Gestaltenwandler von kleines-sama (DoflamingoxCrocodile (AU)) ================================================================================ Kapitel 1: Part I: Misstrauen und Neugierde ------------------------------------------- Doflamingo fühlte sich erleichtert, als er endlich den Eingang der Höhle erreichte, in der er nun bereits seit mehreren Jahren lebte. Während des Rückwegs hatte sich der sowieso schon fürchterliche Sturm noch weiter verschlimmert: Es regnete in Strömen, ein kalter und heftiger Wind blies und dazu blitzte und donnerte es ohne Unterlass. Selbst Doflamingo hatte ein solch übles Unwetter noch niemals zuvor erlebt. Plötzlich war er sehr froh darüber, dass er ausreichend Fleisch eingelagert hatte und somit nicht dazu gezwungen sein würde, während dieser Witterungsverhältnisse draußen auf Jagd zu gehen. Auch wenn er ein sehr bewanderter und vor allem robuster Wolf war, könnte ihm ein solcher Ausflug gefährlich werden; gegen die Kräfte der Natur war nämlich selbst er machtlos. Außerdem wollte er den verletzten Kater nicht allein lassen. Doflamingo brachte den völlig lädierten und noch immer ohnmächtigen Gestaltenwandler in den hinteren Teil seiner Höhle. Sie war nicht bloß groß, sondern vor allem recht weitläufig; es gab nicht bloß einen Hauptraum, sondern dazu mehrere Kammern, die unterschiedlichen Zwecken dienten. In die Kammer zu seiner Linken hatte er zuvor die unversehrte Hälfte des von ihm erlegten Rehs verfrachtet; dort lagerten überdies noch einige weitere Vorräte. Doflamingos Jagd war in letzter Zeit sehr erfolgreich verlaufen und er hatte mehr Tiere erbeutet als er brauchen konnte, weswegen er den Überschuss als Reserve zur Seite legte. Sachte setzte Doflamingo den Kater, der noch immer ohnmächtig war und den er mit seinem Maul festhielt, an seinem Schlafplatz ab. Es besaß zwar kein Bett wie die Menschen, doch hatte diesen Winkel seiner Höhle mit vielen weichen Fellen, Decken und Kissen ausgestattet, sodass man dort sehr bequem liegen und schlafen konnte. Anschließend nahm er wieder seine menschliche Gestalt an. Eilig machte Doflamingo sich daran, den jungen Mann aus der kalten Kleidung zu schälen, die nass und eng an sein Körper klebte; gleich danach griff er nach einem Tuch, um seine Haut und seine Haare trocken zu reiben. Und auch wenn Doflamingo nur zu gern die Gelegenheit wahrgenommen hätte, um die nackte Erscheinung des fremden Gestaltenwandlers ausgiebig zu mustern, warf er bloß einen flüchtigen Blick auf den blassen Körper: Auch wenn der Kater derzeit sehr lädiert ausschaute und durchaus ein paar Kilogramm mehr auf den Hüften vertragen könnte, war er ohne Zweifel sehr gutaussehend. Blasse Haut, schwarzes Haar, lange Beine. Dazu natürlich die bernsteinfarbenen Augen, an die Doflamingo sich ganz genau erinnern konnte. Trotzdem ließ er sich nicht dazu hinreißen Zeit zu verschwenden. Immerhin wusste er, dass der Kater völlig schutzlos stundenlang draußen im Regen und in der Kälte umhergewandert war und er diesen darum dringend trocknen und aufwärmen musste, wenn er ihn nicht doch noch verlieren wollte. Nachdem Doflamingo in dieser Hinsicht sein Bestes getan hatte, streifte er seine eigene Kleidung ab, rieb sich kurz trocken und legte sich dann neben den Kater auf sein Bett. Er drückte sich eng an den eiskalten Körper des anderen Gestaltenwandlers, während er mit seiner warmen Zunge über dessen heftige Kopfverletzung leckte, um die dreckige Wunde zu säubern. Anschließend kümmerte er sich sorgsam um die zwar weniger schlimmen, doch sehr zahlreichen Schrammen und Kratzer am restlichen Körper des Katers. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass Doflamingo miterlebt hätte, wie entzündete Verletzungen eine Person noch Tage oder sogar Wochen später niederstreckten. Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte er sich, Verbände und Arzneimittel dazuhaben. Weil Doflamingo selbst ein sehr kräftiger und erfahrener Gestaltenwandler war, wurde er nur selten ernsthaft verwundet und hatte es darum niemals als notwendig erachtet, für den Fall der Fälle solch typisch menschliche Utensilien vorrätig zu haben. Schließlich hatte er nicht damit rechnen können, dass ein verletzter Kater seinen Weg kreuzen würde. Zumindest kein Kater, der ihm auf Anhieb so unfassbar gut gefiel wie dieser hier. Erst nachdem Doflamingo jede Wunde gewissenhaft gesäubert hatte, gönnte er sich selbst eine Atempause. Er legte seine Arme um den sich langsam erwärmenden Körper des fremden Gestaltenwandlers und presste sich so eng wie nur möglich an diesen, um seine eigene Körperwärme weiterzugeben. Während Doflamingo gemeinsam mit dem noch immer ohnmächtigen Kater in seinem warmen Bett lag und sich erholte, drifteten seine Gedanken ein wenig ab. Er dachte an das Rudel zurück, das er früher einmal angeführt hatte, ehe er sich für dieses zurückgezogene und ungesellige Leben entschied. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Manchmal fehlte ihm der Kontakt zu Leuten, denen er etwas bedeutete. Es war lange her, seit er das letzte Mal mit anderen Gestaltenwandlern zusammengelebt hatte. Zwar war Doflamingos Sexualleben zumeist befriedigend, doch in besonders einsamen Nächten sehnte er sich nach einem Partner; nicht bloß nach einem Sexpartner, der nach dem Akt gleich wieder verschwand oder vielleicht ausnahmsweise für eine einzige Nacht blieb, sondern einem festen Lebenspartner. Einem Partner, der ihn liebte, mit dem er Freud und Leid teilen konnte, der immer an seiner Seite stand. Dann und wann sehnte Doflamingo sich nach einer Familie. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als der Kater neben ihm einen leisen Brummlaut von sich gab. Mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte Doflamingo den jungen Mann, der in seinen Armen lag. Er schien aus seiner Ohnmacht zu erwachen, doch war so unglaublich erschöpft und kraftlos, dass er nicht einmal seine Augen öffnete, sondern gleich in einen tiefen Schlaf hinüberglitt. Plötzlich fiel Doflamingo auf, dass er den Namen des Katers noch gar kannte. Er musste unbedingt daran denken, bei nächster Gelegenheit danach zu fragen. Ohne es selbst zu realisieren, streckte Doflamingo seine linke Hand aus und fuhr zärtlich über das noch immer leicht feuchte Haar des anderen Gestaltenwandlers. Zumindest in den nächsten Tagen würde dieser ihm Gesellschaft leisten. Vielleicht auch in den nächsten Wochen und Monaten. Es hing ganz davon ab, wie gut oder schlecht sie beide miteinander auskamen, wenn der Kater endlich aufgewacht war. Irgendwann gelangte Crocodile wieder zu Bewusstsein. Er fühlte sich zwar ausgelaugt und hatte schrecklichen Hunger, doch ansonsten schien es ihm verhältnismäßig gut zu gehen. Er fror nicht einmal. Ganz im Gegenteil: Crocodile lag auf einer sehr bequemen Unterlage und über ihn war eine weiche Decke ausgebreitet worden. Mit geschlossenen Augen blieb er für eine Weile liegen und wartete darauf, dass die Erinnerungen zurückkehrten: Er war, nachdem er sein ehemaliges Zuhause in der Stadt verlassen hatte, in den naheliegenden Wald geflüchtet, weil er gehofft hatte, dort möglichst schnell einen Unterschlupf zu finden; doch leider hatte er feststellen müssen, dass er mit seiner Annahme absolut falsch gelegen hatte. Dann war ein heftiger Sturm aufgezogen. Und dann... dann... Trotz der wärmespendenden Decke breitete sich eine Gänsehaut auf Crocodiles Körper aus, als er an seine Begegnung mit dem furchteinflößenden Wolf zurückdachte. Dieser hatte ihn aufgespürt, sich ebenfalls als Gestaltenwandler zu erkennen gegeben und ihn dazu überreden wollen, mit ihm in seine Höhle zu kommen. Crocodile allerdings, der alles andere als naiv und gutgläubig war, hatte selbstverständlich sofort erkannt, welche unlauteren Absichten der dubiose Wolf verfolgte. Doch was war danach geschehen? Ganz gleich wie oft Crocodile sein Gedächtnis durchforstete, er musste feststellen, dass diese Erinnerung fehlte. Er wusste weder, wo er sich befand noch, wie er überhaupt hierher gelangt war. Plötzlich spürte Crocodile, dass sich neben ihm etwas bewegte, was er bisher für ein Kissen gehalten hatte. Obwohl sich in seinem Magen ein ungutes Gefühl ausbreitete, blieb er erst einmal mit geschlossenen Augen liegen und bewegte sich nicht. Ganz gleich, welch seltsame Dinge vor sich gehen mochten: Es war sicherlich weise, sich solange bedeckt zu halten, bis er wusste, woran er denn überhaupt war. Das Kissen, das keines war, rückte näher an ihn heran. Crocodile konnte seine Körperwärme ganz genau spüren. Und wenig später spürte er noch etwas anderes: Eine warme, nasse Zunge, die mit nur wenig Druck über die Verletzung in seinem Gesicht leckte. Auf der Stelle riss Crocodile völlig entsetzt seine Augen auf und sprang in einem großen Satz zur Seite. Dabei verhedderte er sich in der Decke, in die er eingewickelt gewesen war, und stolperte, nur um sich einen halben Augenblick später wieder aufzurappeln und noch mehr Abstand zwischen sich und dem Anderen zu bringen. Mit einem skeptischen und (auch wenn er es niemals zugeben hätte) furchtsamen Blick musterte Crocodile den Wolf, der derzeit seine menschliche Gestalt angenommen hatte und außerdem in schallendes Gelächter ausgebrochen war. "Vorsicht", meinte der andere Gestaltenwandler mit einem neckischen Grinsen, als er sich wieder gefangen hatte. "Du bist schon verletzt genug. Es wäre ungünstig, wenn du dir jetzt auch noch deine Beine brichst. Eigentlich bin ich ja davon überzeugt gewesen, dass Katzen elegante und anmutige Tiere sind, aber ich habe wohl ein recht ungeschicktes Exemplar erwischt." "Du bist es", gab Crocodile mit zu Schlitzen verengten Augen zurück und bemühte sich darum, die Beleidigung einfach nicht ernst zu nehmen. Für einen kurzen Moment wandte er seinem Blick von dem Wolf ab und musterte rasch die Umgebung: Er befand sich in einer ihm unbekannten Erdhöhle, von der aus mehrere Gänge abzweigten. Einen frischen Luftzug oder Tageslicht konnte er nirgendwo ausmachen. Crocodile schluckte, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Wolf richtete, der ihn aufmerksam beobachtete. "Und ein schlechter Jäger bist du auch", fuhr dieser ungerührt fort. "Es ist ziemlich dumm von dir gewesen, mich aus den Augen zu lassen. Ein anderer Räuber hätte in genau dieser Sekunde zugeschlagen." "Ein anderer Räuber?", wiederholte Crocodile argwöhnisch. Es fiel ihm immer schwerer, die Kritik des anderen Gestaltenwandlers zu ignorieren. Da er sich selbst nur zu gut dessen bewusst war, dass sein Tiergeist tatsächlich überaus jämmerlich und nicht zum Überleben in der freien Natur gedacht war, verletzten ihn diese Worte zutiefst. "Wieso ein anderer Räuber? Wieso hast nicht du zugeschlagen? Du willst mich doch nun bestimmt töten, oder nicht?" Nervös wich Crocodile weiter zurück. Auch wenn er bloß eine einfache Hauskatze war, wollte er gerne weiterleben. Er musste einen Weg finden, um dem Wolf zu entfliehen und aus dieser Höhle zu verschwinden. Und da Muskelkraft nicht seine Stärke war, versuchte er nun, sein Gegenüber mit Worten zu überlisten und auf diese Weise seine Überlebenschance zu erhöhen. Auch wenn sich dessen Crocodile bewusst war, dass die Wahrscheinlichkeit, dass er diese Höhle lebend verlassen würde, absolut gering war. "Dummer Kater", gab der Wolf grinsend zurück. "Wenn ich dich hätte töten wollen, dann hätte ich es längst getan. Wann verstehst du das endlich?" "Vielleicht nicht töten", meinte Crocodile misstrauisch, "aber vielleicht hast du andere Dinge mit mir vor?" Zu gut erinnerte Crocodile sich an das unlautere Angebot, welches der Wolf ihm gemacht hatte. "Du sagtest, du würdest einen Lohn erwarten im Gegenzug für die Rettung meines Lebens." "So etwas habe ich nie gesagt", korrigierte ihn der Wolf. "Du bist derjenige gewesen, der meine Worte auf diese Weise ausgelegt hat. Ich sagte bloß, dass ich dich mit zu mir in meine Höhle nehmen möchte, weil du mir gefällst. Nicht mehr und nicht weniger. Außerdem hätte ich mir meinen Lohn längst selbst abholen können, wenn ich das Verlangen dazu gehabt hätte. Immerhin lagst du mehr als zwölf Stunden lang bewusstlos und nackt neben mir in meinem Bett." Als Crocodile klar wurde, dass der fremde Wolf ihn nackt gesehen hatte, schlich sich sofort verlegene Röte auf seine Wangen; er war eine sehr schamhafte Person. Glücklicherweise musste er seinen Gegenüber jetzt gerade nichts preisgeben, denn er hatte sich rasch in die Decke gewickelt, die er bei seiner überstürzten Flucht aus dem Bett des Wolfs mitgerissen hatte. "Das muss dir nicht peinlich sein", meinte der Wolf, obwohl sich ein schelmisches Grinsen auf seine Lippen schlich. "Ich musste dich wohl oder übel ausziehen, um dich vor dem Erfrieren zu bewahren und deine Wunden zu versorgen." Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er in einem nun ein wenig ernster klingenden Tonfall fortfuhr: "Jedenfalls kannst du dir sicher sein, dass ich keinen sexuellen Dienst als Gegenleistung für deine Rettung erwarten werde. Ich habe mich um dich gekümmert, weil ich es wollte und aus keinem Grund sonst." Crocodile wusste nicht so recht, was er auf diese Aussage erwidern sollte. Er war, um ehrlich zu sein, fest davon ausgegangen, dass der andere Gestaltenwandler ihn notfalls zum Sex zwingen würde, wenn er nicht willig wäre. Mihawk hatte ihm schließlich immer Horrorgeschichten von bösen und triebgesteuerten Wölfen erzählt gehabt. Doch der Wolf, den er nun vor sich hatte, schien nicht ganz in dieses Schema hineinzupassen. Trotzdem war Crocodile nicht naiv genug, um sich in Sicherheit zu wiegen. Vielleicht handelte es sich bei diesem hier auch einfach bloß um einen recht intelligenten Wolf, der sich irgendeine hinterhältige Taktik überlegt hatte, um seine Ziele erreichen. Crocodile konnte diese Möglichkeit nicht ausschließen, weswegen er weiterhin an seinem Vorhaben, diese Höhle so schnell wie nur möglich zu verlassen, festhielt. "Da du keine Gegenleistung irgendeiner Art von mir erwartest", meinte Crocodile vorsichtig, "wird es dir doch sicher nichts ausmachen, wenn sich unsere Wege nun wieder trennen, nicht wahr? Ich danke dir für deine Hilfe. Aber jetzt möchte ich gehen. Und vorher meine Kleidung wiederhaben." "Ich befürchte, dass du in nächster Zeit nirgendwo hingehen wirst", erwiderte der Wolf und gluckste. Sofort schrillten bei Crocodile die Alarmglocken und er wich erschrocken einen Stück zurück. Diese bedrohlich klingenden Worte passten überhaupt nicht zu der Aussage, die der andere Gestaltenwandler gerade eben noch getätigt hatte. Hatte sich dieser bloß einen Spaß daraus gemacht, ihn in Sicherheit zu wiegen, nur ihm am Ende doch seinen Willen aufzuzwingen? "Es stürmt noch immer", fügte der Wolf an, als er bemerkte, dass Crocodile seine Worte falsch verstanden hatte. "In deinem Zustand wirst du draußen nicht lange überleben. Und ich werde nicht zulassen, dass du dich in den Tod stürzt. Nicht, wo ich dich doch gerade eben erst vor dem Sterben bewahrt habe." "Ich wüsste nicht, was es ausgerechnet dich angeht, ob ich lebe oder sterbe", entgegnete Crocodile spitz, auch wenn ihm beim Gedanke an den Sturm einen kalten Schauer den Rücken lief. Zu gut erinnerte er sich daran, wie er sich verletzt, hungernd und frierend unter diesen Brombeerstrauch verkrochen hatte, um sich wenigstens ein klein wenig vor dem heftigen Unwetter zu schützen. Ehrlich gesagt war er nicht sonderlich erpicht darauf, eine solche Erfahrung in nächster Zeit zu wiederholen. "Du scheinst mir ein wirklich sturer und stolzer Kater zu sein", murmelte der andere Gestaltenwandler kopfschüttelnd. "Wie auch immer: Ich werde nicht gestatten, dass du meine Höhle verlässt, während draußen der schlimmste Sturm tobt, den ich jemals erlebt habe. Außerdem hast du noch gar nichts gegessen. Du machst auf mich einen ziemlich abgemagerten und hungrigen Eindruck, wenn ich anmerken darf. Und ich habe noch reichlich Fleischvorräte da. Ihr Katzen esst doch Fleisch, nicht wahr?" "Ich nehme nichts von Fremden an", meinte Crocodile sofort, obwohl sein Magen bereits schmerzte vor Hunger. Zoro hatte einmal den Fehler begangen und Fisch von einer fremden Dame angenommen; später hatte sich herausgestellt, dass der Fisch absichtlich vergiftet worden war. Er musste zum Arzt und konnte nur in letzter Sekunde noch gerettet werden. Crocodile wiederum hatte seine Lektion gelernt und war nicht sonderlich erpicht darauf, eine solche Erfahrung am eigenen Leib zu machen. "Mein Name ist Doflamingo", meinte daraufhin der fremde Gestaltenwandler und wedelte aufgeweckt mit seinem buschigen Schwanz. "Und wer bist du? Wenn wir beide uns einander vorgestellt haben, sind wir schließlich keine Fremden mehr." "Ph", machte Crocodile und blickte dem Wolf überaus pikiert in die blauen Augen. "Für wie naiv hältst du mich eigentlich? Und redest du immer solchen Unsinn?" Leider gelang es ihm mittels dieser herablassenden Aussage nicht, seinen Gegenüber zu verletzen und Dominanz zu zeigen. Stattdessen brach der Wolf, Doflamingo, erneut in schallendes Gelächter aus. "Mir scheint, du bist ein sehr wagemutiger Kater", meinte er mit amüsierter Stimme, als er sich wieder gefangen hatte. "Oder vielleicht auch einfach bloß lebensmüde. Du hast Glück, dass du mir so gut gefällst, ansonsten hätte ich dich für eine solch hochnäsige Äußerung getötet." Crocodile zuckte unwillkürlich zusammen, als Doflamingo vom Töten sprach. Plötzlich wurde ihm wieder bewusst, dass der andere Gestaltenwandler deutlich größer und stärker war als er selbst. Wenn er ihn töten oder vergewaltigen wollte, dann hatte er es nicht nötig, ihm zu diesem Zweck vergiftetes Fleisch unterzujubeln. In der Gestalt seines Tiergeistes reichte ein einziger Biss mit seinen spitzen Zähnen aus, um ihn außer Gefecht zu setzen oder sogar zu töten. Er hatte nicht die geringste Chance gegen einen ausgewachsenen Wolf. "Du hast mir deinen Namen immer noch nicht genannt", fuhr Doflamingo fort, ohne ihn aus den Augen zu lassen. "Wenn du ihn mir verrätst, bekommst du so viel Fleisch wie du möchtest." Crocodile schwieg verunsichert und wickelte die weiche Decke enger um seinen Körper. Er wusste nicht so recht, was er jetzt tun sollte; er hatte nicht damit gerechnet, jemals in eine so seltsame und verzwickte Situation wie diese hier zu geraten. Sollte er auf das Angebot des fremden Wolfs eingehen oder weiterhin an seinem Stolz festhalten und ablehnen? Er war viel zu unerfahren, um diese Situation richtig einschätzen zu können. "Ich denke, ich weiß, wie ich dich überreden kann", sagte der Wolf, als Crocodile auch nach einigen Minuten kein Wort über die Lippen brachte; weder seinen Namen noch irgendetwas anderes. Anschließend verschwand Doflamingo rasch in der Kammer zu seiner Rechten. Crocodile nutzte diese Gelegenheit, um weiter zurückzuweichen. Es würde ihm zwar nicht gelingen, während Doflamingos Abwesenheit zu fliehen (schließlich wusste er nicht einmal, in welcher Richtung der Ausgang lag), doch er wollte gerne ein wenig mehr Abstand zwischen sich und dem fremden Wolf bringen. Auch wenn das Verhalten des anderen Gestaltenwandlers augenscheinlich überaus freundlich und entgegenkommend wirkte, war Crocodile nicht leichtgläubig genug, um sofort auf diesen hereinzufallen. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass es niemals eine gute Idee war, einer fremden Person gänzlich zu vertrauen. Kaum hatte er seinen Gedanken zu Ende geführt, kehrte Doflamingo aus der Nebenkammer zurück. Über seiner Schulter hing der Leib eines ausgewachsenen Rehs, den er vor sich auf den lehmigen, doch sauberen Erdboden legte. Breit grinsend sah er zu Crocodiler hinüber und zeigte mit dem Finger auf den frischen Kadaver: "Du hast doch bestimmt Hunger, oder nicht? Du brauchst mir einfach bloß deinen Namen zu nennen und schon darfst du so viel essen wie du nur kannst." "Ich bin nicht hungrig", erwiderte Crocodile und musterte zwiegespalten das erlegte Reh. Leider verriet der laute Brummlaut, den just in diesem Augenblick sein leerer und schmerzender Magen machte, dass seine Worte eine Lüge waren. Verlegen wandte Crocodile rasch den Blick ab. Er konnte Doflamingo halb amüsiert, halb beunruhigt seufzen hören. "Wieso bloß bist du so unfassbar stur, Kater?", murmelte er und schob das Rehfleisch näher zu seinem Gegenüber hin. "Ich verlange doch nur deinen Namen, nichts weiter." Zögernd beäugte Crocodile den Leib des erbeuteten Rehs. Wenn er ehrlich war, dann hatte er noch niemals Fleisch direkt vom erlegten Tier gegessen. Er war es gewohnt, fertig zubereitete Nahrung aus der Dose oder Tüte serviert zu bekommen, ohne Fell oder innere Organe. Tatsächlich war er sich noch nicht einmal sicher, ob es ihm überhaupt gelingen würde, das Fleisch von den Knochen zu reißen. Immerhin hatte er derzeit seine menschliche Gestalt angenommen, doch als Tiergeist standen seine Chancen auch nicht unbedingt besser. Schließlich war er bloß eine kleine Hauskatze, kein wild lebender Panther. Trotzdem musste Crocodile sich wohl oder übel eingestehen, dass ihm der frische Fleischgeruch, der in seine Naste stieg, das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Es war beinahe zwei Tage her, seitdem er das letzte Mal etwas in den Magen bekommen hatte. Unwillig sah Crocodile dabei zu, wie Doflamingo in seiner menschlichen Gestalt geschickt ein großen Brocken Fleisch aus der Seite des Rehs herausbiss. Genüsslich verschlang er ihn und leckte sich anschließend mit der Zunge über seine vom Blut rot verfärbten Zähne und Lippen. Crocodile war sich nicht sicher, ob dieses barbarische Verhalten seinen Hunger verminderte oder anregte. Doflamingo senkte noch einmal seinen Kopf, um ein weiteres Stück saftiges Fleisch ans Tageslicht zu befördern. Es war in etwa so groß wie ein Speiseteller. Dieses Mal allerdings verzehrte er es nicht selbst, sondern näherte sich vorsichtig dem anderen Gestaltenwandler, ehe er es vor ihm auf den Boden ablegte und ihn auffordernd anblickte. Crocodile biss sich auf die Unterlippe, konnte jedoch nicht verhindern, dass sein Magen erneut laut knurrte. Schließlich seufzte er und gestand sich seine Niederlage ein. Er war nicht weit entfernt vom Verhungern und dieses Stück Rehfleisch roch absolut verführerisch. Außerdem war die Bekanntgabe seines Namens kein sonderlich hoher Preis. Immerhin hatte ihm auch Doflamingo seinen Namen verraten. "Crocodile", sagte er also und griff, noch während er sprach, nach dem saftigen Stück Fleisch. "Ich heiße Crocodile." Um ehrlich zu sein, konnte er überhaupt nicht beurteilen, ob ihm das Reh schmeckte oder nicht (er hatte noch niemals zuvor welches gegessen). Crocodile war so furchtbar hungrig, dass er das Fleischstück in seinem Mund nur kurz kaute und dann rasch hinunterschluckte. Der nicht gerade kleine Brocken, den Doflamingo ihm hingelegt hatte, war innerhalb weniger Sekunden restlos verschwunden. Während Crocodile aß, hatte der Wolf ihm bereits ein neues Stück Fleisch aus dem Leib des Rehs gerissen und ihm vor die Füße gelegt. Mit jedem Bissen, den Crocodile verzehrte, spürte er seinen Hunger deutlicher. Doflamingo brachte ungefähr eine halbe Stunde damit zu, ihn zu füttern; bereits nach dieser kurzen Zeit war von dem Leib des ausgewachsenen Rehs nichts mehr übrig. Zufrieden beobachtete Doflamingo, wie der Kater über das Fleisch des von ihm erbeuteten Rehs herfiel. Nur zu gut erinnerte er sich daran, wie ausgemergelt dessen blasser Körper ausgesehen hatte, als er diesen trocken gerieben und versorgt hatte. Doflamingo fand dicke Männer nicht attraktiv, doch noch schlimmer waren in seinen Augen ganz abgemagerte und spindeldürre Figuren. Er hatte vor, Crocodile auf ein gutes Mittelmaß aufzufüttern und ihn sowieso alles in allem aufzupäppeln. Immerhin war er nicht nur ausgehungert, sondern auch verletzt. Vor allen Dingen die waagerecht verlaufende und doch recht tiefe Wunde im Gesicht des anderen Gestaltenwandlers machte Doflamingo Sorgen. Womöglich würde er, wenn das Wetter sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, seine Höhle verlassen müssen, um Medikamente, Verbände und Weiteres für seinen Gast zu besorgen. Schließlich wollte er diesen unter keinen Umständen doch noch verlieren. "Bist du satt?", fragte er Crocodile mit freundlicher Stimme, als dieser das letzte Stück Rehfleisch verzehrt hatte. "Wenn du immer noch hungrig bist, kann ich dir auch mehr Fleisch besorgen." "Es geht schon", meinte dieser recht scheu und leckte sich mit seiner Zunge über den blutverschmierten Mund und die Finger. "Ich habe nicht gefragt, ob es schon geht, sondern ob du satt bist", erwiderte Doflamingo in einem für ihn eher untypisch bestimmten Tonfall. Er war jemand, die vieles auf die leichte Schulter nahm, doch wenn es um das Wohlergehen von Personen ging, die ihm etwas bedeuteten, wurde er häufig sehr ernst und streng. Er wollte nicht, dass der Kater womöglich weiter Hunger litt, bloß weil er zu scheu oder stolz war, um nach mehr zu verlangen. Crocodile schwieg für einen Moment und senkte den Blick, ehe er mit zögerlicher Stimme sagte: "Nicht ganz." "Das ist überhaupt kein Problem", entgegnete Doflamingo und machte sich rasch erneut auf den Weg zu seiner Speisekammer. Glücklicherweise war seine Jagd in letzter Zeit stets überragend gut verlaufen, weswegen er Unmengen an Fleisch eingelagert hatte: Wildschein, Dachs, Ente, Kaninchen und sogar Rebhuhn. An Nahrung für ihn und Crocodile würde es also auf keinen Fall mangeln, selbst wenn dieser horrende Sturm noch einige Tage lang anhalten würde. Nach kurzer Überlegung entschied Doflamingo sich dazu, seinem Gast zuerst das Huhn anzubieten; Rebhuhn war eine Delikatesse und vor allem leichter bekömmlich als Wild. Als Doflamingo in den Schlafbereich seiner Höhle zurückkehrte, sah er, dass der Kater im Schneidersitz saß und damit beschäftigt war, seine zahlreichen Verletzungen zu versorgen. Gerade leckte er mit seiner Zunge über seinen Handrücken, ehe er den Speichel auf die Wunde in seinem Gesicht verteilte. Die Decke, die er bei seiner hektischen Flucht aus dem Bett mitgerissen hatte, umhüllte bloß noch seinen Unterleib, weswegen Doflamingo eine gute Sicht auf den mit Schrammen und Hämatomen übersäten Oberkörper hatte. Es war wirklich eine Schande, dachte er sich stumm, dass dieser hübsche Körper so schrecklich zugerichtet worden war. Unweigerlich fragte Doflamingo sich, ob tatsächlich all diese Verletzungen vom Überlebenskampf im Wald herrührten oder ob dem Kater noch irgendetwas anderes zugestoßen war. Ein paar der Hämatome waren grün-gelblich verfärbt und einige der Schrammen bereits wieder halbwegs verheilt, was darauf hindeutete, das zumindest nicht alle Wunden erst vor kurzem hinzugefügt worden waren. Kaum bemerkte Crocodile seine Rückkehr, unterbrach er sein Putzverhalten und warf einen sehnsüchtigen Blick auf das Rebhuhn, das er mitgebracht hatte. Doflamingo machte sich rasch daran, dem Huhn die Federn auszurupfen und ihm mit einem einzigen Handgriff die Innereien zu entnehmen, ehe er es seinem anscheinend doch nicht bloß ein wenig hungrigen Gast vor die Füße legte. Zufrieden sah er dabei zu, wie Crocodile das Rebhuhn in Windeseile und recht manierlos zerlegte und verschlang. ~ "Nicht alle Katzen sind höflich und stolz", wandte Crocodile ein; er warf Doflamingo einen versöhnlichen und einsichtigen Blick zu. "Genauso wie anscheinend nicht alle Wölfe egoistisch und unbarmherzig sind." "Soll das ein Kompliment sein?", fragte Doflamingo heiter lachend und ohne ihn aus den Augen zu lassen. Crocodile wandte peinlich berührt den Blick ab und erwiderte: "Vielleicht." (Auszug aus dem nächsten Kapitel) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)