lehnte, tat dieser Kontakt doch so gut, obwohl seine Gedanken sofort wieder zu Takeru abschweiften und an das Gefühl, welches der Brünette in ihm ausgelöst hatte, als er ihn so berührt hatte. Vielleicht sollte er Toru doch einweihen, immerhin konnte er gerade wirklich nicht klar denken, jedoch wollte er dieses Thema eigentlich lieber mit dem jungen Mann persönlich besprechen. Hin und her gerissen von seinen eigenen Gedanken, bekam Taka gar nicht mit, dass der Blonde stutzig an dem blauen Schal schnupperte.
 

„Wessen Schal ist das? Der riecht weder nach dir noch nach mir.“, fragte Toru, ohne sich von ihm zu lösen.
 

„Das ist…Takerus. Er ist gestern Abend vorbeigekommen, weil es gewittert hat. Ich dachte du willst lieber deine Ruhe, deswegen bin ich nicht zu Ryota gekommen.“ Leise nuschelte Taka diese Worte gegen Torus Schulter und drückte sich dabei unbewusst etwas dichter an den Gitarristen.
 

„Wieso ist der Schal dann noch hier?“
 

„Weil er ihn vergessen hat. Und ich Halsschmerzen hatte.“ Beinahe hätte sich Taka verplappert, biss sich aber auch so auf die Unterlippe und verfluchte sich innerlich. „Er hat mir den gestern Abend gegeben und heute Morgen vergessen mitzunehmen.“
 

„Er ist über Nacht geblieben?“ Vorsichtig löste sich der Blonde von ihm und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. Wäre Takas Gesicht nicht schon am glühen gewesen, so sah er spätestens jetzt aus wie eine Tomate.
 

„Uhm…ja, ich wollte nicht alleine sein. Aber wir haben auf dem Sofa geschlafen.“ Weswegen er den zweiten Satz auch immer angehängt hatte, der Lockenkopf wünschte sich, er hätte einfach die Klappe gehalten, zumal die Augenbraue des Gitarristen nun noch höher wanderte. „E-Es ist nichts passiert, okay? Wir lagen einfach nur nebeneinander. Wie Freunde das halt machen.“ Das unschuldige Lächeln, welches Taka versuchte aufzusetzen, kam ihm jetzt im Nachhinein mehr als dumm vor, ebenso wie einmal mehr das was er gesagt hatte. Das war’s. Er würde jetzt einfach die Klappe halten, ehe er sich noch völlig verriet.
 

„Natürlich. Ich würde deine Heterosexualität niemals anzweifeln.“ Die Worte des Blonden trieften geradezu vor Sarkasmus und so warf Taka ihm ein böses Funkeln zu, sowie sich Toru vom Stuhl neben ihm erhob, um sich wieder auf seinen ursprünglichen Platz zu setzen.
 

„Hey, was soll das denn heißen?!“, patzte Taka, da er sich in seiner Männlichkeit nun doch irgendwo verletzt fühlte. Wobei er sich auf einer anderen, tief in ihm verborgenen Seite, gleichzeitig irgendwie bestätigt fühlte. Worin genau wusste er jedoch zum gegebenen Zeitpunkt selbst noch nicht. Was er nun aber sicher wusste war, dass er definitiv noch mal mit Takeru reden sollte.
 

„Nichts, nichts…“ Ein kleines Grinsen konnte sich der Blonde beim besten Willen nicht verkneifen, sowie er nach der Erdbeermarmelade griff, um sich sein Brötchen endlich zu beschmieren. Zwar hätte Taka auf diese Worte seines Freundes so vieles erwidern können, jedoch entschloss er sich dazu, dieses Bedürfnis herunterzuschlucken und es Toru einfach gleich zu tun, schließlich hatte er auch Hunger und Zeit mit seinem Leader herumzualbern, würde er in Zukunft immerhin auch noch mehr als genug haben. Jedoch war das Bedürfnis mit Takeru zu reden nun stärker denn je.
 

Die Stunden nach dem Frühstück verliefen entspannt und Taka war heilfroh, dass dieses eigenartige Gefühl, welches er meinte zwischen sich und Toru herrschen zu spüren, verschwunden war. Nachdem er endlich geduscht hatte, beschlossen er und der Jüngere die Wohnung aufzuräumen, womit der Sänger ja bereits vor seinem Eintreffen angefangen hatte. Besonders dreckig war sie zwar nicht, da der Bandleader offensichtlich sehr sauber lebte, jedoch entschlossen sie sich dazu, auch mal ordentlich Staub zu wischen, da sie sonst nicht dazu kommen würden.
 

»Hey, ich würde gerne mit dir reden. Kannst du mich gegen 2 abholen?«, hatte Taka an Takeru getextet, noch ehe er und Toru das erste Putzzeug in die Hand genommen hatten und prüfte jetzt immer mal wieder das Ziffernblatt, welches im Wohnzimmer hing, was jedoch von Toru nicht unbemerkt blieb.
 

„Hast du noch was vor?“, fragte er, war allerdings primär damit beschäftigt die praktisch glänzende Küche zu betrachten und sich innerlich stolz selbst auf die Schulter zu klopfen. Den Putzlappen im Eimer versenkend blickte er schließlich zu Taka der sich auch, nachdem er den Couchtisch im Wohnzimmer fertig poliert hatte, erhob.

Noch ehe Taka die Chance hatte zu antworten, klingelte es bereits an der Tür und wenn Toru nichts bestellt hatte, dann konnte der Lockenkopf mit ziemlicher Sicherheit sagen, um welchen Besuch es sich handelte.
 

„Ehrlich gesagt ja. Das ist Takeru, ich wollte mich nur noch mal für gestern bedanken.“, antwortete er Toru, der bereits auf halbem Weg zur Tür gegangen war, ehe er ihm kurzerhand hinterherlief und gerade rechtzeitig den Flur erreichte, als der Gitarrist die Haustür aufzog. Das hübsche Gesicht des Brünetten sah ein wenig verwirrt drein, sowie Toru ihm die Tür öffnete und als er Taka erblickte, konnte man ihm geradezu aus den Augen lesen, wie er rekonstruierte, was in seiner Abwesenheit geschehen war.
 

„Takeru, hi. Magst du reinkommen? Wir haben diesen Joghurt auf den du so stehst.“, bat Toru dem anderen freundlich an, welcher jedoch dankend ablehnte. Stimmt ja, Takeru und Toru kannten sich ja auch, das hatte Taka völlig vergessen. Wortwörtlich.
 

„Eigentlich bin ich auf dem Sprung, ich wollte nur Taka abholen, aber danke für das Angebot.“, gab der Brünette zurück und während er sprach zog sich der kleine Lockenkopf bereits seine Schuhe an.
 

„Wie jetzt, lässt du mich den Rest des Tages alleine?“
 

„Jetzt tu doch nicht so.“, grinste Taka und warf sich seine Jacke über. „Die Wohnung ist tip top und die paar Stunden wirst du auch ohne mich auskommen. Fackel nur bitte die Küche nicht ab, eine neue wird teuer!“ Auf das Augenrollen Torus hin musste Taka kurz auflachen, ehe er über die Türschwelle zu Takeru trat. „Bis später.“
 

Während Taka hinter dem Jüngeren die Treppen hinabstieg, musterte er immerzu dessen Rückseite und fragte sich, welcher Ausdruck wohl gerade auf seinem Gesicht lag. War Takeru wohl genauso nervös wie er selbst? Und war es überhaupt eine gute Idee gewesen, ihn um ein Treffen zu bitten? Taka spürte seine Hände feucht werden und auch seine Wangen wurden merklich wärmer. Wahrscheinlich würde er sich heute noch einige Male mehr blamieren.
 

„Ist es okay, wenn wir zu mir fahren?“, fragte Takeru schließlich mit einem Lächeln auf den Lippen, als sie auf die Straße getreten waren, woraufhin Taka stumm nickte.
 

- - -
 

Der Jüngere wohnte mit dem Auto etwa 10 Minuten von Toru entfernt in einer recht ruhigen Ecke der Stadt, weniger zentral als Torus Wohnung und demnach auch viel ruhiger. Eine große Grünfläche war gegenüber dem weißen Apartmenttrakt angelegt, in welchem der junge Mann jeden Morgen joggen ging, wie er Taka auf der Fahrt erzählt hatte. Generell hatte er viel erzählt und Taka war sich nicht sicher, ob dies seine Art war, oder ob er dadurch versuchte seine Nervosität zu überspielen. Vermutlich letzteres, denn eigentlich hatte er Takeru als eine sehr ausgeglichene Person kennengelernt.
 

„Geh ruhig schon ins Wohnzimmer. Möchtest du was trinken? Wasser? Cola? Tee?“, fragte Takeru, sowie er in der Küche verschwunden war.
 

„Cola bitte. Wohnzimmer ist wo?“ Ein wenig orientierungslos schaute sich der Lockenkopf im Eingangsbereich um und traute sich kaum, ohne verbale Erlaubnis des Jüngeren, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
 

„Zweite Tür links.“ Der Anweisung Takerus folgeleistend schritt Taka leise in das beschriebene Zimmer und staunte nicht schlecht. Insgesamt war Takerus Wohnung kleiner als Taka sie sich vorgestellt hatte, jedoch auch viel gemütlicher. Unzählige Bilder zierten die Wände im Wohnzimmer und in den Regalen standen zig Souvenirs, Bücher, CDs, DVDs und Konsolenspiele. Fasziniert von all den Dingen schritt Taka näher an die Regale und beäugte ihre Inhalte. Besonders an den Filmen blieb der Kleine hängen und konnte bereits nach einigen Sekunden sagen, dass er und der Brünette in etwa denselben Geschmack hatten, was Hollywoodstreifen anging und direkt entstand im Kopf des Sängers das Bild von sich und Takeru, wie sie lange Filmabende machten, während sie auf dem Sofa saßen und-
 

„Und? Was gefunden?“ Erschrocken zuckte Taka zusammen, hatte er den Jüngeren doch überhaupt nicht kommen gehört.
 

„Ich…eh ja, schon. Ich kenne fast alle Filme die hier stehen, demnach hast du einen ziemlich guten Geschmack.“, grinste Taka verlegen und nahm sein Glas Cola dankend entgegen, ehe er dem anderen aufs Sofa folgte.
 

„Tatsächlich? Hab bisher noch niemand anderes getroffen, der sich den ganzen Action Kram in einem solchen Ausmaß auch freiwillig gibt.“
 

„Verstehe ich! Ich glaube Star Wars guckt Toru auch nur aus Mitleid mit mir.“ Sowie sie beide auf Takas Kommentar hin lachten, bemerkte dieser, dass er noch immer den Schal des Jüngeren trug und stellte sein Glas ab, um ihn sich vom Hals zu wickeln. „Den hast du bei mir vergessen. Tut mir leid, dass ich ihn umgemacht hatte, ich wollte nur…nicht, dass Toru was mitbekommt.“ Die Stimme des Lockenkopfes war leise und sowie dieser seinen Kopf ein Stück zur Seite neigte, sah Takeru auch, worauf der Kleinere anspielte. Zaghaft hielt Taka diesem seinen Schal hin, fühlte aber anstatt dass er aus seinem Griff genommen wurde, nur eine warme Hand, die sich auf seine legte. Sich unschlüssig darüber wie er zu reagieren hatte, sah der Sänger daraufhin nur auf und traf auf den Blick des Jüngeren, der so ehrlich und gleichzeitig intensiv war, dass Taka meinte, Takeru könnte aus seiner Seele lesen. Röte stieg ihm in die Wangen.
 

„Deswegen…“, begann Takeru und räusperte sich. „Ich wollte mich für gestern entschuldigen. Ich hätte es nicht ausnutzen dürfen, dass du in dem Moment auf mich angewiesen warst. Ehrlich, das tut mir unwahrscheinlich leid, ich hätte mich besser im Griff haben sollen.“ Hatte sich Taka schon mal in einer solchen Situation befunden? War er mit einer solchen in der Luft liegenden Angespanntheit vertraut, die ihm beinahe die Luft zum Atmen abdrehte? Der Lockenkopf wusste es nicht mehr, doch wahrscheinlich hätte ihm dieses mögliche Wissen auch nicht geholfen, war er doch nicht mal dazu fähig seine Gedanken richtig zu ordnen, geschweige denn sie in Worte zu fassen. Ein Schauer durchfuhr seinen ganzen Körper, sowie der brünette Mann ihm gegenüber begann, seinen Handrücken langsam zu streicheln. „Doch…naja…“ Der Blick Takerus löste sich von Takas und fixierte irgendeinen Punkt auf dem Sofa unter ihnen und der Ältere meinte zu erkennen, wie sich die Wangen seines Freundes leicht färbten. Nun stoppte dem Lockenkopf doch der Atem und gleichzeitig beschleunigte sein Herzschlag auf mindestens das Doppelte, ahnte er doch irgendwo in einer Ecke seines Verstandes, was Takeru da im Begriff war ihm zu sagen. „…doch ehrlich gesagt…dadurch, dass wir uns geküsst haben, ist mir bewusst geworden, dass ich…mehr als Freundschaft für dich empfinde, Taka.“ Ganz langsam und vorsichtig atmete der Kleinere aus, als fürchte er, dass er das Kartenhaus, welches sie zu errichten begannen, andernfalls wieder zum Einsturz brachte. „Ich bringe dich damit wahrscheinlich gerade total in Verlegenheit, vor allem weil ich ein Mann bin, hm?“ Jetzt wo Takeru wieder zu Taka aufschaute, erkannte dieser doch eine deutliche Röte auf seinen Wangen und spürte den eigenen, schnellen Herzschlag überall in seinem Körper pulsieren. Was hatte er darauf nun zu antworten? Sollte er sich bedanken? Gar nichts sagen? Oder doch einfach ehrlich das aussprechen, was er fühlte? Noch viel angespannter konnte die Situation ohnehin nicht mehr werden.
 

„N-Nein…nein, eigentlich…ich weiß nicht, ich fühle mich…glücklich?“ Taka entschied sich für Letzteres und dachte gar nicht weiter über sein Tun nach, sondern drehte seine Hand nur so, dass er seine Finger mit denen des anderen verschränken konnte. „Ich war gestern so froh, dass du bei mir warst, ich hab mich in deinen Armen so sicher gefühlt und…der Kuss…ich kann nicht aufhören daran zu denken und immer wenn ich mich diesen Gedanken hingebe hämmert mein Herz so stark und…keine Ahnung…“ Langsam atmete Taka ein und wieder aus, versuchte sich zu beruhigen und vor allem seine Gedanken zu ordnen. Doch jetzt, wo er Takeru wieder so nah war und die Atmosphäre, die der vorhergegangenen Nacht so ähnelte, fiel es ihm so unwahrscheinlich schwer sich genau darauf zu konzentrieren. „Mir fehlen sechs Jahre meines Lebens und ich weiß, dass es in dieser Zeitspanne jemanden gab, der mir offensichtlich alles bedeutet hat, jedoch weiß ich nicht, wer diese Person war und auch nicht, ob es sie noch gibt…“
 

„Und wenn du von der Gegenwart ausgehst? Was fühlst du jetzt gerade?“ Takerus Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, dessen Klang Taka eine Gänsehaut bescherte. Ja, was fühlte er? Was verlangte er von den Menschen um sich herum und vor allem von sich selbst? Und was war es denn, was er fühlte? Was war der Grund dafür, dass er den Jüngeren nicht mehr aus seinem Kopf bekam? Vielleicht war die Antwort auch viel zu banal, als dass Taka sie sofort erkannte.
 

„Wenn ich bei dir bin fühle ich Geborgenheit, glaube ich. Ich fühle mich wohl und…ich weiß nicht, alles fühlt sich so…richtig an.“ Taka selbst nahm seine Stimme nur verschwommen war, konzentrierte er sich doch so sehr darauf, einen logisch klingenden Satz auf die Reihe zu bekommen, wo ihn doch sein eigener Herzschlag so sehr von allem ablenkte.
 

„Hat sich…der Kuss auch richtig angefühlt?“, fragte Takeru zaghaft und drückte dabei die Hand des Älteren so sanft, dass dieser es kaum gespürt hätte, wäre der Mann ihm gegenüber nicht das Zentrum seiner Aufmerksamkeit gewesen.

Ganz langsam nickte der Sänger.
 

„Ja, das hat er. Heute Nacht…hat sich alles richtig angefühlt. Der Kuss, deine Berührungen, dass ich mich dir so geöffnet habe…Takeru ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich mit all dem umzugehen habe, ich weiß ja nicht mal, wie ich mit mir umzugehen habe, dafür fehlt mir einfach die Erfahrung, diese sechs Jahre. Aber…aber ich denke, dass da etwas ist, was ich für dich empfinde, was auch…über Freundschaft hinausgeht. Und…und wenn du wirklich bereit bist, es mit mir zu versuchen, dann…lasse ich mich da gerne drauf ein.“ Zum Ende des Satzes brach Takas Stimme dann doch, fiel ihm doch der zweite große Brocken Erleichterung an diesem Tag vom Herzen, als er endlich das aussprach, was ihm die ganze Zeit über im Kopf herumgeschwirrt war. Als Takerus Augen sich ein Stück weiteten, war der Lockenkopf dann doch nicht mehr fähig den Blickkontakt aufrecht zu erhalten, sah stattdessen zu Boden und fand den roten Perserteppich mit einem Mal unwahrscheinlich interessant.
 

„Taka,“ Sanft hob der Jüngere das Kinn des Angesprochenen an, sodass dieser seine Aufmerksamkeit wieder gänzlich ihm schenkte. „danke. Ich danke dir so sehr. Ich bin mehr als bereit es mit dir zu versuchen und ehrlich gesagt kann ich kaum glauben, dass du meine Gefühle erwiderst. Ich-“ Mitten im Satz wurde der Brünette dann doch unterbrochen, hatte Taka nach langem Ringen mit sich selbst diesem einen Bedürfnis, welches wohl eher ein unterdrückter, inniger Wunsch gewesen war, endlich nachgegeben und seine Lippen auf das hübsche Paar des anderen gedrückt. Etwas unsicher war der Lockenkopf dann doch, schließlich hatte er keinerlei Erfahrung im Küssen, zumindest keine an die er sich erinnern konnte, aber auch so genoss er diesen zärtlichen Kontakt, nach welchem er sich seit der letzten Nacht unbewusst gesehnt hatte in vollen Zügen, sodass er sich irgendwann von Takeru nach hinten in die Sofakissen drücken ließ.

To feel once again

Die federleichten, doch so vorsichtigen Berührungen lösten ein Prickeln in den vollen Lippen des Lockenkopfes aus. Den stark wummernden Herzschlag versuchte Taka zunächst in den Hintergrund zu schieben, wollte er sich doch ganz auf diesen zärtlichen Kontakt konzentrieren. Eine Weile verblieb es in diesem schüchternen Spiel ihrer Lippen, bis Taka doch spürte, wie Takeru zaghaft an seiner Unterlippe knabberte, löste sich jedoch sofort, als vom Sänger ein leises Grummeln ertönte.

 

„Tut mir leid.“, stotterte Takeru mit erröteten Wangen, entfloh er dem Blickkontakt mit dem Älteren, schien ihm dieser Schritt nun doch etwas voreilig. „Nein…Alles gut. Ich h-hab mich nur erschrocken.“, widersprach Takahiro dem Jüngeren, legte sich ein sanftes Lächeln auf sein volles Lippenpaar. „Ich kann mich halt nicht erinnern, so etwas schon einmal gemacht zu haben.“, seufzte der Lockenkopf schließlich und kickte seine Stimmung dabei fast selber mit ins Aus, kratzte aber doch noch den nötigen Mut zusammen, die Hände an die weichen Wangen des Jüngeren zu legen  und dessen Gesicht somit wieder sanft zu sich zu drehen.

 

„Gib mir noch ein bisschen Zeit, mich daran zu gewöhnen. Okay?“, fragte Taka mit einem leichten Zittern in der Stimme, war er sich doch so unsicher darüber, was nun wohl im Kopf des Brünetten vorging. Doch ein Nicken des Anderen löste die Anspannung, die sich in seinem zierlichen Körper breitgemacht hatte, ein wenig. „Erlaubst du mir, dich noch einmal zu küssen, Taka?“, wisperte Takeru, erklang seine Stimme dabei so kratzig und der intensive Blick führte schließlich dazu, dass sich Taka vollends in den wunderschönen Augen verlor, die ihm die Fähigkeit nahmen, auch nur ein einziges Wort über die Lippen zu entlassen.

Wie in Trance nickte der Sänger und schloss ebenso seine Augen langsam, als sein Herz registrierte, wie der Mann, der über ihm lehnte, seinen Lippen augenblicklich näher kam.

 

Es entfachte wahrlich ein kleines Feuerwerk im Körper des Frontmannes, als ihre Lippen endlich wieder aufeinander trafen, als hätten sie sich viel zu lange missen müssen. Wohlig entließ Taka einen kleinen Seufzer in den Kuss, legte sich dabei eine feie Röte auf seine Wangen, da auch dieses Geräusch kein bekanntes, gewohntes von ihm war. Doch Takeru schien sich an der Unsicherheit des Sängers nicht zu stören, er genoss ebenso wie Taka den so intimen Moment und forderte nun etwas eindringlicher nach dem verführerischen Lippenpaar des Älteren.

 

„Darf ich-?“, flüsterte der Brünette zur Unterstreichung dessen vorsichtshalber nach, wollte er den Kleineren auf keinen Fall mit seinen Bedürfnissen überrumpeln und ihn in eine Lage versetzen, in der er sich  so gar nicht wohlfühlte. Seine Sorge verfiel jedoch, als Taka bereits ohne weitere Worte nach den fein geschwungenen Lippen haschte und sogleich zärtlich begann, an Takerus Unterlippe zu knabbern. Nun war es Takeru, der inne hielt, ließ langsam vom Lockenkopf ab und drückte auch ihn, an den Schultern packend, sanft zurück. „Taka, ich will nicht, dass du das tust, weil ich es mir wünsche, ja? Fühl dich nicht zu etwas gedrungen, für das du noch gar nicht bereit bist. Du kannst dir all die Zeit nehmen, die du noch brauchst, ehrlich.“ Eindringlich und zugleich voller Sorge sah Takeru auf den verwirrt dreinschauenden Mann unter sich hinab. Mit den wirren Locken, die dem Sänger im Gesicht hingen und den so großen mandelförmigen Augen, hatte der Kleine schon etwas von einem Pudel, dachte sich der Brünette und musste über diesen banalen Gedanken doch unweigerlich Grinsen.

 

„Ich will aber. Also…zumindest küssen.“, piepste dann plötzlich die unsichere Stimme Takas, sah den Jüngeren nur mit seinem unschuldigsten Hundeblick an. Es war dem Sänger durchaus bewusst, dass Takeru sich nur Sorgen machte und um jeden Preis vermeiden wollte, einen Fehler zu begehen, aber dennoch fühlte Taka sich so unglaublich schwach und hilflos ohne das Wissen, welches er verloren hatte, auf welches er gerade jetzt aber so gerne zugreifen würde. War Takeru vielleicht derjenige gewesen, dem all diese Lieder galten? In der hintersten Ecke seines Kopfes hegten Taka doch einzige Zweifel, doch warum fühlte sich all das dann so gut an? Sein Herz überschlug sich ja geradezu bei jedem einzelnen Kontakt. Um weg von diesen missfallenden Gedanken zu kommen, zog der Lockenkopf den Jüngeren schließlich sanft aber bestimmt zu sich herunter, um ihre Lippen endlich wieder miteinander zu versiegeln und den Brünetten in einen innigen Kuss zu verführen, wenn Taka auch noch etwas unsicher war.

 

- - -

 

Die Aussage des Sängers war dem Leader so undeutlich gewesen, war er doch davon ausgegangen, der Kleinere würde gegen Abend spätestens wieder zurück sein, doch noch immer war nichts von dem Frontmann ihrer Band zu hören. Nicht einmal eine SMS hatte Toru erhalten.

Für den Rest des Abends in der Wohnung auf und ab zu laufen, schien ihm dann aber auch keine Lösung zu sein, so setzte sich der Blonde schließlich auf die Couch und stützte sein Gesicht in den Handflächen ab. Sein Herz raste geradezu und schien auch in den nächsten Minuten nicht an Tempo abnehmen zu wollen. War es tatsächlich Eifersucht, die er empfand?

 

Während ihrer Beziehung hatte Toru nie wirklich damit zu kämpfen gehabt, hatte er doch schließlich immerzu sein Vertrauen in den Lockenkopf setzen können, da sie so wie so überwiegend zusammen aufzufinden gewesen waren. Aber nun existierte eben diese Beziehung nicht weiter, obwohl sie sich nie voneinander getrennt hatten. In einer Parallelwelt gab es ihre Liebe also noch. Ihre Liebe, die sie dem jeweils anderen auch immer noch unbewusst zeigten.

 

Je mehr Toru darüber nachdachte, desto näher kam er den Tränen, die er schon viel zu lange zurück hielt. Wenn er sich so zurück an den Nachmittag erinnerte, kurz nachdem er zurück gekommen war, schien sich alles wieder zu bessern, doch dass Takeru hier auf dieser Couch, auf der er jetzt saß, geschlafen hatte, vermutlich mit seinem Taka in den Armen, missfiel dem Blonden doch sehr. Dabei war die Vorstellung gar nicht mal so abwegig, immerhin hatte es gewittert und die Reaktion des Kleineren darauf kannte Toru nur zu gut. Wenn der Brünette ihm also die Medikamente nicht gebracht hatte, dann hatte Taka sicherlich die Sicherheit in seinen Armen genossen.

Natürlich war es nicht die Intention des Leaders, seinen Sängers zu verurteilen, immerhin war es sein Leben und somit seine Entscheidungen, die er zu treffen hatte. Doch irgendwo zerbrach auch der letzte Funke von Hoffnung in ihm, der ihn an ihre Liebe hatte glauben lassen.

 

„Taka… Bitte komm zurück…“, wisperte Toru, rannen ihm jene Tränen, die sich bereits angedroht hatten, über die Wangen. „…zurück in meine Arme…“

Wäre Toru in der Lage, die Zeit zurück zu drehen, so würde er dies sofort tun. Dieser Unfall hätte nie stattgefunden, er hätte es vorausgesehen und wäre einen anderen Weg gefahren. Nach all der Zeit bereute der Blonde noch immer zutiefst, was geschehen war, gab sich selbst nach wie vor die Schuld an dem Unfall. Doch dabei gab der Mann, dessen Worte ihm am wichtigsten waren, ihm nicht einmal die Schuld für das Geschehene. „Du hast so ein großes Herz, Taka.“, wimmerte Toru, betrachtete die dunklen Flecken auf seiner Jeans, die die Tränen verursachten, hatte der junge  Bandleader jedoch aufgegeben, eben diese zu zählen.

 

Sein Brustkorb schmerzte und verweigerte ihm dadurch, die Lungen weiter zu füllen. Toru erschrak, als er registrierte, wie sehr er wirklich am zittern war und sog dann doch scharf die Luft ein, war irgendwo dankbar für diesen Schrecken, da sein Körper wirkte, als wäre er gelähmt.

                Beruhig dich Toru, dachte er sich, fuhr sich bei diesem Gedanken durch die wirren Haare und zwang seinen Körper dazu, sich zu erheben. Langsam taperte der Blonde hinüber in die Küche und auf wackeligen Beinen ließ er sich anschließend auf einen der Stühle fallen, nachdem er eine Bierflasche aus dem Kühlschrank entnommen hatte.

 

„Ich habe mein Schicksal selbst geschrieben, jetzt muss ich damit leben, wie du deinen eigenen neuen Weg gehst...“, murmelte Toru gedankenverloren, sowie er die Flasche öffnete und gleich darauf einen großzügigen Schluck daraus nahm.

 

- - -

 

„Bist du müde? Sollen wir ins Bett?“, erklang die sanfte Stimme des Mannes, in dessen Armen Taka dicht an seine Brust gekuschelt, lag. „Hmn?“, resigniert schaute er auf, erkannte in der Dunkelheit doch nur leichte Umrisse des anderen, konnte aber ungefähr ausmachen, wie fürsorglich ihn die großen Augen wohl gerade anschauten. Taka hatte gar nicht bemerkt, dass es draußen bereits dunkel geworden war und dass er demzufolge bereits einige Stunden hier bei Takeru sein musste, welcher ihm angeboten hatte, bei ihm zu übernachten und nachdem der Lockenkopf zunächst mit sich gehadert hatte, hatte er das Angebot schließlich angenommen. Jetzt, wo er sich so wohl fühlte, wollte er dieses Geborgenheit schenkende Gefühl, und sei es nur für eine Nacht, nicht länger missen.

 

„Na ja, du hast eine Zeit lang nichts mehr von dir gegeben und so ruhig wie sich dein Brustkorb bewegt hat, dachte ich, dass du bereits weggedöst wärst.“, erklärte sich Takeru nun. Taka gab darauf tatsächlich ein müdes Murren von sich und vergrub sein Gesicht in der Halsbeuge des Brünetten, welcher daraufhin ein Kichern von sich gab. „Deine Locken kitzeln, Taka.“, lächelte der Jüngere und schob den Lockenkopf sanft von seinem Hals, spürte kurz zuvor jedoch die freche Zunge des Älteren an diesem. „Selbst wenn du müde bist, bist du scheinbar noch zu Spielchen aufgelegt, ja?“ Sanft fuhr Takeru mit dem Finger über die vollen Lippen des Sängers, ran ihm dadurch doch ein angenehmer Schauer über den Rücken. Seine Hände an den Hinterkopf des Älteren führend, griff er dort in die dicke Lockenpracht und zog den Kleineren somit vorsichtig zu sich herunter, um ihn die eigenen Lippen einmal mehr aufzudrücken.

 

Verloren in dem Kuss seufzte Taka einige Male und kam den Lippen des Brünetten geradezu entgegen, arbeitete ausgiebig gegen diese und bat schließlich um Einlass, indem er mit der Zunge vorsichtig an die Unterlippe seines Freundes tippte. Leicht öffnete Takeru die Lippen und empfing die freche Zunge des Älteren nur zu gerne, lockte mit einem kleinen Spielchen, ehe sich Takeru herausnahm, nun die Mundhöhle des Anderen etwas zu erkundigen.

Ein leises Schmatzen war zu vernehmen, fühlte sich gerade Taka in dieser Situation so unglaublich wohl, sodass er langsam die Arme um den Nacken des Jüngeren schlang und seinen ganzen Körper auf Takerus rollte, wissentlich, dass dieser sein Gewicht ohne Weiteres aushalten würde.

Vorsichtig zupfte Taka immer wieder an einigen Strähnen im Nacken des Jüngeren, entließ einen weiteren Seufzer in ihrem Kuss und fuhr schließlich fahrig mit der Zunge die wunderschöne Unterlippe des Brünetten entlang, welcher daraufhin doch kurz zusammen zuckte, nicht aber aus Abscheu heraus, sondern viel mehr, da dieses Handeln doch sehr überraschend kam.

 

Die Konturen verschlafener Augen konnte Takeru dennoch im fahlen Licht ausmachen, als auch er seine Augen wieder öffnete, sowie er den Druck auf seinen eigenen Lippen zu missen spürte. „Wollten wir nicht schlafen gehen?“, fragte dann die raue Stimme des Sängers, der sich sogleich wieder an die warme Brust des Brünetten kuschelte. „Du hast mir ja keine Antwort gegeben.“, grinste Takeru schließlich und schlang einfach die Arme um den zierlichen Körper, kraulte langsam den muskulösen Rücken und schluckte den Schauder herunter, der einfach von der bloßen Anwesenheit des Älteren ausgelöst wurde.

 

„Ich dachte, der Kuss sei verständlich gewesen.“, grummelte Taka in den Stoff des Hemdes, über das sein Zeigefinger verirrt herumkreiste. „Also war das schon mein Gute-Nacht-Kuss? Wir liegen doch noch gar nicht im Bett, das ist unfair.“, gab Takeru gespielt beleidigt von sich, setzte sich zusammen mit dem Sänger auf, sodass dieser nun seitlich auf seinem Schoß saß, jedoch sein Gesicht noch immer an seiner Brust vergrub. „Ich will aber nicht aufstehen, dann muss ich dich ja loslassen.“, nuschelte Taka ohne Anstalten zu machen, dem Jüngeren ins Gesicht zu sehen.

 

„Wenn ich dich ins Schlafzimmer trage, bekomme ich dann noch einen Kuss?“ Das Herz des Sängers machte einen Satz, hatte er mit diesen Worten immerhin nicht wirklich gerechnet, viel mehr aber davon geträumt. Vermutlich konnte Takeru den Rotschimmer auf Takas Wangen zwar nicht sehen, als dieser ihn dann doch ansah, jedoch bestimmt erahnen. „Ganz viele.“, wisperte Taka schüchtern und kuschelte sich sofort wieder an die warme Brust, an der er sich so wohl fühlte. „Du bist echt niedlich.“, grinste Takeru, drückte einen Kuss auf den Scheitel des Kleineren und hob ihn schließlich hoch, indem er einfach einen Arm unter die Kniekehlen des Sängers gleiten ließ, während sich der andere Arm um Takas Rücken einfand. Stillschweigend ließ sich der Kleinere ins Schlafzimmer tragen, zuckte zusammen, als sich der Brünette von ihm löste, um ihn auf die Matratze zu legen, spürte Taka dadurch doch eine gewisse Kälte.

 

„Gleich bist du wieder in meinen Armen.“, wisperte Takeru, öffnete den Knopf von Takas Jeans, der darauf zusammen fuhr und sich mit einem Mal senkrecht im Bett aufsetzte. „Ich wollte dir nur die Jeans ausziehen. Damit zu schlafen dürfte ziemlich unbequem werden. Ich hatte vor dir Klamotten von mir zu geben, du hast ja keinen Pyjama dabei. Tut mir leid, ich hätte dich vorher fragen sollen.“ Takerus Stimme brach ab und irgendwo in ihm machte sich die Angst breit, den Kleineren nun ein Stückweit verschreckt zu haben. „Nein, nein ist schon okay, ich dachte nur-…“ Bevor Taka weiter sprach, unterbrach er sich selbst, war dieser Gedanke doch gerade zu banal.

 

„Hey, Taka.“, begann Takeru und sah den kleinen Lockenkopf, der geradezu verloren in den Kissen saß, eindringlich an. „Ich werde nichts anstellen, ehe du mir gesagt hast, dass es okay ist und dass du bereit dazu bist, versprochen. Du musst dich doch selbst immerhin erst mal wieder an all dies gewöhnen.“ Erleichterung machte sich in Takas Körper breit und ein dankbares, jedoch schwaches Lächeln schenkte er dem Jüngeren und nickte schließlich, ehe er sich zurück lehnte und sich dann doch den unbequemen Stoff von den Beinen ziehen ließ. „Danke, Takeru. Ehrlich.“

Als auch Takeru sich seiner Hose entledigt hatte und Taka in die Kleidung geschlüpft war, die der Jüngere ihm gereicht hatte, knipste er das große Licht aus und begab sich auf seine Bettseite, schlang dort einen Arm um den zierlichen Körper, der sich sogleich auf seiner Brust einfand und dort ankuschelte, während er mit dem freien Arm nun auch das Nachtlicht ausschaltete.

 

„Gute Nacht, Taka. Schlaf schön. Ich liebe dich.“, wisperte Takeru und setzte nun ein weiteres Mal einen Kuss auf den Scheitel des Lockigen, der sich darauf doch noch einmal aufrichtete und den Jüngeren durch die Dunkelheit hinweg ansah. „Ah, das hab ich fast vergessen!“, quietschte Taka in hohem Ton, lehnte ich sogleich vor und hauchte mehrere kleine Küsse auf die Lippen des Jüngeren, zählte dabei in Gedanken, wie viele es tatsächlich waren. Sein Herz verarbeitete derweil die drei kleinen Worte, die Takeru zuvor an ihn gerichtet hatte, so schlug es nun wild vor sich hin und beruhigte sich schließlich durch den Kontakt ihrer Lippen.

„Ich…ich…“, seufzte Taka, war bei den Worten dennoch etwas angespannt und zugleich aufgeregt, auch wenn sie doch jetzt eigentlich so selbstverständlich sein sollten.

 

„Taka,“, unterbrach ihn Takeru liebevoll und legte ihm eine Hand auf eine warme Wange Takas, die vermutlich glühte, zumindest ging der Sänger davon aus. „Mach dir damit keinen Stress. Sag es, wenn du dir sicher bist.“ Der kleine Lockenkopf war gar nicht fähig darauf etwas zu erwidern, schwirrten ihm mit einem Mal doch viel zu viele Gedanken durch den Kopf. Generell war heute so viel passiert, was er erst mal in aller Ruhe verarbeiten musste. Am besten in Takerus Armen.

Wieder kuschelte sich der Sänger an die Halsbeuge des jungen Schauspielers, schmiegte sich schutzsuchend an die Wärme ausstrahlende Haut und gab dabei ein niedliches Schmatzen von sich.

„Ich danke dir so sehr, Takeru. Dir auch eine gute Nacht.“

 

Wenn auch die Locken des Schwarzhaarigen ungemein kitzelten, so unterdrückte Takeru ein Kichern, kraulte stattdessen den Kopf des zierlichen Mannes, bis dieser in den Schlaf gefunden hatte und auch er selbst immer näher ins Land der Träume rückte.

 

- - -

 

Es war nicht nur ein dumpfer Schmerz in seinem Kopf, sondern vor allem das Licht, welches durch die Fenster ins Wohnzimmer eindrang, was dazu führte, dass der Blonde grummelnd wach wurde. Das graue Herbstlicht brannte in seinen Augen, sodass er sie schmerzhaft wieder zusammen kniff. Wenn Toru es sich so recht überlegte, wollte er sie am liebsten ohnehin nicht mehr öffnen, denn hinter den geschlossenen Lidern, verbarg sich eine Realität, vor der er nur allzu gerne fliehen wollte und es am gestrigen Abend auch für ein paar Stunden geschafft hatte.

Dennoch entpuppte sich die Couch, oder doch eher die Position, in welcher er auf eben dieser geschlafen hatte, als recht ungemütlich, sodass sich der junge Gitarrist dann doch aufraffte, um sich ins Schlafzimmer zu begeben. So wie er aber auf beiden Beinen stand, durchstach sein Kopf ein heftiger Schmerz, der den Blonden beinahe wieder zurück auf die Couch verbannt hätte.

Stattdessen versuchte Toru seinen Kater zumindest für den Moment so gut es ging zu verdrängen, so taumelte er mehr oder weniger sicher hinüber ins Schlafzimmer, wo eine vermutlich bequemere Schlafgelegenheit auf ihn wartete.

 

Wenn Toru jetzt so in sich schaute, obgleich er dazu überhaupt nicht vernünftig in der Lage war, entdeckte er ein aufgewühltes Chaos an Gefühlen, welche er nicht bestimmen konnte oder gar ausmachen konnte, welches von ihnen am Stärksten war. Sich ergeben auf die Matratze fallen lassend, vergrub er das Gesicht im weichen Kissen und registrierte erst, nachdem sein Duft in die Nase stieg, dass es Takas Bettseite war, auf der er lag. Ohne Zweifel – den Geruch seines Sängers würde er überall erkennen. Er war es gewohnt, ihn zu vernehmen.

 

Mit den Tränen kam auch der unbändige Schmerz in seinem Kopf zurück, krallte sich Toru nur verzweifelt in das Kissen seines Frontmannes, als hinge daran seine letzte Erinnerung mit ihm. Seine Augen schmerzten und die Wangen brannten, doch es schien nicht, als würden sie aufhören zu laufen, stattdessen lief nur noch mehr der salzigen, heißen Flüssigkeit über seine Wangen und es kam ihm so vor, als raubten sie ihm die Luft zum Atmen. Einmal mehr.

 

„Ich will dich endlich wieder in meinen Armen halten,“ Einen tief sitzenden Schmerz versuchte Toru herunter zu schlucken, war jeder Gedanke doch so fatal, dass er den Schmerz in seinem Herzen nur noch vergrößerte. „mein Engel.“

Es brannte Toru unvorstellbar auf der Seele, damit leben zu müssen, Taka eine weitere Nacht nicht um sich gehabt zu haben und unwissend über dessen Wohlbefinden zu sein. Was, wenn ihm etwas zugestoßen war und er sich deshalb nicht bei ihm meldete? Toru vermochte es nicht, sich vorzustellen, was dem kleinen Sänger wohl zugestoßen sein könnte und dass er nicht dagewesen wäre, um es zu verhindern. Aber für diesen Fall hätte sich doch zumindest Takeru gemeldet?

 

Hin und hergerissen, was er nun von der gegebenen Situation zu halten hatte, weinte er sich letztlich doch wieder in den Schlaf, nicht zuletzt auch wegen des Katers, der sich deutlich bemerkbar machte, wenn es auch nicht ganz einfach war, unter diesem Schmerz einzuschlafen.

 

Allzu lange wurde dem Gitarristen der notwendige Schlaf aber nicht gewehrt, weckte ihn auf einmal ein Ruckeln an seiner Schulter und im Hintergrund der Klang einer ihm bekannten Stimme.

„Toru, ist alles in Ordnung? Du liegst ja immer noch im Bett.“

Sein Kopf pochte noch immer wie die Hölle, dennoch wagte Toru es, sich aus dem Kissen zu lösen und sich langsam umzudrehen, da war es doch tatsächlich Taka, der da an ihrem Bett stand.

Durch verheulte Augen sah Toru zum Kleineren hinauf, als schien er nicht wirklich glauben zu wollen, dass er es tatsächlich war.

 

„Was machst du hier?“, fragte er verschlafen. Besorgt legte Taka eine Hand ein seine Wange, was Toru dann wirklich in die Realität zurückholte, denn dieser kleine Kontakt löste ein feines Kribbeln unter seiner Haut aus und am liebsten hätte er den zierlichen Mann sofort in seine Arme gezogen.

„Tut mir leid, dass ich mich nicht mehr gemeldet habe, aber Takeru und ich hatten… na ja, ich denke, da muss ich mit dir noch drüber reden, aber sag du mir doch mal, was los ist. Hast du geweint?“

Sanft strich Taka eine blonde Strähne aus Torus Gesicht, sodass er einen freien Blick auf die verschlafenen, deutlich geröteten Augen hatte und schnupperte kurz an dem Gitarristen, ehe er ihn verwirrt ansah. „Ist das Alkohol? Hast du dich betrunken?“ Große Sorge trat in Taka auf und damit auch ein schmerzendes Brennen in seiner Brust. War das ein Anflug von Schuldgefühlen? „Was ist passiert, Toru?“, wollte Taka erneut wissen, dieses Mal jedoch eindringlicher.

 

Überrumpelt von all den Fragen wusste Toru nicht, auf welche er zuerst eine Antwort geben sollte, oder auf welche er überhaupt antworten sollte. Sich zurück in das Kissen sinken lassend, starrte Toru zunächst stur auf irgendeinen imaginären Punkt, er wollte einfach dem eindringlichen Blick des Älteren entkommen. „Die Kopfschmerzen waren einfach so unerträglich, dass ich im Schlaf wohl doch ein paar Tränen verloren habe…“, nuschelte Toru vor sich hin und musste dabei die Lüge schmerzlich herunter schlucken, aber welche andere Wahl hatte er denn schon. Viel tiefer konnte er seiner Meinung nach eh nicht in diese Welt voller Lügen fallen. Auf seinen alkoholischen Ausrutscher ging er erst gar nicht weiter ein.

„Hast du schon eine Tablette genommen?“, fragte Taka fürsorglich und sowie der Blonde mit einem schwachen Kopfschütteln verneinte, huschte der Sänger sofort rüber in die Küche, um von dort einige Kopfschmerztabletten und ein Glas Wasser zu besorgen. Als er auf seinem Weg dabei am Wohnzimmer vorbeikam, fielen ihm erst jetzt  die dunklen Flaschen auf, welche offensichtlich Bierflaschen waren und er fragte sich, wie er diese bei seinem Eintreffen übersehen haben konnte.

 

Wenn Taka Toru jetzt auch am liebsten das Vorangegangene berichten wollte, so war es doch in erster Linie wichtiger, für dessen Wohlergehen zu sorgen, also blieb er nicht länger stehen und eilte stattdessen wie geplant in die Küche. Schon wenige Minuten später kehrte er mit einem Glas Wasser und einer Tablette in den Händen zurück, stellte sie auf dem Nachttisch ab und half Toru zunächst, sich aufzusetzen. „Wie kam es denn dazu?“, fragte Taka vorsichtig nach und meinte damit offensichtlich den Alkoholausrutscher seines Bandkollegen. Einfach so und alleine würde sich Toru niemals betrinken, so viel konnte Taka von dem was er noch wusste fest behaupten, ansonsten wäre er in den letzten Wochen schon längst eines Besseren belehrt worden.

Toru schaute ihn daraufhin nur mit einem undefinierbaren Blick an, beinahe so, als würde er erwarten, dass Taka schon wisse weshalb, doch er hatte keine Ahnung. Ohne dem Lockenkopf eine Antwort zu geben, griff Toru nach Glas und Tablette und ließ die kleine Pille zusammen mit einem Schluck Wasser verschwinden. Das Glas wieder auf dem Tisch abstellend, setzte sich der Blonde nun aufrecht auf und richtete sich nun wieder an Taka.

 

„Ich denke mal, da du dich nicht gemeldet hast, hatten du und Takeru viel zu bereden?“, erkundigte sich Toru leise, ohne zu wissen, dass er damit zum Teil schon ins Schwarze getroffen hatte. Warum er am Abend zuvor so tief ins Glas geschaut hatte, würde er dem Älteren weiterhin verheimlichen. „Na ja, genau darüber wollte ich mit dir noch reden. Aber wenn du wegen der Kopfschmerzen vorerst deine Ruhe haben willst, dann ist das in Ordnung. Das kann auch noch warten, denke ich.“ Die Worte des Lockenkopfes hatten dann doch die Neugier des Leaders geweckt und wenn er es im nächsten Moment auch bereute, gestattete er Taka doch, sich sofort an ihn zu wenden, obgleich er sich irgendwo im Innersten vor seinen Worten fürchtete. „Was immer es auch sein mag, ich will nicht, dass du es in dich hinein frisst. Ich habe dir versprochen, immer für dich da zu sein, wann immer du mich brauchst. Beim letzten Mal habe ich es vergeigt, das wird mir nicht noch einmal passieren.“, verdeutlichte Toru dem kleinen Mann, der sich bereits auf die Bettkante gesetzt hatte und immerzu in die dunklen Augen des Leaders sah, als würde er versuchen, aus ihnen irgendeine Antwort auf das Kommende zu finden.

 

„Nun ja, ich hab dir ja erzählt, dass mich diese Songtexte, die ich geschrieben habe, teilweise verwirrt haben, da ich bis vor kurzem keine Antwort darauf bekommen hatte, an wen ich sie damals gerichtet habe. Jetzt aber scheine ich endlich Gewissheit darüber bekommen zu haben. Zumindest glaube ich das.“ Taka legte eine kurze Pause ein, musste er doch erst einmal selbst seine Gedanken von neuem ordnen und auch dem Blonden eine Chance geben, die Worte zu verarbeiten. In Toru machte sich derweil doch die befürchtete Angst breit. War Taka im Begriff ihm die Liebe erneut zu gestehen, oder für jemand anderen? „Als du nicht hier warst und Takeru die Nacht über hier verbracht hat, also da… da haben wir uns geküsst.“ Kaum hatte Taka diese Worte über die Lippen gebracht, ertrug er es nicht länger, Toru in die Augen zu sehen, selbst wenn er sich ziemlich sicher war, dass sein langjähriger Freund ihn für derartige Gefühle niemals verurteilen würde. Tief einatmend, fuhr der Lockenkopf dann schließlich fort.

„Und gestern habe ich mir den Mut genommen, mit ihm über das Geschehene zu reden, nachdem ich mir einige Zeit lang Gedanken über meine Gefühle diesbezüglich gemacht habe.“ Es fiel ihm schwer, dennoch raffte sich Taka erneut dazu auf, den Blickkontakt mit dem Gitarristen aufrecht zu erhalten.

 

„Ich liebe ihn und er empfindet dasselbe für mich.“ Verlegenheit brachten die erröteten Wangen des Sängers zum Vorschein und irgendwo empfand Taka Erleichterung, hatte er seinem besten Freund endlich sagen können, wie es um seine Gefühle stand. Dass er damit aber einen gewaltigen Dolch in Torus Herz rammte und dessen Welt zum Einsturz brachte, ahnte er der Sänger zum gegebenen Zeitpunkt noch nicht.

A moment

In Torus Ohren rauschte es. Er sah, dass sich Takas Lippen bewegten, hörte dessen Stimme sein Trommelfell erreichen und doch verstand er das Gesagte nicht – wollte es auch gar nicht verstehen. Es war wie damals im Krankenhaus, als man ihn über den Zustand seines Lockenkopfes aufgeklärt hatte, ihm gesagt hatte, dass der kleine Sänger im künstlichen Koma lag und man um sein Leben kämpfte. Damals hatte sich Torus Verstand ebenso vehement dagegen geweigert, diese Realität zu akzeptieren, genau wie jetzt. Es war, als würde die Zeit anhalten. Wobei, nein. Viel eher, als würde sie doppelt so schnell vergehen, Toru jedoch in der Vergangenheit zurücklassen.

Der letzte Funken Hoffnung war im Blonden erloschen. Hoffnung auf das Wiederkommen eines Lebens, welches er und der Sänger vor dem Unfall so glücklich miteinander geführt hatten. Ein Leben voller Liebe, voller Vertrauen. Zweisamkeit. Hoffnung. Aus jetziger Sicht war diese Vorstellung geradezu utopisch.
 

Toru versuchte etwas zu sagen, einfach um sich bemerkbar der Welt gegenüber zu machen, die ihn zurückzulassen schien, doch es formte sich nichts in seiner Kehle. Einzig der Schmerz in seinem Kopf und nun auch der in seinem Herzen schien um ein vielfaches zuzunehmen und würde er einfach impulsiv handeln, so hätte der Gitarrist Taka auf der Stelle aus dem Zimmer geschoben und sich wieder unter die Decke verkrochen, sich vielleicht eingeredet, dass das alles nur ein Alptraum war. Doch auch sein Körper rührte sich nicht und wenn sich der Leader so ansah, wie glücklich die Augen des Kleineren funkelten, bei dem, was er ihm da gestand, so brachte er all das ohnehin nicht übers Herz, schließlich hatte es Taka sehr wahrscheinlich viel Überwindung gekostet, mit ihm zu reden. Man offenbarte seinem „besten Freund“ schließlich nicht jeden Tag, dass man einen gleichgeschlechtlichen Partner hatte – nicht, dass es Toru auch nur im Entferntesten überrascht hätte.

Wohl zu spät merkte der Blonde, dass sein Freund mit seiner kleinen Rede geendet hatte, legte Taka doch den Kopf schief und sah ihn durch unsichere Augen an. Was er ihm da in den letzten Minuten erzählt hatte, war Toru gänzlich schleierhaft, obgleich diese Wissenslücke wohl nur zu seinem Besten war, angesichts des Themas.
 

„Bist du jetzt schockiert?“ Takas Stimme war leise, vermutlich anders als zuvor, Toru konnte das nicht mit Sicherheit sagen, da er ihm wie durch eine dicke Glasplatte hindurch zugehört hatte. Einem Teil von ihm tat es leid, dem kleinen Lockenkopf so wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu haben, wo dieser ihm doch etwas derartiges erzählt hatte, ein anderer, größerer, war der Überzeugung davon, dass es besser so war und dass jedes weitere Wort Takas den Dolch, der bereits in Torus Herz steckte, nur noch tiefer in diesem versenkte.
 

„Etwas überrumpelt eher.“ Der Blonde war erstaunt darüber, wie stabil seine Stimme klang, womöglich weil seine Aussage der Wahrheit entsprach. Er war überrascht von dem, was Taka da von sich gegeben hatte, hatte der Gitarrist doch nicht einmal im Traum daran gedacht, dass die wichtigste Person in seinem Leben eine Liebesbeziehung mit einem seiner Freunde eingehen würde. Enttäuschung und Wut machten sich in Toru breit, an wem er diese Emotionen jedoch würde auslassen können, blieb ein Rätsel, da weder Takeru noch Taka sich dem bewusst waren, was sie dem Blonden damit antaten.
 

„Verständlich.“, meinte Taka und wandte seinen Blick ab, musterte den Boden, so wie er es am Abend zuvor in Takerus Wohnung getan hatte, was Toru selbstverständlich nicht wusste. Vielleicht würde es sich zu einer Angewohnheit von Taka entwickeln, dass er, wann immer er einer unangenehmen Situation ausgesetzt war, auf den Boden starrte, so, als würde er dort Hieroglyphen entziffern. „War ich vorher eigentlich auch schon…du weißt schon?“ Hellhörig sah Toru auf, war sein Blick zuvor dem des Älteren gefolgt, nur um sich auf dem dunklen Parkettboden zu verlieren.
 

„Du warst vieles, was meinst du genau?“ Jetzt, wo sie nicht mehr direkt über Takeru, beziehungsweise über das, was Taka mit ihm hatte, sprachen, fiel es Toru auch deutlich leichter, mit seinem Sänger zu reden, obgleich ihn dessen bloße Anwesenheit noch immer auf eine Art und Weise verletzte, die dem Blonden selbst irgendwo Leid tat. Schließlich konnte der kleine Sänger für diese Tatsache nichts.
 

„Ob ich vorher auch schon...Männer mochte.“, murmelte Taka so undeutlich, dass der Jüngere ihn definitiv nicht verstanden hätte, wenn er nicht direkt neben ihm gesessen hätte. Völlig perplex starrte Toru seinen Freund an, der ihn so verunsichert ansah, dass es offensichtlich war, wie viel an der Antwort hing, die sich Taka von dem Gitarristen wünschte.

Wieso fragte der Lockenkopf ausgerechnet ihn das? Ausgerechnet ihn, der am allerbesten die Antwort kannte. Wusste, dass Taka auch vor dem Unfall schon schwul gewesen war. Viel mehr noch, dass er darüber hinaus sogar eine glückliche Beziehung mit einem Mann geführt hatte, so glücklich, dass sie sich zuletzt sogar verlobt hatten. Und jener Mann saß jetzt gerade vor ihm, hatte all die Bilder von sich und Taka wieder vor sich, wie sie sich umarmten, sich küssten, sich liebten. Und doch konnte er kein Wort über sie verlieren.
 

„Ich weiß nicht, kann sein.“, sprach Toru schließlich, welchem deutlich anzuhören war, dass er die Antwort eher widerwillig gab. Dies schien auch Taka zu merken, der seinen Blick wieder sinken ließ, dieses Mal jedoch auf die eigenen Finger, die begonnen hatten nervös aneinander zu zupfen.

Eine Weile lang sagte keiner von ihnen etwas und Toru war sich nicht sicher, ob er die Unterhaltung nun beenden sollte, indem er Taka vorlog, dass er sich der Kopfschmerzen wegen noch etwas hinlegen wollte, als Taka mit leiser und zitternder Stimme die Stille doch noch durchbrach.
 

„Du findest das ekelig, oder?“ Taka hob den Blick nicht, blickte nur weiter auf seine Finger, die sich zunehmend schneller zu bewegen schienen, was Toru nun doch gewissermaßen störte, er sich allerdings nicht traute, seinen Sänger davon abzuhalten.

Fast schon albern war die Befürchtung Takas in Anbetracht dessen, was zwischen ihm und Toru vor jenem Unfall geschehen war, doch alleine davon ausgehend, wie der Blonde seine vorhergegangenen Worte gesagt hatte, lag die Vermutung nicht allzu fern, dass er tatsächlich etwas gegen die gegebenen Umstände hatte. Was im Grunde auch stimmte, aber definitiv nicht auf diese Art und Weise.
 

„Dass du schwul bist? Nein, quatsch.“ Am liebsten hätte Toru gelacht, die Situation war einfach viel zu abwegig, als dass sie der Realität entstammen konnte. Vielleicht träumte er ja doch noch. Doch der Schmerz in seinem Herzen, der sich intensivierte, sowie Taka ihn mit großen Augen ansah, überzeugte den Blonden einmal mehr davon, dass er schon lange nicht mehr dem Traum lebte, nach welchem er sich noch immer so sehr sehnte. „Meinst du wirklich, dass ich jetzt schlechter von dir denke?“
 

„Na ja…ich weiß nicht. So was bekommt man ja nicht jeden Tag gesagt. Und wie du generell darüber denkst, weiß ich ja auch nicht.“ Bei der Vorstellung daran, wie er Taka auslegen würde, wie überzeugt er doch von seiner eigenen Sexualität war, musste Toru unweigerlich schmunzeln, was auch der Ältere zu bemerken schien, der fragend den Kopf neigte. „Hey, blamier ich mich gerade irgendwie?“, schmollte Taka.
 

„Nein, nein, entschuldige.“, winkte der Gitarrist ab, bekam das Schmunzeln jedoch nicht aus seinem Gesicht verbannt. „Um dich zu beruhigen, mir sind deine Vorlieben absolut egal, Taka. Hauptsache du bist glücklich.“ Die Wahrheit, die hinter Torus Lächeln stand, schwand ein wenig, machte es ihm schließlich sehr wohl etwas aus, mit wem der Lockenkopf seine Zeit verbrachte, obgleich er ihm dies unmöglich sagen und noch weniger vorschreiben konnte. „Interesse an Frauen hast du soweit ich weiß ohnehin nie wirklich gezeigt, von daher ist das hier jetzt ehrlich gesagt kaum überraschend.“ Die Wahrheit.
 

„Oh, wirklich?“ Die mandelförmigen Augen des Sängers hellten sich auf bei den Worten seines Freundes, war es doch seine größte Sorge gewesen, dass dieser sich in irgendeiner Form von ihm hätte abwenden können, sowie er von der Angelegenheit mit Takeru erfuhr. Dass dem Lockenkopf nun jedoch offenbart wurde, dass er scheinbar nie wirklich etwas mit Frauen zu tun gehabt hatte, überraschte ihn noch viel mehr. „Hatte ich nie etwas mit einer Frau?“
 

„Nicht soweit ich mich erinnern kann.“, antwortete der Jüngere wahrheitsgemäß und konnte sich eine Sekunde später schon mit schmerzendem Herzen ausmalen, was die nächste Frage des Sängers sein würde. Er wollte schon den Mund aufmachen, um ein anderes Thema anzusprechen, da kam der Lockenkopf ihm zuvor.
 

„Und mit einem Mann?“ Stille folgte, in der sich die beiden Männer nur anstarrten. Mit einem Mal verlor Toru jegliche Motivation mit Taka zu reden und das, obwohl er diese Tätigkeit alleine sehr schätzte. Hatte der Sänger ihm diese Frage nicht zuvor ohnehin schon gestellt? Oder zumindest eine ähnliche? Toru wollte keine Fragen mehr hören, Fragen, die er zumeist mit Lügen beantworten musste. Er würde später noch einmal mit Taka sprechen. Vielleicht.
 

„Taka…ich hab Kopfschmerzen, kann ich mich wieder hinlegen? Wir können ja nachher noch mal miteinander reden.“
 

„Oh, natürlich!“ Mit einem Mal stand der kleine Sänger wieder kerzengerade neben dem Bett des Gitarristen. „Tut mir leid, ich hätte dich nicht derartig mit Fragen löchern sollen. Ich versuche nur halt irgendwie die riesen Lücke in meinem Leben zu füllen.“ Während Taka sprach, drückte er Toru vorsichtig zurück auf das große Kopfkissen auf der Seite des Blonden und deckte diesen anschließend wieder zu. Etwas überrumpelt von dieser plötzlichen Fürsorge, starrte Toru nur perplex und verloren in die dunklen Augen des anderen, der ihm daraufhin ein warmes Lächeln schenkte. „Danke, Toru. Auch dafür, dass das alles zwischen uns nichts ändert.“ Leider hatte Taka Unrecht, denn es änderte einiges.
 

Eigentlich alles.
 

„Bedank dich da nicht für, das ist doch selbstverständlich. Menschen, die eine Freundschaft von solchen Banalitäten abhängig machen sind einfach blöd.“ Irgendwie schaffte der Blonde es, das Lächeln seines Freundes zu erwidern, obwohl ihm eigentlich überhaupt nicht danach war, doch er wollte den Kleinen nicht auf Ablehnung stoßen lassen, wo man ihm doch praktisch ansehen konnte, wie viel Hoffnung er eigentlich in den Gitarristen setzte. „Ich stehe selbstverständlich weiter zu dir.“
 

„Danke Toru, ehrlich.“ Toru meinte die Augen seines Freundes verdächtig glitzern zu sehen, doch ehe er dieser Wahrnehmung weiter nachgehen konnte, hatte sich Taka bereits abgewandt und ging Richtung Tür, um dem Jüngeren die von ihm gewünschte Ruhe zu geben.
 

„Taka?“ Taka hatte schon die Hand nach dem Türgriff ausgestreckt, als Toru ihn ansprach. Aufmerksam drehte er sich um. „Danke, dass du mir das alles anvertraut hast.“ Auch wenn es unglaublich wehgetan hatte, all diese Dinge von dem Älteren geschildert bekommen zu haben, so war Toru einmal mehr davon überzeugt worden, wie sehr ihm der kleine Lockenkopf doch noch immer vertraute.

Und eben dieses Vertrauen, welches Taka ihm entgegenbrachte, war scheinbar alles was ihm jetzt noch blieb.
 

„Das ist doch selbstverständlich.“, grinste Taka, wiederholte so eben jene Worte, die Toru zuvor an ihn gerichtet hatte. Dies entging ihm natürlich nicht, weswegen sich doch ein kleines, belustigtes Lächeln auf seine Lippen stahl.

Eine letzte Lüge zu dieser Konversation seitens des Gitarristen war jedoch unumgänglich.
 

„Ich wünsche euch viel Glück, Taka.“
 

Sowie Taka das Schlafzimmer des Jüngeren verlassen hatte, machte er sich in der Küche daran, Toru eine einfache Suppe zu kochen, Brühe hatten sie glücklicherweise noch parat stehen. Wenn der Arme schon Migräne hatte, dann brauchte er nicht auch noch den ganzen Tag hungern, denn Taka bezweifelte stark, dass der Jüngere mit seinem Schädel in der Lage dazu wäre, überhaupt irgendwas auf dem Herd zustande zu bekommen. Er hatte wirklich fertig ausgesehen. Am liebsten hätte der Lockenkopf seinem Freund etwas Vernünftiges gekocht, allerdings fehlte ihm die Zeit dazu, wo er doch eine Verabredung mit Takeru hatte. Außerdem war Suppe vielleicht doch keine allzu schlechte Wahl, denn alles andere würde bei einer solchen Migräneattacke wohl früher oder später wieder seinen Weg nach draußen finden. Auf seine innere Aufgabenliste schrieb Taka, während er das fertige Essen in den Kühlschrank schob und eine Anmerkung diesbezüglich auf einem Zettel verfasste, dass er in einer Apotheke noch ein paar mehr Tabletten besorgen würde. Nur wenige Minuten später war er aus der Wohnungstür verschwunden, ohne noch einmal nach Toru zu sehen.
 

Hätte er dies jedoch getan, so hätte er den Blonden herzzerreißend weinend und schluchzend in ihrem Bett vorgefunden und vielleicht wäre jene Wahrheit schon früher ans Licht gekommen.
 

- - -
 

„Und? Wie hat er reagiert?“ Takerus Augen funkelten praktisch vor Neugierde, war er doch so gespannt darauf zu hören, was Toru, mit dem er schließlich auch gut befreundet war, zu ihm und Taka gesagt hatte.
 

„Als überrascht aber positiv würde ich es zusammenfassen.“, antwortete Taka und drückte die Finger des Jüngeren leicht. Es war voll den in Straßen Tokyos, dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, hatte Takeru zuvor nach der Hand des Sängers gegriffen und sie seitdem nicht mehr losgelassen. Obgleich Takas Herzschlag dieser Berührung wegen enorm an Tempo zugenommen hatte, ließ er sich nach außen hin nichts anmerken. Daran, dass er zuvor schon mal mit einer Person Händchen gehalten hatte, konnte sich Taka zum Glück erinnern, daher kam er sich nicht gänzlich aufgeschmissen vor. Mit wem er es jedoch getan hatte, wusste er nicht mehr, was allerdings weniger dem Wochen zurückliegenden Unfall zuzuschreiben war, sondern einfach der Tatsache, dass es schon so weit in der Vergangenheit lag.
 

„Na Gott sei Dank. Hätte ehrlich gesagt auch nicht damit gerechnet, dass er uns verurteilt oder ähnliches, aber angespannt war ich trotzdem.“ Takerus Lippen zierte ein liebevolles Lächeln und einen Moment zu lang hing der Blick des Lockenkopfes wohl an eben diesen, sodass es zu einem wissenden Grinsen wurde. Mit wärmer werdenden Wangen blickte Taka wieder auf den Bürgersteig.
 

„Ja, mich hätte das auch überrascht. Er sagte aber, dass auch er keine Ahnung hat, ob ich damals schon mit jemandem zusammen war, ob Mann oder Frau.“
 

„Wäre das denn so wichtig gewesen?“ Der ernste Tonfall in Takerus Stimme ließ Taka aufblicken. Seine Gedanken schweiften ab zu den zig Songtexten, denen man doch so unmissverständlich entnehmen konnte, dass es sehr wohl eine Person in Takas Leben gegeben hatte, die ihm alles bedeutet hatte. Jedoch kannte der Lockenkopf Takerus Einstellung zu all dem. Er hatte Taka gesagt, dass er sich auf die Gegenwart konzentrieren und die Vergangenheit ruhen lassen solle, da sich der kleine Lockenkopf mit all diesen Gedankengängen letztendlich nur im Kreis drehte und ihm anzusehen war, wie sehr ihm seine Unwissenheit zusetzte.
 

„Nein, nicht wirklich.“, beschwichtigte der Lockenkopf Takeru, der sich wohl in Gedanken schon einen weiteren Vortrag darüber zusammenlegte, dass Taka es erfahren würde, wenn er es erfahren sollte. Sowie der Brünette die Augenbrauen zusammenzog, offensichtlich bereit dazu, dem Älteren das mental vorbereitete vorzutragen, fuhr Taka mit dem nächstbesten, was ihm einfiel, fort. „Willst du denn nicht wissen, ob du meine erste Beziehung bist?“ Es war deutlich zu erkennen, wie Takerus Gesichtszüge für ein paar Sekunden einfroren, was Taka ein wenig Zeit gab, sich zurechtzulegen, wie er aus dieser Nummer wieder rauskam. Wann immer er mit Takeru über Vergangenes sprach, hatte er das Gefühl, den Jüngeren zu verletzen, da dieser ihm mehr als deutlich machte, dass dies nicht gerade sein Lieblingsthema war. Irgendwo konnte der kleine Lockenkopf die Abneigung seines Freundes all seinen Fragen gegenüber nachvollziehen, schließlich war er jetzt, in der Gegenwart, mit ihm zusammen und möglicherweise hatte Takeru ja auch Angst, dass Taka etwas aufdecken könnte, was ihn das Interesse am Brünetten verlieren lassen könnte, obwohl sich der Sänger das beim besten Willen nicht vorstellen konnte. Wirklich reden über seine Vergangenheit konnte Taka nur mit Toru. Zwar hatte er sowohl Ryota als auch Tomoya bereits ebenfalls Fragen gestellt, allerdings hatten ihm beide unabhängig voneinander gesagt, dass der blonde Gitarrist ihn und seine Vergangenheit viel besser kennen würde und er sich daher lieber an ihn wenden sollte.
 

„Taka.“ Takerus Stimme war ruhig, schon beinahe zu ruhig. Wie das Meer, kurz vor einem verehrenden Unwetter. Taka ging davon aus, dass er mit seinen Worten einen wunden Punkt im Jüngeren getroffen hatte und wünschte sich augenblicklich, er könne dies auf der Stelle ungeschehen machen, da es in letzter Zeit schon viel zu oft passiert war. „Mir ist es völlig egal, ob du vor mir bereits jemanden hattest. Was für mich zählt, ist dass ich jetzt mir dir zusammen bin und das sollte für dich ebenso an erster Stelle stehen.“ Ja, er hatte ihn definitiv verletzt, obgleich das ganz und gar nicht Takas Absicht gewesen war. Der Mund des Lockenkopfes fühlte sich mit einem Mal unglaublich trocken an, sodass seine Kehle nicht mal ein ‚tut mir Leid‘ hervorbringen konnte. Lediglich seine Finger schlossen sich enger um die Hand des Brünetten, hoffend auf Akzeptanz gegenüber seiner stummen Entschuldigung. Ebenso stumm ließ Taka nun den Kopf hängen und betrachtete schweigend seine Schuhe, ebenso den mit Kaugummis bespickten Bürgersteig, wobei ihm seine dicken Locken ins Gesicht fielen. Monoton ging er einige Zeit lang neben seinem Freund her, traute sich nicht das Wort zu erheben, aus Angst, ihn abermals verletzen zu können und erschrak gewaltig, als Takeru plötzlich stehen blieb. Verunsichert sah der kleine Sänger zu seinem Freund und begegnete großen, dunklen, besorgten Augen, die denen Torus so ähnlich waren, wie Taka jetzt erst bemerkte.

„Oh Gott, es tut mir leid, Taka!“ Damit, dass Takeru sich entschuldigte, hatte Taka am wenigsten gerechnet, weswegen er ihn, noch immer völlig überrumpelt, weiterhin stumm betrachtete. „Ich hatte gar nicht daran gedacht, dass du ebenso wenig weißt, ob ich deine erste Beziehung bin. Hör zu, wir gehen es ganz langsam an, versprochen. Und wenn dir etwas zu schnell gehen sollte, oder du möglicherweise von etwas mehr willst, dann sag das einfach, wir gehen ganz nach dir, okay?“ Etwas höher zog Taka seine Augenbrauen, hatte er über diese Tatsache doch noch gar nicht nachgedacht, zumindest nicht unter dem Gesichtspunkt ‚erstes Mal‘ und ähnlichen Dingen, auf welche Takeru gerade offensichtlich anspielte.

Jetzt, wo ihm ihr Gesprächsthema bewusst wurde, spürte Taka seine Wangen deutlich wärmer werden, allerdings flüsterte ihm irgendwo in seinem Kopf eine Stimme, dass er unter diesem Vorwand aus der Sache wieder rauskäme und sich der Jüngere nicht mehr verletzt fühlen würde.
 

„Ja…Ja, genau. Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen sollte…tut mir leid.“ Kurz ärgerte sich Taka über sein Stottern, er war noch nie ein guter Lügner gewesen, jedoch kam ihm schnell in den Sinn, dass dies ebenso Unbehagen ausdrücken könne und er dadurch vermutlich als glaubwürdiger dastehen würde. Etwas näher trat er an Takeru und lächelte schüchtern. Dass er im Grunde wirklich sexuell unerfahren war und nicht mal sagen konnte, ob das durch den Unfall kam, oder dem Faktum geschuldet war, dass er tatsächlich noch Jungfrau war, ignorierte der Lockenkopf für den Moment. Darüber würde er sich früher oder später ohnehin noch Gedanken machen.

Die fein definierten Lippen Takerus erwiderten Takas Lächeln und irgendwie schienen auch diese denen seines besten Freundes sehr zu ähneln. Allmählich entstand in dem kleinen Sänger die Frage, ob Toru und Takeru möglicherweise entfernt miteinander verwandt sein könnten.
 

„Bitte mach dir darüber keine weiteren Gedanken, du bestimmst das Tempo, ja?“ Taka war nicht darauf aus, dieses Thema weiter auszuführen, zumal es ihn ungemein erleichterte, dass die Sorgenfalten aus der Stirn des Jüngeren verschwunden waren, weswegen er nur zustimmend nickte.
 

„Danke, Takeru.“ Dem Blick Takerus nach zu urteilen, der ein paar Mal zwischen Takas Augen und dessen Lippen hin und her pendelte, spielte dieser wohl kurz mit dem Gedanken Taka einen Kuss aufzudrücken, verwarf diesen allerdings nach einigen Sekunden wieder. Vermutlich aus dem Grund, dass sie sich in der Öffentlichkeit befanden. Vielleicht aber auch mitunter deswegen, dass er nun den Eindruck hatte, den Lockenkopf mit Samthandschuhen anfassen zu müssen, was nun nicht wirklich in Takas Interesse lag. Die Gelegenheit dem Jüngeren dies zu sagen und vielleicht auch zu zeigen würde sich früher oder später schon noch bieten, weshalb Taka fürs erste keinen weiteren Kommentar von sich gab, sondern stattdessen grinsend hinter seinem Freund her trottete.
 

Es war ein schönes Café, in welches Takeru ihn geführt hatte. Im ersten Moment hatte sich Taka gefragt, wieso sie nicht einfach wie immer ihren Kaffee dort geholt hatten, wo Takeru auch arbeitete, hatte jedoch beim Eintreten die Antwort wie von selbst bekommen. Das Innere des Cafés war unwahrscheinlich edel, viel zu edel für einen einfachen Coffee To Go, welcher hier im Übrigen ohnehin nicht angeboten wurde, wie er später in Erfahrung brachte. Ein Mann in weißem Hemd hatte am Eingang gestanden und ihnen freundlich zugenickt, ehe Takeru ihm einige Worte zugeflüstert hatte und sie anschließend an einen Tisch nahe einem großen Fenster, durch welches man in einen weiten, mit vielen Blumen geschmückten Hinterhof schauen konnte, geführt wurden. «Maison des fleurs*» hatte in schnörkeligen Buchstaben auf der Karte gestanden, welche die Bedienung Taka gereicht hatte und nachdem Takeru dem Lockenkopf erläutert hatte, dass es sich hier um „Das Haus der Blumen“ handelte, passten für diesen die unzähligen Blumensträuße um sie rum auch ins Bild. Ebenso beeindruckt war er von Takerus Französischkenntnissen gewesen, jedoch hatte ihm dieser alsbald offenbart, dass er die Sprache nach zwei Jahren abgewählt hatte, da sowohl Aussprache, als auch Grammatik für ihn eine unüberwindbare Hürde dargestellt hatten.
 

Breit grinste Taka, als er sich ein weiteres Stück von seinem Crêpe abschnitt und ein genüssliches „hmmm~“ überkam seine Lippen, sowie ihm die zartbittere Schokolade auf der Zunge zerging.
 

„Freut mich, dass es dir hier gefällt.“ Liebevoll lächelnd nahm Takeru einen Schluck von seinem Espresso, was Taka an den Tag erinnerte, an dem er Takeru das erste Mal getroffen hatte. Damals war er im Begriff gewesen war, eben dieses Getränk für Toru zu bestellen, jedoch hatte Taka es lediglich zustande gebracht den Brünetten einige Sekunden lang perplex anzustarren, ehe dieser selber nachgefragt hatte, ob Taka den Schokokuchen haben wollte, wo doch eben jene Seite in der Karte aufgeschlagen gewesen war. Irgendwie hatte Taka es letztendlich geschafft die Bestellung aufzugeben. Wie wusste er nicht und vermutlich würde er dies auch nie erfahren.

„Worüber denkst du nach?“ Taka war sein dämliches Grinsen gar nicht aufgefallen und erst als sein Gegenüber in darauf ansprach, entspannte er seine Muskulatur und starrte anschließend ertappt auf seinen Cappuccino.
 

„Nichts bestimmtes…nur über peinliche Situationen, denen ich ausgesetzt war.“, stammelte er, verkniff sich dabei ein weiteres Grinsen.
 

„Also entweder sind die so peinlich, dass sie schon wieder lustig sind oder du verbindest irgendwas schönes mit ihnen. Sie müssen dich deinem Gesicht nach zu urteilen zumindest sehr erfreuen.“ Vorsichtig legte Takeru Messer und Gabel nieder, da er seinen Kuchen aufgegessen hatte und stützte sein Gesicht daraufhin in seiner Hand ab, beobachtete Taka durch amüsiert funkelnde Augen. „Erzähle mir. ~“
 

„Nichts da!“ Grinsend schüttelte Taka den Kopf, wobei seine dunklen Locken flogen. „Wenn du mich schon so gut analysieren kannst, dann kommst du da bestimmt auch selber drauf.“ Den empörten Ausstoß Takerus ignorierend, schob sich Taka das letzte, mittlerweile abgekühlte, Stück seines Crêpes in den Mund und legte sein Besteck leise auf dem teuer aussehenden Porzellan ab.
 

„Hmm, dabei höre ich dir doch so gerne zu. Gemeinheit.“, schmollte Takeru, erntete daraufhin ein leises Lachen des Älteren.
 

„Tu mal nicht so, als würde ich dich den ganzen Tag nur anschweigen, wir können gerne wieder darüber diskutieren, in welche Richtung das Toilettenpapier zu hängen hat, wenn du das meinst.“ Nun war es Takeru der auflachen musste. Ein angenehmes Kribbeln verspürte Taka in seinem Bauch, ebenso wie intensiver werdende Wärme in seinen Wangen. Er kam sich immer mehr vor, wie ein verliebter Teenager, aber da er sechs Jahre seines Lebens verloren hatte, war ihm das sicherlich noch gegönnt. „Es ist ehrlich richtig schön hier.“, meinte er nach einer Weile des Schweigens, in welcher ein Kellner ihre leeren Teller abgeräumt hatte.
 

„Schwul.“
 

„Bitte?“ Völlig ohne Kontext war die Bemerkung des Anderen, weswegen Taka verwirrt die Augenbrauen in die Höhe zog.
 

„Du bist schwul. Wenn du Gefallen an den ganzen Blumen und all diesen schnörkeligen Verzierungen hast, bist du mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit schwul. Oder Franzose. Oder Künstler. Darüber hast du dir doch den Kopf zerbrochen, oder nicht? Ob du vorher schon auf Männer standst, meine ich.“ Ein paar Sekunden starrte Taka Takeru verwirrt an, ehe er erneut auflachen musste, diesmal äußerst herzhaft. Einzelne Augenpaare fanden ihren Weg auf den Tisch der beiden Männer, jedoch schien sich keiner der beiden von dieser Gegebenheit stören zu lassen.
 

„Idiot.“, schaffte er zu sagen, während sich der Lockenkopf eine Lachträne aus dem Auge wischte. „Als würde die Tatsache, dass ich in einer Beziehung mit dir bin nicht schon Beweis genug sein. Mal abgesehen davon bin ich Künstler, vergiss das nicht.“
 

„Stimmt, dann bist du gleich doppelt schwul.“ Amüsiert schüttelte Taka den Kopf über diese Bemerkung, spürte abermals das angenehme Prickeln, dieses Mal beinahe im gesamten Körper. Wann hatte er sich das letzte Mal derartig geborgen gefühlt?

„Taka, darf ich dich was fragen?“, fragte der Brünette nach einer Weile. Angesprochener nickte nur zustimmend und blickte über seine Tasse, aus der er gerade einen Schluck nahm, aufmerksam auf Takeru. „Ich würde gerne wissen, ob ich dich auf ein Date ausführen dürfte.“
 

„Hm? Tust du das nicht gerade?“ Das Kinn in seiner Hand abstützend, legte Taka den Kopf schief und sah zu, wie Takeru sich auf der Unterlippe knabberte. Was auch immer hinter dieser Frage steckte, der Jüngere machte ein ziemliches Geheimnis daraus.
 

„Ja, schon, aber ich meine ein richtiges Date. Abends.“ Nun war Takas Neugierde geweckt und er lehnte sich interessiert in seinem Stuhl zurück. „Also, mein Chef organisiert auch Caterings und da ich mit zum Team gehöre, helfe ich da ebenso aus. Vor ein paar Monaten haben wir einen runden Geburtstag versorgt und der Herr war so begeistert von unserem Essen, dass er meinte, er würde sich da definitiv für revanchieren. Die Veranstaltung wurde im Garten einer ziemlich pompös aussehenden Villa abgehalten, daher gehe ich davon aus, dass der Herr ziemlich gut betucht ist. Soweit ich weiß, ist er wohl in der Modebranche oder so tätig. Lange Rede kurzer Sinn; für kommendes Wochenende sind wir zu ihm eingeladen worden. Es besteht auch ein Dresscode: Anzug und Krawatte. Oder Fliege, je nachdem. Da wir uns alle so herausputzen müssen, wird es wohl was ziemlich edles werden, mein Chef meinte auch, dass noch andere Leute kommen, bei denen sich der Herr ebenso bedanken möchte. Ich weiß nur, dass wir erst zu Abend essen werden und anschließend tanzen. Vielleicht lässt es sich als Ball mit Verpflegung zusammenfassen. Jedem von uns ist es gestattet eine Begleitung mitzunehmen und ich würde halt gerne dich fragen.“ Die mandelförmigen Augen Takas waren beinahe Kugelrund, so groß hatte er sie während Takerus Vortrag werden lassen. Das würde in der Tat ein Date sein. Und was für eins. Einen Anzug hatte Taka im Schrank, in die Menge würde er also definitiv passen und kommendes Wochenende hatte er auch noch keine Termine, demnach stand der Veranstaltung eigentlich nichts im Wege. Außer vielleicht…
 

„Meinst du denn, das geht? Also…ich…wir gehen?“
 

„Oh, keine Sorge!“, lachte Takeru und zwinkerte dem Älteren anschließend beschwichtigend zu. „Der werte Herr ist ebenfalls mit einem Mann vermählt, ihn wird das garantiert alles andere als stören.“ Erleichtert atmete Taka auf. Nein, der Gastgeber würde sich demnach wohl am wenigsten an ihrem Anblick stören und solange dieser es nicht tat, konnten dem Lockenkopf die anderen Gäste auch getrost egal sein.
 

„Wenn das so ist, komme ich sehr gerne mit! Anzug und Fliege hab ich, brauchst also nicht fürchten, dass ich in Jeans und T-Shirt bei dir auflaufe.“ Eine feine Gänsehaut bildete sich auf Takas Armen, als er spürte, wie sich Takerus Hand auf seine legte, welche er zuvor locker auf der Tischplatte abgelegt hatte. Weich war sie. Und warm. Der kleine Sänger biss sich auf die Unterlippe, um bloß nicht anzufangen wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen.
 

„Wirklich? Das freut mich unwahrscheinlich!“ Das Funkeln in Takerus Augen war kaum zu übersehen und jetzt, wo Taka ihn so betrachtete, waren seine Wangen ebenfalls leicht rötlich. „Und was heißt hier auflaufen, ich hole dich selbstverständlich ab, wie es sich für einen Gentleman gehört.“
 

„Ach so, damit ich als Lady dastehe? Vergiss es, Takeru. Ich komme zu dir, basta.“ Takeru kannte das Schmunzeln, welches gerade die Lippen des Lockenkopfes zierte. Es war das ‚keine Widerrede, ich würde ohnehin so tun, als würde ich dich nicht hören‘-Schmunzeln, weswegen er es einfach bleiben ließ, den Älteren von seiner Idee zu überzeugen.
 

„Ich hab trotzdem noch eine Bitte. Sie hat nichts mit dieser Sache zu tun, sondern eher allgemein, hörst du mir zu?“ Takas Blick war während Takeru sprach aus dem Fenster geschweift und hatte dort einzelne Wolken am Himmel fixiert.
 

„Aber natürlich, Schatz. ~“ Das ‚Schatz‘ sprach Taka so überdeutlich, dass es wohl kaum ernst gemeint sein konnte, was Takeru kurz den Kopf schütteln ließ, ehe er fortfuhr.
 

„Es geht um Toru. Ich hatte mit dir in den vergangenen Jahren leider kaum etwas zu tun, aber ich weiß von Toru, dass du ihm als Mensch unwahrscheinlich wichtig warst und es sicherlich immer noch bist. Ich bitte dich inständig darum, eure Freundschaft nicht zu vernachlässigen, jetzt wo wir zusammen sind. Sowas passiert viel zu schnell und am Ende schaut man sich um und bereut zutiefst, dass man einander nun so fremd ist. Diesen Schmerz will ich euch beiden ersparen, weil selbst jetzt kann ich sagen, dass eure Freundschaft definitiv etwas Besonderes ist.“ Es rührte Taka, dass Takeru offensichtlich so besorgt um ihn und Toru war, sodass er seine Hand unter Takerus drehte und so seine Finger zwischen die des Jüngeren schieben konnte.
 

„Das ist unwahrscheinlich lieb von dir, aber keine Angst, ich werde ihn definitiv nicht vernachlässigen. Ich wollte gleich ohnehin noch in die Apotheke und Tabletten für ihn besorgen, er ist nämlich mit starker Migräne aufgewacht und sah heute Morgen echt wie eine Leiche aus. Ich werde heute Nacht definitiv auf ihn aufpassen müssen. Frage mich, ob er die Suppe, die ich ihm gekocht habe, überhaupt schon angerührt hat.“ Sowie Taka darüber nachdachte, was Toru wohl gerade tat, wanderte sein Blick wieder nach draußen in den Himmel. In seiner Brust stach es leicht, jedoch bemerkte der Lockenkopf dies erst, als Takeru seine Hand der seinen entzog und Anstalten machte aufzustehen, woraufhin Taka ihn etwas verwirrt ansah.
 

„Schau nicht so aus der Wäsche, wenn die Situation tatsächlich wie beschrieben ist, dann solltest du Toru ganz schnell mit Essen und Medizin versorgen. Richtig Migräne ist echt hart.“ Noch etwas überrumpelt von Takerus plötzlichem Aufbruch, folgte der kleine Lockenkopf diesem zum Ausgang, an welchem er, mit der Rechnung in der Hand, ihr Essen bezahlte. Taka wollte schon Anstalten machen, seine eigene Geldbörse aus der Tasche zu angeln, jedoch war Takeru schneller und so knirschte er nur mit den Zähnen und folgte dem Jüngeren anschließend nach draußen.
 

„Ich wollte meine Sachen selber bezahlen…“, murmelte Taka und zog beleidigt die Hand weg, sowie Takeru nach ihr greifen wollte.
 

„Wirklich? Wirklich, Taka? Du schmollst jetzt, weil ich dich nicht hab bezahlen lassen? Auf einem Date zu dem ich dich eingeladen habe?“ Taka hatte den Kopf weggedreht, konnte das Gesicht seines Freundes demnach nicht sehen, aber alleine dessen Stimme konnte er entnehmen, dass er Takeru mit seinem Verhalten wohl über alle Maßen amüsieren musste.
 

„Ja, das ist richtig. Ich darf das, mit fehlen geistig schließlich 6 Jahre.“
 

„Ohne die du immer noch 20 bist.“ Den Laut der Empörung seitens Taka ignorierte Takeru, obgleich er sein Grinsen nur noch breiter werden ließ. Eine zeitlang liefen sie schweigend, auf ihrem Weg zur Apotheke, nebeneinander her, ehe Taka langsamer wurde und schließlich stehen blieb. Verwirrt sah Takeru den Älteren an, spürte das Blut in seine Wangen rauschen, sowie Taka nach seinen Händen griff.
 

„Danke für heute.“ Ehe der Größere antworten konnte, hatte sich Taka auf die Zehenspitzen gestellt und Takeru einen hauchzarten Kuss auf die Lippen gedrückt, welcher jedoch viel zu schnell bereits wieder vorbei war, als dass der Jüngere ihn hätte richtig genießen können. So oder so hinterließen die vollen Lippen des kleinen Sängers ein unwahrscheinlich starkes Prickeln auf seiner Haut. „Und danke generell. Auch dafür, dass du mich liebst.“ Wieder ließ Taka seinem Freund nicht die Möglichkeit zu antworten, sondern zog ihn einfach hinter sich her in Richtung Apotheke. Takeru verstand den Wink und ging auf diesen Kommentar vorerst nicht ein. Aber lediglich auf diesen.
 

„Und von den Küssen bekomme ich noch mehr, ja?“, grinste er.
 

„Aber ganz bestimmt nicht hier!“
 

- - -
 

Nein, Toru hatte die Suppe noch nicht angerührt. Vermutlich hatte er in Takas Abwesenheit die Küche noch nicht einmal betreten, was dieser daraus schloss, dass noch alles genau so aussah und angeordnet war, wie er es hinterlassen hatte. Seufzend zog er den Post It vom Kühlschrank ab und warf ihn in den Müll, jetzt konnte er Toru das Essen genauso gut selbst geben. Einen Teller der Suppe in die Mikrowelle stellend, studierte der Lockenkopf die Medikamente, die man ihm in der Apotheke mitgegeben hatte. Von Salbe bis hin zu stark dosierten Schmerzmitteln, hatte man ihm fast alles, was ohne Rezept zu bekommen war, in die weiße Tüte getan. Taka selbst fand das etwas übertrieben, aber Takeru hatte immer wieder gemeint „Mit Migräne ist nicht zu spaßen.“ und „Dann habt ihr wenigstens etwas vorrätig, falls einer von euch mal krank wird.“. Erneut seufzte der kleine Sänger und legte die Tüte wieder auf den Tisch. Ehe er irgendeine Packung anbrach, sollte er ohnehin zuallererst in Erfahrung bringen, wie es Toru mittlerweile ging.

Auf leisen Sohlen schlich er zum Schlafzimmer des Blonden und klopfte gegen die dunkle Holztür. Auf eine Antwort wartend, hielt der kleine Lockenkopf sogar den Atem an, wollte er doch jedes noch so leise Geräusch wahrnehmen, welches als eine Botschaft des Einlasses an ihn gerichtet sein könnte. Doch es blieb still hinter der Tür. Kurz spielte Taka mit dem Gedanken, seinen Freund einfach in Ruhe zu lassen, rief sich dann aber selbst wieder in Erinnerung, dass dieser sehr wahrscheinlich noch nichts gegessen hatte und das unter keinen Umständen so bleiben konnte, selbst wenn Taka ihn mit Zwieback füttern musste.
 

„Toru?“, fragte Taka gedämpft und klopfte erneut gegen die Tür. Ein leises Grummeln war aus dem Schlafzimmer zu vernehmen, welches der Sänger jedoch nicht als eindeutige Antwort an ihn ausmachen konnte. Dennoch, oder vielleicht mitunter deswegen, drückte der Lockenkopf vorsichtig die Klinke runter und lugte in den abgedunkelten Raum. Nur spärlich war Toru, oder eher dessen Umrisse, auf dem Bett zu erkennen, eingewickelt in seine Bettdecke und nur an den blonden Haaren zu identifizieren, welche aus eben dieser schauten.

„Toru, wie geht’s dir?“ Langsam und vorsichtig schloss der kleine Sänger die Tür hinter sich und schaltete das Nachtlicht auf seiner Seite des Bettes ein, wollte den Jüngeren nicht blenden, der sich zur entgegen gesetzten Seite des Zimmers gedreht hatte. Toru antwortete noch immer nicht, lag nur stumm da und schien, als würde er den Älteren gar nicht bemerken. Sowie sich Taka neben den Blonden auf die Matratze setzte, um bessere Sicht auf diesen zu haben, öffneten sich dessen Augen langsam.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken, aber du hast noch nichts gegessen…“
 

„Ist okay, ich war wach.“ Schon allein Torus Stimme war anzuhören, dass etwas nicht stimmte und so zog Taka die Augenbrauen besorgt in die Höhe. Wegen des Lichtes, welches von der anderen Seite kam, erkannte er in dem Gesicht des Gitarristen nicht viel, sah nur, wie ihn aus dem Schatten große, verschlafene Augen anblickten.
 

„Wie geht es dir jetzt? Ich hab dir Medikamente mitgebracht und heute Morgen schon eine Suppe gekocht, aber die hast du noch nicht angerührt.“ Taka beobachtete, wie sich die Augen des Jüngeren kurz wieder schlossen, ehe dieser sich unter Stöhnen aufsetzte, wodurch der Lockenkopf endlich sein Gesicht vernünftig sehen konnte. Torus Augen waren rot und geschwollen, seine Unterlippe schien er sich aufgebissen zu haben und wenn Taka nicht alles täuschte, so schienen die Wangen seines Freundes neben Röte auch eine gewisse Nässe aufzuweisen. Ihn beschlich ein ungutes Gefühl. „Hast du geweint?“, fragte er einfach gerade heraus, ohne darauf zu achten, dass der Blonde im Begriff war, auf seine vorherige Frage zu antworten.
 

„Ich…“, stotterte Toru, was Taka nur noch unruhiger werden ließ. Er hätte Toru nicht alleine lassen dürfen, wer weiß, wie schlecht es ihm wirklich ging.
 

„Soll ich die Medikamente holen? Die haben mir starke Schmerzmittel mitgegeben und Salbe und Kühltücher!“ Sowie der Sänger vom Bett aufsprang, griff sein Leader nach seiner Hand, umschloss diese vielleicht etwas zu lange, obgleich Taka dies gar nicht zu bemerken schien und hielt ihn so zurück.
 

„Nein, das ist nicht nötig, meinem Kopf geht es schon besser, ehrlich.“
 

„Aber was ist dann passiert?“ Mit einem besorgten Gesichtsausdruck, welcher Toru schmerzhaft an alte, bessere Zeiten erinnerte, sah Taka den Jüngeren an, als er sich neben ihn aufs Bett setzte. Federleicht strich er mit den Fingerkuppen über die Wange Torus, die sich tatsächlich feucht anfühlte, was seinem Herz, aus was für einem Grund auch immer, einen schmerzhaften Stoß verpasste. Dass sich die Haut des Jüngeren für diesen dort, wo er ihn berührte, anfühlte, als würde sie in Flammen stehen, ahnte der kleine Lockenkopf nicht, bemerkte auch nicht, wie sie sich leicht verfärbte, wobei diese Tatsache ohnehin kaum aufgefallen wäre, war das Gesicht des Gitarristen doch ohnehin schon so gerötet. Sachte griff Taka nach der Hand seines Freundes.
 

„Erinnerst du dich noch an das Date, was ich am Tag deines Aufwachsens hatte?“, begann Toru die Lüge, war aber nicht dazu in der Lage sie wirklich zu realisieren, brachte ihn doch die warme Hand Takas, die so fürsorglich um seine eigene lag, dazu, all die Gedanken, die den ganzen Tag über in seinem Kopf Katz und Maus gespielt hatten, für eine Weile zu vergessen. Und doch wurde er gerade dadurch erneut daran erinnert, dass der kleine Lockenkopf alles war, was er brauchte, um wunschlos glücklich zu sein. Oder um überhaupt zu sein.

Taka nickte, schaute ihn durch mandelförmige Augen aufmerksam an. Augen, die Toru so sehr liebte und einmal mehr Gefahr lief, sich ihn ihnen zu verlieren.

„Ich weiß, ich hab gesagt, sie sei nicht mein Typ gewesen, aber letztendlich…irgendwie…wir sind praktisch zusammen, zumindest dachte ich das.“ Dass Toru gerade indirekt die Lage zwischen sich und seinem aktuellen Gesprächspartner schilderte, bemerkten sowohl er, als auch der kleine Lockenkopf nicht. Etwas Ungreifbares lag in der Luft, sowie sich die beiden Männer einige Momente lang einfach nur schweigend ansahen.
 

„Hat sie dich verlassen?“ Takas Stimme war leise, beinahe ein Flüstern. Mit einem Mal zerbrach die undefinierbare Spannung, die noch Sekunden vorher zwischen ihnen geherrscht hatte wie eine Seifenblase. Eine Seifenblase, die ohnehin viel zu schön gewesen war, als dass sie wirklich real gewesen wäre.
 

Hatte Taka ihn verlassen? Konnte er ihm diesen Vorwurf wirklich machen? Taka wusste nichts von ihnen, hatte keine Ahnung was vor dem Unfall gewesen war, wie sehr sie einander geliebt hatten. Und doch…wieso hatte er sich nicht wieder in Toru verliebt? Wie damals.
 

„Ja.“ Das Wort war ausgesprochen noch ehe Toru vernünftig abwägen konnte, ob es tatsächlich das richtige war und ebenso unaufhaltbar waren die Tränen, die sich nur Sekunden später in seinen Augen sammelten und letztendlich über seine gerade getrockneten Wangen liefen. „Es ging ihr wohl doch zu schnell.“ Sein Herz stach, als er sich krümmte, um leise zu schluchzen. Und um Taka nicht mehr in die Augen sehen zu müssen. Vertraute Arme legten sich um ihn und zogen ihn vorsichtig an die Brust der Person, zu der sie gehörten.
 

„Bei mir bist du sicher. Wein ruhig alles aus, Toru. Ich hab dich fest im Arm.“ Die Situation ähnelte so vielen intimen Augenblicken, die sie vor dem Umfall miteinander geteilt hatten. Augenblicke, in denen sie in den Armen des jeweils anderen gelegen hatten und geweint hatten, Schutz und Liebe suchend.

Zitternd legte Toru seine Arme ebenfalls um Taka und vergrub sein Gesicht an dessen Schulter, spürte die dunklen Locken seine Wange kitzeln, stellte sich vor, dass sie sich in einer solchen Situation befanden, konnte es nicht. Es würde nie mehr so sein wie früher, niemals wieder.
 

„Bleib bei mir, Taka…“
 

„Das bleibe ich, versprochen.“ Lüge. Wie konnte er ein Versprechen geben, dessen Bedingungen er nicht mal kannte.
 

Bitterlich weinte Toru, schluchzte, krallte die Finger in Takas Pullover und verdammte das Schicksal dafür, dass er dem kleinen Lockenkopf noch immer so nah sein konnte, das allerletzte bisschen Distanz aber nie würde überbrücken können. Taka roch nicht mehr wie früher, nun lag noch ein anderer Geruch auf ihm. Der einer anderen Person.

Enger schloss Toru die Arme um den Älteren, wollte diesen Geruch mit seinem eigenen überdecken, wusste aber, dass dies nur für kurze Dauer effektiv sein würde. Der kleine Sänger gehörte nun jemand anderem. Toru hatte nicht mehr das Recht dazu, sich seine Liebe zu wünschen. Er hatte nicht mehr das Recht dazu, ihn nachts im Arm zu halten. Er hatte nicht mehr das Recht dazu, jeden Tag erneut zu versuchen, dem Sänger näher zu kommen. Es war vorbei.
 

Liebevoll strichen Takas Finger durch seine Haare, kraulten seinen Rücken, fühlten sich gut an und gleichzeitig so unverschämt falsch.
 

„Wenn du sie wirklich liebst, solltest du um sie kämpfen, denke ich. Lass sie nicht alleine, zeig ihr, dass du nach wie vor an ihrer Seite bist, sodass sie merkt, dass du der richtige bist. Ich kenne sie nicht, aber ich weiß, dass du dich nicht in irgendwelche dahergelaufenen Tusen verlieben würdest, von daher…gib ihr Zeit, sie wollte dir sicher nicht wehtun. Aber sei für sie da.“ Takas Stimme war so weich und liebevoll, dass jedes Wort, jede Silbe die Sehnsucht ihn Toru weiter anschürte.
 

„Ich weiß nicht, ob ich das kann…“
 

„Wenn du sie wirklich liebst, solltest du es auf jeden Fall versuchen.“
 

Es dauerte lange, bis Toru sich wieder beruhigt hatte. In dieser Zeit hatte Taka es irgendwann aufgegeben abzuschätzen, wie lange er den Blonden wohl bereits in den Armen hielt und ihm beruhigend den Rücken kraulte, obgleich ihn immer wieder das Gefühl beschlichen hatte, dass gerade diese lieb gemeinte Fürsorge dem Jüngeren nur noch mehr Tränen entlockte. Nicht wissend, was er tun konnte, um seinen Freund zu beruhigen, hatte Taka nur mit schmerzendem Herzen abwarten können, bis dessen Tränen von alleine abgeebbt waren und einen großen, dunklen Fleck auf seinem Pullover hinterlassen hatten. Und er fühlte sich so unwahrscheinlich hilflos.
 

„Du solltest definitiv um sie kämpfen, glaub mir.“
 

Etwas verloren wirkte Toru, als er im Esszimmer am großen Tisch saß, während Taka ihm in der angrenzenden Küche die Suppe auffüllte, die der Bandleader nun endlich bereit war zu essen. Nach dem Weinen war Toru unwahrscheinlich erschöpft gewesen und wollte sich eigentlich direkt wieder hinlegen, jedoch hatte Taka darauf bestanden, dass er erst etwas essen sollte, bevor er dies tat.

Der kleine Lockenkopf hatte den Jüngeren noch nie so aufgelöst erlebt und irgendwo erfüllte es ihn mit Unbehagen, war er es doch nicht gewohnt derjenige zu sein, der sich um jemanden kümmern musste, konnte so auch nicht wirklich abschätzen, wie er vorzugehen hatte. Jedoch konnte er auf diesem Weg wenigstens für seinen Freund da sein und ihm so ein wenig von dem zurückgeben, was Toru bereits alles für ihn getan hatte. Und doch blieb ein mulmiges Gefühl in ihm zurück, sowie er an das geschwollene Gesicht des Gitarristen dachte, die wässrigen Augen und die aufgebissenen Lippen.

Er würde so gerne mehr tun, hatte aber keine Ahnung was.
 

„Sorry, ich war heute noch nicht in der Küche, hab die Suppe daher noch gar nicht bemerkt.“, murmelte Toru, der sich und Taka Wasser in die bereits auf dem Tisch platzierten Gläser schüttete und den aufsteigenden Bläschen fasziniert zusah.
 

„Macht ja nichts, Hauptsache deinem Kopf geht es besser und essen kannst du ja jetzt immer noch.“ Sowie Taka dies sagte, stellte er den Teller Suppe vor Toru ab, der die Brühe etwas misstrauisch betrachtete.

„Schau nicht so, das ist ein altes Familienrezept, hab ich von meiner Mutter damals auch schon bekommen.“
 

„Bei Migräne?“, hakte der Gitarrist mit hochgezogenen Augenbrauen nach, rührte in der braunen Suppe.
 

„Bei allem. Und jetzt hör auf rumzumatschen und so zu tun, als sei sie verseucht, ich werde dich schon nicht vergiften.“ Ein wenig eingeschnappt griff der Lockenkopf, nachdem er sich neben den Blonden gesetzt hatte, nach seinem Glas und trank es in wenigen Schlücken leer.

Toru konnte ein Schmunzeln nicht vermeiden, war dieses Verhalten doch so typisch für Taka, auch vor dem Unfall schon.
 

„Gut, gut.“, besänftigte der Jüngere und nahm einen kleinen Löffel dessen, was Taka ihm da, mit scheinbar viel Fürsorge, gekocht hatte. Um ein Haar hätte er den Inhalt seines Mundes schon im nächsten Moment wieder ausgespuckt, schluckte ihn aber, unter Aufwand von sehr viel Willenskraft, brav herunter.

„Muss die so schmecken…?“, fragte er vorsichtig.
 

„Je bitterer, desto besser.“, erklärte der Sänger schon fast stolz und nahm ebenfalls einen Löffel des Gerichts. Im Gegensatz zu Toru verzog er sein Gesicht jedoch nicht mal im Geringsten, was entweder daran lag, dass er sich nicht eingestehen wollte, Mist gebaut zu haben, obgleich sich Toru das bei Takas Talent in der Küche beim besten Willen nicht vorstellen konnte, oder es musste tatsächlich derartig extrem schmecken.
 

„Sicher, dass du mich nicht vergiften willst? Außerdem hab ich doch eh gar keine Kopfschmerzen mehr.“ Ungläubig blickte der Lockenkopf den Jüngeren an und wollte schon etwas sagen, als aus der Küche ein Pfeifen ertönte. Kurzerhand stand Taka auf und kam wenige Sekunden später mit einer Teekanne und zwei Tassen zurück. „Kann ich nicht lieber die ganze Kanne trinken? Bitte?“
 

„Nichts da.“ Unbeeindruckt goss Taka sich und Toru den grünen Tee ein und schob dem Blonden eine der zwei weißen Tassen zu. „Der Teller wird leer gegessen, selbst wenn du keine Kopfschmerzen mehr hast, die hilft auch gegen Herzschmerz.“
 

‚Dann sollte ich besser doch die ganze Kanne alleine trinken.‘, dachte Toru für sich und starrte nur weiterhin sein Essen an, nicht fähig einen weiteren Löffel der bitteren Brühe zu sich zu nehmen. So sehr er den Kleineren auch mochte, das konnte er beim besten Willen nicht essen.
 

„Wirklich?“ Theatralisch seufzte der Sänger und lehnte sich rüber zu Toru, um den Teller zu sich ziehen zu können. Nachdem im Gitarristen kurz die Hoffnung aufgekeimt war, dass er vielleicht drum rum kam, die Suppe zu essen, hielt sein Freund ihm ohne Umschweife einen vollen Löffel vor die Lippen und sah ihn erwartungsvoll an.
 

„Wie alt bin ich? 4?“ Darauf bedacht, den Mund nicht zu weit aufzumachen, damit der Ältere ihm den Löffel nicht kurzerhand in diesen schieben konnte, schielte Toru auf eben jenen herab.
 

„Höchstens. Und jetzt Mund auf. Einen Löffel für den lieben Taka.“ Es half nichts den Lockenkopf einfach nur anzustarren, dieser erwiderte den Blick nämlich, dickköpfig wie er war, ebenso starr, sodass Toru sich schließlich erbarmte und sich füttern ließ. Angeekelt verzog er das Gesicht, schluckte aber. Für Taka.
 

„Den ganzen Teller?“ Dass Toru tatsächlich Tränen in den Augen hatte fand Taka dann doch ein stückweit übertrieben und stempelte den Jüngeren in Gedanken als „Gelegenheitsmemme“ ab, jedoch nicht ohne breit grinsen zu müssen. Mit ziemlicher Sicherheit bekam nur er diese Seite des Jüngeren zu Gesicht.
 

„Den ganzen Teller, mein Kind.“, singsangte Taka und hielt Toru bereits den nächsten Löffel vor die Lippen. Aus der Nähe betrachtet ähnelten sie denen Takerus doch nicht so sehr. Oder doch? Vielleicht erinnerten Takerus Lippen ihn einfach nur an Torus. Aber so wirklich viel Aufmerksamkeit hatte er denen seines besten Freundes doch ohnehin nie geschenkt, sollte es daher nicht eigentlich andersrum sein? Dass Torus Lippen ihn an Takerus erinnerten? Immerhin waren diese es, die er geküsst hatte. Oder aber Taka hatte so ein Ding für schöne Lippen, sofern es das überhaupt gab, denn Torus Lippen waren schön. Wirklich, wirklich schön…
 

„Ich bekomme da später was für.“, merkte Toru an und erst jetzt fiel Taka auf, dass der Blonde den Löffel bereits gegessen hatte. Von der vermutlich dagewesenen Theatralik hatte der Sänger nichts mitbekommen, was sehr zu bedauern war. Dafür passte er beim nächsten Löffel umso besser auf. „Und der ist für wen?“
 

„Na auch für mich, du tust schließlich mir den Gefallen.“, grinste Taka, woraufhin Toru auflachen musste. Es bewegte etwas in dem Lockenkopf, als er sah, wie sein bester Freund allmählich die Traurigkeit ablegte, die sein Gesicht zuvor gezeichnet hatte. Insgeheim schwor sich der Sänger, Toru fortan bei jeder sich bietenden Gelegenheit zum Lachen zu bringen, war dieses doch mindestens ebenso schön, wie seine Lippen.

Dass er eigenartige Vergleiche schloss, bemerkte Taka dann selber und konzentrierte sich, innerlich den Kopf über sich selbst schüttelnd, wieder darauf, den Jüngeren mit der Wunder-Suppe zu füttern. Zwar schien er Toru, die ganze Prozedur über, nicht von der Speise überzeugen zu können, allerdings hörte er nach gut fünf Löffeln endlich auf, dieses übertriebene Gesicht zu machen und schluckte stattdessen einfach nur noch.
 

„Ich spüle jetzt, okay?“ Ohne das wirklich als Frage gemeint zu haben, griff Toru nach seiner Teetasse und trank den Inhalt, der mittlerweile ohnehin abgekühlt war, binnen weniger Sekunden aus. Taka sah ihm dabei nur kopfschüttelnd, aber schmunzelnd zu und nahm sich schließlich auch seine Tasse.
 

„Und das war jetzt so schlimm?“
 

„Definitiv nicht lecker, aber geholfen hat sie trotzdem ein wenig.“ Toru sprach die Wahrheit. Dass sich Taka so liebevoll um ihn gekümmert hatte, hatte ihn für eine Weile all den Kummer vergessen lassen, kurz sogar den Eindruck gegeben, dass zwischen ihnen niemals etwas vorgefallen war und sie noch immer dieses glückliche Leben als Paar führten, in dem man den jeweils anderen mit Kleinigkeiten aufzog.
 

„Ha! Siehst du! Aber immer erst meckern, typisch.“, sagte Taka und goss sich erneut Tee ein. Auch Torus Tasse füllte er nach, nachdem dieser akzeptierend genickt hatte. Wieder lachte der Blonde.
 

„Typisch? Für mich?? Oh Taka, ich könnte dir Dinge erzählen. Im Meckern und Diskutieren bist du einsame Spitze.“ Ein spontanes Beispiel, was Toru in den Sinn kam, war als sie zu Anfang ihrer Beziehung darüber diskutiert hatten, dass Taka nicht die Rolle der Frau einnehmen wollte. Toru hatte zwar versucht ihm zu erklären, dass es eine solche Aufteilung ohnehin nicht gab – außer bei Paaren, die tatsächlich aus Mann und Frau bestanden –, doch der kleine Lockenkopf wollte das partout nicht einsehen und hatte sich eine Zeitlang geweigert, an Haushaltsarbeiten teilzunehmen, die seine weibliche Seite ja ach so unterstreichen würden, sondern war stattdessen ins Fitnessstudio gegangen, hatte bei einem Bekannten in der Werkstatt geholfen und hatte andere äußerst männliche Dinge getan, die an ihrer Männlichkeit nicht zu übertreffen waren, weil sie nun mal so männlich waren. Irgendwann hatte Taka das Chaos in der Wohnung, ebenso wie die ständigen Bestellungen von diversen Fast-Food-Ketten nicht mehr ausgehalten und hatte seine ursprünglichen Arbeiten wieder übernommen, natürlich nicht ohne sich vorher von Toru versprechen zu lassen, dass er in seiner „Männlichkeit“ nicht eingeschränkt werden würde, was dieser schließlich seufzend versprochen hatte. Bis heute war Toru der festen Überzeugung, dass Taka letztendlich nur nachgegeben hatte, weil ihm der Sex gefehlt hatte, den er während seiner rebellischen Phase ebenso verweigert hatte, obwohl allein das eigentlich Beweis genug dafür gewesen war, dass er durch und durch Mann war.
 

„Oh tatsächlich? Dann erzähl mir doch Dinge.“ Interessiert setzte sich Taka aufrecht hin, doch Toru schüttelte nur den Kopf.
 

„Bei Gelegenheit, ja? Ich würde mich lieber gerne wieder hinlegen. Aber ich erzähle sie dir, versprochen.“ Glücklicherweise sah Taka nicht enttäuscht aus, sondern nickte nur energisch.
 

„Ja, klar, kein Problem.“, lächelte er und stellte, nachdem sie ausgetrunken hatten, das Geschirr zusammen und brachte es zurück in die Küche, während Toru aufstand und die Stühle wieder an den Tisch schob.
 

„Bekomme ich jetzt eigentlich noch was für meine Leistung?“, fragte Toru gegen den Kühlschrank gelehnt und sah dem Älteren dabei zu, wie er das Geschirr in die Spülmaschine räumte und diverse Utensilien wieder an ihren ursprünglichen Platz legte. Sowie Taka in der Küche hin und her wirbelte, flogen seine dunklen Locken in alle Richtungen, was der Gitarrist noch viel interessanter fand, als den Bewegungen seines Freundes zu folgen.
 

„Was möchtest du denn für deine wahnsinnige Leistung haben?“ Grinsend drehte Taka sich um und sah seinen Leader durch dunkle, mandelförmige Augen an, nachdem in der Küche alles erledigt war.
 

„Ich will heute Nacht nicht alleine sein. Darf ich in deinen Armen schlafen?“
 

- - -

*“Maison des fleurs“ habe ich mir während des Schreibens ausgedacht und ist keine Anspielung auf das amerikanische Unternehmen.

Hope

„Ich will heute Nacht nicht alleine sein. Darf ich in deinen Armen schlafen?“
 

Überrascht schaute der Sänger auf, da er wirklich nicht damit gerechnet hatte, derartige Worte vom Jüngeren zu hören, obwohl sie in seiner jetzigen Lage nicht einmal abwegig klangen. Er brauchte jemanden. Er brauchte eine Schulter, an die er sich anlehnen konnte und nach dem, was Toru in den vergangenen Wochen, gar Monaten, für Taka getan hatte, war es für den Lockenkopf nur selbstverständlich, seinem besten Freund etwas zurückzugeben. Ein warmes Lächeln zierte Taka bei seinen Gedankengängen, die ihm nur bestätigten, was für einen guten Freund er all die Jahre über gehabt hatte. Dass Toru sich trotz seiner eigenen Probleme so selbstlos für ihn einzusetzen schien, ließ Takas Herz auf eine nicht zu definierende Art und Weise erwärmen.
 

Nichtsdestotrotz schob der Lockenkopf dieses Gefühl beiseite, schaute mit weit offenen, funkelnden Augen in die großen des Blonden und langsam verebbte sein warmes Lächeln wieder. Die Worte, die Taka vorgehabt hatte zu sprechen, blieben ihm in der Kehle stecken, hatten doch die dunklen Augen des Gitarristen irgendetwas in dem kleinen Mann ausgelöst. Doch so sehr Taka dem auch auf den Grund gehen wollte, fürchtete er dieses Gefühl, das an seiner Erinnerung zu kratzen schien.

Warum waren ihm diese Augen, deren Farbe es problemlos mit der Nacht aufnehmen könnten, erst jetzt aufgefallen. Es war ja nicht so, als wären sie etwas völlig Neues an seinem besten Freund.
 

Und dennoch…
 

„Taka?“, fragte Toru zaghaft nach einem Moment des Schweigens, in welchem er fürchtete, womöglich die falsche Frage gestellt zu haben. Torus Blick war mit einem Mal in Sorge gehüllt und erst jetzt, wo Taka aus seinen Gedanken gerüttelt worden war, sah er dies. Perplex schüttelte der Ältere den Kopf, dabei flogen die Locken leicht in seiner Bewegung.
 

„Nein, Quatsch, natürlich.“ Taka spürte, wie sich seine Wangen vor Scham röteten. Es war ihm peinlich inmitten einer solch intimen Frage abgetaucht zu sein und seinen besten Freund damit in Verlegenheit gebracht zu haben. „Natürlich kannst du in meinen Armen schlafen.“ Er schenkte dem Blonden ein zuversichtliches Lächeln und nickte schließlich.

So etwas wie Erleichterung breitete sich in Torus Körper aus und er musste ein erlösendes Aufseufzen zurückhalten. Als sich dann eine Hand auf seine Schulter platzierte, zuckte der Blonde kurz unter dieser Geste zusammen, war sie doch so unvorhersehbar gewesen. Doch kaum hatte sich sein Blick wieder den Takas gefunden, kam ihm ein weiteres Lächeln entgegen. Eines, welches ihm sagte Es wird alles gut. Auch wenn Toru sich in seinem Inneren immer noch darüber zerriss, ob wirklich alles wieder gut werden würde. Wie könnte es das denn? Ohne Taka an seiner Seite. Ohne den, dessen Liebe ihn grenzenlos erfüllt hatte.

Dann konnte er einen Stoßseufzer doch nicht mehr zurückhalten. Aber das wäre in dieser Situation ja ohnehin nicht mehr von Belangen gewesen.
 

„Magst du vielleicht einen Film gucken? Ich kann uns Popcorn machen!“, schlug der kleine Lockenkopf plötzlich begeistert vor, mit der Intention, seinen langjährigen Freund und Bandkollegen auf andere Gedanken zu bringen. „Ich kenne da zufällig einen echt guten Streifen.“
 

Ein neckisches Grinsen legte sich bei dieser offensichtlichen Anspielung auf Torus fein geschwungene Lippen. „Dieser Streifen heißt nicht zufällig ,Krieg der Sterne‘? Oder vielleicht ,Das Imperium schlägt zurück‘? Oder doch ,Die Rückkehr der Jedi-Ritter‘?“
 

Spielerisch beleidigt plusterte Taka die Wangen auf, fiel kurz darauf aber in ein herzliches Lachen, welches widererwarten auch den jungen Gitarristen ansteckte, sodass dieser doch ein kleines Kichern über sich bringen konnte. Und es klang wunderbar in den Ohren des Frontmannes, war beinahe zu schön, als dass es so schnell vorbei sein konnte.
 

„Wenn ich so recht überlege habe ich dich bisher echt selten lachen gehört...“, dachte Taka mit einem Mal, schüttelte diese Erkenntnis jedoch schnell wieder von sich. Vermutlich gehörten diese Momente, in denen Toru herzliche lachte, ebenso zu den Ereignissen, die er unbeabsichtigt und ungewollt vergessen hatte. Wie ein Blitz schlug diese Erkenntnis über ihn ein und das wahre Ausmaß des Geschehens brach einmal mehr über ihm zusammen und entriss ihn aus seiner kleinen heilen Welt, die klein und empfindlich wie eine Schneekugel aufgebaut war. Es war ja ohnehin nicht zu ändern. Er, der Sänger einer Band, hatte nicht das Recht und den Einfluss darauf, das Schicksal zu beeinflussen. Es blieb ihm nichts anderes, als jenes zu akzeptieren.

Sich den Nasenrücken reibend, schüttelte der Lockenkopf jene Gedanken ab, die ihn zuvor vereinnahmt hatten und konzentrierte sich unweigerlich, wenn auch etwas durch den Wind, wieder auf seinem besten Freund, der ihn mit hochgezogener Augenbraue musterte. Offensichtlich war nicht zu übersehen gewesen, wie er sich in seiner Tagträumerei verloren hatte.
 

„Ich dachte nur…du solltest definitiv öfter dein Lachen mit deinen Freunden teilen!“, erklärte sich der Sänger, vermutlich etwas zu hastig.
 

Etwas perplex wegen der Wortwahl Takas, aber ebenso verlegen, zogen sich Torus Mundwinkel nach oben und er konnte deutlich spüren, wie seine Wangen etwas wärmer wurden. Wenn er auch versuchte, dieses tunlichst zu unterdrücken.
 


 

Inzwischen hatten sie es sich auf der großen Couch im anliegenden Wohnzimmer mit einer Schale Popcorn gemütlich gemacht. Taka hatte tatsächlich eine DVD aus der Star Wars Reihe eingeworfen, was aber angesichts ihrer eher kleinen DVD Sammlung auch vorauszusehen gewesen war. Sie hatten sich schließlich nie groß mit Filmen auseinandergesetzt. Oder überhaupt mit dem Fernseher. Ehe Toru sich jedoch wieder in Nostalgie verfangen konnte, aus der er vor lauter Schmerz und Sehnsucht nicht mehr herauskäme, riss er alle Gedanken von sich los und schenkte seine Aufmerksamkeit stattdessen dem Bildschirm, auf dem gerade das Startmenü eingeblendet wurde.
 

Auch wenn Toru es wirklich versuchte, so schaffte er es einfach nicht, sich voll und ganz auf den Film zu konzentrieren, den er mittlerweile ohnehin schon auswendig kannte, so oft wie er ihn in der Vergangenheit mit Taka geschaut hatte. Immer wieder driftete er mit den Gedanken ab, verfing sich in ihnen und ließ zu, wie sie an seinen letzten Kräften zerrten. Beinahe schwindelerregend war die Welle die ihn überkam, als würde sie ihm den Boden unter den Füßen wegziehen, und das obwohl er doch neben Taka auf der Couch saß.

Vielleicht war es aber auch gerade das, was ihm so zu schaffen machte. Das und die Tatsache, dass eben dieser Mann, der dort neben ihm saß, nie mehr der seine sein würde. Am liebsten würde er weinen. Aber er tat es nicht, konnte es nicht, aus lauter Schuldgefühlen, die sich in ihm anhäuften. Er würde dem Lockenkopf nur weitere falsche Erklärungen liefern müssen, deren Last er nicht länger würde tragen können. Stumm lief dem Blonden doch eine einsame Träne über die Wange, ohne, dass sie weder von ihm selbst, noch von Taka bemerkt wurde.
 

Allmählich spürte Toru seine Augenlider schwerer werden und er machte nicht einmal Anstalten, gegen dieses zunehmende Gefühl der Schwere anzukämpfen, zumal er das Ende des Films ohnehin schon kannte. Die Töne und auch die Bilder des Fernsehers verschwammen und nur zu gerne ließ sich der junge Mann in eine Welt der Träume ziehen, wissend darüber, dass er der kalten Realität so zumindest für kurze Zeit entfliehen konnte. Sein Kopf sackte zur Seite, landete weich auf Takas Schulter.
 

Zwar sah der Sänger des plötzlichen Gewichts auf seiner Schulter wegen überrascht auf, zierte sich aber auch nicht, den Körper des Schlafenden vorsichtig ein Stück näher zu ziehen.

„Schlaf gut, Toru.“, murmelte Taka. „Es tut mir so leid. Was du durchmachen musst, kann ich mir nicht im Geringsten vorstellen. Dabei sollte die Person, die all deine Liebe empfängt, sich glücklich schätzen. Du bist schließlich ein Mann, wie ihn sich jede Frau wünscht.“
 

Der schwarze Schleier löste sich in einzelne Partikel auf, bis ein klares Bild erschien. Er fand sich in seinem BMW wieder, eindeutig. Das Logo glänzte auf dem Lenkrad, doch seine Aufmerksamkeit galt noch immer der Straße. Zwar war es sein eigener Körper, in dem er sich wiederfand, aber er konnte weder diesen, noch seine Gedanken kontrollieren. Sein Atem lag schwer in den Lungen und erst langsam drang ein stechender Schmerz zu ihm durch. Ebenso die abgedämpften Geräusche, die Stimmen, die versuchten, ihn zu einer Reaktion zu bewegen. Sie prallten an ihm ab, als wäre da eine Mauer zwischen ihnen.

Wie in Trance und ohne, dass er es wollte, wanderte sein Blick zur Seite. Und da wusste er es. Es traf ihn wie ein Blitz.
 

Warum hatte ihn sein Gedächtnis ausgerechnet an diesen Ort zurückverfrachtet?
 

Ein Körper, getränkt in Blut, ließ sein Herz in abertausend Stücke zerfallen. Der Anblick der scheinbar leblosen Person, die sich nicht rühren wollte, brannte sich erneut in Torus Netzhaut. „Taka...“, wisperte er heiser. Doch seine Stimme erreichte den kleinen Sänger nicht. Sie hatte sich lediglich in seinen Gedanken eingenistet. Er wollte nach seiner Hand greifen, doch er war nicht länger Herr seines Körpers. Dabei wollte er so sehr für seinen Liebsten da sein, ihn in den Arm nehmen und ihm sagen, dass er sicher sei.

Aber er konnte einfach nicht die geringste Kontrolle über seinen Körper erlangen – als wäre er ein Gefangener seiner selbst.

Selbst der Moment, in dem er von den Sanitätern aus dem Wagen gezogen wurde, ging an ihm vorüber, ohne, dass er auch nur eine einzige Berührung spürte.

War er wirklich lebendig gewesen? Oder war zu diesem Zeitpunkt bereits ein großer Teil in ihm gestorben?

Eine Welle der Übelkeit überkam den Blonden; lauter grelle Blitze schienen hinter seinem inneren Auge zu explodieren.

Alles drehte sich und ein panischer Schrei holte den Gitarristen letztendlich in die kalte Gegenwart zurück, die sich wie ein Eimer, gefüllt mit Eiswasser, über ihm ergoss.
 

Erschrocken riss sich der Blonde in eine aufrechte Position, einige Schweißperlen rannen dabei seine Stirn hinab. Seine Lungen füllten sich nur schwerlich mit Sauerstoff, was womöglich an der totalen Dunkelheit lag, die ihn erneut begrüßte, der er nicht entkommen konnte.
 

„Toru?“, fragte eine sanfte Stimme vorsichtig. So orientierungslos wie Toru war, konnte er nicht ausmachen, woher sie kam; konnte nicht einmal sagen, wessen Stimme es war. Dabei lag es doch auf der Hand. „Toru!“, sprach sie erneut.
 

Ein stechender Schmerz begrüßte den Kopf des jungen Gitarristen, so krallten sich seine Finger krampfhaft in seine Haare und er musste seine Ellenbogen auf den Oberschenkeln abstützen.

Was hatte er der Welt angetan, dass sie ihm nun so einen Streich spielte, fragte er sich. Doch egal in welcher Ecke seiner Gedanken er auch nach einer Antwort suchte, er bekam sie nicht. Sie existierte ganz einfach nicht. Tränen überrannten ihn so plötzlich, dass er nicht einmal die Gelegenheit dazu bekam, sie zu stoppen.
 

„Hör auf...Hör auf...“, winselte er leise.
 

Für einen Moment war alles still, als wäre er erneut in eine einsame, verlassene Welt gesunken. Es war ein entferntes Kribbeln auf seinem Rücken, welches mit einem Mal immer deutlicher zu spüren war und sich schließlich als angenehmen Druck bezeichnen ließ. Takas Hand.
 

„Hey, Toru. Hörst du mich?“ Die abgedämpfte Stimme wurde plötzlich klar und auch die Konturen des leuchtenden Bildschirms zeichneten sich ab. Langsam aber sicher wurde auch Torus Atmung ruhiger. Seine Hände aus den Haaren lösend, schaute der Blonde schwächlich und mit rot geweinten Augen hinauf in die mandelförmigen, besorgten Augen seines Freundes. Einen Augenblick brauchte der Jüngere noch, um nochmal tief durchatmen zu können, ehe er dem Kleineren eine Antwort geben konnte. Jedoch kam ihm dieser zuvor. „Hast du etwa schlecht geschlafen?“
 

Natürlich hatte er das, das war ja wohl offensichtlich gewesen und so tat der junge Mann nicht mehr, als ein schwaches Nicken von sich zu geben.
 

„Möchtest du darüber reden?“, fragte Taka vorsichtig nach. Jene Worte blieben dem Leader im Halse stecken, so blieb ihm nichts weiter als ein verlorenes Kopfschütteln von sich zu geben. „Aber darüber zu reden kann vielleicht helfen, denk doch nur mal an mich.“, versuchte der Lockenkopf nun. „Ich bin doch auch immer zu dir gekommen und habe mich dir anvertraut.“

Am liebsten würde Toru ihm die Wahrheit sagen; die Wahrheit über das, was vor dem Unfall gewesen war, wie glücklich sie gewesen waren. Sobald er aber auch nur daran dachte, seinem Sänger alles offenzulegen, breitete sich ein schwerer Kloß in seiner Kehle aus, der ihm selbst das Schlucken nur schwerlich erlaubte.

Toru verdrängte den Kloß, konnte einen kurz aufkommenden Schmerz jedoch nicht verhindern. Er atmete die Luft unsicher aus und wieder ein. Dann setzte er an.
 

„Manche Dinge bleiben lieber ungesagt.“, begann er leise. „Und es war ja auch eigentlich nur ein Traum, nichts weiter...“ Lüge. Es war kein Traum gewesen, sondern die eiskalte Realität, die sich über Toru lustig zu machen schien, indem sie ihn in seine Träume verfolgte.

Auch wenn Taka über diese Worte nur grübeln konnte, blieb ihm nichts anderes übrig, als die Entscheidung seines Freundes hinzunehmen und zu akzeptieren. Würde er aufdringlich werden, würde sich der Blonde womöglich irgendwann noch verschließen und eigentlich war Toru ja auch alt genug, um selbst entscheiden zu können, was er mitteilte und was er lieber für sich behielt. Resigniert nickte er.
 

„Der Film ist gleich zu Ende und es ist ohnehin schon spät. Willst du dich schon mal ins Bett legen und ich komme nach oder soll ich jetzt schon mitkommen?“

Takas Frage war verlockend, doch Toru sträubte sich innerlich davor, sie zu beantworten, auch wenn sie in den Augen des Älteren angesichts der Situation eine völlig gerechtfertigte war.
 

„Schau du den Film ruhig noch zu Ende. Ich versuche schon mal einzuschlafen...“ Auf wackeligen Beinen taperte der Gitarrist noch immer etwas schlaftrunken und ohne ein weiteres Wort zu verlieren in Richtung Schlafzimmer. Dabei fragte er sich, ob Taka seine Bitte von vorhin wirklich ernst genommen hatte.

Alle Kräfte verließen den schlanken Körper, sodass er sich nicht mal mehr die Mühe machen konnte, sich aufs Bett zu setzen, stattdessen kraftlos in die weiche Matratze fiel. Selbst die Decke blieb unberührt, trotz der Tatsache, dass er leicht fröstelte. Sie hätte die Kälte aus seinem Inneren ohnehin nicht verbannen können, das konnte nur derjenige, nach dem sein Herz schrie. Nässe fand den Weg in sein Kopfkissen.
 

Es vergingen 15 Minuten, dann kam auch Taka ins Schlafzimmer geschlichen. Wissend, dass das Nachtlicht angeschaltet war, schaltete er das große Licht aus und taperte an seine Seite des Bettes, griff nach seiner Decke und machte es sich bequem. Dass der Blonde ihm den Rücken zugedreht hatte, hatte er bereits registriert, was ihm irgendwo ein schlechtes Gewissen bereitete.
 

„Toru?“, wisperte er, wollte prüfen, ob sein Freund nicht vielleicht schon von alleine in den Schlaf gefunden hatte. Als der Körper kurz zuckte und Toru sich schließlich umdrehte, erschrak Taka und etwas in seinem Inneren zerfiel in Scherben. „Oh Gott, es tut mir so leid. Ich hätte sofort mitkommen sollen. Warum hast du nichts gesagt?“ Verheulte Augen fixierten den lockigen Sänger, während Toru keine Anstalten machte, den Älteren aufzuklären, stattdessen drehte er sich zu ihm und flüchtete schüchtern an Takas Brust, auf die allem vorhergegangene Bitte zurückgreifend. Alle Dämme brachen in ihm und die Tränen rannen stumm und heiß über seine Wangen. Verzweifelt griff der Blonde in das Hemd des Sängers, hielt sich an ihm fest aus Angst, der Kleinere würde sich jeden Moment in Luft auflösen.
 

„Ich… kann nicht schlafen...“, schluchzte er in den Stoff des Shirts, das durch die Tränen langsam dunkel färbte. Seinen besten Freund in solch einem Zustand zu sehen, löste in Taka eine Welle von Schuldgefühlen aus, da es doch auf der Hand gelegen hatte, dass Toru vorhin von einem bewegenden Alptraum gequält worden war und er hatte ihn einfach alleine gelassen. Einmal mehr. Wenn es auch nicht wirklich seine Schuld gewesen war, so schämte er sich jetzt umso mehr dafür, nicht weiter nachgefragt zu haben. Irgendwie war das alles doch unfair; Toru opferte all seine Kräfte für ihn auf, was es auch immer kostete und Taka selbst gab ihm dafür so wenig zurück. Er wollte den Blonden nicht weinen sehen, nicht mehr. Er hatte sich doch zuvor noch geschworen, für den Jüngeren da zu sein, ihm zu zeigen, dass er ebenso eine stützende Hilfe sein konnte, wie Toru es für ihn immer gewesen war. Jetzt aber fühlte es sich danach an, als hätte er kläglich versagt, dabei hatte er wirklich nicht damit gerechnet, mit einem solchen Gefühlsausbruch konfrontiert zu werden.
 

„Toru, sieh‘ mich bitte an.“, bat er mit zittriger Stimme, in deren Ton schon eine kleine Spur Hilflosigkeit mitschwang. Hauchdünne, elektrisierende Luft lag zwischen ihnen in der Zeit, die Toru brauchte, um zu reagieren und seinen Kopf soweit von Taka zu lösen, um ihm in die Augen sehen zu können. Ein fragender, vielleicht auch bittender Blick wurde von Takas Augen empfangen und für einen Moment sah er den Blonden einfach nur an, strich zaghaft eine der unzähligen Tränen auf Torus Wangen fort. Erst dann wagte er es zu sprechen und die elektrisch geladene Luft zu durchbrechen. „Würde es dir beim Einschlafen helfen, wenn ich dir etwas vorsinge?“ Wieder herrschte stickige Stille, musste Toru die Worte, die an ihn gerichtet wurden, noch verarbeiten, da er sich immer wieder von ihrer Echtheit überzeugen musste. Dann ein leichtes Nicken. Der Sehnsucht. So lange hatte er Taka nicht mehr singen gehört, das war ihm erst jetzt, nachdem Taka ihm diesen Vorschlag unterbreitet hatte, klar geworden. Und er hatte es nicht einmal bewusst vermisst, da er sich viel zu lange nach der Liebe gesehnt hatte, die ihn mit dem Unfall alleine gelassen hatte. Dabei glich die Stimme Takas ebenso sehr einem Engel, wie die Liebe, die er all die Zeit von ihm empfangen hatte.
 

Als die sanfte Stimme Takas erklang, wich jede Sorge, jede Angst aus Toru und machte Platz für pure Erleichterung und jene Geborgenheit, die Toru so lange nicht gefühlt hatte und die ihn auf einer Wolke schweben ließ. Eine Wolke, auf der es keine Sorgen gab. Eine Wolke, wo es nur Platz für ihn gab – einen Rückzugsort, der die Mauern vor jenen Ängsten und negativen Ereignissen der vergangenen Monate hochzog. Lediglich Takas Stimme war es erlaubt, den blonden Gitarristen auf diese Wolke zu begleiten.

Etwas unsicher summte der Lockenkopf eine Melodie eines Songs, den er – wie er erfahren hatte – für ihr letztes Album geschrieben hatte. Wenn er auch die Hintergründe des Songs nicht mehr kannte und sich nur langsam mit den letzten veröffentlichten Songs vertraut machte, so sang er ihn dennoch für seinen besten Freund, eben weil er eine so beruhigende Wirkung auf den Blonden hatte.
 

«Just wanna be with you,

only you,

alyways you,

you‘re so beautiful

to me

it‘s true...»
 

Die Stimme des Sängers verschwamm allmählich, als Torus Bewusstsein begann, ihn in einen immer tiefer werdenden Sog von Dunkelheit zu ziehen. Diese Dunkelheit war anders. Sie war nicht feindlich, sondern…still. Ruhig. Dann war alles verstummt. Und er, er war in einen traumlosen Schlaf gesunken.
 

Beruhigend strich Takas Hand über das breite Kreuz Torus, zog den schlafenden Körper dicht an seine Brust, um ihm selbst durch den Schlaf hindurch zu vermitteln, dass er bei ihm war. Und blieb.

Es beruhigte Taka ungemein zu sehen und zu spüren, wie entspannt Toru so an seiner Brust gekuschelt lag, dieses Mal offensichtlich in einen besseren Schlaf gefunden hatte. Wie sehr sein Beisein daran beteiligt war, vermochte sich Taka zu diesem Zeitpunkt noch nicht auszumalen. Wärme stieg in seine Wangen, sowie er den Jüngeren so ruhig in seinen Armen schlafen sah. Vermutlich lag es am Unfall, oder daran, dass sie alle einfach älter geworden waren, doch diese Intimität fühlte sich anders an, als an den Erinnerungen, die ihm geblieben waren. Er erinnerte sich daran, wie er mehr als nur einmal in den Armen des anderen eingeschlafen war, wenn er seinerseits nicht in den Schlaf hatte finden konnte, geplagt gewesen war von seinen Dämonen. Die Nähe war dieselbe gewesen, die Tränen ebenso vielzählig. Und doch war da, irgendwo in Taka, ein Gefühl, eine Gedanke, eine versiegelte Erinnerung, die ihm vermittelte, dass sich etwas zwischen ihnen geändert hatte. Irgendwann in diesem 6 Jahre großen Loch. Zittrig stieß der Sänger die Luft aus und fuhr sich erschöpft durch die dicken Locken. Es war zu spät um jetzt noch derartigen Gedanken nachzugehen. Für ihn zählte nur eins: Er würde immer an Torus Seite bleiben und für ihn da sein, so, wie Toru Selbiges für ihn tat und dafür war der junge Sänger mehr als dankbar.
 

Beruhigten Gewissens schlossen sich allmählich auch die Augen des Lockenkopfes und er fiel in einen sanften Schlaf, hielt auch während er schlief seinen besten Freund fest im Arm.
 

- - -
 

Ein Kribbeln in der Nase ließ Taka mit einem Niesen aufwachen, waren es doch tatsächlich die Sonnenstrahlen, die trotz dieser Jahreszeit ihren Weg durch die Jalousien des Schlafzimmers gefunden hatten und den Sänger auf diese eher ungewöhnliche Art und Weise weckten. Einen Moment brauchte der Lockenkopf, um zu registrieren wo er war, mit wem und warum. Als er an sich herunter sah – er realisierte allmählich das deutliche, nicht unangenehme Gewicht auf seiner Brust – rief sich die gestrige Nacht zurück in seine Erinnerung. Toru schlief noch immer seelenruhig, trotz seines Niesens, dicht an seine Brust gekuschelt und Taka konnte genau beobachten, wie sich der Rücken seines Freundes gleichmäßig hob und senkte, der gleichmäßigen Atemzüge wegen, die Taka sogar hören konnte, wenn er selbst nur still genug war. Der Anblick seines Freundes – so musste Taka sich eingestehen – war doch recht süß und entlockte ihm ein kleines Lächeln. Zufrieden legte sich der Lockenkopf zurück in die Kissen und beschloss noch eine Weile zu dösen. Vermutlich so lange, bis der Jüngere aufwachte, da Taka es beim besten Willen nicht übers Herz bringen konnte, sich von diesem zu entfernen, nach all dem was am gestrigen Tag passiert war.

Sowie der Lockenkopf schon auf halbem Wege zurück in den Schlaf gefunden hatte, regte sich der Körper über ihm und ein Paar verschlafener Augen blickte zu ihm hoch. Vorsichtig rollte sich der schlanke Körper vom Sänger und mit den Händen rieb Toru sich übers Gesicht, scheinbar völlig irritiert der Tatsache wegen, dass es ihm erlaubt gewesen war, einen solchen intimen Moment mit Taka noch ein letztes Mal teilen zu dürfen.

Es war unbeschreiblich, wie viel Sicherheit und Geborgenheit die Arme Takas ausstrahlten, wenn er sich diesen hingab. Geradezu irreal. Und dennoch war es ihm erlaubt gewesen.
 

„Guten Morgen“, grüßte die warme Stimme des Lockenkopfes. Ein Nicken seitens des Jüngeren sollte Taka Selbiges wünschen. „Wie hast du geschlafen?“ Ein Moment des Schweigens trat ein. Einige Sekunden verstrichen, ehe Toru eine reichlich knappe Antwort von sich gab.
 

„Gut.“
 

Dass sich sein Freund zu knapp ausdrückte, ließ Sorge und Bedenken in Takas Brust aufbrodeln. Wahrscheinlich aber lag der Wortlaut des Anderen daran, dass noch immer der Liebeskummer an ihm kratze, vermutete Taka. Ein verständnisvolles Lächeln legte sich auf seine Lippen, sowie er Toru eine blonde Strähne aus der Stirn strich.
 

„Wie sieht‘s aus mit Frühstück?“
 

Keine 10 Minuten später fand Toru einen reichlich gedeckten Tisch im Esszimmer vor, hatte sich doch Taka voller Tatendrang aufgemacht und diesen mit allerlei Leckereien geschmückt, auch wenn die noch immer im Ofen aufbackenden Brötchen das Bild vom perfekten Frühstück etwas störten. Jedoch nicht in einem solchen Ausmaß, dass der Blonde dieses als mangelhaft oder Ähnliches deklarieren würde.
 

„Setz dich.“, rief Taka ihm geradezu voller Freude zu, während er in der angrenzenden Küche gerade einen prüfenden Blick in den Ofen warf. Schweigend nahm Toru seinen gewohnten Platz ein, betrachtete den voll bedeckten Tisch. Würde ihn jemand fragen, wie es ihm ginge, er wüsste keine Antwort auf diese so scheinbar simple Frage. Und würde er erläutern warum, dann erwies sich diese Frage auf einmal schon gar nicht mehr als so simpel, denn eigentlich, dachte Toru, war es doch unmöglich all die Gedanken und Gefühle, die binnen Millisekunden durch den eigenen Kopf huschten, mit nur einem einzigen Wort zu beschreiben. Dafür war das Spektrum der zu empfindenden Dinge einfach viel zu groß. Und würde man doch mit einem einfachen „Gut“, oder „Schlecht“ antworten, so belog man sich unterm Strich nur selber, da einer solchen Gefühlslage immer eine Emotion vorausging, die ebenso erläutert werden sollte. Doch diesen Teil der Antwort interessierte wohl die wenigsten Menschen und langsam fing Toru an sich zu fragen, wann genau er begonnen hatte, sich selbst mit dieser Frage gedanklich im Kreis zu drehen.
 

Sowie der Brötchenkorb vor ihm abgestellt wurde, war Toru wieder gänzlich zurück in der Realität angekommen und schüttelte innerlich über sich selbst den Kopf. In früher Morgenstunde sollte derartig philosophischen Fragen nicht nachgegangen werde.
 

„Guten Appetit!“
 

Eine Weile verstrich und sie beide waren in eine angenehme, beinahe vertraute Stille gehüllt und nur das Radio steuerte im Hintergrund leise die neusten Pop-Songs als Untermalung dieser Szene bei.

Während Taka noch immer auf dem letzten Bissen seines Brötchens herumkaute, dachte er über den gestrigen Tag nach, den er mit Takeru im Café verbracht hatte. Ein Date. Kommendes Wochenende. Auf einer Party der edleren Sorte. Bei der Tanzen wohl ganz oben auf der Liste stand und dieses Wissen verunsicherte den Sänger mehr als nur geringfügig. Denn nach all den Jahren konnte sich Taka nicht entsinnen, jemals gelernt zu haben, wie man tanzt. Ob er es tatsächlich nie gelernt hatte, oder schlichtweg wieder vergessen hat, war vorerst zweitrangig, da die Party in seinen Gedanken schon jetzt zu einem Horrorszenrio wurde, mit dem Bewusstsein, dass er nicht mal die Schritte eines einfachen Walzers beherrschte. Und selbst wenn er sie einst gekonnt hatte, so hatte er jetzt nichts mehr davon.
 

Schwerlich schluckte Taka den mittlerweile süß schmeckenden Bissen des Brötchens und damit ebenso den Kloß in seinem Hals hinunter.
 

„Toru…?“, fragte er zaghaft. Angesprochener, der wie geistesabwesend auf sein Brötchen gestarrt hatte, blickte überrascht auf.

Takas Herz begann zu rasen, obgleich er sich diese Reaktion nicht einmal erklären konnte. Vielleicht waren es die Umstände, die es ihm erschwerten, eine solche Frage an seinen besten Freund zu stellen, aber rechtfertigten sie wirklich ein solches Rasen in seinem Herzen?

„Takeru hat mich auf ein Date eingeladen.“ Er wusste, diese Nachricht würde Toru nicht überraschen und angesichts der Tatsache, dass sein blonder Freund ohnehin wusste, dass Taka schwul war, hatte er auch keine außergewöhnliche Reaktion von diesem zu befürchten. „Nun, er hat mich auf so eine edle Party eines wohl ziemlich reichen Kunden eingeladen und-“
 

„Wo liegt das Problem?“, schoss ihm plötzlich diese prompte Frage von Toru entgegen, die seine Wangen erröten ließ. Das Rasen in Takas Herzen nahm zu.
 

„Der Dresscode besagt Anzug oder Smoking, Krawatte oder Fliege. Also worauf ich hinaus will ist...dass, also...“ Taka hielt an, atmete ein letztes Mal tief durch. „Kannst du tanzen, Toru?“ So sehr er das Glühen seiner Wangen spürte, vermochte er nicht sich vorzustellen, wie beschämend rot diese tatsächlich waren. Toru, der ihn noch immer mit großen Augen anstarrte, dessen Mimik jedoch nichts verriet, ließ sein Brötchen auf den Teller sinken.
 

„Wieso fragst du nicht Takeru, ob er mit dir übt?“ Die Tatsache, dass Taka ihm eben gerade gestanden hatte, dass er nach all den Jahren kein bisschen tanzen konnte, schien den Blonden nicht zu überraschen, aber vielleicht hatte Taka ihm das im Laufe der Zeit auch einfach schon anvertraut.
 

„Ich will mich nicht vor ihm blamieren, ich schäme mich irgendwie, ihm sagen zu müssen, dass ich nicht tanzen kann. Dann wird er sicher ein schlechtes Gewissen wegen des Dates haben, dass er mich womöglich bloßstellen würde.“ Nervös zupfte der Sänger unter dem Tisch, unsichtbar für Toru, an seinen Fingern, kaute jedoch, und das war sichtbar für Toru, auf seiner Unterlippe. Eine Eigenschaft, die er sich scheinbar noch immer nicht abgewöhnt hatte. Bei diesem Anblick brach die Fassade, die Toru seit seinem Erwachen versucht hatte aufrecht zu erhalten. Sein Herz wurde mit einem Mal so weich, schlug so wild, als wäre für einen Moment alles wie früher.
 

„Ich werde es dir zeigen.“ Toru wollte gerade dazu ansetzen schwärmend hinzuzufügen, was für ein guter Tänzer er war und wie sie an warmen Sommerabenden einfach aus einer Lust heraus während eines Dates im Park begonnen hatten, zu tanzen. Ein plötzlicher Mechanismus ließ ihn jedoch verstummen, so schluckte Toru jene Erinnerung an einen ihrer vielen Tänze schweren Herzens herunter. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stand er auf, ging auf den Lockenkopf zu, der ziemlich überrascht aufsah, als der Jüngere sich vor ihm kniete und eine Hand nach ihm ausstreckte. „Darf ich um diesen Tanz bitten?“
 

Eine unübersehbare Röte schoss hinauf in Takas Wangen und der Sänger gab seine Hand vertraut in Torus Handfläche und musste verwundert feststellen, wie perfekt ihre Hände ineinander passten. Ehe Taka die Chance hatte, diesen Gedanken weiter zu bewerten, schob er ihn in die hinterste Ecke, stand plötzlich auf wackel-weichen Beinen und begleitete Toru ins anliegende Wohnzimmer.
 

„Entschuldige.“ Elegant löste Toru ihre Hände voneinander und wandte sich ab, was Taka den Kopf schief legen ließ. „Mit Musik sind die Takte für dich leichter zu verfolgen.“ Als wüsste Toru genau nach was er zu suchen hatte, wanderte sein Finger die CD-Rücken entlang, die ihren Platz in einem dunklen Regal im Wohnzimmer gefunden hatten und zog mit einem „Na also“ eine recht unscheinbare CD aus der Sammlung. Taka sah dabei zu, wie der Jüngere sie in die Anlage legte und mit jeder Sekunde stieg die Nervosität in ihm, bis schließlich die ersten Töne, langsame Klaviermusik, begleitet von Cello und Violine, aus den Lautsprechern kam und Toru zu ihm zurückkam. „Schau nicht so ängstlich, du bist Musiker, der Rhythmus liegt dir im Blut.“ Ein warmes Lächeln zierte die fein geschwungenen Lippen Torus, die der Sänger einmal mehr bewunderte, als Toru seine Hand nahm und diese langsam auf seiner Schulter ablegte.
 

„Ich kann mich nicht daran erinnern jemals getanzt zu haben, ich finde es ist mein gutes Recht nervös zu sein.“, verteidigte sich Taka und erschauderte leicht, als Torus Arm sich um seinen Oberkörper schlang und er unweigerlich näher an den größeren Mann gezogen wurde. Von Torus Hand in seinem Rücken ging angenehme Wärme aus, auf die sich der Lockenkopf nur viel zu kurz konzentrieren konnte, da Toru seine freie Hand vorsichtig mit der eigenen umfasste und sie hoch hielt. Es überraschte den Sänger, mit was für einer Vorsicht der Blonde ihn berührte, als sei er zerbrechlich, aus Porzellan und unsagbar wertvoll.
 

„Dazu gibt es keinen Grund, du bist ein ausgezeichneter Tänzer, auch wenn du dich da nicht mehr dran erinnern kannst.“, erklärte Toru und für den Bruchteil einer Sekunde meinte Taka etwas wie sehnsüchtige Nostalgie in Torus Stimme mitschwingen zu hören. „Lass dich einfach von mir leiten.“ Taka nickte nur und gab einen überraschten Laut von sich, als sich der Jüngere plötzlich in Bewegung setzte und einen Schritt nach vorne machte, dabei an Takas Fuß stieß, sodass sich dieser ebenso bewegen musste.
 

„Halt mich bloß fest!“, mahnte der Lockenkopf und verstärkte seinen Griff an der Schulter des Gitarristen, während sein Blick nach unten wanderte und krampfhaft ihre nackten Füße fixierte. Toru spürte augenblicklich, wie sein Herz an Geschwindigkeit zunahm und mit rasender Schnelle das Blut durch seine Adern pumpte.
 

„Schau mich an, nicht deine Füße. Ich führe dich, du musst es nur zulassen.“ Ruhig bleiben, wiederholte er immer wieder in Gedanken.
 

Sie bewegten sich nur jeden zweiten Takt, sodass Taka den Bewegungen des Blonden folgen konnte, welche sich nach einigen Wiederholungen als doch überraschend leicht herausstellten und selbst als sie das Tempo anzogen und nun original zur Musik tanzen, hatte Taka nicht das Gefühl, dass ihm etwas zu schnell ging. Er tat einfach das, worum Toru ihn gebeten hatte und ließ sich ohne Wenn und Aber von ihm führen, weswegen er auch erst, als dieser ihn darauf ansprach, realisierte, dass sie sich bereits einige Male gedreht hatten. Die Wangen des Lockenkopfes glühten. Einerseits vor Stolz, da er es doch tatsächlich geschafft hatte sich das Tanzen wieder zu erarbeiten, andererseits aber auch, da er und Toru so sah aneinander tanzen, dass er irgendwo froh darüber war, Takeru gerade nicht um sich zu haben. Ein breites Grinsen zierte seine vollen Lippen, wer hätte gedacht, dass Walzer tanzen so viel Spaß machen konnte?
 

„Und? Was hab ich gesagt?“, fragte Toru, viel näher an seinem Ohr als Taka erwartet hatte.
 

„Ich glaube das Aufblühen meines neu entdeckten Talents liegt eher an meinem Lehrer, als an meinen eigentlichen Fähigkeiten.“ Kurz lachte Toru auf, ehe er den Älteren erneut in eine Linksdrehung führte. Nur spärlich konnte der kleine Sänger das Grinsen zurückhalten, welches sich den Weg auf seine Gesichtszüge suchte, wo sein bester Freund doch wieder so befreit lachte.
 

„Danke für die Blumen, aber ich habe dir beim ersten Mal das Tanzen bedauerlicherweise nicht beigebracht.“
 

„Sondern?“ Interesse glomm in den dunklen Augen des Sängers auf, wann immer sich ihm die Chance bot, etwas über seine verlorene Vergangenheit zu erfahren, über die ihm scheinbar niemand Auskunft geben konnte.
 

„Das weiß ich nicht, ehrlich. Du kamst nur eines Abends ganz stolz zu mir und meintest, dass du mir was zeigen wolltest.“ Die Wahrheit. Toru empfand es nicht als nötig diese Geschichte zu verbiegen, zumal sie ohnehin keine pikanten Details enthielt. „Aber weißt du was lustig war? Du hast partout den Männerschritt nicht auf die Reihe bekommen hast.“
 

„Hab ich damals auch den Frauenschritt getanzt?“ Taka war sich im Klaren darüber, dass er eben diesen gerade tanzte, fragte sich aber dennoch, warum dies auch damals der Fall gewesen war. Dass er ihn jetzt lernte, lag angesichts des größeren Takerus ja auf der Hand, aber warum damals?
 

„Als du mit mir getanzt hast, ja. Aber ob du den Männerschritt als erstes gelernt hast, kann ich dir nicht beantworten.“ Toru persönlich ging davon aus, dass Taka von Anfang an im Frauenschritt getanzt hatte, denn wozu sollte er den Männerschritt lernen, wenn der Blonde diese Rolle stets übernommen hatte. „Einmal musstest du mit deiner Mutter tanzen. Das war vielleicht peinlich. Letztendlich hat sie die Rolle des Mannes übernommen. Dein Vater hat sich vor Lachen gekringelt.“
 

„Wow, hättest du nicht wenigstens, jetzt wo ich solche Peinlichkeiten schon vergessen habe, so tun können, als wäre all sowas niemals passiert.“ Beschämt ließ Taka den Kopf hängen und bemerkte erst, als es bereits zu spät war, wie er an Torus Schulter gelandet war. Hitze stieg ihm in den Kopf und er spürte, wie seine Finger begannen zu kribbeln, also sprach er das Nächstbeste an, was ihm in den Sinn kam, ohne den Kopf von der Schulter seines Freundes zu lösen. „Was ist eigentlich mittlerweile mit meinen Eltern?“

Toru, der seinerseits ebenso spürte, wie seine Ohren verdächtig wärmer wurden, räusperte sich.
 

„In der Kurzfassung: Nach einigem Hin und Her habt ihr euch alle wieder vertragen, selbst deine Eltern haben wieder zueinander gefunden. Ich hab nach dem Unfall bereits mehrmals versucht sie zu erreichen, aber mir wurde stets gesagt, dass sie sich momentan nicht in Japan befänden. Wahrscheinlich wandern sie gerade durch die Sahara oder segeln auf dem Amazonas.“
 

„Als ob.“, gab Taka nur schroff von sich.
 

„Nein, kein Witz! Ich weiß nicht wie und warum, aber deine Eltern haben über die letzten Jahre eine ganze Liste an Dingen gemacht, die sie schon immer machen wollten und jetzt wo sie sich beide zur Ruhe gesetzt haben und daher nochmal extra viel Zeit zur Verfügung steht für sie, haben sie sich wohl dazu entschlossen, diesen langjährigen Plan in die Tat umzusetzen.“ Taka konnte nicht anders, als während der gesamten Erläuterung seines Freundes breit zu grinsen. Es klang fast zu schön um wahr zu sein, dass seine Eltern sich wieder vertragen hatten und auch er mittlerweile ein gutes Verhältnis zu ihnen pflegte. Das war so ziemlich das Gegenteil von dem, an das sich der Sänger erinnern konnte.
 

Das Lied hatte mittlerweile geendet und Toru machte Anstalten sich von Taka zu lösen, als dieser seinen Griff um ihn verstärkte und mit großen, flehenden Augen zu ihm aufsah.
 

„Noch ein Lied, ja? Das ist gerade so entspannend und es macht Spaß.“ Ein wenig überrumpelt wirkte Toru dann doch, als Taka diese Bitte an ihn richtete, nickte aber schließlich. Er würde seinem Taka ohnehin nichts verweigern können. Noch bevor der Gitarrist zu einer Antwort ansetzen konnte, begann bereits das nächste Lied aus den Boxen zu tönen.
 

„So lange du möchtest, du sollst auf deinem Date schließlich eine gute Figur machen.“ Die Stimme des Jüngeren erklang geschmeidig in den Ohren des Sängers, sodass er ihn mit großen Augen musterte und sich sofort in denen des Blonden verlor. Zwar schmeckten die Worte bittersüß in Torus Mund, doch mit Taka in seinen Armen konnte er diese Gegebenheit akzeptieren. Wie in Trance, ließ sich Taka vom Größeren führen, legte dabei wieder seinen Kopf an die Schulter Torus, wobei ihm nur unterbewusst auffiel, wie viel einfacher sich das Tanzen auf diese Weise gestaltete.
 

Jetzt wo Taka die Schritte immer leichter fielen, wo sie so geschmeidig im Takt der Musik tanzten, fühlte er sich so schwerelos, so frei. So als würde er fliegen.
 

Langsam ließ der Lockenkopf die Lider bewusst schwerer werden, schloss seine Augen irgendwann gänzlich und ließ zu, wie vor seinem Geiste das Bild von ihm und Takeru entstand, wie sie auf dem kommenden Date miteinander tanzten.

Old New Life

Toru lag alleine im Wohnzimmer und zappte durch die Fernsehsender auf der Suche nach etwas, womit er sich die Zeit vertreiben könne, während Taka noch unterwegs war.
 

„Taka, das ist Blödsinn, selbstverständlich komme ich mit, du brauchst doch nicht alles alleine machen.“, hatte Toru gemeint.
 

„Nichts da, du bleibst daheim und ruhst dich aus! Außerdem ist es nur Einkaufen, da bist du erfahrungsgemäß sowieso keine große Hilfe. Wenn du unbedingt etwas erledigen möchtest, um dich nicht ganz nutzlos zu fühlen, kannst du schon mal anfangen die Wäsche zu machen.“, hatte Taka daraufhin entgegnet und da es ohnehin sinnlos war, sich mit dem kleinen Energiebündel auf eine Diskussion einzulassen, hatte Toru kleinbeigegeben und lag nun, produktiv wie eh und je, auf der Couch und sah einem Schuldenberater auf irgendeinem Privatsender dabei zu, wie er einer fünfköpfigen Familie aus der Patsche half. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, sofort alles zu erledigen, was im Haushalt noch zu erledigen war, um dem Älteren zu beweisen, dass er doch nicht ganz unnütz war, doch sobald der Lockenkopf aus der Tür raus war, überkam Toru eine solche Lustlosigkeit, dass er sich vor den Fernseher verkrümelt hatte, anstatt auch nur daran zu denken, sich der Wäsche, oder anderen grundlegenden Aufgaben im Haushalt zu widmen.

Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht, spürte, wie ihn dunkle Bartstoppeln in der Handfläche kratzen. Du lässt dich gehen, dachte er.
 

Toru spielte mit dem Gedanken einfach die Augen zu schließen und zu schlafen, Taka würde ihm das Nichtnachkommen seiner häuslichen Aufhaben sowieso verzeihen, vermutlich würde er ihm alles verzeihen in Anbetracht seines nicht zu übersehenden, miserablen Zustandes, als ihn das Klingeln seines Smartphones die Augen wieder aufschlagen ließ.

Der Blonde würde lügen, würde er behaupten, dass es ihm nichts ausmache aufzustehen, um ins Esszimmer zu gehen, wo er sein iPhone zuvor abgelegt hatte, jedoch war Toru irgendwo über jede Ablenkung dankbar, selbst wenn es nur sein Vertragspartner war, der ihn via SMS darüber informierte, dass sein Datenvolumen abgelaufen war.
 

Von: Ryota

Bin mit Tomoya in der Stadt und haben gerade Taka in Begleitung von Takeru getroffen. Bist du okay? Willst du reden?
 

Wenige Sekunden starrte Toru auf die schwarz geschriebenen Zeichen, atmete einige Male tief durch. Das war wirklich nicht die Art von Ablenkung, die er haben wollte. Im Gegenteil. Musste Takeru den Lockenkopf jetzt selbst beim Wocheneinkauf begleiten? Konnte Taka das nicht alleine machen? Wieso durfte Takeru ihn begleiten, aber er nicht? Weil der Brünette es auf die zweite Base geschafft hatte? Gratulation, meinen Glückwunsch.

Frustriert und gröber als nötig legte der Blonde das iPhone wieder auf der Tischplatte ab. Es beunruhigte ihn zu merken, dass sich die Gefühle in ihm in etwas anderes gewandelt hatten. Wo zuvor noch Trauer in ihm war, hatte sich nun ein Empfinden breit gemacht, welches Toru wohl als Eifersucht oder Wut betiteln konnte. Er mochte diese Seite an sich nicht, er wusste, dass weder Taka noch Takeru Schuld an der herrschenden Situation hatten und es daher auch nicht verdienten, dass Toru nun einen solchen Groll gegen sie hegte, jedoch war alles besser, als sich permanent im Bett zu verkriechen, um sich die Augen auszuheulen. Zumindest temporär.
 

An: Ryota

Ich bin so okay, wie ich aktuell sein kann. Gerade will ich lieber alleine sein, aber ich komme drauf zurück. Danke.
 

Seufzend fuhr sich Toru durchs Gesicht und spürte erneut die Stoppeln an seinen Wangen. Ein gebrochenes Herz rechtfertigte nicht die Vernachlässigung körperlicher Hygiene, beschloss er.
 

Die Dusche tat gut. Das erste Mal seit Tagen fühlte der Blonde sich wieder verhältnismäßig frisch und ausgeglichen. Die Augen, die ihn aus dem Spiegel heraus anblickten, sahen nicht mehr angeschwollen und gerötet aus und dank der Rasur entsprach Toru nun auch wieder äußerlich seinem Alter. Zwar hatte die Dusche seinen dunklen Haaransatz nicht wegzaubern können (er würde wohl oder übel in den kommenden Wochen wieder nachfärben müssen), jedoch verhalf sie ihm zu neuer Motivation, endlich das zu tun, worum Taka ihn gebeten hatte.

Leise The Catalyst summend, machte Toru sich daran in der Wohnung aufzuräumen, obgleich das eigentlich nur hieß, dass er seine eigenen Hinterlassenschaften wieder an den Ort brachte, an den sie ursprünglich gehörten. Mit Taka als Mitbewohner war herrschendes Chaos eigentlich so gut wie unmöglich, wofür Toru schon immer mehr als dankbar gewesen war, da man ihn nicht wirklich als eine ordnungsbewusste Person bezeichnen konnte.

Behutsam fuhr Toru mit dem Staubtuch über eine eingerahmte Collage, welche Taka einst aus ausgeschnittenen Bildern zusammengesetzt hatte. Die Diskussion, ob dieses eigenwillige Kunstwerk wirklich eine ihrer Wände würde zieren dürfen, hatte sich über Wochen gezogen und letztendlich hatte der kleine Lockenkopf nur gewonnen, weil Toru im Gegenzug seine Leoprint-Kissenbezüge behalten durfte.

Gedankenverloren sah sich Toru in der Wohnung um und begriff, wie chaotisch eingerichtet diese wohl auf Taka wirken musste. Er hatte ja keine Ahnung, welche Bedeutung hinter dem betreffenden Möbelstück lag und welche Vorgeschichte all das hatte, was sich in diesen paar Räumen über die Jahre ihrer Freundschaft und schließlich Beziehung angehäuft hatte. Schwer seufzend (er tat dies in letzter Zeit viel zu oft), legte der Gitarrist das Tuch beiseite, wo er doch die zurückkehrende Schwere in seiner Brust bemerkte, und ging ins Bad, wo sich der Wäschekorb noch immer nach seiner Aufmerksamkeit sehnte.
 

Das Radio in der Küche spielte Amy Winehouse und durch die Wand abgedämpft vernahm Toru den Text von Back To Black, während er Weiß- und Buntwäsche sortierte. Durch das Fenster schien die Sonne, die bereits hoch am Himmel stand, in den Raum und ließ die weißen Fliesen geradezu erleuchten, sodass sie den Gitarristen schon beinahe blendeten. Routiniert legte er die Kleidung in den entsprechenden Korb. Seit er und Taka zusammengezogen waren, war die Wäsche mitsamt Bügeln zu seiner Aufgabe geworden, da der Ältere sich im Gegenzug um ihre tägliche Ernährung kümmerte. Bittersüß schmeckte Toru die Erkenntnis, dass sie wenigstens das beibehalten hatten, wie seine Finger über den grauen Stoff eines Pullovers in seinem Schoß glitten. Er gehörte Taka. Die Tatsache, dass er damals der Auslöser des Kaufs gewesen war, derjenige, der Taka auf ihn aufmerksam gemacht hatte, weckte in Toru das Bedürfnis, das Kleidungsstück so schnell wie möglich in die hinterste Ecke des vor ihm aufgestellten Korbes zu stecken, doch er zögerte. Das Material unter seinen Fingern fühlte sich nicht fremd an, im Gegenteil, eher als hätte er es seither tagtäglich berührt. Es war kein besonderer Stoff, gewöhnliche Baumwolle, und doch war sich Toru sicher, er hätte ihn unter hundert anderen dem kleinen Lockenkopf zuordnen können.

Toru wusste, dass er eine Grenze überschreiten würde, als sich ein Gedanke in seinem Kopf formte und er wusste, dass es um ihn geschehen war, als er diesen in die Tat umsetzte und seine Nase in dem grauen Stoff vergrub.

Der Geruch des Rasierwassers war Toru viel zu vertraut, Taka benutzte es schließlich so gut wie jeden Tag, frisch wie Zitronengras und weckte Erinnerungen in ihm, die er sich eigentlich nicht mehr hatte bewusst machen wollen. Wahrscheinlich sollte es sich dafür schämen, die Nase in die getragenen Sachen seines Freundes zu stecken, doch er konnte sich nicht zurückhalten. All die Gerüche waren viel zu vertraut, erinnerten ihn an so viele Augenblicke der Zweisamkeit, als dass er sich selbst diese Gelegenheit hätte verweigern können.

Das Gefühl von Takas Haut unter seinen Lippen war mit einem Mal viel zu präsent, um es zu verdrängen, dem Geruch geschuldet, den er auch stets dann wahrgenommen hatte, wenn er seinen Kopf im Nacken des Sängers vergraben hatte, während sie süße Liebe machten. Taka würde seine Arme um seinen Hals geschlungen, vielleicht auch Halt suchend seine Finger in seine Oberarme gekrallt haben, hätte gespürt, wie sich Torus Muskeln dort regten, bei jeder Bewegung, jedem Stoß des Blonden, auf dem ein Keuchen, vielleicht ein Stöhnen folgte. Toru hätte ihn unterhalb seines Ohres geküsst, weil er wusste, wie empfindlich der Sänger dort war, hätte ihm süßes Wirrwarr in dieses geflüstert, bis Taka den Kopf zu ihm gedreht hätte, seinen Lippen mit den eigenen entgegengekommen wäre, ihn geküsst hätte, ohne Koordination, zu eigenommen von sich selbst, von dem, was Toru in ihm auslöste und Toru hätte jede Sekunde genossen, hätte Taka alles gegeben, hätte ihn unter sich seinen eigenen Namen vergessen lassen, hätte ihn unter jeder Berührung zu Wachs werden lassen, bis er nur noch ein einziges Nervenbündel gewesen und mit dem Namen des Blonden auf der Zunge gekommen wäre.

Toru war so eingenommen von seinen eigenen Gedanken, dass er nicht bemerkte, wie er damit begonnen hatte, sich selbst durch den dünnen Stoff seiner Jogginghose zu massieren und selbst als er sich dieser Tatsache bewusst wurde, war er bereits viel zu weit aufs Meer seiner Vorstellung herausgetrieben, als dass er hätte zurückkehren können. Das Überschreiten der imaginären Grenze war vergessen, jegliche moralischen Prinzipien waren über Bord geworfen, lediglich das Bild Takas hinter seinen verschlossenen Augen, die Erinnerungen an das Gefühl unter seinen Fingern, wann immer er den Älteren berührt hatte, so gegenwärtig als lägen sie erst Stunden in der Vergangenheit, lenkten Torus Denken und Handeln.

In seinen Ohren klang Takas Stimme, wie er seinen Namen flüsterte. Rau und atemlos, völlig dem hingegeben, was Toru ihm gab und Toru wurde heiß, spürte, wie warm seine Wangen wurden, wie wund und taub sich seine Lippe mittlerweile anfühlte, dadurch, dass er ununterbrochen auf sie biss. Der graue Stoff vor seinem Gesicht dämpfte sein Stöhnen, dämpfte Takas Namen, der hilflos über seine Lippen stolperte und von den Wänden widerhallte und Toru hätte sich schämen sollen, hätte sich schämen sollen, in der Abwesenheit seines Freundes unterdrückten Gelüsten nachzukommen, sich vergangenen Sex wieder präsent zu machen, obwohl Taka für ihn unerreichbar geworden war.
 

Toru unterdrückte sein Stöhnen nicht, als sich sein Körper anspannte und er in seinen Shorts kam. Takas Pullover fiel zu Boden, sowie er seinen Zweck erfüllt hatte und der Blonde lehnte sich atemlos gegen die Badewanne, wartete, bis sich sowohl sein Puls, als auch seine Atmung normalisiert hatten. Mit einem Mal war es ruhig im Bad, die Ekstase war vorübergezogen und die zähe, herrschende Einsamkeit machte sich wieder bemerkbar. Toru blinzelte einige Male, musterte seine Umgebung. Noch immer standen die Wäschekörbe vor ihm, gefüllt mit Kleidung, die er längst hätte in die Waschmaschine geben können. Die weißen Fliesen des Badezimmers leuchteten unter der in den Raum scheinenden Sonne und blendeten Toru, der an sich herabsah und sich nunmehr nicht nur körperlich dreckig fühlte, sondern auch auf einer viel tiefer gehenden Ebene. Der Stoff des grauen Pullovers unter seinen Fingern war weich und Toru spielte mit dem Gedanken, diesen einfach in den nächsten Müllcontainer zu schmeißen und am besten, dachte er, er spränge gleich hinterher.
 


 

Toru wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als er hörte, wie ein Schlüssel im Schloss der Wohnungstür umgedreht wurde und kurz darauf Schritte und raschelndes Plastik (vermutlich das Abstellen der Einkäufe) in der Wohnung zu vernehmen waren.
 

„Toru? Ich bin wieder da!“ Über den Rand seiner Brille spähte der Blonde in Richtung Flur, wo er vage die Umrisse der schwarzen Jacke des Älteren ausmachen konnte, sowie dieser sich seine Schuhe auszog. Das graue MacBook summte leise auf dem Tisch vor Toru, wo dieser sich daran gesetzt hatte, Mails zu beantworten, die er schon viel zu lange ignoriert hatte. Das Gute am Leben eines Künstlers war es, dass man sich seine Arbeitszeiten praktisch selbst einteilen konnte, sowie keine Touren oder Pressetermine anstanden, jedoch verlangte das Management, ebenso wie diverse weitere ihrer Vorgesetzten zumindest Auskunft darüber, wann wohl wieder damit gerechnet werden konnte, dass Geld in die Kassen gespielt würde. Bisher hatte Toru den Unfall und sein Traumata (welches man ihm seitens ihres Labels zugeschrieben hatte) als Vorwand dafür genutzt, derartigen organisatorischen Dingen aus dem Weg zu gehen, aber dass er sich früher oder später allerdings an eine Erklärung hatte setzen müssen, war abzusehen gewesen.
 

„Bin im Esszimmer.“, antwortete Toru und sah wieder auf den Display seines Laptops auf dem noch diverse Nachrichten beantwortet werden wollten. Unter anderem eine Mail des Vermieters von Takas alter Wohnung. Die Vorstellung an eben diese, beziehungsweise für welches Opfer Taka sie damals verlassen hatte, löste in Toru ein Unwohlsein aus und so scrollte er lieber weiter. Morgen war auch noch ein Tag an dem er eine Antwort verfassen konnte.

Ein angestrengtes Stöhnen ließ ihn abermals aufblicken und er beobachtete Taka, wie er diverse Tüten auf den Arbeitsflächen der Küche abstellte.

„Du hättest mich um Hilfe bitten können.“
 

„Quatsch.“ Sofort winkte Taka ab und begann die Einkäufe in die entsprechenden Schränke zu räumen. Kurz beobachtete der Gitarrist ihn dabei, wandte seinen Blick dann aber wieder ab. Eine leise Stimme wisperte Toru, dass er eine Konversation beginnen sollte, Taka fragen sollte, wie sein Tag war, ob er jemanden getroffen hat (obwohl Toru wirklich nicht an Takeru erinnert werden wollte), vielleicht sogar Fragmente von Erinnerungen zurück gekommen waren (was Toru beim besten Willen nicht glaubte), doch eine andere, lautere, erinnerte ihn an das, was einige Stunden zuvor in der verlassenen Wohnung geschehen war und des noch immer vorhandenen Scharmes wegen starrte Toru weiter starr in seinen E-Mail-Eingang, als läge dort die Antwort auf all seine Fragen.
 

„Du hast aufgeräumt.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, die der Lockenkopf da äußerte und Toru konnte nicht ausmachen, ob er dies wirklich nur als Anmerkung meinte, oder ob es seinerseits ein schlechter Versuch für den Beginn einer Unterhaltung war.
 

„Ja.“, antwortete der Blonde knapp. Stille folgte seinen Worten. Falls es wirklich Takas Intention gewesen war, ein Gespräch anzufangen, hatte Toru spätestens jetzt die Nadel ganz tief in den Ballon gebohrt. Der Sänger seufzte und aus dem Augenwinkel beobachtete Toru, wie Taka sich mit der Hand durch die Haare fuhr, einen feinen Schweißfilm im Nacken. Er schluckte. Räusperte sich.

„Ja, du hattest mich ja drum gebeten. Es fühlt sich nicht richtig an, dich ständig alles aufräumen zu lassen, wo ich es doch bin, der das meiste rumliegen lässt.“
 

„Stimmt.“ Leiste kicherte Taka, doch es hörte sich gekünstelt an. Was auch immer passiert war, es hing in der Luft zwischen ihnen, saß wie ein ungebetener Gast neben Toru am Tisch. Die fröhliche, leichte Stimmung vom Morgen war dahin, was jedoch vorauszusehen war. Es überraschte Toru schon gar nicht mehr.
 

Toru wollte fragen, wie es in der Stadt gewesen war, ob Taka jemanden getroffen hatte. Teils weil er den Kleinen unbedingt erzählen hören wollte, teils weil er wissen wollte, ob er ihm die Wahrheit sagte, würde er auf Takerus Begleitung angesprochen werden. Sein Verhalten war lächerlich, Taka war ein erwachsener Mann und konnte selbst bestimmen mit wem er seine Zeit verbrachte, das wusste Toru. Resigniert seufzend setzte er seine Brille ab und wollte dem Bedürfnis gerade nachgeben, als Taka zu seiner Überraschung selbst zu sprechen begann.
 

„Ich hab Takeru getroffen.“
 

„Oh.“
 

„Ja.“ Die Stille war geradezu erdrückend und Toru fühlte sich, als würde man ihm die Luft abschnüren, als er gegen diese ankämpfte.
 

„Seid ihr zusammen…einkaufen gegangen oder so?“ Taka nickte.
 

„Ja, sind wir. Er hatte mich zuerst zu sich nach Hause eingeladen, aber als ich sagte, dass ich da heute leider keine Zeit hätte, hat er darauf bestanden mich wenigstens beim Einkaufen zu begleiten.“ Takas Mund umspielte ein feines Lächeln und Toru schüttelte das Bedürfnis ab, ihm dieses, mit was für einer Aussage auch immer, zu nehmen. Pärchenzeit, dachte er in einem so missbilligen Ton, dass Toru sich selbst erschrak. Was Takeru sich darunter vorgestellt hatte, Taka zu sich nach Hause einzuladen, konnte Toru sich denken und so war es beinahe eine Genugtuung zu sehen, dass der Lockenkopf hier bei ihm war und nicht bei seinem Freund. Auf dem Karma-O-Meter dürfte er mittlerweile die Stufe „Arschloch“ erreicht haben, doch das scherte den Gitarristen nicht im Geringsten.
 

„Aha. Und? Hattet ihr Spaß?“ Wie sarkastisch die Frage geklungen hatte, wurde Toru erst bewusst, als der Ältere verwirrt die Augenbrauen zusammenzog. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden.
 

„Spaß?“ Die Dose mit eingelegten Tomaten wurde etwas unsanft auf den Tresen abgestellt. „Toru, ich war lediglich einkaufen. Es war kein Date.“ Taka klang bissig und auch wenn Toru es besser wusste, auch wenn er wusste, dass er sich einfach entschuldigen sollte, entgegnete er seinem Freund ebenso schnippisch.
 

„Danach hab ich überhaupt nicht gefragt?“ Toru sah, wie Takas Finger zuckten. Ob vor Wut, oder wegen etwas anderem, wusste er nicht. „Ich hab lediglich gefragt, ob du einen netten Tag hattest. Ist doch schön, wenn man seinen Freund trifft, sollte dich doch eigentlich glücklich machen.“
 

„Ja, hat es auch, es war schön Zeit mit ihm zu verbringen, das täte ich gerne öfter.“ Taka hatte wieder angefangen Konserven und Tüten zu verstauen, wandte Toru den Rücken zu. Ja? Oh wie schön, vielleicht solltest du dann gar nicht hier sein, sondern bei ihm? Dich zwingt keiner Zeit mit mir zu verbringen, nur dass du’s weißt. Als wäre die Intensität, mit der der Jüngere zwischen die Schulterblätter des anderen starrte die Voraussetzung dafür, dass Taka seine Gedanken hören konnte, sah er dem Sänger beim Einräumen zu. Das schwarze Oberteil, welches Taka trug, umspielte seine Arme und seinen Oberkörper lächerlich schmeichelhaft und vielleicht sollte Toru ihm einfach aufzählen, wann, wo und zu welchen Gelegenheiten er ihm dieses bereits vom Leib gerissen hatte. Genervt presste der Blonde sich seine Handballen auf die Augen, bis er Sterne sah.
 

„Ich hab auch Tomoya und Ryota getroffen.“ Eigentlich wollte Toru die Hände von den Augen nehmen und Taka allein schon der Höflichkeit wegen anblicken, doch er blieb starr sitzen, wog ab, ob er dem Älteren offenbaren sollte, dass er darüber bereits dank ihres Bassisten in Kenntnis gesetzt worden war, entschied sich jedoch dagegen. Womöglich würde Taka fragen, wieso Toru über sowas benachrichtigt wurde, oder annehmen, man spioniere ihm im Auftrag des Blonden hinterher.
 

„Tatsächlich? Wo?“
 

„Im Nudelhaus. Sie sind gerade reingekommen, als wir gehen wollten.“ Oh, da wurde jemand zum Essen eingeladen.
 

„Also habt ihr euch gar nicht groß unterhalten?“
 

„War nicht nötig.“ Toru war nie sonderlich gut darin gewesen, zwischen den Zeilen zu lesen und so sah er auf, in der Hoffnung, Taka würde ihm den Subtext erläutern. „Den Blick den wir geerntet haben sprach Bände.“
 

„Den Blick den…?“ Kurz verstand der Blonde nicht, doch dann ging ihm eine imaginäre Glühlampe auf, die über seinem Kopf leuchtete. „Taka, das ist Blödsinn.“
 

„Ja? Du hättest sehen sollen, wie sie uns angeguckt haben, das war kein Blödsinn. Und erst recht keine Einbildung.“ Taka war mit Einräumen fertig und fuhr sich abermals durch die wilden Locken, ging zur Kaffeemaschine und drückte die Taste für doppelten Espresso.
 

Selbstverständlich hatte Toru, sowie er von den Neuigkeiten erfahren hatte, Ryota und Tomoya über Takas neuen Beziehungsstand informiert, worauf die beiden alles andere als begeistert reagiert hatten, jedoch nicht aus den Gründen, die der Sänger sich gerade zusammenreimte. Taka und Toru als Paar waren für das Duo so natürlich geworden wie die Luft zum Atmen und dass sie irgendwann heiraten und in ein eigenes Heim ziehen würden, stets eine Selbstverständlichkeit gewesen, daher konnte der Blonde es nachvollziehen, wenn die zwei so reagierten, wenn die Hand des Sängers vor ihren Augen in der eines Mannes, der nicht Toru war, lag. Allerdings hatte sich der Blonde etwas mehr Diskretion gewünscht.
 

„Taka, ich bin mir absolut sicher, dass du das falsch interpretierst, wir reden hier immerhin von Ryota und Tomoya.“
 

„Freundschaften gingen schon wegen viel Banalerem auseinander.“ Offensichtlich resigniert blies Taka auf die schwarze Flüssigkeit in der kleinen Tasse, ehe er vorsichtig daran nippte.
 

„Freundschaften gehen…was? Bei aller Liebe, ich glaube du übertreibst ein wenig. Die zwei sind wahrscheinlich einfach nur überrascht zu sehen, dass du jemanden…datest.“ Das letzte Wort brachte der Blonde nur mit Mühe über seine Lippen, es schmeckte noch immer so unendlich sauer, dass er am liebsten die Mundwinkel verzog.
 

„Ja, einen Mann.“ Toru seufze tonlos und sah dem Älteren dabei zu, wie er schweigsam seinen Kaffee trank. In ihm wuchs das Bedürfnis nach einer Zigarette, oder zwei. Vielleicht auch direkt die ganze Schachtel, die Stimmung in der Wohnung war kaum auszuhalten. Erschöpft klappte Toru sein MacBook zu und stand auf. Sein Blick wanderte zu Taka, doch der blickte auf das Smartphone in seiner Hand, schien jemandem zu texten, was Toru daran erinnerte, dass er seinen zwei Bandkollegen definitiv schreiben sollte, was sie angerichtet hatten und dass sie das gefälligst wieder gerade zu biegen hatten. Es reichte, wenn sich Taka von ihm distanzierte, Ryota und Tomoya sollte nicht dasselbe wiederfahren.
 

„Ich hab übrigens die Wäsche gemacht.“, merkte er an, woraufhin Taka nur anerkennend nickte. Ein wenig enttäuscht von der halbherzigen Reaktion des Älteren räumte der Blonde ein paar Order zurück ins Regal und sah auf, als er meinte, die Stimme Takas vernommen zu haben.
 

„Wie bitte?“
 

„Ich fragte, wann wir den restlichen Kram aus meiner Wohnung holen.“
 


 

Toru konnte nicht sagen, wann genau die Stimmung zwischen ihm und Taka begonnen hatte zu kippen. Die Veränderung der Dynamik zwischen ihnen war schleichend, wie ein dritter Mitbewohner, den man zwar nie zu Gesicht bekam, der sich aber merklich immer mehr in der Wohnung ausbreitete. Es begann mit Kleinigkeiten, dass Taka Dinge beim Einkauf vergaß, um die Toru gebeten hatte. Manchmal antwortete er nicht auf Torus Nachrichten, wenn er fragte, wo er denn bliebe, um am nächsten Morgen die Nachricht zu bekommen, dass der Sänger die Nacht bei Takeru verbracht hatte. Es gab Tage, an denen sahen sie sich überhaupt nicht, wenn Toru aus dem Haus musste, bevor Taka von Takeru zurückkam und heimkehrte, als er bereits wieder bei diesem war. Vielleicht war die Renovierung des bislang leer stehenden Raumes der Indikator für die kippende Stimmung gewesen. Regale voll mit vergessenen Unterlagen, diverse Taschen und Koffer und ein Bügelbrett hatten den Möbeln, die ihren Weg aus Takas Wohnung in Torus fanden, weichen müssen, die die Mauer zwischen ihnen von einer Metapher zur Realität werden ließen. Taka hatte jetzt ein eigenes Zimmer, in welchem er an manchen Tagen von morgens bis abends saß. Manchmal spielte er Klavier und Toru hörte aus seinem eigenen Schlafzimmer heraus zu. Lag nur auf dem Bett, starrte an die Decke und stellte sich vor, wie Takas schlanke Finger über die weißen Tasten tanzten, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Manchmal hörte Toru überhaupt nichts von nebenan, nicht mal, wenn er sein Ohr an die Tür lehnte und lauschte und mit dem Gedanken spielte, einfach anzuklopfen, um zu sehen, womit der Ältere seine Zeit verbrachte. Doch er hatte nichts zu sagen. Irgendwann erstellten sie, jeder für sich, eigene Einkaufslisten, wuschen ihre Wäsche selber, kochten ihre eigenen Mahlzeiten, organisierten das eigene Leben unabhängig von dem des anderen. Manchmal kam Toru nach Hause und fand Taka und Takeru aneinander gekuschelt auf dem Sofa vor, wie sie Star Wars oder ähnliche Science Fiction Filme schauten und es schmerzte zu sehen, wie passioniert sie über die Charaktere diskutierten, weil Toru wusste, dass Taka dies mit ihm nie hatte tun können und er bereute sein Desinteresse, wünschte, er hätte dem Sänger damals zugehört, wann immer er, wild mit den Armen gestikulierend, einen Familienstammbaum, oder die hierarchischen Strukturen von irgendwas erklärt hatte und anschließend die Unterlippe vorschob, sowie Toru ihn nur mit hochgezogener Augenbraue beobachtet hatte. An solchen Abenden verkroch sich Toru in den meisten Fällen, ohne überhaupt zu grüßen, in sein Zimmer, lehnte aus dem Fenster und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Für Taka hatte er das Rauchen damals aufgegeben und jetzt ohne Taka hatte er wieder damit angefangen, es war also ein fairer Austausch. Toru erwischte sich oft dabei, den ungebetenen Dauergast in ihrer Wohnung, den, den sie nie sahen, der der Grund für die Veränderung zwischen ihnen war, Takeru zu nennen. Das personifizierte Böse, welches wie Gift in den Adern des Sängers floss. Über die Zeit hatte Toru den Wandel der Gefühle in sich mitverfolgen können. Wo zu Anfang Trauer und Verzweiflung in seiner Brust gesessen hatten, empfand er nun Missgunst und Hass, wann immer er Takeru und Taka sah. Er erwischte sich mehr als nur einmal dabei, Taka mit einen zynischen Kommentar zu entgegnen, wenn dieser Takeru irgendwie erwähnte und anstatt sich schlecht zu fühlen und sich zu entschuldigen, empfand der Gitarrist lediglich blanke Gleichgültigkeit. Trockener Sarkasmus war Torus Rettungsring geworden. Die Zeit verging. Aus Tagen wurden Wochen und aus Wochen schließlich Monate. Bunte Blätter fielen zu Boden, ließen kahle Äste zurück, die schließlich von weißen Flocken bedeckt wurden. Toru hatte wieder angefangen Leute zu sehen, auf Dates zu gehen, doch niemand, ob Mann oder Frau, schaffte es, von ihm nach Hause eingeladen zu werden. Irgendein Merkmal würde ihn immer an Taka erinnern, sei es eine ähnliche Haarfarbe, ein Muttermal, welches zufällig an der gleichen Stelle saß, oder ein Lieblingsmusiker, der sich auch in Takas Repertoire befand. Manchmal war Toru betrunken genug, um über vorhandene Ähnlichkeiten hinwegzusehen, in den meisten Fällen jedoch kehrte er mit einer Nummer mehr in seinen Kontakten (die er nie anrufen würde) in seine Wohnung zurück und warf sich dort auf sein Bett, welches für eine Person viel zu groß war. Taka hatte angefangen Songs zu schreiben und zu verkaufen, was Torus Meinung nach verschwendetes Talent war, wenn er abends dem zuhörte, was der Ältere im Zimmer nebenan tat, doch es brachte gutes Geld ein, zumindest mehr, als der Job, den Toru bei einem Sounddesigner angenommen hatte. Oft spielte er mit dem Gedanken zurück nach Osaka zu ziehen, sein altes Leben in Tokio hinter sich zu lassen und neu anzufangen, fernab von all den Dingen, die ihm Tag für Tag zusetzten. Doch er wusste besser als jeder andere, dass dies in der Praxis niemals funktionieren würde. Weihnachten und Neujahr krochen vorbei und Toru bekam Taka an beiden Feiertagen nicht einmal zu Gesicht. Der dritte Mitbewohner war allgegenwärtiger denn je und irgendwann wusste Toru, dass seine Konstanz gewonnen hatte. Das einzige, was von ihm und Taka übrig geblieben war, waren Erinnerungen.

Escape

„Sind das Erdbeeren?“, fragte Toru und blickte interessiert zur Seite, wo Taka auf dem Beifahrersitz neben ihm saß. Das Armaturenbrett glänzte noch so sauber, als sei der Wagen gerade erst gekauft worden, was so nicht ganz richtig war. Der eigentliche Kauf lag bereits einige Wochen zurück (Toru hatte es längst möglich aufgeschoben, sich ein neues Auto zu kaufen), jedoch boten die öffentlichen Verkehrsmittel in Tokio eine so praktische Alternative, dass weder er, noch Taka (der ja sowieso keinen Führerschein besaß) bisher wirklich auf das Auto angewiesen gewesen waren. Demnach roch es in dem schwarze BMW also noch immer so, als sei dieser gerade frisch vom Laufband gekommen.
 

„Oh ja, und Schokoraspeln.“, erklärte Taka und obwohl Toru längst wieder vor sich auf die Straße blickte, war das stolze Grinsen aus der Stimme des Älteren deutlich herauszuhören. „Das würdest du alles wissen, hättest du mir geholfen.“
 

„Der Plan war, dass der Kuchen appetitlich aussieht, erinnerst du dich?“ Daraufhin lachte Taka kurz auf, ehe Toru weitersprach. „Aber ehrlich, der sieht großartig aus, Masato wird sich riesig freuen.“
 

„Das hoffe ich!“ Eine der wenigen Gelegenheiten, zu welchen Torus Auto tatsächlich genutzt wurde, war es, wenn irgendeine Veranstaltung anstand und am nächsten Tag unabhängig von öffentlichen Verkehrsmitteln entschieden werden wollte, wann man den Nachhauseweg antrat. Eine solche Gelegenheit stellte jetzt die nachträgliche Geburtstagsfeier des coldrain Sängers dar, der ja eigentlich bereits im Dezember ein Jahr älter geworden war. Ob Dezember oder Januar machte unterm Strich aber auch keinen großen Unterschied, zumindest was die Party anging, da die meisten froh waren, dass überhaupt eine stattfand.

Darüber hinaus war die Party eine der wenigen Gelegenheiten, zu welchen Toru und Taka gemeinsam antraten. Es herrschte kein Streit, man grüßte einander und hielt Smalltalk, aber am Ende des Tages lebte man doch irgendwie aneinander vorbei, ohne zu wissen, was den anderen in letzter Zeit wirklich bewegt hatte. Es tat weh, eigentlich schmerzte es höllisch, aber Toru hatte gelernt sich mit der Situation zu arrangieren, indem er Taka und Takeru einfach möglichst aus dem Weg ging und sich stattdessen mit Arbeit ablenkte, denn eines hatte er die vergangenen Monate verstanden: Egal was passierte und egal was er tat, Toru würde niemals aufhören können, Taka zu lieben. Zumindest nicht in absehbarer Zeit. Vielleicht auch überhaupt nicht.
 

„Hey, ich bin’s.“ Toru unterdrückte ein Seufzen, sowie er verstand, dass Taka nicht mit ihm sprach, sondern gerade seinen Freund angerufen hatte. „Ja, wir sind auf dem Weg, die Vorbereitungen haben doch etwas gedauert…Ja, denke ich auch…Keine Ahnung, dauert aber nicht mehr lange.“ Wenn Toru das die Tage zuvor richtig verstanden hatte, so würde Taka irgendwann nachts mit Takeru zu ihm nach Hause fahren, wohingegen er direkt bei Masato übernachtete, was Taka rein theoretisch auch hätte machen können, aber da wollte wohl jemand Zeit miteinander verbringen. Toru rollte die Augen, Taka war ohnehin abgelenkt. „Nein, versprochen, nicht allzu spät…Ja genau, alles klar…Okay, bis gleich!“ Ein kleines Stoßgebet sandte Toru dann doch an die Götter, da „Ich liebe dich“ oder ähnliches in seiner Anwesenheit nicht gefallen war. Zumindest noch nicht, denn Takeru würde heute Nacht auch auf besagter Party anwesend sein und Toru setzte sein gesamtes Hab und Gut darauf, dass er von ihm und Taka heute noch mehr sehen würde, als ihm lieb war.
 

„Und? Ist er schon da?“, fragte er aus reiner Höflichkeit, da ihm eigentlich nichts gleichgültiger sein könnte, als der Zeitpunkt seines nächsten Aufeinandertreffens mit dem Freund seines Mitbewohners.

„Jap. Er wartet auf uns.“ Wie liebreizend, dachte er.

Es gab Momente, da schämte sich Toru dafür, was für eine Abneigung er gegen Takeru entwickelt hatte, aber am Ende war Missgunst immer noch besser, als wenn er sich, stundenlang die Augen ausheulend, in seinem Bett verkroch. Die Hoffnung, die Tatsache irgendwann akzeptieren zu können, dass der Ältere dabei war, sich ein neues Leben ohne ihn aufzubauen, hatte er lange aufgegeben. Hass war gut, dadurch spürte er wenigstens überhaupt noch was.
 

„Ich wünschte, ich könnte mich an all das erinnern, was Masato erzählt hat, echt jetzt.“, seufzte Taka und Toru warf ihm einen kurzen Blick zu. Vor einigen Wochen hatte sich der blonde Sänger mit Taka getroffen, nachdem er über Bekannte von seinem Unfall erfahren hatte. Die ganze Affäre konnte erstaunlicherweise erfolgreich vor der Öffentlichkeit geheim gehalten werden und so publizierte auch keine einzige Zeitung, dass ONE OK ROCKs Sänger seit jenem Unfall an Amnesie litt. Wieviel Geld wirklich an die Reporter geflossen war, die in jener Nacht am Unfallort anwesend gewesen waren, wollte sich Toru gar nicht ausmalen.

Obgleich Masato ein enger Freund von ihnen war, hatte er nicht zum kleinen Kreis gehört, der von ihrer Beziehung gewusst hatte und so war das Gespräch, welches er, Toru und Taka an dem Nachmittag geführt hatten auch frei von potentiellen Fallen gewesen.
 

„Verständlich.“ Rückblickend glaubte Toru, dass es fast ausschließlich Masato gewesen war, der dort in ihrem Wohnzimmer geredet hatte, während Taka ihm wie gebannt an den Lippen gehangen hatte. Dieser war wahrscheinlich mehr als froh gewesen, endlich jemandem begegnet zu sein, der völlig von sich aus einzelne Puzzlestücke in seinem Kopf wieder zusammensetzte.
 

Es hatte sich viel getan über die letzten Wochen, eigentlich sogar Monate. Taka bekam keine Panikattacken mehr, er beherrschte mittlerweile Techniken sich selbst zu beruhigen, bevor es soweit kommen konnte und auch die meisten seiner Ängste hatte er ablegen können und ob Toru der Gedanke gefiel oder nicht, so war ein großer Teil dieses Fortschritts wohl Takeru zuzuschreiben. Auch hatte Taka sein Talent in der Küche stückweise wiedererlangt (sehr zu Tomoyas Freude) sowie viele neue Gesichter kennengelernt. „Neu“ war in diesem Sinne als „neu für Taka“ zu verstehen, da die meisten von ihnen alte Bekannte der Band waren. In diesen Kreis fiel auch Masato. Taka hatte jetzt einen Job, ein sicheres Umfeld und war in einer Beziehung und es war offensichtlich, dass er mittlerweile wieder mit beiden Beinen im Leben stand und nicht mehr länger von seiner Amnesie beeinträchtigt wurde. Und obwohl Toru alle gegebenen Umstände missfielen, obwohl das Wissen, unter welchen Einflüssen Taka an diesen Punkt gelangt war, überaus schmerzhaft war, so war er doch glücklich, seinen Sänger wieder so zu sehen. Schließlich liebte er ihn noch immer.
 

„Im Kühlschrank steht übrigens noch Auflauf, falls du morgen ein fettiges Kateressen brauchst.“ Toru schmunzelte auf die Worte des Älteren hin.

„Es war ehrlich gesagt nicht der Plan, mich abzuschießen, aber danke dir.“

„Oh mein Gott, sieht der lecker aus!“ Masato strahlte bis über beide Ohren, als er Taka und Toru die Tür aufgemacht und Taka ihm unverzüglich mit einem „Happy belated birthday!“ den Kuchen unter die Nase gehalten hatte. Schon auf dem Vorhof war die laute Musik aus dem Haus zu vernehmen und Toru war froh, dass der Halbamerikaner keine direkten Nachbarn hatte, da die Party wohl andernfalls ein jähes Ende finden würde. „Hast du den gemacht?“ Sein Bier unbekümmert auf dem gefliesten Boden im Flur abstellend, nahm Masato den Kuchen entgegen und bestaunte die schnörkelige Aufschrift.
 

„Toru wird’s wohl kaum gewesen sein.“, antwortete Taka und hätte er damit nicht zu 100% Recht, so wäre Toru jetzt vermutlich eingeschnappt gewesen. So aber schob er sich an dem Sänger vorbei in Masatos Haus, nachdem dieser beiseitegetreten war. Masato war bekannt für seine Hausparties, allerdings war es bereits einige Zeit her, dass er das letzte Mal eine gefeiert hatte und der Anzahl der sich im Treppenhaus drängelnden Menschen nach zu urteilen, ging Toru davon aus, dass sich die Summe der Bekannten des Sängers in dieser Zeitspanne wohl mindestens verdreifacht hatte.
 

„Ach du scheiße, von wem ist der denn?“ Sich durch die Menge kämpfend, hatte Ryo, coldrains Bassist, sie erreicht und blickte Masato nun über die Schulter. Der schwarze Beanie saß bereits mehr als schief auf seinem Kopf und Toru fragte sich unweigerlich, wie viel Bier der Mann wohl schon gehabt hatte, es war schließlich gerade mal 23:00 Uhr.

„Von Taka.“, antwortete Masato ihm etwas verspätet und winkte in Richtung Taka, der seine Jacke neben Torus an die Garderobe hängte.

„Kein Scheiß?!“

„Uhm, ja. Also nein, kein Scheiß, der ist von mir.“ Würde Toru es nicht besser wissen, so würde er fast behaupten, dass das wilde Erscheinungsbild des Bassisten Taka ein Stückweit einschüchterte. Irgendwo verständlich, Ryo war ihm seit dem Unfall vielleicht höchsten dreimal kurz begegnet und mit all den Tattoos und Piercings mochte er im ersten Moment wirklich etwas bedrohlich wirken. Doch wirklich nur im ersten Moment. „Kraaaass, wann schneiden wir den an?“

„Finger weg!“, mahnte Masato und schob Ryo beiseite, der den Kuchen wohl, seinem Blick nach zu urteilen, am liebsten an Ort und Stelle mit den Fingern gegessen hätte. „Das machen wir später, jetzt gerade ist hier zu viel los, da würde der womöglich noch kaputt gehen.“

„Kannst ihn auch morgen essen oder so.“, lächelte Taka und machte ein paar Leuten Platz, die an ihm vorbei nach draußen wollten, um eine zu rauchen. Keines der Gesichter kam Toru bekannt vor.

„Oh nein, der wird heute noch angeschnitten! Oder zumindest im Laufe der Party, das Heute ist ja nicht mehr lang.“ Masato strahlte noch immer wie ein Honigkuchenpferd und musterte einmal mehr die braune Schokoladenglasur mit den vielen Erdbeeren. „Vielen Dank, Taka, ehrlich!“
 

„Hey! Da seid ihr ja endlich!“ Mit jeweils einem weißen Plastikbecher in jeder Hand steuerte Ryota auf sie zu und drückte Toru einen von diesen in die Hand, noch ehe er überhaupt zum Stillstand kam. „Gin Tonic mit Himbeere, mein Freund!“, lachte er, legte seinem Freund einen Arm um die Schulter und stieß mit seinem Becher so heftig an den des anderen, dass der halbe Inhalt des rosanen Getränks auf dem Boden verteilt wurde.
 

„Alter, wie viel hattest du schon?“, murmelte Toru, leerte aber den Rest seines Getränkes ohne weitere Umschweife, da er bereits sagen konnte, dass dies eine lange Nacht würde.

Laut lachte Ryo und hob seine Flasche Bier in die Luft. „Er ist mein Trinkpartner für die Nacht!“
 

„Dann will ich lieber ganz weit weg sein von euch.“ Sich aus dem Griff Ryotas befreiend, bekam Toru gerade noch rechtzeitig mit, wie eine weitere bekannte Person um die Ecke bog und es im Flur merklich immer enger wurde.

„‚Dauer aber nicht mehr lange‘, sagte er vor einer halben Stunde.“ Toru unterdrückte ein Seufzen, sowie Takeru sich zwischen Ryota und ihn stellte. Er trug seine Haare im Nacken in einem Zopf und sah im generellen Erscheinungsbild mindestens doppelt so frisch aus wie Toru, geradezu das sprühende Leben. Das lag wahrscheinlich daran, dass er die Nacht nüchtern bleiben würde.
 

„Toru hat sich verfahren.“
 

„Uh, stopp! Halt! Das lag daran, dass du mir den falschen Weg gesagt hast!“, verteidigte sich dieser prompt und musste schon im nächsten Moment Ryota davon abhalten, ihm ein weiteres Getränk in die Hand zu drücken.

Es war schon einige Zeit her, dass Toru das letzte Mal bei Masato gewesen war und Taka hatte überaus überzeugend gewirkt mit der Karte in der Hand, sodass er seinen Anweisungen einfach Folge geleistet hatte, bis sie irgendwann bemerkt hatten, dass sie im Kreis gefahren waren.

„Selbst schuld, was vertraust du auch jemandem mit Amnesie.“ „Wisst ihr was,“, unterbrach Masato ihre Debatte. „Ich bringe den Kuchen in die Küche und dann kommt ihr erstmal mit rein und wir stoßen richtig an.“
 

Auf dem Weg zurück zum Sofa wurde Toru circa ein dutzend Mal von irgendwelchen Personen angesprochen, die meinten ihn zu kennen, wohingegen er nur die wenigsten Gesichter irgendeinem Namen zuordnen konnte. Die Lichter waren gedimmt und der Großteil der hier versammelten Menschen war bereits ordentlich angetrunken, für sie hätte er sonst wer sein können. Noch häufiger wurde er jedoch auf den paar Metern angerempelt, sodass er seinen Becher hochhalten und sein Bestes geben musste, sein Getränk nicht zu verschütten, als er sich seinen Weg durch die Menge suchte.

„Wenn du wüsstest mit was für Leibeskräften ich deinen Platz hier verteidigen musste.“, merkte Tomoya an, als sich Toru wieder neben ihm niederließ. Seit ungefähr einer Stunde besetzten sie nunmehr gemeinsam mit zwei weiteren Personen, die Toru nicht kannte, das große Sofa in Masatos Wohnzimmer. Toru und Tomoya gehörten eher der ruhigen Sorte Partygängern an, sodass sie dem Getümmel um sie herum zwar gerne zusahen, aber nicht zwangsläufig das Bedürfnis verspürten mitzutanzen. Toru war dem Lärm mittlerweile schon so lange ausgesetzt gewesen, dass er einen penetranten Tinnitus bemerkte, wann immer er auf die Terrasse trat, um sich eine Zigarette anzuzünden und er wollte gar nicht wissen, wie oft er an diesem Abend bereits Menschen deswegen unnötig angebrüllt hatte.
 

„Ich schätze dir das hoch an.“ Toru sah sich im Raum um, nachdem er mit Tomoya angestoßen hatte. Ryo und Ryota waren bereits einige Minuten nachdem Masato sie einigen Leuten vorgestellt hatte wieder verschwunden und auch coldrains Sänger selbst hatte sich vor einiger Zeit wieder aufgemacht, um nach den anderen Gästen zu schauen.

„Wo sind unsere Turteltäubchen?“ Der bittere Ton in Torus Stimme machte sich bemerkbar, was wohl am Alkohol lag. Wer auch immer für die Mischen verantwortlich war, der Person sollte ein Orden verliehen werden.
 

„Wollten tanzen gehen.“, antwortete Tomoya und nippte an seiner Flasche. „Wie geht es dir damit mittlerweile?“ Toru unterdrückte ein Stöhnen, da er hier und jetzt wirklich nicht in der Stimmung war, über seine Gefühle bezüglich Takas Beziehung zu reden. Sicherlich behauptete er stets, dass er glücklich für den Älteren sei, doch jeder, der Augen im Kopf hatte, sah, dass es ihm damit gar miserabel ging. Also nein, es ging ihm damit nicht gut. „Ganz okay.“ Tat es nicht wirklich, aber damit war das Thema für sie, zumindest für den Moment, vom Tisch.
 

„Haben sich Takas Eltern eigentlich schon mal wieder gemeldet?“
 

„Nein, die sind noch auf Weltreise.“ Wenn es nach Toru ging, so könnte das Paar Moriuchi auch noch einige Monate länger in der Weltgeschichte herumreisen, denn ihnen zu erklären, warum die Hochzeit, von der besonders Takas Mutter bereits seit Jahren schwärmte, nun doch nicht geplant werden müsse, war keine Aufgabe, der sich Toru gewachsen fühlte. Zumindest noch nicht. Dass er seinen nunmehr Ex-Schwiegereltern in spe mit derartigen Themen im Hinterkopf das nächste Mal gegenübertreten würde, war auch definitiv nichts, worüber er abends im Bett nachdachte.

„Ah, achso. Naja, dann können zumindest die Konflikte hier unabhängig von äußeren Einflüssen gelöst werden.“ Fast unabhängig von äußeren Einflüssen, denn wie auf Stichwort betraten Taka und Takeru die Tanzfläche und das auch noch perfekt in Torus Sichtfeld. Taka hatte sein Hemd irgendwann im Laufe des Abends um die Hüften gebunden und bewegte sich jetzt in schwarzem T-Shirt und schwarzer Skinny Jeans zum Takt der Musik .
 

„Oh Gott.“ Dankbar nach der nächsten Mische greifend, die ihm ein Fremder unter die Nase hielt, wandte Toru seinen Blick ab. In dem Becher war vermutlich irgendwas mit Wodka gewesen, genau konnte er das nicht sagen, denn jetzt war er bereits schon wieder leer und still seufzend stellte Toru den Plastikbecher zu den anderen auf den Tisch. Er spürte Tomoyas Blick auf sich, besonders als er wieder aufsah, weil er es doch nicht lassen konnte, zu Taka zu schauen, als dieser dort zwischen all den Menschen tanzte, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Taka bewegte seine Hüften in einer Art und Weise, wie man sie ihm eigentlich hätte verbieten sollen, fuhr sich mit den Händen durch die dicken locken und wann immer er das tat, wurde ein Stück seines Bauches enthüllt, wenn sein Shirt etwas hochrutschte. Er lächelte, grinste, lachte, hatte seine Augen geschlossen und genoss wie der Bass durch seinen Körper fuhr und Toru fühlte seinen Magen zusammenkrampfen, als Takeru Teil dieses Anblicks wurde, seine Hände um Takas Taille schlang und ihn näher zog.
 

„Toru, vielleicht sollten wir gehen.“ Takas Hände legten sich in Takerus Nacken und er lächelte zu ihm auf und Toru hörte nichts mehr, hörte den Bass und die Stimmen um sich herum nicht mehr, als sich Taka auf die Zehenspitzen stellte und Takeru küsste. Und sie bewegten sich noch immer zu der Musik, die Toru nicht mehr wahrnahm, bewegten ihre Körper miteinander, aneinander. Und Toru sah sich selbst dort auf der Tanzfläche stehen mit Taka ihm Arm, dem er süße Worte ins Ohr flüstern würde, dessen Hals er küssen würde, mit dem er die ganze Nacht durchtanzen würde, wenn er denn die Chance dazu bekäme. Der Kuss hielt noch immer an und Toru spürte das Bedürfnis sich zu übergeben.
 

„Toru, komm, wir gehen raus.“ Wie aus einer Hypnose zurückgeholt sah Toru zu Tomoya, hörte mit einem Mal wieder die laute Musik und die ganzen Leute um sich herum. Er spürte seinen schnellen Puls in den Ohren und merkte erst jetzt, dass er zitterte. Wahrscheinlich vor Wut und Frustration, hätte er bereits mehr getrunken, wäre er vermutlich schnurstracks auf Takeru zugelaufen und hätte ihm eine blutige Nase verpasst. „Nein, ist okay, bleib du hier, ich gehe ne Runde.“ Frische Luft zu schnappen war vermutlich die beste Idee, das würde Torus Kopf auch wieder etwas frei machen, allerdings wollte er gerade lieber ein wenig alleine sein, weswegen Tomoya ihn durch besorge Augen hindurch ansah.
 

„Bist du sicher?“
 

„Ja, keine Sorge.“ Sowie Toru aufgestanden war, hatte sich sofort ein Typ mit roten Haaren, auf dessen Schoß ein Mädchen Platz nahm, neben Tomoya gesetzt. Der Drummer hatte vorhin nicht übertrieben, das hier waren definitiv die begehrtesten Plätze. Toru war schon auf halbem Weg aus dem Raum raus, als sein Blick nochmals auf Taka und Takeru fiel. Sie küssten sich noch immer, oder schon wieder, und Taka lächelte in den Kuss, ließ sich von Takeru im Takt der Musik führen, genauso wie er es mit Taka den einen Nachmittag in ihrem Wohnzimmer getan hatte. Toru verspürte ein wohlbekanntes Stechen in seiner Brust und realisierte, dass ein Spaziergang wohl kaum die Lösung seiner Probleme sein würde, er würde ihn nicht mal kurzweilig vergessen lassen.

Alkohol allerdings konnte das.
 

Es war kurz nach drei, als Taka bemerkte, dass er allmählich müde wurde. Er und Takeru saßen seit einiger Zeit gemeinsam mit zwei weiteren Personen (wohl Bekannte Takerus, doch Taka hatte die Namen bereits wieder vergessen) auf dem Bett im Gästezimmer und sahen den übrigen Versammelten im Raum dabei zu, wie sie auf dem Boden Bierpong spielten. Die vorherigen Runden hatte Taka noch mitgespielt, doch mittlerweile merkte er, wie seine Lider immer schwerer wurden. Abgesehen davon wollte er nicht sturzbetrunken neben seinem völlig nüchternen Freund sein, da das wohl zwangsläufig zu peinlichen Situationen führen würde.
 

„Sollen wir gleich fahren?“ Von dem Getümmel auf dem Boden aufsehend, blickte Taka zu Takeru hoch, an dessen Schulter er lehnte.
 

„Ja, ich denke, wenn wir uns vor vier auf den Weg machen, ist das ne ganz gute Zeit.“ Er spürte, wie der andere einen Kuss auf seinen Scheitel setzte und kicherte leise. „Ich bringe unsere Getränke schon mal runter, wollte ohnehin nochmal nach den anderen schauen.“ Etwas wackelig stand Taka auf, merkte erst jetzt, dass er wohl doch etwas mehr getrunken hatte, als vermutet.
 

„Ich komme dann gleich nach.“, antwortete Takeru, der seit geraumer Zeit in ein Gespräch mit einem seiner Bekannten (Ken…Kenji…oder so ähnlich) vertieft war, welchem Taka zwischendurch mit halbem Ohr zugehört hatte.

Im Treppenhaus tummelten sich noch immer allerhand Leute und Taka war erstmals dankbar für seinen kleinen Körper, da es nicht allzu schwer war, sich seinen Weg durch eben diese zu navigieren. Das gerade spielende Lied hatte Taka bereits auch schon mehrmals in dieser Nacht gehört und er war erstaunt zu sehen, dass noch immer ziemlich genauso viele Leute zu tanzen schienen, als wie vor Stunden zuvor.
 

„Taka, wo hast du gesteckt!“ Eine bekannte Stimme ließ ihn herumfahren und er blickte in das breit grinsende Gesicht Ryotas, der mittlerweile kein Shirt mehr trug. Wo, wann und wie er dies verloren oder auch ausgezogen hatte, war allerdings kein Detail, an dem Taka zu sehr interessiert war.
 

Er lachte und blickte auf die leeren Flaschen in seiner Hand. „Wir waren oben, wo wart ihr?“

„Überall!“, lallte Ryota. „Wir haben dich gesucht, weißt du?“ „Wir?“

„Alle!“ Taka rollte die Augen, musste aber abermals lachen. Dass Ryota gerne über die Stränge schlug, war kein Geheimnis, eigentlich war das schon immer so gewesen. Wieder drängten sich Leute an ihnen vorbei und er erinnerte sich daran, was er eigentlich vorhatte.
 

„Wo seid ihr jetzt, dann komme ich gleich mal vorbei. Möchte nur ein paar leere Flaschen wegbringen.“ Als fürchte er, Ryota würde seine Worte nicht verstehen, hielt Taka die leeren Bierflaschen in die Luft und der Bassist strich wich wissend über den Bart. „Terrasse. Wir haben Ryo fast so weit, dass er in den Pool geht.“ Tomoya war hinter Ryota aufgetaucht und hielt Taka, sowie er ihn sah, ein Getränk unter die Nase, welches dieser jedoch ablehnte. Die Vorstellung, dass coldrains Bassist bei diesen eisigen Temperaturen in den Pool ging, ließ Taka erschaudern, da er nicht davon ausging, dass Masato das Wasser zu dieser Jahreszeit temperierte.
 

„Ist gut, ich komme gleich.“ Sich an seinen Freunden vorbeischiebend, machte sich Taka auf den Weg in die Küche, wo er sich wohl auch ein Glas Wasser nehmen würde, jedoch ließen ihn zwei Personen kurz vor der Abzweigung innehalten und beinahe hätte er die Flaschen in seiner Hand zu Boden fallen lassen.

Die Frau hatte lange brünette Haare und stand mit dem Rücken zu Taka, weswegen er ihr Gesicht nicht erkennen konnte, allerdings ging er ohnehin nicht davon aus, dass er sie kannte, da ihr ganzes Erscheinungsbild keine Erinnerung in ihm weckte – nicht, dass das etwas heißen sollte.

Taka hatte in dieser Nacht bereits einige Küsse miterlebt, das hier war schließlich eine Party, was ihn an der sich darbietenden Szene jedoch festhielt war weniger die Tatsache, dass sich jemand küsste, sondern vielmehr wer sich da küsste, denn die andere Person, jene, die die Frau so eng umschlungen hielt, war niemand anderes als Toru.

Er schluckte und wagte es für einige Sekunden nicht mal zu atmen. Konnte es möglich sein, dass dies die Frau war, die Toru einst solchen Kummer bereitet hatte? Die wegen der er so viele Tränen vergossen hatte? Oder nur eine weitere Bekanntschaft, die Toru die Langeweile vertrieb? Taka mochte den Anblick nicht, noch weniger die ganzen Spekulationen in seinem Kopf und irgendwas in seiner Brust zog sich zusammen, doch die Augen abwenden konnte er auch nicht, als Torus Hand über den Rücken der Frau fuhr, immer tiefer, bis sie sich schließlich voneinander lösten und er fast erleichtert aufatmete. Es wurden einige Worte gewechselt, ehe die Frau um die Ecke verschwand und Toru mit roten Wangen und geschwollenen Lippen zurückließ.
 

„Wer war das?“, fragte Taka, als er an Toru herantrat, nachdem er sicher gegangen war, dass die Frau verschwunden war. „Hm?“ Als hätte Toru ihn jetzt erst bemerkt drehte er sich zu ihm um. „Das? Uhm…keine Ahnung ehrlich gesagt.“ Taka zog die Augenbrauen zusammen. Toru stank nach Alkohol und auch seine geleierte Art zu sprechen ließ darauf schließen, dass der Gitarrist in dieser Nacht definitiv bereits mehr gehabt hatte als nur den einen oder anderen Shot.
 

„Also war sie nicht das Date?“ Taka wusste nicht, ob es überhaupt Sinn ergab, Toru in dieser Verfassung über sowas auszufragen, da man wohl von Glück reden konnte, dass dieser überhaupt noch wusste, wer er war, so taumelnd wie er vor dem Sänger stand.
 

„Was für’n Date?“ Toru hob eine Augenbraue, kam aber scheinbar wenige Augenblicke später selbst auf die Lösung. „Ah, ahh!“ Er lachte und griff nach seinem Getränk, welches er wohl zuvor auf der Kommode neben sich abgestellt hatte. „Du bis‘ ja witzig!“ Und du bist sturzbetrunken, dachte Taka.

„Also ist die Sache nicht mehr aktuell? Ich meine, ich hab da nicht mehr viel von gehört…“
 

„Is‘ sehr aktuell.“, lallte Toru und trank seinen Becher in wenigen Schlucken leer. Er mochte zwar betrunken sein, aber daran erinnern, dass jenes „Date“ einst ein Synonym für die Unerreichbarkeit Takas gewesen war, konnte er sich schon noch. Nur war wohl seine Zunge durch den Alkohol ordentlich gelockert worden. „Sehr aktuell.“
 

„Hattest du nicht vorgehabt, um sie zu kämpfen oder so ähnlich?“ In welche Richtung diese Konversation auch immer zu gehen schien, Taka glaubte nicht, dass sie ihm gefiel, besonders nicht, als Toru ihn durch verschleierte Augen mit einem Blick ansah, den er nicht deuten konnte. Noch weniger deuten konnte er jedoch das Verhalten des Jüngeren. Liebeskummer wegen einer Person zu haben, sich aber permanent mit anderen zu treffen, wirkte auf Taka nicht wirklich so, als würde Toru es ernst meinen. Vielleicht versuchte der Blond auf diesem Wege aber auch über jene Person hinwegzukommen, sicher war sich Taka nicht.
 

„Lass das ma‘ meine Sorge sein, ja?“
 

„Ich sage ja nur, dass du dich lieber um dieses Mädchen bemühen solltest, anstatt dich mit anderen abzulenken, wenn es dir wirklich ernst ist.“ Wieder lachte Toru und Taka spürte Frustration in sich aufsteigen, es wirkte nicht so, als würde Toru ihn auch nur im Ansatz ernst nehmen.
 

„Danke für die Ratschläge, Freud, aber ich komm‘ klar, damit du’s weißt.“ Taka bereute seine folgenden Worte schon in der Sekunde nachdem er sie ausgesprochen hatte, doch war er durch Toru in dem Augenblick so verletzt gewesen, dass er nicht weiter über seine Artikulation nachgedacht hatte.
 

„Okay, weißt du was, Casanova? Mach was du willst, ich bin jedenfalls froh, nicht deine Freundin sein zu müssen.“ Ohne ein weiteres Wort schob sich Taka an dem Jüngeren vorbei in die Küche, um endlich seinem ursprünglichen Plan nachzugehen und das Leergut in eine der Kisten zu stellen. Sein Blick fiel auf den Tresen, wo sein Kuchen einige Stunden zuvor unter tosendem Beifall von Masato angeschnitten wurde. Von dem Kuchen selbst waren lediglich noch einige Krümel übrig geblieben und Taka dachte schmunzelnd an all die Komplimente, die er für ihn geerntet hatte.
 

Auf der Terrasse war es in der Tat kalt und Taka war froh, seine Jacke mitgenommen zu haben, obwohl der Anblick von Ryo und Ryota, die in T-Shirt oder gar komplett oberkörperfrei im Garten Masatos saßen, genügte, um ihm einen Schauer nach dem nächsten über den Rücken zu jagen. Er war nur froh, dass coldrains Bassist selbst im betrunkenen Zustand noch schlau genug war, zu wissen, dass es keine gute Idee sein würde, bei diesen Temperaturen in den Pool zu gehen.
 

„Hast du Hunger?“, fragte Masato und hielt ihm einen Teller mit gegrilltem Fleisch unter die Nase. Die Idee eines mitternächtlichen BBQs war in der ursprünglichen Planung der Party von Tomoyas gekommen und hinsichtlich der ganzen Leute, die mittlerweile definitiv etwas zwischen die Zähne brauchten, ein brillianter Vorschlag gewesen.
 

„Takeru und ich wollten ungefähr um vier fahren.“, sagte Taka, was nicht wirklich eine Antwort auf die Frage des anderen gewesen war, weswegen er den Teller mitsamt des Fleisches mit einem dankenden Nicken entgegennahm.
 

„Ah, okay, sag dann rechtzeitig bescheid, dass ich euch noch vernünftig verabschieden kann.“ Masato reichte Taka den Ketchup, ehe dieser nochmals nickte. „Sag mal, wie geht es dir mittlerweile eigentlich? So mit allem?“ Trotz des hörbaren Basses der Musikanlage war es auf der Terrasse deutlich ruhiger als im Haus, was vermutlich der Grund dafür war, dass der coldrain Sänger das Gespräch mit Taka gerade jetzt suchte. Taka blinzelte einige Male, da er wirklich nicht damit gerechnet hatte, hier und heute über so etwas zu sprechen.
 

„Mir geht’s gut, würde ich sagen.“
 

„Auch mit der Amnesie?“
 

„Hm, ja.“ Hinter ihnen lachte Ryota laut auf, doch Taka beschloss, dass er gar nicht wissen wollte, was da wieder von statten ging. „Ich meine sie schränkt mich kaum noch ein, der Großteil dessen, was passiert ist, wurde mir ja erzählt.“

„Das ist gut. Toru meinte, du seist zu Anfang völlig verschreckt gewesen, davon merke ich zumindest zum Glück nichts mehr.“, lächelte Masato und füllte sich auch ein Stück Fleisch auf einen Teller, ehe er sich zu Taka setzte.
 

„Das stimmt.“ Kurz kaute Taka auf der Innenseite seiner Wangen herum, sowie er daran dachte, wie ängstlich er die ersten Wochen und wie abhängig er von Toru in dieser Zeit gewesen war. Der Gedanke an den Blonden schmerzte irgendwo in seiner Brust, hatte er doch noch nicht vergessen, was er ihm zuletzt an den Kopf geworfen hatte. „Ich denke, das hat viel damit zu tun, dass ich mittlerweile ein sicheres Umfeld habe. Ohne die Menschen, die sich in dieser Zeit um mich gekümmert haben, wäre ich jetzt definitiv nicht so weit, wie ich eben bin.“ Mit jedem Wort, was Takas Mund verließ, fühlte er sich bezüglich der Sache mit Toru noch schlechter. Dieser war immerhin für ihn da gewesen, als er praktisch am Boden gelegen hatte, da war ein klein wenig Rücksicht von Taka, wenn Toru auf seine Art und Weise seinen Herzschmerz zu kompensieren versuchte, doch zu verlangen gewesen. Er würde sich definitiv entschuldigen müssen.
 

„Ich mache mir da ehrlich gesagt gar keine Sorgen, wir sind mit dem Rückhalt voneinander bereits durch so viel Mist gegangen, das wird jetzt auch nicht anders sein.“ Als ermutigende Geste legte Masato seine Hand auf Takas Schulter und drückte sie leicht. Hätte er diese Worte vor einigen Monaten an ihn gerichtet, so hätte Taka sie sehr wahrscheinlich auf jede nur erdenkliche Art und Weise angezweifelt, so aber konnte er vor dem Hintergrund der vergangenen Ereignisse sagen, dass der Halbamerikaner mit dieser Aussage definitiv recht hatte. „Das glaube ich auch, danke.“, antwortete er schließlich und aß sein Stück Fleisch in Ruhe zu Ende. Er wusste nicht wie, aber irgendwie hatte Masato es geschafft die zwei Bassisten ihrer Bands in dieser Zeit dazu zu bringen, sich etwas anzuziehen, da sie sonst womöglich noch eine Lungenentzündung bekämen, und während der Blonde damit gekämpft hatte, die beiden eben davon zu überzeugen, war Taka immer nervöser geworden, da er das mit Toru geklärt haben wollte, bis er sich schließlich dazu entschlossen hatte, seine innere Unruhe im Keim aufzuarbeiten. Als Taka wieder ins Wohnzimmer trat, bemerkte er erstmals, dass die Anzahl der Menschen kleiner geworden war, was ihm sehr entgegenkam, da er sich augenblicklich nach dem Gitarristen seiner Band umsehen konnte, ohne angerempelt zu werden. Weder im Wohnzimmer, noch in der Küche hielt sich Toru auf, oben waren abgesehen von einem der Gästezimmer die restlichen Räume abgeschlossen gewesen und auch das Badezimmer war leer gewesen. Vielleicht war er zum Rauchen auf die Veranda gegangen.

Taka fröstelte es, sowie er zum wiederholten Mal in dieser Nacht nach draußen trat und er rieb sich über die Arme. Die Temperaturen im Januar waren mehr als unangenehm, er war definitiv ein Sommer-Mensch und wollte sich gar nicht ausmalen, wie kalt Ryota und Ryo zuvor wohl eigentlich hätte sein müssen. Zu seiner Überraschung war auf der Veranda niemand, hatte er doch eigentlich mit einer Handvoll Rauchern gerechnet, von denen über die Nacht verteilt hier eigentlich ständig ein Grüppchen anzutreffen gewesen war. Gedämpft spielte hinter ihm im Haus die Musik, als er in den Himmel blickte und die Sterne ansah. Es war eine ruhige Nacht und bisher auch eine fantastische Party gewesen, doch allmählich zog es ihn wirklich ins Bett. Er seufzte und wandte sich schon ab, um wieder ins Haus zu gehen, als er meinte um die Ecke jemanden zu hören.
 

„Toru?“ Dass es sich bei der Gestalt, die dort auf dem Holz saß, tatsächlich um den blonden Gitarristen handelte, erkannte Taka erst auf den zweiten Blick, erschrak ihn doch das generelle Erscheinungsbild von eben diesem ungemein. Toru lehnte an der Hausfassade, eine umgestoßene Flasche Whisky neben ihm, sein Kopf nach vorne gefallen.

„Toru?“, fragte Taka erneut und kniete sich zum Jüngeren herab. Toru antwortete nicht und sowie Taka versuchte ihn zu wecken, bemerkte er, dass seine Wangen eiskalt waren, was kein Wunder war, da er hier draußen seit weiß Gott wie lange nur im T-Shirt saß. Niemand anderes war auf der Veranda, nicht jetzt und vermutlich auch nicht zuvor, niemand hatte den Blonden hier liegen gesehen. Takas Puls ging in die Höhe.
 

„Hey, Toru! Toru, hörst du mich?“ Noch immer reagierte der Angesprochene nicht, auch nicht als Taka begann seinen Körper zu schütteln und erst jetzt bemerkte er den Fleck an Erbrochenem neben Toru, die gelbe Färbung ein starker Kontrast zum dunklen Holz, selbst im fahlen Schein der Lichterkette an der Hausfassade.
 

“Oh nein!” Der Sänger, presste die Augen zusammen, da ihm Adrenalin seines Gleichgewichts zu berauben schien, als er sich panisch wieder in eine aufrechte Position brachte. Toru reagierte nicht, wachte nicht auf.

“Scheiße!” Sich am Geländer festhaltend, taumelte Taka in Richtung Haustür und wahrscheinlich liefen ihm Tränen über die Wangen, er wusste es nicht, spürte es nicht. Seine Brust fühlte sich an als würde sie zerspringen und er zitterte am ganzen Körper. Der Zustand war nicht unbekannt, doch Taka versuchte mit allen Mitteln zu unterdrücken, was sich in ihm anbahnte. “Takeru!!” Doch, es liefen Tränen, es liefen so dicke Tränen, dass es Taka die Sicht verschleierte, orientierungslos und ohne zu wissen was zu tun war, ähnliche wie damals, nach seinem Aufwachen. Sein Atem ging flacher. “Takeru!!” Würde man ihn überhaupt hören, so wie er gerade ins Haus hinein rief, in der Hoffnung, dass mein ihm antwortete?
 

Irgendwo polterte es und Taka betete es war die Treppe, hoffte es war Takeru oder irgendjemand der ihn verstehen würde. “Jemand muss...jemand muss einen Krankenwagen rufen!” Taka schluchzte, spürte seine Beine unter sich nachgeben und ließ sich zu Boden sinken, sein Gleichgewichtssinn hätte vermutlich ohnehin früher oder später kapituliert. “Ruft den Krankenwagen, Toru wacht nicht mehr auf!!”
 

“Taka, was ist? Was ist mit Toru?” Taka sah Takeru durch seine Tränen hindurch nicht, krallte sich lediglich in seinen Pullover, suchte Halt an dem warmen Körper, der sich so lebendig anfühlte im Gegensatz zu Torus, den Taka noch immer unter seinen Fingerkuppen spürte.

“Einen Krankenwagen….bitte ruf einen Krankenwagen, auf der Veranda...er wacht nicht mehr auf, er….” Takas Schnappatmung setzte ein und er war nicht mehr fähig weitere Worte zu bilden. Angst füllte seine Gedanken, Adrenalin schoss durch jede Faser seines Körpers und er bereute es Toru zurückgelassen zu haben, er musste bei ihm sein, jemand musste ihm helfen.
 

“Scheiße, was ist denn hier passiert?” Masato war mit Tomoya in den Flur getreten, sehr wahrscheinlich hatten sie Takas Schreien gehört. Der blonde Sänger wusste nicht wohin er gucken sollte, geschweige denn was er von dem Anblick des völlig aufgelösten Takas zu halten hatte, der mittlerweile einige mehr Menschen angelockt hatte, die sich als Traube um ihn und Takeru versammelten.

“Schau mal auf der Veranda, Taka sagt irgendwas sei mit Toru und dass wir einen Krankenwagen rufen sollen.” Obwohl Takeru zu Masato sprach, war es Tomoya, der als erstes aus der Tür heraus stürmte, dicht gefolgt vom Amerikaner und nur wenige Sekunden später hörte man beide Männer laut fluchen. Mittlerweile hatten sich vermutlich die gesamten restlichen Anwesenden im Hausflur Masatos eingefunden, einige waren Tomoya und ihm nach draußen gefolgt, andere diskutierten darüber, wie lange ein Krankenwagen bräuchte und wie groß die Wahrscheinlichkeit war, an einer Alkoholvergiftung zu sterben. Einzelne kommentierten, wie verzweifelt man sein musste, um sich derartig unkontrolliert die Kante zu geben. Taka drehte sich der Magen bei diesen Worten um und hätte Takeru ihn nicht hochgezogen, hätte er sich vermutlich an Ort und Stelle übergeben.
 

Taka kannte die meisten der Anwesenden nicht, oder hatte zumindest keinerlei Erinnerung an sie, doch jeder einzelnen von ihnen, der es wagte, Toru zu verurteilen, ohne zu wissen, was überhaupt vorgefallen war, verdiente einen Schlag ins Gesicht und wäre er nicht in seinem derzeitigen Zustand gewesen, so hätte der Sänger vermutlich keine Sekunde gezögert, einen Kampf anzuzetteln. Die Idee, dass Toru etwas zustoßen könnte, war etwas, was Taka nie in den Sinn gekommen war, doch jetzt, wo der leblose Körper des Gitarristen dort draußen vor der Tür lag, begann er zu verstehen, mit was für Gefühlen dieser nach dem Unfall tagtäglich an seinem Bett gewacht hatte, voller Angst, ihn gehen lassen zu müssen. Torus Anwesenheit war für Taka stets eine Selbstverständlichkeit gewesen, er hatte eine Konstante repräsentiert, die ihn seit ihrem ersten Aufeinandertreffen hatte aufrecht gehen lassen.

Und jetzt, knapp eine Dekade später, war Taka offensichtlich noch immer so abhängig von der Präsenz des Jüngeren, wie am ersten Tag.
 

Sie sprachen nicht mehr miteinander. Taka hatte keine Ahnung, was in den letzten Wochen im Inneren seines Freundes vorgegangen war und was ihn letztendlich dazu getrieben hatte, derartig die Kontrolle zu verlieren. Und er wusste nicht, was mehr weh tat: das Wissen, dass es unausgesprochene Dinge zwischen ihnen gab, die Toru zu einem Fremden für ihn werden ließen, oder die Tatsache, dass er gerade von diesem Mitwissen so abhängig war, abhängig davon war, ein Teil im Leben des Jüngeren zu sein.
 

“Ich muss zu ihm.”, schaffte er zu sagen.
 

“Ich weiß”, antwortete Takeru.

Leise füllte das Autoradio die Stille zwischen ihnen, als Taka stumm aus dem Fenster schaute und das Geschehene revu passieren ließ. Es hatte angefangen zu nieseln und kleine Wassertropfen verwandelten die Glasscheibe in ein Kaleidoskop, wann immer sich das Licht der Laternen am Straßenrand in ihnen verfing. Taka war müde und erschöpft und mehr als alles andere froh, Toru in guten Händen zu wissen.
 

Es war ihm ein Rätsel wie, aber irgendwie hatten Masato und Tomoya es fertig gebracht, den blonden Gitarristen wieder zu Bewusstsein zu bekommen, vermutlich durch eher unsanfte Berührungen im Gesicht, für welche Taka zu zaghaft gewesen wäre. Er war froh gewesen, dass Takeru ihn gestützt hatte, sowie er wieder nach draußen getreten war, denn als sein Blick auf den Torus traf, so wäre er andernfalls wahrscheinlich unter Tränen zusammengebrochen. Toru lag zu seinen Füßen vor ihm, umringt von verschiedenen Personen, die alle mehr oder minder durcheinander redeten, war orientierungslos und reagierte kaum auf das, was Tomoya ihm sagte, doch er war wach, lag nicht mehr leblos auf dem dunklen Holz ohne sich zu rühren. “Woran denkst du?” Aus seinen Gedanken gerissen sah Taka zu Takeru rüber, der seinen Blick auf die Straße gerichtet hatte. Selbstverständlich wusste der Brünette, was ihm durch den Kopf ging, wie konnte Taka das, was Toru zugestoßen war, so schnell vergessen. Es war nicht so, als wären sie noch nie betrunken gewesen, Gott, als hätten sie sich vom Alkohol noch nie übergeben, aber dass Toru, ein erwachsener Mann, derart die Kontrolle über sein Tun verlor, war nichts was einfach so passierte, was einfach als ein Versehen abgestempelt werden konnte, da war sich der Lockenkopf sicher. Doch er wusste nicht, was seinen Freund so weit gebracht haben könnte, egal wie sehr er die vergangenen Wochen in seinem Kopf durchging, suchend nach Indizien.
 

“Das weißt du doch.”, sprach Taka leise, so leise, dass er zunächst fürchtete, seine Stimme wäre im Lied der Playlist des lokalen Radiosenders untergegangen, bis Takeru den Blinker betätigte und auf den Seitenstreifen fuhr, wo er den Motor schließlich abstellte.

Sowie Taka bemerkt hatte, dass Toru wieder unter ihnen weilte, hatte er sich von Takeru gelöst und war neben dem Gitarristen auf die Knie gefallen. Er hatte vorgehabt den Blonden am Kragen zu packen und ihm ins Gesicht zu schreien, was das alles sollte, hatte sich alle möglichen Szenarien ausgemalt, in welchen er seiner Wut und Frustration freien Lauf würde lassen können, doch als Toru dort so verloren vor ihm lag, hatte Taka kein Wort über die Lippen bekommen. Kein Geräusch formte seine Kehle, nichtmal mehr Tränen sammelten sich in seinen Augen. Taka starrte den Jüngeren einfach nur an, verarbeitete, dass der schlimmste Fall, der von einigen hässlichen Mündern prophezeit worden war, nicht eingetreten war, dass sein Freund wach war, bei ihm war, lebte. Seine Hand hatte er auf die Schulter Torus gelegt, hätte ihm am liebsten über die Wange gestrichen, doch er war wie erstarrt, als der andere das Wort an ihn richtete, so leise und durch den Alkohol so undeutlich, dass Taka sofort wusste, er würde der einzige sein, der Torus Stimme vernahm.
 

“Fass mich nicht an, Taka.”
 

“Taka.” Takeru seufzte und Taka hörte deutlich heraus, dass auf seinen Namen etwas Größeres folgen würde. Die Straße, auf der sie sich befanden, war um diese Uhrzeit kaum befahren, Taka hatte in der gesamten Zeit, die Takeru ihr nun schon folgte, vielleicht 2 Autos an ihnen vorbeifahren sehen und so war es völlig still, als sie nun dort auf dem Seitenstreifen standen, denn auch die Musik des Radios war mit dem Umdrehen des Schlüssels verklungen. Taka hörte Takeru neben sich atmen und fragte sich, ob dieser auf eine Antwort seinerseits wartete, denn die hatte er definitiv nicht vorzubringen, wünschte er sich doch einfach nur so schnell wie möglich nach Hause, um sich von den Geschehnissen ablenken zu können, an die er nicht mehr denken wollte.
 

Taka hatte genau gewusst, dass er sich nicht verhört hatte und doch sah er Toru ungläubig an. Masato hatte sich neben ihn gehockt und seine Hand von Torus Schulter geschoben, um den Jüngeren aufsetzen zu können.
 

“Toru? Hörst du mich? Hab ich deine Aufmerksamkeit?” Der Amerikaner schob sich so nah vor Torus Gesicht, dass der andere praktisch keine andere Wahl hatte, als ihn anzusehen und doch wirkte Toru so, als würde er überhaupt nicht bemerken, dass Masato da zu ihm sprach. Sein Kopf fiel gegen die Hausfassade, dann auf seine Brust.
 

“Hey hey hey, wach bleiben!” Ihnen gegenüber hatte sich Ryota gekniet, der wohl auch endlich davon Wind bekommen hatte, was mit seinem Freund passiert war und wenn Taka jetzt Toru so musterte, dann wirkte der Bassist neben ihm absolut nüchtern. Eher unsaft traf Ryotas Hand auf Torus Wange und Takas Magen zog sich beim Anblick dieser rohen Gewalt zusammen, obwohl er wusste, dass all dies nur zu Torus Bestem war. Toru stöhnte und sah auf.
 

“Toru, hör mir zu!” Masato packte das Gesicht des Blonden mit beiden Händen. “Es kommt gleich ein Krankenwagen, der wird dich ins Krankenhaus bringen, ja?” Toru antwortete nicht, aber wenigstens sah er Masato an, was für diesen wohl für den Moment als Reaktion genügte.
 

“Wie viel hat er getrunken?”, wandte sich Ryota an Taka und dieser brauchte einen Augenblick um zu verstehen, dass man gerade mit ihm gesprochen hatte. Der Anblick Torus machte ihn sprachlos, schnürte ihm geradezu die Kehle zu.
 

“Ich weiß es nicht, ehrlich. Ich hab keine Ahnung. Irgendwann war er weg und ich bei Takeru, ich...keine Ahnung.” Taka wischte sich übers Gesicht, durch die Augen, die noch immer nicht nass waren. Vielleicht wegen des Schocks. Vielleicht weil er vorher schon alle übrigen Tränen vergossen hatte. Ryota griff nach der leeren Flasche Whisky, die noch immer neben Toru lag und reichte sie Masato.
 

“Hat er die getrunken?”
 

“Wahrscheinlich. Und noch mehr, er hatte ständig was in der Hand.”
 

“Wir müssen über Toru reden.” Taka hatte befürchtet, dass Takeru das Thema früher oder später ansprechen würde, dass sie jedoch um halb 5 in der Früh, auf dem Seitenstreifen einer Landstraße stehend und vor dem Hintergrund aktueller Geschehnisse darüber reden würden, hatte sich Taka im Traum nicht ausgemalt.
 

“Okay.” Er war müde, so unendlich müde und erschöpft.
 

“Du weißt, dass ich ihn mag, ich meine ich bin ja auch mit ihm befreundet.” Taka erkannte Takeru kaum, lediglich das Licht einer in einiger Entfernung stehenden Laterne ließ ihn Umrisse erkennen. “Es ist nur...ich hab schon seit längerem das Gefühl, dass er dich mit seinen Problemen belastet. Vielleicht nicht verbal, ich weiß ja, dass ihr kaum redet, das hast du ja erzählt, aber du bist sensibel, du merkst sofort, wenn etwas mit ihm nicht stimmt und dass das der Fall ist, ist ja wohl ziemlich offensichtlich.” Takeru hatte nicht Unrecht mit seinen Worten, oft reichte ein Blick Torus, oder gar dessen Erscheinungsbild und Taka würde sich wieder Sorgen machen. Er hatte Toru darauf angesprochen, etliche Male, aber der Jüngere sprach nicht über das, was ihn wie ein Schatten verfolgte, egal wie hartnäckig Taka war. Und nicht zu wissen, was mit seinem Freund war, nur sehen zu können, wie er, wann immer er von der Arbeit kam, erschöpft und still in seinem Zimmer verschwand, setzte Taka mehr zu, als ihm wohl bisher bewusst gewesen war.
 

“Ich weiß nicht, was mit ihm ist.”, antwortete Taka und sah wieder aus dem Fenster. Der Regen war stärker geworden und irgendwie empfand er es als beruhigend irgendwo im Nirgendwo in einem Auto zu sitzen, fernab von all den Trubel und den Problemen.
 

“Ja, ich weiß.” Takeru griff nach seiner Hand und Taka sah wieder zu ihm. Er sah im fahlen Licht die zusammengezogenen Augenbrauen des anderen, die darunter sitzenden großen braunen Augen, die ihn voller Sorge anblickten.
 

“Versteh mich nicht falsch, ich will nicht sagen, dass du den Kontakt zu ihm abbrechen solltest, auf keinen Fall, aber du bist mir wichtig und es tut weh zu sehen, wie sehr du unter dieser Situation leidest, daher denke ich, dass es vielleicht besser ist, wenn du etwas Abstand zu Toru nimmst.” Es war nicht so, als hätte Taka nie daran gedacht auszuziehen und an manchen Tagen hatte er wirklich bereut, dass er den Mietvertrag seiner alten Wohnung gekündigt hatte. Er mochte Toru und er mochte es auch mit ihm zusammenzuwohnen, aber es war wie Takeru sagte: den Gitarristen Tag für Tag niedergeschlagen zu sehen, ohne, dass er mit ihm über seine Probleme sprach, zerrte unendlich an den Kraftressourcen des Lockenkopfes.
 

“Ich kann nicht einfach ausziehen, Takeru.”, sagte er und drückte die Hand des anderen. “Du hast recht, mit allem was du sagst, das möchte ich gar nicht anzweifeln, aber ich kann nicht einfach ausziehen, besonders jetzt nicht.”
 

‘Fass mich nicht an, Taka.’ Hatte noch immer in Takas Kopf widergehallt, als er dabei zugesehen hatte, wie Toru von Sanitätern in den Krankenwagen gehievt wurde. Völlig perplex hatte er daneben gestanden und sich absolut fehl am Platz gefühlt, so, als sei dies alles nur ein Traum, aus dem er bald erwachen würde. Oder zumindest hatte er sich das gewünscht. “Alkoholvergiftung.”, sagte Ryota, der sich zusammen mit Tomoya neben ihn stellte. “Der Typ hat sich völlig unkontrolliert abgefüllt. 3,8 Promille, ist das zu glauben? Scheiße.” Schweigend sah Taka dem Krankenwagen hinterher, der Masatos Grundstück nun verließ und fühlte sich irgendwie unwohl in der Stille, die nun um sie herum herrschte. Toru würde über Nacht im Krankenhaus bleiben, das war das erste, was ihm die Sanitäter sagen konnte, sowie sie Toru untersucht hatten. “Warum...warum hat er das gemacht?”, fragte Taka und wandte sich zu seinen zwei Bandkollegen.
 

“Ja, gute Frage!” Ryota war sauer, so viel war offensichtlich. Sauer und noch immer betrunken. “Keine Ahnung man, keine Ahnung was mit ihm los ist und warum er den Scheiß abzieht, den er abzieht! Ich verstehe ihn nicht, keiner versteht ihn!” “Wir sind genauso ahnungslos wie du, Taka.”, antwortete ihm Tomoya schließlich, nachdem offensichtlich wurde, dass vom fluchenden Ryota keine konstruktive Antwort mehr zu erwarten war. “Toru ist nicht die Art von Person, die oft und gerne über ihre Gefühle spricht, daher wird es leider nicht helfen, wenn wir weiterhin hartnäckig nachfragen, fürchte ich.” Taka nickte und sah nochmals Richtung Ausfahrt, wo der Krankenwagen Minuten zuvor verschwunden war. Toru sprach nicht. Fraß alles in sich hinein, bis er dem Schmerz nicht mehr standhalten konnte. Man durfte ihn nicht alleine lassen, jemand musste bei ihm sein, Taka musste bei ihm sein. Taka konnte nicht sagen warum, aber irgendwo tief in ihm drin hatte er das Gefühl, dass er den Blonden bereits in so viel mehr Situationen alleine gelassen hatte, in denen er an seiner Seite hätte sein sollen, als ihm bewusst war.
 

“Hey.” Er spürte eine Hand auf seiner Schulter und sah in Takerus liebevoll lächelndes Gesicht, als dieser zwischen ihn und Tomoya getreten war. “Lass uns fahren.”
 

Der Regen wurde stärker, prasselte kontinuierlich auf das Autodach und die Windschutzscheibe. “Aber du siehst doch selbst wie sehr dich das belastet, Toru ist ein erwachsener Mann, er-”
 

“Er war auch für mich da, als ich jemanden brauchte.” Es war nicht Takas Art Takeru zu unterbrechen, aber gerade hatte er das Gefühl, Toru um alles in der Welt verteidigen zu müssen. “Er war da, als ich nach dem Unfall aufgewacht bin und er war da, als ich meine Panikattacken hatte. Er stand mir zur Seite, wann immer ich unsicher war und Hilfe brauchte und nicht einen Moment, nicht eine Sekunde, hat er sich beschwert. Nicht ein Mal hat er mir das Gefühl gegeben, eine Last für ihn zu sein.” Taka drückte Takerus Hand so fest, dass er meinte, für den anderen müsse es definitiv schmerzhaft sein.
 

“Aber es ist nicht deine Aufgabe, dich um ihn zu kümmern.” “Nein, nein ist es nicht, natürlich nicht. Toru ist ein erwachsener Mann, du sagtest es selbst, er kann für sich selber sorgen, aber ich möchte für ihn da sein, aus freien Stücken. Ich weiß, dass mich die Situation belastet und weiß auch, wie schwer es manchmal ist, sein Schweigen auszuhalten, aber gerade deswegen möchte ich da sein, damit er irgendwann mit mir redet. Das ist meine Aufgabe als sein Freund und das ist meine Entscheidung.” Takeru sah ihn nur schweigend an und in Taka weckte es ein mulmiges Gefühl, dass er aufgrund der Dunkelheit, den Ausdruck auf dem Gesicht des Jüngeren nicht sehen konnte. Hatte er ihn mit seinen Worten irgendwie verletzt? Taka räusperte sich. “Ich mache mir einfach Sorgen um Toru, ich hab das Gefühl, dass einfach immer jemand bei ihm sein sollte in dieser Zeit und-” Nun war er derjenige, der mitten im Satz unterbrochen wurde, allerdings nicht von Takeru, der ihm verbal ins Wort fiel, sondern von einem Kuss, sodass alles, was Taka geplant hatte zu sagen, für den Moment in die hinterste Ecke seines Kopfes geschoben wurde.
 

Die Finger des Jüngeren strichen ihm sachte über die Wange und Taka seufzte in den liebevollen Kontakt ihrer Lippen. Es war früh am Morgen, er war hundemüde und eigentlich wollte Taka nichts mehr, als sich endlich ins Bett zu legen, doch als sich Takerus Hand unter sein Shirt schob, rückte auch dieses Vorhaben in vorerst unerreichbare Ferne.
 

“Im Auto?”, fragte er in den Kuss und Takeru lachte nur leise, drückte sich gegen Taka, sodass dieser tiefer in den Sitz sank. Der andere roch nach Zigaretten und Bier, obwohl er den ganzen Abend über keines von beiden angerührt hatte und Taka vergrub seine Nase in den dunklen Haaren Takerus, inhalierte neben den Hinterlassenschaften des Abends dessen eigenen Geruch, der ihn immer ungemein beruhigte. Takeru und alles was er tat strahlte Geborgenheit aus, eine Ruhe, die Taka in Watte wickelte und Taka hatte sich bereits mehr als nur einmal dabei erwischt, wie er sich fragte, ob er und der Jüngere nicht vielleicht in einer Seifenblase lebten, die so viel zerbrechlicher war, als ihm bewusst war.
 

“Taka…” Taka seufzte und lehnte seinen Kopf zurück, spürte die kalte Fensterscheibe an seinem Hinterkopf und Takerus heiße Lippen an seinem Hals, wo sie vorsichtig an seiner Haut saugten.

Das was mit Toru geschehen war, hatte diesen Gedanken an besagte Seifenblase in Takas Bewusstsein zurückgeholt. Da war so viel, was außerhalb der heilen Welt stattfand, die er sich mit Takeru errichtet hatte, da waren Dinge, von denen er keine Ahnung hatte, in die er nicht eingeweiht wurde, die aber enorme Wichtigkeit inne hielten. Auf der einen Seite war Takeru, der ihn mit so viel Liebe überschüttete, ihm so viel Zuneigung schenkte, dass Taka meinte, ihm nichtmal die Hälfte davon zurückgeben zu können und auf der anderen Seite war Toru, gepeinigt und gebrochen und in seinem Zustand alles andere als guter Umgang für Taka, der gerade wieder in ein normales Leben gefunden hatte. Und würde Taka rational entscheiden, so hätte er längst der Illusion von seiner und Takerus perfekter Seifenblase nachgegeben. Doch genau das war der Punkt: Toru machte rationale Gedankengänge unmöglich.
 

Taka erschauderte leicht, als Takeru ihm seine Shorts über die Hüften zog. Einerseits wegen der Temperatur im Auto, die aufgrund der abgestellten Heizung nun wieder gesunken war, andererseits aber auch der Erregung wegen, die ein Prickeln durch jede Faser seines Körpers jagte. Vorsichtig wurde er auf Takerus Schoß gezogen und stöhnte gedämpft in die Schulter des Jüngeren, der seine Finger seine Oberschenkel hinauf schob.
 

“Ich weiß du bist müde, also genieß es einfach.”, säuselte Takeru in Takas Ohr und dieser atmete nur zittrig aus, gab sich ganz dem anderen hin.

Toru war der Grund, warum sich Taka nicht einfach komplett in Takerus Arme fallen lassen konnte und das gegen jeden gesunden Menschenverstand, Freundschaft hin oder her. Taka konnte nicht mit seinem Finger auf das deuten, was genau dieses Zögern in ihm verursachte, es war eher eine unterbewusste Blockade, die er nicht überwinden konnte. Er konnte nicht von Toru ablassen, egal, wie sehr er es versuchte. Taka drückte sich Takerus Händen entgegen, stöhnte - und sah Toru vor sich.
 

Toru, wie er bewusstlos auf Masatos Veranda lag, sich nicht rührte und in Taka nicht geahnte Gefühle der Verzweiflung auslöste, sah, wie Toru ihm lächelnd die Wohnungstür öffnete, ihn willkommen hieß, dort, wo er zuhause war. Und Taka sah, wie es Torus Hände waren, die ihm über den Körper fuhren, ihn liebten.
 

Takeru küsste ihn, befriedigte ihn und Taka dachte an Toru. “Takeru, schneller…” Er war angetrunken, todmüde und erschöpft, sein Kopf spielte ihm Streiche, versuchte das heute Gesehene zu verarbeiten. Und Taka sollte sich schämen für seine Fantasien, dafür dass er sich vorstellte, wie es Toru war, der ihn küsste, wie es Toru war, der ihm ins Ohr flüsterte, dass er ihn liebte.
 

Er ließ die Lider fallen, als ein Bild in seinem Kopf entstand. Taka sah in Torus dunkle Augen, sah auf seine Lippen, die ihn nun nicht mehr küssten, sondern anlächelten, dann auf seine Hände, sah einen silbernen Ring, der Torus linken Ringfinger zierte.

Takas Gedanken waren verschwommen, unscharf wie durch eine Brille mit falschen Dioptrien.
 

Es waren nicht mehr er und Takeru, die im Auto saßen, sondern er und Toru. Es war dunkel, Toru saß am Steuer. Die Hände am Lenkrad. Der silberne Ring funkelte im Schein der Laternen. Toru drehte sich zu ihm, seine Lippen bewegten sich, doch Taka verstand ihn durch die Stille hindurch nicht. Taka sah an sich herab. Ein silberner Ring saß auf seinem linken Ringfinger, ähnlich dem Torus. Oder gar gleich?
 

“Toru, wo sind wir?”, fragte Taka, doch der Blonde ging nicht auf seine Frage ein, schien sie nicht mal wahrzunehmen sondern lächelte ihn nur an, ehe er sich vorlehnte und Taka küsste. Das war keine Vorstellung.

Erschrocken löste sich Taka von Takeru, der ihn verwirrt ansah. “Was ist?”, fragte er und Taka wusste nicht, wohin mit sich. Wohin mit seinem Blick, der vorher nicht von Toru hatte ablassen können, wohin mit seinen Händen, die es genossen hatten, von Torus gehalten zu werden und wohin mit sich selbst, denn gerade, hier und jetzt, hatte Taka das Gefühl den Verstand zu verlieren. Noch immer starrte er Takeru an, der mindestens ebenso schockiert aussah, wie Taka sich fühlte. Takeru, der nicht mehr Toru war.
 

“Taka, was ist los?”
 

“Nichts.”, antwortete er schließlich und ließ seine Arme um den Hals des Jüngeren wandern. Es war nicht mehr kalt im Auto und er war auch nicht mehr müde. “Vergiss es, heute Nacht war das alles ein bisschen viel. Mach bitte weiter.” Mit Nachdruck küsste er Takeru, der nicht eine Sekunde zögerte, diesen Kontakt zu erwidern.
 

Würde Taka sich später ins Bett fallen lassen, würden seine Gedanken ohnehin nur um ein und dieselbe Sache kreisen und den Sänger schließlich in den Wahnsinn treiben.
 

Das war keine Vorstellung gewesen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (14)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yuminewsx3
2018-03-07T15:52:23+00:00 07.03.2018 16:52
Ich liebe dieses Geschichte so sehr 😍 wirst du sie noch weiter schreiben? <3
Von:  Disae
2017-06-22T20:02:47+00:00 22.06.2017 22:02
Das ist die einzige Fan Fiction für die ich mich überhaupt noch einlogge, also danke für's weiterschreiben ^_^
Drama pur, but that's how I like it ;)
Weiter so!!!
Von:  Sayui
2017-01-29T22:36:08+00:00 29.01.2017 23:36
Yay jetzt sitz ich mitten in der Nacht im Bett und versuche nicht zu weinen. Wahrscheinlich wäre einfach heulen die besser Option. Diese Fanfictiom bringt mich noch um. ^^
Von:  Sayui
2016-07-10T01:06:34+00:00 10.07.2016 03:06
Oh Gott warum muss er am Ende an Takeru denken? Hab ich nicht schon genug geheult beim lesen? D: Ich freu mich ich, dass es wieder weiter geht. Hoffentlich muss Toru nicht mehr all zu viel leiden. (Ich schreib auch Fanfictions und meine Charaktere leiden auch aber da weiß ich wenigstens, dass es gut endet und alle glücklich werden.)
Antwort von: abgemeldet
21.07.2016 21:15
*reicht dir Taschentücher* Wir sind leider noch lange nicht über den Berg. :'')
Antwort von:  Sayui
01.08.2016 18:50
Danke. *nimmt Taschentücher und wischt sich Tränen weg* Ich hoff nur, dass wir am Ende vor Freude heulen werden.
Von:  Yuminewsx3
2016-02-24T21:39:30+00:00 24.02.2016 22:39
Danke für das Kapitel. Ich hoffe Taka wird noch alles erfahren :o
Von:  Yuminewsx3
2015-11-21T23:35:49+00:00 22.11.2015 00:35
Ich bin so froh das ich weiter lesen konnte. Und Toru tut mir einfach so schrecklich leid (T_____T)
Antwort von: abgemeldet
01.12.2015 13:58
UNS AUCH orz 💔💔💔
Von:  Yuminewsx3
2015-09-28T20:39:44+00:00 28.09.2015 22:39
Oh neeeeein, ich meine, Takeru ist wirklich toll aber...der arme Toru. Ich will gar nicht wissen wie der sich fühlen muss wenn er das erfährt (T___T)

Naja, ist aber wiedermal klasse geschrieben. Freu mich schon aufs nächste Kapitel! ^^
Von:  Yuminewsx3
2015-08-08T13:38:20+00:00 08.08.2015 15:38
Och nööö, der arme Toru (T___T) Ich bin soooo gespannt wie's weiter geht o_O.
Von:  Yuminewsx3
2015-08-04T10:28:24+00:00 04.08.2015 12:28
Oh nein der arme Taka und Toru tut mir auch so Leid :'( das ist alles soooo traurig (T_T) Ich hoffe es wird wieder alles gut zwischen den beiden. :o

Aber mal wieder richtig toll geschrieben, danke für diese spannende Fanfic <3
Von:  Yuminewsx3
2015-03-19T19:40:54+00:00 19.03.2015 20:40
Ohhh maaaaaan :O :O :O Ich hab mich gerade beim lesen so gefreut: ''Juhuuu!! Taka wacht wieder auf!! ;___; <3'' Dann lese ich weiter und denke mir wieder: ''DAS KÖNNT IHR NICHT MACHEN!!!!! *weini*'' xDD Haha ohje, ich find die Geschichte echt spannen ich husch mal schnell zum nächsten Kapitel <3


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