Projekt Traumfänger von KleineEidechse ================================================================================ Kapitel 3: Sequenz 003 ---------------------- »Kannst du für mich ein Engel sein Kannst du für mich schuldig sein Stellst du dich ins weiße Licht Meine Augen siehst du nicht … Kannst du in meiner Seele lesen In meinen Träumen bin ich jede Nacht allein« Schwerfällig öffnete sie die Augen. Um sie herum war es dunkel. Nicht, weil es draußen Nacht war, sondern weil sie von einer dichten, undurchdringlichen Schwärze umgeben war. Sie befand sich noch immer im Koma. Ein Zustand, in den man sie zur Regeneration versetzt hatte. Ein Zustand, in dem man ihr den Zugang in die Eigene Welt verwehrte und ihren Körper schlafen ließ ohne träumen zu können. Sie wusste, dass es der schnellste Weg war wieder als einsatzfähig klassifiziert zu werden. Für sie zählte kein anderes Ziel, als so schnell es ging wieder den Dienst aufnehmen zu können. Dafür nahm sie alles in Kauf, auch wenn es bedeutete mehr Quälerei auf sich zu nehmen als nötig war. Auch wenn sie sich niemals beklagen würde, das stand ihr als loyaler Soldat nicht zu, hasste sie diesen Zustand. Im Normalfall befanden sich bei Personen im Koma auch Geist und Seele in einer Art Dämmerzustand, sodass sie den Heilungsprozess nicht aktiv mitbekamen. Bei ihr jedoch war es anders. Ob es an ihren Fähigkeiten lag wusste sie nicht genau, aber sie vermutete es. Ihr Geist war so wach wie immer und obwohl sie von dieser wohlig warmen Schwärze umgeben war, die wie eine Nährflüssigkeit dafür sorgte, dass ihr Körper langsam wieder zusammenwuchs, spürte sie, wie sich ein stechender Schmerz durch ihren Körper fraß. Es fühlte sich an, als würde man ihre Brust mit einem glühenden Eisenpfahl durchbohren und sie unterdrückte mit zusammengebissenen Zähnen den befreienden Schmerzensschrei, auch wenn sie wusste, dass ihn außer ihr niemand hörte. Aber ein Soldat zeigte niemals, wenn er Schmerz empfand, auch wenn es ihn dabei zu zerreißen schien. Das war eine der Richtlinien gewesen, nach denen man sie ausgebildet hatte. Ein Gesetz, das ihr so in Fleisch und Blut übergegangen war, dass sie ihm bedingungslos folgte. In dem Schwarz, dass sie wie eine träge Masse umgab konnte sie sich kaum bewegen. Sie spürte deutlich, dass sich etwas veränderte und ihr Körper dagegen ankämpfte. Jede Faser war angespannt. Wie in Zeitlupe konnte sie nachvollziehen was gerade in ihr vorging. Wie mit quälender Langsamkeit die kaputten Muskelfasern und Blutgefäße wieder zusammengesetzt wurden. Wie er versuchte die Fremdkörper tief in ihrem Fleisch Stück für Stück einzufangen und zu eliminieren. Immer wieder versuchte sie mit aller Kraft einen Zugang in die Eigene Welt zu finden, einen noch so schwachen Faden weißen Lichts zu ergreifen. So hätte sie zumindest für eine Weile dem quälenden Schmerz entkommen können. Aber es gelang ihr nicht. Das Narkotikum war zu stark. Die undurchdringliche Schwärze gab sie nicht frei, sodass sie irgendwann aufgab den Zugang zu finden. Den Reflex, nach dem Licht zu greifen, der ihr als Schutzmaßnahme antrainiert worden war unter den Aufschreien ihrer Seele unterdrückte. Auch wenn sie es niemals zugegeben hätte, fühlte sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich einsam. Allein gelassen mit den Qualen ihres Körpers, die an ihrer Seele zerrten. Etwas veränderte sich. Etwas geschah mit ihr und sie konnte nicht sagen, was es war. Angst hatte sie keine. Ein Soldat hat keine Angst. Aber sie spürte deutlich, dass der Kampf all ihre Kräfte kostete und es beunruhigte sie. Langsam lief ihr eine Träne aus dem Augenwinkel die Wange herab. Sie konnte es nicht verhindern, der Schmerz der in ihr brannte, trieb ihr die salzige Flüssigkeit in die Augen und zum Wegwischen waren ihre Arme nicht fähig. In der Realität bekam man von ihrem inneren Zustand wenig mit. Agent C war noch immer angeschlossen an die Überwachungsmonitore und das Beatmungsgerät, die leise Geräusche von sich gaben. Man hatte sie mittlerweile auf die isolierte Intensivstation verlegt, solange man nicht genau wusste, was passiert war und wie es möglich war ihr zu helfen. Die Messwerte die man erhoben hatte ließen die Ärzte mit Rätseln zurück. Solche Daten waren ihnen noch nicht begegnet. Ihrem Vorgesetzten hatte man berichtet, dass die Ärzte nicht viel tun konnten und man abwarten müsse. Es müsse erst analysiert werden, was die krampfartigen Anfälle und Fieberschübe verursachte, von denen ihr zierlicher Körper regelmäßig geschüttelt wurde. Man hatte versucht Medikamente zu verabreichen um den Heilungsprozess zu fördern, allerdings schien die junge Frau auf keines zu reagieren. In den Laboren wurde mit Hochdruck daran geforscht, eine Möglichkeit zu finden, sie schnell wieder auf die Beine zu kriegen. Im selben Raum in einem der anderen Betten neben ihr lag ihr Partner. Auch Agent T war angeschlossen an ein medizinisches Überwachungssystem. Es hatte einige Stunden im Operationssaal gekostet um die tiefen Wunden, die der Kampf in der Eigenen Welt geschlagen hatte wieder zusammenzuflicken. Letztendlich war es den Ärzten gelungen ihn wieder herzustellen. Den weiteren Weg zu vollständigen Regeneration würde er alleine schaffen. So hatte man es seinem Vorgesetzten berichtet. Der junge Mann befand sich noch im Koma, war aber bereits auf dem Weg daraus aufzuwachen. Man hatte das Narkotikum bereits vor Stunden neutralisiert. Irgendwann mitten in der Nacht schlug der junge Mann mit einem leichten Aufseufzen die Augen auf. Ein schmerzhafter Impuls zuckte durch seinen Körper, als sich dieser der endgültigen Verbindung mit der Realität bewusst wurde. Er fühlte sich müde und schlapp und sein Körper machte den Eindruck völlig bewegungsunfähig zu sein. Ein wenig desorientiert blinzelte er um den noch leicht verschwommenen Blick zu klären. Viel half es nicht. Vorsichtig bewegte er den Kopf zur Seite um festzustellen wo er sich befand. Weiß gekachelte Wände, Leuchtstoffröhren an der Decke und der penetrante Geruch nach Desinfektionsmittel ließen ihn erahnen, dass er sich im Krankenhaustrakt befand. Die Metallkonstruktion seines Bettes, die daraufhin in sein Blickfeld trat bestätigte ihm seine Vermutung. Sein Blick klärte sich und nach und nach nahm er auch die Vorhänge, die als Sichtschutz zwischen den einzelnen Betten hingen wahr. Es war ein kleiner Saal mit mehreren Betten. Überraschung schlich sich in sein Gesicht, als er realisierte, dass die Vorhänge zwischen den Krankenbetten nicht zugezogen waren und neben ihm noch eine Person lag. Es dauerte einen Moment, bis er sie als seine Partnerin identifizierte. Während an seinem Körper kaum noch Dioden und Kabel hingen, schien der Körper der jungen Frau regelrecht übersät zu sein damit. Er versuchte sich zu erinnern was geschehen war und vor seinem geistigen Auge tauchte das letzte Bild auf, das er gesehen hatte, bevor man ihn in das Koma versetzt hatte. Es war der Blick seiner Partnerin, der ihn auf ungewöhnlich klare Art und Weise getroffen hatte, während sein eigener bereits völlig verschwamm. Der Schlauch den man ihr in die Luftröhre eingeführt hatte um sie beatmen zu können und der sich noch immer dort befand ließ ihn vermuten, dass sie sich in einem weitaus schlechteren Zustand befand als er selbst. Er wusste nicht, was genau mit ihr passiert war, aber das Bild der schwarzen Masse, die in ihren Körper eindrang ließ ihn nicht los. Es beunruhigt ihn, ohne dass er dieses Gefühl näher begründen konnte. Aber er war sich sicher, dass es noch Probleme verursachen würde. T versuchte sich aufzusetzen und es gelang ihm trotz eines leisen Aufstöhnens auch einigermaßen schmerzfrei. Wieder fiel sein Blick auf seine Partnerin und er musste feststellen, dass ihr Gesicht angespannt aussah. Er ahnte, dass man sie in das Koma versetzt hatte. Er kannte ihre Akte nur zum Teil, weil sie nicht frei zugänglich war, vermutete aber, dass es nicht die Wirkung auf sie hatte, die es hätte haben sollen. Eine Weile lang musterte er die junge Frau und bemerkte, wie sich immer wieder ihre Finger in die dünne Decke in die ihr Körper gehüllt war krallten. Sie schien große Schmerzen zu haben. Auf eine seltsame Art wirkte sie ungewöhnlich zerbrechlich, da die Ärzte offenbar auch nicht wussten, was mit ihr geschehen war. Unvermittelt verspürte er den Bruchteil einer Sekunde lang den irrationalen Wunsch ihr helfen zu wollen. Allerdings war ihm durchaus bewusst, dass er das weder durfte noch konnte. Jemand der sich im Koma befand war auf sich alleine gestellt. Es gab keine Möglichkeit an ihn heran zu kommen. Selbst wenn man ihm also die Erlaubnis erteilt hätte, würde er keinen Zugang zu ihr finden. T schüttelte den Kopf über diesen Gedankengang, als ihm einfiel, dass jeder Mensch, den man in diesen Zustand versetzt hatte, ein unterschiedlich schwaches Abbild in der Eigenen Welt besaß. Einen Moment lang keimte in ihm eine Idee, die es ihm ermöglichte zumindest herauszufinden, was passiert war, jedoch verwarf er sie gleich wieder. Seine eigene Gesundheit stand im Vordergrund. Ein Besuch in der Eigenen Welt war anstrengend und er fühlte sich nicht bereit dafür. Er wurde von einem leisen Aufstöhnen der jungen Frau aus seinen Überlegungen gerissen. Sie wand den Kopf leicht hin und her und er konnte sich vorstellen, dass sie sich im Koma vor Schmerzen krümmte. Mit einem Mal realisierte er, dass sie alleine war und gegen etwas ankämpfte, das sie vermutlich nicht besiegen konnte. Er bemerkte, wie eine Träne sich aus ihrem Augenwinkel stahl und die Wange herab rann. Es bestürzt ihn zu wissen, dass sie völlig auf sich gestellt war und ohne es wirklich zu bemerken ertrug er den Gedanken kaum. Als ein leichtes Zittern über den Frauenkörper lief, beschloss er in die Eigenen Welt einzutauchen und zumindest zu versuchen ihre Signatur zu finden. Seufzend ließ er sich zurück in die Kissen sinken und schloss die Augen. Langsam tastet er nach ihrer schwachen Präsenz. Bündel von Energie flirren um ihn herum. Die Stromkabel stören seine feinen Sinne. Doch er bewegt sich weiter durch den Raum der Träume. Er folgt blind seinen Instinkten, schwebt förmlich durch den ansonsten so gefährlichen Raum. Er spürt ihre Aura. Ungewöhnlich stark für jemanden im Koma, aber es überrascht ihn nicht wirklich. Er streckt seine Hand nach ihr aus, versucht trotz aller Verbote in ihr Koma einzutauchen, doch es gelingt nicht. Er kann nur seine Hände behutsam auf ihre Aura legen und ihr zuflüstern: „Ich warte auf der anderen Seite auf dich, bleib stark und konzentriere dich auf die Heilung“ bevor ihn selbst die Erschöpfung übermannt und er abrupt in seinen Körper zurückgezogen wird. Die Ärzte schwirrten hektisch durch den Raum, da von beiden Patienten ungewöhnliche Messwerte ausgingen. Die Maschinen spuckten eine wirre Kakophonie aus Pieps-Tönen und wirren Kurven auf den Anzeigen aus. Doch sie fanden nichts. Patient T war wieder in einen kritischeren Zustand gefallen und sie konnten es sich nicht erklären. Sein Körper war auf voller Funktionsleistung, obwohl er eigentlich ruhig an seiner Heilung hätte arbeiten sollen. Die Narkotika wirkten nicht. Als gerade die vierte Spritze mit Beruhigungsmittel in seine Venen injiziert werden sollte, spannte er unwillkürlich seine Arme an und ließ das stählerne Röhrchen brechen. Sein Körper bäumte sich auf. Nur mit Mühe konnten sie ihn auf dem Bett halten. Sie bemerkten unter ihrer Anstrengung nicht, wie er in seinem Kampf kurz die Augen einen Spalte breit öffnete und zu C hinüber sah, um als einziger den kurzen Anflug von einem sanften Lächeln auf ihren Zügen wahrzunehmen. Schmerz breitete sich von seiner Brust ausgehend in seinem Körper aus und bevor er noch aufschreien konnte, umfing ihn wieder die sanfte Stille des Komas. Er erwacht in seinem Rückzugsort, genau wie er gehofft hat. Der sanfte, warme Wind der durch den dichten Wald streicht umfängt ihn zur Begrüßung. Der kleine Bach plätschert leise zur Melodie der raschelnden Blätter. Die Berge stehen mächtig hinter der kleinen Blockhütte in einem majestätisch-gleichem blau-weiß. Das kniehohe grüne Gras der Bergwiese wiegt sich im Takt der Natur. Seine Hände berühren die Spitzen sanft als T auf seine Hütte zugeht, den Kopf in Nacken gelegt, die langen weißen Haare dem Wind preisgegeben, die dunkle weite Robe leicht wabernd. Ein Grinsen umspielt seine Lippen. Hier können sie ihn nicht verfolgen, nicht abhören, nicht angreifen. Und C wüsste sicherlich wann es richtig ist zu ihm zu kommen, die Einladung hatte er ihr ja vorher ausgesprochen, zusammen mit dem Schlüssel zu dieser Welt. Er lacht leise als er sich im Schneidersitz auf die Veranda setzt, die Hände wie zur Meditation entspannt auf seinen Knien legt und einfach im Klang der längst vergangenen Natur ruht. Sie würde kommen. In der Realität begann sich Cs Körper unter heftigen Krampfanfällen zu schütteln und das Geräusch des Pulsmessers schien unter den unregelmäßigen Schwankungen immer schrillere Töne von sich zu geben. Die Ärzte, die umgehend in den Raum geeilt waren versuchten verzweifelt, die Patientin unter Kontrolle zu bringen, während sich die Werte von T wieder stabilisierten. Das Szenario welches sich ihnen bot war völlig neu und so waren sie auch nicht darauf vorbereitet worden. Mit allen Mitteln arbeiteten sie daran, beide Patienten wieder in einen völlig stabilen Zustand zu versetzen. Sie watet weiter durch ihre Dunkelheit. Ohne Licht. Das dumpfe Gefühl der immer noch starken Schmerzen wabert mit ihren pfadlosen Schritten. Doch fühlt sie eine vertraute Nähe, jemand den sie kennt und insgeheim eventuell sogar schätzt, ist in ihrem Traum. „Wie kann das sein?“ Der Gedanke hallt durch die Leere. Instinktiv weiß sie, dass sie folgen sollte, doch ist es richtig? Sie weiß, dass es unmöglich ist. Doch vertraut sie ihrem Gefühl und greift mit den Sinnen nach der Aura und fliegt durch einen Farbstrudel von Regenbogenfarben. Lila, Braun, Schwarz, Weiß, Rot, Gelb, Grün, Blau aus dem Koma wo anders hin. Als sie ihre Augen öffnet blickt sie in ein wundervolles Tal. Vögel zwitschern leise auf den Bäumen, hinter ihr ist eine Blockhütte. Das Wasser springt im Bach herum und der Wind treibt die weißen Wolken über den stahlblauen Himmel. Es ist wie in den Videos von der alten Welt die man ihr gezeigt hat, als sie noch klein war. Langsam den Wind auf der Haut genießend dreht sie sich im Kreis und entdeckt dabei eine Person meditierend und ruhig auf der Veranda sitzend. Langsam, den militärisch antrainierten Instinkt nicht vergessend, geht sie auf diese zu. Mit jedem Schritt den sie näher kommt meint sie, dass sie eben jene kennt, bis sie kurz vor der Person steht. Es ist T, doch um viele Jahre gealtert. Er sitzt ruhig da, sein langes weißes Haar spielt im Wind, seine Mine ist zum ersten Mal seit sie ihn kennt entspannt. „T?“ fragt sie. Er öffnet langsam die stahlblauen Augen, nickt kaum erkennbar. „Was ist mit dir passiert?“ Ein Lächeln umspielt seine Lippen. „Nichts. Man zahlt einen hohen Seelenpreis als Alptraum. Das hier was du hier siehst, auch wenn es ein bisschen dir angepasst ist, ist ein Ort der Perfektion und des Friedens. Wir lernen es von klein auf das Schöne zu sehen um Angst zu haben es zu verlieren. Das ist der Kern eines Alptraumes. Es ist gut, dass du hier bist.“ Sie mustert ihn lange und ehrlich erstaunt. „Wie sehe ich aus? Ich bin im Koma.“, flüstert sie dann. Sie wirkt niedergeschlagen. „Du bist eine weiße Lichtsphäre und nur der Teil deiner Seele der dich ausmacht. Dein militärischer Teil prügelt sich gerade noch um deinen Körper nach unserer letzten Reise. Du fragst dich sicher was passiert ist?“ „Ja“, flüstert sie. Seine Stimme ist so ruhig so entspannt, als wäre er schon seit tausend Jahren hier, wäre mit den Bäumen aufgewachsen und hätte sie sterben sehen nur um dann ihre Kinder wachsen zu sehen. Zu sehen wie die Steine langsam schrumpfen und zerbröckeln, wie die Berge wachsen und wieder glatt geschliffen werden. Sie klingt alt, warm, gemütlich. Tief. „Anscheinend ist unser letzter Klient in deine Seele eingedrungen und will nicht sterben. Unsere Vorgesetzten haben es nicht mitbekommen. Dein Körper verkrampft sich unter dem Kampf. Es ist jener Kampf den du nie wirst beenden können, er wird immer ein Teil von dir bleiben. Aber wenn du weiter kämpfst wirst du nur sein flüstern hören.“ Ein Fisch springt im Bach. Sein leises Platschen bettet sich in das Säuseln des sanften Bergwindes ein. „Und wieso bin ich hier?“ Seine Augen werden glasig, dunkler und wenden sich schließlich zum Boden. Er seufzt leise, gar innerlich. „Ich dachte mir, dass du Zuspruch brauchen könntest… sind wir nicht Partner? Wir wurden beide schwer verwundet, aber können heilen. Kommst du zurück?“ Seine Augen schauen vom Boden auf und fixieren sie. „Ja, aber kann ich nicht hier bleiben? Hier ist es so schön!“ „NEIN!“ er springt auf und schlägt mit der Hand das Geländer weg. Es knackst laut und splittert auf die Wiese. Cs Lichtsphäre weicht automatisch einen Schritt zurück. „Noch darfst du nicht sterben. Geh zurück und kämpfe und wach auf!“ Sie ist wieder in ihrer Leere. Einsam. Nur die Worte hallen in ihr. „WACH AUF!“ „Wach Auf!“ „Wach auf.“ „Wach…. auf…“ Es ist wieder die leere und ihr Kampf tobt weiter. Die Schmerzen kehren zurück und diese Angst vor niemals endender Dunkelheit wird greifbar. „Wach… auf….“ Sie krampft sich in sich zusammen. Schüttelfrost durchjagt sie, ein Teil der nie der ihre war gehorcht nicht. „Wach auf!“ Sie ballt ihre Hände zu Fäusten, presst die Zähne aufeinander bis es schmerzt und konzentriert sich. „Wach auf!“ Es ist als würde schwarzer Matsch versuchen sie zu umhüllen und zu ersticken, doch in ihrem Kopf ringt sie ihn nieder, tanzt förmlich um ihn. „WACH AUF!“ Ein letzter Schlag. Die Schmerzen verschwanden und die Präsenz war auf eine dunkle, wimmernde Gestalt in einer Ecke ihrer Seele zusammengeschrumpft. Langsam öffnete sie die Augen und starrte in das Gesicht eines jungen Arztes. Ein Stöhnen drang vom Nachbarbett aus an ihre Ohren. T hatte sich unter offensichtlichen Schmerzen aufgerichtet und knurrte dem Arzt eine Bemerkung über die mangelhafte Versorgung mit Schmerzmitteln entgegen. C begann unmittelbar röchelnd zu husten und zu würgen, nachdem ihre Lunge wieder aus eigener Kraft funktionierte und der Beatmungsschlauch von ihrem Körper als Fremdkörper wahrgenommen wurde. Der junge Arzt bemühte sich so flink er konnte ihn zu entfernen, was ihr allerdings einen herben Schmerz durch die Brust jagte. Noch immer hustend krümmt sie sich leicht zusammen, während sie sich gleichzeitig auf die Seite rollte. Jemand griff nach ihrem Arm. Man spritzt ihr ein leichtes Beruhigungsmittel und langsam ließ der starke Hustenreiz nach. Ihr Körper entspannte sich deutlich und sie begann ruhig zu atmen. Dennoch lief in unregelmäßigen Abständen ein leichtes Zittern durch ihren Körper. Sie war am Ende ihrer Kräfte. T, der sie unauffällig beobachtet hatte sah ihr das deutlich an. Die Schmerzen, die durch seinen Körper jagten ebbten langsam aber sicher ab. Ohne es wirklich zu realisieren durchströmte ihn ein schwaches Gefühl der Erleichterung, darüber dass sie die Augen wieder aufgeschlagen hatte. Der junge Arzt checkte Cs Vitalfunktionen gründlich, bevor er den Raum verließ. Das medizinische Personal um ihn selber verabreichte ihm eine letzte Spritze mit Schmerzmittel, bevor es sich zum Gehen abwandte. T ignorierte sie, sein Blick verweilte auf seiner Partnerin, die sich noch immer nicht bewegt hatte. Als einer der Männer jedoch den Vorhang zwischen ihren Betten zu ziehen wollte, griff er ihn am Handgelenk. Sein scharfer Blick ließ den medizinischen Mitarbeiter in der Bewegung innehalten und die Hand wieder sinken. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und verließ ebenfalls den Raum. Zuvor schaltete er noch das Licht aus, denn draußen war es bereits wieder Nacht geworden und sie würde noch einige Stunden andauern. Dunkelheit erfüllte den Raum, in den endgültig Stille einzog. Lediglich ein fader Lichtschein erhellt den Raum noch schemenhaft. Ein leises Rascheln zu seiner Rechten sagte T, dass C sich doch bewegte. Er wandte den Kopf in ihre Richtung und stellte fest, dass sie sich auf den Rücken gedreht hatte. Ein Arm lag über ihren Augen, als würde sie versuchen den Blick vor etwas zu schützen. Leise Geräusche verrieten ihm, dass sie ein Husten unterdrückte. Eine Weile beobachtete er sie nur, bevor er schließlich das Wort an sie richtete. „Du solltest versuchen zu schlafen.“ C nahm den Arm von den Augen und wandte sich ihm zu. Sie schien seine Anwesenheit jetzt erst wirklich wahrzunehmen. Schwerfällig richtete sie sich auf und musterten ihn eine Weile. Ihr Blick war kühl und berechnend. „Was weißt du über das Projekt Traumfänger?“ Ihre Stimme war rau und kratzig, als sie sprach. T schwieg und dachte nach, bevor er antworten konnte. „Ein Programm zur Lokalisierung und Ausbildung veränderter Menschen zu Agenten des Staates um Traumgefangene rückführen zu können.“ C nickte. Es war genau das, was alle wussten. Sie zögerte einen Moment, bevor sie weiter sprach. „Es gab einen zweiten Teil des Projekts. Man nannte es Transhuman. Sie haben es als Zuchtprogramm bezeichnet. Der Versuch Agenten, speziell für den Einsatz als Traumfänger zu züchten. Im Labor die Zusammensetzung der Gene und Mutationen zu erforschen die zu der Fähigkeit führt, die uns ausmacht und diese gleichzeitig zu perfektionieren. Damit man nicht mehr der Laune der Natur ausgesetzt ist und auf das Glück angewiesen. Modifizierte Traumfänger quasi. Es wurde eingestellt, nachdem die Lebenserwartung der Versuchsobjekte nicht über das Kindesalter herausging. Je höher der Synchronisationslevel, desto geringer die Spanne, in der die Vitalfunktionen arbeiten. Die Züchtungen die es erfolgreich geschafft haben das Programm zu meistern sind an einer Hand abzählbar.“ Sie machte eine kurze Pause und mustere ihn dabei leicht anwesend. Das Sprechen strengte sie an und es kratze in ihrem Hals. Wieder unterdrückte sie einen leichten Hustenreiz, bevor sie weiter sprach. „Gleichzeitig mit dem Synchronisationslevel wird die Arbeitsfunktion der Seele maximiert.“ T wusste, was das bedeutete. Je höher diese war, desto besser fand sich ein Traumfänger in den Welten zurecht. Der Nachteil daran war allerdings, dass die Seele dann nicht mehr zur Ruhe kam. Der Traumfänger war also permanent bei Bewusstsein, egal in welcher Ebene er sich gerade befand. Ein Synchronisationslevel von 100% bedeutete, dass ein Traumfänger in jeglichem Zustand immer bei vollem Bewusstsein war. Eine Regeneration, wie ein normaler Mensch sie im Schlaf vornahm konnte der Traumfänger nur in seinem Rückzugsort innerhalb der Eigenen Welt. Er musterte C mit leicht schief gelegtem Kopf, die offenbar genug gesagt hatte. Ihr Blick folgte den Dioden an ihrem Arm und sie wandte sich der Maschine zu, an die die Kabel angeschlossen waren. Ihre Hand griff zielsicher nach dem Schalter, der für die Stromversorgung zuständig war und legte ihn um. Mit einem leisen Summen schaltete sich das Gerät ohne weitere Geräusche ab. T hob erstaunt die Augenbrauen, als er sah, wie seine Partnerin mit einem leichten Ruck die Dioden geübt von ihrem Arm entfernte und sich so von den vielen Kabeln an ihrem Körper befreite. „Ich glaube, das ist keine gute Idee.“, murmelte er leise, doch sie verstand ihn. „Glaub mir, ich liege hier nicht zum ersten Mal. Mittlerweile kenne ich meine Vitalkurven und weiß, wann sie gut aussehen. Es ist nicht angenehm mit einem Beatmungsschlauch in der Luftröhre aufzuwachen. Auch nicht das erste Mal.“ Ihr Blick wurde für den Bruchteil einer Sekunde trüb, aber es fiel ihm auf und er vermutete, dass ihr gerade in diesem Moment Bruchstücke ihrer Erinnerungen vor dem inneren Auge aufgeblitzt waren. Sie schlug die Bettdecke mit einer Bewegung zurück, die offenbar auch die Erinnerungen Wegwischen sollte und setzte sich auf die Bettkante. „Außerdem brauche ich jetzt dringend einen Schluck Wasser.“ Vorsichtig erhob sie sich und als ihre nackten Füße den kalten Boden berührten, befürchtete T einen Moment lang, dass ihre Beine unter ihr nachgeben würden, doch sie stand sicher. Zwar schwankte sie ein wenig, als sie zielstrebig auf eine Tür am Ende des Raums zusteuerte, aber sie hielt sich auf den Beinen. Dort angekommen blieb sie stehen und lauschte einen Moment auf die andere Seite, bevor sie die Tür schließlich einen Spalt öffnete. Gedämpft fiel weißes Licht hindurch in den Raum hinein. Sie öffnete sie ein Stück weiter, der Spalte wurde größer und erhellt den Raum ein wenig. C wandte sich noch mal zu ihm um. „Was du noch wissen solltest.“ Im Licht des Flures sah er nur ihre Silhouette, er spürte ihren Blick auf sich. Kurz bevor sie durch den Türspalt entschlüpfte erhob sie noch mal die Stimme und er konnte das bittere Lächeln, das ihre Lippen umspielte durchaus an ihrem Tonfall heraushöre. „Ich schlafe niemals.“ Ruhig beobachtete der Mann die weiße Lichtgestalt vor sich. Die Unruhe, die in ihm tobte und die Fragen, die ihm auf der Zunge brannten, ließ er sich nicht anmerken. Die Bilder, die zwischen ihm und der Gestalt aufflimmerten sollten ihn eigentlich beruhigen und die Zweifel wegwischen, doch dem war nicht so. Dennoch sprach er nicht aus, was in seinem Kopf vor sich ging. Es wäre unhöflich dem Vater gegenüber, dem er seinen ganzen Respekt zollte und dem er folgte ohne dessen Entscheidungen zu hinterfragen. Stattdessen beobachtete er wie die Lichtgestalt immer wieder nach hauchdünnen Fäden weißen Lichts griff und sie an scheinbar willkürlichen Stellen miteinander verband. Die Zeit um ihn herum schien still zu stehen, doch die Gestalt ihm gegenüber richtete das Wort mit ihrer Stimme die keinem Geschlecht zuzuordnen war an ihn. „Ich spüre deine Zweifel, mein Sohn.“ Beschämt wandte der Mann den Blick ab. Hatte er doch gehofft man würde ihm seine Gedankengänge nicht ansehen. Wie naiv er doch war zu glauben, dass man dem Vater etwas verheimlichen konnte. „Verzeiht mir Vater. Es ist nicht richtig den großen Plan in Frage zu stellen.“ Ein Flimmern lief über die Stelle an der man das Gesicht hat der Gestalt vermutete. Fast einem milden Lächeln gleich. „Es sei dir verziehen mein Sohn, denn ich weiß woher deine Zweifel rühren. Du fragst dich, was mich so sicher macht, nicht wahr?“ Der Mann nickte nur, erneut darüber verblüfft, wie gut der Vater doch in ihnen allen lesen konnte. „Ich werde es dir erklären, Sohn. Hör gut zu, denn ich werde es nur einmal sagen.“ Aufmerksam wandte sich der Mann der Lichtgestalt zu, die erneut nach einem hauchdünnen blau schimmernden Faden Licht griff. „Sieh genau hin mein Sohn. Diese Lichtfäden sind nichts anderes als Zeitlinien. Über die Jahre hinweg hab ich mir die Fähigkeit angeeignet sie zu erkennen und sichtbar zu machen. Es hat viele weitere Jahre der Übung bedurft, bis es mir gelungen ist, sie berühren zu können. In undefinierbaren Abständen erscheinen auf den Linien so genannte Knotenpunkte. Ist man in der Lage diese zu greifen kann man zwei Linien miteinander verbinden, oder sie voneinander trennen. So kann man beeinflussen wie die Zukunft einer bestimmten Person aussehen soll. Leider ist es nur möglich eine bestimmte Anzahl an Linien gleichzeitig zu kontrollieren. Der Rest bildet zugegebenermaßen ein Risiko, das aber so gering und gut einschätzbar ist, dass man auch dieses voraussehen kann.“ Der Mann brauchte eine Weile, bevor er nickte. Was der Vater ihm erklärt hatte, war selbst für einen Menschen mit seinen Fähigkeiten nicht leicht nachzuvollziehen. Er hatte stets gewusst, dass der Vater über große Macht und außergewöhnliche Fähigkeiten verfügte. Sonst wäre er nicht der Kopf ihrer Organisation. Dennoch war die Aussicht Kontrolle über Zeit und Zukunft zu haben immer noch etwas Irrationales für einen Sterblichen. „Ich verstehe Vater.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)