Du und ich.. Ein letztes mal... von MoNoLith ================================================================================ Kapitel 1: Du und ich.. Ein letztes mal... ------------------------------------------ Einzelne Regentropfen fielen vom Himmel und verliehen der Umwelt einen melancholischen Touch. Ich rieb mir die Augen und starrte aus dem Fenster. Wieder hatte ein neuer Tag angefangen und ich wusste nicht, ob es für mich ein postiver oder doch eher ein negativer Aspekt war. Gähnend ließ ich mich in meinem Bett zurück sinken und starrte an die Decke. Seit einiger Zeit war ich unausgelastet, konnte kaum schlafen. Meine, nein unsere Band X Japan war auf Eis gelegt. Nach so vielen Jahren war ich allein. Vorsichtig griff ich mit einer Hand nach meiner Decke, um sie näher an meinen nackten Körper zu ziehen, der leicht vor Kälte zitterte. Es hatte sich einiges verändert. Als ausgebildeter klassischer Pianist standen nun alle Tore für eine eigene Solo-Karriere offen. Doch genau in dieser Zeit konnte ich meine Musik nicht mehr in meinem Herzen spüren. Und das fühlte sich für mich absolut falsch an. Kurz blickte ich auf meinen Wecker, der auf meinem Nachttisch stand und seufzte laut auf. Ich hatte keinen wirklichen Elan, nun das Haus zu verlassen, aber Hide würde in einer Stunde bereits in unserem Stammlokal auf mich warten. Ein kurzes Lächeln huschte mir bei dem Gedanken an meinen besten Freund, über die Lippen. Hide... Der einzige Mensch, der mich wirklich verstand. „Da bist du ja endlich.“ Anstatt mich mit einer freundlichen Umarmung zu begrüßen, saß der pinkhaarige Japaner an seiner Cola und starrte mich mit müden Augen an. „Du siehst nicht gut aus.“ Ich ließ mich auf den Stuhl ihm gegenüber sinken und musterte voller Sorgen meinen Freund. Seit seiner Karriere als Sänger hatte er kaum noch Zeit für unsere gemeinsamen Gespräche. Ich akzeptierte es natürlich, denn Musik war seine Leidenschaft, sein Leben. Und alles, was ihm Freude bereitete, gab mir auch ein gutes Gefühl. Doch die Angst, dass es ihm zu viel werden könnte, war trotz allem vorhanden. „Ich hatte eine kurze Nacht. Wir drehen mein neues Video.“ Er gähnte laut auf und seine Haare wippten im Takt. „Aber Yoshiki, wir sind nicht nur hier, um über mich zu reden:“ Ein leichtes Grinsen zog sich über sein Gesicht. Dieses Grinsen, dass ich so an ihm mochte. „Ja, ich weiß.“ Nervös spielte ich mit einem Essstäbchen herum, dass auf dem Tisch gelegen hatte. „Momentan klappt einfach gar nichts mehr bei mir.“ Mit einer Hand strich ich mir eine blonde Haarsträhne hinter das Ohr und zeichnete mit meinem Finger ein paar Noten auf die Tischplatte. „Ich höre Musik, ich spiele Musik. Aber ich fühle sie einfach nicht.“ Hide nahm einen großen Schluck und sah mich schweigend über sein Glas hinweg an. „Schläfst du genug?“ Ich nickte nur stumm und hustete leise auf. „Bis auf meine Erkältung geht es mir eigentlich ganz gut.“ Ich versuchte, ihm nicht in die Augen zu sehen, denn ich war ein schlechter Lügner. Aber Hide ging es selbst nicht gut und ich wollte ihm nicht unnötigerweise noch mehr Kummer bereiten. „Wenn du Lust hast, kannst du gern mal wieder zu mir kommen. So wie damals. Einen schönen Video-Abend machen.“ Innerlich betete ich, dass die Ablenkung klappen würde. Und der Versuch schien Erfolg zu versprechen. Denn auf einmal begannen seine Augen zu glänzen und irgendwie spürte ich, wie sein Elan von null auf hundert anstieg. „Klar, gerne. Nach dem Videodreh werde ich hoffentlich mal wieder Zeit haben. Wir haben lange nichts mehr unternommen. Also ich meine...“ Er deutete mit der Hand, in der er noch sein Glas hielt, nach draußen. „..außerhalb dieses Cafes.“ Leise lachte mein pinkhaariger Freund auf und ich ließ mich anstecken. Wie sehr ich seine Nähe doch genoss, und wie weh es tat, dass diese Zeit nun immer weniger wurde. So unterhielten wir uns noch über belanglose Dinge wie die neuesten Musiker, Filme und welcher Star die hübscheste Frau hatte, ehe der Blick auf die Uhr verriet, dass das Treffen zu Ende war. Hide stand auf, schnappte sich seine gelbe Jacke und beugte sich zu mir rüber. Ehe ich noch was sagen konnte, spürte ich schon, wie er seine Arme um mich legte und mich fest an sich zog. Für einen Moment war ich verunsichert, fühlte aber auch ein warmes, wohliges Gefühl in mir aufsteigen. Es war, als würden die Anspannungen der letzten Wochen von einer Sekunde auf die Nächste, von mir abfallen. Hide, du bist alles für mich. „Bis nächste Woche.“ Sein pinker Wuschelkopf entfernte sich von meinem Gesicht, und kurzzeitig war ich enttäuscht, als sich wieder eine Lücke zwischen uns gebildet hatte. „Ja, bis dann.“ Nun stand auch ich auf, und verließ nach meinem besten Freund das Lokal. Es war mitten in der Nacht, als das Telefon klingelte. Missmutig und grummelig öffnete ich leicht die Augen und starrte auf den Wecker, dessen Zeiger schimmernd die ungefähre Uhrzeit andeuteten. Genervt zog ich mir ein Kissen über das Gesicht. Welcher Idiot ruft um diese Zeit an? Draußen war es noch dunkel. Nur der Mond tauchte mein kleines Zimmer in ein hell-silbernes Licht. Stumm zählte ich innerlich die Klingelzeichen. 13, 14, 15... Und das läuten schien nicht Enden zu wollen. Ich war mehr als genervt. Nach mehrmaligen Versuchen hatte ich es endlich geschafft gehabt, ohne Tabletten einzuschlafen und dieses Telefon machte all meine Arbeit zunichte. Nach ein paar Minuten, die mir eher wie Stunden vorkamen, klingelte das Gerät immer noch. Stöhnend setzte ich mich auf und rieb mir die immer noch verschlafenen Augen. Vielleicht ist es doch wichtig. Für einen Augenblick spürte ich die Angst aufsteigen, dass was mit meiner Familie sein könnte. Zögernd schlüpfte ich in meine Hausschuhe und schlurfte in den Flur. Noch ein letztes mal gähnend, streckte ich meine Hand nach dem Telefon aus. „Ja?“ Ich erschrak selbst kurz über meine zornige Stimme, weswegen ich mich kurz räusperte und ein freundlicheres „Ja?“ anstimmte. Schweigen.... Nur ein kurzes Schluchzen und Husten war zu hören. Meine Anspannung stieg. „Wer ist denn da?“ Ich wartete ungeduldig auf eine Antwort. „Ich bin es.“ Mein Herz machte einen kurzen Aussetzer, als ich Toshi's Stimme erkannte. Es muss was passiert sein. „Hallo Toshi. Was ist denn los? Warum rufst du mitten in der Nacht an?“ Ich hörte, wie meine Stimme leicht zitterte. Nur wusste ich nicht sicher, ob es an der Kälte oder an der Aufregung lag. „Ich.. ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll..“ Es drang wieder ein Schluchzen durch den Hörer. „Sag einfach, was los ist. Ok?“ Nervös spielte ich mit dem Kabel meines Telefons. „Hide....“ Unser alter Sänger musste noch nicht einmal zu Ende sprechen, da spürte ich schon, wie meine Knie weich wurden und ich in Schweiß ausbrach. „Hide hatte einen Unfall. Er ist gerade eben im Krankenhaus verstorben.“ Und das war der Zeitpunkt, in dem die Welt um mich herum in einem tiefen Schwarz versank und ich zu Boden glitt. Zeit und Raum.. Zwei Dinge die in diesem Moment keinerlei Bedeutung mehr für mich hatten. Es war ein bewegender Abschied gewesen. Eine große schwarze Masse stand vor einem Grabstein. Ein einfacher Stein, der so viel Bedeutung hatte. Und ich stand einfach nur da. Ich konnte mich nicht bewegen, noch konnte ich sprechen. Ich war nicht einmal in der Lage, eine Träne zu vergießen. Hatte ich überhaupt geweint? Innerlich war ich nicht bereit, um Abschied zu nehmen. Dazu war alles noch zu unwirklich. Toshi stand neben mir, seine Sonnenbrille verdeckte die verheulten Augen. Er hatte einen Arm um mich gelegt, um mir Halt zu geben, mich zu trösten. Doch konnte man jemanden trösten, der noch nicht einmal bereit dazu war, den tot zu akzeptieren? Die Polizei ging von einem Selbstmord aus. Doch insgeheim zweifelte ich an dieser Aussage. Ich kannte Hide nur als lebenslustigen und fröhlichen Menschen. Was hätte er für einen Grund gehabt, seine Freunde, Verwandten und mich im Stich zu lassen? Einzelne, kühle Tropfen fielen vom Himmel. Es war ein Tag, wie der, an dem er und ich uns das letzte mal getroffen hatten. Und genau heute war der Tag, an dem wir uns wieder gesehen hätten. Doch er war nicht hier. Nur diese eine Stein, mit seinem Namen beschriftet stand nun grau und düster vor mir. Vorsichtig drehte ich mich zu den anderen Trauergästen herum. Viele von ihnen waren heuchlerische Kreaturen, die sich zu Lebzeiten nie um ihn gekümmert hatten. Nun standen sie alle hier und trauerten um ihren guten Freund oder Verwandten. Doch ich wusste, dass von ihnen niemand Hide so gut gekannt hatte, wie ich es getan habe. Jeder war mit sich und den Grabgeschenken beschäftigt. So ergriff ich die Gelegenheit und schlich mich von der Gesellschaft davon. Ich wollte allein sein. Mein Kopf war kurz vor dem zerplatzen, so viele Gedanken spielten sich darin ab. Meine Schritte führten mich in den Raum, in dem wir Hide die letzte Ehre erwiesen hatten. Der erste Blick fiel auf die ordentlich aufgereihten Gitarren und das große Portrait, die vorne präsentiert wurden. Für ihn hatte es nichts wichtigeres als seine Musik gegeben, was auch der Grund für diesen Schrein war. Leise schritt ich zu meinem Piano, dass wir mit großer Mühe hier aufgebaut hatten. Meine Finger fuhren die glatte Oberfläche des Holzes und der Tastaturen entlang. „Forever Love“.. Diesen Song hatten wir ihm als letztes gespielt. In der Hoffnung, ihm so einen schöneren Weg in ein neues Leben bereiten zu können. Ich setzte mich an das Klavier und ließ meine Finger über die Tasten gleiten. Eine nach der anderen. Die Tonleiter rauf und runter. Noch einmal blickte ich zu dem Portrait auf, von dem aus mich "Pink-Spider"-Hide anlächelte. Und dann begann ich zu spielen. Erst zögernd.. Doch nach und nach spürte ich, wie die Töne von selbst kamen, meine Finger sich von allein den richtigen Weg bahnten. Ich fühlte es. Ich fühlte die Musik. Das erste mal seit langem berührte mich etwas wieder tief in mir. Mein Herz wurde schwer und ich merkte, wie meine Wangen langsam feucht wurde. Eine heiße Träne nach der anderen Tropfe auf die Tasten, während ich diese erklingen ließ. Und dann brach es aus mir heraus. Ich weinte.. „Hide, ich liebe dich. Ich liebe dich und werde dich immer lieben.“ Er war weg. Für immer fort. Ich würde ihn nie wieder sehen. Doch das schlimmste für mich war meine späte Erkenntnis, was meine Gefühle für ihn betraf. Dass ich ihm nie sagen konnte, was ich wirklich für ihn empfand. Nur die Gewissheit, dass auch mein Leben vergänglich war und ich ihm irgendwann wieder begegnen würde, war jene, die mich zum weitermachen antrieb. Hide wollte immer nur das beste für mich. Immer nur ein Lachen. Also lächelte ich. Und jedes Lächeln, dass mir über die Lippen kam, war nur für ihn. Für den Mann, den ich liebte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)