Kami-sama Daikichi! von Kiori-chan ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kami-sama Daikichi Treppe wie Himmel Shikigami, auch genannt Shikikami, Shikijin oder Shiki no Kami, sind Götter die ihre Form nach Belieben wechseln können. Dabei treten sie meistens in Form von kleinen Lebewesen, wie Vögel oder Mäusen auf. Seltener sieht man sie in Form von Katzen oder Hunden (Inukami/Inugami). So oder so, bleiben sie die meiste Zeit lieber unsichtbar für das menschliche Auge. Viele behaupten, Shikigami wären die Seelen Verstorbener die den Platz der lokalen Schutzgottheit eingenommen hätten. Somit sind die Shikigami nur kleine Gottheiten, von denen man oft behauptet, dass ihnen lediglich die Seele eines Geistes zugrunde liegt. Die Beschwörung eines Shikigamis ist nicht nur sehr aufwändig, sondern auch sehr gefährlich. Das Ritual, welches dem Onmyodo-Kult entspricht, fordert in den meisten Fällen ein ausgleichendes Opfer, wie z.B ein Kleintier. Um die unsichtbaren Shikigami sichtbar werden zu lassen, bannen die Beschwörer sie an Papierpuppen, auch genannt Katashiro. Die Kraft eines Shikigamis hängt einzig und allein von seinem Beschwörer ab, dieser gilt fortwährend als Energiequelle für seinen Shikigami. Die Beschwörung eines Shikigamis ist deshalb so gefährlich, weil man ihnen nachsagt sie seien hinterlistige und grausame Gottheiten. Sie werden in vielen Fällen für gefährliche Machenschaften wie Mord, Diebstahl oder Spionage beschworen. Nicht selten rächen sie sich für diese egoistischen Taten und stürzen sich auf ihre Beschwörer, schnell entwickeln sie ein Eigenleben. Die Shikigami werden unterteilt in zwölf Schutzgottheiten, die jeweils einem Monat zugeteilt sind, von Januar bis Dezember. Diese lauten wie folgt: Chōmei, Kakai, Jūkai, Densō, Shōkichi, Shōsen, Taiichi, Tenkō, Daishō, Kōsō, Daikichi, und Shinkō. Dies sind die monatlichen Gottheiten der Shikigami. ~*~ Vielleicht hättest du dich doch ein wenig mehr anstrengen sollen, dachte ich mit einem Blick auf den Zettel in meiner Hand, der die verschiedenen Angebote von Universitäten auflistete. Vielleicht kam mir dieser Gedanke aber auch nur deshalb, weil auf der Kopfzeile des Blattes in fetten Buchstaben geschrieben stand: Notiz an Daikichi Sayaka: Vielleicht hättest du dich doch ein wenig mehr anstrengen sollen! – Sensei Itaka. Mit einem meiner Marker übermalte ich meinen Nachnamen bis zur Unkenntlichkeit. Ich hasste diesen Nachnamen so sehr. Nicht nur das er einfach bescheuert klang, er hatte auch noch diese nervige Abstammung. Bis zur fünften Klasse war mein Leben noch irgendwie akzeptabel gewesen. Bis eines Tages das Thema Shinto Gottheiten im Geschichtsunterricht dran kam und mir das Leben ruinierte. Die Shinto Gottheit Daikichi machte mich erst in meiner Klasse und schlussendlich in der ganzen Schule zum Gespött. Dabei wäre es wohl kaum so schlimm gewesen, wenn es sich bei dieser Gottheit um etwas anderes als einen Shikigami gehandelt hätte. Jetzt dachte jeder, dass meine drei verstorbenen Großeltern bei uns auf dem Grundstück herumspukten und irgendwelchen armen Schweinen das Leben nahmen. Nach ihrer Erzählung würde ich nach meinem Tod ebenfalls diesen blutrünstigen Platz einnehmen. Dieser Blödsinn machte mich bis heute noch Fassungslos. Wir gingen bald auf die Universität. Man sollte doch meinen, dass angehende Studenten nicht mehr an Spukgeschichten glaubten, oder? Was weiß ich? Sollen sie doch reden, dachte ich. Ich knüllte den Zettel in meinen Händen zusammen und steckte ihn in meine vollgestopfte Schultasche. Mit einem Seufzen sah ich hoch zum Wolkenlosen Himmel. Natürlich war es mir nicht egal, was die anderen über mich sagten. Mein Nachname und die Gerüchte die aus ihm resultierten hatten es mir schwer gemacht neue Freunde zu finden. Ich hatte schon Freunde gehabt, die Zwillinge Yumi und Yusuke. Diese waren allerdings nach der fünften Klasse von Hiroshima nach Tokyo gezogen, als die Gerüchte über mich bereits brodelten. Nach ihren Umzug gab ich es schnell auf neue Freunde zu finden und blieb fortan lieber für mich alleine. Was sollte ich sagen? Die Isolation war … ruhig. Ich konnte mich nicht darüber beschweren, aber in den Himmel loben wollte ich es auch nicht. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich verlernte das Sprechen. Zumal auch Zuhause keiner auf mich wartete. Mein Vater war Architekt und reiste wie ein arbeitswütiger Gockel von Land zu Land. Dann war da noch meine letzt verbliebene Großmutter, die nach ihrem Schlaganfall allerding kein Wort mehr herausbrachte. Einzig und allein mit Shiro meiner Katze konnte ich noch halbwegs beidseitige Gespräche führen. Allerdings meckerte Shiro mehr, als das sie mit mir redete. Jedenfalls  klang ihr Gemautze nicht besonders freundlich. Die meiste Zeit jedenfalls. Ach und meine Mutter, die war schon immer irgendwie weg gewesen. Nach der Trennung meiner Eltern zu meinem dritten Lebensjahr zog sie erstmals aus. Ein paar Monate später kam sie mit einem neuen Mann zusammen und zog wenig später mit ihm fort. Wohin wusste ich bis heute nicht, aber es interessierte mich auch nicht besonders. In meiner Welt hatte es immer nur meinen Vater und meine Großmutter gegeben. Damit war ich zufrieden. Ich konnte mir eine Mutter in dieser Welt nicht mehr vorstellen. So grausam es auch klang, ich kannte es nun mal nicht anders. Vor dem Umzug meiner Zwillings-Freunde Yumi und Yusuke, war die Mutter der Beiden zu einem gewissen Teil auch meine gewesen. Dann war da damals auch noch die Vertretungslehrerin gewesen. Sie hatte Sensei Itaka für ein halbes Jahr vertreten. Auch sie hatte sich viel um mich gekümmert. Es waren die Mitleidigen Blicke die ich nicht mochte. Damals schien es so als versuchten sie alle mir meine Mutter zu ersetzen. Sie wollten mich bloß nicht spüren lassen, dass meine Mutter sich nicht für mich interessierte. Ich war vielleicht jung gewesen, aber ganz bestimmt nicht dumm. Ich hatte es mir schnell zur Gewohnheit werden lassen, dass mir meine Mutter genauso egal war, wie ich ihr egal war. So gab es kein unnützes Drama. Und ich war glücklich. Mich streckend, ließ ich mich nach hinten auf das weiche Gras fallen. Ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass ich bald nach Hause musste. Wenn mein Vater nicht Zuhause war – was so gut wie immer zutraf – musste ich mich um meine Großmutter kümmern. Und wenn ich es nicht gerade tat, dann unsere Pflegerin Naomi. Sie war als Au-Pair von Amerika nach Japan gereist. Mittlerweile lebte sie hier seit zwei Jahren. Sie hatte bereits einen Job in einer Firma, doch trotzdem wollte sie die Stelle in unserer Familie nicht aufgeben. Ich fand es ganz angenehm sie bei uns zu haben, ich konnte so mehr von meiner Zeit nutzen. Meine Zeit nutzen hieß in dem Fall durch die Gegend zu spazieren, irgendwo herumzuliegen oder Sport zu treiben. Das tat ich meist den ganzen Tag, neben den Tätigkeiten Einkaufen zu gehen oder das Haus zu schrubben. „Das Haus schrubben ...“, murmelte ich und hätte mich am liebsten geschlagen. Darum musste ich mich auch noch kümmern! Heute Abend kam Mrs. Kashiwagi und schaute nach dem Rechten. Da mein Vater fast nie zu Hause war, hatte er mit unseren Nachbarn, der Kashiwagi Familie abgemacht, dass jeden Monat einmal bei mir vorbei geschaut wird. Von wegen, ob ich denn den Garten gut pflegte, mich gut um den Einkauf kümmerte und das Haus sauber hielt. Sowas musste ich mir antun. Dabei wurde ich in zwei Wochen achtzehn. Dann konnte ich sowieso tun und lassen was ich wollte. Selbst eine Mrs. Kashiwagi konnte mir dann nichts mehr, höchstens den Buckel runterrutschen. Eine ganze Weile blieb ich noch liegen, schaute mir den Himmel an und überlegte was ich zu Abend essen sollte. Irgendwann zwang ich mich dazu aufzustehen. Ich verabschiedete mich von der bereits untergehenden Sonne und der großen weichen Wiese, klemmte mir meine Schultasche unter den Arm und ging. Über einen Grandweg verließ ich den abgelegenen Park wieder und kam an eine kleine Landstraße. Ich würde heute nicht ganz rechtzeitig nach Hause kommen. Mrs. Kashiwagi würde mir also einen Vortrag darüber halten wie wichtig es in meiner Situation war, rechtzeitig Zuhause zu sein. Von wegen: Deine Großmutter braucht jede Sekunde deiner Aufmerksamkeit. Ich fragte mich manchmal ernsthaft was meine Großmutter wohl dachte. Es musste schrecklich sein nicht mehr reden zu können. Ihr Schlaganfall war schlimm gewesen, in ihrem Gesicht gab es so gut wie keine Regung mehr. Manchmal bekam ich ein schlechtes Gewissen weil es mir unangenehm war mit ihr alleine zu sein. Mit jemanden der überhaupt kein Wort sagte und nur vor sich hin starrte. Aber dann stellte ich mir vor, wie ich mich wohl fühlen würde und plapperte einfach drauf los. Ob sie das wohl nervte? Ich würde sie manchmal gerne so viele Sachen fragen, aber es machte keinen Sinn, wo sie mir doch nicht antworten konnte. Bist du immer noch glücklich? Das wäre wohl meine erste Frage. Ich zog den Kopf ein, als eine Taube direkt auf meinen Kopf zuflog. „Pass doch auf!“, blaffte ich und fuchtelte ihr hinterher. Kaum drehte ich mich wieder um, kam eine weitere Taube angeflogen. Sie sah nicht aus wie eine gewöhnliche Stadttaube. Sie war weiß und hatte an jedem Flügel je eine Braune Feder. Und herrje! Sie landete auf meiner Schulter. Ich gab einen glucksenden Laut von mir und als der Schock endlich überwunden war, tanzte ich wie Wild auf dem Bürgersteig, bis ich bemerkte, wie sich immer mehr Vögel um mich sammelten. Nicht nur Tauben, viele verschiedene Vogelarten tummelten sich um mich. „Kann ich euch vielleicht helfen?“, fragte ich nach mehrmaligen umsehen. Gut drei Dutzend Vogelaugen schauten mich an. Verrückt. „Gut, dann nicht.“ Bevor die Situation noch verrückter werden konnte, rannte ich an dem Vogelhaufen vorbei, die Straße herunter. Vielleicht roch ich nach Brot? Oder sie hatten mein Bento gerochen. Aber deswegen kamen doch keine drei Dutzend Vögel angeflogen. Ich schüttelte den Kopf und wäre beinahe gegen eine Straßenlaterne gelaufen, hätte ich nicht wieder das unvergleichliche Geräusch schlagender Flügel gehört. Ein Blick nach hinten verriet mir, dass ich verfolgt wurde. Von Vögeln. Ich musste träumen. Am liebsten hätte ich mich gekniffen, doch lieber nahm ich meine beiden Beine in die Hände und rannte los. Irgendwas stimmte nicht. Wieso sollte mich eine Horde Vögel verfolgen? Shikigami treten meist in Form von kleinen Lebewesen, wie Vögel, Mäusen oder Schlangen auf. Blödsinn!, rief ich mich zur Besinnung. Jetzt fing ich schon selbst an auf diesen Schwachsinn zu hören. Es gab keine Shikigami! Das war lediglich ein Mythos, Legenden. Nichts weiter. Lieber redete ich mir ein, dass diese Vögel mich wohl einfach sympathisch fanden. Gleichzeitig hätte ich mich dafür küssen können eine solch schnelle Läuferin zu sein. Mein Training machte sich wohl doch noch mal bezahlt. Das um die Ecke laufen hätte ich jedoch noch mal üben sollen, denn als ich scharf nach rechts bog, lief ich in einen Briefträger und seine Einkaufstüten herein. „Tut mir leid! Tut mir sehr leid!“, rief ich über seine Protestlaute hinweg und lief weiter. Bei allen Kami! Lasst mich das überleben! Ich bog nach rechts, dann noch einmal nach rechts und schlussendlich nach links. Mir lief es kalt den Rücken herunter, als ich Mrs. Kashiwagi keine zwanzig Meter vor mir auf dem Bürgersteig entdeckte. Nicht jetzt, schrie alles in mir. Ich schaute nach rechts. Von dort führte eine Treppe hoch zu einem alten Hof auf dem einmal ein Schrein gestanden hatte. Heute war dort nichts mehr. Nachdem der Schrein mit samt allem anderen abgebrannt war, hatte sich keiner mehr die Mühe gemacht einen neuen zu bauen. Eigentlich ging ich dort nicht gerne hoch, es war ziemlich duster, allein schon wenn man die Treppen hoch ging, außerdem konnte ein Ort an dem ein Schrein gebrannt hatte keinesfalls gut sein. Trotzdem, mir blieb keine Wahl. Kurzentschlossen rannte ich los, und blieb erst nach gefühlten hundert Treppen stehen. Wie ich es mir gedacht hatte, waren die Bäume hier so dicht gewachsen, dass es beinahe Nacht auf den Treppen zu sein schien. Nur zögerlich ging ich weiter. Immer wieder schaute ich zurück, doch es gab keine Anzeichen von irgendwelchen wildgewordenen Vögeln. Hatte ich mir das eingebildet? Auf gar keinen Fall! Ich war doch nicht umsonst den ganzen Weg hierher gerannt. Ganz zu schweigen von den ganzen Treppen. Nun hielt ich endgültig an. Halb nach unten gewandt suchte ich nach Anzeigen für meine geflügelten Verfolger. Nichts. Ich hatte es mir wohl doch eingebildet. Kopfschüttelnd musste ich nun doch über mich lachen. Was dachte ich da? Wieso sollte mich ein Haufen Vögel verfolgen? Dann hatte ich auch noch gedacht, dass es wohlmöglich Shikigami wären! Lächerlich. Mir tat der Postbote leid, den ich so überfallen hatte. Hoffentlich hatte er seinen Feierabendeinkauf noch retten können. Sein Gesichtsausdruck war wirklich nicht der glücklichste gewesen. Und wieder musste ich lachen, während ich die ersten Stufen zum Rückweg antrat. Genau da hörte ich es wieder. Erst ein einzelnes Schlagen, dann wie ein synchrones Rascheln. Ein ganzes Orchester von Flügelschlägen. Erst als sie mich umzingelt hatten, wurde mir klar, dass ich mit den Füßen abgerutscht war und mein Körper dabei war die Stufen zu knutschen. Gerad noch rechtzeitig kniff ich die Augen zusammen. Dann kam er auch schon, der erste Aufschlag. Ich hatte das Gefühl mir brachen auf einen Knall alle Rückenwirbel. Der schmerz war so unbeschreiblich, dass ich nicht einmal die Stimme hatte zu schreien. Beim zweiten Aufschlag rutschte ich mit meinen Waden zischend über die rauen Betonkanten. Mein Kopf knallte gegen einen der Stufenböden und noch bevor ich diesen Schmerz zuordnen konnte, wurde ich bewusstlos. ~*~ Wind umfing mich. Ich musste tot sein. Ganz sicher. So schönen Wind hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie gespürt. Eiskalt und trotzdem angenehm. Oh Gott, ich wollte tot sein. Ich wollte nicht wissen, was an mir alles kaputtgegangen war. Laufen würde ich bestimmt nie wieder können. Dabei war Sport mein halbes Leben. Ohne Laufen wollte ich nicht leben. Ich wollte auch weiterhin Tennis spielen, Volleyball, Fußball. Wenn ich das jetzt alles nicht mehr konnte? Dann hatte ich weder Freunde, noch Hobbies. Wenn ich wie meine Großmutter endete? Ich riss die Augen auf. „Obaa-san!“ Himmel. Sicher, ich war im Himmel. Aber nicht der Himmel, wie im Reiche Gottes. Ich rauschte an Wolken vorbei. Oder sollte ich wohl eher sagen fiel? Mit Mühe drehte ich mich herum und entdeckte Land. Land auf welches ich im vollen Tempo zu raste. Und diesmal, diesmal gelang es mir zu schreien. So laut, dass ich schwören konnte, man hörte es bereits dort, wo ich tot ankommen würde. Mir kamen die Tränen, während ich mir zweimal in die Hände klatschte und ehrwürdig zu den Göttern betete, sie darum bat, mich freundlich in Empfang zu nehmen und meine Großmutter und meinen Vater zu beschützen. War es töricht über seinen eigenen Tod zu weinen? Aber wie sollte ich sterben, wenn ich schon tot war? Ich hatte solche Angst. Angst vor dem Schmerz der mich erwarten würde, Angst vor dem was danach kommen würde. Ich verstand das alles nicht. Wie war ich in diese Situation geraten? Ich konnte doch nicht wegen irgendwelchen durchgeknallten Vögeln sterben! Ich wollte nicht sterben. Während ich dem Erdboden immer näher kam, schrie ich mir meine letzte Frustration und meine Angst aus den Lungen, bevor ich mich wieder umwandte und mit meinen Rücken den Aufprall erwartete. Dieser ließ nicht lange auf sich warten. Doch wie er mich empfing war merkwürdig. Ich landete schreiend, später gurgelnd, in einem Gewässer. Doch es tat überhaupt nicht weh. Es war wie eine Landung in Kissen. Trotzdem musste ich mich anstrengen schnell wieder an die Wasseroberfläche zu gelangen. Der Atem wurde mir knapp und noch gerade rechtzeitig tauchte ich auf. Über Wasser fiel mir auf, dass ich nicht die einzige war die geschrien hatte. Ein paar mal blinzelnd erkannte ich ein Mädchen im lila Kimono, die sich schnell hinter einem Baum versteckte und nach jemanden schrie, dessen Namen ich nicht richtig hören konnte. Ich hätte dem Mädchen gerne etwas gesagt, doch stattdessen hob ich mir meine Kraft für den Weg zum Ufer auf. Trotz des sanften Empfangs fühlten sich meine Arme seltsam schwer an. Beinahe als wöge Blei in ihnen. Nur mit viel Mühe gelangte ich ans Ufer. Dort stieß ich meine Fingernägel in den Erdboden und klammerte mich an meine letzte Kraft um mich aufs Ufer zu ziehen. Doch noch bevor ich dies machen konnte, drückte mich ein Fuß wieder halb zurück ins Wasser. Als ich hoch sah, hatte mir jemand sein Schwert bereits unters Kinn gerichtet. „Ich gebe dir nur einen Versuch dich zu erklären, Menschenweib.“ Die Sonne schien mir zwar entgegen, doch trotzdem erkannte ich langes, silberweises Haar, dass ein schmales mit Zeichen verziertes Gesicht umrahmte. Auf der Stirn des Mannes prangte ein violetter Sichelmond, und an seinen Wangen mahagoniefarbene Streifen. Aber am beeindruckensten waren seine goldenen Augen. Ich war mir sicher, dass er kein Mensch war. Er musste eine Art Gottheit sein. Ich musste also doch im Himmel gelandet sein. Aber seit wann richteten sie Schwerter auf neuangekommene Seelen? Und seit wann redeten sie so unfreundlich? Mich beschlich das Gefühl in der Hölle gelandet zu sein. Ich öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch alles was ich herausbekam war eine Mischung aus Husten und Krächzen. „Nicht sehr nett … eine gerade verstorbene Seele … mit einem Schwert zu bedrohen.“ Ich schob das Schwert zur Seite, in dem Glauben, dass es mich – als Geist – sowieso nicht mehr verletzen konnte. Ich hatte mich sowas von geirrt. Noch während ich die Klinge streifte, perlte bereits eine kleine Blutbahn meinen Arm herunter. „Hä?“, entkam es mir wenig schlau, als ich sah wie der Mann sein Schwert hob. Jetzt hatte mein letztes Stündlein wohl doch geschlagen. Ich kniff erneut die Augen zusammen. Okay aber dieses Mal machen wir es richtig, ja? „Wartet Sesshomaru-sama!“, hörte ich die irritierend hohe Stimme des kleinen Mädchens, welches ich wohl so verschreckt hatte. Sie wird auch nicht viel ausrichten können, dachte ich und öffnete meine Augen trotz allem nicht. Allerdings geschah auch nichts. Ich erlaubte mir ein Auge zu öffnen. Tatsächlich ließ der Mann das Schwert sinken, während das Mädchen hinter dem Baum hervor kam und zu mir rannte. Man gab mir die Chance mich aus dem Wasser zu ziehen, was ich auch gerade noch schaffte. „ Du bist auch ein Mensch!“, strahlte das kleine Mädchen. „Du wirst mir nichts tun, oder? Ich bin Rin und wie heißt du?“ Etwas verdattert saß ich auf der Stelle an der ich aus dem Wasser gekrabbelt war. Dieses kleine Mädchen war wirklich irritierend, genau wie ihr Begleiter. „Rin, du Trottel! Ich sagte doch du sollst Lord Sesshomaru nicht ständig in Schwierigkeiten-“ Ein kleiner Frosch, gekleidet in einen kleinen, braunen Kimono kam zwischen zwei Gebüschen hervor und fuchtelte wild mit einem merkwürdigen Stab herum. Jedenfalls bis er mich sah. „Was! Ein Menschenmädchen in dieser Gegend!“ Ich brauchte einen Moment die Situation zu erfassen, aber auch nach langen überlegen kam mir nur ein Gedanke. Ich begann zu lachen. „Was bist du denn für einer?“ Durch das verdutzte Gesicht des sprechenden Frosches, musste ich sogar noch mehr lachen. Vielleicht lachte ich aber auch nur, weil ich jetzt bloß nicht weinen wollte. Alles klar, Sayaka. Du bist auf den Kopf gefallen! Erst nach einer ganzen Weile, ebbte mein Lachen ab, dabei hörte ich erst jetzt das böse Geschnatter des Frosches, der sich über meinen Kommentar ärgerte. Er warf mit Wörtern wie Diener,  Frosch-Youkai, Kopfstab und anderem herum. Irgendwann schaltete ich ab. Das kleine Mädchen lächelte mich an. "Du bist lustig. Darf ich noch einmal fragen wie du heißt?“ „Oh entschuldige!“, lächelte ich. „Mein Name ist Dai-“ Ich hielt inne. Diese Leute kannten mich nicht. Und das Mädchen hatte ihren Nachnamen ebenfalls nicht gesagt. Dann musste ich das auch nicht tun, oder? Ohne meinen Nachnamen hatte ich vielleicht die Chance auf einen besseren Start. Ich musste lächeln. „Sayaka.“ „Freut mich dich kennenzulernen, Sayaka-sama!“ Ich schaute verwirrt. Dieses Mädchen war aber wirklich sehr gut erzogen. „Sayaka reicht völlig.“ Noch nie hatte mich jemand mit Sama angesprochen. Ich war ja auch nicht Hochrangiger oder ähnliches. Vielleicht etwas älter, aber noch lange nicht so alt und weise, dass man mich mit Sama ansprechen musste. Die kleine Rin schien dadurch allerdings etwas unsicher. Wirklich ein Mysterium für sich. „Wenn du unbedingt etwas dranhängen willst, wie wäre es mit Sayaka-san?“, fragte ich sie und rappelte mich langsam auf. Jetzt strahlte Rin wieder, dabei begann sich lachend in der Gegend herum zu hüpfen während der sprechende Frosch sie bei jedem Schritt tadelte. Ich musste mich zusammenreißen vor Verwirrtheit nicht wieder zu lachen. Eigentlich war es ja wirklich eher ein Weinen. Ich beobachtete wie sich der größte Begleiter der Truppe wortlos zurückzog. Dennoch schien er mich im Auge zu behalten. Er lehnte sich schweigend, mit dem Rücken zu uns an einen der Bäume und schaute in Richtung des Waldes. Sesshomaru, dachte ich. Ein seltsamer Name. Diesen Namen gab es dort wo ich herkam nicht. Da fragte ich mich doch direkt wieder, wo ich überhaupt gelandet war. Ich schätze mal, ich war nicht tot. Aber ich war auch nicht zu Hause. Vielleicht war ich auf dem Weg zu sterben und verbrachte die Zwischenzeit in einer Art Zwischenwelt. Es gab schließlich genug Geschichten über das sogenannte Fegefeuer. Gerade machte ich den Mund auf, um nach all dem zu Fragen, was in meinem Kopf schwirrte, da zupfte jemand an meinem Rock. „Deine Kleidung erinnert mich an die von Kagome-sama. Bist du auch aus der Neuzeit, Sayaka-san?“, erkundigte sich Rin. Neuzeit? Ich bekam ein ganz mulmiges Gefühl. Als ich an mir herunter sah, entdeckte ich die zerfetzen Überreste meiner Schuluniform. Mittlerweile lief ich bauchfrei herum, auch einer meiner Ärmel war an der Schulter gerissen und hing an meinem Oberarm herunter. Von meinem Rock ganz zu schweigen, der Saum war gerissen. Ich hatte das Gefühl er war eine Nummer kleiner geworden. Meine Kleidung unterschied sich grundliegend von der in dieser Welt. Sie trugen alle Kimonos. Selbst der Mann, welcher mir nun als Sesshomaru bekannt war. Außerdem trug man hier wohl Schwerter mit sich. Das alles hier, erinnerte mich so stark an den Geschichtsunterricht. An das kriegerische Japan. An das Mittelalter. „Nicht möglich …“, wisperte ich. War es plötzlich Mode, dass man nach seinem vielleicht-Tod in der Sengoku Zeit landete? War das hier überhaupt die Sengoku Zeit? Aber wenn Rin von der Neuzeit redete, dann konnte das hier bloß die Vergangenheit sein. Diese Kleidung … „Sayaka-san?“, hörte ich Rin unsicher fragen. „Das kann doch nicht wahr sein! Wo bin ich bloß gelandet?“ Jammernd ließ ich mich wieder auf den Boden sinken. Mein Kopf fühlte sich randvoll an, mit Dingen vollgestopft, die ich nicht verstehen konnte. Wo, wann, was und vor allen Dingen Warum? Warum sollte man mich in die Sengoku Zeit befördern? Wenn ich einmal scharf nachdachte musste ich mich irgendwo in der Zeit des fünfzehnten bis siebzehnten Jahrhunderts befinden. Die Zeit in der sich die Lande im Krieg befanden.  Wenn das hier wirklich die Sengoku Ära war. Andererseits hatte ich im Geschichtsunterricht oft genug geschlafen, um in einem Irrglauben zu stochern. „Ich kann’s nicht fassen …“ Kurz schloss ich die Augen. „Ähm …“, meldete sich Rin erneut. „ … also wenn du wirklich aus der Neuzeit kommst, dann könnte dir Kagome-sama bestimmt helfen.“ „Allerdings haben wir keine Zeit für solch banale Missionen!“, verkündete der sprechende Frosch. Er linste hämisch zur Seite. Bei Gelegenheit packte ich den Frosch an seinem Kimono. „Was heißt hier banale Mission, du halbgroßer Tunichtgut! Ich falle ganz sicher nicht aus Spaß vom Himmel, um dann untätig hier festzusitzen!“ Ich rüttelte die grüne Kröte ein paar Mal kräftig. Vielleicht schien die Situation von außen locker auszusehen, doch in Wirklichkeit fragte ich mich ernsthaft was ich nun tun sollte. Mein Zuhause war nicht in Reichweite, es gab nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, wie ich wieder nach Hause kommen sollte. Es war zum heulen, und wäre ich jetzt nicht in Gesellschaft eines kleinen Mädchens, eines riesengroßen Eisschrankes und einer nervigen Kröte gewesen, hätte ich wie ein Schlosshund geweint. „Wir gehen.“, kam es plötzlich von Sesshomaru und kaum hatte er den Befehl gegeben war er auch schon zwischen den Bäumen des Waldes verschwunden. Etwas steif ließ ich den Frosch aus meinem Griff fallen, worauf dieser sofort seinem Meister hinterher rannte. „Meister Sesshomaru, kann Sayaka-san uns begleiten?“, rief Rin ihm hinterher und schien auf etwas zu warten. Nach einer ellenlangen Stille, kicherte das schwarzhaarige Mädchen. „Los Sayaka-san, du kannst mit uns kommen!“ „Bist du sicher?“ Ich rappelte mich auf und blickte skeptisch der Stelle entgegen, an der Sesshomaru verschwunden war. „Hörte sich nicht so an, als hätte er sein Einverständnis gegeben.“, murmurte ich durch meinen nicht vorhandenen Bart. Dieser Sesshomaru scheint aber nicht besonders gesprächig zu sein, dachte ich mir meinen Teil. „Ach das geht schon in Ordnung. Meister Sesshomaru redet nicht besonders viel, aber er hätte es gesagt, wenn er dich nicht dabei haben wollte. Ich glaube Youkai und Menschen unterscheiden sich da sehr voneinander.“ Ich versteifte mich. Hatte das Mädchen gerade Youkai gesagt? Da fiel mir ein, dass auch der kleine, sprechende Frosch etwas von Youkai gebrabbelt hatte. Dieser Sesshomaru war ein Dämon? Ganz sicher. Ich musste irgendwo in der falschen Welt gelandet sein. Oder vielleicht war ich wirklich gestorben und man hatte mich im falschen Himmel abgeworfen. Gut, in der Geschichte Japans gab es viele Legenden, die über Youkai und Geisterwesen berichten. Aber das konnte es doch nicht wirklich gegeben haben. „Er ist ein … Youkai.“, war alles wozu ich im Stande war. Langsam liefen Rin und ich den Fußstapfen nach, die auf einem kleinen Waldpfad getreten worden waren. Rin musste ihren Begleitern oft hinterherlaufen, denn für sie schien es keinerlei Problem zu sein den Weg aufzuholen. „Ja, und Jaken-sama auch. Er ist ein Frosch-Youkai oder so. Sesshomaru-sama ist noch eine andere Art Youkai, aber ich weiß nicht mehr welche. Er gehört zu den Hunde-Youkai.“ „Inugami?“, entkam es mir etwas zu schnell, worauf ich mir sofort die Hand vor den Mund schlug. Rin legte den Kopf schief. „Was ist ein Inugami?“ Innerlich atmete ich erleichtert aus. „Ich erkläre es dir ein anderes Mal, ja?“ Die Kleine schien sich damit abzufinden und nickte einmal kräftig. Ich begutachtete meine Hand, wobei mir erneut der relativ kleine Schnitt auffiel, den mir Sesshomarus Schwert zugefügt hatte. Mit einem Seufzen riss ich den demolierten Ärmel meiner Schuluniform vollends ab und band ihn mir um die Hand. So weit so gut, doch es blieben noch tausend andere Sachen die ich zu klären hatte. Wie sollte es mir bitte helfen, zwei Youkai und einem kleinen Mädchen nachzulaufen? Als könne Rin meine Gedanken lesen, sagte sie: „Wir haben Kagome-sama und Inuyasha-sama schon öfter wiedergesehen. Wenn wir sie treffen, kann dir Kagome-sama bestimmt helfen.“ „Wer ist diese Kagome überhaupt?“ „Das weiß ich selber nicht so genau. Aber Kagome-sama kommt aus der Neuzeit, sie reist mit Sesshomaru-samas Bruder, Inuyasha-sama, zusammen.“ „Und wieso ist sie hier?“ Ich wünschte mir gleich darauf diese Frage nicht gestellt zu haben, denn es folgte eine sehr lange Erzählung über ein Juwel, einen gewissen Naraku und über die damalige Jagd nach den Splittern des Juwels. Rin selber wusste auch nicht alles Details, was mich natürlich nicht verwunderte. Sie war noch ein kleines Mädchen. Man hatte ihr wohl kaum die komplette Geschichte erzählt. Sie selbst sagte, sie habe zu der damaligen Zeit vieles einfach aufgeschnappt. Manche Sachen erfuhr sie von dem kleinen Frosch-Youkai namens Jaken. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass ich mich wirklich in einer Zeit der Youkai befinden sollte. Des Öfteren erwischte ich mich bei dem Gedanken, dass es etwas mit meinem Nachnamen zutun haben könnte. Doch genauso schnell verwarf ich ihn auch wieder. Daikichi war lediglich ein Nachname. Das hatte nichts zu bedeuten. Es gab keine Shikigami. In meiner Welt jedenfalls. Rin erklärte mir, dass der Krieg gegen Naraku lange angehalten hatte, er aber letztendlich doch besiegt worden war. Von dem Neuzeitmädchen, Kagome. Diese war damals lange in ihrer Zeit verschwunden gewesen und später dann doch zurückgekehrt, um mit dem so genannten Hanyou, Inuyasha, zusammen zu leben. Jetzt waren zwei Jahre vergangen, seit dem Tod von diesem Naraku. „Aber sag mal Rin, wenn du zwei Jahre in einem Menschendorf gewohnt hast, wieso reist du jetzt wieder mit?“, fragte ich ernsthaft neugierig. Wieso war sie nicht bei der lieben, alten Dame Kaede geblieben, von der mir Rin erzählt hatte? „Naja eigentlich sollte ich noch länger in dem Dorf bleiben. Sesshomaru-sama sagte, ich solle mich erst wenn ich älter bin entscheiden ob ich mit ihm gehen oder im Dorf bleiben will. Aber ich wollte nicht länger dort bleiben. Die Voraussetzung dafür, dass ich mitkommen durfte war, dass ich lerne wie ich mich in der Youkai-Gesellschaft verhalten muss. Jaken-sama ist mein Lehrer.“, erklärte die kleine Lächelnd. Rin musste jetzt dreizehn sein, vielleicht vierzehn. Einem so jungen Mädchen so hohe Anforderungen zu stellen, kam mir etwas unpassend vor. Aber Rin schien davon überhaupt nichts zu stören. „Und was ist euer Ziel?“ Ich kam mir doof vor so viele Fragen zu stellen, aber ich war einfach so unheimlich neugierig. Es gab so vieles, das ich einfach nicht verstand. „Meister Sesshomaru ist Herr des Westens und er muss sich um seine Lande kümmern. In letzter Zeit werden in seinen Dörfern viele getötet, Youkai und Menschen. Er sucht wohl nach der Ursache, bisher aber wohl vergeblich …“ „Hm.“, war alles, was ich von mir gab. Diese Welt war einfach merkwürdig. Eine ganze Weile lang liefen wir durch den Wald, mal war es finster und von Gestrüpp verdichtet, und manchmal schien die Sonne durch das undichte Blätterdach. Irgendwann wurde es dann weiter, nur noch vereinzelt traten Bäume auf. Nachdem wir dann endlich zwischen Gestrüpp ins Lichte traten, blieb ich wie angewurzelt stehen, während Rin auf eine große dunkle Gestalt zulief, die neben meinen zukünftigen Begleitern stand. „Ah-Un wir sind zurück!“ Ein großer, zweiköpfiger Drache. Ich überleb‘ das nicht. Kapitel 2: ----------- Kami-sama Daikichi Uniform wie Kimono „Augen auf!“, kicherte Rin. Meine Augen auf das große Feld vor mir gerichtet, ertastete ich die selbstgemachte Blumenkrone, die nun auf meinem Kopf prangte. „Ich hab dir auch die Haare gemacht.“ Leicht warf das kleine Mädchen mir meine in einen Flechtezopf gebundenen Haare über die Schulter. Auch dort hatte sie kleine blaue Blumen eingearbeitet, die einen wunderschönen Kontrast zu meinen schwarzen Haaren darstellten. „Komm Sayaka –san, du musst dich angucken.“ Eine Woche. Es war bereits eine Woche seit meinem Sturz in diese Welt vergangen. Seit jeher tat ich nichts anderes als Sesshomaru hinterherzulaufen, mich mit Jaken zu streiten und Rin beim Blumenpflücken zu helfen. Sesshomaru kümmerte sich nicht besonders um meine Anwesenheit, geschweige denn um mich selbst. Das war wohl auch der Grund weshalb ich noch immer in meiner geschundenen Schuluniform herumrannte. Mittlerweile hatte ich jedoch auch den anderen Ärmel entfernt und den zerstörten Saumen meines Rockes so gedreht, dass man ihn nur noch von hinten sah. Den zerrissenen Part meines Oberteils hatte ich einigermaßen angeglichen, sodass es halbwegs gewollt bauchfrei aussah. Alles in allem war meine Bekleidung sehr knapp. Mein Rock reichte gerade so bis zur Hälfte meiner Oberschenkel, ebenfalls haderte ich mit meinem Oberteil, denn dieses präsentierte bei jedem Lüftchen stolz den Ansatz meines BHs. „Sieht wirklich toll aus, Rin-chan!“, verkündete ich mit einem Blick in die kleine Pfütze, die sich neben vielen Kleineren auf dem Feld tummelte. Sesshomaru hatte Rin und mich, zusammen mit Ah-Un zurückgelassen. Mittlerweile hatte ich mich an die Anwesenheit des zweiköpfigen Drachens gewöhnt. Rin sagte, er hatte sie schon vor einigen Gefahren beschützt und würde dies auch jederzeit für mich tun. Letzteres, weil ich von nun an ein Mitglied ihrer Reisegruppe war, so sagte es Rin. Jaken jedenfalls behauptete, dass ich als Mitglied der Truppe auch das richtige Benehmen gegenüber Sesshomaru zu lernen hatte. Mir erschien das nicht besonders sinnvoll. Sesshomaru wechselte kaum ein Wort mit mir und wenn ich ihn nach etwas fragte, dann entgegnete er lediglich mit einem steinernen Blick. Es gab also keinen Grund mir irgendwelche Gepflogenheiten anzueignen. Rin die meine gedrückte Laune zu bemerken schien, setzte sich neben mich auf den Boden. „Sesshomaru-sama ist aber lange weg heute.“, seufzte sie und zupfte im Gras herum. Sie schien dem Hunde-Youkai wirklich sehr zugetan. Schon so sehr, dass ich mich fragte ob Rin-chan einen Vaterersatz in Sesshomaru sah. Sie hatte mir immerhin die grausame Geschichte vom Tod ihrer Familie erzählt. Sesshomaru hatte sie gerettet, da würde es mich nicht wundern, wenn sie in ihm eine Vorbildsperson sah. „Lässt er dich immer alleine zurück?“ Sesshomaru wirkte nicht wie jemand, der Gesellschaft mochte, Rin dagegen war gerade zu aufgeweckt. Vielleicht nutzte er seine Alleingänge, um sich davon loszumachen. Allerdings nervte es mich, wie lange er fort blieb. Es waren gute vier Stunden vergangen seit seinem Aufbruch und noch immer gab es kein Anzeichen seiner Rückkehr. Ich spielte mit dem Gedanken, dass ihm möglicherweise etwas passiert sei und ich mit Rin alleine weiterziehen sollte. Doch Rin würde dies bestimmt nicht wollen und ehrlich gesagt, hatte ich keine Ahnung wie ich mit Ah-Un umgehen sollte. „Normalerweise bleibt Jaken bei mir, aber ich schätze weil du da bist, brauchte er Jaken nicht zurückzulassen. Außerdem ist Ah-Un auch noch da.“, antwortete die Schwarzhaarige. „Verstehe.“ Ich konnte mir gut vorstellen, dass die Anwesenheit Ah-Uns auch teilweise damit zusammenhin, dass Sesshomaru mir nicht vertraute. Sollte ich mich im Falle eines Falles als Feind entpuppen, war der Drache zur Stelle um Rin seinen Schutz zu bieten. Es war zum Mäuse melken. Wie ich es auch drehte, noch immer war ich der ungebetene Gast in der Gruppe. Langsam aber sicher bekam ich Heimweh. Etwas das ich bis zu dem heutigen Tag noch nie gefühlt hatte. Ich war immer gerne den lieben langen Tag durch die Gegend gestreunert, anstatt mich direkt nach der Schule Zuhause zu verkriechen. Am liebsten wäre ich manchmal bis spät in die Nacht draußen geblieben, wäre da nicht meine Großmutter gewesen. Ich hatte nie das Bedürfnis gehabt nach Hause zu gehen. Jetzt wollte ich nichts anderes. „Sesshomaru-sama!“ Das hektische Aufspringen Rins, riss mich aus meinen Gedanken. „Ihr seid zurück, Sesshomaru-sama!“ Freudig lief sie auf den Youkai zu, der jedoch geradewegs an ihr vorbei ging und sich stattdessen mir zuwandte. Mit ein wenig Abstand blieb er vor mir stehen und warf ein mittelgroßes Bündel auf meinen Schoß. „Es ist nicht mitanzusehen, wie du herumläufst.“, war sein Kommentar, bevor er sich wieder umdrehte und auf einem Stein neben Ah-Un platz nahm. Mir war sehr wohl bewusst, dass er Abstand von mir hielt. Wann immer wir anhielten, stets stand er weitab von mir. Einzig wenn wir liefen, erlaubte er es mir näher zu treten. Dies wahrscheinlich auch nur weil ich keine andere Wahl hatte als hinter ihm zu gehen, sodass ich nur seinen Rücken betrachten konnte. Mir war schon aufgefallen, dass er sehr stolz war. Er ließ sich keinerlei Emotionen abgewinnen, ebenfalls wirkten die meisten seiner Gesten – seien sie an Jaken oder an mich gerichtet – eher herablassend. Interessant war es schon, aber irgendwie auch anstrengend. „Was ist da drin, Sayaka-san?“, fragte Rin und beugte sich neugierig über das mir überreichte Bündel. Sofort mischte sich Jaken dazu. „Sei nicht so neugierig, Rin! Es geht dich nichts an!“, blaffte der Frosch-Youkai und haute ihr mit seinem Kopfstab einmal leicht auf den Kopf, worauf die Kleine ein kleinlautes Aua von sich gab. Ich glaubte nicht richtig zu sehen. Die ganze Zeit über hatte ich mich schon gefragt in welcher Position dieser Frosch überhaupt stand, dass er Rin ständig tadelte. Wenn überhaupt war wohl er der nervende Part in der Truppe. Seine ständige Besserwisserei und die zum schlafen langweiligen Vorträge, konnten einem schon den ein oder anderen Kopfschmerz kosten. „Du unhöflicher Zwerg!“ Flink riss ich den Kopfstab an mich und schlug Jaken ebenso auf den Kopf, wie er es bei Rin getan hatte. Gut, vielleicht noch etwas stärker. „Was erlaubst du dir, Menschenweib!“, krakeelte Jaken erbost. „Geh mir bloß nicht auf die Nerven, du neunmalkluge Kröte!“ Damit warf ich ihm seinen Stab in die Arme. „Lern es lieber schnell, Mädchen hat man mit Respekt zu behandeln!“, stutzte ich Jaken zurecht, bekam aber lediglich erboste Laute von ihm zurück. Während er Sätze herunterratterte, die kein Mensch mehr verstehen konnte, betastete ich das Bündel auf meinem Schoß. Rin und ich steckten die Köpfe über dem Paket zusammen. „Mal sehen …“ Langsam löste ich die Schnüre um den Stoff, der wohl als Verpackung diente. Das Bündel selbst war weiß, mit braunen Kordeln umschnürt. Als ich den weißen Stoff löste, kam der Ausschnitt eines roséfarbenen Kleidungsstückes zum Vorschein. Ausgehend vom Verlauf des Ausschnittes wusste ich sofort, dass es sich um einen Kimono handeln musste. Rin staunte nicht schlecht. „Ist der schön! Du muss ihn sofort anziehen, Sayaka-san!“ Die Kleine packte mich bei der Hand und wollte mich wohl mitziehen, was sie anhand mangelnder Kraft natürlich nicht schaffte. Da sie es sich aber so sehr wünschte, und auch ich das Bedürfnis nach frischer Kleidung hatte, stand ich bereitwillig auf und ließ mich von Rin in den Wald ziehen. Es ist nicht mit anzusehen, wie du herumläufst, rief ich mir Sesshomarus Worte ins Gedächtnis. Er hatte ja recht, aber musste er es mir so harsch beibringen? Ich hatte auch nicht geplant vom Himmel zu fallen und dabei meine Schuluniform zu zerfetzen. Herrje, dachte ich resigniert. Trotz seiner Kälte, konnte ich ihm bloß dankbar sein. Hinter zwei hohen Gebüschen kamen wir zum Stehen. „Soll ich dir beim anziehen helfen?“, erkundigte sich Rin, wofür ich ihr wirklich dankbar war, denn das letzte mal hatte ich einen Kimono getragen, da war ich vielleicht fünf Jahre alt gewesen. Damals war ich zusammen mit meinem Vater auf dem Kirschblütenfest gewesen. Danach hatte ich nie wieder einen eigenen Kimono besessen. Lediglich Yumi hatte mir auf gemeinsamen Festtagen einen ihrer Kimonos geliehen. Das hier war wirklich eine kleine Besonderheit für mich und auch wenn es für Rin und die anderen nur eine Kleinigkeit war, so freute ich mich umso mehr über dieses Geschenk. Ich wusste, dass es Sesshomaru nicht interessieren würde, doch ich nahm mir vor mich bei ihm zu bedanken. Nur mit viel Umsicht schälte ich mich aus meiner Uniform. Natürlich befanden wir uns an einem ziemlich abgelegenen Ort, aber man konnte nicht vorsichtig genug sein. Ich wollte nicht bespannert werden. Deshalb zog ich mir auch so schnell wie möglich den Kimono über, nachdem meine zerrissene Uniform auf dem Boden gelandet war. Ich bemerkte schon nach den ersten Wendungen wie wenig Ahnung ich von Kimonos hatte. Ein wenig schämte ich mich schon dafür. So verließ ich mich also ganz auf Rin, welche die Anzieh-technik des Kimonos wohl im Schlaf beherrschte. Ich sah ihr bei jedem Handgriff genau zu, während sie lustige Silben über das Anziehen von Kimonos sang. Ich hatte schon bemerkt, dass sie sich gerne Lieder ausdachte. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis der Kimono endlich saß und langsam schmerzten mir die Fußsohlen vom Stillstehen. Irgendwann nickte Rin dann doch zufrieden. „Du siehst schön aus, Sayaka-san.“ „Wirklich? Irgendwie ist es ungewohnt.“, lächelte ich verlegen und strich über den Stoff an meinen Beinen. Der Kimono war wirklich schön. Schlicht gehalten, aber schön. Oberhalb waren keine Musterungen, lediglich am Saumen zu meinen Füßen zeichneten sich weiße Blumenmuster ab, die auf Höhe meiner Knie endeten. Jede der Blumen hatte einen anderen Platz, keines der Muster wiederholte sich. Dieser Kimono gefiel mir sehr. Es war mein eigener Kimono, er war nicht ausgeliehen. Irgendwie hatte mein Sturz vom Himmel wohl doch seine gute Seite, selbst wenn ich als Belohnung nur einen Kimono bekam. „Danke für deine Hilfe, Rin-chan.“ Sie spielte nervös mit ihren Händen. „Gerne doch.“ „Wollen wir zurück?“, fragte ich und bot ihr meine Hand an. Aus irgendeinem Grund schien sie das zu überraschen, denn Rin schaute mit großen Augen auf meine Hand. Erst nach einer Weile umfassten ihre kleinen Finger meine Handfläche und zusammen machten wir uns auf den Weg zurück zu unserem Rastplatz. ~*~ P.o.v Sesshomaru „Ähm … Sesshomaru-sama, wenn es mir erlaubt ist zu fragen … ihr wollte dieses Menschenweib doch nicht länger als nötig mitführen, oder? Wir könnten sie im nächsten Menschendorf absetzen. Soll sich dieses Gör doch alleine durchschlagen.“ Keine Sekunde später hatte Jaken einen Stein am Kopf. Alles was blieb waren ein paar glucksende Laute in der Luft. Sesshomaru hatte in der Tat kein Interesse daran, das Mädchen lange mit sich zu führen, doch solange sie keine größeren Probleme als ein paar zerfetze Kleidungsstücke machte, sollte sie ihm egal sein. Außerdem beschäftigte sie Rin, was dem kleinen Mädchen sichtlich gut tat. Es war eine Abwechslung die Rin eine Weile bei Laune halten würde. Das Menschenmädchen redete nicht besonders viel, wie er fand. Nicht mit ihm und kaum mit den anderen. Wahrscheinlich war es Jaken und Rin nicht einmal richtig aufgefallen, aber wenn sie redete, dann nur um eine Antwort zu geben oder um eine kurze Beschwerde loszuwerden. Er hatte selten einen Menschen gesehen, der so wenig sagte. Sonst waren es lästige Wesen, die ständig irgendeinen Unsinn redeten. Vielleicht war es ihm auch deshalb egal, ob das Mädchen mit ihnen reiste. Sie stand ihm nicht im Weg. „Wir sind wieder da!“ Zwischen hochgewachsenem Gras kamen Rin und das andere Menschenmädchen aus dem Wald hervor. Während Jaken Rin dafür tadelte wie laut sie schon wieder war, linste der Daiyokai kaum merklich zu ihnen hinüber. Dieser Geruch, er war der Grund dafür gewesen, weshalb Sesshomaru diesem Mädchen einen Kimono gegeben hatte. Etwas an ihrem Geruch war ungewöhnlich. Er selbst konnte ihn bei all seiner Weisheit nicht zuordnen. Vielleicht kam es davon, dass dieses Mädchen genau wie die Miko, welche in Begleitung seines Halbbruders reiste, aus der Neuzeit stammte. Ob es dieser Grund war oder nicht, der Hundedämon hatte einen Kimono aus dickem Stoff gekauft, der den Geruch einigermaßen überdecken sollte. Ansonsten wären ihnen bald zahleiche Youkai auf dem Fersen, angelockt durch den starken, vor allem unbekannten Geruch dieses Menschen. „Ich hab doch gesagt, du sollst das lassen!“, riss ihn die Stimme des Mädchens aus seinen Gedanken. Gerade so erhaschte er einen Blick darauf, wie der Mensch Jaken mit seinem eigenen Kopfstab erneut auf den Kopf schlug. Sesshomaru fand es, in der Tat, interessant wie sehr sich dieses Mädchen bereits für Rin einsetzte. Sie schien es nicht zu mögen wie Jaken Mädchen behandelte. Und Rin schien es zu gefallen, wie sich jemand um sie kümmerte. Etwas daran machte den Daiyoukai zufrieden. Dieses Menschenmädchen hatte wenigstens einen geringen Nutzen für ihn. Sie war nicht ganz so nutzlos, wie er erst gedacht hatte. Bei der nächsten Begegnung mit seinem Halbbruder und dieser Menschenfrau würde er sie weitergeben. Somit war das Problem kein wirkliches Problem. „Jaken, mach ein Feuer.“, sagte Sesshomaru schließlich und unterbrach damit einen aufgebrachten Frosch-Youkai. „Wir werden heute Nacht hier bleiben.“ Er spürte deutlich wie das Mädchen seinen Worten lauschte. Wahrscheinlich weil sie bisher wenig davon zu hören bekommen hatte, anders als Jaken und Rin, kannte sie ihn kaum. Auch wenn er behaupten würde, dass selbst Jaken ihn nach hunderten Jahren der Dienerschaft kaum bis gar nicht kannte. „Oh toll! Sayaka-san, wollen wir Feuerholz sammeln? Wir könnten Pilze braten!“, stürzte sich Rin in ihren Eifer und bekam von dem schwarzhaarigen Mädchen ein unsicheres Lächeln. Sayaka. Sesshomaru ließ den Gesichtsausdruck des Mädchens auf sich wirken. Es war Rins Aufgewecktheit mit der sie nicht klarkam. Entweder war sie sehr schüchtern oder hatte nie lange Zeit mit ihresgleichen verbracht. Er konnte es nicht genau deuten. Wieso sollte er sich auch groß Gedanken darüber machen? Der Weißhaarige wandte seine Augen wieder nach vorne, als er bemerkte wie Rin ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte. „Wir gehen Feuerholz sammeln, Sesshomaru-sama!“, verkündete sie und kein Blinzeln später, verschwanden die beiden Mädchen wieder im Wald. Sesshomaru lauschte den Schritten der Beiden noch während sie schon ein ganzes Stück weit gelaufen waren. Rin sang ein ausgedachtes Lied über das Pilze sammeln, während das Menschenmädchen ruhig nebenher lief. Er war sich sicher, sie würde keine Probleme machen. ~*~ Noch während die Glut noch nicht ganz abgekühlt war, sah er wie sich eine der schlafenden Personen regte. Er hatte ihr schnelles atmen und den beschleunigten Puls schon seit einer Weile vernehmen können. Doch erst jetzt war es dem Mädchen vergönnt gewesen aus ihren Albträumen zu erwachen. Sesshomaru hörte wie sie einmal tief durchatmete und sich ihr Puls langsam beruhigte. Sie schob den Kopf der kleinen Rin von ihrem Arm und bettete ihn auf das Bündel in dem sie ihre zerrissene Kleidung aufbewahrte. Er verstand nicht wieso sie diese aufbewahren wollte. Damit war bei bestem Willen nichts mehr anzufangen, wenn man ihn fragte. Nicht gerade zart schlug sich das Mädchen mit ihren flachen Händen auf die Wangen. Der Daiyoukai beobachtete dies mit einer hochgezogenen Augenbraue. War sie denn noch nicht wach, dass sie sich selbst schlagen musste? Oder versuchte sie die Erinnerungen an ihre Albträume loszuwerden? Er würde diese Menschen nie vollends verstehen. Ehrlich gesagt wollte er das auch gar nicht.   Sesshomaru beobachtete von seinem Platz aus, wie die Schwarzhaarige sich hinstellte und einen langen Augenblick nichts tat. Erst als er ihr ins Gesicht sah, erkannte er, dass ihre Augen verirrt durch die Gegend huschten. Sie konnte nichts sehen. Weil sie ein Mensch ist, dachte er sich. Ein wenig amüsierte ihn der Anblick dieses Mädchens schon. Vielleicht auch deshalb, weil er erneut erkannte wie überlegen er den Menschen, in diesem Falle diesem Mädchen, war. Er hätte sie jetzt angreifen können und sie hätte bis zur letzten Sekunde nichts vorausahnen können. Und alles nur weil ihre menschlichen Augen Zeit brauchten um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Wenn der Daiyoukai ehrlich war, verwirrte ihn die Tatsache wie schnell dieses Mädchen ihm vertraute. Sie wusste, dass er ein Youkai war, sie wusste auch das Jaken und Ah-Un Youkai waren und trotzdem konnte sie bereits nach wenigen Tagen seelenruhig in deren Nähe schlafen. Lag dies vielleicht an Rin? Dachte dieses Menschenmädchen, wenn er Rin nichts tat, galt das gleiche für sie? „Was willst du, Mensch?“, fragte Sesshomaru noch bevor das Mädchen ihm zu nahe kommen konnte. Sie stand ungefähr fünf Meter entfernt von ihm, schräg vor der Feuerstelle. Auf seine kalten Worte, sah er die Empörung in ihrem Gesicht. Ja, dieser Mensch redete nicht viel, aber sie ließ sich genauso wenig sagen. Vielleicht war es genau das Problem, welches Sesshomaru irgendwann dazu bringen würde dieses Mädchen an einen Baum zu ketten und dort verelenden zu lassen. Jetzt bäumte sie sich jedenfalls ein Stück auf und verschränkte stolz die Hände vor der Brust, während sie sagte: „Erstmal, mein Name ist Sayaka. S – A – Y – A – K – A, Sayaka. Aber das wichtigere, ich weiß dass du ein Youkai bist. Schön und gut, du bist vielleicht stärker als ich und hast andere Voraussetzungen, aber das gibt dir noch lange nicht das Recht mich dermaßen herunterzumachen, geschweige denn deine Launen an mir auszulassen.“ Sie sah ihn lange Zeit einfach nur an, während er sich in seinem Vorhaben immer sicherer wurde, sie irgendwo anzuketten. Es gab nur ein paar Menschen, die sich jemals getraut hatten dermaßen mit ihm zu sprechen, und diese hatten entweder ihre Strafe erhalten oder einfach nicht überlebt. Seine Augen verengten sich, als die Schwarzhaarige ein paar Schritte näher trat. Er musste zugeben, es überraschte ihn ein wenig, als sie ihr Haupt leicht vor ihm neigte. „Ich hatte vorhin nicht die Gelegenheit, aber ich wollte mich bedanken … für den Kimono. Du hättest das nicht machen müssen, ich weiß du interessierst dich nicht für Menschen. Trotzdem …“ Sie drehte sich leicht in Richtung der Feuerstelle, an der eine schlafende Rin sich näher an das Bündel kuschelte. „ … ich bin froh, dass du dich wenigstens um sie kümmerst.“ P.o.v Sayaka Jetzt stand ich da und hatte keine Ahnung mehr, was ich sagen sollte. Mir waren mit diesem Satz die Worte ausgegangen und mein Herz schlug mir schon seit meiner etwas barschen Ansage bis zum Hals. Wie konnte ich mich mit einem Youkai anlegen? Sesshomaru hätte mich ohne große Mühe in Grund und Boden rammen können. Aber seine Beherrschung schien meisterlich, das musste man ihm schon lassen. Trotzdem war er ein arroganter Bolzen. „Also … gute Nacht noch.“, sagte ich und drehte mich schnurstracks um. Allerdings begab ich mich nicht wieder zurück zu Rin. Stattdessen setzte ich mich ihr gegenüber an die Feuerstelle und beobachtete wie das orangene Licht des Feuers im Rest der Glut tanzte. Ich konnte nicht mehr schlafen. Ich wollte nicht mehr schlafen.  In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie so schlecht geträumt wie in dieser Nacht. Eine Albtraumversion von meinem Sturz in diese Welt, hatte sich in meinem Kopf festgesetzt. Immer wieder wiederholte sich die Szene wie ich von der Treppe des Schreinhofes fiel, wie ich plötzlich vom Himmel fiel, und wie ich starb. Nicht drüber nachdenken, Sayaka. Ich schüttelte leicht den Kopf. Leicht schielte ich über meine Schulter, dorthin wo Sesshomaru an einen Baum gelehnt saß und an einen Punkt sah, den ich wahrscheinlich niemals sehen würde. Ich hoffte innenständig, dass es mich nicht hasste. Er sollte mich nicht mögen, aber hassen sollte er mich auch nicht. Hass war schlecht in meiner derzeitigen Situation, besonders weil ich von meiner Reisegruppe abhängig war. Ich zog meine Knie nahe an meinen Körper und platzierte meinen Kopf darauf. Hoffentlich geht es Oba-san gut, dachte ich. Ob mein Vater wohl nach mir suchte? Ob mein Verschwinden überhaupt auffiel? Ich verstand ja nicht besonders viel vom Raum-Zeit Kontinuum. Ich würde es ja sehen, wenn ich wieder Zuhause war. Und dieses WENN war mit größeren Zweifeln verbunden, als man mir auf den ersten Blick  vielleicht ansah. Schon diese eine Woche, die seit meinem Sturz vergangen war, hatte meine Nerven blank getreten. Wie sollte ich da weiterhin durchhalten? Es gab nur eine kleine Sache, die mich vielleicht ein bisschen besser stimmte. Rin-chan hatte wohl eine kleine Begabung dafür einen aufzumuntern. Sie war wirklich süß. Ich beobachtete das kleine Mädchen, wie sie in ihrem Schlaf giggelte. Sie fühlte sich wirklich wohl in ihrer Gesellschaft. Irgendwie beeindruckte mich ihre Ruhe, in Mitten von Youkai, die Wesen an die sich die wenigsten Menschen herantrauten. Selbst in meiner Zeit, wo Youkai alles andere als Alltäglich waren, fürchtete man sich vor ihnen. Dort waren sie sowas wie ein gefürchteter Albtraum. Man hatte Angst vor ihnen, wusste aber, dass es sie nicht wirklich gab. Anders als hier. Hier waren sie die Alltägliche Realität. Ich wusste immer noch nicht richtig, wie ich das verarbeiten sollte. Und ob ich dies überhaupt konnte. Irgendwie hatte ich das dumme Gefühl mit einem Dachschaden nach Hause zu gehen. Ich lächelte leicht. Mal sehen … Ich blieb sehr lange so sitzen, doch als ich bemerkte, dass sich der Himmel erhellte und es bald Tag werden würde, stand ich auf um ein wenig herumzulaufen. Meine Beine fühlten sich bei den ersten Schritten schwer und steif an. Obwohl ich wusste, dass wir uns heute wieder auf den Weg machen würden, sammelte ich ein wenig Feuerholz entlang des Waldrandes. Eins musste man der Sengoku Ära lassen, sie hatte wunderschöne Sonnenaufgänge, sowie Sonnenuntergänge. Kurz blieb ich stehen und betrachtete den rotorange glühenden Feuerball am Horizont. „Daikichi!“ Ein Zischen, gefolgt von einem heftigen Rascheln der Baumkronen ertönte aus dem Wald und führte dazu, dass ich all das gesammelte Feuerholz zu Boden fallen ließ. Hektisch drehte ich mich um, ich konnte schwören einen flitzenden Schatten zu erkennen. Einmal ganz kurz, dann war er weg und alles was zurückblieb war der Wind, der durch die Baumkronen sauste. Hatte jemand wirklich meinen Nachnamen gesagt? Sollte das alles hier nun doch mit meinem Nachnamen zusammenhängen? Es war doch nur ein Name. Ich stammte nicht von Shikigami ab. Wieder schüttelte ich den Kopf, bevor ich mich hinunterbeugte und das Feuerholz aufsammelte. Ich verschwendete keine Zeit dabei mich so schnell wie möglich wieder zu unserem Lagerplatz zu begeben. Dort suchte ich die Gegend nach Sesshomaru ab, der allerdings nirgends finden war. Jedenfalls bis er plötzlich aus dem Wald kam. Aus der Richtung, aus der ich diese seltsamen Geräusche vernommen hatte. Konnte es sein dass …? Nein, nein das konnte nicht sein. Aber … „Warst du das eben?“, fragte ich aus meinen Zweifeln heraus. Allerdings sagte mir Sesshomarus Blick bereits die Antwort. Nein, definitiv nicht. Aber wenn er es nicht bemerkt hatte, dann musste ich mir diesen Schatten wohl doch eingebildet haben.  Er war ein Youkai und die hatten bekanntlich feinere Sinne als Menschen. Es war doch wirklich zum Haare raufen! Ich hatte das Gefühl langsam den Verstand zu verlieren. Ich zwang mir ein lächeln auf und wandte mich dem Feuer zu. Rin und ich hatten gestern Abend eine Menge Pilze gesammelt. Diese spießte ich nun nacheinander auf und steckte sie in einem Kreis ums Feuer herum. So würden wir noch ein gutes Frühstück haben, bevor es wieder auf Reisen ging. Als hätte Rin meinen Gedanken gehört, richtete sie sich plötzlich auf. Verschlafen rieb sich das Mädchen die Augen und gab ein herzhaftes Gähnen von sich. Bei ihren ausgedehnten Streckübungen, trat sie versehentlich Jakens Kopfstab um, der dem Grünen Frosch wiederrum auf den Schädel fiel. „Huh?“, kam es von ihm. Dann sah er seinen Meister und sprang wie von der Tarantel gestochen auf. „Meister Sesshomaru!“, krakeelte er. „Verzeiht, dass Rin immer so lange schläft. Wir werden bald aufbrechen können.“ Die Kröte wandte sich an Rin. „Los Rin, du faules Stück, steh gefälligst auf!“ Ich, die sein Gemecker mal wieder nicht ertragen konnte, schnappte mir einen Stein, der gerade günstig vor mir lag. Ich warf, und traf auch. Ein lachen konnte ich mir nicht verkneifen. Rin dagegen schaute etwas verdruckst rein. „Du verdammtes Biest!“, zischte Jaken und rieb sich die Beule an seinem Kopf. „Weißt du, da wo ich herkomme brät man Frösche in Öl und isst sie am Spieß. Wenn du so weiter machst, endest du vielleicht genauso.“, entgegnete ich trocken und stocherte mit einem Stock im Feuer. Natürlich stimmte der mit dem Fröschen-Am-Spieß Teil nicht, jedenfalls nicht ganz. „Du wagst dich was!“, kiekste der Frosch-Youkai weiter. „Rin möchtest du etwas essen?“, fragte ich die Schwarzhaarige und hielt ihr dabei zwei der Pilzspieße entgegen – Jaken ignorierend. „Ouhja!“ „Hey ignorierst du mich etwa, Weib?“ Ich musste mich streng zusammenreißen nicht zu lachen, so wie sich Jaken aufregte. „Hör mir gefälligst zu!“, ging es weiter. Es folgten noch ganz andere Sätze, bei denen mir die Ohren klingelten. Das Sesshomaru dieses Geplapper schon so lange aushielt, konnte ich mir kaum begreiflich machen. Wie hielt er das aus? Ich schätze mal, ich behielt Recht, wenn ich sagte, dass Sesshomaru eine verdammt gute Selbstbeherrschung hatte. „Jaken, wie lange begleitest du Sesshomaru eigentlich schon?“, unterbrach ich das Gemecker des Frosches und erzielte Tatsächlich seine Aufmerksamkeit – auf eine gewisse positive Weise. „Es heißt Meister Sesshomaru, besonders für dich Mensch! Nun, ich begleite Meister Sesshomaru-sama schon seit mehreren hundert Jahren und- „Wie er es so lange mit dir ausgehalten hat, ist mir unbegreiflich!“, entkam es mir und der Frosch neben mir erstarrte zu Salzsäure. Aber ich war noch nicht fertig. „Aber mal ernsthaft, du- „Sayaka.“, ertönte die tiefe Stimme, von der ich nie erwartet hatte meinen Namen zu hören. Ich drehte mich um. Da stand er. Mit den Rücken zu uns, den Blick lediglich über seine Schulter geworfen. Goldene Augen sahen mir so tief in meine, dass meine Knochen sich anfühlten, als würden sie gefrieren. Diese Kälte, die Härte in seinem Blick. Ich fragte mich zum ersten Mal, wer wohl dafür verantwortlich war, dass Sesshomaru so war, wie er war. Es musste einen Grund geben. Keiner war von Anfang an abgestumpft. Aber ich musste es mir streng verbieten der Neugier die Oberhand zu reichen. „Es reicht.“ Damit wandte er sich vollends von uns ab. Der Hunde-Youkai ging so weit weg, dass ich ihn auf dem weiten Feld vor uns nur noch als mittelgroßen, weißen Punkt wahrnehmen konnte. „Da hast du es, Menschenkind! Du hast Sesshomaru-sama verärgert.“, schnatterte Jaken aufgeregt. Wieder bekam er einen Stein an den Kopf. Aber nicht von mir. Und auch Rin war es nicht gewesen. Gerade so erhaschte ich einen Blick darauf wie Sesshomaru seine Hand zur Seite sinken ließ. Er steht mit dem Rücken zu uns und hat trotzdem getroffen, dachte ich erstaunt. „Typisch Youkai eben.“, murmelte ich so leise wie möglich. „Hast du etwas gesagt, Sayaka-san?“, fragte Rin perplex. „Äh nein, nichts. Lass uns schnell aufessen ja? Ich hab das Gefühl, wir sollten uns bald auf den Weg machen.“ Kapitel 3: Feind wie Beschützer ------------------------------- Author's note: Ich bedanke mich vielmals für die Reviews! Ich habe mich sehr gefreut, dass meine Geschichte so gut gefällt! Ich werde mir weiterhin alle Mühe geben euren Wünschen gerecht zu werden! Ich konnte mich einfach nicht mehr zurückhalten ein neues Kapitel hochzuladen und deswegen gibt es bereits jetzt das neue Kapitel. Aber: Am Dienstag kommt nochmal eines! :) Ich bin sehr fleißig am Schreiben und konnte deshalb schon ein wenig vorarbeiten! Alles dank eurer lieben Kommentare! Dankeschööön :* Besonders an LunaLuna! Ich wünsche euch viel Spaß mit dem Kapitel! ~*~ Kami-sama Daikichi Feind wie Beschützer Schmerz. Schmerz überall. Schmerz in meinen Schultern, Schmerz in meinen Knien, aber besonders großer Schmerz in meinen Füßen. Ich wollte kein Stück mehr weiter gehen. Wir liefen bestimmt schon den ganzen Tag durch einen der unebensten Wälder, den ich je gesehen hatte. Mal ging es steil bergauf, dann wieder bergab. Hier war der Weg uneben, dort traf man auf eine Sumpflandschaft. Eins konnte ich sagen: Wenn das hier wirklich gen Westen führte, dann konnten die westlichen Ländereien nicht besonders schön sein. Am liebsten hätte ich mich lautstark beschwert, darüber wie unmenschlich es war uns den ganzen Tag laufen zu lassen wie eine Horde Tiere. Aber mal ehrlich, es war unmenschlich, gerade weil meine Begleiter keine Menschen waren. Wenn ich ihnen also sagte, dass es unmenschlich war wie sie uns behandelten, machte ich den beiden Youkai wahrscheinlich noch ein Kompliment. Rin, die die meiste Zeit unserer Wanderung fröhlich herumgetollt war, lief ebenfalls schon in Schlenkern den Weg entlang. Hin und wieder taumelte sie gegen mich, rieb sich die müden Augen und versuchte nicht zu stolpern. Als sie das dritte Mal gegen mich lief, tippte ich ihr sanft auf die kleine Schulter. „Rin-chan, möchtest du dich nicht lieber auf Ah-Un setzen?“ Ihr müder Blick bewegte mich dazu mein Augenmerk auf unseren Führer zu richten. „Wie lange sollen wir noch weitergehen, Sesshomaru? Rin und ich sind keine Youkai, gib uns eine Pause.“ Er antwortete nicht, und er hielt auch nicht an. In diesem Moment wäre ich ihm am liebsten an die Gurgel gesprungen. Doch ich rief mich zur Besinnung und sagte mir, dass einer von uns Erwachsen sein musste. Wieso war ich ausgerechnet an diese Reisegruppe geraten? „Schon gut Sayaka-san, ich glaub ich halte noch eine Weile durch.“, lächelte Rin tapfer. Ich wollte schmollen. Schön und gut, dass Rin noch Durchhaltevermögen besaß, meines hatte bereits kläglich gegen meine schmerzenden Füße verloren. Ich war kurz davor mich an Ort und Stelle auf den Boden zu setzen und hemmungslos zu weinen – wie ein kleines Kind, das den Lolli aus dem Kiosk nicht bekommen hatte. Doch stattdessen gab ich ein erschöpftes Seufzen von mir und zwang mich weiter dazu, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Mir fiel dabei auf, wie sehr meine Schuhe gelitten hatten. Sie waren auch ein Bestandteil meiner Schuluniform. Auf den Gedanken an meine zerfetze Uniform musste ich erneut Seufzen. Wie soll ich das alles bezahlen? Schuluniformen waren teuer, mein Vater würde mich Köpfen, wenn er meine Schultracht dermaßen zerstört vorfand. Wenn ich denn jemals nach Hause kommen sollte. Ich taumelte ein wenig, als ich über einen kleinen Stein stolperte. Ungewöhnlich schwer fing ich mich wieder auf. Wahrscheinlich lag das an dem Kimono. Der Stoff war doch ganz schön dick. Eigentlich sogar ziemlich dick für einen Kimono, er war aus Leinenstoff. Normalerweise bevorzugte man Seide oder ähnlich dünne Stoffe, besonders im Sommer. Und naja, es waren gefühlte zwanzig Grad im Schatten. Die Tracht, die ich trug war wohl eher für den Winter geeignet. Aber vielleicht hatte Sesshomaru nicht daran gedacht und nur darauf geachtet, dass ich möglichst verdeckt herumlief. Eigentlich konnte ich froh sein, dass er mir überhaupt etwas zum Anziehen besorgt hatte. In meine Gedanken versunken, bemerkte ich erst sehr spät, wie wir den Wald verließen. „Oh wie schön, Sesshomaru-sama!“ Rin begeisterte sich sofort für den Anblick, der sich uns bot. Wir standen am Rande eines Tals, in dessen Mitte ein größeres Dorf lag. Selbst von hier oben, sah man das rege Treiben vor den vielen Hütten. Aber es waren komische Geräusche zu hören, Geräusche die ich keinem Menschen zuordnen konnte. Dann sah ich es, eine Art große Echse, die sich vom Dorf aus in die Lüfte hob und einen zischenden Schrei ausstieß. Es war ein Dämonendorf. Gut, wenn wir uns wirklich schon im westen befanden, dann gehörten diese Lande Sesshomaru. Und Sesshomaru war ein Youkai, also würde wohl auch ein Großteil seines Volkes aus Youkai bestehen. Eigentlich wäre ich sofort weggerannt, doch irgendwie interessierte mich dieses Dorf. „Ihr wartet hier.“, sagte Sesshomaru im üblichen Befehlston und wollte sich gerade vom Boden abstoßen, als ich ihn aus einem merkwürdigen Instinkt heraus, an seiner Pelzboa festhielt. Kaum hatten meine Fingerkuppen das weiche Fell berührt, wandten sich mir stechend scharfe Augen zu. „Du blödes Frauenzimmer! Fass‘ Sesshomaru-sama nicht mit deinen dreckigen Menschenhänden an!“, krakeelte Jaken. Dieses Mal ignorierte ich ihn. „Entschuldige … aber ich will mitkommen! Ich will hier nicht warten.“, sagte ich entschlossen. Mittlerweile hatte ich meine Hand wieder zurückgezogen und versuchte dem intensiven Blick des Hunde-Youkais so gut es ging standzuhalten. Es war mir nicht entgangen, dass ihm meine Anfass-Aktion nicht besonders gut gefallen hatte. Kein Wunder, wie auch vorher hielt sich Sesshomaru so weit es ging von mir fern, was auch ich sehr begrüßte, denn er konnte schon sehr einschüchternd sein. Doch Regeln mussten auch mal gebrochen werden, nur hoffte ich innenständig, dass ich dadurch jetzt nicht mein Leben verlor. Meiner Meinung nach, hatte ich genug Todesängste für zwei Lebzeiten gesammelt. „Zeitverschwendung …“, meinte der Youkai lediglich und stieß sich nun vom Boden ab. Ich drehte mich zu Rin. „Eh … heißt das jetzt, dass ich mit kann?“ „Ja!“, lächelte Rin. Sie schubste mich ein wenig voraus und noch gerade rechtzeitig packte ich das Ende der weißen Fellboa. Im nächsten Moment schwebten wir höher und höher über das Tal und überwanden eine riesig weite Strecke. Unter mir sah ich weite Felder in allen Farben. Von schillernden Blumenfeldern, bis zu Getreidefeldern in gedeckteren Farben. Weiter am Rande überblickte ich den Wald, der von den Bäumen wie von einer Decke überzogen war. Ich versuchte zu erahnen, wie weit wir heute wohl gegangen waren und wo unser voriger Lagerplatz war. Es war merkwürdig mit was für einer Leichtigkeit ich schwebte. Es war als könnte ich in der Luft gehen. Am liebsten hätte ich gekichert. Auch wenn in mir noch immer die Angst vor einem erneuten Sturz vom Himmel steckte. Entsprechend der Schnelligkeit, in der wir die weite Strecke zurücklegten, dauerte der Flug nicht lange. Es mussten keine zehn Minuten vergangen sein, als wir einige Meter vor dem Dorf hielten. Sesshomaru ging voraus, während ich hinter ihm lief. Normalerweise gefiel mir dieses Alphamännchen-Gehabe nicht, doch dieses Mal gab es mir das Gefühl auf der sicheren Seite zu sein. Ob es wirklich so war, wusste ich nicht. Nur weil Sesshomaru die kleine Rin beschützte, musste das nicht unbedingt heißen, dass er auch auf mich aufpasste. Wahrscheinlich bestand er darauf, dass ich auf mich alleine aufpasste. In der feudalen Zeit Japans hatten die Kinder in meinem Alter schon lange gelernt sich selbst zu verteidigen. Ich war da etwas schlecht vorbereitet. Kurz vor Anfang des Dorfes, blieb Sesshomaru plötzlich stehen. Er sah weiterhin nach vorne. „Bleib nahe bei mir. Rede kein Wort. Sieh niemanden an.“, hörte ich ihn sagen. Ich wusste sofort, dass diese Worte an mich gerichtet waren. Irgendwie machte er mir damit Angst. War es wirklich so schlimm, wenn ein Mensch ein Dämonendorf betrat? Hört sich an, als würde ich in die Höhle des Löwen laufen, dachte ich nun doch etwas verunsichert. Trotz allem nickte ich und trat ein kleines Stückchen näher an Sesshomaru, sodass ich nun fast mit seinem Rücken Bekanntschaft machte. Allerdings schien es ihn in diesem Augenblick nicht zu interessieren. Wir betraten das Dorf in einem gemächlichen Gang. Ich verbrachte die meiste Zeit mit der Beobachtung meiner Füße. Sieh niemanden an, sieh niemanden an … Das war wohl das schwerste an der Sache. Überall hörte ich Geräusche, wie Zischen, Gemurmel, verzücktes Kichern, bewunderndes Aufatmen. Es war so schwer niemanden anzusehen. Der drang danach mir alles anzugucken, schien von Sekunde zu Sekunde unerträglicher. In mir stieg sowas wie Nervosität, wie bei einem Kind das dringend auf die Toilette musste. Doch ich gab mich mit der Aussicht auf Sesshomarus Rücken zufrieden. Wenigstens gab dieser ein wenig mehr Abwechslung als meine Füße. „Daikichi!“, ertönte dieselbe Stimmte, die schon einmal nach mir gerufen hatte. In dem Moment sah ich zu meiner Rechten und erkannte wie hinter einem großen, stämmigen Youkai derselbe Schatten wie heute Morgen verschwand. Doch dieses Mal war es nicht der Schatten, der mir ein komisches Gefühl gab. Dieser Youkai, der dort stand war es, von dem meine Skepsis ausging. Seine stechend gelben Augen hatten etwas von einem Reptil, die Schuppenförmigen Male über seinen Wangen glimmerten in einem dunklen Grün und diese schmalen, fast schelmisch grinsenden Lippen rundeten meinen Verdacht ab. Irgendetwas stimmte mit diesem Youkai nicht, etwas das mich unwohl fühlen ließ. Ich war stehengeblieben ohne es bemerkt zu haben. Mein Blick war starr auf den Dämonen vor mir gerichtet. „Kakai.“, entkam es mir und das Grinsen des Youkais wurde breiter. In einem Augenschlag, stand er vor mir und drängte mich mit unmenschlicher Geschwindigkeit an eine der Holzhütten viele Meter hinter uns. Das Knarren des Holzes hinter meinem Rücken, brachte mich wieder zurück. Was hatte ich gesagt? Wieso kannte ich diesen Youkai? „Es ist mir ein Vergnügen, Daikichi-sssama.“, zischte er, sein Gesicht verzerrt von einem überbreiten Grinsen. Mit seiner gespaltenen Zunge leckte er sich über die Lippen. „Widerlich.“, sprach ich meinen Gedanken aus, als der Youkai vor mir den Mund öffnete, erst ganz normal, dann hörte ich das Knacken seiner Kieferknochen. Beim ausrenken seines Kiefers entblößte er die messerscharfen Fangzähne, wie ich sie von Schlangen in Erinnerung hatte. Er wollte mich verschlingen. Verschlingen!, schrie alles in mir. Noch gerade rechtzeitig duckte ich mich unter seinem Maul hinweg und sprang zur Seite. Allerdings packte mich im selben Moment etwas am Fuß und zog mich mit unmenschlicher Kraft in die andere Richtung. Nach einem gezielten Flug durch die Luft, landete ich recht unsanft auf meinem Po – neben Sesshomaru. Er hatte mich mit einer Art Peitsche zurückgezogen. „Wenn das nicht der Herr des Westens ist.“, wandte sich der Schlangendämon an Sesshomaru. Er hatte seinen Kiefer wieder eingerenkt und schaute herablassend. „Seit wann bequemt sich der große Daiyoukai durch das einfache Volk? Ich dachte du würdest noch immer deiner unerreichten Stärke hinterherlaufen.“ Etwas an den Worten, die der Youkai benutze sagte mir, dass es großen Ärger geben würde, wenn er sein Maul weiterhin so weit aufriss. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich konnte mich nicht irren. Es musste sich bei diesem Youkai um einen Shikigami handeln. Ich hatte ihn Kakai genannt. Die Schutzgottheit Kakai stand für den Monat Februar, in ihm stand das Zeichen der Schlange. Mein Verdacht wurde bestätigt, als ich in verschnörkelten Zeichen das Wort Hebi auf dem linken Ärmel des Youkais entdeckte. Gleich darunter prangte ein großes Wappen, von dem ich schwören konnte, dass es mir bekannt vorkam. „Unnützes Geschwätz.“ Mehr sagte Sesshomaru nicht. So sehr ich seine Selbstbeherrschung auch bewunderte, in dieser Situation schien sie eher unpassend. Auf ein selbstsicheres Lachen des Shikigami, wandte er mir wieder seine Aufmerksamkeit zu. „Daikichi! Du wirst mit mir kommen.“ „Eh?“ Ich brauchte eine Weile, um zu verstehen, was Kakai gerade gesagt hatte. Erst danach kam die Empörung. „Das kannst du mal ganz schnell wieder vergessen! Im Übrigen heiße ich Sayaka, Daikichi ist bloß das Anhängsel!“ Ich war stolz, denn die Selbstsicherheit in meiner Stimme war bloß Fassade und diese hielt ich meisterhaft aufrecht. Sie hielt meine Furcht in Zaum und erlaubte mir diese waghalsigen Worte. „Ernsthaft, wer denkt der, wer er ist?“ Ich klatschte mir die Hand auf den Mund, als mir klar wurde, dass dieser Satz nicht bloß ein Gedanke geblieben war. Sesshomaru neben mir sah warnend zu mir herunter. Sein Blick sagte alles: Schweig still! Dafür war es anscheinend schon zu spät, denn der Shikigami kam lächelnd auf uns zu. „Nun, mein Name ist Kakai und ich bin der oberste Shiki no Kami der Schlangen. Und du …“, er zeigte auf mich. „… bist heute meine Beute.“ Mein Herz setzte einen Schlag aus. Ich hatte mich wirklich nicht geirrt. Er war ein Shikigami. Ich war hier wegen meines Nachnamens. Dieser Kerl dachte ernsthaft, ich wäre ein Shikigami. Mir wurde die Sicht auf meinen Angreifer genommen, als sich Sesshomaru vor mich stellte. Ein ungewöhnlicher Anblick für mich. „Wirklich. Du stellst dich mir in den Weg, Sesshomaru, Herr des Westens?“ Angesprochener gab abermals kein Wort von sich. „Dann wird es mir eine Ehre sein … dich zu besiegen!“ Keinen Augenschlag Später prallten die Klingen aufeinander. Ehrlich gesagt, fühlte ich mich ein wenig fehl am Platz. Alles was ich tun konnte, war zuzusehen wie sich Sesshomaru und Kakai gegenseitig bekämpften. ~*~ P.o.v Sesshomaru Er hatte nicht vorgehabt das Mädchen mitzunehmen. Er hatte geahnt, was passieren würde. Er hatte es darauf ankommen lassen. Jetzt hatte er diese Entscheidung auszubaden. Sesshomaru würde dieses Menschenmädchen an einen Baum ketten, wenn das hier vorbei war, das schwor er sich. Gleichzeitig schien es ihm zugute zu kommen, denn er hatte es im Gefühl, dass dieser niedere Youkai etwas mit den Morden in seinen Landen zu tun hatte. Sesshomaru verwunderte es dennoch sehr, weshalb nicht er, sondern Sayaka die Eigenart an dem Shikigami bemerkt hatte. Shikigami, dachte der Daiyoukai und wehrte einen harten Schlag mit seinem Schwert ab. Sie gehörten mit zu den niedersten Gruppen der Youkai, sie wurden von Menschen gefürchtet und von Youkai belächelt. Sesshomaru verpasste seinem Gegner einen gnadenlosen Tritt in die Magengrube, welcher den Shikigami in eines der Holzhäuser einbrechen ließ. Diese kurze Pause nutzte der Daiyoukai, um Sayaka aus dem Augenwinkel zu mustern – von oben bis unten. Mittlerweile war sie wieder aufgestanden und sah etwas hilflos in der Gegend herum. Sesshomaru suchte Anzeichen nach etwas unmenschlichen. Irgendwelche Male, Krallen, einen Schimmer dämonischer Aura. Doch alles, was an diesem Mädchen ungewöhnlich war, war ihr Geruch. Etwas an ihr roch herbe. Normalerweise war der menschliche Geruch für Youkai kaum zu riechen, wenn sie ihn nicht riechen wollten. Es war eine leichte Briese. Doch der Geruch dieses Mädchens kämpfte sich immer wieder durch. „Hier spielt die Musik!“ Kakai hatte sich vom Boden abgestoßen. Um sein Schwert sprühten rote Funken und wann immer einer dieser Funken den Boden traf, bildete sich eine rauchende Kuhle im Dreck. Gift. Einer der Funken traf auf Sesshomarus Kimono und ätzte einen ungleichmäßigen Kreis in seinen linken Ärmel. Als sich im nächsten Moment erneut die Klingen kreuzten, sprühten die Funken in alle Richtungen, beinahe als ergaben sie rote Sonnenstrahlen. Selbst Sesshomaru hatte Schwierigkeiten diese abzuwehren. Er beobachtete, wie sich viele der Dorfbewohner in den hinteren Teil des Dorfes flüchteten. Einige wurden dabei von den roten Strahlen getroffen und lösten sich allmählich in eine Knochenlose Masse auf. Sesshomaru roch Blut, Blut in allen Richtungen. Und wieder schien eine Note ganz besonders herauszustechen. Sein Blick galt dem Menschenmädchen, das ihn begleitete. Sie saß wieder auf dem Boden, die Augen angestrengt zusammengezogen. An ihrem rechten Ärmel prangte ein großer Riss, dessen Ränder sich langsam mit Blut vollsogen. „Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du der Mixtur standhalten kannst. Ein Wunder, ich dachte du würdest dich auflösen, Daikichi.“ Kakai zog sich aus seinem Angriff zurück und landete auf einem der Dächer. „Ich werde diesen Kampf wohl oder übel unterbrechen müssen, aber … lass dir gesagt sein, Daikichi-san, du wirst nicht ewig davonlaufen können. Unser Meister wartet auf dich.“ Der Shikigami drehte sich zum Gehen um. „Warte!“, hörte Sesshomaru das Mädchen rufen. „Wer ist dieser Meister? Hat er etwas mit den Morden in den westlichen Landen zu tun?“ Sesshomaru wunderte es, dass Sayaka von den Morden wusste. Rin musste geplappert haben, aber wieso interessierte sich Sayaka dafür? Wieso hatte sie denselben Gedanken wie Sesshomaru gehabt? Langsam aber sicher, wurde sich Sesshomaru sicher, dass dieses Mädchen mehr Probleme bereiten würde als am Anfang angenommen. Sie musste eine Verbindung zu den Mördern haben. Doch die Frage die sich daraus ergab war: Freund oder Feind? Diesem Mädchen war nicht zu trauen, auch wenn sie selbst keine Ahnung davon zu haben schien, was sie selbst war. „Wir Shikigami werden die Lande erobern. Wir werden uns aus unserem Schatten erheben.“ Etwas an den Worten machte Sesshomaru rasend. Er stieß sich ab und zielte auf einen direkten Treffer gegen Kakai, doch noch bevor seine Giftklauen zum Einsatz kamen, verschwand der Shikijin in einer Explosion. Der Daiyoukai zog sich rechtzeitig wieder zurück. Sesshomaru biss die Zähne aufeinander. Er verabscheute dieses feige Verhalten so sehr. Er hegte einen so unbändigen Hass gegen diesen respektlosen Shikigami. Der Daiyoukai musste sich streng zusammenreißen seiner Begleiterin nicht direkt an die Kehle zu springen. Sie war der Grund für die Probleme, sie verheimlichte etwas. Ein Knurren grollte von tief innen, erreichte jedoch nicht die äußere Erscheinung. Einerseits hatte sie ihm einen Anhaltspunkt für die Morde in seinen Ländern geliefert, andererseits kostete sie ihn durch ihr Auftreten mehr Probleme, als er gebrauchen konnte. Wäre Rin nicht, hätte sich Sesshomaru dieses Mädchens schon längst entledigt. Besagtes Mädchen, kam in gemächlichen Schritten neben dem Herrn des Westens zum Stehen. „Tut mir leid.“, hörte er sie sagen. „Ich hätte nicht stehenbleiben sollen, dann wäre es wohl nicht zu diesem Kampf gekommen.“ Seine Beherrschung hatte den Nullpunkt erreicht. In einer einzigen, fließenden Bewegung zog er sein Schwert und richtete dieses auf das Mädchen. „Was bist du?“ Sesshomarus Stimme blieb kalt. Er ließ keinerlei Regung in seinem Gesicht zu. Der Hunde-Youkai erkannte den Schock in Sayakas Gesicht. Erst den Schock, dann die Wut. „Du denkst auch die Welt besteht nur aus Schwarz und Weiß, kann das sein? Ist dir vielleicht einmal in den Sinn gekommen, dass ich selbst keine Ahnung habe, was gerade vorgeht? Oder sehe ich vielleicht so aus, als würde ich gerade den Weltherrschaftsplan schmieden?“, regte sie sich auf. „Aber kein Wunder, bekanntlich sind Hunde ja Farbenblind, die übersehen gerne mal was!“ Sesshomaru glaubte sich verhört zu haben. Doch er sah, dass selbst Sayaka vor ihm überrascht über ihre Worte zu sein schien. Sie schien den Fehler in ihrem Verhalten gerade zu bemerken, da reagierte Sesshomaru bereits. Er drückte ihr die Schwertspitze seines Bakusaiga an die Kehle, welche eine kleine blutende Wunde am Hals des Mädchens hinterließ. „Erlaube dir nicht zu viel.“, knurrte er. Kurz verweilte er in dieser Position, bevor er das Schwert wieder in die Scheide steckte und an Sayaka vorbei ging. ~*~ P.o.v Sayaka Ich brauchte eine Weile um die Situation zu verstehen. Diese Kälte in den Augen von Sesshomaru hatte mich praktisch gelähmt. Er vertraut mir nicht, dachte ich. Natürlich vertraute er mir nicht. Das hatte er wahrscheinlich von Anfang an nicht getan. Aber es war das erste Mal, dass er mir sein Misstrauen öffentlich gezeigt hatte. Wahrscheinlich ließ er mich nur deswegen am Leben, weil Rin mich ins Herz geschlossen hatte. Noch dazu war mein Kommentar, über die Blindheit von Hunden echt daneben gewesen. Ich hätte mich am liebsten selbst geschlagen. Wie konnte ich bloß so respektlos sein? Gegenüber jemanden, der mich in einem Augenschlag umbringen konnte. Nur langsam kam ich wieder in Bewegung. Hinter dem weißhaarigen angekommen, hörte ich ihn sagen: „Deine Wunde.“ Deine Wunde…was? Was sollte mir das sagen? Verbinde deine Wunde? Ist deine Wunde schlimm? Tut deine Wunde weh? Aber nein, der Herr des Westens interessierte sich für nichts und niemanden. Er sprach lieber in Rätseln. Trotzdem sagte ich: „So schlimm ist es nicht.“ Damit log ich wohl ein wenig. Sie brannte höllisch. Zwar hatten mich die Funken an der Schulter nur gestriffen, doch trotzdem hatte sich das Gift in die unteren Hautschichten gefressen. Es war ein brennendes Gefühl, es zog und riss an meiner Haut, beinahe als biss es sich durch. Aber ich konnte froh sein, froh darüber mich nicht in eine knochenlose Masse aufgelöst zu haben. Während wir durch das Dorf gingen, kamen wir immer wieder an verflüssigten Körpern vorbei, die einmal Youkai gewesen waren. Es wunderte mich wie Ruhig die dämonischen Bewohner geblieben waren. Sie standen ruhig vor ihren Häusern und betrachteten ihren Herrscher mit Ehrfurcht. Mich schienen sie zwar zu bemerken, aber nichtsdestotrotz schenkten sie mir kaum Beachtung. Nach einer Weile, blieb Sesshomaru erneut stehen. Als ich hinter ihm hervor lugte, erkannte ich eine kleine Katzenähnliche Gestalt, die ehrwürdig auf dem Boden kniete. „Willkommen in unserem Dorf, Sesshomaru-sama, Herr des Westens.“ „Bringt mich zu eurem Dorfältesten.“, sagte er lediglich. „Wie ihr wünscht, Sesshomaru-sama.“ Bei genauerem Hinblick erkannte ich den Youkai vor mir genauer. Es war eine etwas ältere Youkaidame, mit einem Katzenschwanz und scharfen Krallen. Ihre Augen waren stechend Gelb, die Pupillen schmal und Spitz. Sie führte uns entlang des Weges zu einem großen Palast, den wir durch einen Torbogen betraten. Hinter den Mauern kam ein schlicht gehaltener Garten zum Vorschein. Es gab Beete entlang der Wände, einen Kirschbaum zu je einer der zwei Rasenflächen zu unseren Seiten. „Benjiro-sama erwartete eure Anreise bereits. Er hofft auf eure Hilfe.“, erklärte die Katzendämonin, als wir vor einer der zahlreichen Schiebetüren des Palastes hielten. Sie ging auf die Knie und klopfte dreimal. „Benjiro-sama, Sesshomaru-sama ist soeben eingetroffen.“ „Ich spüre eine weitere Präsenz.“, hörte ich eine rau dunkle Stimme hinter der Tür. Die Katzendämonin drehte sich zu uns herum und wandte mir ihre stechend gelben Augen zu. „Ja, Sesshomaru-sama ist in Begleitung.“ „Lass sie herein, Chichi.“ Die Dämonin schob die Tür auf und führte uns in einen relativ dunklen Raum. Am linken Ende des Zimmers war ein kleiner Altar aufgebaut, vor dem ein alter Mann im Yukata saß. Er zündete gerade ein Räucherstäbchen an und schien um den Segen der Götter zu beten. Der Holzboden knarrte unter unseren Schritten und wenn ich mich genauer umschaute, sah es so aus, als hätte man schon seit einer Ewigkeit nicht mehr richtig geputzt. Chichi, die Dienerin, ging auf schnellen Schritten auf die gegenüberliegende Seite des Raumes und öffnete die Türen, welche in den Innenhof führten. Nun fiel grelles Licht in den Raum und offenbarte uns die Nebelschwaden der Räucherstäbchen. „Bitte setzt euch.“, bat der alte Herr. Wir kamen seinem Wunsch sofort nach und setzten uns ein paar Meter entfernt vor ihn hin. „Sesshomaru-sama, ich habe sehnsüchtig auf euch gewartet, um euch meine Beobachtungen mitzuteilen.“ Sesshomaru nickt einmal. „Vor ungefähr zwei Monaten kam ein Unbekannter in unser Dorf. Er kam unbemerkt in meinen Palast, keiner bemerkte ihn, keiner sah oder roch ihn. Er war plötzlich da. Der Unbekannte warnte mich vor einer Gefahr die aus dem Osten herrührte. Eine Gruppe von kleinen Gottheiten sollte sich versammelt haben, um sich verschiedener Länder zu ermächtigen. Er sprach von Shikigami die einem mächtigen Beschwörer unterliegen. Sie bringen Zerstörung und Tod, überall wo sie hingehen.“ Schmerz klang in der Stimme des Mannes. „Ich schickte starke Youkai in den Osten um die Gefahr auszukundschaften. Alle, bis auf einen, starben. Er berichtete uns von vier der Gottheiten. Sie haben die Wesenszüge eines Menschen und doch Merkmale eines Youkais. Unter ihnen fielen die Namen: Jūkai, Densō, Taiichi und Kōsō. Mir sind diese Gottheiten nicht bekannt.“ „Sie sind keine Gottheiten.“, entkam es mir. Ich schlug mir erneut die Hand vor den Mund und verfluchte meinen Mund dafür, dass er wie so oft schneller als mein Gehirn war. Sesshomarus Augen nagelten mich praktisch mit Dolchen an die Wand hinter mir. Doch wo ich schon einmal gesprochen hatte, würde ich auch weiter reden. „Verzeiht meinen schnellen Mund, Benjiro-sama. Mein Name ist Sayaka und diese Gottheiten über die ihr da redet, sind in Wirklichkeit keine. Nun … eigentlich schon. Aber sie sind viel eher die Seelen Verstorbener. Sie nahmen den Platz von lokalen Schutzgottheiten ein, je nach ihrem Platz im Tierkreis, tragen sie auch das Aussehen und wirken deshalb vielleicht wie Youkai. Aber sie sind keine.“ „Woher wisst ihr das so sicher, junges Fräulein?“, fragte der Dorfälteste verblüfft. Erst jetzt erkannte ich den querliegenden Strich in seinen Augen, der seine Pupille darstellte. Er war ebenfalls ein Youkai. Bevor ich etwas sagen konnte, kam Sesshomaru dazwischen. „Sie ist eine Gelehrte in meinem Dienst.“ Da ich ihm heute schon genug Ärger gekostet hatte, stimmte ich dem einfach mal zu. „Sehr selten, eine Frau als Gelehrte im Dienst, aber nicht weniger erwarte ich von euch Sesshomaru-sama. Wenn das so ist …“, murmelte Benjiro-sama. „… ich bitte euch, Sayaka-sama, helft uns. Erlöst uns von diesen falschen Gottheiten.“ Er verneigte sich tief. „Eh? Ich?“ Ich konnte es nicht glauben. Was sollte ich denn bitte ausrichten können? Andererseits schien es wirklich so, als gehörte ich zu den Shikigami dazu, auch wenn sie mich wahrscheinlich mit einer anderen Daikichi verwechselten. Es musste eine Verwechslung vorliegen. Aber möglicherweise konnte ich dies zu meinem Vorteil nutzen. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, woher die plötzliche Entschlossenheit herkam, aber sie war auf einmal da. „Ich werde alles geben um die Shikigami zu vertreiben! Ich verspreche es.“, verkündete ich und fing mir einen erneut feindseligen Blick Sesshomarus ein. Er würde mich heute noch töten, da war ich mir fast sicher. Umso erfreuter war der Dorfälteste. „Vielen, vielen Dank, Sayaka-sama! Wir sind euch zu tiefem Dank verpflichtet!“ „Nicht doch. Ich habe fast das Gefühl, es wäre meine Pflicht.“, sagte ich mit wachsendem Schuldgefühl. Warum wüteten die Shikigami nur so? Warum hatte ich das Gefühl, es hing so viel von mir ab? Der Dorfälteste erzählte uns noch weitere Einzelheiten, Waffenbestand, Stärke und Fähigkeiten der Shikigami denen sie bisher begegnet waren. Das was ich hörte gefiel mir nicht. Sie schienen sehr stark zu sein. Und wütend. Der Beschwörer, der die Shikigami um sich versammelt hatte, musste wirklich großen Hass in sich tragen. Und ich fragte mich: Wie sollte ich dagegen ankommen? ~*~ „Meister Sesshomaru! Sayaka-san!“, rief eine fröhliche Rin und kam auf uns zu gerannt. Kurz vor uns blieb sie stehen und sah auf meine Schulter. „Oh nein, bist du verletzt?“, fragte sie geschockt. Sesshomaru ging einfach an uns vorbei. „Nein, es ist alles in Ordnung. Hast du dich wenigstens etwas schlafen gelegt, Rin-chan?“ Sie kratzte sich verlegen an der Wange. „Nein, ich war so aufgeregt dass ich nicht schlafen konnte.“ „Dann setzt du dich jetzt auf Ah-Un, ja?“ Gesagt, getan. Rin ließ sich von Ah-Un tragen und zusammen liefen wir Sesshomaru nach. Nach der Anhörung bei dem Dorfältesten hatte er kein Wort mehr zu mir gesprochen. Er musste mich jetzt endgültig hassen. Wenn er es nicht schon vorher getan hatte. Man hatte mich praktisch mit Kusshänden im Palast verabschiedet. Alle hofften auf meine erfolgreiche Strategie. Dabei hatte ich keine Strategie. Eigentlich hatte ich doch vorgehabt nach Hause zu kommen. In sechs Tagen war mein Geburtstag. Bis dahin ließ sich dieses Problem bestimmt nicht lösen. „Dabei wollte ich doch mit Naomi-chan Sake trinken …“, seufzte ich deprimiert. Wir hatten abgemacht an meinem achtzehnten Geburtstag ordentlich zu trinken. Das konnte ich jetzt wohl vergessen. Zwei skeptische Augenpaare sahen mir entgegen. Und dann ging es auch schon wieder los. „Du kleines Gör bist noch viel zu jung um Sake zu trinken!“, schnatterte Jaken. „Ach halt doch die Klappe!“ Ich gab Jaken einen Kick, bei dem er über einen größeren Stein stolperte und auf sein Krötengesicht flog. „Sayaka-san, geht es deiner Wunde wirklich gut? Sie blutet schon wieder.“, fiel es Rin auf. „Alles gut. Sie tut gar nicht weh.“ Das tat sie wirklich nicht, aber genau das war es auch, was mir Sorgen bereitete. Mein Arm fühlte sich merkwürdig Taub an. Hatte das Gift vielleicht doch zugeschlagen? Aber es war bloß ein Streifschuss gewesen, so schlimm konnte es nicht sein. Ich fasste mir an die Schulter und betastete sie vorsichtig. Dabei fasste ich nach etwas papierartigem. Ich packte es mit meinen Fingern und hielt es mir vors Gesicht. In meiner Hand lag eine Papierpuppe. „Eine Katashiro? Wo kommt die denn her?“ Im nächsten Moment explodierte die Puppe in einem lauten Knall und dicker Rauch trennte mich von meinen Begleitern. „Sayaka-san!“, hörte ich Rin schreien. Nur langsam lichtete sich der Rauch um mich und ein schwebender Junge mit einem Affenschwanz schwebte in meinem Blickfeld. Vor Schreck fiel ich nach hinten. Der junge sah mich hektisch an. „Daikichi-sama, ihr müsst verschwinden! Ihr seid-“ Noch bevor er zu Ende sprechen konnte, verschwand seine Gestalt und zurück blieb eine zerfetzte Katashiro-Puppe und jede Menge Verwirrung. Er war ein Shikigami. Dieser Affenschwanz. Kann es sein, dass er …? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)