Memories von Lina_ ================================================================================ Kapitel 5: The world I hide --------------------------- Er wollte er könnte es; die Tränen abermals über seine Wangen laufen lassen, seinem Sänger gestehen, wie es ihm erging, ohne ihn an seiner Seite. Aber um wen sorgte er sich hier eigentlich gerade mehr? Taka musste es doch so viel schwerer fallen. All die Ereignisse, die innerhalb der letzten Jahre geschehen waren und an die der Lockenkopf sich nun nicht mehr zu erinnern vermochte, ließen es so aussehen, als wäre sein Schicksal damit endgültig. Wer konnte ihm denn schon mit Sicherheit sagen, dass seine Erinnerungen zurückkommen würden? Wenn man es genau nahm, dann taperte Taka zum gegebenen Zeitpunkt – und wohl auch in Zukunft – im Nebel. An was oder viel eher an wen konnte sich Taka denn noch vollkommen erinnern? Toru wollte auf keinen Fall, dass sein Sänger wieder so verschlossen wurde, total unsicher darüber, wem er vertrauen konnte und wer eher eine Familie für ihn gewesen war. Der Gitarrist verharrte nun auf einer noch dünneren Eisschicht als zuvor, immerhin wusste er nicht, wie er das Ganze nun handhaben sollte. Was genau war denn gut für Taka und wovor hatte er ihn besser zu beschützen – insofern der Lockenkopf diese Fürsorge überhaupt annehmen würde?   Bestürzt über den sich bietenden Anblick vor ihm, zuckte der Blonde zusammen. Die glasig gewordenen, tief braunen Augen des Sängers füllten sich mit Flüssigkeit, bis doch ein Rinnsal seinen Weg über die zarte linke Wange des Dunkelhaarigen fand. Beinahe war Toru dazu geneigt, den Kleineren einfach in eine feste Umarmung zu ziehen, ihm gleich darauf einen Kuss auf die Lippen zu legen, doch er fing sich. Ein brennender Schmerz machte sich in seiner Brust bemerkbar. Leise schluchzte Taka vor sich hin, war einfach zu geschockt und doch verwirrt von dieser Wahrheit, die ihm einfach banal an den Kopf geknallt worden war. Trotzdem nahm Taka dies seinem Bandkollegen in keinster Weise übel, denn Toru war im Augenblick wohl der einzige, der ihn verstand, da er selbst am Unfall beteiligt gewesen war. Außerdem hatte der Lockenkopf jetzt wenigstens Gewissheit darüber, wie viel seiner Vergangenheit ihm wirklich geraubt worden war.   „Toru.“, schniefte der Kleinere nun. Toru sah daraufhin nur erneut auf, in die traurig glitzernden Augen. „Nimmst du mich in den Arm, bitte?“ Diese einfachen Worte nahmen Toru irgendwie jegliche Last von seinen Schultern, lehnte sich der Blonde einfach nach vorne, sodass sich die zierliche Person, angeschlossen an jenen Geräten, gegen die Brust des Gitarristen lehnen konnte. Gar zögerlich legte Toru seine Hände auf dem Rücken des Anderen ab, schlug sein Herz dabei wie wild, sodass der Blonde befürchtete, Taka würde seinen Herzschlag an der eigenen Brust spüren können. Am liebsten würde der Gitarrist dem Dunkelhaarigen beruhigende Worte zuflüstern, ihn mit ein paar Küssen auf Stirn und Wange wieder zum Lächeln bringen, doch diese Option hatte Toru nun nicht mehr. Und was sollte er dem Sänger schon sagen? Die Worte ´Alles wird wieder in Ordnung kommen. Die Erinnerungen kommen sicher zurück` wären wohl doch eher ein Schutzschild, welches auf einer Lüge basierte und das dem Lockenkopf definitiv nicht weiterhelfen würde. Doch wollte Toru dem Sänger nicht das Gefühl geben, alleine dazustehen in dieser schweren Zeit. Auch, weil der Blonde selbst am Unfall beteiligt gewesen war und sich mit Taka diesbezüglich auf dieselbe Ebene stellen konnte.   „Hey, ich habe dir früher schon geholfen und das wird sich auch jetzt nicht ändern.“ Taka gab ihm darauf zwar keine Antwort, jedoch konnte Toru ein leichtes Nicken in der Umarmung vernehmen und wagte es einfach mal, den Lockenkopf doch ein Stückchen mehr an sich zu drücken. Sachte ließ der Blonde sein Kinn auf der zierlichen Schulter des anderen nieder, die Augen starr vor Schreck, versuchte er die Tränen zu bändigen, wollte er keinerlei Schwäche vor dem Älteren zeigen. Nicht jetzt. Trotz – oder vielleicht auch wegen – der eintretenden Stille, fokussierte sich der Kleinere nun noch mehr auf die Tatsache, dass seine Amnesie einen großen Teil seines Lebens verschluckt hatte, weinte nun noch kläglicher. Toru wollte einfach nichts lieber, als diesem zittrigen Körper an ihm zu sagen, wie sehr er ihn liebte und dass er ihm niemals von der Seite weichen würde, doch dieser Wunsch verflog, sowie der Blonde eine immer unregelmäßiger werdende Atmung an seiner Brust verspürte. Einen leichten Kuss hauchte der Jüngere in die volle Lockenpracht des anderen, so leicht, dass dieser ihn nicht einmal spüren konnte.   „Taka, bitte. Versuch ruhig zu atmen.“ Dieser Satz passte dem Blonden irgendwie nicht. Es war ihm nicht Recht, wie er sich darin ausgedrückt hatte. Beinahe hätte sich doch das Wort ´Schatz` über seine Lippen geschlichen, wie er Taka nur zu gerne nannte und auch jetzt lieber mit diesem Kosenamen beruhigen wollte. Doch trotzdem schien sich der Lockenkopf langsam zu beruhigen, wurde der angespannte, schmale Körper doch augenblicklich lockerer.   -   Der Lockenkopf hatte sich vollkommen beruhigt, sich von der starken Brust gelöst und trotzdem schien er die Situation noch nicht akzeptiert zu haben. Sanft lächelnd, die Hände locker auf der Matratze stützend, warf der Ältere dem Blonden einen Blick zu, mit dem er hoffte zu bewirken, dass er den Gitarristen beschwichtigen würde.             „Danke.“, lächelte der Sänger dem müden Gesicht des Blonden entgegen. Lediglich dieses eine Wort reichte, um dem Größeren ein ehrliches Lächeln auf die fein geschwungenen Lippen zu zaubern, griff der Yamashita rein aus Reflex nach der kleineren Hand, um seine Finger erst über den Handrücken streichen zu lassen und dann doch die eigene Hand vollkommen auf ihr abzulegen. Doch da bemerkte Toru erst, was er da tat, blickte den Dunkelhaarigen perplex an und merkte sogleich ein schreckhaftes, kurzes Zucken seiner Hand, die doch noch immer auf Takas verweilte. Zu stören schien dieser Kontakt den Lockenkopf aber anscheinend nicht, wie Toru kurz darauf anhand von dessen Gesichtsausdruck vermuten konnte. Taka lächelte noch immer – aufrichtig – mit so intensivem Blick dem Blonden entgegen, dass es Besagtem gar einen Schauer den Rücken hinunterjagte.             „´Dafür sind Freunde doch da`, wie man so schön sagt…“ Etwas verstummte der Satz dann doch im Nichts, setzte der Herzschlag des Yamashitas für ein paar gefühlte Sekunden aus und beinahe hätte er sogar das Ausatmen vergessen, würden ihn diese tiefbraunen Augen des Lockenkopfes nicht mit diesem ihm bekannten Hundeblick anschauen. Als hätte sich Toru an siedendem Wasser verbrannt, zog er seine Hand von der des Sängers, sowie sie beide ein Klopfen an der Tür vernahmen, schweiften ihre Augen in die Richtung des genannten Objektes, standen da schon Ryota und Tomoya im Türrahmen. Die beiden verhielten sich wie zwei unzertrennliche Brüder, waren sie doch selten ohne den anderen an der Seite aufzufinden. Ein Grinsen, von einer zur anderen Wange, zierte ihre Gesichter, natürlich waren sie ebenso froh wie Toru, ihr ´Familienmitglied` wieder unter den Lebenden zu sehen.   „Stören wir euch bei irgendwas?!“, flötete Ryota vergnügt vor sich hin, kassierte er für diesen Satz nur einen mehr als finsteren Blick seitens des Yamashitas, verzog sich dadurch sofort das noch zuvor dagewesene breite Grinsen. Taka schien diese Aussage irgendwie ausgeblendet zu haben, zu glücklich war er im Moment, dass nun auch der Rest der Band aufgetaucht war – obwohl für den Sänger nach seiner letzten Vermutung noch Alex dazu gehörte. Das Duo aus Bassist und Drummer war nun auch ans Bett getreten, beäugten den kleinsten ihrer Band schließlich neugierig. „Du hast aber ganz schon was abbekommen. Wie geht es dir denn bisher?“, erkundigte sich Tomoya mit schleichender Besorgnis in der Stimme, waren ihm der Verband am Kopf, sowie die vielen unzähligen Kabel am Arm des Sängers nicht entgangen. „Ist nur halb so schlimm, wie’s aussieht. Höchstwahrscheinlich kann ich morgen sogar schon von der Intensiv runter!“, beschwichtigte Taka wie ein stolzes Kind die Prognose des Chefarztes.   „Du hast uns echt einen Schrecken eingejagt. Toru ist ja immerhin noch glimpflich davon gekommen.“, meinte der Jüngste unter ihnen nur, kratze sich dabei erleichtert am Hinterkopf. „Hmn, aber mal was anderes. Wie viel habe ich eigentlich verpasst? Was genau ist damals mit Alex passiert?“ Stille. Seit diesem Vorfall hatten sie nicht ein Wort weiter darüber verloren und wollten das auch eigentlich nicht wieder aufziehen. Dass Toru die drei damals beisammen halten konnte, war wirklich seiner starken Willenskraft zu verdanken. Vor allem aber war ihnen jetzt klar, wie groß die Gedächtnislücke des Sängers tatsächlich war. Untereinander tauschten sie für ein paar Sekunden unsichere Blicke aus, wollten diese Frage am liebsten umgehen, aber Taka brauchte und wollte nun einmal Antworten, das war ihnen ebenso bewusst wie die Tatsache, dass sie eben dieser Frage nicht aus dem Weg gehen konnten.   „Taka“, ergriff Toru schließlich entschlossen das Wort. „Lass uns das ein anderes Mal klären, in Ordnung?“ Wenn es dem Sänger auch eher schlecht als Recht war, so abgewiesen zu werden, akzeptierte er die Entscheidung des Gitarristen stillschweigend und vertraute stattdessen auf sein Wort. Als Toru dies bemerkte, wollte er gerade einen erleichterten, stummen Seufzer loslassen, jedoch sorgte Ryota doch dafür, dass sein Atem schlussendlich stockte. „Anscheinend sollte dich ein gewisser Jemand über die Zeit mit dir an der Seite aufklären.“ Bei diesem provokanten Satz landete sogleich ein diabolisches Lächeln bei dem Blonden. War Taka dem Blick, den Ryota besagter Person schickte, gefolgt, blieb ein verwirrt dreinschauender Sänger daraufhin nicht ausgeschlossen. Völlig überfordert mit all den Blicken, die einzig und allein auf Toru lagen, suchte dieser in Gedanken nach einem Ausweg, wollte er dem Lockenkopf einfach nicht erzählen, was zwischen ihnen einmal gewesen war und in welcher Zukunft sie so nahe standen, nun aber durch ein einziges Geschehnis, wieder so weit voneinander entfernt waren.   „Ich muss los.“ Kaum hatten diese Worte seine Lippen verlassen, hatte der Blonde seine Sitzposition verlassen und hatte sich bereits seinen Weg an dem Bassisten und dem Drummer vorbei gesucht.             „Wo willst du hin?“, fragte die zaghafte Stimme des Sängers. Auch Tomoya und Ryota schienen keine Ahnung zu haben, was da nun gerade vorging und reagierten ebenso verwirrt wie ihr Sänger auf diese Situation.   „Ich… hab noch ein Date.“ Bei dieser Lüge brachte es Toru einfach nicht übers Herz, den Lockenkopf auch nur ansatzweise anzuschauen, verfehlten seine Augen diesen knapp. „Leider habe ich wegen dem ganzen Hin und Her vergessen ihr abzusagen und einfach nicht zu kommen, oder im letzten Moment abzusagen ist nun mal nicht meine Art.“   -   Dafür, dass er schon am frühen Vormittag bei dem Lockenkopf gewesen war, war es jetzt inzwischen schon dunkler geworden, die Sonne war bereits dabei unterzugehen. Die Zeit bei seinem Taka war ihm viel zu schnell vergangen, als dass Toru sie hätte genießen können, wobei von ´genießen` unter den gegebenen Umständen wohl kaum die Rede war, dachte er dabei doch nur an das Beisammensein mit Taka. Mit dem Taka, den er noch jetzt, trotz des Gedächtnisverlustes, liebte, wie er es noch vor dem Unfall getan hatte. Wieso hatte er es soweit kommen lassen? Was hatte ihn dazu verführt, dem Lockenkopf gegenüber solch eine Lüge zu offenbaren? Dass er eine Beziehung führte – mit einer Frau. Weshalb hatte er es nicht dabei belassen, dass lediglich zwischen ihnen nichts war – und selbst diese Lüge war schon eine viel zu große Sünde – und Toru doch Single war. Niemals hatte Toru die Rolle eines Heuchlers übernehmen wollen, schließlich befand sich Taka doch in solch einer empfindlichen Lage. Wenn er dahinter kam, wie würde er ihm das verzeihen können?             So viele unzählige Gedanken schossen dem Blonden binnen Sekunden durch den Kopf, sodass er nicht den Hauch einer Chance hatte, diese zu sortieren oder gar einfach abzuschalten. Ein brauchbarer Gedanken schob sich letztendlich doch in den Vordergrund, ließ den Blonden auf dem Gehweg stehen bleiben. Toru hatte nicht daran gedacht, wie spät es jetzt wohl sein würde, wie viel Zeit er tatsächlich bei dem Sänger verbracht hatte. Ein Blick auf das silberne iPhone, das er sofort aus seiner Hosentasche herauszog, verriet ihm, dass es bereits sechs Uhr war. Um sich zu vergewissern, schaute er doch noch ein zweites Mal auf den Bildschirm, der trotz des zweiten Versuchs noch immer dieselbe Uhrzeit anzeigte, war Toru doch etwas verwundert darüber, dass er wirklich so lange bei ihm gewesen war. Die Sache besser machen tat dieses Wissen aber auch nicht. Noch immer plagten den Leader Gewissensbisse, die ihn sicherlich noch im Schlaf verfolgen würden und auch wenn eine bekannte Maßnahme gegen solche Fälle nicht die beste Lösung war, hinderte es Toru in diesem Augenblick nicht daran, den nächsten Convini aufzusuchen. Der Wodka würde wohl das einzige sein, was ihn heute durch die Nacht brächte, wo doch sonst immer ein gewisser Lockenkopf für verantwortlich war… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)