Engel tragen nicht immer Flügel von kateling ================================================================================ Kapitel 1: Auf dem Weihnachtsmarkt ---------------------------------- Kapitel 1: Auf dem Weihnachtsmarkt Adam saß am Rand des Weihnachtsmarktes und starrte blind auf seine eiskalten Finger. Jonathan hatte ihn nur ungerne dort sitzen lassen, aber nach der zweiten Reihe Gedränge hatte er einfach die Nase voll. Am liebsten wäre er auf der Stelle nach Hause gefahren, aber jetzt wo sie schon einmal hier waren, wollte er seinem Freund nicht den Spaß verderben. Vor allem wo Jonathan einen ehemaligen Klassenkameraden getroffen hatte. Also hatte er sich ohne Widerworte gelten zu lassen hier her an den Rand zurückgezogen und hatte die beiden ziehen lassen. Aber er hätte sich vorher noch einen Kinderpunsch bringen lassen sollen, denn mit dem Rollstuhl käme er nicht einmal bis zu der Bude. Seine Finger waren taub und steif. Müde fuhr er sich über die Augen. Plötzlich zog sich eine leichte Erschütterung durch seinen Rollstuhl. Er fuhr herum und wollte gerade denjenigen anschnauzten, der da in ihn hinein gerannt war, als sein Blick auf den kleinen Störenfried fiel. Ein Mädchen mit feuerroten Locken. Grünen Augen und einer roten Mütze saß auf dem Boden und sah verkniffen zu ihm auf. „Alles in Ordnung, Kleine?“ Vorsichtig um ihr nicht über die Finger zu rollen drehte er seinen Rollstuhl zu ihr herum. „Warum hat dein Stuhl Räder?“ Mit großen Augen sah sie zu ihm auf. Adam rutschte ein wenig nach vorne und klappte die Fußstützen zur Seite um einen sicheren Stand zu haben. Dann beugte er sich zu dem Mädchen hinab. „Steh erst mal auf, der Boden ist doch eisig kalt!“ Das Mädchen nahm seine ausgestreckte Hand und ließ sich von ihm auf die Beine ziehen. „Wofür sind die Räder?“ Vorsichtig berührte sie das kalte Metall. Adam zögerte. Sein Blick lag auf ihrer kleinen behandschuhten Hand. „Ich kann nicht gut laufen!“ Große grüne Augen sahen ihn an. „Du kannst nicht laufen?“ Aus irgendeinem Grund wollte er das richtig stellen. Das kam selten genug vor. Die meisten Leute kamen ja nicht einmal auf die Idee ihn auf seine Behinderung anzusprechen. So als wäre das ein Tabuthema, ein rotes Tuch. Sie alle hatten Mitleid mit ihm. Aber dieses kleine rothaarige Mädchen dachte nichts von alledem. In ihren Augen stand nur Interesse. Also deutete er nach vorne auf eine Bude, die gut zwanzig Meter von ihnen entfernt war und auf deren Dach ein großer Weihnachtsmann stand. „Siehst du die Bude dort vorne, die mit dem Weihnachtsmann oben drauf?“ Er wartete auf das Nicken des Mädchens. „Bis dahin könnte ich laufen!“ Aber auch nur unter Schmerzen und der Weg zurück wäre auch unmöglich. Resigniert sah er auf sein linkes Bein. Schon bei der kleinsten Belastung fühlte es sich an, als würde man ihm ein glühendes Messer ins Bein rammen. „Warum hast du dann keinen Stock?“ Die Kleine war nicht dumm, aber Adam hatte das bereits versucht. Für kurze Strecken kamen Stützen auch definitiv in Frage. Zuhause nutzte er sie auch, aber längere Strecken konnte er damit nicht bewältigen. Denn auch wenn er das linke Bein vollständig entlastete, war da trotzdem noch der Zug, der durch das Eigengewicht seines Beines entstand und der dazu führte, dass er nach knappen fünfzehn Minuten nicht mehr stehen oder gehen konnte. Aber das wollte er keinem Kind erklären. Stattdessen wechselte er das Thema. „Wo sind eigentlich deine Eltern?“ „Mama ist mit Mark Punsch holen. Ich soll hier auf sie warten!“ Das Mädchen lächelte fröhlich und pustete sich eine Locke aus dem Gesicht. „Wie heißt du?“ Abwartend sah sie zu ihm auf. Adam zögerte. Was wollte dieses Mädchen mit seinem Namen. Morgen hätte sie ihn sowieso wieder vergessen. Als er nicht reagierte streckte sie ihm ihre kleine Hand entgegen. „Ich bin Lola!“ Da nahm er ihre Hand in seine und schüttelte sie leicht. „Adam!“ Erwiderte er und lehnte sich wieder zurück. „Lola wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst nicht einfach wildfremde Menschen ansprechen!“ Eine junge Frau mit langen roten Locken beugte sich zu dem Mädchen hinunter und gab ihr eine Tasse in die Hand. „Entschuldigen Sie, wenn Lola sie gestört…“ Die Frau sah ihn das erste Mal an und brach mitten im Satz ab. „Herr Woods…“ Adam zog die Brauen zusammen, dass sie seinen Namen war nicht gerade ungewöhnlich, immerhin stand er als Besitzer eines Weltunternehmens in der Öffentlichkeit. Viel verwirrender war, dass diese Frau ihm aus irgendeinem Grund bekannt erschien. „Entschuldigen sie, ich kenne sie, aber an ihren Namen kann ich mich nicht erinnern.“ Die Frau strich sich die Locken aus der Stirn und schnappte einen kleinen Jungen mit grüner Mütze an der Jacke, der gerade losstapfen wollte. „Hier geblieben, du Frechdachs!“ Der Junge prustete und nippte dann an seiner Tasse, blieb allerdings stehen. „Entschuldigen sie, die beiden machen manchmal was sie wollen. Mein Name ist Liliana Berger. Ich arbeite für sie.“ Adam musste schlucken, eigentlich kannte er alle seine Angestellten, obwohl vor allem in den letzten Wochen seine Aufmerksamkeit wohl zu wünschen übrig gelassen hatte. „Entschuldigen Sie Frau Berger!“ Die junge Frau lächelte und schüttelte leicht den Kopf. „Das macht nichts. Außerdem bin ich erst seit einer Woche in ihrer Firma angestellt.“ Lola sah zwischen ihrer Mutter und Adam hin und her, dann blieb ihr Blick an seinen schlanken Händen hängen. Adam rieb sich die steifen Finger und bewegte sie vorsichtig. Wo zum Teufel steckte eigentlich Jonathan? „Hier nimm!“ Überrascht ah er auf die Tasse, die Lola ihm hinhielt. „Das ist deine Tasse!“ Doch die Kleine zog ihre ausgestreckte Hand nicht zurück. „Aber du frierst.“ Da hatte Lola recht, aber deswegen konnte er trotzdem ihr Angebot nicht einfach so annehmen. „Ich kann mir auch selbst einen Punsch holen!“ „Aber du kannst doch nicht laufen!“ Adams graue Augen wurden dunkel und er senkte den Blick. Die Worte selbst waren nicht das was ihn aus dem Konzept brachte, sondern ihre unbekümmerte Art, so als wäre das für sie einfach eine Selbstverständlichkeit. „Du kannst mir auch Geld geben!“ Liliana sah entsetzt zu ihrer Tochter hinab. „Lola! Entschuldigen Sie Herr Woods, normalerweise ist sie nicht so!“ Adam schmunzelte über das vorlaute Mädchen. „Aber Mama! Wenn er mir Geld gibt kann ich ihm doch einfach seinen eigenen Punsch holen!“ Bevor Liliana etwas sagen konnte zog Adam seinen Geldbeutel aus der Hosentasche und reichte Lola einen Zehner. Die Kleine lächelte und flitzte los. „Ihre Tochter ist wirklich ein nettes Mädchen.“ Sagte Adam leise und fuhr sich durch das schwarze Haar. „Lola hat sich wirklich nicht gestört?“ Er schüttelte den Kopf. „Machen sie sich keine Gedanken. Wir haben uns nur ein wenig unterhalten.“ Dann schwiegen sie bis Lola mit einer vollen Tasse zurückkam. „Hier bitte!“ Dankbar schloss Adam die kalten Finger um die heiße Tasse und nippte vorsichtig daran. Es tat unheimlich gut, endlich wieder etwas Wärme in die Hände zu bekommen. „Danke Kleine.“ Lola lächelte und kramte in ihrer Jackentasche nach dem Restgeld. Dann streckte sie es ihm entgegen. „Lass gut sein! Kauf davon lieber ein paar gebratene Mandeln für dich und deinen Bruder!“ Lolas Augen begannen zu leuchten. „Darf ich wirklich?“ Als Adam nickte, nahm sie Mark an der Hand und zog ihn zu dem Süßigkeitenstand, der gerade mal fünf Meter von ihnen entfernt stand. „Das hätten sie nicht tun müssen!“ Liliana betrachtete das sanfte Lächeln in seinem Gesicht. „Na und. Allein schon das Lächeln der Beiden ist die paar Euro wert. Es zeigt einem immer wieder, dass manchmal schon ganz kleine Dinge glücklich machen können und das ist viel wert!“ Glücklich. Er musste sich eingestehen, dass er das schon eine ganze Weile nicht mehr gewesen war. Um genau zu sein seit dem Unfall. Klar er hatte sich mit seiner Situation arrangiert, was blieb ihm auch anderes über. Aber so wirklich glücklich war er schon lange nicht mehr gewesen. Und allein dieses kleine Mädchen hatte ihn tiefer berührt als alles andere in den letzten zwei Jahren. „Dann Danke!“ Er sah auf in Lilianas lächelndes Gesicht und ihm wurde klar, dass diese Frau und ihre Kinder etwas Besonderes waren. Aber bevor er seine Gedanken weiterführen konnte kamen die Kinder mit jeweils einer Papiertüte in der Hand wieder zurück. „Ich habe gebratene Mandeln, aber Mark wollte lieber Magenbrot!“ Adam lächelte die beiden an. „Dann lasst es euch schmecken!“ Gerade als er seine Tasse hob zupfte eine kleine Hand an seinem Ärmel. Er sah hinab und direkt in Marks rundes Kindergesicht. Wortlos streckte er ihm seine offene Tüte entgegen. Adam zögerte einen Moment, dann griff er nach einem der Teilchen und biss ab. „Danke!“ Der Junge lächelte und stellte sich dann zu seiner Mutter. Eine Zeit lang war es still zwischen ihnen, bis Jonathan plötzlich vor ihnen auftauchte. „Frau Berger, freut mich Sie hier zu treffen! Wie geht es ihnen?“ Liliana erwiderte das freundliche Lächeln von Adams Freund und rechter Hand. „Danke, es geht mir gut!“ Jonathan gab ihr überhaupt keine Möglichkeit noch etwas anderes zu sagen, sondern wandte sich mit einem ernsteren Blick an Adam. „Hey, ich habe dir doch gesagt, dass wir eine neue Sekretärin haben! Dass ist Liliana Berger. Ich wollte sie dir eigentlich noch vorstellen, aber dann kam uns ja… etwas dazwischen.“ Was auch immer Jonathan eigentlich sagen wollte, trieb Adam einen dunklen Schatten übers Gesicht. „Schon gut John!“ Er lehrte seine Tasse und sah dann auf seine Hände. „Können wir gehen?“ Jonathan stockte kurz und betrachtete ihn genau. Adam zitterte und seine Lippen hatten einen Tatsch Blau angenommen. „Na klar, Adam. Frau Berger wir sehen uns dann morgen im Büro. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Abend!“ Liliana nickte und erwiderte den Gruß. Adam griff nach den Rädern und zuckte sofort zurück. Das kalte Metall brannte auf seiner Haut. Jonathan winkte den Kindern noch einmal zu und schob ihn dann Richtung Parkhaus. „Warum hast du nichts gesagt?“ Adam schwieg. „Verdammt Adam! Du hast nicht mal Handschuhe dabei und sitzt über eine Stunde auf dem Weihnachtsmarkt, ohne dich zu bewegen! Du hättest mir wenigstens Bescheid sagen können, dass dir kalt ist! Jetzt hast du bestimmt wieder Schmerzen, weil deine Gelenke steif sind. Das heißt du kannst die ganze Nacht wieder nicht schlafen, hast morgen schlechte Laune, gehst trotzdem Arbeiten und…“ „JOHN!“ Adam wurde laut, damit der andere sich endlich unterbrach. „Lass gut sein! Es ist alles in Ordnung, okay!“ Er fuhr sich durchs Haar und ließ dann den Kopf hängen. „Es hat gut getan. Das Gespräch mit Lola… Sie hat mich einfach akzeptiert!“ Jonathan blieb stehen. Er wusste wie sehr sein Freund noch immer litt, wie sehr er mit sich selbst zu kämpfen hatte. Genau das war der Grund warum er immer wieder versuchte ihn aus seiner Höhle zu holen, damit er unter Menschen kam. „Und Liliana Berger?“ fragte er vorsichtig. Die Frau war ihm sehr sympathisch auch wenn sie zurzeit einige Probleme hatte mit den beiden Kindern, einem alkoholabhängigen Exmann und finanziellen Schwierigkeiten. Aber dass hatte ihn nicht daran gehindert sie einzustellen, denn jeder verdiente eine faire Chance und vielleicht… „Sie scheint nett zu sein! Und sie hat mich nicht angeschaut, als wäre ich zu bemitleiden oder zu verachten!“ Das war ein Anfang. Denn was Adam nicht wusste war, dass Jonathan die junge Frau eingestellt hatte um in den nächsten Tagen die Position von Adams persönlicher Assistentin zu übernehmen, die ihren Chef nicht so unterstützte wie es vertragstechnisch geregelt war. Jetzt drückte er seinem Freund nur aufmunternd die Schulter und machte sich dann auf zum Parkhaus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)