Nanshoku von Rajani (Die Farben der Liebe) ================================================================================ Kapitel 1: Ein Sieg mit Schrecken --------------------------------- Der große Kampf gegen Oda Nobunaga war vorüber. Dank Honda Tadakatsu konnten Sanada Genjiro Yukimura und Date Masamune den Dämonenkönig des sechsten Himmels endgültig besiegen. Sanada Yukimura half Date Masamune auf, nachdem er Oda Nobunaga in den Trümmern Azuchis liegen sah. Fürst Dates Wunde, vom Aufeinandertreffen Azais mit Akechi Mitsuhide, war während des Kampfes gegen Oda aufgerissen. Das Blut sickerte durch die Rüstung und schimmerte im Morgenlicht auf dem Mantel. „Mein Fürst!“, japste Sanada. Stützend griff er um den angeschlagenen Fürsten und führte ihn hinunter zu den Truppen der anderen Fürsten und seinen eigenen Leuten. Allen voran stand Katakura Kojuro. Das rechte Auge des Drachen von Oshu, dem Fürsten Date Masamune. So schnell er mit dem blutenden Fürsten konnte, lief er zu Katakura Kojuro. „Meister Katakura!“, rief er ihm entgegen, denn noch hatte Dates rechte Hand ihn nicht bemerkt. Katakura Kojuro sah zu dem jungen Schützling des Fürsten Takeda und als er seinen Fürsten sah, sackte ihm das Herz in die Stiefel. Masamune! „Sanada-kun! Was ist passiert?“ „Seine Wunde-“, hechelte Sanada. „-sie ist wieder aufgebrochen!“ „Schnell! Hier entlang!“ Katakura sprintete voran, weg vom Schlachtfeld und hinter die Nachhut, wo die Heiler die Verletzten versorgten. „HISAHIDE!“, brüllte er laut und nur zwei Sekunden später tauchte er ein alter aber höchst erfahrener Arzt auf, der behändig zwischen den Feldlagern hin und her huschte, bis er bei ihnen ankam. „Meister Katakura!“, grüßte er mit einer angedeuteten Verbeugung. Auf dem Schlachtfeld waren lange Begrüßungsrituale nebensächlich, daher ließen sie die standesgemäßen Verbeugungen weitgehend wegfallen. Katakura schob Sanada und den Fürsten Date vor. „Kümmert Euch um den Fürsten, es eilt!“ „Sofort!“, salutierte der Arzt und wandte sich rasch an Sanada. „Schnell, hier entlang!“ Der junge Krieger hastete ihm so schnell es eben mit dem Fürsten ging hinterher zu einem Zelt, wo er den Verletzten auf ein Feldbett legte. Äußerst geschickt zerrte der Arzt die Rüstung von Date herunter und riss die Kleider auf. Sanada stand nur daneben, sah zu und bemühte sich krampfhaft seinen rebellierenden Magen zur Ruhe zu bringen. Hisahide spülte mit einem Eimer Wasser alles Blut von Dates Körper und tupfte, was noch hängen geblieben war mit einem Tuch ab, das er achtlos auf den Boden warf. Für penible Ordnung war keine Zeit. Mit einem schnellen geübten Blick inspizierte er die Wunde. Sanada wusste, dass die Kugel, die sich in das Fleisch gebohrt hatte, bereits entfernt wurde. Aber die Anstrengungen im Kampf gegen Oda waren zu viel, zu früh, für diese Wunde. Hisahide flitzte in dem Zelt umher als wäre er geradewegs aus dem Schoß seiner Familie ins eigene Leben gegangen. Dabei war der Mann bereits um die Vierzig Jahre alt. Ein beachtliches Alter, wie Sanada wusste, denn nicht viele Menschen wurden mehr als 50 Jahre alt. Mit einem Eimer glühender Kohle und einem Metallstab kehrte er zurück. Sanada drückte er eine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit in die Hand. „Hier. Flöß ihm das ein, dann kriegt er nicht so viel mit! Und beeil dich!“ „Was ist das?“, fragte Sanada verdutzt. „Stell keine Fragen, Junge! Rein damit!“ Sanada hielt die Flasche eher zögerlich an Dates Mund, doch Hisahide gab ihm einen Klaps und die Flüssigkeit aus der Flasche wanderte in Dates Körper. Bevor der sich verschlucken konnte, hielt Sanada in gewissen Abständen inne, damit der Fürst von Oshu wenigstens Luft holen konnte, wenn schon einiges an seinen Wangen herunterlief. „Gut, gut. Das sollte erst einmal reichen!“, sagte Hisahide und setzte sich auf Dates Beine, bevor er dem Jüngeren die Flasche aus der Hand nahm und sie auf den Boden stellte. „Halt seine Arme fest. Und zwar richtig fest! Er wird versuchen um sich zu schlagen. Pass auf, dass du ihn nicht loslässt!“ Sanada bekam es jetzt mit der Angst zu tun. So etwas hatte er noch nie erlebt. Hisahide hatte, während er dem Fürsten die Flüssigkeit eingeflößt hatte, den Metallstab in die glühende Kohle gesteckt. Jetzt holte er ihn wieder heraus und Sanada sah, wie das Metallstück beinahe weiß glimmte. Hisahide schlug das Metall ein paar Mal auf den Rand des Eimers sodass Kohlereste wieder abfielen. Dann schaute er zu Sanada. „Halt ihn jetzt gut fest! Der Kauter wird ihm höllische Schmerzen bereiten!“, verlangte er. Sanada schluckte schwer und spannte die Muskeln fest an, damit ihm Date nicht entwischen konnte. Dann sah er, wie Hisahide das glühend heiße Metallstück, den Kauter, auf Dates Wunde presste. Der Fürst schrie vor Schmerz laut auf und Hisahide hatte Mühe, sich auf dessen Beinen zu halten. Sanada musste alle Kraft aufbringen, die er noch hatte, um den Fürsten festzuhalten. Es stank fürchterlich nach verbranntem Fleisch, aber Hisahide würde schon wissen was er tat, dachte Sanada. Hisahide riss den glimmenden Metallstab wieder weg und steckte ihn in einen Eimer voll Wasser. Zischend erlosch das Glimmen. Sanada spürte den nachlassenden Widerstand des Fürsten, bis er ganz ausblieb. Er sah in das schmerzverzerrte Gesicht, auf dessen Stirn sich Schweißperlen gebildet hatten. Diese Behandlung musste die reinste Höllenqual gewesen sein. Etwas, was Sanada sowohl noch nie erlebt hatte und er sich auch nie hätte vorstellen können. Bis zum heutigen Tage. Hisahide hüpfte behende von Dates Beinen herunter und griff nach ein paar aufgerollten Stoffbändern und einer großen Schale labbriger Kräuter. Worin auch immer sie eingelegt wurden, sie rochen unangenehm, fand Sanada. „Alter Folterknecht...“, knurrte Date leise und Sanada sah zu ihm hinunter, wo er gerade erschöpft die Augen geschlossen hatte und den Kopf an dessen Bauch sinken ließ. Hisahide legte die Kräuter großflächig auf die Verletzung. Die Worte des Fürsten interessierten den Heiler herzlich wenig, denn er zeigte keine Reaktion darauf. Ein wohliges Seufzen war von Date zu vernehmen und gleich darauf ein schmerzliches Zischen. Die Kräuter kühlten zwar zum einen aber andererseits schmerzten ihre Wirkstoffe wohl auch. „Stütz ihn jetzt hoch und halt die Kräuter fest, damit ich ihn verbinden kann!“ Sanada tat, wie ihm geheißen und der Fürst war nach wenigen Minuten verbunden. Völlig erledigt und beinahe im Delirium hing er an Sanadas Schulter, das Gesicht immer noch ihm zugewandt. Hisahide packte derweil das restliche Verbandszeug, einige der Kräuter und einen Zettel in einen Beutel, schnürte ihn zu und drückte ihn Sanada in die Hand. „Er ist fertig. Bringt ihn jetzt so schnell es geht zum nächsten Fürstentum, wo er sich ausruhen kann. Die Kauterisierung ist eine extrem schmerzhafte Art des Wundverschlusses. Davon muss er sich jetzt erst einmal erholen. Das in dem Beutel macht ihr ihm beim Verbandswechsel um. Das ist wichtig, sonst stirbt er an einer Vergiftung! Erst wenn er wieder einigermaßen auf den Beinen ist, reitet ihr nach Oshu zurück! Und sag Katakura-kun, dass der Fürst vorerst nur schonendes Essen bekommt! Ach, und kein Alkohol! Was er jetzt getrunken hat, haut normalerweise eine ganze Horde Samurai um!“ „Wie bitte? Was zum Teufel war das denn?“, fragte Sanada erschrocken. „Der stärkste Sake den ganz Nippon zu bieten hat... Und der reinste! Und jetzt los, ich hab noch andere Patienten!“, sagte Hisahide und scheuchte Sanada mit dem Fürsten im Arm aus dem Zelt. Draußen wartete Katakura. „Und?“, fragte er. „Wir sollen so schnell es geht zum nächsten Fürstentum reiten. Dort soll er sich erholen und dann sollen wir weiter nach Oshu reiten, sobald er einigermaßen auf den Beinen ist. Ach und schonende Kost hat er ihm verordnet...“, murmelte Sanada, immer noch schockiert, von der brachialen Behandlung. „Na dann los.“, sagte Katakura und half dem jungen Sanada den Fürsten zu den Pferden zu bringen. Mit einer Sänfte und Dates besten vier Männern brachten sie ihn so gut es ging weg vom Schlachtfeld... Kapitel 2: Zu Gast beim Feind ----------------------------- Innerhalb weniger Stunden, während derer Date Masamune geschlafen hatte, waren sie ins nächste Fürstentum gelangt. Sie hatten den Fürstensitz in Echizen bereits erreicht und Katakura war vor einigen Minuten hineingegangen. Irgendwo mussten sie mit Fürst Date unterkommen und der Herrensitz des Fürsten Shibata war dafür am besten geeignet. Schon allein, weil hier eine medizinische Versorgung notfalls gegeben war – besser jedenfalls als auf einem kleinen Bauernhof irgendwo im Hinterland. Katakura kam wieder heraus und sah bereits das tänzelnde Pferd des jungen Sanada. Seine Unruhe übertrug sich schon auf den Fuchs, den er ritt. Er schüttelte den Kopf. Oh ja, der Junge hat noch einiges zu lernen. Mit Masamune als ebenbürtigen Feind ist er jedenfalls bestens bedient. „Meister Katakura? Dürfen wir etwa nicht bleiben?“, fragte Sanada erschrocken. „Oh keine Sorge, wir dürfen bleiben. Steig ab. Die Pferde werden in den Stallungen untergebracht. Wir dürfen hier vorn im äußersten Trakt bleiben. Jedenfalls so lange, bis wir mit Masamune weiterreiten können. Jetzt muss er sich erst einmal ausruhen und soweit erholen, dass wir problemlos nach Oshu kommen können.“, sagte Katakura, hielt die Zügel von Sanadas Pferd und wartete, bis er abgestiegen war. Dann kam ein Stallbursche von Shibata, dem Katakura die Zügel seines, Sanadas und Dates Pferd überließ. „Jungs, bringt die Sänfte bis zur Tür. Ich und der Jungspunt hier bringen den Fürsten rein.“, sagte er an die Soldaten gewandt, die die Sänfte getragen hatten. Ein erschöpftes Brummen erklang, als sie die paar Meter zur Tür stapfen sollten. Katakura und Sanada folgten ihnen. Katakura hob vorsichtig Fürst Date aus der Sänfte, die dann abgestellt wurde. Sanada öffnete ihm alle Türen, die ein Diener Shibatas ihnen zeigte und beeilte sich dann im Zimmer den Futon für Date auszubreiten. Katakura ließ ihn vorsichtig auf die Decken gleiten. Sowohl er als auch der junge Sanada ließen sich müde und erschöpft neben Date nieder. Nach einer Weile sahen sie sich an. „Du übernimmst die erste Nachtwache.“, sagte Katakura. „Wozu? Wir sind doch in Sicherheit.“, meinte der Jüngere. „Shibata ist kein Verbündeter, das weißt du hoffentlich. Sobald er eine Chance sieht, könnte er sie nutzen.“ „Aber ich dachte, Ihr hättet unseren Aufenthalt hier ausgemacht? Ich dachte, dazu gehört, dass wir hier sicher sind?“, fragte Sanada. „Ich habe uns einen vorübergehenden Aufenthalt gesichert, das stimmt. Aber für Shibata bedeutet das nicht, dass er den Feind in seinem Haus auch lebend wieder gehen lässt. Er hat sehr deutlich seinen Unmut darüber klar gemacht. Über Sicherheit für uns brauchte ich also gar nicht erst verhandeln.“ Sanada sah ihn verstört an. „Soll das heißen, wir sitzen hier in der Falle? Shibata kann uns jederzeit das Schwert in den Rücken rammen?“ „So kann man es nennen, ja. Aber er hat einen guten Grund, es nicht zu tun und uns unbehelligt wieder gehen zu lassen.“ Der junge General des, ebenfalls verletzten, Takeda runzelte die Stirn. „Was soll das jetzt heißen?“ Katakura sah ihm direkt in die Augen. „Sollte er versuchen einem von uns ein Haar zu krümmen, dann wird der Überlebende von uns dreien – und es wird mindestens einen Überlebenden geben – ihm den Allerwertesten auf Grundeis befördern. Allein der Versuch, uns anzugreifen, würde ihn einen beträchtlichen Teil seiner Leute kosten. Er weiß, welche Fähigkeiten wir beide – und vor allem Fürst Date – im Umgang mit dem Schwert haben. Shibata wird es sich nicht wagen. Erst recht nicht mit dem Wissen, dass unsere Verbündeten in sein Fürstentum einreiten.“ „Meister Katakura... Fürst Date ist verletzt und bewusstlos. Wenn Fürst Shibata es doch wagt, dann ist dein Fürst der erste der stirbt. Der wunde Punkt wird immer zuerst angegriffen. Da nutzt dann auch ein Gegenangriff eines Verbündeten nichts mehr, wenn Fürst Date ermordet wurde.“ Katakura ließ ein rauhes Lachen hören. „Um an Date zu kommen, muss er erst an uns vorbei. Und einer von uns, ist immer wach. Einer kann zurückschlagen und glaub mir, ich bin sofort wach. Beim kleinsten Geräusch. Keiner wird Date angreifen, wenn er nicht gerade lebensmüde ist.“ Sanada nickte. „Gut, dann übernehme ich die erste Nachtwache.“ „Sehr wohl.“, sagte Katakura nickend und holte sich einen weiteren Futon aus der Ecke den er neben seinem Fürsten ausbreitete. Während Katakura schlief, wachte Sanada über die beiden älteren Männer. Er hatte eine kleine Laterne, die sanftes schummriges Licht aussandte, aufgestellt. Seine Sinne waren höchst geschärft. Jedes Knirschen oder Rascheln ließ seine Hand zu seiner Lanze fahren, doch er griff nicht zu. Keines der Geräusche deutete auf einen Ninja oder Krieger hin, der in tödlicher Absicht kommen würde. Sasuke hatte ihm beigebracht, wie man diese Art Geräusche von den normalen Umgebungsgeräuschen unterscheiden konnte. Dazu gehörte auch, dass der Ninja ihn in einen dunklen Raum gesetzt hatte, wo er lernen sollte, welche Geräusche Sasuke verursachte und welche natürlichen Geräusche von draußen kamen. Tatami-Matten waren der Schlüssel. Die Matten lagen fast in jedem Zimmer aus und das Geräusch, wenn man sich darauf bewegte, unterschied sich erheblich von den Geräuschen die man auf Holzböden verursachte. Jedenfalls wenn man den Unterschied unzählige Male gehört hatte, wie Sanada. Ein normaler Mensch würde niemals den Unterschied bemerken, geschweige denn überhaupt wahrnehmen, dass sich ein Ninja anschlich. Sanada wandte sich trotzdem bei jedem Geräusch seiner Waffe zu. Man konnte ja nie wissen. Das Schachtelprinzip war sehr beliebt bei den Fürsten. Ein Ninja konnte praktisch von jeder Zimmerwand aus auftauchen, da sie alle irgendwie beweglich sein konnten. Seine Sorge, dass die Nacht für sie tödlich verlief, verlor sich, als die Sonne aufging. Schläfrig gähnte er und bemerkte, dass Katakura wach wurde. Dessen Blick ließ ihn zusammenzucken. „Keine Störung, Meister Katakura. Es war alles ruhig.“, sagte er. „Gut. Dann werde ich jetzt mal für ein Frühstück sorgen und dann kannst du schlafen.“, sagte Katakura und erhob sich. „Ja, Meister Katakura.“ Nach wenigen Minuten kehrte Katakura mit einem Bambustablett zurück. Er hatte Reis und Suppe vom Abend bekommen, die er jetzt zwischen sich und Sanada abstellte. Der Jüngere griff sofort zu und aß vom Reis. „Sehr vertrauensselig, Yukimura...“ Sanada Yukimura hielt in der Bewegung inne und sah Katakura an. Zum einen erschrocken, weil ihm die Bedeutung seiner Worte klar wurde, zum anderen, weil Dates rechte Hand ihn gerade beim Vornamen genannt hatte. „Meister Katakura... Ihr habt das Essen doch hergebracht. Ich ging davon aus, dass es unbedenklich ist. Und...“ „Das ist es auch, aber ich hatte dir soviel Verstand zugetraut, dass du mich danach fragst. Ich hätte dir fröhlich eine Ladung Gift untermischen können. Oder dir gar in die Suppe spucken...“ Yukimura verzog das Gesicht. „Ihr macht Euch über mich lustig!“, maulte er. Katakura lächelte. „So kann man es nennen. Du bist eben noch grün hinter Ohren.“ „Habt Ihr mich deshalb auch beim Vornamen genannt?“, murrte Yukimura. „Genau deshalb. Den Respekt musst du dir erst noch verdienen.“ Yukimura sah stur zur Seite. „Ich habe heute Nacht über eure Leben gewacht! Reicht das?“ „Noch nicht.“, sagte Katakura zwischen zwei Happen Reis. „Ich habe mit deinem Fürsten gegen Oda gekämpft, wir haben gesiegt! Ich war es, der Fürst Date zu Euch und Hisahide gebracht hat, damit er nicht stirbt!“, fauchte Yukimura. „Hmm... Nagut. Ich glaube, das reicht doch... Sanada... Gibst du jetzt Ruhe und isst?“ Grummelnd stopfte sich Sanada Reis in den Mund. Am Nachmittag bemerkte Katakura einen unangenehmen Geruch von draußen. Er ging bedacht vorsichtig nachsehen und war verärgert, dass Shibatas Gärtner ausgerechnet jetzt die trockenen Gartenabfälle verbrannten. Er schob die leichten Türen zu, sodass der Geruch nicht so stark in das Zimmer zog. Sanada regte sich und erhob sich dann von dem Futon an der Seite des Fürsten. „Was ist das?“, fragte er schläfrig. „Nichts weiter. Shibatas Leute verbrennen trockenes Laub.“, sagte Katakura. „Das stinkt...“, murmelte Sanada und rieb sich die Augen. „Ich habe schon die Türen zugemacht. Leg dich wieder hin und schlaf weiter.“ Sanada seufzte noch einmal, dann drehte er sich wieder um und schlief ein. Katakura lächelte, als er ihn sich zusammenrollen sah. Wie eine Katze. Der zweite Tag war so ereignislos wie der erste vorübergegangen. Wenn man einmal von versalzenem Essen, gehörigem Lärm, dem Verbrennen der Gartenabfälle und so einiger unfreundlicher Bediensteter absah. Katakura Kojuro, das rechte Auge des sogenannten Drachen von Oshu und dieses... Kind an seiner Seite ließen sich von all dem nicht stören. Und der Fürst erst recht nicht, denn der war noch immer bewusstlos, so schien es. Shibata stapfte wütend durch seine Gemächer. Jetzt würde er diese ungebetenen Gäste noch länger ertragen müssen. In selbem Moment kam ihm eine Idee und er rief seinen Ninja. „Meister?“ „Mach dich so schnell du kannst auf zu Takeda Shingen! Ich will diesen Date loswerden!“, sagte Shibata, ohne den Mann hinter sich eines Blickes zu würdigen. Der Ninja ruckte mit dem Kopf, was ein Nicken bedeuten sollte. „Sehr wohl, Herr!“, sagte er und war augenblicklich verschwunden. Shibata knurrte zufrieden. Doch seine Freude wurde augenblicklich getrübt, denn der Ninja kehrte nur kurze Zeit später zurück. „Du nutzloser Idiot! Was suchst du schon wieder hier? Du solltest zu Takeda gehen!“, fauchte er ihn wütend an. Der Ninja, mehr als schemenhafter Schatten als ein Mensch in dem Zimmer erkennbar, senkte hastig den Kopf. „Mein Herr, Sasuke Sarutobi, Takedas Ninja, ist mir gerade mit dem Ninja von Uesugi Kenshin begegnet. Fürst Shibata... Es würde keinen Sinn machen, sich in dieser Sache an Takeda zu wenden. Er und Date Masamune sowie Uesugi Kenshin sind Verbündete. Sasuke Sarutobi lässt ausrichten, dass, wenn Ihr Date Masamune oder einem seiner Gefolgsleute ein Haar krümmt, Takeda Shingen persönlich mit seiner Streitmacht kommt.“, berichtete er in eilig gesprochenen Sätzen. Shibata ballte wutentbrannt die Fäuste. „Verbündete?!“, brachte er gerade so durch die krampfhaft zusammengebissenen Zähne hervor. „Ja mein Fürst.“, bestätigte sein Ninja. Fürst Shibata verfiel in ein wütendes Zittern und beinahe im selben Moment flog seine Faust krachend in eine Vase, die in Stücke zerschmettert laut auf dem Boden landete. Katakura schreckte hoch und auch Sanada hatte zu seiner Lanze gegriffen. Irgendetwas war auf dem Anwesen passiert. Beide hatten das laute Scheppern vernommen. Nur kurz darauf hörten sie eilige Schritte. Der, der sie tat, machte sich keine Mühe, seine Wut zu verstecken, denn jeder Schritt donnerte geradezu auf den Holzdielen. Nur Sekunden später flog die Tür zu ihrem Zimmer auf und Fürst Shibata stand wutschnaubend im Rahmen. Sein Blick ruhte kurz auf dem schlafenden Fürsten Date, wanderte dann zu Sanada und von ihm zu Katakura. Der sah ihn gekonnt lässig an und neigte den Kopf ein wenig, damit der aufgebrachte Fürst sein Anliegen endlich kundtat. „Du weißt, wie ungern ich euch hier habe! Das habe ich von Anfang an gesagt, Katakura! Und wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich eurem Fürsten hier und jetzt mein Schwert in den Bauch stoßen!“, fauchte er. Katakura richtet sich ganz auf, sodass er sofort angreifen könnte, wäre es denn nötig geworden. „Dazu müsst Ihr erst einmal an uns vorbei. Und ich nehme an, selbst wenn Ihr es schafft, habt Ihr Euer Leben umgehend verwirkt. Ich schätze, Takeda wird nicht sehr erfreut sein, seinen Verbündeten und vor allem seinen General Sanada Genjiro Yukimura zu verlieren!“, sagte er völlig ruhig. Fürst Shibata bedachte ihn mit einem Blick, der hätte töten können. Dann wanderte sein Blick zu Sanada. „Das soll ein General sein? Das ist ein Kind! Takedas kleines winselndes Schoßhündchen, aber kein General!“ Sanada Yukimura war aufgesprungen, doch Katakura war so schnell bei ihm, dass er sich fragte, ob er Halluzinationen hatte. Wie konnte der Mann so schnell bei ihm sein? „Bleib ruhig, Sanada.“, beschwor der Ältere ihn. „Wie könnt Ihr-“, setzte Sanada an, doch Katakura gebot mit nur einem Blick sofortige Stille. Sanada gehorchte und zog sich zurück. „Fürst Shibata... Ich lege keinen Wert auf ein Blutbad. Lasst uns jetzt schlafen, das ist für uns alle besser. Und wer weiß, vielleicht wacht mein Fürst ja morgen auf und Ihr seid uns dann ganz schnell los.“, sagte Katakura sehr ruhig. Der Fürst runzelte die Stirn, schien dann aber diesen Vorschlag für genehm zu befinden. „Wir werden sehen!“, knurrte er und rauschte davon. Katakura atmete erleichtert durch. Sanada hinter ihm rührte sich wieder. „Meister Katakura... wie konntet Ihr nur so ruhig bleiben?“, fragte er aufgebracht. „Das nennt man Diplomatie, Sanada. Etwas, was du als General auf jeden Fall beherrschen solltest.“, antwortete Katakura. Sanada rümpfte die Nase und schnaubte. „Du bist noch so grün hinter Ohren... Merk dir das: Du wirst Shibata nicht anrühren, ist das klar! Das bringt uns sonst nur Probleme!“ Sanada schien ihn zu ignorieren und sah zu Fürst Date. „Hast du mich verstanden, Sanada Genjiro Yukimura, General von Takeda Shingen?!“, hakte Katakura nach. „Ja, Meister Katakura... Fürst Date zuliebe werde ich mich zurückhalten.“ „Gut. Kann ich mich also beruhigt schlafen legen?“ „Ja, Meister Katakura...“ Dates rechte Hand legte sich wieder auf den Futon unter die Decke. „Gute Nacht, Sanada.“ „Gute Nacht... Katakura.“, murmelte Sanada. Der junge General legte behutsam die Hand auf seine Lanze. Diplomatie... Ja, das musste er wirklich noch lernen, denn wäre Katakura nicht so schnell zur Stelle gewesen, dann wäre er auf Fürst Shibata losgegangen. Die Nacht zog sich hin und Yukimura wurde langsam müde, als draußen endlich die Dämmerung einsetzte. Während das Zimmer langsam einen Blauton annahm, sah Yukimura zum Fürsten. Das Gesicht war ruhig. Als würde er wirklich nur schlafen und sich nicht noch zusätzlich von den Qualen dieser... - wie nannte es der Heiler? Kauterisierung? - erholen. Yukimura schlich sich an den Futon Dates heran und strich vorsichtig ein paar Strähnen aus dem friedlichen Gesicht. Seine Finger fuhren behutsam über die Augenklappe. Wie er wohl ohne diese Klappe aussieht? Gerade als er nachsehen wollte, wachte Katakura auf. Er sah ihn und seine Hand packte die Yukimuras. „Tu das nicht. Wenn er das erfährt, wird er es dir vielleicht nie verzeihen. Was das angeht, ist Masamune sehr eigen.“, sagte er ernst. Yukimura stockte. „Entschuldige meine Neugier.“, murmelte er. Katakura grinste. „Keine Sorge, ich habe das auch einmal versucht. Er hat sehr deutlich klar gemacht, dass er das nicht wünscht. So deutlich, dass ich seitdem nie mehr das Bedürfnis hatte, wissen zu wollen, wie es darunter aussieht.“ Yukimura lächelte. „Wirklich? Ihr wolltet auch mal gucken?“ „Ja, das wollte ich.“ Yukimuras Lächeln wurde breiter. „Wollen wir gucken?“ „Bist du verrückt geworden? Was fällt dir ein?“ „Meister Katakura, er merkt es doch nicht. Er ist immer noch bewusstlos.“, meinte Yukimura schnippisch. Katakura schüttelte den Kopf. „Masamune war sehr sehr deutlich diesbezüglich. Selbst jetzt würde ich es nicht wagen. Aber bitte, nur zu. Tu, was du nicht lassen kannst.“ Yukimura grinste immer noch und seine Hand wanderte wieder zu der Augenklappe. Doch noch bevor er sie auch nur berührt hatte, schnellte plötzlich erneut eine Hand hoch, die ihn festhielt. Er sah zu Katakura, doch dessen Hand war es nicht. Selbst er sah erschrocken aus und schaute zum Fürsten herunter. Yukimura folgte seinem Blick und sah in ein erschöpftes aber stahlhart blickendes Auge unter sich. „Ich hacke dir die Hand ab, wenn du das machst!“, zischte Date Masamune schwerfällig. Yukimura schluckte schwer und wäre vor Schreck hintenüber gekippt, hätte sich sein Handgelenk nicht fest in Dates Griff befunden. Taubheit machte sich jetzt in seiner Hand breit, so fest hatte derFürst ihn gepackt. „Bitte entschuldige...“, japste er. Mit einem Ruck ließ Date ihn los und sah ihn finster an. Sanada schwieg und es war Katakura, dessen erleichtertes Seufzen die Stille wieder durchbrach. „Mein Fürst, ich bin froh, dass Ihr wieder wach seid.“, sagte er. Date sah sich um und schien Katakura geradewegs zu ignorieren. „Wo sind wir? Das ist nicht mein und nicht Takedas Anwesen.“, stellte er mürrisch fest. „Nein, das stimmt. Ich habe einen vorübergehenden Aufenthalt bei Fürst Shibata arrangiert, damit Ihr Euch erholen könnt.“, sagte Katakura. Der Fürst sah ihn mit glühendem Blick an. „Shibata? Du willst mich auf den Arm nehmen?! Doch nicht bei diesem verlogenem kleinen Frettchen!“ „Verzeihung, mein Fürst, aber eine andere Möglichkeit gab es nicht. Die Maedas sind zu weit weg und die Fürsten Mori und Chosokabe befinden sich in völlig entgegengesetzter Richtung zu unserem Heimweg. Auch über Tokugawas Fürstentum würden wir nur einen unnötigen Umweg machen. Von hier aus sind wir am schnellsten und Fürst Shibata war auch am schnellsten zu erreichen.“ Masamune ließ den Kopf in die Hand sinken. „Musste das denn sein? Von Shibata habe ich noch nie etwas Gutes gehört.“ „Ich glaube, dass können wir bestätigen.“, maulte Sanada. Auf Masamunes fragenden Blick hin folgte die Erklärung: „Er hat mich als Fürst Takedas winselndes Schoßhündchen bezeichnet! Sehe ich aus, wie ein Schoßhündchen?“, entrüstete sich Sanada. Masamune hätte am liebsten laut losgelacht, doch ein stechender Schmerz verwandelte das Lachen in ein unterdrücktes Prusten wovon am Ende nur noch ein seichtes Lächeln blieb. „Sehr schön, wenigstens Humor hat das Frettchen...“ Sanada sah den Fürsten brüskiert an. „Ih findest das witzig, Fürst? Na wunderbar...“ „Sei nicht sauer, Yukimura. Das Frettchen von einem Fürsten kennt dich überhaupt nicht. Wenn hier einer von einem winselnden Schoßhund an Takedas Seite reden kann, dann ja wohl ich.“, sagte Masamune. Yukimura riss den Mund auf, um etwas zu entgegnen, ließ es dann aber doch bleiben. Fürst Date Masamune war drei Jahre älter als er, kannte ihn inzwischen recht gut und er war kampferfahrener. Er musste an Katakuras Worte denken, dass er von Diplomatie noch keine Ahnung hatte. Es war also angebrachter jetzt den Mund zu halten, statt lauthals zu protestieren. Katakura nickte ihm zu. „Mein Fürst. Lass mich nach dem Verband sehen, ja? Hisahide hat uns etwas mitgegeben.“ „Reicht es nicht, dass er mich umbringen wollte?“, maulte Masamune. „Umbringen... Er hat Eure aufgerissene Wunde kauterisiert. Hätte er das nicht getan, wärt Ihr jetzt tot.“, sagte Katakura, half ihm in eine sitzende Position und zog seinen Fürsten soweit aus, dass er ihm problemlos den Verband wechseln konnte. An der Stelle wo die Wunde war, sah der alte Verband bereits gelb von den Kräutern aus. Und es roch auch ein wenig unangenehm, als Katakura die Kräuterwickel abnahm. Yukimura rümpfte die Nase und als er die Wunde sah, bemerkte er, dass sein Magen schon wieder rebellieren wollte. Dabei sah es nicht mehr so schlimm aus, wie an dem Tag, als der Heiler das glühende Eisen darauf gepresst hatte. Jetzt war es nur noch gerötet und die Haut hatte sich bereits wieder geschlossen. „Es sieht schon besser aus.“, sagte Katakura und wandte sich dann an Yukimura. „Sollen die Kräuter, die Hisahide mitgegeben hat nass aufgelegt werden?“ „Ich glaube ja. Jedenfalls sahen sie bei ihm nass aus.“ „Gut. Pass auf den Fürsten auf, ich gehe Wasser holen.“ Yukimura nickte und Katakura verließ das Zimmer. „Du warst dabei, als Hisahide mich gequält hat?“, fragte Masamune. „Ja, Meister Katakura hat mich mit Euch zu ihm gebracht und der Heiler hat mich auch nicht gehen lassen.“, sagte Yukimura. Masamune verzog das Gesicht. „Du hast ihm also geholfen? Dem alten Folterknecht...“ Yukimura nickte schuldbewusst. „Ich hatte keine Wahl...“, sagte er leise. Die Hand des Fürsten legte sich behutsam auf die seine. „Danke. Ohne dich hätte Hisahide meine Wunde nicht behandeln können. Ich war bestimmt nicht einfach in dem Moment.“ „Oh nein... Trotz des besten Sake des Landes wart Ihr wirklich schwer festzuhalten.“, gab Yukimura zu. Ein Grinsen trat auf Masamunes Gesicht. „Du bist ganz sicher kein kleiner Schoßhund, wenn du das geschafft hast.“ Yukimura sah ihn mit großen Augen an. „Dann habt Ihr das vorhin nicht ernst gemeint?“ „Natürlich nicht... Hätte ich dich denn sonst als meinen ebenbürtigen Gegner auserkoren? Dummkopf.“ Fürst Shibata war es nicht entgangen, dass Fürst Date wieder aufgewacht war. Und er konnte es sich nicht nehmen lassen, wenigstens einen Blick auf den ach so tollen Drachen aus Oshu zu werfen, wenn er schon einmal wach in seinem Anwesen zugegen war. Er wollte nicht direkt in das Zimmer platzen, den Auftritt hatte er gestern schon hingelegt. Stattdessen schlich er sich heimlich in den Garten hinaus. Er stellte zufrieden fest, dass dieses Schoßhündchen Takedas die Türen weit geöffnet hatte, damit frische Luft hinein kam. So konnte er nun beobachten, wie das Häufchen Elend eines Fürsten von seiner rechten Hand und dem Schoßhund frisch verbunden wurde. Es schien schmerzhaft zu sein, jedenfalls machte sein Gesichtsausdruck das deutlich. Shibata grinste. Der Schwertmeister Katakura Kojuro ließ die alten Verbände in das Wasser gleiten, mit dem er zuvor die Wunde des Fürsten gereinigt hatte und die Kräuter darin geschwenkt hatte. Selbige drückte der Möchtegern-General Sanada für einen Moment an Dates Bauch, während Katakura den Verband anlegte. Als sie fertig waren, brachte Katakura die Schüssel wieder zurück. Shibata schlich sich noch näher heran. Er konnte sehen, wie Date sich mit dem Jungen unterhielt. Dann strich er ihm plötzlich ein paar Strähnen aus dem Gesicht und der junge General bewegte sich keinen Zentimeter weg. Shibata hatte erwartet, dass er bei dieser Berührung wegzucken würde. Das wäre jedenfalls eine normale Reaktion gewesen. Der Fürst feixte fröhlich. So ist das also! Jetzt wurde ihm klar, was der General von Takeda Shingen hier überhaupt zu suchen hatte. Sanada ist also Dates kleiner Gespiele! Das sind ja wunderbare Nachrichten! Hände reibend spazierte er aus dem Garten zurück in seine Gemächer. Yukimura war verwirrt. Katakura hatte dem Fürsten gerade die Wunde frisch verbunden und brachte nun das Wasser weg. Katakura hatte kurz ein paar Worte mit FÜrst Dte gewechselt und jetzt strich der Fürst Yukimura ein paar Strähnen aus dem Gesicht? Was war los? „Fürst Date?“, fragte Yukimura. „Deine Haare hingen in den Wimpern fest, du hast die ganze Zeit schon geblinzelt.“, sagte Masamune. Yukimura wusste nicht, was er sagen sollte. Doch das musste er auch nicht, denn Masamunes Aufmerksamkeit wurde auf den Garten gelenkt. Sein Blick verhärtete sich. Yukimura folgte ihm und sah gerade noch den Kimono von Fürst Shibata in dessen Gemächern verschwinden. Masamunes Hand lang immer noch auf Yukimuras Schulter und beide sahen in den Garten. „War das...?“, setzte Yukimura an. „Oh ja... Das war er: Shibata... Er hat uns beobachtet, wie es aussieht.“, antwortete Masamune. „Und was bedeutet das?“, fragte Yukimura vorsichtig. „Unter den Umständen, dass ich dir gerade die Haare aus dem Gesicht gestrichen habe... nichts Gutes.“ Masamune ließ ihn wieder los und er versuchte sich seinen Kimono wieder überzuziehen. „Warte, ich helfe dir.“, sagte Katakura, als er gerade wieder ins Zimmer kam. Yukimura löste sich aus seiner Schreckstarre und schaute ihnen zu. Was bedeutet „nichts Gutes“? Kapitel 3: Oh mein Fürst – Halt endlich die Klappe! --------------------------------------------------- Es war Nachmittag. Die Pferde waren gesattelt, die vier Soldaten machten sich bereit, die Sänfte zu tragen und Katakura brachte gerade den Proviant, den Shibata ihm letztendlich doch zur Verfügung gestellt hatte. Widerwillig zwar, aber er er hatte es getan. Nachdem Katakura das Essen in den Satteltaschen verstaut hatte, sah er zu Masamune. „Das ist nicht Euer Ernst? Ihr wollt doch nicht wirklich reiten? Seid Ihr wahnsinnig?“, fragte er, als der Fürst sich gerade auf sein Pferd schwingen wollte. „Natürlich will ich reiten. Du hast doch selbst gesagt, die Wunde sieht gut aus. Jetzt mach nicht so ein Drama, Katako.“ Katakura schüttelte den Kopf. „So geht das nicht! Was ist, wenn die Wunde wieder aufreißt? Ihr wisst, wie Euer Rappe läuft. Und ich weiß, wie Ihr ihn führt!“ Masamune seufzte genervt. „Ich reite, keine Widerworte!“ Katakura kam neben den Rappen und sah Masamune ernst an. „Nein, Ihr reitet nicht.“ Der Fürst sah ihn mit funkelnden Augen an. „Was soll das werden?“ „Ich sage, dass Ihr nicht reitet. Und dabei bleibe ich.“ Masamune sah ihn noch eine Weile lang ausdruckslos an. „Nein. Ich reite.“ Katakura knurrte. Yukimura stieg hastig auf sein Pferd auf. Wenn Katakura das Schwert zog, um den Fürsten zu überzeugen, dann wollte er besser nicht im Weg stehen. „Nagut, dann reitet... Aber die Sänfte folgt uns. Wenn Ihr Schmerzen habt, sagt Ihr sofort Bescheid und wir halten sofort an! UND wir reiten langsam!“, knirschte Katakura. Masamune ließ ein genervtes Geräusch verlauten, dann half Katakura ihm in den Sattel, bevor sich der Fürst jetzt schon die Wunde aufriss, weil er sich überanstrengte. Yukimura sah zu und wartete, bis auch Katakura im Sattel saß und losritt. Der älteste gab das Tempo vor und Masamune knurrte etwas, während Yukimura stillschweigend hinter ihm ritt. Es dauerte nicht lange, bis die Ungeduld aus Masamune sprach. Er drehte sich zu Yukimura um, bedacht darauf, dass er sich nicht zu weit drehte und damit die Wunde zerrte. „Jetzt sag doch auch mal was! Wir reiten viel zu langsam, wann wollen wir denn so ankommen?“ „Meister Katakura wird schon wissen, was er tut.“, sagte Yukimura vorsichtig. „Ja, normalerweise schon! Aber ich bin hier der Verletzte und da werde ich doch wohl am besten einschätzen können, wie schnell ich reiten kann!“ Katakura drehte sich nun auch um. „Ich weiß sehr wohl was ich tue und ich entscheide zu Eurem Wohl, mein Fürst! Wenn wir schneller reiten, passiert genau dasselbe, wie nach dem Mord an Azai! Und nochmal will ich das nicht erleben. Wir reiten jetzt nach Hause und zwar langsam, damit Eure Wunde nicht aufreißt!“ Wieder war ein genervtes Stöhnen von Masamune zu hören, doch dann war er still. Für den Moment jedenfalls. Als die Dämmerung langsam einsetzte, war es mit der Ruhe vorbei. „Jetzt wird es dunkel! Wären wir in meinem Tempo geritten, dann wären wir jetzt schon in Takedas Provinz! Aber nein...!“ Katakura reagierte nicht darauf. Er sah sich suchend um und ritt dann auf den Wald zu. Am ersten Baum schlug er mit dem Schwert ein paar Kerben in die Rinde, als Zeichen für die Sänftenträger. „Kommt mit.“, sagte er nur und ritt dann in den Wald hinein. „Wir übernachten im Wald?“, fragte Masamune mit tiefer und genervt klingender Stimme. „Wo sonst? Sollen wir jetzt erst einen Bauernhof suchen? Wo Ihr dann im Stroh schläfst und Euch nachts das Stroh in die Wunde sticht? Ganz sicher nicht.“, entgegnete Katakura und lenkte sein Pferd auf eine kleine Lichtung. „Du immer mit meiner Wunde... als ob ich nicht selber auf mich aufpassen könnte!“ Wieder sagte Katakura nichts dazu. Yukimura musste wieder unweigerlich an die Situation mit Fürst Shibata denken – Diplomatie. Es war wohl besser, nichts dazu zu sagen, als sich um Kopf und Kragen zu reden. Katakura wusste, wie man das machte. Wie man mit einem wütenden Fürst Date sprach, ohne sein Leben zu riskieren. „Wir warten jetzt auf die Sänfte. Wenn sie da sind, dann werdet Ihr in der Sänfte schlafen und Sanada und ich passen auf.“, sagte Katakura an Masamune gewandt. „Natürlich machen wir das so. Ich hätte auch nichts anderes akzeptiert.“ Katakura grinste. „Ich weiß.“ Wenige Stunden später holte sie auch die Sänfte endlich ein und Katakura gelang es, Masamune mit nur wenigen Worten in die Sänfte zu zwingen. Die vier Soldaten ließen sich auf dem Rasen nieder und Katakura ging die Lichtung ab, um zu prüfen, ob wirklich alles in Ordnung war. Yukimura setzte sich vor die Sänftentür ins Gras. Katakura setzte sich daneben. "Wie hast du ihn nur so schnell da rein bekommen?", fragte Yukimura seufzend. "Ich kenne ihn, ich weiß was ich tun muss.", meinte Katakura nur. "Ich kann euch hören! Und Kojuro, das war Glück! Ich gebe zu, dass ich tatsächlich müde bin. Und jetzt Ruhe da draußen!", maulte Masamune aus der Sänfte. Yukimura warf Kojuro einen Blick zu und musste dann grinsen. Kojuro ging es da nicht anders, auch er ließ ein Lächeln auf seinem Gesicht erkennen. Es war alles still. Kojuro warf einen Blick auf Yukimura, der letztendlich doch eingeschlafen war. Nun gut, sei es drum, er wollte dem jungen General keinen Vorwurf deswegen machen. Er beobachtete ihn einen Moment und sah dann, dass er fror. Yukimura trug nur einen dünnen Mantel, natürlich musste er nachts frieren. Am Tage ging es zwar aber die Nächte waren wirklich kalt. Kojuro zog sich seinen Mantel aus und legte ihn Yukimura über den Oberkörper. Er selbst konnte mit der Kälte besser umgehen. Wiederum ein paar Stunden später schreckte Yukimura aus dem Schlaf. Kojuro musterte ihn, während der junge General hastig seine Hand absuchte. "Was ist denn los? Schlecht geträumt?", fragte Kojuro. Yukimura sah ihn an. "Äh...ja...", stammelte er. Kojuro grinste. "Dass Fürst Date dir die Hand abhackt?" Yukimura schluckte. "Wie kommt Ihr darauf?" "Ziemlich offensichtlich, so wie du deine Hand überprüft hast." Yukimura lehnte seufzend den Kopf an die Sänftentür. "Na klar... Ich muss Euch ja vorkommen, wie ein Kind." Kojuro legte eine Hand auf dessen Schulter. "Manchmal ja. Aber weißt du, du bist eben noch fast ein Kind. Du bist Siebzehn, wenn ich das richtig verstanden habe. Da weiß man bestimmte Dinge noch nicht oder macht Dinge, die ich beispielsweise ziemlich kurios finde." Yukimura sah ihn lange an. "War das nötig mir jetzt zu sagen, dass ich noch unerfahren bin?" "Das hab ich damit nicht sagen wollen.", seufzte Kojuro. "Dann hab ich unerfahrener Dummkopf, das wohl falsch gedeutet?" Kojuro konnte nicht anders, er musste einfach lachen und ihm mit der Hand in den Haaren wühlen. "Ja du bist unerfahren, aber das machst du mit deiner Art und vor allem deiner Stärke doppelt wieder wett." "Ihr wolltet mich nur ärgern oder!" "Weißt du, manchmal forderst du das geradezu heraus. Es gibt Dinge, die du vielleicht nicht sagen solltest.", sagte Kojuro mit einem sanften Lächeln. Yukimura machte mit den Armen eine hilflos wirkende Geste, sah Kojuro ernst an und schwieg. "Ja, so in etwa. Willst du noch weiter schlafen?", fragte Kojuro. "Wir wollten gemeinsam Wache halten. Ich hab es nicht eingehalten, wie angebracht ist es dann, wenn ich jetzt weiterschlafe? Gar nicht, also bleibe ich wach." "Schlaf weiter.", sagte Kojuro. "Es wird nichts passieren und wenn, dann schaff ich das auch alleine. Mehr als ein verirrtes Tier kann es nicht werden." "Nagut, wie Ihr meint." Yukimura zog den Mantel um sich und merkte erst jetzt, dass es Kojuros war. "Wann habt Ihr...?", fragte er. "Vor ein oder zwei Stunden, du hast gezittert." "Danke, Meister Katakura." Am Morgen weckte Kojuro die Soldaten und Yukimura, dann warf er einen Blick in die Sänfte. Masamune schlief noch. Kojuro lächelte und entschied sich, ihn noch schlafen zu lassen. "Ist alles in Ordnung?", fragte Yukimura neben ihm. "Er schläft noch, lassen wir ihn. Jungs, hebt vorsichtig die Sänfte an, wir reisen weiter, damit wir bald ankommen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns." "Wie weit ist es denn noch?", fragte Yukimura. "Wir werden noch mindestens drei oder vier Tage unterwegs sein. Von Echizen aus sind es etwa siebenundsechig Cho, wir waren schon einen Tag unterwegs, also werden wir noch etwa fünfzig Cho vor uns haben.", sagte Kojuro. "So weit noch? Seid Ihr sicher?" "Nun ja, so in etwa.", meinte Kojuro und sah auf den Waldweg hinaus. Die Soldaten bemühten sich, die Sänfte so vorsichtig wie möglich anzuheben, sodass der Fürst nicht sofort aufwachte, doch vergebens. "Hey... Lasst mich raus, ich will weiter reiten.", murrte es von drinnen. "Nichts da.", sagte Kojuro. Masamune schob die Sänftentür auf und warf einen äußerst übellaunigen Blick aus verschlafenen Augen auf den Schwertmeister. Kojuro sah ihn einen Moment an, während Yukimura neben ihm schluckte. Dann musste er unweigerlich lachen. Masamunes Haare standen teilweise in alle Richtungen ab und er sah müde aus, sodass der böse Blick eigentlich überhaupt keine Wirkung mehr hatte. "Katako...!", knurrte Masamune. "Nein, nein, nein mein Fürst. Heute bleibt Ihr in der Sänfte.", sagte Kojuro mit einem milden Lächeln. Masamune schnaubte und schob die Sänftentür wieder zu. Yukimura und Kojuro hörten nur noch ein unverständliches Gebrabbel, dann schwangen sie sich auf ihre Pferde. Kojuro nahm Masamunes Rappen an den Zügeln, sodass er neben seinem Pferd herlief. Yukimura ritt auf der anderen Seite neben ihm, sodass sie jeweils die vordere Flanke abdeckten. Sie waren sicher nur wenige Kilometer geritten, als aus der Sänfte Masamunes Stimme zu hören war: „Ich habe Hunger!“ Kojuro griff in die Satteltaschen und ließ sich etwas nach hinten fallen, wo er an die Sänftentür klopfte und dann ein Mochi hineinreichte. „Danke, Katako!“, sagte Masamune mit einem süßlichen Lächeln. „Aber gerne doch, mein Fürst.“, gab Kojuro mit demselbem Lächeln zurück. Während Kojuro wieder zu Yukimura zurückritt, war aus der Sänfte Masamunes genervtes Gebrabbel zu hören. Jedoch nur kurz, denn der Hunger trieb das süße Mochi hinein. Den Hunger auf das Frühstück konnte Yukimura noch nachvollziehen, das menschliche Bedürfnis in die Büsche zu verschwinden, war auch in Ordnung. Auch, dass der Fürst etwas trinken wollte. Doch dann fing es an, ihm auf die Nerven zu gehen. Dann juckte pötzlich der Verband, dann wollte er wieder reiten (was Kojuro erfolgreich abschmettern konnte) und dann wollte er eine Pause machen. Der Fürst! Wo doch die Soldaten am ehesten darum hätten bitten sollen, dass sie sich ausruhen dürften. Normalerweise wechselten die Sänftenträger alle drei Stunden, aber sie waren lediglich zu viert und Kojuro zog es vor mit so wenig Pausen wie möglich voranzukommen. Sie konnten also nicht wechseln und mussten außerdem solange es hell war die Sänfte tragen. „Können wir jetzt endlich eine Pause machen? Dieses lange Sitzen bringt mich noch um!“, jammerte Masamune. Kojuro warf einen Blick auf die Sänfte und seufzte. „Mein Fürst... Eigentlich sollten Eure Sänftenträger nach einer Pause fragen, schließlich müssen sie Euch und die Sänfte tragen und dürfen nicht den ganzen Tag rumsitzen.“ Die Sänftentür wurde aufgestoßen und der Fürst mühte sich, nach vorn zu Kojuro und Yukimura zu schauen. „Katako! Du weißt, was ich meine!“ „Oh ja, das weiß ich. Deshalb will ich ja so schnell es geht nach Hause. Weil du eben so ungeduldig bist. Das heißt aber auch, dass die Pause sich auf die Nacht beschränkt. Umso schneller sind wir.“, sagte Kojuro. Genervt grummelnd schob Masamune die Sänftentür wieder zu. Yukimura schaute Kojuro an. „Wenn du weißt, dass die Soldaten viel eher eine Pause brauchen... warum lässt du sie dann nicht?“, fragte er. „Je eher wir in Oshu ankommen desto besser. Ob Masamune nun reitet oder in der Sänfte reist – es ist beides eine Anstrengung für ihn, der ich ihn ungern zu lange aussetzen will. Und ich habe Vertrauen in die vier, dass sie das schaffen. Die haben schon Schlimmeres überstanden.“ Yukimura sah zu den Soldaten zurück und musste eines feststellen: Wenn sie tatsächlich erschöpft waren, dann konnten sie das sehr gut verbergen. Kojuro musste also Recht haben, dass sie das recht gut aushalten konnten. Sie waren nun den dritten Tag unterwegs und Yukimura hatte die Launen des Fürsten bis hier her tapfer ertragen, doch jetzt hatte er genug. „Mir ist langweilig!“, protestierte Masamune laut in seiner Sänfte. Yukimura seufzte genervt. „Warum hört er denn nicht auf... Ich halte das nicht mehr aus!“ „Yukimura... Eigentlich musst du das alles still hinnehmen. Du hast kein Recht, dich zu beschweren. Er ist ein Fürst. Ein kranker Fürst. Und wenn Fürst Date krank ist, ist er für gewöhnlich unerträglich... Ich kenne das schon ziemlich gut.“, sagte Kojuro, bedacht darauf, dass Masamune den letzten Teil nicht hörte. „Wenn er kein Fürst wäre, würde ich ihm am liebsten den Hals umdrehen.“, murmelte Yukimura. „Ob Fürst oder nicht – bei ihm würde ich mir das gründlich überlegen. Selbst jetzt, in diesem Zustand, dürfte er dich davon abhalten können. Und wer weiß, was dann passiert, wenn es ihm wieder besser geht? Obwohl ich inzwischen bezweifle, dass er dann noch so wütend auf dich sein wird. Immerhin – du hast ihm das Leben gerettet und ihn in einem schwachen Moment erlebt und ihm beigestanden – umbringen würde er dich wohl nicht.“, sagte Kojuro leise. „Sehr aufmunternd, Meister Katakura. Das ändert aber wohl nichts daran, dass ich ihm gleich in die Sänfte steige und ihm sage, was ich von seinem Gejammere halte. Das ist doch für einen Fürsten nun wirklich nicht angebracht! Und es regt mich wirklich auf!“ „Tu, was du nicht lassen kannst.“, grinste Kojuro. Yukimura ließ sich unbeeindruckt zur Sänfte zurückfallen, wo er das Pferd anband und dann anstandshalber an die Tür klopfte. „Was gibt es denn? Sind wir bald da?“, maulte Masamune. Yukimura kletterte in die Sänfte. „Nein, tut mir Leid. Deshalb bin ich nicht hier. Ich möchte Euch um etwas bitten, Fürst.“ Masamune zog eine Augenbraue hoch. „So? … Um was denn?“ „Hört bitte mit dem Gejammer auf.“ Der Fürst sah ihn verdutzt an. „Wie bitte? Darf ich etwa nicht sagen, dass mir die gesamte Situation gerade gewaltig stinkt?!“ „Ich kann Euch ja verstehen, mein Fürst. Meister Katakura hat mir schon gesagt, dass Ihr sehr ungeduldig seid... Aber es kann Euch jeder hören...“, sagte Yukimura. „Das soll auch jeder hören! Ganz besonders du und Katako!“ „Ich halte das nicht mehr aus! Seit wir bei Fürst Shibata abgereist sind geht das nun schon!“ Masamune ließ ein wölfisches Grinsen spielen. „Aha... So ist das also... Und was gedenkt der General jetzt zu tun?“ Yukimura überlegte kurz. „Wenn Ihr weiter so jammert, dann reite ich jetzt sofort zu Fürst Takeda. Ohne mich zu verabschieden. Und ich werde meinem Fürsten berichten, was für ein Häufchen Elend dieser jammernde Fürst Date Masamune ist, wenn er verletzt ist!“, sagte er dann. Oh Mann, ich bin verrückt! Das werde ich niemals über die Lippen bringen können! Masamunes Auge verengte sich. „Das wirst du nicht tun!“, zischte er. Diesmal lächelte Yukimura. Und das beinahe genauso wölfisch wie Masamune zuvor. „Und was gedenkt Ihr jetzt zu tun, mein Fürst?“, fragte er ihn, mit einer deutlichen Betonung auf dem „Ihr“. Der Fürst packte ihn so schnell im Nacken und zog ihn nahe an sich heran, dass Yukimura keine Chance hatte und ihn geschockt ansah. „Dich daran erinnern, dass wir beide noch etwas zu klären haben, General Sanada Yukimura Genjiro!“, sagte er. Und gab ihm dann einen Kuss! Yukimura war verwirrt und sah ihn erschrocken an. „Mein Fürst...?“ Masamune gab ihm einen Schubs, sodass Yukimura augenblicklich die Tür im Rücken hatte. „Und jetzt raus hier! Ich will meine Ruhe haben, bis wir endlich da sind!“, blaffte er dann und würdigte ihn keines Blickes mehr. Yukimura kletterte aus der Sänfte und stieg auf sein Pferd. Während er noch die Zügel losband stieß Masamune mit dem Fuß die Sänftentür zu. Kopfschüttelnd ritt Yukimura an Kojuros Seite zurück. „Ah... der junge General lebt ja doch noch.“, sagte Kojuro lächelnd. „Warum auch nicht...“, murmelte Yukimura, immer noch verwirrt. „Ich bin überrascht... Es herrscht Stille. Wie hast du das hinbekommen?“, fragte Kojuro. „Wenn ich das wüsste... Eigentlich hat er mich ruhiggestellt.“ Kojuro lachte. „Ha! Das kann ich mir vorstellen! Da bin ich ja mal gespannt, wie lange das anhält.“ „Hoffentlich, bis wir ankommen...“ Kojuro grinste ihn breit an. „Glaubst du das wirklich?“ Stunden später, als langsam die Dämmerung einsetzte, erreichten sie endlich Sendai und das Anwesen des Fürsten Date. Kojuro war immer noch sprachlos, denn der Fürst war, bis auf wenige Angelegenheiten, wie Durst und ein dringendes Bedürfnis, tatsächlich die ganze restliche Reise über ruhig geblieben. Doch da er nun, da sie angekommen waren, nicht ausstieg und auch keine Anstalten dazu machte, öffnete Kojuro die Tür und sah hinein. Und ihm wurde auch klar warum Masamune sich den Rest des Tages ruhig verhalten hatte. Der Verband musste dringend gewechselt werden! „Yukimura! Hisahide muss schon zurück sein, die Armee wird schneller gewesen sein als wir. Hol ihn!“, sagte Kojuro hastig und zog den Fürsten aus der Sänfte. Yukimura sah zu ihm und reichte sofort die Zügel seines Pferdes an einen der Stallburschen weiter. Ohne etwas dazu zu sagen, rannte er sofort hinein. Es dauerte eine Weile, doch er kam gerade noch rechtzeitig mit Hisahide zurück, als Kojuro den Fürsten gerade stützend in das Haus bringen wollte. Hisahide ließ ein Seufzen vernehmen und sah Kojuro und Yukimura fordernd an. „Himmel hilf...“, seufzte er und sah Masamune prüfend an. „Habt ihr ihm denn nicht den Verband gewechselt?“ „Hisahide...“, knurrte Kojuro. Der Heiler sah ihn missbilligend an. „Wann habt ihr ihn gewechselt?“, fragte er genervt. „Vor vier Tagen.“ „Vier Tage? Um Himmels Willen, Katakura, also wirklich! Das ist zu lange! Was zum Henker, habt ihr gemacht?“ Kojuro sah ihn wütend an. „Entschuldige bitte, aber von Echizen bis hierher sind es über sechzig Cho! Ich möchte mal wissen, wie schnell du es im Schritttempo von Echizen nach Sendai schaffst!“ „Ja ja ja, schon gut. Rein jetzt mit ihm! Der Verband muss sofort runter!“, maulte Hisahide und ging voran. Yukimura und Kojuro mit dem Fürsten an seiner Seite folgten ihm, so schnell es ging. Sie brachten ihn in sein Schlafgemach und während Hisahide seine Utensilien holte, zog Kojuro dem Fürsten die Kleider soweit aus, dass Hisahide an den Verband kam. Der alte Heiler war rasch wieder zurück und wickelte den inzwischen übelriechenden Verband so geübt ab, dass Yukimura nur staunen konnte. Der stinkende Stoff landete in einer Kupferschale und Hisahide tupfte die rosige frische Haut mit einem Kräuteröl ab. „Glück gehabt. Es sieht gar nicht so übel aus, wie ich dachte.“, sagte er und holte einen neuen Verband aus einem Korb, den er – diesmal ohne Kräuter – dem Fürsten anlegte. Dann legte er seine Hand auf die Stirn des Fürsten, nur um sicher zu gehen. Er seufzte. „Leg ihn hin.“, bat er Kojuro. „Holt euch eine Schale kühles Wasser und dann bitte ich darum, dass diese Nacht mindestens einer von euch hierbleibt. Der Fürst hat Fieber. Wenn ihr das nicht kühlt, dann könnte es problematisch für ihn werden.“, fügte er hinzu. Kojuro warf Yukimura nur einen Blick zu. Der verstand und ging sofort los um kühles Wasser zu organisieren. „Was bedeutet das jetzt?“, fragte Kojuro. „Passt ja gut darauf auf, dass das Fieber nicht weiter steigt. Es ist nicht sehr hoch, aber es darf nicht steigen. An und für sich ist das ein gutes Zeichen, denn es heißt, dass sein Körper um seine Gesundheit kämpft. Aber je höher es steigt, desto gefährlicher wird es. In seinem Zustand wäre zu hohes Fieber tödlich.“ Kojuro nickte verstehend, während Hisahide seine Utensilien zusammenräumte und aufstand. Dann kam Yukimura mit Michiko zurück, die das Wasser trug. Kapitel 4: Ein Traum? --------------------- Kojuro schickte Yukimura in eines der Gästezimmer. Diese Nacht würde er auf den Fürsten aufpassen. Die Schale mit dem Wassser stand an seiner Seite und Kojuro wechselte immer wieder das Tuch, wenn es zu warm wurde. Der Fürst war bis zum Kinn zugedeckt, damit er nicht fror, was, wie Hisahide meinte, durchaus möglich wäre. Zwischendurch prüfte er mit dem Handrücken die Temperatur des Fürsten. Er konnte kaum eine Veränderung ausmachen, aber als der Morgen langsam näher kroch hatte er das Gefühl, dass das Fieber gesunken war. Erleichtert legte er nochmal das Tuch auf die Stirn des Fürsten und stand dann auf, um nach Yukimura zu sehen. Er spähte ins Nebenzimmer und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Yukimura lag wieder zusammengerollt wie eine Katze auf seinem Futon und schlief seelenruhig, während die ersten Sonnenstrahlen in das Zimmer lugten. Leise schob Kojuro die Tür wieder zu und kehrte zu seinem Fürsten zurück, wo er sich neben ihn setzte. Er betrachtete ihn eine Weile und strich ihm die wirren Haare aus dem Gesicht. Er lächelte, denn Masamune war davon aufgewacht. „Guten Morgen, Fürst.“, sagte Kojuro. „Katako... Guten Morgen...“, murmelte Masamune. „Wie geht es Euch?“ Masamune seufzte und legte einen Arm über den Kopf. „Ach ich weiß nicht... Mir ist warm, aber jetzt, wo ich den Arm unter der Decke hervorgeholt habe, ist mir wieder kalt.“ „Dann lasst den Arm unter der Decke. Ihr werdet noch etwas Fieber haben.“ „Fieber?“, fragte Masamune, sah ihn an und ließ ein genervtes Stöhnen hören. „Ich weiß, das gefällt Euch gar nicht.“ Masamune sah Kojuro lächelnd an. „Du kennst mich eben.“ „Ja, das tue ich. Und deshalb werdet Ihr auch auf mich hören müssen, wenn Ihr so schnell wie möglich wieder gesund werden wollt.“ „Du bist genauso ein Folterknecht wie Hisahide...“ Kojuro lachte laut auf. „Findet Ihr?“ „Oh ja, allerdings...“, sagte Masamune mit einem Lächeln. „Wo ist eigentlich Yukimura?“ „Der schläft noch. Michiko hat ihn nebenan einquartiert.“ Masamune nickte und Kojuro entschuldigte sich, weil er für ihn Frühstück holen gehen wollte. Der Fürst sah zur Terrasse herüber. Die Sonnenstrahlen drangen gedämmt durch die Shoji, die Reispapier-Türen, hindurch. Kojuro hatte einen kleinen Spalt geöffnet, sodass Masamune einen schmalen Streifen des Gartens sehen konnte. Normalerweise trainierte er dort und es ärgerte ihn sofort, dass er jetzt dazu verdammt sein sollte, die nächsten Tage, vielleicht sogar Wochen, nicht trainieren zu dürfen. Zum Frühstück kam auch Yukimura zu ihnen und Masamune ärgerte sich gleich noch mehr, als dieser kleinlaut zu verstehen gab, dass er jetzt auch gerne endlich wieder trainieren wollte und sich der Garten doch ideal anbieten würde. Da Kojuro nichts dagegen hatte und Masamunes Training vorerst ausgesetzt war und er sich dazu missmutig enthielt, stand Yukimura nach dem Frühstück im Garten und schwang die Lanze. Kojuro hatte es Masamune gestattet sich an die Terassentür zu setzen, damit er Yukimura wenigstens zusehen konnte. Missmutig saß er nun da, auf seinem Futon, den Kojuro ihm an die Terasse geschoben hatte und schaute dem jungen General zu. Eine Weile lang ärgerte er sich noch, doch das verflog rasch, je länger er ihm zusah. Nach ein paar Minuten waren seine Gedanken zu ihrer gemeinsamen Reise nach Azuchi abgeschweift... … Bei ihrem schnellen Ritttempo brauchten Masamune und Yukimura gerade einmal drei Tage. Damit ihnen die Pferde nicht unter den Hintern wegstarben machten sie nachts Pausen. Auch damit sie selbst schlafen konnten. Die Nächte waren kalt und sie hatten außer sich, ihren Pferden, ein wenig Proviant und ihren Waffen nichts weiter dabei. Schon die erste Nacht war so kalt, dass Yukimura die Nähe des etwas älteren Fürsten suchte. Heimlich lugte er zu ihm hinüber und dachte wahrscheinlich, dass Masamune es nicht merken würde. Dann schob er sich vorsichtig ganz nah an ihn heran. Masamune reagierte nicht darauf, denn immerhin war die Körperwärme des jungen General auch für ihn sehr angenehm. Auch die zweite Nacht war sehr kalt und am Morgen wachten sie Arm in Arm auf. Yukimura war zunächst peinlich berührt und ein Rotschimmer legte sich auf seine Wangen, als Masamune ihn lange ansah. Doch da Masamune nichts dazu sagte, legte er seinen Kopf wieder an seine Schulter zurück und schmiegte sich an ihn. Masamune lächelte und sah zu ihm hinunter. „Du bist süß...“, sagte er leise. Yukimura lief puterrot an. „Mein Fürst?“ Der Fürst sagte nichts dazu, sondern strich dem General die vom Schlafen noch ganz struppigen Haare aus dem Gesicht. Der sonst so wilde Sanada Yukimura Genjiro war wie gelähmt, als er in die Augen des Fürsten blickte. Dieser nutzte die überraschte Schweigsamkeit des Jüngeren und gab ihm einen sanften Kuss. Und damit war es mit Stille schlagartig vorbei. „Mein Fürst! Ihr-“, japste Yukimura, doch er war zu sprachlos, um einen sinnvollen oder gar zusammenhängenden Satz zustande zu bringen. Masamune ließ ihn augenblicklich los. „Entschuldige meine Umnachtung... Ich schlafe wohl noch...“, murmelte er und stand auf, um ihre Pferde wieder zu satteln. Es war beiden sehr wohl bewusst, dass diese Begebenheit sich nicht einfach so aus ihren Köpfen verbannen lassen würde, doch der Kampf gegen Oda Nobunaga würde schon bald ihre volle Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen... … Masamune merkte, dass er Yukimura gar nicht mehr richtig beobachtet hatte, als er an den Morgen vor dem Kampf gegen Oda denken musste. Als Kojuro den Raum betrat, spürte er ein gewisses Unbehagen in sich aufsteigen. Und dennoch war es mit einem anderen Gefühl gemischt, was er nicht so recht deuten konnte. Oder wollte er es gar nicht verstehen? Er entschied sich jedenfalls, Kojuro nichts von dem Kuss zu erzählen. Seine rechte Hand - oder wie viele andere auch sagten: sein rechtes Auge – setzte sich neben ihn. Masamune verspürte pötzlich ein Kribbeln auf seiner Haut. Oh ja, das war noch immer so. Er erinnerte sich daran, wie es war, als er als Heranwachsender den großen Kojuro das erste Mal gesehen hatte. Da hatte es ihm auch auf der ganzen Haut gekribbelt. Masamune musste sich eingestehen, dass Kojuro eine unglaubliche Anziehung auf ihn ausübte – aber der junge Yukimura tat das anscheinend auch. Masamune sah zu dem General Takedas zurück, der gerade die Lanze wild wirbeln ließ. „Gar nicht mal so übel...“, bemerkte Kojuro während er Yukimura beobachtete. Masamune machte ein zustimmendes Geräusch. Kojuro kannte ihn besser als jemand anders sonst. Er sah zu ihm hinüber und musterte ihn einen Moment lang. „Mein Fürst? Ist alles in Ordnung? Ihr seid doch sonst nicht so schweigsam.“ Masamune warf ihm ein leicht grimmiges Lächeln entgegen. „Er kann trainieren – ich nicht. Ich beneide ihn ein wenig.“ Kojuro wusste, dass der Fürst den General nicht nur ein wenig beneidete. Nein, er beneidete ihn sogar sehr darum. Er grinste. „Würde ich Euch nicht davon abhalten, dann würdet Ihr schon längst wieder trainieren – und damit Euer Leben riskieren. Die Sache mit Oda war schon beinahe zu viel für Euren Körper.“ Masamune sah ihn einen Moment lang an. „Katako... Du hast ja Recht, aber lass mich bloß nicht so lange zappeln. Du weißt, wie ich das hasse.“ Kojuro erwiderte seinen Blick. „Mein Fürst. Ihr werdet so lange warten, bis alles verheilt ist. Wem soll ich sonst dienen, wenn Ihr wegen einer nicht kurierten Verletzung sterbt?“ Masamune legte den Kopf schief und stützte ihn auf eine Hand. „Yukimura sieht das auch so?“, fragte er. Kojuro runzelte die Stirn und warf einen Blick zu dem jungen General. „Sicher wird er das. Immerhin hat er Euch als ebenbürtigen Gegner auserkoren, so wie Ihr ihn auch.“ „Das stimmt, ja...“, bestätigte Masamune und stand auf. Kojuro hielt ihn am Arm zurück. „Nicht zu viel bewegen.“, mahnte er. Masamune blieb seufzend stehen und sah zu Yukimura zurück. Seine rechte Hand bemerkte seinen Blick. „Was ist auf Eurer Reise nach Azuchi passiert?“ Der Fürst sah ihn etwas erstaunt an. Wie kam er denn jetzt nur darauf? Über ihre Reise nach Azuchi hatten sie doch gerade überhaupt nicht gesprochen. „Wie meinst du das, Katako?“ „Ihr seht Sanada beim Training zu und ich merke, dass Ihr ihn darum beneidet. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass da noch mehr ist. Was ist passiert?“, fragte Kojuro. Masamune sah ihn eine Weile lang an, ganz so, als müsse er genau überlegen, was er sagen wollte. „Was soll denn passiert sein?“ Kojuro runzelte die Stirn. „Mein Fürst...“, sagte er nur und klang dabei, als wüsste er längst, was der Fürst sagen würde. „Katako...“, er seufzte. „Die Nächte waren kalt und weder Yukimura noch ich hatten vor, uns an die Pferde zu drängen, um es warm zu haben. Es ist nichts weiter passiert!“ Er entzog sich Kojuros Griff. „Ich hab Hunger.“ Kojuro stand ebenfalls auf, sagte aber nichts zu Masamunes Erklärung. „Legt euch hin, ich sage Michiko Bescheid.“ -und an Yukimura gewandt rief er: „He Kleiner! Mach Pause, wir essen gleich!“ Yukimura hielt inne und kam zurück zum Zimmer. Vor den Shoji legte er die Waffen ab und betrat dann das Zimmer, das jetzt zu Fürst Dates Krankenlager umfunktioniert wurde. Masamune sah ihn mit einem undurchschaubaren Blick an, der dem jungen General die Röte ins Gesicht trieb. Ein Lächeln stahl sich auf die Lippen des Fürsten und Yukimura rutsche das Herz geradewegs eine Etage tiefer. „Mein Fürst?“, fragte er unsicher. Masamunes Lächeln blieb. „Nichts, Yukimura. Ich musste nur gerade an unsere Reise nach Azuchi denken.“ Yukimura wäre am liebsten im Boden versunken. „Ich glaube, ich sollte jetzt besser bei seiner Herrlichkeit, Fürst Takeda, sein.“, murmelte er. „Ich glaube, deinem Fürsten Takeda geht es inzwischen wieder gut. Zumindest besser als mir, wenn es nach Katako geht...“, sagte Masamune, während er seine Decke richtete. Das Gesicht Yukimuras nahm endlich wieder eine normale Farbe an und er musste lachen. „Meister Katakura stellt seinen Fürsten aber ganz schön unter seinen Pantoffel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr Euch das lange gefallen lasst.“ Masamune lachte. „Vermutlich nicht, nein. Allein deswegen bin ich ganz froh über deine Anwesenheit.“ „Wie meint Ihr das, mein Fürst?“, fragte Yukimura stutzend. „Du bist nicht so steif wie Kojuro manchmal und erst recht nicht so katzbuckelig wie alle anderen hier.“, sagte Masamune und legte den Kopf in den Nacken. Yukimura setzte sich, immer noch verdutzt, an Masamunes Seite. „Meister Katakura und steif?“, fragte er. „Naja nicht steif... Manchmal ist er eben... Ach du weißt schon, du hast ihn ja jetzt eine zeitlang erlebt.“, sagte Masamune. Der Jüngere nickte verstehend. „Ja, da habt Ihr allerdings Recht, mein Fürst.“ Es klopfte sachte, dann schob Michiko die Tür auf. Hinter der zierlichen Frau stand, der im Vergleich zu ihr hünenhafte, Kojuro mit einem Tablett. Michiko schob ein Tablett mit einer Kanne Tee und drei Bechern in das Zimmer, dann machte sie Kojuro Platz, der das große Tablett mit mehreren gefüllten Schalen hineintrug. Er bedankte sich bei Michiko, die die Shoji wieder schloss und stellte dann das Tablett neben Masamune auf den Futon. Der Fürst inspizierte hungrig die Schalen. Da war Reis, gegrillter Fisch, Misosuppe, gedünstetes Gemüse und gebratenes Schweinefleisch mit Sesamkruste. „Hmm! Schweinefleisch! Michikos Spezialität!“, freute er sich schon. Doch Kojuro gab ihm einen sanften Klaps auf die Hand. „Nichts da, mein Fürst! Ihr esst die Suppe, die Michiko für Euch gekocht hat!“ Masamune schaute ihn missbilligend an. „Katako!“ Kojuro warf einen ebenso wirkenden Blick zu ihm. „Mein Fürst. Ihr sollt Euch kurieren und Euch nicht den Bauch vollschlagen.“ Der Blick des Fürsten wurde trotzig. „Du bist gemein, weißt du das? Ihr lasst euch beide hier Fisch und Schwein auftafeln und mich wollt ihr mit einer Suppe abspeisen?“ Yukimura konnte sich ein Lachen nicht verkneifen und verschluckte sich beinahe an einem Stück Fisch. Masamune sah daraufhin zu ihm. „Das ist nicht lustig! Ich habe Hunger und eine Suppe macht nicht gerade satt!“ Yukimura schluckte den Fisch hinunter. „Natürlich nicht, mein Fürst. Esst doch etwas Reis zu Eurer Suppe.“ Der Fürst bedachte Yukimura mit einem wütenden Blick. „Ihr nehmt mich nicht ernst, oder? Ich habe Hunger, wie oft soll ich das noch sagen?“, jammerte er dann. Stillschweigend reichte Kojuro seinem Fürsten dann doch ein Stück Schweinefilet mit ein paar Sesamkörnchen darauf. Masamune sah ihn zunächst überrascht an, nahm dann aber mit einem dankbaren Lächeln das Fleischstück und aß es rasch auf. „Mmmh... Lecker...“, nuschelte er. Die beiden Männer an seiner Seite konnten ein belustigtes Grinsen nicht unterdrücken und beide reichten ihm je ein Stück Fisch und noch ein Stück Fleisch. Kojuro betrachtete seinen Fürsten und musste feststellen, dass seine Freude ihm etwas Kindliches verlieh – etwas Unschuldiges. „Vielen Dank! Es geht doch! Ich werde davon schon nicht sterben – außer ihr zwei wollt mich weiter mit Suppe füttern!“ Kojuro lachte herzhaft. „Ich glaube, wenn wir das tun, dann bringt er uns um, Sanada-kun.“ Yukimura grinste. „Besser wir lassen es, Meister Katakura.“ Masamune wedelte mit den Essstäbchen vor ihren Nasen herum. „So ist's recht. Ab jetzt gibt es wieder ordentliches Essen, verstanden? Nur Suppe bringt mir nicht meine Kraft zurück!“ Kojuro nickte. „Natürlich mein Fürst. Morgen lasse ich auch für Euch Fisch zubereiten.“ „Das klingt schon besser.“, sagte Masamune zufrieden. Auch tags darauf war Masamune dank Kojuro zum Nichtstun verdonnert. Kojuro hatte Yukimura als Aufpasser für den Fürsten eingebunden, damit er selbst seiner Arbeit auf den Feldern nachgehen konnte. Oder besser gesagt, er wollte Masamunes Gejammere nicht dauernd hören. Yukimura nutzte die Gelegenheit um weiter zu trainieren. Für den Fürsten zog er sogar den Futon auf die Terrasse hinaus und half ihm, sich darauf niederzulassen. Er selbst nahm dann seine Lanze und ging in den Garten um sie dort hin und her zu schwingen. Masamune beobachtete ihn dabei. Nachdem er lange genug mit kritischem Blick zugesehen hatte, rief er: „Yukimura! Halt die Lanze etwas niedriger! Du bietest deinen Bauch sonst als Angriffsfläche an!“ Yukimura hielt inne und sah ihn verwirrt an. „Mein Fürst...? Ihr seid doch Schwertkämpfer.“ „Ja und als solcher denke ich auch gerade. Du hältst die Lanze gerade so hoch, dass ein Schwertmeister die Lücke sofort erkennen und nutzen würde!“ Der junge General schaute sich seine eigene Position und Haltung an und bemerkte jetzt selbst den Fehler. Er korrigierte sich und der Fürst nickte zufrieden. Zwei Stunden lang trainierte Yukimura, dann kam er zu Masamune zurück, legte sein Lanze auf den Holzdielen der Terrasse ab und setzte sich zu ihm. „Du bist gut.“, sagte der Fürst, ohne ihn anzusehen. „Danke... aber ich glaube, ich muss wohl doch noch ein paar Dinge lernen.“ „Kleinigkeiten... Wenn ich nicht auch bald wieder anfange zu trainieren, dann kannst du mich wohl schlagen.“ Yukimura sah den Fürsten an. „Solange Ihr nicht in Vollbesitz Eurer Kraft seid, werde ich nicht gegen Euch antreten.“ Masamune schaute ihn lächelnd an. „Das ist aber sehr zuvorkommend.“, grinste er und wuschelte ihm durch die braunen Haare. „Fürst Date!“, maulte dieser. „Du bist süß, Kleiner!“, lachte Masamune. „Was?“, fragte Yukimura verstört. Hab ich gerade richtig gehört? „Ich sagte, du bist süß.“, wiederholte Masamune und ein nur noch leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Yukimura schüttelte den Kopf. „Was ist?“, fragte Masamune, ohne dabei wirklich interessiert zu klingen. „Das muss ich wohl geträumt haben.“, antwortete Yukimura. „Ich glaube nicht, dass du gerade eben geträumt hast. Du siehst jedenfalls nicht schlafend aus.“, meinte Masamune stirnrunzelnd. „Nein, nein... Nicht jetzt... Als wir nach Azuchi geritten sind...“ „Ach das.“ Yukimura bedachte ihn mit einem fragenden Blick, der eine Antwort forderte. „Du hast nicht geträumt.“, sagte der Fürst schlicht. Yukimura riss die Augen auf. „Wie bitte?“ „Du hast dich wirklich an mich gelehnt.“ „Ich...“ „Und ich habe wirklich gesagt, du bist süß.“ „Ihr...“ Der Fürst sah ihn jetzt eindringlich an. „Das... das habe ich doch nicht nur geträumt? Dann habt Ihr...“, stammelte Yukimura. Auf Masamunes Gesicht prangte ein so breites Grinsen, dass Yukimura sich beinahe fragte, wie er das nur hinbekam. Er selbst hingegen war so blass wie Reispapier geworden und sah den Fürsten an, wie ein aufgeschrecktes Reh. Masamune hätte beinahe laut losgelacht, doch er konnte sich noch zurückhalten. „Ich habe.“, brachte er grinsend hervor, wohl wissend, dass Yukimura den Kuss meinte. „Ihr... Ich... Oh nein...“, flüsterte Yukimura geschockt. Masamune konnte nicht mehr an sich halten. Er lachte lauthals los. Yukimuras Verhalten war einfach zu komisch. Der junge General schaute ihn mit puterrotem Gesicht und gereiztem Blick an. „Macht Ihr Euch etwa über mich lustig?!“ Masamune antwortete nicht sofort, weshalb Yukimura ruckartig aufstand. Doch der Fürst hielt ihm am Handgelenk zurück. „Ich mach mich nicht über dich lustig... Aber deine Reaktion war einfach Gold wert.“, sagte er. Yukimuras Blick verdüsterte sich. „Ihr macht Euch doch über mich lustig!“ „Nein, wirklich nicht, Yukimura.“ Der Jüngere runzelte die Stirn. „Dann heißt das...?“ „Hilf mir mal, Yukimura...“, grummelte Masamune und zog an Yukimuras Hand. Er half dem Fürsten auf die Beine. Dann nahm er den Futon, brachte ihn zurück zur Mitte des Zimmers und half dem Fürsten, sich wieder darauf niederzulassen. Dann sah der Fürst ihn ernst an. „Ja, das heißt es... Du hast dich tatsächlich an mich geschmiegt und ich habe es zugelassen. Ich habe auch wirklich gesagt, dass du süß bist und ja – ich habe dich wirklich geküsst...“, sagte Masamune. Yukimura ließ sich wie ein Stein neben den Fürsten sinken. „Wirklich...?“ „Ja, Yukimura... Wie oft soll ich es dir noch sagen?“ „Oh nein... Nein, nein, nein...“, stammelte Yukimura. „Ach jetzt hör auf zu jammern.“, seufzte Masamune und klang genervt. „Was habt Ihr Euch bloß dabei gedacht?!“, fauchte Yukimura und sah den Fürsten böse an. „Nichts vermutlich... Weißt du, vergiss es einfach!“ Yukimura verstand selbst nicht, warum er es tat, aber rückte näher an den Fürsten heran. „Dazu ist es zu spät...“ Masamune runzelte die Stirn einen Moment lang. „Zu spät? Was willst du mir damit sagen?“, fragte er und seine Stimme klang plötzlich ziemlich rau, wie Yukimura feststellen musste. „Es war nur ein einziger Kuss. Ein sanfter...“, flüsterte er, ohne recht zu wissen, was er dem Fürsten eigentlich damit sagen wollte. Masamune lächelte über diese Unbeholfenheit und zog Yukimuras Kopf nahe zu sich, dann gab er ihm einen Kuss. Yukimura genoss es, doch Schritte auf dem Flur ließen ihn einen halben Meter vom Fürsten wegspringen. Und das gerade rechtzeitig, denn Kojuro kam ins Zimmer und brachte das Mittagessen. „Wie versprochen, Fisch für den Fürsten... gegrillt und mit Tofu.“, sagte er mit einem leichten Lächeln und stellte das Essen vor dem Fürsten ab. Masamunes lautes genervtes Seufzen erfüllte den Raum. Kojuro hatte zwar gesagt, er würde Fisch bringen, aber eigentlich hatte er sich insgeheim auf Schweinefleisch mit einer kräftigen Soße gefreut. „Katako! … Du quältst mich!“, jammerte er. „Weil ich weiß, dass Ihr das aushaltet!“, sagte Kojuro. „Und weil du Spaß daran hast!“, fauchte Masamune. Kojuro grinste breit. „Bestimmt auch das.“ „Ach... Jetzt gib schon her!“, maulte der Fürst und nahm sich Schale und Stäbchen. Kojuro erhob sich wieder. „Und nach dem Essen ruht Ihr Euch aus.“, sagte er. „Ich werde Michiko schicken, dann kann Sanada mir auf den Feldern helfen. Einer der Männer hat sich den Fuß verstaucht.“ „Von mir aus. Wenn es denn sein muss... Was soll ich schon tun? Ich darf ja nicht.“, grummelte der Fürst. „Richtig. Ihr dürft nicht.“, bestätigte Kojuro. „Dann macht doch, was ihr wollt. Der Fürst von Oshu hat ja im Moment sowieso nichts zu sagen!“, maulte Masamune. „Mein Fürst...“, seufzte Kojuro, beugte sich zu ihm hinunter und sah ihm in die Augen. „Ich kann Sanada wirklich gut auf den Feldern brauchen. Und Ihr braucht meiner Meinung nach eine Pause. Noch seid Ihr nicht wieder völlig gesund.“ „Ist ja gut, Katako! Jetzt geh endlich!“ Kojuro lächelte. „Komm Sanada.“ Yukimura folgte Kojuro stillschweigend mit einem Blick zurück zum Fürsten. Sie gingen hinaus auf die Felder, wo Yukimura die Stille genoss, die durch die Mittagspause der Bauern gerade herrschte. „Meister Katakura? Können wir ihn wirklich allein lassen?“, fragte er nachdem sie den Rand eines noch unbearbeiteten Feldes erreicht hatten. „Nein. Ich sagte ja schon, Michiko passt auf... Mach dir keine Sorgen, auch wenn sie recht zierlich wirkt, sie weiß schon, wie man mit ihm umgehen muss.“, erwiderte Kojuro. Yukimura nickte und ließ sich von Kojuro eine Schale Reis mit etwas Gemüse geben, bevor sie mit Hacken das Feld bearbeiten würden. Kapitel 5: Ein Streit mit dem Fürsten... ---------------------------------------- Kojuro und Yukimura machten sich an die Feldarbeit. Gemeinsam hackten sie auf dem ersten Feld die Erde so locker, damit die nachfolgenden Männer, die Samen setzen konnten. Dann nahmen sie sich große Körbe mit jungen Pflänzchen auf den Rücken nachdem sie ihre Schuhe ausgezogen hatten. Mit den Körben und ein paar der Pflanzen stapften sie in ein schlammiges tiefes Feld, dass bis zu ihren Knöcheln mit Wasser bedeckt war. In langen Reihen steckten sie die Reispflänzchen in die Erde. Kojuro ermahnte Yukimura dass die Pflänzchen unbedingt in einer geraden Reihe mit einem genauen Abstand stehen sollten. Yukimura sah ihm genau zu und setzte dann die Pflanzen genauso ein wie Kojuro. Einige Stunden später machten sie endlich eine Pause und setzten sich an den Rand der Felder. Yukimura legte sich seufzend auf das junge grüne Gras. „Glaubt Ihr wirklich, der Fürst ruht sich aus? Oder hört auf Michiko?“, fragte er zweifelnd. „Oh ja, das wird er. Auch wenn Michiko recht zierlich wirkt, sie weiß schon, wie sie mit ihm umgehen muss.“, versicherte ihm Kojuro. Yukimura sah den großen Mann an. Er musste daran denken, wie dieser Mann mit dem Fürsten umging. Wie war das nur möglich, dass er die Klingen des Fürsten dafür nicht zu spüren bekam? „Sagt mal, Meister Katakura... Wie macht Ihr das? Wie könnt Ihr so, wie in den letzten Tagen, mit Fürst Date reden, ohne dass er Euch an die Gurgel geht?“, fragte er. „Weißt du, wir kennen uns jetzt schon mehrere Jahre lang. Mein Fürst weiß durchaus, dass ich meistens Recht habe, aber er ist zu stolz, das zuzugeben. Dazu kommt noch, dass er sehr ungeduldig ist, was ihn sehr oft Vernunft und Vorsicht ignorieren lässt. Insofern ist es ganz gut, dass ich ihm das klarmachen kann, ohne dass er mich gleich tötet.“, erklärte Kojuro mit einem Lächeln. Yukimura war überrascht, dass Kojuro nicht nur wusste, was sein Fürst mochte und was nicht, sondern dass er ziemlich genau wusste, wie der Fürst eigentlich tickte. „Ihr kennt ihn sehr gut...“, meinte er. „Ja allerdings. Aber ich glaube, das ist auch völlig normal, wenn man tagein tagaus mit einem Menschen fast alles teilt.“, sagte Kojuro. Yukimura wusste nicht, was es war oder woher es kam, aber er spürte einen Stich im Herz. Mit einem Blick zu Kojuro schien er zu verstehen. Der Ältere sah auf das Feld hinaus, aber Yukimura wurde das Gefühl nicht los, dass Kojuro vor seinem inneren Auge den Fürsten sah. Ihm wurde bewusst, dass diese beiden Männer eine tiefe Bindung zueinander hatten. Ob sie nur auf die Ergebenheit Kojuros zu seinem Fürsten beruhte oder mehr, das vermochte Yukimura nicht zu sagen. Wenn es mehr war, was zwischen diesen beiden Männern zu solch einer Bindung führte... Spielte dann der Fürst nur mit Yukimura? Er seufzte. Eigentlich sollte er schon längst wieder bei seinem Fürsten Takeda Shingen sein. Kojuro und Yukimura verbrachten auch den ganzen Nachmittag auf den Feldern mit hacken, säen und Unkraut jäten. Als es langsam dämmerte brachten sie die Geräte mit den anderen Männern zusammen zu einem kleinen Schuppen, den Kojuro dann abschloss. Die Männer verabschiedeten sich von Kojuro und dem jungen General und gingen zu ihren Hütten, die etwas entfernt von den Feldern standen. Kojuro legte eine Hand auf Yukimuras Schulter. „Vielen Dank.“ „Kein Problem.“, sagte Yukimura monoton. „Dann werden wir jetzt zu Abend essen und mal sehen was der Fürst sagt.“ Yukimura nickte und folgte ihm. Das Abendessen verlief eher schweigsam an diesem Abend. Nachdem Michiko alles abgeholt hatte, holte Kojuro einen zweiten Futon heraus. Yukimura hingegen senkte seufzend den Kopf. „Was ist denn los?“, fragte Masamune. „Ich müsste eigentlich längst wieder bei meinem Fürsten sein. Wisst Ihr, ich wäre am liebsten vorhin schon losgeritten, aber ich wollte mich wenigstens noch verabschieden.“ „Oh nein, du willst mir nicht sagen, dass du jetzt sofort losreiten willst! Das kannst du vergessen! Auch wenn Katako manchmal meint, ich vergesse was Vernunft ist, aber dass du jetzt losreiten willst – im Dunkeln! - das lasse ich nicht zu!“, sagte der Fürst vehement. Yukimura sah ihn überrascht an. So eine energische Reaktion hatte er gar nicht erwartet. „Aber...“, setzte er an. „Nichts aber! Du reitest hier nicht mitten in der Nacht los! Was ist, wenn dein Pferd stürzt und es sich verletzt? Oder du dich dabei verletzt? Ich will gar nicht wissen, was Takeda dann mit mir macht!“ Erst jetzt meldete sich Kojuro zu Wort. „Da muss ich dem Fürsten zustimmen. Es ist gefährlich mitten in der Nacht loszureiten. Du musst über die Berge und durch Wälder. Dein Pferd kann da leicht stürzen und wenn es sich verletzt, wird es eher daran sterben, als du ahnst. Und wenn du dich verletzt, bist du eine leichte Beute für Wegelagerer.“ „Gut, vielleicht habt Ihr Recht.“, murmelte Yukimura. Masamune atmete erleichtert aus. Takeda hätte ihm allerdings die Hölle heiß gemacht. Immerhin hatte er dessen General hier in seiner Obhut und Takeda hätte es ihm wohl niemals verziehen, hätte er ihn jetzt gehen lassen und er hätte sich auf der Reise verletzt oder wäre gar getötet worden. Kojuro nickte dem jungen General zu. „Da du nun noch hier bleibst.... wärst du so freundlich nochmal eine Nacht auf den Fürsten acht zu geben? Ich würde jetzt gerne noch baden gehen.“ „Ja... in Ordnung, Meister Katakura.“ Masamune sah Kojuro schräg an. „Ist das dein Ernst?“, fragte er. „Mein Fürst... Ich kenne Euch. Je besser es Euch geht, desto eher seid Ihr geneigt zu glauben, dass das Training sofort wieder losgehen kann. Ich versichere Euch, dem ist noch nicht so. Und damit Ihr nicht auf dumme Gedanken kommt, wird Sanada noch einmal auf Euch aufpassen.“ Masamune knurrte genervt und entließ seinen Vasall mit einem Handwedeln. Yukimura sah ihm nach und dann zu Masamune, der dessen Blick erwiderte. Dann lächelte der Fürst. „Wollen wir ein bisschen Schach spielen?“, fragte er. „Was ist das?“ „Wie? Du weißt nicht, was Schach ist? … Ach ich vergaß, das ist ja ein europäisches Spiel... Hmm, es ist ähnlich wie Go. Ich finde, es ist leichter zu spielen als Go.“, erklärte der Fürst. „Aha.“ „Warte, ich zeig es dir.“, sagte Masamune und stand auf. Aus einer Schublade hinter den Futons holte er eine kleine Holzkiste heraus, die mit zweifarbigen Quadraten gemustert war. Die eine Seite konnte man mit zwei kleinen Messingscharnieren öffnen. Masamune klappte die Kiste auf und darin lagen mehrere schwarz und weiß lackierte Figuren. Innen war die Kiste mit grünem Samt ausgekleidet. Der Fürst drehte die Kiste um und die Figuren purzelten auf den Futon. Die aufgeklappte Kiste legte er mit dem Quadratmuster auf den Futon neben die Figuren. „Wie du siehst, ist das Spielfeld kleiner als bei Go. Beim Go sind alle Figuren gleich, bei Schach gibt es sechs verschiedene Figuren. Drei davon in doppelter und eine Figur in achtfacher Ausführung.“, erklärte der Fürst und sortierte die Figuren nach schwarz und weiß. „Beim Go legt man die Steine nach Spielbeginn auf das Feld. Beim Schach werden die Figuren schon vor Spielbeginn nach einem bestimmten System aufgestellt. Die Armee steht also schon bereit, während die Armee beim Go gezielt durch den Spieler eingesetzt wird.“, sagte Masamune mit einem Lächeln. Yukimura sah zu, wie der Fürst die Figuren auf dem Brett anordnete. „Die Türme jeweils links und rechts außen, neben ihnen die Reiter, daneben die Läufer und in der Mitte der König und die Königin. Und vor ihnen die acht Bauern. Genauso werden sie auch auf der anderen Seite aufgestellt, nur dass der König der gegnerischen Königin gegenübersteht und die Königin dem gegnerischen König.“ Yukimura betrachtete stirnrunzelnd das Feld. Go kannte er, wenngleich er kein guter Spieler war. Aber das hier? Was sollte das werden? So ein Spiel hatte er noch nie gesehen. „Und die setzt man jetzt auch wie bei Go?“, fragte er. „Nein, nein. Wir führen unsere Kriege zwar ähnlich wie die Europäer aber beim Schach sind die Europäer ziemlich realitätsnah geblieben.“ Yukimura legte den Kopf fragend schief. „Pass auf. Die Türme dürfen nur in einer geraden Linie aber dafür soweit wie man möchte gezogen werden. Die Pferde hingegen dürfen nur ein Feld geradeaus und eines zur Seite. Wie herum man diesen Zug führt, bleibt einem selbst überlassen, solange es nur ein Feld in eine Richtung und ein weiteres zur Seite sind. Die Läufer dürfen nur schräg aber dafür auch so weit wie man möchte gezogen werden. Die Königin darf in alle Richtungen ziehen. Der König allerdings darf immer nur ein Feld vorwärts ziehen, das aber auch in alle Richtungen. Und die Bauern dürfen bei ihrem ersten Zug zwei Felder vor und jeder weitere Zug ist nur ein Feld. Allerdings nur geradeaus, es sei denn zum Schlagen eines anderen Bauerns – dann dürfen sie auch schräg gezogen werden. Wenn man es schafft, einen Bauern ans Ende des gegnerischen Feldes zu bekommen, dann kann man eine Figur vom Gegner zurückverlangen.“, erklärte der Fürst und bewegte jede Figur entsprechend der ihr vorgegebenen Züge. Yukimura sah aufmerksam zu, aber er befürchtete bereits, dass er das mehr schlecht als recht umsetzen würde können. Ihm schwirrte ja jetzt schon der Kopf, von den vielen verschiedenen Zügen. „Alle Figuren sind lebenden Wesen nachempfunden... warum gibt es dann Türme?“, fragte Yukimura verwirrt. Masamune runzelte die Stirn. Diese Frage wäre ihm nie im Leben eingefallen. „Ich vermute mal, das hat etwas mit der europäischen Kriegskunst zu tun...“, meinte der Fürst. Yukimura zog eine Augenbraue hoch. „Ah, ich verstehe nicht so recht, was das soll, aber nun gut. Das ist schließlich ein europäisches Spiel...“ „Und? Möchtest du ein paar Runden mit mir spielen?“, fragte Masamune. „Ich kann es ja mal versuchen...“ „Gut. Ich geb dir einen Vorteil und nehme Weiß.“ Yukimura betrachtete kurz das Spielfeld und sah dann Masamune an. „Wo ist da der Vorteil, wir haben doch die gleiche Anzahl Figuren?“ Masamune grinste. „Die Europäer haben da ein Sprichwort: Weiß beginnt, Schwarz gewinnt.“ „Achso? Da bin ich ja gespannt, ob sich das bewahrheitet.“ „Das werden wir sehen. Es liegt eigentlich mehr daran, ob du gut zugehört hast.“, sagte Masamune mit einem Augenzwinkern. Yukimura errötete, während Masamune einen der Bauern vorschob. Dann sah er sich den Zug des Fürsten an. Da er das Spiel nicht kannte, war ihm auch nicht klar, wohin das alles führen würde und welchen Zug er jetzt machen sollte. „Du darfst als erstes nur die Bauern ziehen. Die anderen Figuren können sowieso erst nach den Bauern gesetzt werden, weil sie Freiraum brauchen. Mal abgesehen von den Pferden, die dürfen über die Bauern hinweg springen.“, erklärte der Fürst zusätzlich, als er Yukimura überlegen sah. Yukimura nahm einfach irgendeinen Bauer und schob ihn zwei Felder vor. Der Fürst setzte einen weiteren Bauern und so ging es immer weiter, bis Yukimura eine Figur nach der anderen verlor und der Fürst ihn Schachmatt setzte. „Was ist... Schachmatt?“, fragte Yukimura. „Schach ist das, was beim Go Atari heißt. Schachmatt ist allerdings der eindeutige Sieg. Ich habe deinen König geschlagen, denn das ist das Ziel beim Schach.“ „Hättet Ihr mir das nicht gleich sagen können?“ Masamune sah ihn eindringlich an. „Du bist ein General, ein Feldherr... Du solltest eigentlich wissen, dass die ranghöchste Person auf dem Schlachtfeld immer das Ziel des Gegners ist. Sowohl Go als auch Schach sind Kriegsspiele.“ „Spielen wir nochmal!“ Sie spielten eine weitere Runde, doch auch die verlor Yukimura. „Was habe ich jetzt falsch gemacht?“, maulte er. „Nichs weiter. Du bist ein Anfänger in diesem Spiel. Die Europäer sagten mir, dass das ganz normal ist. Mir ging das anfangs auch so. Es gibt allerdings bestimmte Spielzüge, die einem zum Sieg verhelfen. Zum Beispiel die Rochade, aber selbst ich habe diesen Zug noch nie gemacht. Ich weiß nur theoretisch wie man ihn macht.“, sagte Masamune. „Aber Ihr kennt diese speziellen Züge! Habt Ihr auch welche angewandt?“, fragte Yukimura mürrisch. „Das habe ich bestimmt... Ich merke mir nur nie, wie diese besonderen Züge heißen. Oder ich mache sie unbewusst. Eigentlich bin ich ein mittelmäßiger Schachspieler... Ich kann bedeutend besser Go spielen.“ „Lasst uns nochmal spielen.“, forderte Yukimura. „Wie du möchtest.“ Sie spielten eine weitere Runde, doch da der junge General diesmal sehr genau das Spielfeld beobachtete und sich jeden Zug zu überlegen schien, dauerte es deutlich länger als die beiden Spiele davor. Und trotzdem verlor er wieder. „Das darf doch nicht wahr sein! Ich kann doch nicht dreimal hintereinander verlieren!“, schimpfte Yukimura. Masamune konnte darüber nur lächeln. Der Jüngere war ja so niedlich, wenn er sich aufregte. „Das ist nicht lustig, Fürst. Das ärgert mich!“ „Das sollte es nicht, es ist nur ein Spiel.“, meinte Masamune ruhig. „Ich mag es aber nicht, zu verlieren!“ „Man kann nicht immer gewinnen.“ „Ach...“, knurrte Yukimura. „Auf einem Schlachtfeld, welches dein Gegner sehr gut kennt, dass du aber kaum kennst – wer wird da wohl gewinnen?“, fragte Masamune wissend. „Das ist ja ein toller Vergleich!“ Der Fürst seufzte. Yukimura wurde langsam ungehalten. Ein schlechter Verlierer also. „Jetzt beruhige dich wieder.“ „Nein, ich will mich aber nicht beruhigen! Spielen wir noch eine Runde?“ „So spiele ich nicht weiter mit dir. Du bist wütend, das ist keine gute Grundlage.“ „Nicht? Auf dem Schlachtfeld ist es das manchmal schon!“ „Auch da nicht! Und erst recht nicht für einen General!“ „Ach ja?“ „Ja... Das ist der einzige große Nachteil am Schachspiel. Es fördert zu sehr den Ehrgeiz, weil man nur gewinnen oder verlieren kann... Beim Go kann man wenigstens ehrenvoll aufgeben...“, seufzte Masamune. „Ich gebe ungern auf.“ „Und deshalb würdest du auch beim Go gegen mich verlieren...“ „Ihr seid ungerecht!“ Masamune sah ihn scharf an. „Bist du jetzt endlich still und beruhigst dich wieder?“ „Mir ist nicht sonderlich danach!“ Masamune knirschte mit den Zähnen, dann packte er Yukimura im Nacken und zog ihn an sich heran. Dann küsste er ihn. Doch diesmal war es kein einfacher Kuss, er war leidenschaftlicher als zuvor. „Jetzt sei still...“, sagte Masamune leise und ruhig. Yukimura sah ihn zunächst überrascht an, doch dann wollte er widersprechen, was Masamune sofort unterband. „Willst du, dass Kojuro dich rauswirft? Das würde er durchaus tun. Jetzt sei ruhig und hör auf dich aufzuregen, weil du nicht gewonnen hast. Du kennst das Spiel doch kaum, es ist völlig normal am Anfang immer wieder zu verlieren! Ich habe Spieler kennengelernt, die bereits monatelang spielen und trotzdem immer wieder mal verlieren. Das Spiel ist eben nicht leicht.“ „Es ärgert mich trotzdem... Weil Ihr gesagt habt, dass ich als ein General, soviel Verstand haben sollte, Eure Taktiken zu erkennen. Das habe ich aber nicht.“ Masamune schüttelte den Kopf. „Natürlich ist Schach ein Kriegspiel und es ist dem Krieg sehr ähnlich, aber nur weil du die Züge der einzelnen Figuren kennst, heißt es nicht, dass du auch gewinnst. Es gibt so viele lang vorbereitete Züge beim Schach, das kann ein Anfänger überhaupt nicht überblicken und schon gar nicht verstehen – egal ob General oder Bauer! Und Schach ist und bleibt ein Spiel!“ Yukimura blickte zu Boden. „Sind Eure Küsse dann auch nur ein Spiel?“, fragte er mit einem bitteren Unterton. „Wie bitte? Was hat das denn jetzt damit zu tun?“, fragte Masamune irritiert. „Ihr küsst mich einfach und ich weiß gar nicht woran ich dabei bin! Meister Katakura hat eine deutlich engere Bindung zu Euch als ich, glaubt nicht, dass ich blind wäre – was sonst als ein Spiel sollte das denn sein!?“, maulte Yukimura. Masamunes Blick verfinsterte sich. „Wenn du das glaubst... dann solltest du jetzt besser gehen...“, sagte er mit rauer tiefer Stimme. Yukimura erhob sich wortlos und ging zu den Shoji. „Aber wenn du jetzt losreitest und wegen einer Baumwurzel mitsamt dem Pferd stürzt und dir das Genick brichst... dann sei dir gewiss, dass ich trauern werde!“ Der junge General hielt inne. Hatte der Fürst das gerade wirklich gesagt? Hatte er das ernst gemeint? Er seufzte. „Glaubt Ihr wirklich, ich wäre so dumm, mitten in der Nacht nach Hause zu reiten?“, sagte er leise. „Dann bleib hier.“, meinte Masamune. „Ich bleibe. Aber nur bis morgen. Ich schlafe aber nebenan und Ihr versprecht mir, dass Ihr nicht heimlich trainiert!“ Masamune zog eine Augenbraue hoch. „Du glaubst nicht wirklich, dass ich das einhalte...“ Yukimura zog grimmig die Augenbrauen zusammen. „Das klappt nur, wenn du hierbleibst.“ Der Jüngere schüttelte den Kopf. „Ich hole Meister Katakura...“ „Oh... Ich glaube nicht, dass Katako gerne geweckt wird, nachdem er den ganzen Tag auf den Feldern war...“ „Ich war auch den ganzen Tag auf den Feldern und kann mich sogar noch mit Euch streiten.“, seufzte Yukimura, hielt an den Shoji dann aber doch inne und sah zurück zum Fürsten. Der klopfte sachte auf die Futondecke neben sich. „Oh nein, ich lege mich ganz bestimmt nicht zu Euch!“, entgegnete Yukimura auf diese Geste. „Wie schade...“, meinte Masamune lächelnd und sah sich um. „Aber... ich wüsste nicht, wo du sonst noch schlafen könntest, außer in dem Futon neben mir.“ Yukimura kam zurück und blieb genau vor dem Fürsten stehen. „Ich schlafe ja auch nicht, ich passe auf, dass Ihr Euch nicht heimlich zum trainieren in den Garten schleicht!“, bemerkte er bissig. „Ich schwöre, ich gehe nicht heimlich trainieren, solange du hier neben mir liegst.“, sagte Masamune lächelnd. Erneut lief Yukimura puterrot an, dann stürmte er aus dem Zimmer. Masamune sah ihm grinsend nach. Wie niedlich... Was für ein Angsthase... Yukimura hielt schwer atmend vor Kojuros Zimmer an und klopfte. Er hörte Kojuro von drinnen murren und nach einigen Sekunden öffnete Kojuro die Tür. Sein Anblick entlockte Yukimura gerade mal ein genervtes Seufzen, nachdem der Fürst ihn bereits so auf die Palme gebracht hatte. Kojuro hatte seinen Kimono nur notdürftig übergeworfen und zugebunden. „Was machst du denn hier? Du solltest doch auf den Fürsten aufpassen.“, sagte er. „Ich kann das nicht... Er... Ich will nach Hause, Meister Katakura...“ Kojuro runzelte die Stirn. „Geh in dein Zimmer...“, murmelte er und band sich seinen Kimono richtig zu. Gähnend ging er neben dem jungen General her und weiter zu Masamunes Zimmer. Ohne zu klopfen ging er hinein. Der Fürst musterte ihn. „Was habt Ihr mit Sanada gemacht?“, fragte er ohne Umschweife. „Ich habe ihn gebeten, zu bleiben.“, sagte Masamune. „Und wie habt Ihr das gemacht?“, hakte Kojuro nach. „Ich habe ihm versprochen, nicht heimlich trainieren zu gehen, wenn er sich neben mich legt. Immerhin hast du ja einen zweiten Futon neben meinen gelegt.“ Kojuro seufzte schwer. „Musstet Ihr den Jungen ärgern? Er ist völlig verstört.“ „Nun gut, das war nicht unbedingt meine Absicht... Aber sag du mir, wie ich ihn hätte zurückhalten sollen! Er wollte gehen! Mitten in der Nacht!“ Kojuro setzte sich seufzend neben den Fürsten auf den Futon. „Mein Fürst. Ihr hättet ihn vielleicht gehen lassen sollen. Er will nach Hause, das hat er mir eben gesagt.“ Masamune sah zu den Shoji die zum Garten führten. „Schade, ich hatte gehofft, er bleibt noch etwas...“ „Mein Fürst... Ernsthaft, was ist los?“ Masamune lächelte ihn an. „Es macht mir einach Spaß, ihn zu necken. Er reagiert immer so lustig.“ Kojuro lächelte ihn ebenfalls an. „Ja, das kann ich verstehen... Aber wir lassen ihn morgen nach Hause reiten. Fürst Takeda wird ihn schon vermissen.“ „Nagut.“ „Und Ihr schlaft jetzt endlich. Und wehe, ich höre auch nur ein Schwert im Garten sirren oder ein Knarren auf den Dielen!“, sagte Kojuro. Masamune seufzte. „Katako... Ich bin noch gar nicht müde.“ Kojuro seufzte. „Und nun?“ „Wann haben wir das letzte Mal allein miteinander geredet?“ „Das ist... schon eine Weile her...“, gab Kojuro zu. „Aber ich muss Euch enttäuschen... Dazu bin ich jetzt zu müde. Können wir uns nicht morgen zusammen setzen? Seid Ihr damit einverstanden?“ „Das werde ich wohl sein müssen, wenn ich morgen einen gut gelaunten Katako erleben möchte.“, sagte Masamune. „Danke, mein Fürst. Ihr solltet Euch trotzdem hinlegen, die Müdigkeit kommt von allein.“ „Versprochen, Katako. Ich gehe auch nicht heimlich trainieren.“ Kojuro stand auf und verließ das Zimmer. Masamune legte sich dann auch hin und schloss die Augen. Kojuro schlich sich leise den Gang hinunter zu seinem Zimmer und kroch dort müde unter seine Decke. Doch von Schlafen konnte kaum die Rede sein... Kapitel 6: Schlaflose Nacht --------------------------- Statt zu schlafen musste Kojuro auf einmal daran denken, wie es war, als er das erste Mal zum Fürstentum der Familie Date gekommen war. Das war jetzt schon sieben Jahre her. Damals war der junge Fürst gerade einmal dreizehn geworden. Und schon da hatte er die Augenklappe getragen. Kojuro war damals genau an dem Tag angekommen, als der jüngere Bruder des Fürsten beerdigt wurde. Kojuro hatte von der Ferne her zugesehen, wie die Flammen ihr Werk getan haben und auch wie danach die Diener die Asche in eine kleine Urne gefüllt haben. Der kleine Platz wurde danach wieder sauber gefegt und frischer feiner Sand auf den großen schwarzen Brandfleck gestreut. Während die Diener die Spuren des ersten Bestattungsrituals beseitigt hatten, wurde hinter dem Anwesen bereits das Begräbnis von einem buddhistischen Mönch gereinigt und geheiligt, während die fürstliche Familie Date zugesehen hatte. Als die Urne gebracht worden war, hörte Kojuro, der weiterhin warten musste, den Mönch singen. Es hatte beinahe eine halbe Ewigkeit gedauert, bis sich Fürst Date Terumune endlich zu ihm bemüht und ihn begrüßt hatte. Der jüngere Sohn des Fürsten war erst vorgestern gestorben, doch die Trauer hatte bereits tiefe Furchen in das Gesicht des Fürsten gegraben. Nach dem Fürsten war der ältere Sohn, Date Masamune, ins Zimmer getreten. Auf seinem Gesicht hatte Kojuro keine Zeichen von Trauer erkennen können – im Nachhinein betrachtet, hatte er auch keine von Genugtuung erkennen können. Der Fürst hatte sie einander vorgestellt. Als klar gewesen war, dass Katakura Kojuro ab sofort immer an Date Masamunes Seite sein würde, hatte der Junge ihn eine Weile lang angesehen. Kojuro hatte diesen abschätzenden und berechnenden Blick nie vergessen. Doch auch das darauffolgende, noch recht kindliche Lächeln würde er nie vergessen. Fürst Date Terumune hatte nach der Bekanntmachung der beiden den Raum verlassen, sodass sie sich miteinander unterhalten konnten. Kojuro erinnerte sich noch, wie er sein Beileid über den Tod Date Masamunes Bruders bekundet hatte und von diesem ein eher gleichgültiger Blick kam. Er war überrascht gewesen von Date Masamune zu hören, dass er selbst seinen Bruder getötet hatte, weil seine Mutter den Jüngeren als geeigneter für die Clanfolge hielt, da dieser noch beide Augen zur Verfügung hatte. Da selbst der Jüngere dies so sah und es seinen älteren Bruder spüren ließ, tötete Date Masamune ihn und so musste seine Mutter unweigerlich den einäugigen Sohn als Clanfolge akzeptieren. Kojuro wusste noch genau wie überrascht er über dieses frühzeitige strategische, berechnende und vorausschauende Denken dieses Kindes war. Da er schon bald mehr als Lehrer denn als Aufpasser fungierte, fragte er sich rasch, was er ihm noch beibringen sollte, wenn der Junge so berechnend vorgehen konnte. Kojuro lächelte in sich hinein. Wenn er so an damals dachte, konnte er nicht anders. Der junge Date war damals noch kleiner, aber schon so klug. Heute war er geradezu scharfsinnig und manchmal sogar ziemlich spitzfindig. Kojuro hatte mit angesehen, wie der junge Date langsam erwachsen wurde, während er ihm viele Dinge beigebracht hatte. Er musste daran denken, wie es dazu kam, dass Kojuro ihn gelehrt hatte, wie man mit den Schwertern umging und wie man diplomatisch handelte. Der junge Date Masamune hatte ihm eines Tages einmal auf die Frage nach seinem Shudo-Meister gesagt, dass er zwar einen habe, aber der sich so gut wie gar nicht um ihn kümmern würde, weil er nur Sake tränke. Allein das war der Grund, dass Kojuro sich damals sofort bereit erklärt hatte, einen Teil der Shudo-Lehre für diesen Trunkenbold zu übernehmen. Wieder lächelte Kojuro in sich hinein. Das war eine schöne Zeit gewesen, in der sie gemeinsam den Schwertkampf trainiert hatten und die Gepflogenheiten eines Samurai geübt hatten. In den ganzen Jahren hatte Kojuro ihn erwachsen werden sehen. Je älter der junge Date geworden war, desto charismatischer aber auch draufgängerischer war er geworden. Und umso anziehender, wie Kojuro im Nachhinein feststellen musste. Es war gerade mal zwei oder drei Jahre her, als ihm das das erste Mal aufgefallen war. Aber Kojuro musste sich zurück halten. Einige bestimmte Teile des Shudo waren dem Shudo-Meister einfach vorbehalten und da hatte sich Kojuro nie einmischen wollen – schließlich hatte Date Masamune ja einen Shudo-Meister. Der Vasall seufzte schwer. Ihm kam die Erinnerung an Fürst Date Masamunes Machtübernahme. Date Terumune hatte freiwillig den Rang des Daimyo an seinen Sohn abgegeben. Das zog rasch seine Kreise und somit die Entführung Date Terumunes nach sich. Der junge Fürst war den Entführern gefolgt und hatte sie an einem Fluss mit einer kleinen Streitmacht und Katakura Kojuro an seiner Seite eingeholt. Es war Date Terumune der ihm zurief, alle zu töten und dabei keine Rücksicht walten zu lassen. Sein Sohn war ein gehorsamer Sohn und er befolgte den letzten Befehl seines Vaters. Alle Entführer starben und auch der Leichnam seines Vaters wurde vom Fluss weggespült. Er mochte damals ausdruckslos und gleichgültig gegenüber dieser Situation gewirkt haben, aber Kojuro war der einzige, der es besser wusste. Denn Date Masamune ließ der Tod seines Vaters nicht so kalt, wie er es allen anderen gezeigt hatte. In der folgenden Nacht hatte er bei Kojuro geschlafen, dicht an ihn gedrängt. Kojuro spürte dieses Gefühl noch immer so wie vor zwei Jahren. Es hatte ihn alle Mühe gekostet, die er aufbringen konnte um sich zurückzuhalten. Wie gerne hätte er den Fürsten fest an sich gedrückt, doch mehr als ein beruhigendes Tätscheln durfte er sich nicht erlauben. Date Masamune hatte von diesen Gefühlen nichts wissen dürfen! Ein schweres Seufzen entwischte Kojuro. Er mochte den Fürsten. Sehr sogar – um nicht zu sagen: er liebte ihn. Die Gefühle von damals drängten an die Oberfläche. Kojuro hatte sie so lange erfolgreich verdrängt, dass er fast vergessen hatte, was genau ihn so sehr an den Fürsten band. Er mochte es, ihn immer ein wenig zu ärgern. Genauso, wie der Fürst es mochte, den jungen Yukimura zu necken. Und er mochte es noch viel mehr, wenn der Fürst wie vorhin einfach nur Zeit mit ihm allein verbringen wollte. Seit zwei Jahren versteckte Kojuro erfolgreiche seine wahren Gefühle. Und dann kam der Kampf gegen Oda Nobunaga und der junge General. Sanada Yukimura Genjiro hatte ihn plötzlich wieder daran erinnert, was Kojuro wirklich für den Fürsten empfand – was ihn mit dem Fürsten verband. Seine Ergebenheit und Treue für den Fürsten beruhten, wenn er es genau bedachte, fast nur auf seine Gefühle für ihn: Respekt und … Liebe … Kojuro hatte nur wenig geschlafen und dazu nicht einmal sonderlich gut. Ständig hatte er sich von einer Seite zur anderen gedreht und immer wieder hatte er im Traum das Gesicht des Fürsten vor sich gesehen. Müde stand er nun auf. Die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen, aber die Morgendämmerung hatte bereits eingesetzt und sein Zimmer war in ein dunkles Blau gehüllt, in dem er es einigermaßen erkennen konnte. Er zog sich in aller Ruhe an und ging dann hinaus. Als erstes warf er einen Blick das Zimmer des Generals. Yukimura schlief noch. Dann ging er weiter zum Zimmer des Fürsten. Auch er schlief noch, doch Kojuro ging leise hinein und setzte sich auf den leeren Futon neben ihn. Was habt Ihr nur mit mir gemacht...? Seit ihr erwachsen seid, habt Ihr mich mehr und mehr in Euren Bann gezogen... Er strich dem Jüngeren die Haare aus dem Gesicht. Es folgte zwar ein wohliges Murren, doch der Fürst wachte noch nicht auf. Kojuro zog die Hand zurück um ihn nicht doch noch zu wecken. Dazu war der Moment zu kostbar. Ich wünschte, ich hätte Euer Shudo-Meister sein dürfen. Etwas wehmütig stand er wieder auf und verließ das Zimmer. Er wollte bald Michiko wecken – wenn sie nicht schon wach war – und sie um das Frühstück bitten. Draußen stieß er plötzlich mit Yukimura zusammen. „Sanada? So früh schon wach?“, fragte er. „Ja...“, murrte der junge General. „Dann wird es wohl Zeit, dass wir alle wach werden und frühstücken können.“, sagte Kojuro. Yukimura nickte und Kojuro ging, um Michiko zu wecken. Oder wohl eher, um sie nach dem Frühstück zu fragen, denn wach war sie wohl bestimmt schon. Kapitel 7: Die Sache mit dem Shudo-Meister ------------------------------------------ Kaum war das Frühstück gegessen, stand Yukimura auf und ging um sein Pferd zu satteln und seine Sachen zu holen. Als er alles bei sich hatte und auf dem Hof stand, kamen auch der Fürst und Meister Katakura dazu. Mit einem Kopfnicken verabschiedete sich Yukimura, stieg auf das Pferd und ritt vom Hof. „Da reitet er...“, meinte Masamune. Kojuro brummte als Zustimmung. Masamune sah dem General noch einen Moment nach, bis er außer Sichtweite war und schaute dann zu Kojuro. „Du hast mir gestern Abend etwas versprochen, Katako.“, sagte der Fürst nur. „Stimmt, das habe ich. Kommt, gehen wir etwas spazieren. Das haben wir seit der Sache mit Oda schon nicht mehr gemacht.“ Masamune grinste. „Allerdings.“ Zusammen verließen sie das Anwesen und gingen eine Weile schweigsam einen fast vergessenen Pfad entlang. Unter Bäumen hindurch gingen sie zu einem Hügel hinauf, auf dem sie das letzte Mal mit der Armee Rast gemacht hatten und auf dessen Kuppe ein Kirschbaum stand. Es waren aber nur noch wenige Blüten an den Zweigen. Masamune setzte sich an den Fuß des Baumes und Kojuro ließ sich neben ihm nieder. „Schade, die Kirschblüte ist schon vorbei.“, sagte Masamune und sah in die Baumkrone hinauf. „Die Kirschblüte habt ihr schon immer gemocht.“, meinte Kojuro und sah ebenfalls hinauf. Der Fürst schaute sofort zu ihm. „Das hast du dir gemerkt?“ „Natürlich...“ Masamune lächelte. Kojuro hingegen musste sofort an seine schlaflos verstrichene Nacht denken und daran, dass er nicht der Shudo-Meister des Fürsten gewesen sein konnte. Und dann musste er an Yukimura denken. „Sagt mal...“ „Ja?“ „Meint Ihr, Sanada hat einen Shudo-Meister?“, fragte Kojuro. „Shu-? … Ach das... Ja, ich denke schon...“ Kojuro runzelte die Stirn. Der Fürst wollte doch nicht wirklich gerade fragen, was Shudo war? Nein, da hatte er sich wohl verhört. „Ich weiß nicht...“, meinte er. „Dann ist es aber nicht Fürst Takeda.“ „Wer sonst? Hast du die beiden mal zusammen erlebt?“ „Einmal... Deswegen glaube ich nicht, dass Fürst Takeda Sanadas Shudo-Meister ist. Und wenn doch... Dann hat Fürst Takeda entweder zu viel versäumt oder Sanada ist resistent dagegen, sich belehren zu lassen.“, überlegte Kojuro. Masamune zog die Stirn in Falten und sah seinen Vasall fragend an. „Ich glaube kaum, dass Fürst Takeda den Jungen nichts über Diplomatie gelehrt hat.“, erklärte Kojuro. „Das würde Takeda doch als Erstes tun... denke ich.“, meinte Masamune. „Naja, nun nicht unbedingt als Erstes. Zuerst lernt man die Gepflogenheiten der Samurai und dann kommt die Diplomatie. Aber weil Sanada so gut wie nichts von Diplomatie weiß, glaube ich fast, dass er keinen Shudo-Meister hat... Oder, wenn er einen hat, dann keinen Samurai.“ „Warum machst du dir eigentlich darüber solche Gedanken?“, fragte Masamune. „Ich... Ich musste gestern Abend an unsere erste Begegnung denken. Erinnert Ihr Euch? Ich hatte Euch nach einer Weile mal gefragt, ob Ihr einen Shudo-Meister habt... Natürlich hattet Ihr den schon... Aber deshalb musste ich gerade an Yukimura denken...“, erklärte Kojuro. Masamune bedachte ihn für einen Moment mit einem nachdenklichen Blick. Oh wenn du wüsstest, Katako... „Schade... wisst Ihr, eigentlich wäre ich sehr gerne Euer Shudo-Meister gewesen.“ Der Fürst räusperte sich. „Katako... in gewisser Weise warst du das auch...“ Kojuro lächelte. „Ja, das mag wohl stimmen... Wo Euer Shudo-Meister ja ständig betrunken war.“ Masamune nickte nur. „Ich glaube, ich habe ihn nie kennengelernt... Wie geht es ihm denn jetzt?“, fragte Kojuro nach ein paar Minuten der Schweigsamkeit. Masamune seufzte. „Ich glaube, es ist Zeit, dir etwas zu sagen...“ „Was denn sagen?“, fragte Kojuro und sah den Fürsten an. „Ich... hab dich damals angelogen.“ „Wie... angelogen?“ Masamune sah ihn ernst an. „Der saufende Shudo-Meister war gelogen... Ich hatte nie einen Shudo-Meister...“ Kojuro sah ihn wie versteinert an. „Keinen... Shudo-Meister...“ Masamune schüttelte den Kopf. „Aber warum habt Ihr mich denn nie gefragt? Ich wäre liebend gern Euer Shudo-Meister gewesen!“ „Na... eigentlich warst du das ja auch...“ Kojuro seufzte schwer. Wenn das so war... dann fehlte dem Fürsten ja ein Teil der Ausbildung. „Mein Fürst... dann ist Eure Shudo-Ausbildung aber noch nicht abgeschlossen... Da ich davon ausgegangen bin, dass Ihr einen Meister habt, habe ich einen Teil geflissentlich ausgelassen.“ Wieder runzelte Masamune die Stirn. Mit dem Thema Shudo hatte er sich nie so recht auseinandergesetzt und er konnte sich zudem schon nicht mehr daran erinnern, welche anderen Aspekte außer den Samurai-Gepflogenheiten und Kampftraining noch die Shudo-Lehre ausmachten. „Welchen Teil?“ Kojuro schluckte. „Nun ja...“ Masamune sah ihn wartend an. „Wie soll ich das erklären?“, meinte Kojuro. „So schwer kann das doch nicht sein... Du kannst es mir auch zeigen, wenn das leichter ist.“, sagte Masamune lächelnd. Kojuro jedoch lächelte nicht, sondern lief rot an. Etwas seltenes offenbar, denn Masamune legte den Kopf schief und sah ihn fragend an. „Das... geht nicht...“, stammelte Kojuro. Masamunes Blick wurde plötzlich wieder ernst, als er zu verstehen schien. „Oh... Ich glaube, ich weiß, was du meinst...“ Jetzt war es Kojuro, der ihn fragend ansah. „Wie?“ „Nun ja... Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Genau genommen habe ich nämlich wegen dem Shudo nicht nur dich angelogen... Ich habe auch meinen Vater angelogen.“ „Ihr habt was?“ „Dir habe ich gesagt, ich hätte einen Shudo-Meister. Ihm habe ich das zwar auch gesagt, aber...“ „Aber? Was genau habt Ihr Eurem Vater gesagt?“, hakte Kojuro nach. „Dass du mein Shudo-Meister bist...“, gab Masamune kleinlaut zu. Kojuro ließ ein fast schon genervtes Seufzen hören und fuhr sich dann mit der Hand durch die Haare. „Jetzt bin ich völlig verwirrt... Was zum Henker wolltet Ihr damit bezwecken?“ Masamune legte seufzend mit geschlossenen Augen den Kopf in den Nacken, dann sah er wieder zu Kojuro. Jedoch mit ernster Miene. „Du weißt, wie unangenehm mir das gerade ist, Katako? Ich hoffe es jedenfalls für dich!“ „Unangenehm? Was sollte Euch denn daran unangenehm sein? Ich verstehe nicht so recht, was Ihr mir sagen wollt... Um ehrlich zu sein, verstehe das alles gerade überhaupt nicht!“ „Kojuro... Ich habe diese Lügen damals nur aus einem Grund aufgetischt. Mein Vater hat mir mal von seinem Shudo-Meister erzählt und-“, erklärte Masamune, hielt dann aber inne. „Und? Nun lasst Euch nicht alles aus der Nase ziehen!“ Masamune betrachtete ihn einen Moment. Kojuro wurde langsam ungehalten und seine Miene zeigte das langsam auch immer deutlicher. Masamune hatte noch nie jemanden von seinen Kindheitslügen um das Thema Shudo erzählt. Es war ihm einfach immer zu peinlich gewesen und dank Kojuros Einsatz hatte auch nie jemand danach gefragt. Einer der Gründe, weshalb er das ganze schon fast vergessen hatte. „Katako... Ich habe deshalb gelogen, weil ich Angst hatte. All die Kampfübungen und die Benimmregeln waren mir egal, das hab ich gerne gemacht, aber... das ist ja nun mal nicht alles.“ Jetzt verstand Kojuro allmählich, warum der Fürst damals seinem Vater und ihm diese Lügen aufgetischt hatte. Shudo war nicht nur einfach die Ausbildung junger Männer in den Kampftechniken der Samurai und in deren Gepflogenheiten und Benimmregeln. Nein, Shudo hieß nicht grundlos die Lehre der Jungen. Shudo begann man bereits im Alter von dreizehn Jahren und Kojuro verstand auch langsam, was dem Fürsten damals in genau diesem Alter Angst gemacht haben könnte. Es war eben nicht nur Kampf und Benimm – seit etwa fünfhundert Jahren gehörte auch eine ganz andere Kunst zur Lehre der Jungen: die Liebeskunst! Vor ungefähr dreihundert Jahren wurde das sogar einmal schriftlich erwähnt und Kojuro hatte gehört, dass es auch seitdem bei jeder Shudo-Ausbildung dazugehörte. Und das ein junger dreinzehnjähriger Date Masamune genau davor Angst hatte, dass ein fremder Mensch, noch dazu ein älterer Mann als der Junge selbst – ihn in der Liebeskunst unterwies, dann konnte Kojuro dass vollkommen verstehen. Sein eigener Shudo-Meister hatte diesen Teil hauptsächlich ans Ende der Ausbildung gelegt, wobei durchaus ein paar Aspekte schon früher aufgetaucht waren, wenn er sich recht daran erinnerte. Kojuros Hand wanderte wie automatisch zu Masamunes Gesicht und schob ein paar Strähnen hinter das fürstliche Ohr. Masamune schaute ihn verwirrt an. „Katako?“ „Wie schon gesagt, Eure Shudo-Ausbildung ist eigentlich noch gar nicht abgeschlossen...“ „Ist sie wohl nicht... Und nun?“ „Lassen wir es langsam angehen.“, antwortete Kojuro. „Was verstehst du unter langsam?“, fragte Masamune. Kojuro lächelte. „Das werdet Ihr dann schon merken, mein Fürst.“ Immerhin... jetzt kann ich mir damit auch Zeit lassen. Genau genommen ist seine Shudo-Lehre eigentlich schon vorbei, aber das ist egal. Es weiß ja keiner. Und außerdem war dieser Teil nach Kojuros Meinung nicht so wichtig, das konnte man auch später noch lernen – dazu brauchte man nicht mal einen Shudo-Meister. Jetzt war es außerdem erst einmal wichtiger, dass die Wunde des Fürsten vollständig ausheilte. Vermutlich würde auch ein Aufbautraining nötig werden, wenn er zu lange nicht trainieren konnte. Und dabei wollte Kojuro nicht auch noch mit der Shudo-Lehre weitermachen, das Training würde den Fürsten die ersten Tage voll beanspruchen, da würde das nur wenig Sinn machen. Schon gar nicht, wenn der Fürst sich über seine anfänglichen Misserfolge ärgern würde, die mit Sicherheit auftreten würden. Durch das bisher fehlende Training würde genau das passieren und Kojuro kannte den jungen Mann neben sich einfach zu gut. „Das werde ich dann schon merken...“, äffte Masamune ihn nach. „Du bist ja sehr zuvorkommend, Katako!“ Kojuro musste über diese Reaktion herzhaft lachen. „Oh mein Fürst... Ich werde bestimmt nicht über Euch herfallen!“, lachte er. Masamune hingegen sah ihn weiter ernst an, anstatt in das Lachen einzustimmen, wie Kojuro gehofft hatte. „Wehe, du wagst dir das... Dann weiß ich nicht, was ich tun werde!“ Kojuros Miene wurde nun auch wieder ernst. „Das würde ich nie im Leben tun! In keinem Leben, in dem wir uns je wieder begegnen werden. Das verspreche ich Euch, mein Fürst.“, sagte er leise. Masamune schluckte. Eine bessere Erklärung für Kojuros treue Ergebenheit ihm gegenüber konnte er nicht bekommen... Kapitel 8: Die Schlange im Haus... ---------------------------------- Yukimura war im Eiltempo nach Hause nach Kai geritten. Normalerweise dauerte die Reise drei Tage, da er aber sein Pferd zu Höchstleistungen angespornt hatte und die Pausen auf kurze Nächte auf kleinen Bauernhöfen verlegt hatte, hatte er es in der Hälfte der Zeit geschafft. Erstaunlicherweise war nicht nur sein Pferd schweißnass, als er die Tore von Fürst Takedas Anwesen erreichte, sondern auch er selbst musste fürchterlich aussehen. Er fühlte sich auch selbst nicht sonderlich wohl. Kein Wunder also, dass Sasuke Sarutobi, der Ninja des Fürsten und sein guter Freund, ihn zum Empfang streng musterte. „Um Himmels Willen, Sanada, wie seht Ihr aus?“ „Warum? Sehe ich denn so schlimm aus?“, fragte Yukimura müde. „Naja... Ihr seht aus, als hättet Ihr einen Baum umarmt mit den Blättern in den Haaren. Dazu noch genauso verschwitzt wie Euer Pferd... Ich hole den Stalljungen. Wartet hier.“, sagte Sasuke und verschwand. Yukimura nickte und stieg vom Sattel, als er merkte, dass der Ninja schon längst weg war. Er zog sich die Blätter aus den Haaren und ließ sie auf den Boden segeln. Dann sah er sein Pferd genau an. Der Hengst musste dringend das Fell geschrubbt bekommen, sonst konnte es gefährlich für das Tier werden. Yukimura sah sich hastig um und als er an einem der Büsche einen Haufen Heu fand, dankte er insgeheim der Nachlässigkeit der Gärtner. Er nahm dem Pferd eilig den Sattel und das Zaumzeug ab und holte sich dann ein paar handvoll Heu. Damit begann er das feuchtwarme Fell Stück für Stück trocken zu reiben. Als Sasuke endlich zurückkam, hatte er fast das halbe Pferd trocken gerieben. „Fürst Takeda erwartet Euch übrigens schon... Ito kümmert sich um ihn. Geht und macht Euch frisch, Ihr siehst schrecklich aus.“, sagte Sasuke, deutete dem Stalljungen, sich des Pferdes anzunehmen und sah dann Yukimura an. „Was will Seine Herrlichkeit denn? Muss ich mich sehr beeilen?“ „Ich hab schon alles für Euch vorbereitet. Was er will, kann ich Euch nicht sagen, aber ich glaube, er möchte Euch erstmal nur begrüßen.“ Yukimura nickte und folgte Sasuke ins Haus, nachdem er Ito die Zügel übergeben hatte. Sasuke brachte ihn über die Innengänge zu seinem Zimmer, wo er sich wieder von ihm verabschiedete. Yukimura ging hinein und zog sofort seine Stiefel aus, legte die Waffe in ihre Halterung an der Wand und sah sich um. Auf seinem Bett lag sein blauer Yukata. Blau war nicht unbedingt seine Lieblingsfarbe aber nun gut – kein Yukata würde jemals rot gefärbt werden. Er nahm den Kimono und ging in sein eigenes, abgegrenztes Bad, wo dank der Dienerschaft und Sasuke bereits warmes Wasser in dem Badebottich war. Er schälte sich aus seiner Rüstung und den Sachen darunter und stieg in den Bottich. Ein Seufzen entrang sich seiner Kehle. Wie gerne würde er jetzt so lange hier baden, bis das Wasser kalt war. Aber der Fürst wollte ihn sehen und es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zu beeilen. Also wusch er sich rasch Staub und Schweiß von Haut und Haaren und kletterte mühsam wieder aus dem Holzbottich. Er trocknete sich eilig ab, zog den Yukata an und richtete sich die nassen Haare. Dann ging er zu Takedas Empfangszimmer, wo er höflich anklopfte und auf das Räuspern wartete, dass ihm erlaubte, herein zu kommen. „Yukimura!“, tönte ihm Takedas tiefe Stimme entgegen. „Eure Herrlichkeit!“, entgegnete Yukimura und hörte selbst, wie müde er klang. „Wo bleibt dein Elan? Nun gut, Sasuke sagte mir schon, dass du müde sein musst.“ Yukimura nickte. „Nun? Sag, wie geht es dem Drachen von Oshu?“, fragte Takeda. „Er erholt sich.“, sagte Yukimura. „Das ist gut. Aber was hat dich solange bei Date aufgehalten?“ „Meister Katakura hielt es für besser, auf ihn aufzupassen und es war ihm wohl das liebste, dass er sich dabei mit mir abwechseln konnte.“, erklärte Yukimura. „Du hast also Leibwache gespielt! Das ist ja herrlich!“, lachte Takeda dröhnend. Yukimura brachte ein Lächeln zustande. Ja, wenn man es genau nahm, dann hatte er in der Tat ein klein wenig den Leibwächter gespielt. „Du siehst wirklich todmüde aus! Du solltest dich besser ausruhen. Geh, iss etwas und dann gehst du schlafen. Ich freue mich, dass mein General wohlbehalten wieder zu Hause angekommen ist.“ „Danke mein Fürst, ich freue mich auch.“, sagte Yukimura und neigte den Kopf, bevor er ging. Draußen warf er einen Blick in den Garten und in den Himmel. Es war düster und windig geworden. Es würde diese Nacht wohl heftig regnen. Er ging zu seinem Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite und ließ sich dort auf seinen Futon sinken. Yukimura war so müde, dass er sofort einschlief. Dass Chikako ihm etwas zu Essen hinstellte bemerkte er überhaupt nicht mehr... ...Diese weichen Haare, teils noch von der Nässe aneinander klebend. Die zarte junge Haut, die trotz einiger Schlachten noch keine Narbe zierte. Eigentlich passte dieser Yukata überhaupt nicht zu ihm. Die rote Rüstung war für ihn perfekt. Das rot machte ihn noch anziehender. Der Baumwollkimono war verrutscht und gab den Blick auf das Schlüsselbein frei. Ein sinnlicher Anblick. Doch es war zu sehen, dass er fror. Die Decke musste her... Es donnerte mit einem ohrenbetäubenden Knall, der Yukimura schlagartig in eine aufrechte Position brachte. Fast im selben Moment blitzte es. Yukimura sah sich erschrocken und heftig atmend um. Die Decke war ihm von den Schultern in den Schoß gerutscht. Moment... die Decke? Er konnte er sich überhaupt nicht daran erinnern, sich zugedeckt zu haben. Es donnerte erneut und als Yukimura zu den Shoji sah, blitzte es. Erschrocken holte er Luft. Hatte er gerade wirklich einen hockenden Schatten vor den Shoji gesehen? Es blitzte und donnerte gleichzeitig, doch er konnte keinen Schatten mehr sehen. Er blinzelte, rieb sich die Augen und legte sich wieder hin. Entweder war es eine Täuschung oder da war wirklich jemand gewesen. Aber wenn da jemand gewesen war... wer war es? Yukimura seufzte. Er hatte sich wohl eher getäuscht, denn wer hätte denn ungesehen auf Takedas Anwesen kommen können. Und am wichtigsten: Wer hätte denn einen Grund, sich zu seinem Zimmer zu schleichen? Er war doch nur Takedas junger General. Takeda selbst wäre doch für solch eine Aktion ein viel lohnenderes Ziel gewesen. Es musste eine Täuschung gewesen sein. Er hatte auch keine Lust, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. Er war zu müde und er schlief, trotz des heftigen Gewitters, ziemlich schnell wieder ein. Als er am Morgen aufwachte fühlte er sich immer noch wie gerädert. Da nützte auch der frische Wind von draußen nichts, der eine herrliche feuchte aber angenehme Luft ins Zimmer blies. Yukimura interessiert es nur am Rande, denn er spürte Muskeln, von denen er noch nie etwas geahnt hatte. Und das obwohl er noch nicht einmal zwanzig war. Was hätte wohl Kojuro gesagt? Der hatte schließlich einen vier Tage dauernden Ritt problemlos überstanden. Oder, wenn das nicht so war, dann hatte er seine Beschwerden jedenfalls verflucht gut verborgen. Aber wenn Yukimura ehrlich sein sollte, dann war der viertägige Ritt ja auch kein Gewaltmarsch gewesen. Es hatte ihn zwar angestrengt, aber ihm keinen Muskelkater beschert. Mühsam stand er auf und zog einen einfachen Kimono an, der aber schon aus Seide gemacht war. Allerdings trug er diesen eher selten. Seine Rüstung war ihm einfach lieber. Schon allein, weil er sie bequemer fand und sich wohler darin fühlte. Nachdem er alle Stoffbahnen endlich faltenfrei gelegt bekommen hatte und der Kimono saß, ging er hinüber zum Frühstück mit dem Fürsten. Der imposante Mann saß bereits an der Stirnseite des Zimmers und wartete auf ihn. Sogar Sasuke war da und saß auf der offenen Terrasse. Draußen tropfte es noch von Zweigen und Blättern und die Sonne ließ die Regentropfen glänzen und glitzern, wie kleine Glasperlen. „Guten Morgen. Du siehst ja immer noch so müde aus.“ „Ich glaube, dass bin ich auch... Ich bin irgendwann nachts aufgewacht.“ Fürst Takeda nickte verstehend, immerhin war ein ordentliches Unwetter über Kai hinweggezogen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Dieses Unwetter hatte ihm auch einen Ninja beschert, der aus dem Nachbarreich kam. Und das auch noch mit unangenehmen Nachrichen. „Sag mal Yukimura... Ich habe da Dinge zu hören bekommen, die mir gar nicht gefallen...“, deutete er an. Yukimura runzelte die Stirn. „Was für Dinge, Eure Herrlichkeit?“ Fürst Takeda ließ seine Reisschale sinken und sah seinen General ernst an. „Fürst Shibata hat seinen Ninja geschickt. Er selbst ist auf der Reise hierher um unangenehme Dinge zu besprechen, die dich betreffen.“ „In diesem Unwetter hat er seinen Ninja geschickt?“, fragte Yukimura und dann kam die Verwirrung. Was will Fürst Shibata denn Unangenehmes über mich... Oh nein... „Die mich betreffen?“, fragte er dann und wusste schon, dass es nur um ihn und Date gehen konnte und die Situation die Shibata beobachtet hatte. „Ja, dich betreffend... Und Date. Du kannst mich ja vorbereiten, damit ich dann nicht gleich aus allen Wolken falle, wenn Shibata es mir sagt.“, sagte Fürst Takeda grimmig. „Worauf denn vorbereiten? Ich weiß nicht, was Fürst Shibata Euch sagen will.“ „Yukimura, jetzt stell dich nicht so dumm an!“, fauchte Fürst Takeda. „Aber... Eure Herrlichkeit, da gibt es nichts, was ich Euch sagen kann. Was ich Euch sagen sollte!“ „Nun gut, wenn du das sagst... Wir werden sehen, was Shibata zu sagen hat. Noch weiß ich gar nichts, Yukimura.“ Der junge General senkte den Kopf und nickte. Was hat sich Fürst Shibata nur einfallen lassen? Da war doch nichts gewesen, was irgendwie unpassend war... Oder war es nur das, dass Fürst Date mir ein paar Haare aus den Wimpern gestrichen hat? Wie will er dem Fürsten das denn auftischen? „Yukimura?! Hörst du mir überhaupt zu? „Was? Entschuldigt bitte... Ich war in Gedanken.“ „Hör auf, an diesen Drachen zu denken!“, knurrte Fürst Takeda. „Was? Wieso Drache? Ich hab nicht an ihn gedacht.“ „Wie auch immer... Ich sagte, du siehst immer noch müde aus. Vielleicht solltest du dich heute ausruhen und abwarten, was Shibata ausplaudern will.“ Yukimura nickte erneut und nachdem sie gegessen hatten, verzog er sich in den hinteren Garten. Er wollte versuchen zu meditieren, eine Kunst die er immer noch nicht beherrschte. Demzufolge gelang es ihm auch nicht. Fürst Shibata erreichte mit ein paar wenigen Soldaten am Nachmittag die Burg des Tigers von Kai. Seine Männer mussten allerdings draußen bleiben, er selbst wurde zu Takedas Empfangszimmer gebracht. Yukimura bekam davon nichts mit, da er schon wieder im hinteren Garten saß und weiter versuchte zu meditieren, was auch diesmal nicht gelang. Shibata setzte sich Takeda gegenüber und nach einer knappen standesgemäßen Begrüßung, die sich in einem leichten Nicken äußerte, begann Shibata mit den üblichen leeren Floskeln. „Kommt zum Punkt, Shibata!“, forderte Takeda, der keine Lust mehr auf leere Phrasen hatte. „Wie Ihr wollt. Ich bedaure zutiefst, aber ich glaube, dass Eure Verbindung mit dem Drachen von Oshu keine gute Idee war.“, sagte Shibata endlich. „Wie darf ich das verstehen?“, fragte Takeda unverbindlich. „Nun... Ich glaube kaum, dass es eurer Verbindung zuträglich ist, wenn Fürst Date Euren General verführt...“, meinte Shibata und sah Takeda beschwörend an. Takeda sah ihn stirnrunzelnd an und schien zu überlegen. Doch er sah Fürst Shibata lange genug an, um zu sehen, wie es in dessen Augen funkelte. Was hat er vor? „Das hat doch noch nichts zu bedeuten.“ Shibata nickte lächelnd. „Oh, da habt Ihr wohl Recht... Jedenfalls solange Euer General Sanada nicht darauf eingeht. Allerdings... befürchte ich, dass ich Euch da keine Hoffnungen machen kann. Euer General schien mir keine Anstalten zu machen, sich gegen Dates Annäherungen zu wehren...“ „Ich glaube, Fürst Shibata, ich habe genug gehört! Ihr könnt gehen, ich entscheide selbst, was zu tun ist!“, raunte Takeda, bemüht ruhig. „Wie Ihr meint, Fürst Takeda.“, nickte Shibata und erhob sich. Takeda wartete, bis Sasuke da war um Fürst Shibata hinaus zu bringen. Der feindliche Fürst war gerade mit Sasuke an den Shoji angekommen, als Takeda auch schon verschwunden war. „Yukimura!“, brüllte er wütend. Der zweite Versuch, zu meditieren, war somit auch auf ganzer Linie gescheitert. Er hatte einfach keine Ruhe finden können. Und jetzt kam auch noch ein vor Wut tobender Fürst Takeda auf ihn zu. Er konnte gerade noch aufstehen, als ihm auch schon Takedas riesige Faust ins Gesicht flog, ihn gegen die Gartenmauer schleuderte und den sauber geharkten Zengarten damit verunstaltete. „Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?!“, brüllte Takeda ihn an. Yukimura rappelte sich wieder halbwegs auf und rieb sich die pochende Stelle am Hinterkopf, wo er auf die Mauer geprallt war. „Wobei...?“, fragte er knirschend. Takeda war ihm sofort gefolgt und zerrte ihn jetzt auf die Beine. „Was hast du dir nur dabei gedacht, dich mit Date einzulassen?! Wir mögen momentan Verbündete sein, aber das bedeutet nicht automatisch, dass wir beste Freunde sind! Und schon gar nicht, dass sich mein General von einem verbündeten Fürsten verführen lässt!“ „Aber... Warum denn verführt? Es ist doch nichts passiert...“, keuchte Yukimura. „Ach ja? Shibata sagte, du hättest keine Anstalten gemacht, dich Dates Annäherungen zu widersetzen!“, fauchte Fürst Takeda. „Annäherungen?“, hakte Yukimura kopfschüttelnd nach. „Es gab überhaupt keine Annäherungen.“ Das stimmt vielleicht nicht ganz, aber was auch immer Fürst Shibata ihm aufgetischt hat, ist nicht wahr! Der Fürst atmete mehrmals tief durch. „Das werden wir noch sehen. Dazu gehören immer noch zwei und ich werde Date nicht einfach so davonkommen lassen!“ Yukimura atmete seufzend durch. Hoffentlich war Fürst Date nicht zu ehrlich. „Ach Yukimura...!“, knurrte Fürst Takeda nach einer Weile. „Was machst du nur?“, fügte er seufzend hinzu. „Warum ich?“ Sein Fürst bedachte ihn mit einem strengen Blick, der dann doch langsam weicher wurde. „Weißt du... Eigentlich ginge deine Shudo-Ausbildung noch ein wenig länger, aber unter diesen Umständen... Sasuke wird den letzten Teil übernehmen, sofort.“ Yukimura runzelte die Stirn. Sasuke sollte seine Shudo-Ausbildung abschließen? Aber Fürst Takeda war doch sein Meister. „Warum Sasuke?“ „Sasuke ist nur wenige Jahre älter als du, das ist besser. Mit unserem Altersunterschied will ich dir das nicht antun. Sei froh drüber, so mancher Shudo-Meister – egal wie alt – würde darauf bestehen. Und um ehrlich zu sein... meine Verletzung ist noch nicht ausgeheilt, ich bezweifle also, dass das so gut für mich ist.“, erklärte der Fürst und auf seinem Gesicht zeigte sich endlich wieder das väterlich-verschmitzte Lächeln. Yukimura nickte. Eigentlich konnte ihm das nur Recht sein, denn er hatte es sich seit Beginn seiner Ausbildung noch nie vorstellen können, dass Fürst Takeda ihn eines Tages in den Liebeskünsten unterweisen sollte. „Dann also Sasuke.“, meinte er. „Genau...“, murmelte Takeda und ging zur Terrasse zurück. „Ich werde mal sehen, wann ich zu Date aufbrechen werde. Sofort ist das jedenfalls nicht möglich, aber das wird auch nicht nötig sein.“ Yukimura schwieg darauf. Stattdessen atmete er mit einer Mischung aus Erleichterung und Sorge aus. Dann krabbelte er auf die Mauer hinauf um vielleicht dort oben, mit dem Blick auf die nördlichen Berge, zur Ruhe zu kommen und vielleicht doch endlich noch zu meditieren. Doch wieder wurde nichts aus dem Vorhaben zu meditieren. Vom hinteren Tor her hörte er eine biestig-freundliche Stimme und dann wie das Tor geschlossen wurde. Dann sah er den Fürsten Shibata und ein paar wenige Gefolgsleute auf den Waldeingang zugehen. Yukimura richtete sich leise auf, wobei er ein Ziehen im Rücken spürte und sprang lautlos von der Mauer herunter. Eilig schlich er hinter die Büsche und näher an die Männer heran. Er sah, wie sie eine Sänfte aus den Büschen auf der anderen Seite holten. „Dann kann die Reise ja weitergehen. Takeda wird mit seinem aufmüpfigen Schoßhündchen jetzt ein bisschen zu tun haben.“, hörte Yukimura Fürst Shibata sagen. Es juckte den jungen General in den Fingern, diese falsche Schlange zu erwürgen, für das, was er gerade gesagt und getan hatte, aber es gelang ihm, sich zurückzuhalten. Er sah dem Fürsten nach, wie er mit der Sänfte in die Wälder getragen wurde. Wo will er denn hin? Sein Fürstentum liegt doch westlich von hier... Nachdem Fürst Shibata und seine Männer außer Sicht- und Hörweite waren, ging Yukimura zurück zur Burg. Sasuke stand am Tor und schien ihn zu suchen. Als er ihn sah wirkte Sasuke ungeduldig. Er zupfte Yukimura ein Blatt aus den Haaren, als dieser vor ihm stand und sah ihn stirnrunzelnd an. „Wo wart Ihr?“, fragte er und drehte das Blatt zwischen den Fingern. „Warum reist Fürst Shibata von hier hinten ab?“, fragte Yukimura zurück. „Das ist er nicht. Er wollte durch den Garten gehen und ich habe ihn hier hinten herausgelassen, weil er von hier aus nach vorn zu seiner Sänfte gehen wollte. Er scheint ein Schöngeist zu sein. Ich habe die Sänfte gerade eben abreisen sehen. Und zwar vom vorderen Tor, von wo er auch hergekommen ist.“, sagte Sasuke. „Nein, das ist er nicht! Er ist gerade hier im Wald mit einer Sänfte in Richtung der Nordberge abgereist!“ „Meister Sanada... Shibatas Sänfte stand vorn und diese Sänfte ist gerade abgereist. Ich habe gesehen, welche Mühe die Männer hatten, sie anzuheben. Wäre sie leer gewesen, hätten sie es leicht gehabt.“ Yukimura zog die Augenbrauen zusammen. Was ist hier los? Wenn Sasuke Recht hat... wen habe ich dann... Nein! Ich habe Fürst Shibata gesehen, da bin ich mir sicher! Was läuft hier?! „Das kann nicht Fürst Shibata gewesen sein! Ich habe ihn hier in eine Sänfte steigen sehen, die jetzt auf die Nordberge zureist!“ „Meister Sanada... Steigert Euch nicht in irgendwas rein. Kommt jetzt.“ Yukimura wollte noch etwas erwidern, doch Sasuke kehrte ihm schon den Rücken zu und ging voran. Er trottete dem Ninja hinterher. Ist Sasuke denn so blind? Shibata reist irgendwo anders hin, aber nicht zurück in sein Fürstentum! Aber wohin? Über die Nordberge kommt man nach Sendai... Aber was will er noch bei Fürst Date? Das macht doch keinen Sinn, er hat doch schon Fürst Takeda aufgehetzt... Und über die Nordberge ist der Weg darüber hinaus sowieso sehr viel schwerer. Oder will er etwa zu Fürst Uesugi? Aber was sollte er dort wollen? Fürst Uesugi hat mit dem Ganzen doch gar nichts zu tun... Was hat diese Schlange vor?! Kapitel 9: „Wir müssen reden...“ -------------------------------- Yukimura war inzwischen schon 2 Tage weg. Endlich hatte Kojuro dem Fürsten erlaubt, wieder langsam ins Training einzusteigen. Langsam war jedoch ein Wort, dass bei Masamune scheinbar gänzlich unbekannt war. Er hätte am liebsten sofort wieder das Schwert geschwungen. Doch Kojuro hatte vorgesorgt und die Schwerter des Fürsten weggesperrt, sodass er nur das Bokuto zur Verfügung hatte. Kojuro fand zwar, dass selbst das schwere Holzschwert schon zu viel war, aber etwas leichteres gab es nicht. Und der Fürst würde sich wohl kaum darauf einlassen, nicht mit dem Schwert zu trainieren, sondern stattdessen leichte Holzstücke zu heben. Damit brauchte Kojuro nicht kommen, also gewährte er ihm das Bokuto. Kaum das Masamune das Holzschwert in der Hand hatte, wollte er auch direkt loslegen, doch Kojuro hielt ihn zurück. „Nein, mein Fürst. Wir fangen langsam an. Nicht zu viel und nicht zu schnell. Wenn Euch das nicht passt, dann machen wir Taiso.“, sagte Kojuro, während er mit der Hand das Bokuto des Fürsten festhielt. „Hör mir auf mit Taiso. Darauf habe ich nun wirklich keine Lust!“, entgegnete Masamune. „Dann werdet Ihr Euch an meine Anweisungen halten müssen, wenn Ihr nicht gleich wieder das Krankenlager hüten wollt.“ Masamune seufzte. Es würde ihm sehr schwer fallen, sich daran zu halten, was Kojuro sagte. Also ließ er nur ein zustimmendes Murren hören. Kojuro nickte zufrieden und nahm das zweite Bokuto. „Langsam.“, sagte er nur und machte die Grundsätze der Schwertführung langsam vor. Mürrisch machte Masamune sie nach, obwohl er die Bewegungen in- und auswendig konnte. „Das machen wir aber nicht den ganzen Tag lang... Das ist Grundstoff, Kojuro!“ „Das weiß ich, mein Fürst. Aber für den Anfang muss Euch das genügen. Im Übrigen werdet Ihr an Taiso nicht vorbeikommen.“ Masamune stöhnte genervt und warf Kojuro einen giftigen Blick zu. Er mochte Taiso überhaupt nicht. Natürlich war das wichtig und er machte es normalerweise auch, bevor er mit dem Schwert trainierte. Aber mehrere Male am Tag? Die Gymnastikübungen waren nur zum Auflockern der Muskeln da und vielleicht für andere zur Entspannung danach. Für Masamune war es nur lästiges Vorgeplänkel um die Muskeln für das eigentliche Training aufzuwärmen. Und weil er sich überhaupt nicht darauf freute, heute noch Taiso zu machen, machte er die Übungen unbewusst zu schnell. Kojuro strafte ihn mit einem missbilligenden Blick. „Heute Abend gibt es übrigens gebratenen Reis mit Eiern.“, sagte er wie beiläufig. „Kein Gemüse?“, fragte Masamune und wurde automatisch langsamer. „Wenn Ihr Euch an meine Anweisungen haltet, dann gibt es auch Gemüse dazu.“ Masamune sah hin stirnrunzelnd an. „Willst du mich etwa erpressen?“ „Davon habe ich nie etwas gesagt, mein Fürst. Jetzt ist es auch erst mal gut. Wir machen morgen weiter. Wir haben heute erst spät angefangen.“, sagte Kojuro und stellte sein Bokuto wieder weg. „Was? Das war alles? Davon komme ich aber nicht wieder in Form!“, maulte Masamune. „Ich habe gerade gesagt, wir haben spät angefangen heute, also reicht es auch erstmal. Nun kommt. Ich sage Michiko, dass sie den Reis bringen kann.“ Widerwillig reichte Masamune Kojuro das Bokuto und folgte ihm dann zurück ins Haus. Kojuro rief nach Michiko, die eine Schale Reis und etwas zu trinken ins Zimmer brachte. „Und du?“, fragte Masamune. Kojuro sah ihn an und lächelte. „Tut mir Leid, ich muss noch etwas tun. Ihr müsst heute leider ohne mich essen.“, antwortete er und mit einer Verneigung verließ er das Zimmer. Masamune sah ihm erstaunt nach. Das war noch nie passiert. Was ist denn jetzt los? Und weil Masamunes Ungestüm sehr schlecht zu zügeln war, hielt er sich oft genug nicht an Kojuros Worte und machte die Übungen schneller oder mit mehr Gewicht. Kojuro sagte meist auch nichts dazu, aber Masamune merkte, dass an diesen Tagen sowohl das Abendessen spärlich ausfiel, als auch, dass Kojuro dann nicht mit ihm gemeinsam aß. Wenn der Fürst sich aber genau an die Anweisungen hielt, dann gab es auch richtiges Essen und Kojuro war dabei und sie konnten lachen und miteinander reden. Gestern hatten sie endlich mit dem richtigen Training angefangen. Sanada war jetzt eine Woche lang schon weg und Kojuro fand es an der Zeit, langsam mit dem richtigen Training anzufangen, sodass der Fürst wenigstens wieder konditioniert war. Seit die Wunde verschlossen wurde, war es nun fast drei Wochen her und jetzt konnte nichts mehr passieren. Heute hielt sich der Fürst wieder an die Anweisungen, so wie er es die letzten zwei Tage auch getan hatte. Scheinbar hatte er verstanden, wie Kojuro ihn dazu brachte, auch wirklich nur das zu tun, was er wollte. Immerhin konnte es gefährlich werden, wenn der Fürst sich nicht daran hielt. Aber das hatte er wohl auch selbst schon gemerkt, denn Muskelkater am Bauch war wohl mit einer frisch verheilten Wunde nicht sonderlich angenehm. Sie beendeten das Training und Kojuro stellte die Bokuto beiseite und sie gingen hinein. „Heute gibt es Fisch, wenn Ihr mögt, kann ich Michiko bitten, schnell noch ein paar Stück zu frittieren.“, sagte Kojuro und öffnete die Shoji zum Flur. „Das hört sich gut an.“ „Und wenn Ihr so gut weitermacht...“, begann Kojuro und sagte dann etwas zu Michiko, die gerade gekommen war. „Dann?“, hakte Masamune nach, als die zierliche Frau wieder gegangen war. „Dann habe ich eine Überraschung für Euch.“, beendete Kojuro seinen Satz. „Eine Überraschung?“ „Das verrate ich Euch aber noch nicht.“, sagte Kojuro und lächelte. Masamune lächelte ebenfalls, aber grimmig. „Du bist gemein.“, knurrte er grinsend. Aber er wusste, es würde sich wenigstens doppelt lohnen, auf Kojuro zu hören. Doch die Überraschung musste erstmal warten, denn Tags darauf kündigte sich unerwarteter Besuch an, der sich auch noch als eher ungebeten herausstellte. Fürst Shibata ließ sich bei Masamune anmelden und auch wenn Masamune überhaupt keine Lust auf dieses Frettchen hatte, so ließ er ihn trotzdem kommen. Es konnte ja nur um ihn und Yukimura gehen. Nun – sollte dieses Frettchen sagen, was es zu sagen hatte. Masamune empfing den feindlichen Fürsten im Beisein Kojuros. Ohne ihn würde er nie andere Fürsten oder sonst jemanden empfangen, schließlich war Kojuro sein rechtes Auge. Shibata setzte sich ihm gegenüber. „Fürst Date.“ „Fürst Shibata.“ Sie nickten einander zu, aber hätte man nicht genau hingesehen, hätte man keine Verneigung voreinander gesehen. Kojuro hatte es gerade so als ein verneigen erkannt. Der Respekt voreinander war zwar da aber keiner der beiden hätte sich je tiefer als der andere verbeugt. „Was führt Euch hierher?“, fragte Masamune. „Oh, danke, meine Reise war beschwerlich aber es ging.“, antwortete Shibata, ohne dass er danach gefragt worden wäre. Es wäre angemessen gewesen, danach zu fragen, das wusste Masamune aber dieses Frettchen hatte solcherlei Höflichkeiten nicht verdient. „Das bezweifle ich. Aber nun sagt, weshalb ich Eure Gegenwart ertragen muss!“, zischte er. „Freundlich und zuvorkommend... Ich frage mich, wie Takeda nur auf die Idee kommen konnte, mit Euch ein Bündnis einzugehen. Das ist wohl eher ein Wagnis...“ „Das kann Euch doch egal sein, Fürst Shibata. Ihr seid nicht mit uns verbündet, da dürfte das kaum von Interesse für Euch sein.“, entgegnete Masamune. „Oh... wer sagt denn dass Ihr noch lange mit Takeda verbündet sein werdet? Nach dem, was vorgefallen ist...“, sagte Shibata und klang absichtlich so, als täte es ihm bereits um das zerbrechende Bündnis leid. Masamune kniff die Augen zusammen. „Darum geht es Euch... Das lasst mal schön meine Sorge sein, Dude!“ „Wie habt Ihr mich gerade genannt?“, fauchte Shibata. „Oh nichts Schlimmes obwohl ich das gerne tun würde, da Ihr mich ja sowieso nicht versteht. Sei es drum. Aus dem, was Ihr da redet, werde ich nicht schlau. Kommt auf den Punkt!“ „Seid auf der Hut, Fürst Date. Takeda ist überhaupt nicht erfreut darüber, dass Ihr seinen General verführt habt. Ich könnte mir vorstellen, dass er, nachdem er dem Jungen die Hölle heiß gemacht hat, mit seiner Armee auf Euch zumarschieren wird. Und Ihr kennt Takedas Armee, nehme ich an.“, sagte Shibata. Kojuro beobachtete den Fürsten von der Westküste genau und er sah, wie er sich bemühte ein hämisches Grinsen zu verbergen. Dieser Mann hatte wahrlich Freude daran, dem Fürsten solche Lügenmärchen aufzutischen, in der Erwartung, dass Fürst Date es ihm glauben würde und seine eigene Armee kampfbereit machte. Er sah zu seinem Fürsten hinüber. Er sah ernst aus. Kojuro wusste, dass er überlegte, wieviel Wahrheit an Shibatas Worten war. „Was meint Ihr denn mit verführt? Ihr müsst wohl blind sein, wo ausgerechnet Ihr es doch gesehen haben wollt.“, entgegnete Masamune kühl. Shibata reagierte äußerlich nicht darauf. „Oh ich habe ihm gesagt, was ich gesehen habe. Nämlich, dass Ihr Sanada verführt habt.“ Masamune musste lachen. „Glaubt Ihr Euch selbst? Das finde ich ja herrlich, very nice!“ „Könnt Ihr mit diesem ausländischen Kram aufhören!?“, fauchte Shibata. „Stört Euch das etwa?“ „Das tut es gehörig, Fürst Date.“ Masamune beugte sich vor und sah ihn einen Moment scharf an. „Dann geht und kommt nie wieder! … Ach und vergesst nicht, bei Takeda Bescheid zu sagen, dass es keinen Grund für seine Armee gibt, sich auf den Weg nach Sendai zu machen – zwischen mir und seinem General ist rein gar nichts passiert, was auch immer Ihr gesehen haben wollt!“, knurrte er tief und böse. Shibata sah ihn empört an und Kojuro musste sich sehr zusammenreißen, nicht gleich loszulachen. „Wie könnt Ihr es wagen, so mit mir zu reden...“, knurrte Shibata. „Kojuro, bring ihn hinaus zu seinem Gefolge! Er wird sofort aufbrechen!“, sagte Masamune und deutete erhobenen Hauptes auf die großen Shoji seiner Halle. Kojuro nickte und stand zeitgleich mit Shibata auf. Er führte ihn vom Gelände zu seinem Gefolge. Masamune war wütend wieder auf das Kissen gesunken. Was fällt diesem Frettchen ein? Was hat er Takeda erzählt, dass er seine Armee in Bewergung setzen will? Aufgebracht stand er nach ein paar Minuten auf und stürmte in den Garten. Auf der gegenüberliegenden Seite standen die Bokuto. Wütend schnappte er nach einem und wirbelte so sehr umher, dass er den nächstgelegenen Busch traf und einige Blätter auf den Boden rieselten. Ungeachtet dessen, was Kojuro bisher immer gesagt hatte, wirbelte er damit umher, als hätte er nie eine Verletzung davongetragen. Doch lange konnte er der Wut über diesen ungebetenen Besuch keine Luft machen. Kojuro kehrte schnell zurück und als er den Fürsten im Garten das Bokuto schwingen sah, als hätte er Fürst Shibata höchst persönlich vor sich, eilte er durch den Garten. Mit der Hand wehrte Kojuro das Bokuto ab und sah den Fürsten ernst an. „Was macht Ihr da?“, fragte er. „Ich bin wütend und lieber lass ich es damit raus, als dass ich noch die Möbel durch die Wände werfe!“, fauchte Masamune. „Aber wenn nichts gewesen ist... zwischen Euch und Sanada... warum seid Ihr dann so wütend?“ Masamune sah ihn einen Moment an. Durchschaut. Er hatte Recht, denn wenn wirklich nichts gewesen wäre, hätte er auch keinen Grund so wütend zu sein. Aber ganz so einfach war das nicht. Er atmete durch und senkte dann den Kopf. „Mein Fürst... was soll mir das jetzt sagen?“, fragte Kojuro und seine Stimme war tiefer geworden. Da Masamune schwieg, zerrte Kojuro ihm plötzlich ungestüm das Bokuto aus den Händen. „Kommt mit.“, sagte er grimmig und zog ihn an der Hand hinter sich aus dem Garten. „Wo willst du hin?“ „Das werdet Ihr gleich sehen... Eigentlich sollte das die Überraschung werden, aber ich glaube, das wird jetzt etwas anderes.“, sagte er und ging mit ihm zu den Ställen. Ihre Pferde waren gesattelt worden, bevor Shibata sich angekündigt hatte und so standen sie auch noch in ihren Ställen. Masamune sah Kojuro fragend an. „Wir reiten jetzt aus. Und dann reden wir!“, sagte Kojuro daraufhin und half Masamune auf sein Pferd, dann stieg er auf sein eigenes und ritt voran. Der Weg führte sie hinaus aus dem Anwesen und den dazugehörigen Ländereien innerhalb dessen Grenzen. Außerhalb des gesamten Anwesens lagen weitere Felder und kleine Bauernhöfe. Außerdem wohnten hier auch die meisten Bürger Sendais und es gab viele Hütten aus denen es nach dem Mittagessen roch. Nach Fisch, gedünstetem Gemüse, Reis und Schweinefleisch. An manchen Hütten hing getrockneter Fisch. Es war inzwischen tagsüber so warm, dass es sich bereits lohnte, den Fisch in der Sonne zu trocknen. Etwas weiter draußen waren die Handwerksleute. Hier roch es mehr nach Feuer, Metall und Lehm. Die Schmieden rauchten ständig, denn immer ging irgendwo ein Schwert kaputt und Vorrat wollte auch angelegt sein. Doch Kojuro ritt weiter und so kamen sie zu den Schweinehöfen und letztendlich zu den Reisfeldern am Meer und den Fischerhütten. Auch hier hielt Kojuro nicht an, sondern ritt mit Masamune bis an den Strand. Dort standen einige Holzpfähle und Kojuro band ihre Tiere dort fest. Wortlos zog er seine Stiefel aus und steckte sie in die Satteltaschen. Masamune fragte nicht erst, sondern tat es ihm gleich und steckte seine Zori in die Satteltaschen seines Pferdes. Barfuß gingen sie auf den Sand und Kojuro ging schnellen Schrittes Richtung Wasser. Masamune runzelte die Stirn, denn Kojuros Verhalten war ihm unverständlich. Dennoch folgte er ihm. Kojuro lief und lief über den Strand und Masamune fürchtete schon, er würde direkt ins Wasser laufen. Als Kojuro den Fuß in das kühle Nass setzte, eilte Masamune ihm hinterher. „Kojuro, was machst du denn?!“, rief er und schnappte nach Kojuros Hand. Dieser reagierte nicht darauf sondern sah ihn nur an. „Es ist heiß heute. Ist Euch das noch nicht aufgefallen?“ Masamune runzelte die Stirn. Natürlich war ihm das aufgefallen, aber sein Hakama ließ die Wärme nur spärlich durchdringen und der seichte Wind hatte ihn beim Reiten auch etwas gekühlt. „Ist Euch etwa nicht warm?“, fragte Kojuro, während er sich die Ärmel seines Yukata-Oberteiles oben zusammenrollte und festband. „Es geht... Was willst du hier?“ Kojuro musterte den Fürsten, der auf das Meer hinaussah. „Wie ich schon sagte, das sollte die Überraschung sein... Aber jetzt reden wir. Und zwar über das, was Fürst Shibata gesagt hat.“ „Ach der!“, maulte Masamune. „Mein Fürst. Ihr habt es zwar ihm gegenüber abgestritten, aber...“, Kojuro sah den Fürsten ernst an. „... Wieviel Wahrheit steckt dahinter?“ Masamune sah ihn überrascht an. Wusste Kojuro etwas? Aber er hatte ihm doch nie einen Anlass gegeben, solches zu vermuten. „Wie kommst du darauf, dass das, was dieses Frettchen gesagt hat, wahr ist?“ „Nun ja, Euer Verhalten hat sich schon etwas verändert.“ „Wie verändert?“ „Als ich Euch gefragt habe, was auf Eurer Reise nach Azuchi passiert ist, da seid Ihr mir ausgewichen. Und als ich Euch gefragt habe, warum Ihr Sanada am Abend vor seiner Abreise so verschreckt habt, oder besser gesagt wie, seid Ihr mir auch ausgewichen.“, sagte Kojuro und sah wieder auf das Meer hinaus. „Was willst du mir jetzt unterstellen?“ „Ich unterstelle Euch nichts, ich möchte nur die Wahrheit wissen.“, meinte Kojuro ruhig. „Du glaubst also, ich verheimliche dir was?“, hakte Masamune nach. „Offensichtlich.“, gab Kojuro zurück. Er klang leicht ungehalten, wie Masamune auffiel. Er schien heute überraschend schnell die Geduld zu verlieren. Das geschah nicht sehr oft. Soweit Masamune sich erinnerte, war es in der letzten Zeit nur ein- oder zweimal vorgekommen. Kojuro wandte den Blick wieder vom Meer ab und sah zum Fürsten, der ihn musterte. „Ihr habt mir ja anscheinend nicht die Wahrheit gesagt, als ich Euch danach gefragt habe. Nicht, als ich danach fragte, was Ihr mit Sanada an dem Abend angestellt habt. Und anscheinend erst Recht nicht, als ich Euch nach Eurer Reise nach Azuchi gefragt habe! Zumindest zweifle ich gerade an Euren Worten, wenn ich daran denke, das Fürst Shibata Euch die Verführung Sanadas vorwirft und selbst Takeda nicht sonderlich erfreut über diese Information ist! Ich frage Euch noch einmal: Was ist da zwischen Euch und Sanada passiert?“, fragte Kojuro und seine Stimme bebte bereits vom Versuch die Beherrschung nicht gleich zu verlieren. „Was hat das Geschwätz von Shibata denn mit Azuchi zu tun? Und warum glaubst du dieser Schlange mehr als mir?“ „Antwortet mir auf die Frage! Was ist da passiert, was Fürst Shibata gesehen haben will?!“ „Nichts!“ Kojuro sah ihn fest an. „Masamune!“, knurrte er und wusste, dass er gerade eine Grenze mit voller Absicht übertreten hatte. Eigentlich hatte er den Fürsten nie beim Vornamen zu nennen ohne die entsprechende Anrede, aber wenn er wütend auf ihn war oder der Fürst sich mal wieder wie ein Kind benahm, dann hatte er es schon mal getan. Und der Fürst war ihm deshalb noch nie böse gewesen. Masamune bedachte ihn heute jedoch mit einem missbilligenden Blick. „Kojuro! Es war nichts! Bevor wir aus Echizen abgereist sind hat Shibata uns beobachtet, das stimmt! Aber das was er erzählt hat, ist gelogen! Ich habe Yukimura nur eine Strähne aus den Wimpern gezogen. Mehr nicht! Shibata hat sich da was drumherum gesponnen!!“ „Und als Ihr hier in Sendai mit ihm Schach gespielt habt? Warum ist Sanada so spät abends verstört zu mir gekommen, damit ich auf Euch aufpasse?“, fragte Kojuro weiter. „Das habe ich dir gesagt! Ich habe Yukimura einfach nur geärgert, weil er so niedlich reagiert. So unbeholfen.“ Kojuro atmete tief durch. „Und auf der Reise nach Azuchi? Habt Ihr mit ihm beisammen gelegen?“ „Ja... Nein! Nicht so!“, schnappte Masamune und sah dann, wie sich Kojuros Hand zur Faust ballte und er noch einmal tief durchatmete. „Kann ich mir den Rest Eurer Ausbildung also sparen?!“, brüllte Kojuro ihn wütend an. Masamune zuckte zusammen. „Wie bitte? Was denkst du von mir? Kojuro, da ist nichts passiert! Und das was passiert ist, habe ich dir gesagt, nämlich dass wir nebeneinander gelegen haben, weil das die bessere Alternative war, als sich neben die Pferde zu legen!“ Kojuro drehte sich abrupt um und ging am Strand entlang, das Wasser umspülte immer wieder seine Füße. „Kojuro! Warte doch mal! Was ist denn bloß los mit dir? Ich verstehe nicht, warum du so wütend bist.“ Masamune hatte auf seine eigenen Füße geachtet, während er ihm hinterhergelaufen war und hatte nicht bemerkt, das Kojuro genauso abrupt stehen geblieben war, wie er sich eben noch umgedreht hatte. Das hatte zur Folge, dass er direkt in Kojuros Rücken lief und zwei Schritte rückwärts taumelte. Kojuro wandte sich wieder um und sah ihn an. „Ich möchte wissen, was genau passiert ist. Und ich glaube Euch, wenn Ihr sagt, dass Ihr nicht mit Sanada zusammengelegen habt. Aber sagt mir bitte, wieviel Wahrheit an Fürst Shibatas Worten ist!“ Masamune sah ihn einen Moment lang an, dann sah er zum Meer. Kojuro seufzte. „Sagt es mir, um den Frieden in unseren Ländereien willen!“, knirschte er, wissend, dass das auf jeden Fall zu einer Antwort des Fürsten führen würde. „Ich habe Sanada geküsst... Aber nur, weil er sonst nicht aufhören würde zu reden... Mal abgesehen von unserem Ritt nach Azuchi...“, sagte Masamune leise. Und wieder wandte sich Kojuro um. Masamune sah, wie er die Hände zu Fäusten ballte. „Ihr habt Sanada geküsst... damit er ruhig ist? … Und auf dem Ritt nach Azuchi? Was ist da passiert?“, knirschte er und ging weiter. Masamune folgte ihm. „Ich war noch nicht ganz wach...“ Kojuro hielt erneut abrupt an und drehte sich so hastig um, dass Masamune gegen seine Brust prallte und wieder ein paar Schritte rückwärts gehen musste. „Ich glaube das nicht... Ihr ward noch nicht ganz wach?!“, brüllte Kojuro den Fürsten an. „Kojuro! Du weißt schon noch, mit wem du redest?“ „Das weiß ich sehr wohl. Verzeiht, dass ich laut geworden bin, aber denkt Ihr denn gar nicht an die Menschen um Euch herum? Was wollen wir denn jetzt tun, wenn Fürst Takeda wirklich mit seiner Armee kommt?“ „Um was geht es dir eigentlich? Ob wir gegen Takeda ins Feld ziehen oder darum, dass ich Sanada geküsst habe?“ „Um beides, verdammt nochmal!“, fauchte Kojuro und stapfte am Strand entlang zurück zu den Pferden. „Kojuro, bleib stehen! Was ist los mit dir, du bist doch sonst nicht so!“ Kojuro sah ihn wütend an. „Das stimmt, aber verzeiht bitte, wenn ich jetzt wieder ein unpassendes Verhalten an den Tag lege! Denkt allein darüber nach! Über das, was wir wegen Fürst Takeda zu tun gedenken und vor allem darüber, warum mich das alles so aufregt! Vielleicht versteht Ihr es ja dann! Betrachtet es als Aufgabe im letzten Teil Eurer Shudo-Ausbildung!!“, sagte er grimmig, zog seine Stiefel an und ritt davon. Masamune stand fassungslos am Strand. Das Wasser umspülte seine Füße und die wärmende Sonne ging langsam unter. Kojuro... Kapitel 10: Das Spiel nimmt seinen Lauf... ------------------------------------------ Shibata war vor einem Tag abgereist. Yukimura behauptete trotzdem noch, dass er über die Nordberge reisen würde, während alle anderen fest überzeugt waren, dass er heimreisen würde. Als Yukimura heute morgen aufgestanden war, hatte er bereits Kopfschmerzen gehabt, sie aber verdrängt und versucht zu trainieren. Sasuke hatte ihn dabei beobachtet. Inzwischen war der Tag schon fast wieder vorüber und die Kopfschmerzen holten Yukimura mit aller Macht wieder ein. „Ich gehe baden.“, murmelte er. „Nur zu. Aber beeilt Euch, der Fürst möchte sicher gleich zu Abend essen. Chikako bereitet schon alles vor.“, sagte Sasuke und sah dem jungen General nach. „Ist in Ordnung. Ich bin gleich da.“ Sasuke erhob sich und ging ihm nach. In seinem Zimmer fand er ihn, als er gerade seine Sachen gegen den Yukata austauschte. „Meister Sanada...“ „Hm?“ Yukimura drehte sich um. „Geht es Euch nicht gut?“, fragte Sasuke und kam auf ihn zu. „Es geht.“ „Was heißt das genau?“ Yukimura sah Sasuke an. Warum war er ihm eigentlich nachgegangen? Doch nicht nur, um ihn zu fragen, ob es ihm gut geht? „Ich möchte jetzt gerne baden, vielleicht verschwinden dann ja meine Kopfschmerzen.“, antwortete er nur. „Kopfschmerzen? Ich habe gehört, dass es da etwas gibt, das hilft.“ Yukimura runzelte die Stirn, was unmittelbar für eine Schmerzsteigerung sorgte. „Und was ist das?“ Sasuke hob die Hand und schob ihm die Haare aus dem Gesicht. Seine warme Hand streifte Yukimuras Wange. „Nun ja... Damit würde ich Eurer Shudo-Ausbildung, die ich ja jetzt übernehmen sollte, um einiges vorgreifen...“, sagte er. „Sasuke... Lass das bitte. Ich will davon nichts hören. Nicht jetzt und auch nicht in nächster Zeit. Das hat mir schon genug Ärger gebracht!“, maulte Yukimura und die Kopfschmerzen malträtierten ihn noch etwas mehr, während er sprach. „Dann geht jetzt baden. Ich warte hier, wenn das in Ordnung ist. Ihr seht wirklich nicht gut aus.“ „Gut.“, meinte Yukimura leise und verschwand hinter den Shoji in seinem kleinen Bad. Der Bottich war wie immer bereits gefüllt und er ließ sich in das lauwarme Wasser sinken. Nach ein paar Minuten der Entspannung bemerkte er, wie sich ein weiterer Schmerz zu den Kopfschmerzen dazugesellte. Sein Nacken und die Schultern taten ihm immer mehr weh. Verärgert stand er auf, trocknete sich ab und zog den Yukata an. Als er wieder ins Zimmer trat musterte ihn Sasuke einen Moment bevor er sagte: „Dann lassen wir Fürst Takeda nicht länger warten.“ Yukimura nickte und gemeinsam gingen sie zu Fürst Takeda zum Abendessen. Doch kaum, dass er das Essen roch und es sah wurde ihm auch noch übel. Er saß bereits vor dem gebratenem Fisch und dem Reis und der Geruch gefiel ihm überhaupt nicht. Lag es an ihm oder konnte Chikako den Fisch nur nicht so gut und lecker zubereiten wie Michiko aus Sendai? Yukimura spürte den Druck in seinem Magen und stand hastig auf. Sasuke bemerkte es und brachte ihn hastig raus, wo der junge General in einen der fein säuberlich geschnittenen Büsche erbrach. „Mir ist schlecht...“, jammerte er. „Das sieht man.“, meinte Sasuke naserümpfend. Einer der Gärtner, der gerade den Zen-Garten harkte, sah die beiden strafend an. „Kommt, Meister Sanada. Was ist nur los mit Euch?“ Yukimura ließ sich von dem Ninja in sein Zimmer zurückbringen. „Muss wohl von der Gartenmauer sein.“, murmelte Yukimura. „Gartenmauer?“, fragte Sasuke verwirrt, während er die Shoji aufschob. „Seine Herrlichkeit war von Fürst Shibatas Nachricht nicht sonderlich begeistert. Das hat er mir sehr deutlich gezeigt.“ Sasuke runzelte die Stirn. „Was habt Ihr angestellt?“ „Fängst du auch noch an! Ich habe gar nichts angestellt!“ „Aber irgendwas muss es ja gewesen sein. Grundlos ist Fürst Takeda niemals so wütend.“ „Er ist öfter wütend, aber eigentlich solltest du das wissen, du bist meistens dabei.“ Sasuke schmunzelte. Ja, der Fürst verlangte dem jungen General sehr viel ab. Gerade wenn der Jüngere mal wieder begriffsstutzig war und das strategische Denken in die falschen Bahnen geriet. Ja, der Fürst war da sehr eigen und es flogen sehr oft die Fäuste zwischen den beiden. „Meister Sanada... Das macht er doch nur, weil er Euch mag und weil er weiß, dass Ihr das aushaltet. Und weil das auch die einzige Möglichkeit ist, Euch von Eurer Euphorie zurück auf den strategisch richtigen Weg zu führen... Aber dennoch... Das Ihr dabei einmal eine Gehirnerschütterung erleidet? Denn die habt Ihr bestimmt.“ „Ich wollte eigentlich meditieren. Deswegen habe ich ihn zu spät bemerkt.“, sagte Yukimura. Sasuke nickte verstehend. „Mir ist schwindelig. Ich glaube, ich lege mich besser hin und schlafe.“ „Das ist wohl das Beste, was Ihr tun könnt. Wenn Ihr wollt, dann bleibe ich bei Euch.“, bot Sasuke an. „Nein, nicht nötig.“ „Gut. Aber wenn etwas ist, dann ruft einfach. Ich bin in der Nähe. Ob ich bei Fürst Takeda bin oder bei Oyamada – ich höre Euch. Versprochen.“, sagte Sasuke und drückte den jungen General auf dessen Futon. Yukimura sah ihn an und wunderte sich über den ernsten Gesichtsausdruck Sasukes. „Glaubt mir, mit einer Gehirnerschütterung ist nicht zu spaßen. Ich habe schon von gestandenen Männern gehört, die daran jämmerlich gestorben sind! Also ruht Euch aus.“, sagte der Ninja ernst. Yukimura schluckte. „Vielen Dank für die Aufmunterung...“ Sasuke grinste breit. „Keine Sorge. Ihr wart noch nicht einmal bewusstlos, allzu schlimm kann es nicht werden. Vielleicht übergebt Ihr Euch noch ein paar mal und die Kopfschmerzen könnten auch noch schlimmer werden, aber mehr vielleicht nicht. Trotzdem, ruft mich sofort, wenn es Euch wirklich schlecht geht oder sonst etwas ist. Verstanden?“ Yukimura nickte und ließ den Kopf auf das Kissen sinken. Sasuke erhob sich wieder und mit einem Lächeln im Gesicht, dass Yukimura ein wenig an Fürst Dates verschmitztes Lächeln erinnerte, ging der Ninja aus dem Zimmer. Er hatte ja Recht. Wenn Yukimura ihn brauchte, musste er nur rufen. Durch die dünnen Shoji würde man ihn im ganzen Trakt hören. Und Sasuke hatte sowieso Ohren wie ein Bergluchs, er würde ihn sofort hören. Beruhigt schloss Yukimura die Augen und spürte sofort wie sich alles wie in einem wilden Strudel drehte. Oh ja, Sasuke hatte Recht – er würde sich noch einige Male übergeben müssen, wenn das so weiter gehen sollte. Also ließ er die Augen offen und dachte an Sasukes Worte: „...Ob ich bei Fürst Takeda bin oder bei Oyamada – ich höre Euch. Versprochen.“ Er überlegte kurz. Oyamada... Wer war noch gleich Oyamada? Yukimura versuchte sich daran zu erinnern, ob er diesen Mann überhaupt kannte. Aber er musste ihn kennen, denn der Name kam ihm bekannt vor. Nur konnte er sich gerade kein Gesicht dazu vorstellen. Prompt tat ihm auch der Kopf gleich noch mehr weh. Und dann fiel es ihm wieder ein. Oyamada Nobushige! Natürlich! Der Mann, der die gleiche Stellung für den Fürsten inne hat wie Meister Katakura für Fürst Date! Da kann mir kein Gesicht einfallen... Ich habe ihn noch nie gesehen. Jedes Mal wenn die Möglichkeit dazu bestanden hätte, war entweder er oder ich nicht dabei. Yukimura seufzte. Ob er sich nochmal übergeben würde, wenn er die Augen zumachte? Er versuchte es einfach. Der Schwindel kam zwar und auch die Übelkeit, aber mehr auch nicht. Er war froh darüber, dann konnte er wenigstens schlafen... Da lag er... dieser hübsche junge General. Wie konnte der Fürst ihn nur so bestrafen. Und dann noch für etwas, wo keiner von uns hier genau weiß, ob das wirklich stimmt. Nun ja... Dafür habe ich jetzt keine Muße, dazu lenkt mich Sanada zu sehr ab... Ihm ist wohl warm, welch schöner Anblick. Dieser hässliche Yukata hat manchmal doch seine Vorteile. Vor allem bei solch einem dezent muskulösen Menschen... so schön... Yukimura spürte das Kribbeln auf seiner Haut bereits, als er noch nicht einmal ganz wach war. Müde und mit noch immer hämmernden Kopfschmerzen richtete er sich mühsam auf und sah sich mit zusammengekniffenen Augen um. Er konnte nichts Außergewöhnliches entdecken, dabei war er sich sicher, dass sich dieses Kribbeln so angefühlt hatte, als würde jemand ganz sachte über seine Haut streichen. Jedenfalls hatte es sich früher immer so angefühlt, wenn seine Mutter ihn ganz sanft gestreichelt hatte, wenn er traurig war. Aber es war niemand in seinem Zimmer. Die Shoji waren zu, bis auf die zum Garten. Die waren offen, damit es nicht zu warm wurde. Aber das machte jeder, bis auf den Fürsten. Das war jetzt schon das zweite Mal... Wenn ich das jemanden erzähle, würde es mir wohl keiner glauben. Wer sollte denn in mein Zimmer kommen? … Vielleicht bilde ich mir das nur ein... Aber bevor ich gegen die Gartenmauer geprallt bin, war das doch schon mal. Ich kann mir das nicht einbilden! Schon gar nicht den Schatten! Yukimura vergrub das Gesicht in den Händen und atmete tief ein. Fürst Date kann das nicht gewesen sein. Ich kann mir das bei ihm nicht vorstellen. Und selbst wenn... Meister Katakura würde ihn wohl kaum alleine hierher reisen lassen... Und wenn er ihn auch begleiten würde, ich wüsste nicht, dass Fürst Date hier einfach so reinkommen könnte... Jemand anderes kann es auch nicht sein. Auf Fürst Takeda wird man es wohl nicht abgesehen haben, wenn derjenige zweimal in mein Zimmer kommt. Aber wer oder was ist es dann? Yukimura sank zurück auf seinen zerwühlten Futon. Ihm war so warm gewesen, dass er sich ständig hin und her gedreht hatte. Unruhig schlief er wieder ein und genauso unruhig verlief auch der Rest der Nacht. Als er morgens wie gerädert aufwachte und die Kopfschmerzen wenigstens etwas besser geworden waren, schaffte er es wenigstens sich allein fertig zu machen und zum Fürsten zum Frühstück zu gehen. Doch als Sasuke ihn sah, stand er sofort auf. „Meister Sanada! Geht sofort in Euer Zimmer, ich bringe Euch etwas zu essen. Ich habe doch gesagt, Ihr sollt Euch ausruhen.“, sagte Sasuke. „Sasuke?“, fragte Fürst Takeda. „Er hat eine Gehirnerschütterung.“ Fürst Takeda sah von Sasuke zu dem doch recht kränklich aussehenden Yukimura. Mehr hätte Sasuke auch nicht sagen müssen, denn der Fürst wusste sofort, wie es dazu gekommen war. „Yukimura!! Das tut mir Leid, das wollte ich nicht!“, rief er entschuldigend. „Eure Herrlichkeit... Bitte entschuldigt Euch nicht. Fürst Shibata ist Schuld daran. Er hat Euch solche Lügen erzählt, dass Ihr wütend auf mich wart.“, sagte Yukimura. „Ich weiß nicht, ob er gelogen hat oder nicht. Ich werde wohl wirklich Date fragen müssen, was da vorgefallen ist.“ Yukimura nickte nur und Sasuke brachte ihn wieder auf sein Zimmer. „Bleibt bitte liegen. Ich habe doch gestern gesagt, damit ist nicht zu spaßen. Ich hole Euch eine Misosuppe.“ „Sasuke! Ich will aber nicht liegen bleiben!“ „Ihr müsst ja auch nicht liegen, aber Ihr solltet Euch wenigstens schonen.“, sagte Sasuke. „Wenn es unbedingt sein muss.“, maulte Yukimura. „Das muss es. Dann geht es Euch schneller wieder besser.“ Yukimura sah ihn grimmig an. „Du willst mich doch nur ärgern. Dir macht das Spaß.“ Sasuke konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Naja um ehrlich zu sein... es macht mir tatsächlich ein wenig Spaß Euch zu umsorgen.“ Yukimura spürte, wie seine Wangen heiß wurden. Dann musste er jetzt mit hochrotem Gesicht zu Sasuke schauen. Und dessen breites Lächeln bedeutete ihm, dass er es sah und es womöglich unheimlich komisch fand. Sasuke grinste den jungen General breit an. Der war gerade puterrot angelaufen. Wie süß. „Ich bin gleich zurück.“ Yukimura nickte und schluckte schwer. Er musste aussehen als würde er einen riesigen Mochi am Stück runterschlucken. Sasuke verschwand mit einem Lachen und Yukimura sank auf den Futon. Oh mein Gott... was war das denn? Warum bin ich denn gleich rot geworden? Sasuke kümmerte sich über eine Woche um Yukimura und ermahnte ihn jedes Mal, dass er sich schonen sollte. Es ging Yukimura zwar jeden Tag besser, aber Sasuke wollte nicht, dass er es übereilte und dann womöglich doch noch etwas passierte. Das wäre überhaupt nicht im Sinne des Fürsten. Also brachte er ihn nach dem Frühstück wieder in sein Zimmer. Yukimura hatte es zwar langsam satt, dass er ständig in seinem Zimmer war und nur gelegentlich in den Garten ging aber Sasuke hatte wohl Recht. Nach einer Weile kehrte Sasuke zu ihm zurück mit einem Becher grünem Tee in der Hand. Yukimura saß auf der Terrasse und sah über die Schulter, als er die Shoji hörte. Er bedankte sich höflich und nahm den Tee entgegen, während Sasuke sich neben ihn setzte. „Ich muss mich bei Euch entschuldigen.“, sagte der Ninja. „Wofür?“, fragte Yukimura ehrlich verwirrt. „Zum einen, dass wir immer noch nicht mit der Shudo-Ausbildung weiter gemacht haben und zum anderen... dass ich Euch nicht geglaubt habe, als Ihr gesagt habt, dass Fürst Shibata nicht nach Hause reist.“ Yukimura seufzte. „Wegen der Shudo-Ausbildung brauchst du dich nicht zu entschuldigen...“ „Wenn Ihr meint. Aber wegen Fürst Shibata schon.“ „Wie kommst du jetzt eigentlich darauf?“ „Sein Ninja kam heute morgen. Er wird uns noch einmal mit seinem Besuch beehren. Er war bei Fürst Date. Ihr hattet Recht als Ihr sagtet, er reist in Richtung der Nordberge weiter.“ „Schön, dass mir jetzt endlich einer glaubt.“, knurrte Yukimura. „Meister Sanada... Ich habe mich doch entschuldigt.“ Yukimura sah stur in den Garten. „Nun gut... Belassen wir es dabei. Da es Euch ja wieder gut geht, können wir uns jetzt wohl auf die Shudo-Ausbildung konzentieren.“ Yukimura ließ ein genervtes Stöhnen hören. „Muss das sein?“ „Fürst Takeda hat es angeordnet. Und es wird wirklich langsam Zeit. Ihr seid bald richtig erwachsen.“ „Was soll das denn jetzt heißen?“, fauchte Yukimura. Sasuke grinste ihn an. „Na hört mal, Ihr seid jetzt siebzehn und wisst so gut wie nichts über Liebe, oder täusche ich mich da?“ Yukimura lief rot an und er spürte die glühende Hitze auf seinen Wangen. Natürlich wusste er ein paar Sachen, aber ganz bestimmt nicht alles. Nagut, er musste noch einiges lernen. Sasuke beobachtete ihn genau und sein Lächeln wurde immer breiter. „Wusste ich es doch! Ihr seid wirklich süß!“, sagte er lachend. „Süß?“ „Allerdings.“, bestätigte Sasuke und kam näher. Yukimura beobachtete ihn misstrauisch. Bei Fürst Date war es fast genauso... Er wird doch nicht... Noch ehe Yukimura entwischen konnte, hatten Sasukes Lippen sanft die seinen berührt. So hauchzart, dass Yukimura es beinahe für unwirklich hielt. „Sasuke...“, flüsterte Yukimura überrascht. „Das gehört dazu.“, sagte Sasuke und fügte einen weiteren Kuss hinzu. Yukimura war sich nicht sicher, ob es ihm gefiel oder nicht, aber er ließ ihn für einen Moment gewähren. „Sasuke... warte.“ „Keine Angst, wir überstürzen nichts.“, sagte Sasuke lächelnd. Yukimura nickte. „Ich wollte dich was fragen. Kann jemand einfach so in die Burg eindringen?“ „Was? Wie kommt Ihr darauf? Natürlich nicht.“ „Und wie... Wie kann es dann sein, dass sich nachts jemand in mein Zimmer schleicht?“, fragte Yukimura. „Was?? Das kann nicht sein. Seid Ihr sicher, dass Ihr das nicht geträumt habt?“, hakte Sasuke nach. „Ich weiß nicht... Das erste Mal war es in der Nacht, als ich wieder zurückgekommen bin. Da habe ich einen Schatten gesehen, der aber sofort weg war. Das zweite Mal war es diese Nacht. Ich hatte so ein komisches Gefühl...“, sagte Yukimura und sah in den Garten hinaus. „Es kann niemand von außen in die Burg kommen. Das ist nicht möglich, ohne dass es irgendjemand bemerkt.“, meinte Sasuke und strich ihm sanft über den Arm. „Ich bilde mir das nicht ein...“, sagte Yukimura, war sich da aber nicht mehr sicher. Hatte er es vielleicht doch nur geträumt? Weil er sich wünschte, dass Fürst Date hier wäre? Aber er hatte doch ganz deutlich das Gewitter gehört und dieses sanfte Gefühl gestern Nacht, hatte sich auch ziemlich echt angefühlt. „Es ist in Ordnung. Wenn Ihr wollt, dann bleibe ich nachts bei Euch. Dann kommt niemand ungebeten in Euer Zimmer. Versprochen.“ „Danke.“ Sasukes Hand, die über seine Schultern strich, beruhigte ihn wieder. Er nahm den Becher grünen Tee, der inzwischen Trinktemperatur hatte und leerte ihn in einem Zug. „Wann wollte Fürst Shibata kommen?“ „Er müsste jeden Augenblick eintreffen. Sein Ninja hatte sich so ausgedrückt, als würde er bereits kurz vor der Burg sein.“, sagte Sasuke und erhob sich. Yukimura folgte ihm und gemeinsam gingen sie zu Fürst Takedas Empfangshalle. Der Fürst begrüßte Yukimura überschwänglich wie immer und bat sie dann sich zu setzen. Diesmal sollte Yukimura also dabei sein. Sasuke hingegen stand auf und holte auf ein Zeichen hin den Fürsten Shibata. Der ließ sich förmlich nieder und neigte unmerklich den Kopf. Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln wollte Takeda endlich wissen, was ihn erneut zu ihm führte. „Fürst Takeda... Ich bedaure, aber ich war bei Date und der hat natürlich alles abgestritten, aber ich weiß, was passiert ist. Und ich habe ihm gesagt, dass Ihr es auch wisst und es ganz und gar nicht gutheißt. Wisst Ihr, was er da gesagt hat?“ Fürst Takeda sah ihn fordernd an. „Redet!“ „Er löst Euer Bündnis. Und er macht sich mit seinen Soldaten auf den Weg hierher um Kai zu erobern. Ihr solltet Euch vorbereiten oder ihm am besten mit Euren Soldaten entgegen reiten.“, berichtete Shibata. Fürst Takeda zog die Augenbrauen zusammen. „Verschwindet!“, knurrte er. Sasuke benötigte keine weiteren Worte um den feindlichen Fürsten aus der Burg zu schaffen. Nach einer Weile kehrte er zurück. „Er ist abgereist mein Fürst. Nach Hause.“, berichtete er. Fürst Takeda nickte. „Mach die Soldaten bereit. Wenn das so ist, wie er sagt, dann sollten wir vorbereitet sein. Date ist ein Hitzkopf und wenn Shibata ihn wütend gemacht hat, dann könnte es wirklich sein, dass er auf dem Weg hierher ist.“ „Aber... Glaubt Ihr ihm wirklich? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Fürst Date sich so von ihm einwickeln lässt. Im Übrigen wird Fürst Date ja wohl besser als Fürst Shibata wissen, was passiert ist.“, meinte Yukimura. „Ach ja? Was ist denn passiert? Du warst ja auch dabei!“, fauchte Fürst Takeda grimmig. „Das habe ich Euch bereits gesagt, Eure Herrlichkeit! Es war nichts, außer das Fürst Date mir ein paar Haare aus den Augen gestrichen hat. Was ist daran so verwerflich, dass man sofort in den Kampf ziehen muss?“ „Nichts, nur weiß außer dir und Date niemand, was passiert ist, mal abgesehen von Shibata, der Euch gesehen hat! Also steht Aussage gegen Aussage. Shibata liefert mir einen Grund meine Soldaten in Marschbereitschaft zu versetzen. Deine Vermutung, dass Date das alles kalt ließe, kann ich nicht teilen. Ich wette darauf, dass Shibata ihn rasend gemacht hat. Und der Drache von Oshu ist nicht zu unterschätzen!“ Yukimura sagte nichts mehr dazu. Taktisch und strategisch war der Fürst ein wahrer Meister. Seine Prognosen über das Vorgehen der feindlichen Linien trafen fast immer zu. Aber hierbei war sich Yukimura nicht so sicher, ob es gut war, auf Fürst Shibata zu hören. Da er aber strategisch weniger geübt war, beließ er es dabei. Was auch immer am Ende dabei herauskommen würde... Kapitel 11: Durchschaut ----------------------- Michiko war angespannt. Seitdem Meister Katakura und der Fürst ausgeritten waren, herrschte eine schrecklich gespannte Stimmung in der Burg. Entweder war es still oder der Fürst ließ die Shoji laut zuknallen. Und Meister Katakura war noch öfter auf den Feldern als sonst schon. Irgendwas musste passiert sein, denn eine derartige Spannung lag schon seit Jahren nicht mehr in der Luft. Das letzte Mal war es so, als der Fürst sich mit seinem Bruder gestritten hatte. Das war dann im Tod des Bruders geendet. Was würde jetzt wohl passieren? „Michiko!“, rief der Fürst. Sie seufzte und eilte zu dessen Zimmer. Seit diese Spannung hier herrschte war der Fürst recht oft hier im unteren Bereich der Burg, wo er die Felder im Blick hatte. Scheinbar beruhigte ihn das, dachte sie sich. „Mein Fürst?“, fragte sie vorsichtig. „Haben wir noch etwas Reis?“, fragte er und hob die noch halb volle Schale mit Gemüse an. „Natürlich, ich bringe Euch sofort welchen.“ Michiko ging wieder. Masamune stellte die Schale wieder ab und warf einen Blick zu den Shoji der Terrasse. Eigentlich hatte er keinen Hunger mehr, aber er war es gewohnt, aufzuessen und immerhin passte der Happen in seiner Schale noch rein. Den restlichen Reis konnte er ja an die Vögel verfüttern. Michiko kehrte mit einer Schale Reis zurück und ging dann wieder. Masamune runzelte die Stirn, denn seit dem Streit den er mit Kojuro gehabt hatte, war sogar Michiko noch zurückhaltender als sonst. Er nahm den Reis und aß das restliche Gemüse. Mit dem verbliebenen Reis ging auf die Terrasse und setzte sich. Hin und wieder warf er den Vögeln ein paar der Reiskörner hin und sah auf die Felder. In einem der hinteren Reisfelder sah er Kojuro stehen und die jungen Pflanzen überprüfen. Es war zwar nicht seine Aufgabe aber momentan suchte Kojuro jede Möglichkeit, irgendwelche Arbeiten zu machen und so wenig Zeit wie möglich bei ihm, Masamune, zu verbringen. Das ärgerte Masamune inzwischen gewaltig. Schließlich war das schon fünf Tage her, dass sie sich gestritten hatten. Bis jetzt hatte Masamune noch nicht über all das nachgedacht. Er war zu wütend gewesen, um über die gesamte Situation nachzudenken. Wäre es nur wegen Takeda gewesen, dann hätte er sich sicher schon Gedanken darüber gemacht, aber es ging ja nicht nur um Takeda und ob er nun einen Feldzug begann oder nicht. Es ging auch um die Tatsache, dass Masamune den General Takedas geküsst hatte und es Kojuro verheimlicht hatte – jedenfalls sah Kojuro es so. Masamune hingegen hatte keinen Grund gesehen, es Kojuro überhaupt zu sagen. Es waren nur ein oder zwei Küsse gewesen. Nichts, das Grund genug gewesen wäre, gleich so aus der Haut zu fahren, wie Kojuro es getan hatte. Masamune hatte Kojuro eine ganze Weile beobachtet. Die Reisschale war inzwischen auch leer. Er stand wieder auf und ging hinein. „Michiko.“, rief er. Leise öffneten sich die Shoji und die hübsche, zierliche Michiko sah ins Zimmer. „Mein Herr?“ „Ich würde gerne Tee trinken.“ „Natürlich. Darf ich die Reisschale mitnehmen?“ Masamune reichte ihr die leere Schale. „Ich möchte den Tee gern selbst zubereiten.“, fügte er noch hinzu. Mit einem etwas überraschten Nicken verließ sie ebenso leise wie sie gekommen war das Zimmer. Erstaunlicherweise kam sie auch recht schnell wieder. Aber eigentlich war es klar gewesen, denn heißes Wasser und Tee war in der Küche immer vorhanden. Sie stellte stillschweigend das Tablett ins Zimmer. Darauf standen eine glasierte Tonkanne, zwei glasierte Tonschalen, eine Kyusu und ein Bambusschälchen mit grünem Tee sowie ein Bambusbesen. Masamune warf einen Blick in die Schale. Der Tee war bereits zerkleinert worden. Eigentlich hatte er das selbst machen wollen. Aber nun gut, Michiko war so vorhersehend gewesen, dass sie ihm gleich die in Streifen geschnittenen und getrockneten Teeblätter gegeben hatte. Sie wusste wohl, dass der Fürst schon seit Jahren nicht mehr selbst den Tee zubereitet hatte. Sei's drum, dachte sich Masamune und füllte die zerkleinerten Blätter in die Kyusu. Dann berührte er die Tonkanne mit dem heißen Wasser und entschloss sich, noch zu warten. Zu heiß. Das letzte Mal hatte er Tee mit Kojuro gemeinsam gemacht. Der Schwertmeister hatte ihn nicht nur in den Kampfkünsten und -techniken unterwiesen, sondern auch in den anderen Künsten. Dazu gehörte auch die Kunst der Teezubereitung. Kojuro hatte dazu immer Sencha genommen, weil dieser am aromatischsten, gesündesten und hochwertigsten war. Wenn man ihn denn richtig zubereitete. Masamune konnte es, aber es war inzwischen schon ein paar Jahre her, sodass er einen Moment über die Ziehzeit nachdachte. Er prüfte erneut die Temperatur des Wassers. Einen Augenblick würde er noch warten müssen. Indes fiel ihm Shibata wieder ein. Er würde wohl etwa fünf oder sechs Tage bis zu Takeda zurück brauchen, immerhin reiste das Frettchen feige in einer Sänfte. Dann müsste er bald dort ankommen. Hoffentlich hatte das ganze Theater dann ein Ende. Wegen Shibata hatte er sich mit Kojuro gestritten. Masamune betrachtete die Kyusu und die zwei Becher. Er musste lächeln. Kojuro hatte ihm einmal gesagt, wenn er Tee machte, dann konnte er besser nachdenken. Vielleicht wollte Masamune ja genau deshalb Tee machen. Wieder prüfte er die Temperatur und diesmal war sie genau richtig. Er goss das Wasser in die Kyusu und lauschte auf das Shishi-Odoshi in der Nähe der Terrasse. Nach mehreren Schlägen des Bambusrohrs goss er den Tee in die Schalen. Das Wasser reichte genau für die beiden Schalen. Hätte er gewollt, hätte er Michiko nach einer zweiten Kanne Wasser fragen können, aber er wusste, dass der Sencha nur mit dem ersten Aufguss wirklich gut schmeckte. Doch eine der Schalen blieb unangerührt stehen, während Masamune den Bambusbesen in eines der Schälchen tauchte und es behutsam abwechselnd in beide Richtungen wirbeln ließ. Dann legte er den kleinen Besen weg, nahm die Schale in die Hände und mehrfach drehte. Er nahm einen Schluck. Ja, er konnte es noch – der Tee war sehr gut. Aber noch besser wäre es gewesen, wenn Kojuro hier sein würde und die zweite Schale trinken würde. Aber das war er nicht, weil sie sich gestritten hatten. Masamune verzog säuerlich das Gesicht. Warum denn überhaupt? Doch nicht nur wegen des Kusses? Kojuro war sein engster Vertrauter, sein Ratgeber und sein rechtes Auge, aber mehr war da nie gewesen. War er sauer, weil Shibata das Ganze erst ins Rollen gebracht hatte und somit Takeda auf ihn gehetzt hatte? Aber von Takeda ging seither noch keine Gefahr aus. Jedenfalls hatte Masamune bis jetzt noch nichts von dessen Armee auf dem Weg zu ihm gehört. Und wenn es genau das war, was dieses Frettchen von einem Fürsten wollte? Masamune stellte die Teeschale ab. Was hatte Shibata noch gleich gesagt? „...wer sagt, denn dass Ihr noch lange mit Takeda verbündet sein werdet? Nach dem, was vorgefallen ist...“ Sollte diese Lappalie etwa unser Bündnis in irgendeiner Weise stören? Ich wüsste nicht, dass man sowas nicht auch gesittet klären könnte. Ich bin ja schließlich nicht über Yukimura hergefallen! … Aber genau das will Shibata anscheinend Takeda glauben machen... Er war ja schon bei Takeda und hat ihm dieses Lügenmärchen aufgetischt, jetzt ist zu mir gekommen um mich augenscheinlich zu warnen, dass Takeda uns angreifen würde. Und ich schicke ihn zurück mit der Botschaft, dass Takeda keinen Grund dazu hat... I'm such a fool! Natürlich war Shibata das klar! Das, was ich gesagt habe, wird so wohl nicht bei Takeda ankommen. Ich wette darauf, dass er ihm ein weiteres Lügenmärchen erzählt... „Michiko?“ Leise gingen die Shoji auf, als hätte sie davor gewartet. „Ja mein Herr?“ „Lass Kojuro herbringen. Ich muss mit ihm reden. Und gebt den Soldaten Bescheid. Wir werden wahrscheinlich heute Abend Kriegsrat halten müssen.“ „Sehr wohl.“, sagte sie, runzelte kaum merklich die Stirn und schob leise die Shoji wieder zu. Masamune hörte ihre sachten Tippelschritte immer leiser werden. Er trank einen weiteren Schluck Tee. Shibata wird mit all dem bereits gerechnet haben, was passiert ist. Er kennt uns anscheinend sehr gut. Als hätte er uns ausspioniert... Er wusste, dass Takeda nicht kopflos in einen Feldzug rennt, selbst dann nicht, wenn sein General angerührt worden wäre. Er wusste auch, dass ich mir seine Frechheit, mir die Verführung Yukimuras zu unterstellen, nicht bieten lassen würde. Ihm ist auch klar, dass auch ich nicht einfach mit meinen Männern losziehe. Also ist er jetzt zurück zu Takeda geritten. Und er wird ihm eine Lüge aufbinden, die dafür sorgt, dass Takeda mit seinen Leuten loszieht. Er erwartet, dass ich das auch tue. Dumm nur, dass Takeda und ich nicht allein ein Bündnis eingegangen sind. Uesugi gehört auch dazu... Aber das weiß er auch und auch da hat er vermutlich vorgesorgt. Ich könnte schwören, sobald er bei Takeda angekommen ist, wird er einen Boten zu Uesugi schicken, der ihm berichtet, dass ich und Takeda das Bündnis gelöst haben und uns zum Kampf bereit machen. Uesugi ist Takedas ebenbürtiger Gegner, er wird keine Sekunde zögern um meiner Armee ebenfalls loszuziehen... Nicht dumm, Shibata... Gar nicht dumm... Masamune grinste, als er Michikos Schritte wieder vernahm. Sie sprach, ohne die Shoji zu öffnen. „Mein Herr, Meister Katakura lässt ausrichten, er möchte sich erst waschen, bevor er zu Euch kommt. Er möchte nicht schmutzig von der Feldarbeit vor Euch erscheinen.“ „All right. Ich warte.“, antwortete er und Michiko ging wieder. Er prüfte mit dem Handrücken die Temperatur der zweiten Teeschale. Noch war der Tee warm. Im Sommer kühlten der Tee zum Glück nicht so schnell ab wie im Winter. Kalter Sencha war einfach grauenhaft und es war eine Sünde ihn kalt werden zu lassen. Wenn sich Kojuro sich nicht beeilte, dann würde er ihn wegschütten müssen. Er seufzte. Was war nur mit Kojuro los? Er war sein treuester Mann, immer an seiner Seite und deckte ihm den Rücken. Warum nur war er dann so sauer, wo doch mit Yukimura bis auf die paar Küsse nichts passiert war? …Sollte das etwas mit dem letzten Teil der Shudo-Ausbildung zu tun haben, die Kojuro jetzt noch abschließen will? Das ist die einzige Erklärung. Schon allein, weil ich seine Gereiztheit bei unserem Streit als Aufgabe dazu betrachten sollte. Ob er wütend ist, weil ich der Shudo vorgegriffen habe, indem ich Yukimura geküsst habe? Das könnte es sein, immerhin hat er mir ja gesagt, dass er damals schon sehr gerne mein Shudo-Meister gewesen wäre. Wie er mich dabei angesehen hat, als er das gesagt hat. Und erst Recht, als er mir geschworen hat, dass er niemals über mich herfallen würde. Weder jetzt noch in einem anderen Leben... Masamune lief ein Schauer über den Rücken. Er schüttelte energisch den Kopf. Schon wieder... das ist mir schon mal passiert... Kojuro hat oft so eine Wirkung auf mich... Er hörte Schritte im Gang. Sie waren lauter als Michikos, also konnte es nur Kojuro sein. „Mein Fürst... Ihr habt mich rufen lassen?“, fragte er hinter den noch geschlossenen Shoji. Masamune schluckte. Kojuros Stimme war tief und klang leicht gereizt. Er war also immer noch wütend. „Komm rein, du wartest doch sonst auch nicht.“ Kojuro betrat den Raum und brachte eine Wolke angenehmen Dufts mit sich. Masamune sah ihn an. Die Haare klebten ihm noch feucht am Kopf, der Yukata im Nacken wurde ebenfalls feucht. Wieder schluckte er. Ich glaube, ich verstehe, warum er wütend ist... Über so eine Lappalie kann man nur wütend werden, wenn man... Hastig schüttelte Masamune den Kopf. „Was gibt es, mein Fürst?“, fragte Kojuro und setzte sich ihm gegenüber. „Ich habe Tee gemacht. Nimm dir deine Schale.“, sagte Masamune. Kojuro runzelte die Stirn. „Habt Ihr mich nur wegen dem Tee rufen lassen?“, hakte er nach. „Nicht nur. Wir müssen reden, vielleicht sogar Kriegsrat halten.“ Kojuro nickte. „Michiko hat da was verlauten lassen, dass sie noch zu den Soldaten gehen muss... Nun? Worum geht es?“ „Shibata treibt ein Spiel mit uns.“ „Wie meint Ihr das?“ „Nun ja, er war bei Takeda und hat ihm erzählt, ich hätte Yukimura verführt. Was so nicht stimmt-“, begann Masamune und registrierte, dass Kojuro eine Augenbraue leicht anhob. „Jedenfalls nicht so, wie Shibata das gesagt hat.“, räumte der Fürst ein und fuhr dann fort: „Danach ist er zu mir gekommen, um mir vorzugaukeln, Takeda käme mit seiner Armee um mich als Rache für die Verführung seines Generals anzugreifen. Er wusste, dass Takeda nicht so kopflos handelt und er wusste, dass ich es abstreiten würde. Er weiß auch, dass ich genauso wenig überstürzt vom Hof reite, wie Takeda. Also reitet er zu Takeda zurück und lässt mich in den Glauben, dass er ihm meine Botschaft überbringt. Aber ich wette mit dir, Kojuro: Was ich tatsächlich gesagt habe – und du bist mein Zeuge! - wird bei Takeda so nicht ankommen!“ Kojuro nickte. „Was meint Ihr, wird tatsächlich ankommen?“ „Er wird Takeda erzählen, ich hätte unser Bündnis aufgelöst und würde mich mit meinen Soldaten auf den Weg machen, mich ihm in den Weg zu stellen. DAS wird er ihm sagen und das wird wohl dazu führen, dass auch Takeda ins Feld zieht. Takeda hat von mir wohl zwei Dinge erwartet: Das ich es abstreite und ruhig bleibe oder dass ich das Bündnis löse. Letzteres tritt augenscheinlich auch ein, weil Shibata es ihm so sagt. Aber zu unserem Bündnis gehört ja auch noch Uesugi.“ Kojuro zog die Stirn kraus. „Was hat Fürst Uesugi mit all dem zu tun? Ihm kann es doch eigentlich egal sein, ob... Oh!“ „You see? Shibata geht davon aus, das Takeda und ich uns zerfleischen werden. Er will Uesugi mit hineinziehen. Und was dann kommt, kannst du dir vermutlich denken.“, sagte Masamune. Kojuro nahm wortlos die Teeschale und leerte sie in einem Zug. Dann stand er auf. „Ich trommle die Männer zusammen.“, sagte er nur und ging. Masamune erhob sich ebenfalls und verließ das Zimmer. Im Gehen sagte er Michiko noch, dass das Teetablett weggeräumt werden kann und ging dann das Gelände hinauf zur Hauptburg, wo der große Versammlungsraum war. Dort wartete er, bis alle seine Soldaten da waren und Kojuro neben ihm saß. Der Kriegsrat konnte beginnen... Kapitel 12: Der Feldzug nach Norden ----------------------------------- Nun würden sie sich also auf den Feldzug gegen Fürst Date machen. Yukimura gefiel das nicht. Er lag wach in seinem Zimmer auf dem Futon. Draußen vor den Shoji saß – wie versprochen – Sasuke. Yukimura allerdings dachte überhaupt nicht an die unheimlichen nächtlichen Besuche. Er dachte daran, was passieren würde, wenn sie auf Date trafen. Würde er ihnen die Hölle heiß machen? Der Mann wurde nicht umsonst Drache genannt, seine Kampfkunst war nicht zu verachten. Und Kojuros strategisches Können stand dem von Fürst Takeda nun wirklich in nichts nach. Was sollte das nur werden? Hatte Fürst Date wirklich das Bündnis gelöst? Einfach so weil Shibata ihn wütend gemacht hatte? Yukimura konnte sich das einfach nicht vorstellen. Auch wenn der einäugige Drache durchaus oft hitzig war, aber so? Er drehte sich auf die Seite. Ich höre lieber auf daran zu denken... Sonst drehe ich noch durch. Er zwang sich die Augen zu zu machen. Doch als wäre die morgige Abreise nicht schon genug, tauchte vor seinem inneren Auge der Fürst Date auf. Er knurrte ärgerlich und vergrub das Gesicht in seinem Kissen. Auch wenn der Mann höchst anziehend war, eigentlich hatte er ihm nur Ärger gebracht in letzter Zeit. Er schüttelte den Kopf und dann musste er an Sasuke denken. Vor allem daran, wie sanft und fast unmerklich er ihn heute geküsst hatte. Fürst Date war da etwas forscher gewesen, wie Yukimura jetzt feststellte. Nach einer Weile war er dann doch eingeschlafen. ...Morgen geht es in den Kampf. Ich weiß, er mag das Schlachtfeld. Ob er sich freut auf Date zu treffen? Immerhin haben sie sich als ebenbürtige Gegner auserkoren... Heute scheint er unruhig zu sein. Aber er sieht trotzdem so schön aus. Aber ich sollte mich nicht auf die Ruhe verlassen. Auch wenn der Tee vielleicht wirkt... Ich verschwinde besser wieder... Yukimura saß kerzengerade im Bett. Er hatte die Shoji der Terrasse gehört und dann ein Knarzen auf den Dielen der Terrasse. War etwa schon wieder jemand in seinem Zimmer gewesen? Aber Sasuke war doch draußen, warum hatte er ihn nicht verjagt? „Sasuke!“, rief Yukimura leise. Es kam keine Reaktion. Yukimura runzelte die Stirn. Was geht hier vor? Er stand auf und ging zu den Shoji, ließ sie aber geschlossen. „Sasuke!“, sagte er nochmal leise. Wieder keine Reaktion. Jetzt wurde er langsam unruhig. „Sasuke?“, fragte er vorsichtig und schob die Shoji auf. Als er Sasuke entdeckte, sackte ihm das Herz in die Hose. Hastig stürzte er zu ihm. Oh nein, bitte nicht! „Sasuke!“ Er schüttelte ihn heftig. Das er schlafen sollte, erschien ihm zwar ungewöhnlich für einen Ninja aber manchmal liefen die Dinge nie so wie sie sollten. Und er wollte nicht, dass er tot war! „Ungh... Was ist denn los...“, murrte Sasuke nach ein paar Sekunden. „Sasuke... zum Glück...“, japste Yukimura. „Warum zum Teufel schläfst du?!“, fauchte er ihn direkt danach an. „Wenn ich das wüsste...“ „Da war wieder jemand. Ich bin mir sicher! Ich hab die Shoji gehört und ein Knarren draußen auf der Terrasse!“ Sasuke versuchte in der Dunkelheit das Gesicht des jungen Generals auszumachen. Leichter gesagt, als getan, wo er doch gerade unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde. Doch langsam konnte er ihn immer besser erkennen. „Schon wieder? Ausgerechnet jetzt...“ Er stand vorsichtig auf, was ihm anscheinend schwerfiel wie Yukimura bemerkte und ihm stützend einen Arm hinhielt. „Nicht... Ich schaff das schon. Geht in Euer Zimmer.“, sagte Sasuke und zog den Arm wieder weg. Yukimura folgte stumm der Weisung. Was hätte er auch sagen sollen, Sasuke war ein Ninja und sollte sich selbst gut einschätzen können. Er bemerkte wie Sasuke ihm folgte und sah ihn im Dunkeln musternd an. Sasuke schien seinen Blick zu bemerken. „Ich bleibe jetzt hier drin, vielleicht hilft das.“, murmelte er noch immer leicht benommen. „Ich glaube nicht, dass derjenige nochmal kommt... Bis jetzt kam er, oder was auch immer, nur einmal.“, entgegnete Yukimura. Sasuke atmete tief durch. „Ist mir egal, ich bleibe jetzt bei Euch. Und wenn ich mich zu Euch ins Bett legen muss, damit dieser Nachtschatten nicht auf noch dümmere Gedanken kommt!“, fauchte er und taumelte vorwärts. Yukimura war überrascht und wäre es hell gewesen, dann hätte er vermutlich ausgesehen wie eine falsch bemalte Noh-Maske. Eilig stützte er Sasuke doch und der ließ es nun auch zu. „Also?“, hakte Sasuke nach. Yukimura stammelte irgendwas und führte Sasuke unwillkürlich zu seinem Futon. Sie setzten sich und Sasuke atmete noch einmal tief durch. „Ich kann nicht glauben, dass du einfach eingeschlafen bist...“ Sasuke ließ ein grimmiges Knurren hören. „Du bist völlig benommen... Mir geht das nie so, wenn ich morgens aufwache.“, meinte Yukimura. „Das ist bei niemandem so... Irgendwas muss in meinem Tee gewesen sein.“, sagte Sasuke. „In deinem Tee?“ „Ja... Ich war noch bei Oyamada, weil er ja nicht beim Kriegsrat dabei sein konnte. Er hatte Besuch von einem guten Freund. Irgendein entfernter Verwandter seines Vaters oder so. Von Shibatas Besuch hat er nichts mitbekommen und Fürst Takeda hat den Kriegsrat so schnell einberufen, dass keine Zeit mehr war, Oyamada zu holen. Jedenfalls hat dieser Freund Tee mitgebracht. Oyamada mag zwar Tee, aber nicht diesen englischen Schwarzen. Wo auch immer sein Freund den herhatte. Er hatte ein Beutelchen für mich, damit ich ihn mal probieren kann. Entweder wirkt dieser Tee so oder da war etwas drin...“, erklärte Sasuke. Yukimura überlegte kurz. „Willst du damit sagen, Oyamada hat mit diesem Tee dafür gesorgt, dass du schläfst?“, hakte er nach. „Ich will ihm nichts unterstellen, Meister Sanada. Der Tee kam von seinem Freund, es könnte auch er gewesen sein.“ „Und was sollte der in meinem Zimmer wollen? Der kennt mich doch nicht. Oyamada kennt mich wenigstens vom Namen her!“ Sasuke sah ihn scharf an, wenngleich Yukimura es im Dunkeln wohl kaum so wahrnehmen würde. „Hört auf Oyamada so etwas zu unterstellen. Fürst Takeda würde das gar nicht gutheißen, wenn er es erführe!“ „Aber wenn er es war?“, fragte Yukimura. „Warum sollte er? Er hat Euch noch nie gesehen und kennt nur Euren Namen! Und woher sollte er denn wissen, dass ich ausgerechnet heute auf Euch aufpasse?“, konterte Sasuke. „Stimmt...“, gab Yukimura kleinlaut zu. „Jetzt legt Euch wieder hin. Ich bin jetzt hier und wenn nochmal jemand kommt, dann wird er sich sicher ganz schön ärgern, wenn er Euch nicht allein antrifft.“ Yukimura gehorchte und legte sich auf den Futon. Sasuke ließ sich ebenfalls sinken. Weil Yukimura plötzlich nicht mehr wusste, wie er liegen sollte, drehte er sich um. Nach einer Weile spürte er im Halbschlaf wie sich Sasuke vorsichtig an ihn schmiegte. Nicht zu dicht aber so, dass sein Arm um Yukimuras Hüfte langen konnte... Eine sanfte Berührung weckte Yukimura. Es war Sasuke, der ihm ganz sanft über den Arm strich. Er musste nachts näher gerückt sein, denn Yukimura spürte seine Wärme. Und er spürte, dass sein Herz wie wild klopfte. Er schluckte und drehte sich um. Sasukes graugrüne Augen sahen ihn mit einem Lächeln an. „Guten Morgen, Meister Sanada.“ „Guten... Morgen...“, stammelte Yukimura. Als würde es Sasuke erst jetzt bewusst werden, wie nahe er an Yukimura lag, rückte er ein Stück ab, stand dann auf und verbeugte sich tief. „Entschuldigt bitte...“ „Schon gut...“, meinte Yukimura und stand nun auch auf. „Ich glaube, wir sollten uns beeilen, Meister Sanada. Fürst Takeda wollte früh aufbrechen.“ Yukimura nickte und verschwand im Bad. Eilig wusch er sich und kehrte dann zurück um seine Rüstung anzulegen. Sasuke war verschwunden, auch er würde ein paar Sachen, hauptsächlich Waffen, zusammenpacken. Als Yukimura endlich fertig war, kehrte auch Sasuke zurück. „Beeilen wir uns, der Fürst wartet schon.“, sagte Sasuke und bat Yukimura hinaus. Der junge General nahm seine Waffe und folgte dem Ninja. Draußen im Burghof vor den Toren stand die versammelte Armee. An den Seiten standen Frauen und Kinder. Yukimura schluckte. Natürlich. Manche der Soldaten hatten eben Frau und Kind. Hoffentlich sieht jeder von ihnen seine Familie wieder... Yukimura wandte den Blick stur nach vorn zum Fürsten. Dort stand bereits sein Pferd bereit und auch Sasuke schwang sich diesmal ausnahmsweise auf einen hellbraunen Hengst. Als auch der General endlich saß ritten sie los. Yukimura hatte sich zwar von den Frauen und Kindern abgewandt, doch die weinenden kleinen Kinder und die schreienden größeren konnte er nicht ausblenden. Er atmete tief durch und war froh, als die Tore hinter ihnen geschlossen waren. Nachdem sie einige Minuten geritten waren, hörte Yukimura hinter sich, wie ein Reiter im Galopp sich ihnen näherte. Als er sich umdrehte hätte er schwören können, im ersten Augenblick Meister Katakura zu sehen. Doch nachdem er einmal geblinzelt hatte, sah er, dass der Reiter etwas schlanker und jünger war und es fehlte die Narbe im Gesicht. „Aah Nobushige!“, dröhnte Fürst Takeda. Der Angesprochene neigte schweigend den Kopf zum Gruß und sah zu Yukimura hinüber. „Ah stimmt. Ihr hattet ja noch nicht die Gelegenheit gehabt, Euch persönlich kennenzulernen. Yukimura, dass ist Oyamada Nobushige. Nobushige, mein General Sanada Yukimura Genjiro.“, stellte der Fürst sie einander vor. Yukimura musterte den anderen. Das ist also Oyamada. Oyamada tat es ihm gleich und sah den General einen Moment lang an. Dann wandte er sich an Fürst Takeda. „Mein Fürst. Wohin reiten wir?“ „Ich dachte Sasuke hätte dich aufgeklärt. Wir reiten nach Utsunomiya. Ich gehe davon aus, dass Date auch nicht weiter reiten wird, immerhin ist dort unser beider Grenzgebiet.“ Oyamada nickte und warf einen weiteren Blick zu Yukimura. Der schien ihn jedoch zu ignorieren und als er seinen Blick bemerkte, warf er ihm einen eher grimmigen Blick zu. Yukimura hatte auch nicht gewusst, wohin genau sie ritten. Dies hatte sich wohl erst heute morgen ergeben. Utsunomiya war eine Ebene zwischen den beiden Lehen von Fürst Takeda und Fürst Date und westlich grenzte das Gebiet des Fürsten Uesugi an. Westlich lag auch eine Bergkette, die aber leicht überquerbar war, wie Yukimura wohl wusste. Doch wo genau nun Utsunomiya lag und warum sich Fürst Takeda für diesen Ort entschieden hatte, war Yukimura gerade ziemlich gleichgültig. Er dachte nur daran, dass dieser Schönling an Fürst Takedas anderer Seite vielleicht nachts in sein Zimmer geschlichen war. Was auch immer er bei ihm wollte, Yukimura fand das überhaupt nicht komisch. Oyamada hingegen entschuldigte sich bei Fürst Takeda und ritt dann an Yukimuras Seite. Einen Moment lang sagte er nichts, da Yukimura ihn ignorierte. Doch dann schien es dem Vasallen zu reichen und er sah den General direkt an. „General Sanada... Könnten wir einen Moment ungestört reden?“ Yukimura warf ihm einen Blick zu und überlegte einen Moment. Ungestört reden? Worüber? Er runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Oyamada seufzte, sah ihn fragend an und ließ sich dann einfach zurückfallen. Yukimura sah ihm eine Sekunde nach, doch die Neugier ließ ihn sich ebenfalls zurückfallen und nach einigen Minuten fanden sie sich am Ende des Trosses wieder. „Ihr scheint mir nicht gerade wohlgesonnen zu sein? Warum so feindselig?“, fragte Oyamada offen. „Das fragt Ihr mich? Entschuldigt bitte, wenn ich jetzt ungehalten wirke, aber wart Ihr es nicht, der Sasuke gestern Tee geschenkt hat? Tee, der ihn schläfrig macht, sodass Ihr in mein Zimmer schleichen konntet?!“, fauchte Yukimura. „Bitte was?“, fragte Oyamada und sah den General überrascht an. „Fragt nicht noch so unschuldig! Sasuke hat mir von Eurem Gast erzählt, der Euch europäischen Tee mitgebracht hat. Ihr habt mit Sasuke gestern noch gesprochen und ihm davon etwas geschenkt! Er hat ihn ausprobiert und als bei mir wachen sollte, ist er davon eingeschlafen! Er war wie betäubt! Stellt Euch also nicht dümmer als Ihr vielleicht seid!“, knurrte Yukimura. „Sasuke Sarutobi war bei mir und hat mit mir gesprochen? Und ich habe ihm Tee geschenkt? Davon weiß ich nichts.“, sagte Oyamada nachdenklich. Yukimura war verwirrt. Der Mann klang ehrlich, aber vielleicht war er auch nur ein guter Schauspieler. „Ihr wisst davon nichts? Wie kann das sein?!“, fauchte er ihn an. „Es stimmt, ich habe Besuch. Ein Freund meines Vaters, hat er gesagt. Ich kenne meinen Vater kaum, geschweige denn Freunde von ihm, also glaube ich es ihm erst einmal. Er hat europäischen Tee mitgebracht, das stimmt. Aber nur weil er europäischen Händlern begegnet ist. So hat er es mir jedenfalls gesagt. Aber mit Sasuke habe ich wirklich nicht gesprochen. Gestern, sagt Ihr?“ „Ja, gestern! Ich schätze mal, dass es am frühen Abend war, denn Sasuke war abends bei mir.“ „Glaubt es mir oder nicht, Sanada... Da habe ich geschlafen.“, sagte Oyamada. Yukimura zog die Augenbrauen zusammen. „Ach, habt Ihr das? Und mit wem, wenn ich fragen darf, hat dann Sasuke gesprochen?“ Auf Oyamadas Gesicht war für eine Sekunde eine Art Schreckstarre zu erkennen. „Oh … Ich fürchte, er hat mit meinem Besuch gesprochen. Sonst war niemand da. Und ich muss zugeben, dass er Ähnlichkeit mit mir hat... Und er hat mir auch gesagt, dass Sasuke da war und das wir heute ins Feld ziehen...“ Yukimura atmete tief durch. Was geht hier vor? Er sah gedankenverloren auf den Rist seines Pferdes. „General? Ihr habt gesagt, ich hätte mich in Euer Zimmer geschlichen... Warum sollte ich das tun? Wenngleich Ihr durchaus nicht ablehnenswert seid... Ich wüsste gar nicht, wo sich Euer Zimmer befindet.“, sagte Oyamada und versuchte in Yukimuras Gesicht zu sehen. Yukimura zuckte zusammen. Nicht ablehnenswert?! Er sah ihn an und Oyamada konnte nicht sicher sagen, ob es Überraschung oder Wut war. „Und wer sollte sich dann in mein Zimmer schleichen?“, zischte Yukimura. „Vielleicht... hat Euch Sasuke ja getäuscht, damit er einen Grund mehr hat, bei Euch zu sein.“, meinte Oyamada. „Was redet Ihr da für einen Unsinn? Sasuke hat es nicht nötig, sich selbst zu betäuben, nur damit ich wie eine Glucke um ihn herum laufe und ihn in mein Zimmer hole! Und selbst wenn, dann hätte er nicht vorher in mein Zimmer kommen können, damit ich davon wach werde!“ Oyamada schwieg darauf. Yukimura quittierte dies damit, dass er ihn dort allein ließ und auf der anderen Seite des Trosses weiterritt. Dabei sah er sich nach Sasuke um. Sein hellbrauner Hengst musste ihm sofort ins Auge fallen, so einen gab es in diesem Tross kein zweites Mal. Was geht hier nur vor? Hat Sasuke mit dem Fremden gesprochen? Aber warum hat er mir das denn nicht gesagt? Oder sieht Oyamadas Gast ihm wirklich so sehr ähnlich, dass es selbst Sasuke als Ninja nicht aufgefallen ist? Das kann ich mir nicht vorstellen... Nach ein paar Minuten fand er den Ninja etwa auf der Hälfte des Trosses bei der Kontrolle einer der Wagen. „Es ist alles in Ordnung, wir müssen deswegen nicht anhalten!“, rief er dem Wagenführer zu und sah dann Yukimura. „Meister Sanada, Ihr hier? Ich dachte, Ihr seid bei Fürst Takeda und Oyamada?“ „Bei Oyamada war ich gerade, das stimmt allerdings. Er hat mich zur Rede gestellt, weshalb ich ihm gegenüber so feindselig reagiere.“ „Meister Sanada... Ihr habt Euch hoffentlich nicht unrühmlich verhalten?“ „Ich? Unrühmlich? Sasuke!“, fauchte Yukimura. „Ich meine ja nur, immerhin seid Ihr sehr schnell aufbrausend.“ „Ja allerdings! Ich habe ihn nämlich auch zur Rede gestellt, was ihm einfällt dir einen Betäubungstee zu geben!“ Sasuke bedeckte seufzend die Augen mit der Hand. „Nein... Das habt Ihr nicht wirklich getan?“ „Oh doch, das habe ich! Und weißt du, was er gesagt hat?“ „Was denn?“, fragte Sasuke und es hörte sich nach wenig Interesse an. „Er sagt, er hat weder mit dir gesprochen noch hat er dir den Tee geschenkt! Er hat geschlafen, sagt er!“, entrüstete sich der Jüngere. Sasuke sah ihn einen Moment an. „Wie soll das gehen? Ich habe ihn doch gesehen!“ „Du hast seinen Gast gesehen! Er hat gerade selbst gesagt, dass er Ähnlichkeit mit ihm hat.“ Sasuke sah verstört auf sein Pferd herab. Wie konnte ihm, einem perfekt ausgebildetem Ninja, nur so etwas passieren? „Das kann nicht sein... Er sah genauso aus, nur seine Stimme klang ein wenig anders, er sagte er sei etwas kränklich.“ „Sasuke... Hast du dich wirklich täuschen lassen, oder...“ Der Ninja sah ihn scharf an. „Oder was?“, fragte er, ahnend, was Yukimura sagen wollte. „Oyamada hat dir unterstellt, dass du dir das alles ausgedacht hast... Aber das kann ich noch viel weniger glauben...“ Sasuke ließ ein verächtliches Geräusch vernehmen. „Wie hätte ich betäubt in Euer Zimmer gehen sollen, ohne dass Ihr es merkt... Schließlich habt Ihr mir doch gesagt, es war jemand in Eurem Zimmer. Das hätte ich ja gar nicht geschafft. Nachdem Ihr mich geweckt hattet, war ich so wackelig auf den Beinen, dass Ihr mich andernfalls schon beim Reinkommen gehört hättet...“ „Aber wer war es denn dann? Dieser Fremde? Ich wüsste nicht, was der wollen sollte.“, überlegte Yukimura. „Ich auch nicht... Und wenn Oyamada Euch nun auch etwas vorgespielt hat? Um Zweifel zu säen?“ „Meinst du? Aber ich wüsste trotzdem nicht, was er von mir wollen könnte... Er kennt mich doch nur vom Namen her und erst seit heute auch persönlich...“ „Die Welt ist komisch, Meister Sanada. Man weiß nie, was manche Menschen denken oder warum sie so handeln, wie sie handeln.“, philosophierte Sasuke. Yukimura sah ihn stirnrunzelnd an. „Da magst du Recht haben. Aber ich will wissen, was hier los ist...“ Sasuke sah ihn mit einem Lächeln an. „Zerbrecht Euch darüber jetzt nicht den Kopf.“, sagte er. Yukimura hätte schwören können, dass es dasselbe Lächeln wie heute morgen war. „Nagut... Ich werde es versuchen.“, sagte er. Sasuke nickte. „So kenne ich Euch.“ Am Abend erreichten sie eine Ebene, auf der der Fürst Takeda beschloss, dass sie dort zur Nacht ihre Zelte aufschlugen. Morgen würde es dann nur noch ein kurzer Ritt bis nach Utusnomiya sein. Damit das Auf- und Abbauen nicht zu lange dauerte, hatte Fürst Takeda entschieden, dass die Soldaten sich zu zweit die Zelte teilten. Gleiches galt auch für alle anderen. Nur er schlief allein mit einer Wache vor seinem Zelt. Das bedeutete jedoch auch, dass sich Oyamada und Yukimura ein Zelt teilten. Sasuke hatte sich bereit erklärt, vor ihrem Zelt zu wachen. Gemeinsam mit Fürst Takedas engstem Vertrauten baute Yukimura das Zelt auf. Sie schwiegen dabei und als es fertig war prüfte Oyamada noch einmal alles nach. Yukimura beobachtete ihn dabei missgestimmt. Als ob er kein Zelt aufbauen könnte! Oyamada schlug die Zeltplane auf und kroch hinein um seinen Platz mit ein paar Decken auszulegen. Knurrend marschierte Yukimura zu einem der Wagen und fragte nach einem Fell und einer Decke. Beides bekam er dort und legte es sich im Zelt neben Oyamada zurecht. Dann ging er noch einmal hinaus zu Sasuke, der an einer Ecke des Zeltes saß. „Pass bitte gut auf, ich trau ihm nicht.“, flüsterte er ihm zu. Sasuke nickte nur und Yukimura ging wieder hinein, legte sich auf das Fell und verkroch sich unter seinem Mantel und der Decke. Oyamada kehrte er den Rücken zu. Der jedoch stützte sich auf seinen Ellbogen und sah Yukimura an. „Wollt Ihr nicht mit mir reden oder schlaft Ihr schon?“, fragte er leise. „Ich schlafe!“, murrte Yukimura. „Oh, dafür könnt Ihr mir noch ziemlich deutlich anworten.“ Yukimura drehte sich gereizt um und wäre mit seinem Gesicht beinahe gegen Oyamadas geprallt. Erschrocken wich er etwas zurück. Der Andere musste lächeln und Yukimura hatte keine Chance, als das gütliche Gesicht Meister Katakuras aus seiner Erinnerung auftauchte. „Wisst Ihr... Das vorhin... als ich sagte, Ihr seid durchaus nicht ablehnenswert... Das war ernst gemeint.“, sagte Oyamada. Yukimura sah ihn verwirrt an. „Wie...“ „Nun ja, Ihr habt ein hübsches Gesicht, aber das hört Ihr sicher oft.“, sagte Oyamada und betrachtete Yukimura eingehend. Der schüttelte nur, immer noch verwirrt, den Kopf. „Nicht? Wie schade, denn es ist wahr. Und auch der Rest von Euch ist nicht zu verachten.“ Yukimura war immer noch unfähig, etwas dazu zu sagen. Was hätte er auch sagen sollen? Solche Worte hatte noch nie jemand zu ihm gesagt, nicht einmal Fürst Date! Irgendwie bestärkte es ihn noch in dem Gedanken, dass der Drache von Oshu nur mit ihm gespielt hatte. „Ihr seid wirklich schön...“, wiederholte Oyamada und seine Hand wanderte sachte über Yukimuras Wang bis zu seinem Ohr. Als Yukimura es endlich vollkommen realisiert hatte was hier gerade passierte, lag Oyamadas Hand bereits auf seiner Schulter. „Glaubt mir, ich bin nicht in Euer Zimmer geschlichen. Aber vielleicht würde ich es tun, wenn ich wüsste, wo es liegt...“, sagte er leise. Yukimura starrte ihn erst mit offenem Mund an. Es war als würde er selbst gar nichts dazu tun, aber im nächsten Augenblick klatschte es laut. Auf Oyamadas Wange bildete sich sofort ein roter Handabdruck und Yukimura stürmte aus dem Zelt. Sasuke sah erschrocken zu, wie der General aus dem Zelt hastete und auf das angrenzende Feld rannte. Er warf einen Blick in das Zelt und sah nur Oyamada, die Hand auf die Wange gelegt, nahe an Yukimuras Nachtlager sitzend und überrascht dreinblickend. Ohne Worte aber mit einem grimmigen Blick ließ er ihn dort sitzen und lief dem jungen General nach. „Meister Sanada!“, rief er so laut, dass Yukimura ihn hören musste, aber leise genug, dass er nicht die ganzen Soldaten damit weckte. „Wo seid ihr??“ Ein Rascheln rechts von sich, ließ den Ninja dorthin schauen. Da es bereits dunkel war, konnte er nichts erkennen. „Meister Sanada?“, hakte er leise nach. Er ging voran und als seine Hand endlich etwas vor ihm Stehendes berührte, hielt er inne. „Meister Sanada! Was ist passiert?“, fragte er. Yukimura drehte sich zu ihm um. Im Dunkeln konnte er den Ninja fast nicht erkennen. Der Himmel war verdeckt, es war also so gut wie nichts zu erkennen. Er hoffte, die riesige Wolke würde bald verschwinden, dann würde der Mond ihnen etwas Licht spenden. Das er da war, war zu sehen, dann an anderen Stellen des Himmels war es etwas heller, die Ränder der Wolke waren eindeutig sichtbar. „Er... er...“, stammelte Yukimura. „Was? Hat er Euch angerührt?“, knurrte Sasuke. „Nein, nicht direkt...“ „Was bedeutet nicht direkt?“ „Lass es, er hat mir nichts getan.“, sagte Yukimura. Sasukes Hand an Yukimuras Arm bebte. Wenn der General das nicht merkte, dann wusste er auch nicht weiter. Wie konnte er sagen, dass nichts geschehen war? Er war aus dem Zelt geflüchtet und Oyamada hatte offensichtlich eine Ohrfeige bekommen. „Meister Sanada... Das nichts passiert ist, könnt Ihr sonst wem erzählen. Aber nicht mir! Oyamada hat eine Ohrfeige von Euch erhalten und seid aus dem Zelt geflüchtet, wie ein Reh vor dem Jäger! Jetzt sagt schon, was ist passiert?!“, forderte Sasuke. Seine Stimme klang sanft aber gereizt zugleich. Yukimura überlegte, wie er es erklären sollte. „Er hat mir ein Kompliment gemacht, das ist alles.“, murmelte er. „Was soll das denn für ein Kompliment gewesen sein?“, meinte Sasuke verächtlich. „Ich glaube nicht, dass das allein der Grund für eine Ohrfeige und Eure Flucht sein kann.“ Die Wolke verzog sich endlich und Yukimura als auch Sasuke konnten einander endlich erkennen. Yukimura sah die ehrliche Sorge im Gesicht des Ninjas und Sasuke wiederum sah im Gesicht des Generals eine Mischung aus Panik und Wut. Sasuke seufzte und legte eine Hand an Yukimuras Wange. „Meister Sanada... Tut nicht ständig so, als wäre nichts gewesen. Ich glaube Euch das nicht.“, sagte er. Yukimura antwortete darauf nicht. Er nahm nur Sasukes Hand, führte sie zu seinem Ohr und dann hinunter auf seine Schulter. Mit dem Blick war er der Bewegung gefolgt und sah nun wieder Sasuke an. Der schaute ihn völlig konfus an. „Das hat er mit mir gemacht. Sonst nichts. Und du weißt, wie ich auf so etwas reagiere, du kennst mich. Du hast doch selbst gesagt, ich habe von Liebe keine Ahnung. Wie hätte ich denn darauf reagieren sollen?“, sagte Yukimura. Sasuke schluckte schwer. „Ihr habt richtig reagiert... Erlaubt Ihr...??“, sagte er und noch während er fragte, zog er Yukimura in seine Arme und hielt ihn fest. „Sasuke?“, fragte Yukimura verwirrt. „Sagt nichts.“, sagte Sasuke leise und drückte Yukimuras Kopf auf seine Schulter. Yukimura schien zu verstehen und dann spürte Sasuke wie sich der General an ihm festhielt und sich an ihn schmiegte. Ja, oft reichte eine Umarmung völlig aus um alles zu sagen. „Ich will nicht mit ihm in einem Zelt schlafen, Sasuke.“, murmelte Yukimura. Sasuke ließ ihn los und nickte. „Warte hier. Ich bin gleich zurück.“ Nach ein paar Sekunden kehrte Sasuke mit Yukimuras Decke und dem Fell zurück. Er trat ein paar der Pflanzen so platt, dass er das Fell und eine dritte Decke darauf legen konnte. Dann bat er Yukimura stillschweigend Platz zu nehmen und setzte sich dann neben ihm. „Wenn es Euch nichts ausmacht, dann schlafen wir heute Nacht hier. Ich passe auf Euch auf.“ Yukimura nickte und legte sich hin. Sasuke deckte ihn zu und sah zum Mond hinauf. Tsukiyumi... Das hätte ich nicht erwartet, ich sollte es ihn nur lehren, nicht selbst darin versinken. Lass mich nicht die Beherrschung verlieren, es reicht, wenn Oyamada schon genug Unheil gestiftet hat... Plötzlich spürte er, wie Yukimura an seinem Handgelenk zog. Als er zu ihm sah, bemerkte er, dass er ihn beobachtet haben musste. „Bitte... leg dich auch hin. Ich komm mir sonst blöd vor.“, sagte Yukimura kleinlaut. „Wie Ihr wollt.“, sagte Sasuke lächelnd über diese Situation, obwohl es seine eigene Situation nicht besser machte, wenn er neben Yukimura lag. Zu allem Übel schmiegte sich der Jüngere auch noch an ihn an. Sasuke wurde das Herz schwer. Er durfte das alles nur mit den Augen eines Lehrers betrachten und nicht mit seinem Herzen. Seine Gefühle hatten hier keinen Platz! Auch wenn sich der General noch so sehr an ihn schmiegte und es ihm noch so sehr schmerzte. Er hatte einmal den Arm um ihn gelegt und sich von seinen Gefühlen überwältigen lassen, sodass er sich gerade so zurückhalten konnte. Noch einmal konnte er das nicht wagen. Sasuke dachte an den morgigen Tag und daran, dass Fürst Date sich wohl nicht den Reis von den Feldern stehlen lassen würde. Der Drache würde alles geben. Mit dem Gedanken an die bevorstehende Schlacht schlief auch er etwas beruhigt wieder ein... Kapitel 13: Der Feldzug nach Süden ---------------------------------- Kojuro hatte die ganze Nacht den Feldzug vorbereitet und ritt nun die Reihen der Soldaten ab und an dem Versorgungswagen vorbei bis zu Masamune. Neben ihm hielt er an und nickte. „ALL RIGHT! LET'S GO!!“, brüllte dieser zur Bestätigung und die Soldaten hinter ihm antworteten lautstark. Dann ritten sie los. Gerade schnell genug, dass auch der Versorgungswagen mit Proviant für alle sowie Decken und Zelten mithalten konnte. „Bist du nicht müde? Du warst bestimmt die ganze Nacht wach, Kojuro?“, fragte Masamune nach einer Weile. „Etwas, ja. Aber schlafen kann ich jetzt nicht. Dann kommt der Wagen nicht mehr hinterher, wenn ich mich da auch noch drauf lege. Macht Euch um mich keine Sorgen, wir kommen schon am Ziel an.“, entgegnete Kojuro. „Wenn du meinst.“, sagte Masamune und sie ritten stillschweigend weiter. Kurz vor Sonnenuntergang erreichten sie Sakura. Das kleine Dorf lag an einem Fluss. Um die Menschen nicht unnötig in Unruhe zu versetzen entschied Masamune, dass sie ihr Lager etwas entfernt vom Dorf aufschlugen. Am Waldrand banden die Soldaten ihre Pferde an und holten sich Zelte und Decken vom Wagen. Die meisten der Männer waren recht trickreich. Da es sehr warm war legten sie die Zeltplanen der Länge nach auf das Gras sodass sich vier Mann darauf hinlegen konnten und jeder von ihnen jederzeit kampfbereit war, weil sogar ihre Waffen noch neben sie passten. Einige holten sich auch nur die Decken, legten sie auf das Gras und schliefen darauf. Masamune ließ das größere der Zelte für sich und Kojuro aufbauen. Dort legte er dann die Rüstung ab und zog sich einen bequemeren Hakama an. Hier würde Takeda sie nicht angreifen. Wenn sie zeitgleich losgezogen waren, dann würde auch Takeda eine Pause kurz vor Utsunomiya machen müssen. Masamune trat vor das Zelt und ließ sich dann auf einen kleinen flachen Fels nieder der vor dem Zelt war. Kojuro ging ebenfalls ins Zelt und zog sich einen Großteil der Kleider aus, sodass er wie auf dem Feld gekleidet wieder herauskam. „Worüber denkt Ihr nach?“, fragte Kojuro. „Wie ich Takeda erreichen kann, bevor unsere Soldaten sich gegenüberstehen.“ „Soll ich einen Boten schicken?“ „Nein, ich bezweifle, dass das etwas bringen wird. Shibata hat so viel Verwirrung gestiftet, dass ich kaum glaube, dass Takeda sich noch irgendwas einreden lässt. Ich werde wohl eher auf Yukimura hoffen müssen. Vielleicht kann ich ihn irgendwie erwischen, damit wir das ganze beenden, noch bevor es anfängt.“ Kojuro ließ ein Knurren vernehmen und Masamune fiel wieder ein, wie wütend er reagiert hatte, als Shibata seine Version des harmloseren Geschehens vorgetragen hatte und Masamune ihm hinterher gesagt hatte, was tatsächlich alles passiert war. Inzwischen hatte er Zeit genug gehabt, sich über diesen Gefühlsausbruch Kojuros Gedanken zu machen. Er war nur zu einem Schluss gekommen, aber er konnte nicht ganz glauben, dass es das sein sollte. „Kojuro? Können wir reden?“ „Tun wir das nicht gerade?“ „Ungestört...“, brummte Masamune und sah zum Fluss hinunter. „Dann lasst uns gehen, Fürst. Am Fluss dürfte es ruhig genug sein.“, meinte Kojuro. Masamune erhob sich und gemeinsam gingen sie zum Ufer hinunter. Die Sonne ging gerade unter und das Wasser fing an sich rötlich zu spiegeln. „Worüber wollt Ihr sprechen?“, fragte Kojuro. Masamune setzte sich auf das weiche Gras. „Über deinen Wutausbruch...“ „Habt Ihr darüber nachgedacht?“ „Ja, ich hatte zwischendurch ausreichend Zeit dazu. Mir fällt nur ein Grund ein, aber ich glaube nicht wirklich, dass es das ist.“ „Welcher Grund?“ Masamune sah Kojuro an, der stur auf den Fluss sah. „Erinnerst du dich an den Tag, an dem ich meinen Vater sterben lassen musste?“ „Oh ja... Wie könnte ich mich nicht an diesen Tag erinnern...“ „Ich konnte nicht schlafen und bin zu dir gekommen. Bei dir konnte ich nach einer Weile endlich einschlafen.“ „Ich erinnere mich... Aber wie kommt Ihr jetzt darauf?“, fragte Kojuro. „Weißt du... Ich habe mich nahe an deine Seite gelegt und du hast mir über die Schulter gestreichelt. Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Aber eigentlich...“ Kojuro spürte einen Kloß im Hals. Er hätte ihn damals so gerne fest an sich gedrückt, aber er hatte sich zurückgehalten. Er schluckte. „Eigentlich?“, hakte er nach. „Eigentlich... habe ich mir mehr gewünscht. Aber nun gut, das ist Vergangenheit.“, sagte Masamune. Kojuro atmete tief ein und dann wieder aus. Hätte ich es damals doch nur gemacht! Hätte ich ihn doch nur in den Arm genommen! „Weißt du noch, letztes Jahr? Als du mich allein auf dem Schlachtfeld gelassen hast? Und dann Seppuku begehen wolltest, weil du mich nicht beschützen konntest?“, fragte Masamune. Kojuro runzelte die Stirn. „Ja, auch daran erinnere ich mich gut.“, meinte er stutzend. „Ich war ziemlich wütend auf dich. Weil du mich auf dem Schlachtfeld zurückgelassen hast und dann weil du mich ganz allein lassen wolltest.“, sagte Masamune. „Das habe ich gemerkt. Dafür habt Ihr sogar Euren verwundeten Arm außer Acht gelassen...“ „Das war mir egal, ich war wütend auf dich.“ Kojuro konnte ein Lachen nur schwer unterdrücken. Es stimmte, Masamune hatte sein verwundeter Arm überhaupt nicht interessiert, sondern nur, dass er – Kojuro – bereits das Wakizashi für seinen seppuku angesetzt hatte. Letzteres war in hohem Bogen gegen die Wand geflogen und Kojuro hatte Masamunes Hand zu spüren bekommen. Nur was das alles jetzt mit dem Grund für seinen Wutausbruch zu tun haben sollte, erschloss sich Kojuro noch nicht. „Nagut, an unser letztes längeres Gespräch wirst du dich mit Sicherheit erinnern. Nachdem Yukimura wieder nach Hause abgereist ist.“ „Ja natürlich. Aber würdet Ihr mir den Gefallen tun und endlich auf den Punkt kommen?“, fragte Kojuro. „Das will ich gerade, Kojuro. Du hast gesagt, dass du dich damals sehr gefreut hättest mein Shudo-Meister zu sein und dass das auch jetzt noch so ist. Und jetzt bist du ja mein Meister. Aber... warum wolltest du das unbedingt? Wenn ich das, deinen Wutausbruch und die anderen beiden Situationen zusammennehme... komme ich nur auf eines, aber... Kojuro, du bist mein treuester Gefährte, mein rechtes Auge und das schützende Schwert in meinem Rücken...“, sagte Masamune. Kojuro sagte nichts dazu, sondern sah nur auf das Wasser. „So wütend wie du reagiert hast... so reagiert nur jemand, der...“, begann Masamune. „... der liebt...“, beendete Kojuro den Satz. Masamune sah ihn an, die linde Überraschung in seinem Gesicht sah Kojuro nicht, weil er immer noch auf das Wasser starrte. „Also... heißt das, dass du mich liebst?“, fragte er. Kojuro wandte sich endlich ihm zu, kam näher und setzte sich an die Seite des Fürsten. „Ja... Nur unsere unterschiedlichen Ränge machen dem einen Strich durch die Rechnung. Ihr seid der Fürst von Oshu... Ich nur Eurer Ratgeber.“, sagte er. „Ach vergiss die Ränge!“, fauchte Masamune. Kojuro sah ihn verdutzt an. „Wie?“ „Du hast mich schon verstanden!“ „Mein Fürst... Ich hab da etwas völlig vergessen... Euer Vater hat vor seinem Tod noch einiges für Euch in die Wege geleitet... das meiste hat sich bereits erledigt, aber eines bleibt noch.“, sagte Kojuro. „Was? Wie kommst du jetzt auf sowas?“, fragte Masamune grimmig. „Ihr solltet das wissen, bevor... Euer Vater hat für die Zukunft vorgesorgt. Mir fiel das erst wieder ein, als letzte Woche der Brief kam. Er hat sehr früh ein Mädchen gefunden, dass Ihr heiraten sollt. Sie dürfte jetzt ebenfalls in Eurem Alter sein. Sie heißt Akina und soll bald zu Euch gebracht werden.“, erklärte Kojuro. Masamune sah ihn geschockt an. „Wie bitte? Das sagst du mir jetzt? Warum jetzt, Kojuro?“ Sein Vasall erwiderte den Blick, jedoch schaute er ihn bitter an. „Wann hätte ich es denn sagen sollen? Als Ihr in Eurer jugendlichen Wildheit auf alles und jeden eingeschlagen hättet, nur damit das nicht passiert? Undenkbar! Hätte ich es Euch sagen sollen, wenn das Mädchen vor den Toren der Burg steht? Ein noch schlechterer Zeitpunkt! Mein Fürst, wann, wenn nicht jetzt, sollte ich Euch davon erzählen?“ Masamune war überrascht, denn er hörte deutlich, dass sich Kojuros Stimme zwischen Ärgernis und Schmerz nicht entscheiden konnte. Zweifellos ärgerte es Kojuro, dass der Fürst so pampig reagiert hatte und es schmerzte ihn, dass der alte Date Terumune überhaupt so etwas eingefädelt hatte. Und Masamune ärgerte letzteres ganz gewaltig. „Egal wann... Dass mein Vater das überhaupt gewagt hat! Als ob ich das nicht allein könnte!“, fluchte er. „Sicher hättet Ihr das auch allein gekonnt, aber Euer Vater wusste schon, dass Ihr das nicht tun würdet, weil Ihr Euch zu sehr mit den Regierungsgeschäften für das Lehen beschäftigen würdet. Und er hat Recht behalten.“ „Blödsinn!“, fauchte Masamune. „Als ob ich mich ständig nur in Arbeit stürzen würde... Da kommst du einfach jetzt mit dieser Nachricht, wo ich gerade verstehe, was du eigentlich empfindest... und ich.“ Kojuro sah auf. Und ich? „Mein Fürst?“ „Weißt du... du hast von mir erwartet, dass ich sofort verstehe, warum du so wütend bist. Wahrscheinlich erwartest du auch, dass ich mich dafür entschuldige.“ „Genau genommen... Ja. Auch wenn mir dieses Recht, Euch eine Entschuldigung abzuringen, eigentlich nicht zusteht.“, sagte Kojuro. Masamune ließ ein Lachen vernehmen. „Ja... Ich verstehe inzwischen, was du fühlst. Aber eine Entschuldigung, für das was ich getan habe, wirst du nicht bekommen. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, was du empfindest – warum hätte ich also anders handeln sollen? Was ich nicht weiß, kann ich in meine Handlungen auch nicht einbeziehen.“ „Da habt Ihr Recht und dem füge ich mich.“ Der Fürst sah ihn wieder an. „Während du das von mir erwartet hast... hab ich die ganze Zeit nie von dir erwartet, zu sehen, was ich eigentlich fühle. Natürlich, du siehst wie ich mich fühle und weißt, wie ich bin... Aber wenn es um dich geht, habe ich nie erwartet, dass du es bemerkst.“ „Wie meint Ihr das?“, fragte Kojuro verwirrt. „Noch bevor du den Raum betrittst, merke ich, dass du es bist. Und wenn du ihn betrittst, dann... Seit einiger Zeit ist es wie ein Kribbeln auf der Haut. Wie auch immer du das anstellst.“, gestand Masamune. Kojuro stellten sich gefühlt die Nackenhaare auf. Hatte er das gerade wirklich gehört? Der Fürst verspürte ein Kribbeln auf der Haut, sobald er auch nur den gleichen Raum betrat wie er? Das träumte er doch nur! „Es ist immer noch sehr warm. Wollen wir uns nicht abkühlen?“, fragte er vorsichtig. Masamune runzelte die Stirn. „Wenn du willst...“, meinte er nur. Kojuro ging nah ans Ufer, warf die Kleider beiseite und ging ins Flusswasser. Masamune sah ihm zu und spürte wieder dieses Kribbeln auf der Haut, wie ein Schauer der ihm über den Rücken lief. Als Kojuro bis zur Nase im Wasser verschwunden war, zog auch er den Hakama aus und ging hinterher. Unter Wasser zog er auch den letzten Stoff an seinem Körper aus und warf ihn ans Ufer. Kojuro bemerkte es und tauchte ab, nur um kurz danach nach Luft ringend wieder aufzutauchen. Er strich die Haare wieder nach hinten und sah Masamune einen Moment an. Dann flog ein weiteres Stoffstück zum Ufer. Der Fürst folgte dem mit einem überraschten Blick und als er zurück zu Kojuro sah, war dieser nahe vor ihm. „Ich glaube... es wird langsam Zeit für den letzten Teil der Shudo-Ausbildung...“, sagte Kojuro leise. Da Masamune keine Antwort gab sondern ihn einfach nur ansah, wartete Kojuro einen Moment. Doch der Fürst war es, der den ersten Schritt machte. Er hob die Hand aus dem Wasser und strich sanft über die alte aber gut verheilte Narbe auf Kojuros Wange. Kojuro genoss den Moment, denn das hatte der Fürst so noch nie getan. Und er war Schuld an dieser Narbe. Nun gut, sie waren beide daran Schuld. Schließlich wollte Kojuro einmal wissen, was unter der Augenklappe des Fürsten wirklich zu sehen war und Masamune wollte es selbst im Halbschlaf partout nicht zulassen. Er hatte damals nach seinem kleinen Schwert gegriffen und damit Kojuros Wange gestreift. Es hatte fürchterlich geblutet, aber am Ende war der Schnitt nicht dramatisch, sodass nur eine Narbe blieb die Kojuro keineswegs entstellte, wie Masamune fand. Sie machte diesen großen und starken Mann nur noch schöner, fand der Fürst. Kojuro war sich nicht sicher, ob er es tun sollte. Immerhin stand der Fürst im Rang weit über ihm. Hatte er damit überhaupt das Recht, ihn einfach zu küssen? Aber Fürst Masamune hatte vor ein paar Minuten selbst gesagt, er solle den Rang vergessen. Also legte Kojuro eine Hand auf den Rücken des Fürsten und schob sie langsam in dessen Nacken. Gleichzeitig näherte er sich ihm genauso langsam. Der Anblick, wie Masamune langsam und genießerisch das gesunde Auge schloss, war zu schön, als dass er ihn nicht einen Moment lang betrachten sollte. „Ihr seid schön. Seit ich Euch das erste Mal gesehen habe, wusste ich, dass Ihr eine Schönheit werden würdet. Ihr habt mich nicht enttäuscht.“, flüsterte Kojuro und hauchte einen sanften Kuss auf Masamunes Lippen. Ein Schauer jagte durch Masamunes Körper. Ein solches Gefühl hatte er noch nie erlebt. Als er Yukimura geküsst hatte, hatte er so etwas auch nicht empfunden. Mit dem jungen General war es zwar schön gewesen, aber das hier übertraf einfach alles. „Sag sowas nicht...“, quetschte er hervor. „Oh doch... Von Anfang an hatte ich ein unbestimmtes Gefühl. Als Ihr langsam erwachsen wurdet, habe ich es verstanden und in der Nacht, als Euer Vater starb, habe ich meine Gefühle verschlossen. Ihr ward der Fürst und ich hatte nicht das Recht Euch... Euch zu lieben...“, erzählte Kojuro leise und seine Stimme klang etwas rauher als sonst. Masamune hörte mit Freude diesen Klang. „Oh du hast alles Recht der Welt...“, seufzte er. „Nicht doch... Ihr seid der Fürst, ich nur Euer Vasall.“, sagte Kojuro und küsste ihn vorsichtig. „Trotzdem. Wir haben jetzt wohl einiges nachzuholen. Ich hätte mir damals sehr gewünscht, dass du mich in den Arm nimmst um mich von der Trauer abzulenken.“, meinte Masamune. Kojuro verstand und drückte den Fürsten fest an sich. Sein Gesicht vergrub er am Nacken des Fürsten und atmete seinen Duft tief ein. Der Jüngere genoss die Umarmung und das Gefühl von Kojuros Körper an seinem. Die warme Haut Kojuros ließ ihm einen weiteren Schauer über den Rücken laufen. Plötzlich riss sich Kojuro los und stieß sich ein paar Meter vom Fürsten weg. Masamune runzelte die Stirn, doch dann bemerkte er es auch. Kojuro sah zum Ufer und zu der leichten Erhebung die auf die kleine Anhöhe führte, auf der sie ihr Lager aufgeschlagen hatten. Dort tauchte nur Sekunden später einer der Soldaten auf. „Hier seid ihr!“, sagte er erleichtert. „Was gibt es denn?“, knurrte Kojuro, während der Fürst an einen flachen Fels im Fluss schwamm und ihn beobachtete. „Wir haben dich und den Fürsten gesucht, Meister Katakura!“ „Und warum? Was ist so wichtig, dass du stören musst?“ „Verzeihung... Ich wusste nicht, dass ich störe... Wir haben nur Fürst Date nicht mehr finden können und dich auch nicht. Wir haben ihn und dich gesucht. Aber jetzt weiß ich ja, dass du und der Fürst euch etwas abkühlt.“, stammelte der Soldat und verschwand eilig wieder. Knurrend schwamm Kojuro zu Masamune zurück. Als er bei ihm ankam, schwappte das Wasser dem Fürsten bis zum Hals und Kojuro bedeckte seine Lippen mit einem fordernden Kuss. Endlich! Seine Hände suchten den Körper des Fürsten und ein Seufzen sagte ihm, dass er alles richtig machte. Masamune genoss die Berührungen. Kojuros Hand war warm und zärtlich und das wilde Kribbeln überall war einfach wunderbar. Es machte seine Knie weich wie Butter und er hatte das Gefühl abzusinken, aber Kojuro hielt ihn fest. Dieses verrückte Gefühl machte ihn ganz konfus und seine Stimme schien ihm nicht mehr gehorchen zu wollen, sodass Kojuro ihm vorsichtshalber den Mund zuhielt, damit die Soldaten nichts mitbekamen. Für Masamune war das nur noch eine Steigerung des Gefühls, aber er genoss es. Kojuros warmer Atem an seinem Hals ließ ihn immer wieder erschauern. Es war ein wohliges Gefühl und Kojuros ganze Stärke wahrzunehmen, war ein ebenso unglaubliches Gefühl. Wie von weit her hörte er die Stimme seines Vertrauten. „Wie lange habe ich darauf gewartet... es mir sehnlich gewünscht...“, flüsterte Kojuro rauh. Masamune konnte nichts antworten, er drückte sich nur verlangend gegen ihn und wollte nichts mehr anderes, als ihn spüren... Kapitel 14: Der Spion --------------------- Als Sasuke am Morgen erwachte, war es noch dämmrig. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber er konnte schon einiges erkennen. Sein Blick fiel auf den jungen General neben ihm. Er schlief noch friedlich, dass Gesicht lag nahe an seiner Brust. Sasuke strich ein paar wirre Strähnen beiseite. Er sieht so unschuldig aus. Ich kann nicht glauben, dass Fürst Date ihn wirklich verführt haben sollte. Vielleicht hat er wirklich die Wahrheit gesagt und es ist nie auch nur irgendetwas passiert. Aber dann würden wir uns hier für nichts in eine Schlacht stürzen... Sasuke seufzte und strich vorsichtig über Yukimuras Arm. Er hätte das noch stundenlang machen können, doch der General regte sich und schaute ihn dann blinzelnd an. „Guten Morgen, Meister Sanada.“, sagte Sasuke lächelnd. Yukimura sah sich kurz um und schien dann zu überlegen. „Wir haben nicht wirklich hier...“, begann er. Sasuke zog eine Augenbraue hoch und hätte am liebsten laut gelacht, wenn er damit nicht die anderen geweckt hätte, die sie sicher gehört hätten. „Ihr habt geschlafen. Ich habe geschlafen. Sonst nichts.“, sagte er stattdessen und amüsierte sich, als er sah wie der andere hochrot anlief. „Sasuke!“, fluchte Yukimura leise. „Es ist nichts passiert. Macht nicht so einen Aufstand!“ Yukimura knurrte etwas unverständliches und richtete sich dann auf. „Aber wenn Ihr das unbedingt wollt, können wir das einrichten. Ihr müsstet nur leise sein.“, fügte Sasuke schelmisch grinsend hinzu. Wieder wurde der General rot und Sasuke freute sich diebisch. Wie süß der junge General doch aussah, wenn er vor Scham errötete! Wie weit er wohl noch gehen könnte? Er hob die Hand und berührte sanft die Wange des Generals. Er zuckte jedenfalls nicht weg. Er beugte sich vor und gab ihm einen Kuss. Das ließ sich Yukimura auch gefallen, es schien sogar, als genieße er das. Sasuke wurde ein wenig fordernder und auch das ließ Yukimura geschehen. Doch als Sasukes Hand an seinem Hals entlang wanderte verkrampfte sich der Jüngere und zog sich zurück. Allerdings nur für einen Moment, bis er sich daran gewöhnt hatte. Dann ließ er Sasuke gewähren. Als Sasuke ihn sanft auf den Boden drückte und ihn küsste, begann Yukimura endlich, sich zu entspannen. Zumindest wollte er das versuchen. Noch nie hatte ihn jemand so behandelt, mit Ausnahme des Fürsten Date vielleicht. Aber der war nicht so weit gegangen. Er hatte Yukimura lediglich geküsst. Sasuke hingegen machte keinen Hehl darum, dass er mehr wollte – oder besser gesagt, er tat es, weil es jetzt seine Aufgabe war, ihm das beizubringen. Oder wollte er es auch selbst? Yukimura konnte nicht unterscheiden, ob Sasuke es selbst wollte oder ob es er tat, weil Yukimura es wegen der Shudo-Ausbildung lernen musste. Schließlich wusste er nicht, wie es sich anfühlen sollte. Er wusste nicht einmal, ob er, Yukimura, das selbst wollte oder es um des Lernens wegen tat. Sasuke schien die Verwirrung zu spüren, denn er hielt inne und sah ihn an. „Ich glaube, du bist noch nicht so weit...“, meinte er und zog sich zurück. Yukimura seufzte. Vielleicht war er das wirklich noch nicht. Doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, hörte er ein Rascheln. Sasuke hörte es ebenfalls und legte die Hand an seine Kunai. Der Ninja sah sich suchend um, während das Rascheln immer näher kam. Doch sie konnten beide nichts entdecken, dafür war es noch nicht hell genug. Das Rascheln entfernte sich jedoch wieder und beide atmeten, kaum hörbar, erleichtert auf. „Lasst uns zu den anderen zurückgehen... Sonst sucht man uns nachher noch.“, sagte Sasuke und stand auf. Yukimura folgte ihm und gemeinsam gingen sie zu dem Zelt zurück, dass sich Yukimura eigentlich mit Oyamada Nobushige teilen sollte. Doch er ging nicht hinein sondern setzte sich zu Sasuke. „Sasuke... Was hast du eigentlich eben dabei empfunden? Machst du das nur, weil Seine Herrlichkeit das entschieden hat oder...“ Der Ninja betrachtete ihn einen Moment. Er macht sich darüber Gedanken, ob mir was daran liegt? Manchmal möchte ich ihn wirklich verstehen. Wissen, wie er denkt... Wenn er sich darüber den Kopf zerbricht, dann kann sein strategisches Denken gar nicht so schlecht sein... Er legte den Kopf ein wenig schief. „Hmm... Ihr könnt Fragen stellen...“, meinte er nur. Yukimura zog die Augenbrauen zusammen. „Beantwortest du mir die Frage oder nicht?“ „So einfach ist Eure Frage gar nicht...“, meinte Sasuke seufzend. „Dann lassen wir das... Vielleicht ist es besser, wenn ich nicht frage. Oder wir lassen es ganz und du sagst Seiner Herrlichkeit, dass du deine Aufgabe erledigt hast.“, meinte Yukimura. „Ihr nehmt Euch ja was raus... Unseren Fürsten anzulügen mag Euch leicht erscheinen, aber letztendlich bin ich derjenige, der lügen und dafür zur Rechenschaft gezogen würde.“ „Dann mach ich das selbst...“ Sasuke sah ihn an. „Ihr habt Angst, oder?“, fragte er. Yukimura warf ihm einen gereizten Blick zu. „Angst? Ich? Jetzt hör aber auf! Ich hab dir doch letztens schon gesagt, ich will das nicht. Das hat mir genug Ärger bereitet!“ Sasuke musste lächeln. „Angsthase... Aber nun gut, das ist ganz normal. Ich sagte ja auch, wir lassen es langsam angehen. Ich werde nichts tun, was Ihr nicht wollt.“ „Manchmal machst du mich richtig wütend, Sasuke!“, fauchte Yukimura und riss die Zeltplane auf. Doch drinnen war er etwas überrascht. Oyamada war gar nicht da. Er dachte, er würde noch schlafen, aber hier war niemand. Die Decken lagen dort, seine zerwühlt und Oyamadas ganz ordentlich. Was ging hier vor? Masamune war als Erster wach. Als er sich regte, spürte er Kojuro direkt an seinem Rücken liegen. Er drehte sich vorsichtig um und sah in das schlafende Gesicht des Anderen. Er lächelte, dann küsste er ihn sanft. Kojuro schaute ihn noch schlaftrunken an, doch fast sofort erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. „Lass uns aufstehen, wir müssen weiter.“, sagte Masamune. „Ungern... Wenn ich bedenke, was uns erwartet. Ich mach mir Sorgen, dass Euer Plan, das alles aufzuhalten, nicht klappen könnte.“, meinte Kojuro. Masamune zog seine Rüstung an. „Wenn nicht, dann stehen wir drei fürstlichen Armeen gegenüber...“ „Beschwört es nicht herauf, mein Fürst.“ „Sicher nicht. Trommel die Soldaten zusammen und dann let's go!“ Kojuro zog sich ebenfalls eilig an und verschwand aus dem Zelt. Masamune zog sich die Stiefel an. Kojuro hat Recht... Ich mach mir ja selber Sorgen, dass das alles in die Binsen geht... Hoffentlich schaffe ich es mit Yukimura zusammen, Takeda umzustimmen. Wenn ich das schaffe ist Shibatas Plan hin. Takeda wird dann Uesugi ebenfalls ins Gewissen reden und dann können wir gemeinsam Shibata schlagen... Seufzend stand er auf und schlug die Faust in die linke Handfläche. „Das wäre doch gelacht, wenn ich das nicht schaffe!“, knurrte er und stürmte aus dem Zelt. „GUYS!! ARE YOU READY?!“, brüllte er. Die Soldaten schrien lautstark zur Bestätigung und rissen die Waffen in die Luft. „OKAY, LET'S GO!!“ Leise schlug die Zeltklappe zurück. Shibata spürte seine Anwesenheit mehr, als dass er ihn hörte oder sah. Sein Ninja saß in einer Ecke und wartete auf Befehle. Der Fremde stand jedoch aufrecht hinter dem Fürsten in gebührendem Abstand und wartete darauf, dass der Fürst sich ihm zuwendete. Nach gefühlten Minuten die verstrichen waren, drehte sich der Fürst endlich um. Seine klaren kühlen Augen sahen den Mann prüfend an. „Täuschend echt... Das muss ich dir lassen. Funktioniert es?“ „In der Tat...“, bestätgte der Mann. „Selbst die Stimme. Sehr gut, du übertriffst meine Erwartungen.“ Der Mann nickte nur. „Was hast du zu berichten?“, fragte Shibata. „Sie reiten beide nach Utsunomiya, wenn ich den Bericht Eures treu ergebenen Ninjas für bare Münze nehmen kann. Was das Schoßhündchen angeht, so könnt Ihr gewiss sein, dass ihm keiner glauben wird, wenn er immer noch behauptet, es wäre nichts gewesen.“ „Gut, gut.“, freute sich Shibata. „Mein Lohn? Ihr habt zugesagt, dass ich für jeden meiner Berichte einzeln entlohnt werde.“ Shibata knurrte missbilligend, sah aber zu seinem Ninja. Kurz darauf flog dem Fremden ein kleines seidenes Säckchen entgegen. Er fing es geschickt auf und lauschte zufrieden dem Klimpern. „Ich danke Euch.“, sagte der Mann lächelnd und war im selben Moment aus dem Zelt verschwunden. „Sehr schön... Keiner wird diesem kleinen Welpen noch glauben, wenn es um ihn und diesen vermaledeiten Date geht... Los, sammle meine Soldaten, wir werden uns langsam auf den Weg nach Utsunomiya machen. Wir wollen dieses Spektakel doch nicht verpassen.“, sagte Shibata und der Ninja verschwand ebenso geräuschlos wie der Fremde gerade. Date und seine Soldaten erreichten die Ebene von Utsunomiya am Nachmittag. Takeda war anscheinend vor wenigen Minuten bereits angekommen. Seine Soldaten standen schon geordnet zu Pferd und Fuß auf der anderen Seite der Ebene. Date ließ auch seine Soldaten ordnen und suchte die Reihen Takedas nach Yukimura ab. Als Kojuro zurückkehrte fand er ihn direkt neben Takeda. „Da ist er.“ Kojuro nickte brummend. „Soll ich einen Boten schicken?“ „Ja. Lass ihm ausrichten, ich will ihn dort drüben am Waldrand sprechen. Allein.“, sagte Masamune und deutete auf eine Freifläche am Wald rechts von ihnen. „Sehr wohl.“, meinte Kojuro, verneigte sich und ging zu einem der Soldaten, von dem er wusste, dass er schnell und zuverlässig war. „... Und lass die Nachricht nur General Sanada zukommen. Niemandem sonst!“, fügte Kojuro hinzu, nachdem er dem Soldaten die Nachricht gegeben hatte. Dieser nickte, schwang sich auf sein Pferd und ritt zur feindlichen Stellung hinüber. Masamune beobachtete ihn und sah wie Takeda widerwillig seinen Boten zu Yukimura vorließ und wie dieser nach einer Weile auf die vereinbarte Fläche zuritt. Auch er ritt nun los, nachdem er Kojuro zuversichtlich zugenickt hatte. Kojuro sah ihm nach. Hoffentlich klappt es, wie Ihr Euch das vorstellt... Dann sah er zurück zu Takedas Leuten. Er sah auch Sasuke, der besorgt dem General nachsah. Und er sah, wie er sich umsah. Nach ein paar Minuten ritt auch der Ninja los und Kojuro versuchte zu sehen, warum. Erst nach ein paar Sekunden sah auch er, dass sich ein weiterer Reiter auf den Wald zubewegte. Jetzt setzte auch er sich in Bewegung. Irgendetwas stimmt hier überhaupt nicht! Am Waldrand angekommen saßen beide ab. „Komm mit.“, sagte Masamune und ging hinter die erste Baumreihe. Yukimura folgte ihm stirnrunzelnd. „Warum wollt Ihr mich sprechen? Was ist los?“ „Was los ist? Das mit Shibata dürfte dir ja wohl nicht entgangen sein! Was hat er Takeda erzählt?“, fragte Masamune. „Erst hat er ihm erzählt, was er gesehen haben will. Dann ist er zu Euch gereist und kam irgendwann wieder zurück und sagte, Ihr hättet das Bündnis gelöst.“ „Das dachte ich mir...“, murmelte Masamune. „Deshalb ist Takeda letztendlich doch losgezogen. Er hat sich so ausgedrückt, als würde Euch genau das ähnlich sehen.“ „Sure! Natürlich tut es das! Das weiß er, das weiß ich und Shibata hat sich das auch gedacht... Verdammt, es läuft alles so, wie Shibata sich das vorgestellt hat...“ „Wovon redet Ihr da?“, fragte Yukimura verwirrt. „Meine Güte! Stell dich nicht so dumm an! Denk nach! Warum wohl wird Shibata deinem Fürsten diese hahnebüchene Geschichte aufgetischt haben, dass ich dich verführt hätte!? Warum wohl kommt er dann zu mir, um mir zu sagen, dass Takeda mit seiner Armee kommt? Warum wohl kommt er dann wieder zu euch, um zu sagen, dass ich das Bündnis gelöst hätte und mit meiner Armee auf euch zu komme?! … You see?“, fauchte Masamune. Yukimuras Augen weiteten sich langsam, als er zu verstehen schien. „Er hat das also geplant? Er wollte, das wir uns gegenüber stehen?“ „Yes... Und nicht nur wir. In den nächsten Minuten wird auch Uesugi hier eintreffen. Entweder von der Seite, wo wir jetzt hier stehen oder aber hinter euch und eurem Fürsten!“ „Fürst Uesugi? Was hat er denn mit all dem zu tun?“, fragte Yukimura, nun noch mehr verwirrt. „Yukimura-san... Shibata hat unseren unachtsamen Moment mit dieser Lappalie zu seinen Gunsten ausgeschmückt. Und das nur, damit er mich, Takeda und Uesugi gleichzeitig mit einem Streich aus dem Weg räumen und sich unsere Lehen unter den Nagel reißen kann!“ „Das ist doch verrückt!“ „Verrückt? … Vielleicht... Genial? Auf jeden Fall!“, ertönte eine Stimme hinter ihnen. Sie drehten sich um und Yukimuras Augen weiteten sich erneut – diesmal aber vor Schreck. „Oyamada?! Was soll das heißen? Was redet Ihr da? Ihr seid der Vasall meines Fürsten!!“, schnappte er. „Oh junger Sanada... Ihr seid so leicht zu täuschen... Und doch seid Ihr so faszinierend. Das muss wohl unweigerlich an Eurer Schönheit liegen.“, säuselte Oyamada. „Was zum... Hört auf mit diesem Unsinn!“ Oyamada kam auf ihn zu, blieb aber dann trotzdem in gewissem Abstand zu ihm stehen. Date stand ihm einfach zu nahe, als dass er noch näher gehen wollte. Er warf dem Fürsten von Oshu einen missbilligenden Blick zu, sah dann aber sofort wieder zu Yukimura. „Verzeiht, wenn ich Euch gestern Abend erschreckt habe, das war nicht meine Absicht. Aber Ihr seid einfach zu anziehend.“, sagte Oyamada. Yukimura schüttelte den Kopf. „Lasst das, ich will das nicht hören!“ „Oh, Ihr wollt das hören. Da bin ich mir sicher... Von Eurem geliebten Ninja lasst Ihr Euch ja mehr gefallen, als mir lieb ist.“ „Wie..?“ Yukimura war von Neuem verwirrt. Wie konnte Oyamada wissen, dass er Sasukes Annäherung zugelassen hatte, während er ihm eine schallende Ohrfeige verpasst hatte? „What's up here...?“, fragte Masamune knirschend. Oyamada sah ihn wütend an. „Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr Euch da raushaltet!“, zischte er. „Du willst mir Befehle erteilen? Wer bist du, dass du dir das anmaßt?!“ Oyamada richtete sich auf, doch Yukimura war es, der antwortete. „Oyamada Nobushige, der Vertraute meines Fürsten...“ Ein Lachen ertönte und Yukimura schaute Oyamada fragend an. Nach ein paar Sekunden war dessen Lachen verklungen und Oyamada sah dem General in die Augen. Ohne weiter auf Date zu achten, ging er jetzt doch zu ihm. Er hob den Kopf des etwas kleineren Sanada an und zwang ihn, ihn anzusehen. „Seid Ihr Euch da so sicher, Yukimura-san?“, fragte er. Date legte den Kopf schief und beobachtete die Szene, während Yukimura die Stirn runzelte, sich aber nicht wehrte. „Wer solltet Ihr sonst sein?“, fragte Yukimura nach gefühlten Minuten. „Für Euch bin ich Oyamada... Aber ich versichere dir, das ist nicht mein Name. Der Oyamada, den Ihr kennt, der liegt zu Hause und schläft.“, sagte der Mann. Yukimura riss die Augen auf. „Nein...“, flüsterte er. „Oh doch...“ „Yukimura! Keep calm! Das bedeutet nicht, dass er tot ist!“, knurrte Masamune. „Woher wollt Ihr das denn wissen, Drache von Oshu?! Seid Ihr etwa durch die Burg des Tigers und dem jungen General in das Gemach geschlichen?“, fragte der Fremde spöttisch grinsend. „Wovon redet Ihr?“, fragte Masamune. „Oh, fragt das doch Euren geliebten kleinen General!“ Masamune sah zu Yukimura, aber ihm war klar, dass er von dem jetzt keine Erklärung erwarten konnte. „Rede, oder du bekommst meine Klingen zu spüren! Wer bist du wirklich und was soll das bedeuten, ob ich in Sanadas Zimmer gewesen wäre oder in der Burg des Tigers?! Da war ich ganz sicher nicht!“ Der Fremde lachte, während er noch immer Yukimura am Kinn hielt. Dann ließ er ihn los und legte einen Arm um dessen Schultern. „Euer Geliebter, mein werter Fürst Date, scheint panische Angst zu haben, wenn er allein in seinem Zimmer schläft. Jedenfalls habe ich das so ähnlich von Sasuke erfahren, der mich über den Kriegsrat des Tigers in Kenntnis gesetzt hat. Wie herrlich, wenn die Arbeit Früchte trägt, nicht wahr, Fürst Date?“ „Zügle deine Zunge...“, knurrte Masamune. Yukimura war wie erstarrt. Was redete dieser Mann an seiner Seite? Fürst Date konnte es nicht gewesen sein, darüber hatte er bereits nachgedacht. Das hätte er sicher gespürt und der Fürst hätte sich nicht so geheimnisvoll verhalten und wäre jedes Mal geflüchtet. Und warum überhaupt wusste er davon? Er hatte das nur Sasuke erzählt und Sasuke hatte es seines Wissens nach nur flüchtig Oyamada erzählt... Oder war das schon gar nicht mehr der echte Oyamada? Was passierte hier eigentlich? Wenn dieser Mann die Rolle von Oyamada spielte, wie lange tat er das schon? Seit Fürst Shibata bei ihnen aufgetaucht war? Oder sogar schon vorher? „Wie lange? Wie lange treibst du dieses Spiel schon? Und wer bist du?“, fragte Yukimura leise. Der Mann, der ihn im Arm hielt, sah zu ihm herab. „Oh, lasst mich überlegen... Im Moment bin ich Oyamada, manchmal aber auch jemand anders... Und Euer Oyamada, nun ja, der liegt in seiner Hütte und ruht sich aus... Hmmm, ich glaube es sind inzwischen fast drei Wochen. Es war übrigens äußerst interessant, wie liebenswürdig Euer Fürst von Euch sprach, Yukimura-san. Und wie viele Informationen er seinem Vasall anvertraut hat... Und das ohne jemals stutzig zu werden, dass er so viele Fragen stellt. Aber vielleicht hat Oyamada ja wirklich so wenig Grips und hinterfragt alles... Im Übrigen war es noch viel interessanter, Euch zu besuchen. Wisst Ihr eigentlich wie anziehend Ihr seid, wenn Ihr schlaft? Übrigens, auch wenn blau Euch nicht steht, Yukimura-san, der Yukata hat viel von Eurem Körper preisgegeben und ich würde jederzeit wieder in Euer Zimmer kommen. Nur um Euch anzusehen und zu berühren... Dafür, dass das mein eigentlicher Lohn war, war es ein netter Nebeneffekt, wenn dadurch Eure Glaubwürdigkeit in der pikanten Angelegenheit zwischen Euch und dem Fürsten von Oshu in höchstem Maß in Frage gestellt wird... Und im Übrigen... Eure kühle zurückweisende Art, die Ihr mir gegenüber an den Tag legt, reizt mich nur umso mehr. Das sagt mir, dass Ihr erobert werden wollt... Und Ihr könnt mir glauben, meine Belohnung für das Spionieren, werde ich mir auf jeden Fall holen – ob Ihr das wollt oder nicht!“ Yukimuras Blick schien ins Leere zu wandern. Der Mann an seiner Seite sah ihn zufrieden an und dann zu Date. Doch der sagte nichts dazu. Er verzog erst angewidert das Gesicht, dann lächelte er plötzlich. „Ich an deiner Stelle wäre vorsichtig, falscher Oyamada... Auch Tigerwelpen können sehr gefährlich werden... Ihr solltet nie, niemals, ein verwundetes Tier angreifen.“ Der Fremde ließ Yukimura los und ging auf Date zu. „Welpen und gefährlich? Auch ein Tigerwelpe ist hilflos, solange seine Eltern nicht in der Nähe sind! Und Ihr...“, er musterte den Fürsten von oben bis unten. „Ihr seid ohne Euren Diener kein Gegner für mich! Ihr seid ein Krüppel mit Eurem fehlenden Auge! Wollt Ihr mir weismachen, dass Ihr diesen dummen aber durchaus anziehenden General beschützen wollt? Dass ich nicht lache!“ „Katakura ist nicht mein Diener und Yukimura keineswegs dumm! Und ich habe nie behauptet, dass ich Yukimura beschützen würde. Kümmert Euch nicht um mich, sondern lieber um Eure Deckung!“, sagte Masamune und ging rückwärts. Von den Seiten her hörte er ein Rascheln und hinter dem Fremden sah er bereits, was er geahnt hatte. Yukimura hatte seine Lanze erhoben und sah mit wutentbranntem Blick zu dem Fremden der sich stirnrunzelnd umdrehte. Masamune nahm nur halb war, wie aus den Büschen links und rechts von ihnen zwei Gestalten stoben. Doch nicht einmal sie konnten Yukimura noch aufhalten. „DU HINTERHÄLTIGE RATTE!“, brüllte Yukimura und bevor irgendjemand reagieren konnte, bohrte sich die Lanze durch den Körper des falschen Oyamada. Yukimura hielt sich an der Lanze fest und hing über dem Sterbenden. Die Haare verdeckten sein Gedicht, auf das etwas Blut gespritzt war. „Niemand spioniert ungestraft meinen Fürsten aus... und schleicht sich auch noch in mein Zimmer um mich wahnsinnig zu machen, damit mir keiner mehr glaubt!! Und niemand rührt mich ungestraft an, solange ich das nicht will!“, knurrte er wütend und wurde mit jedem Satz lauter. Der Spion sah ihn mit aufgerissenen Augen an. Die Lippen bewegten sich noch, doch ein Wort kam nicht mehr aus ihm heraus – nur noch ein ersticktes Gurgeln und Blut. Erst jetzt erkannte Date, wer zu ihnen geeilt war. Links stand Kojuro und betrachtete den Anblick völlig nüchtern. Rechts war Sasuke der hastig zu Yukimura eilte und ihn von der Lanze wegzog. „Sanada!“, japste er und zerrte ihn beiseite und in seine Arme. Masamune atmete erleichtert aus und ging zu Kojuro. „Das war zwar so nicht geplant, aber es erfüllt sicher auch seinen Zweck.“ Sasuke sah die beiden wütend an. „Was für ein Plan? Welcher Zweck? Was geht hier vor?“, fragte er. „Keine Sorge, das ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Yukimura hat verstanden, was hier passiert. Das da...“, sagte Masamune und deutete auf den toten Spion. „... ist einer von Shibatas Handlangern. Ob er einer seiner Untergebenen ist oder ein Unterhändler, der sich auch mit Gold bezahlen ließ, statt nur Yukimura nachzustellen, weiß ich nicht. Aber er handelte in Shibatas Auftrag.“ Sasuke runzelte die Stirn. „Fürst Shibata hat das alles genau geplant. Wir sollten uns hier gegenüberstehen. Fürst Uesugi wird bestimmt auch schon hier sein. Das gehört zu seinem Plan. Wir sollen uns hier aufreiben und er erledigt den Rest, damit er die drei Fürstentümer für sich einstreichen kann.“, sagte Yukimura erschöpft. Sasuke verstand. „Los kommt!“, sagte er zu Yukimura und zog ihn auf die Beine. „Fürst Takeda muss das erfahren!“ Yukimura fasste sich wieder und folgte Sasuke eilig. Sie stiegen auf ihre Pferde und hetzten sie zu Takeda. Masamune nickte zufrieden. „Nicht ganz mein Plan, aber es klappt...“ „Lasst uns auch zurückreiten.“, sagte Kojuro und auch sie gingen zu ihren Pferden. Sie ritten gemeinsam zu der Armee des Drachen zurück. Uesugi war inzwischen ebenfalls eingetroffen. Als Masamune und Kojuro ihren Aussichtspunkt erreichten, sahen sie gerade, wie Sasuke eilig zu Uesugi ritt um ihn von den Geschehnissen in Kenntnis zu setzen. Das Schlimmste war abgewendet. Masamune sah in die andere Richtung und entdeckte auf einer Anhöhe hinter Takedas Leuten die Spitze von Shibatas Banner. „Hmm. Kojuro warte hier, ich habe eine Idee.“, sagte er, ritt eilig davon und direkt zu Takeda. Stirnrunzelnd sah Kojuro ihm nach. Was hat er denn jetzt wieder vor? Es dauerte einen Moment, dann sah er ihn auch noch in Richtung des Fürsten Uesugi reiten. Wieder eine Weile später ritt Masamune zurück zu seiner Armee und stellte sich neben Kojuro. „Was habt Ihr im Sinn, Fürst Masamune?“, fragte Kojuro. Masamune sah ihn an. So sprach Kojuro ihn selten an. Aber er verübelte es ihm nicht. „Wir werden Shibata geben, was er will.“, antwortete er. „Wie bitte?“ Doch Masamune schenkte ihm nur ein Lächeln, bevor er zusah, wie sich Uesugi Richtung Takeda in Bewegung setzte. Mit dem Arm machte er das Zeichen, dass auch seine Leute sich in Bewegung setzten. „Achtet auf meine Befehle!!“, brüllte er und sah zufrieden seinen Männern nach. Kojuro sah ihn verwirrt an. Was hat er vor? Welchen verrückten Plan verfolgt er jetzt schon wieder? Kapitel 15: Die Schlacht ------------------------ Shibata stand auf dem Hügel. Er saß im Sattel seines Pferdes und beobachtete genüsslich die Schlacht, die dort unten in der Ebene tobte. Das war ja herrlich, diese Tölpel fielen wie die Fliegen, das würde es ihm nur umso leichter machen. Er freute sich schon darauf, die dezimierten Armeen der drei Fürsten so richtig aufzureiben und sie zu zwingen, sich ihm zu unterwerfen und ihre Lehen an ihn abzugeben! Und wenn das erst einmal geschafft war würde er die Fürsten mit Freuden spüren lassen, was es bedeutete, ein Gefangener des Fürsten Shibata zu sein! Er würde es ihnen keineswegs leicht machen, ganz gewiss nicht. Solche aufsässigen und großspurigen Fürsten brauchte niemand! „Kojuro...“, sagte Masamune, nachdem seine Männer bereits auf die Ebene geritten waren und sich ins Schlachtgetümmel stürzten. „Ja mein Fürst?“ „Du wirst dich zurückziehen. Auf mein Zeichen wirst du gemeinsam mit Yukimura und Maeda von hinten zurückkommen.“, sagte Masamune. „Moment, Maeda? Und was habt Ihr überhaupt vor?“, fragte Kojuro verwirrt. „Maeda war zufällig bei Kenshin. Er hat sich bereit erklärt ihm zu helfen. So auch uns jetzt. Was mein Vorhaben angeht...“, sagte Masamune und erklärte Kojuro seine Idee. Kojuro staunte nicht schlecht. Das war eine verdammt gut ausgeklügelte List. Und er hoffte, der Plan würde aufgehen. „Mein Fürst, Ihr überrascht mich... Ihr seid verrückt...“ „Excuse me... wer hat mir denn solche Strategien beigebracht?“, entgegnete Masamune mit einem breiten Grinsen. Kojuro konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Natürlich hatte er ihm die Grundlagen der Strategie beigebracht und ihm immer gesagt, eine List um sein Ziel erreichen ist nicht unbedingt ehrenhaft aber oft erfolgreich – und dann ist die Frage nach der Ehrbarkeit nicht mehr wichtig, wenn die List erfolgreich war. Masamune beugte sich von seinem Pferd hinüber zu Kojuros. „Los versteck dich bei unserem Lager und lass dein Pferd dort... Und bleib am Leben!“, flüsterte er und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Kojuro lief rot an. War das nicht seine Aufgabe? Doch er gehorchte und brachte sein Pferd zum Lager, wo er sich dann versteckte. Sein Fürst hingegen ritt den Soldaten hinterher und gab ihnen weitere Befehle. Masamune achtete peinlich genau darauf, dass er möglichst keinen Soldaten über den Haufen ritt. Da Kojuro befohlenermaßen nicht an seiner Seite war, musste er selbst darauf aufpassen und es gelang ihm sogar ziemlich gut. Wobei er auch einen Moment lang glaubte, dass die Soldaten eher selbst aufpassten, ihm nicht im Weg zu stehen. Er sah immer wieder zu der Anhöhe wo sich Shibata aufhielt und ihnen zusah. Irgendwann musste er doch einmal losreiten. Aber eigentlich war das ganz gut so, wenn er sich Zeit ließ. Masamune, Takeda und Uesugi näherten sich nun einander an und jeder warf einen Blick auf den Hügel, wo Shibata war. Und dann war es soweit. Sie sahen ihn losreiten und seine Soldaten folgten ihm. Es war ein kleines Heer im Vergleich zu ihren. Seine Soldaten ergaben zusammen das Heer wie eines der drei Fürsten. Das war auch in etwa die übrig gebliebene Anzahl, die sich nun auf Befehl ihrer Fürsten hinter ihnen versammelte. Shibata ritt heran und wurde vor den Toten langsamer. Genüsslich betrachtete er das übersäte Schlachtfeld und führte sein Pferd geschickt zwischen ihnen hindurch. Seine Soldaten folgten ihm, ohne die Männer am Boden weiter zu beachten. „Rückwärts...“, knurrte Masamune und die Männer hinter ihm, Takeda und Uesugi gingen langsam rückwärts, wie befohlen, in Richtung des Waldes. Shibatas Gesicht zeigte ein triumphierendes Lächeln. Wie gerne hätte Masamune ein ebenso triumphierendes Grinsen gezeigt, aber er riss sich zusammen. Das würde ihren Plan zunichte machen. Ja, wiege dich nur in deinem Triumph. Das macht dich angreifbarer, du Frettchen! „Welch ergötzender Anblick! Drei einst unbeugsame und starke Fürsten treten vor mir den Rückzug an! Wie herrlich!!“, johlte Shibata hocherfreut und sein Pferd tänzelte. „Weiter...“, sagte Masamune so leise, das Shibata es nicht hörte. Mit breitem Grinsen folgte Shibata den zurückweichenden Männern vor sich. Masamune spähte so unmerklich wie nur möglich an ihm vorbei. Doch viel erkennen konnte nicht. Er versuchte zu Takeda zu sehen, ohne das Shibata es mitbekam. Aber das klappte nicht. Er sah es und sein Lachen durchbrach erneut die Stille. „Der große Drache von Oshu schaut geschlagen zum Tiger... nur um keine Antwort zu bekommen... Ein herrlicher Anblick.“ Masamune knurrte verärgert. Es juckte ihm in den Fingern diesem Möchtegern-Fürsten den Hals umzudrehen. Mach nur so weiter... Wie dein Spion. Ich hab ja gesagt, greife nie ein verwundetes Tier an! Doch endlich warf Takeda Masamune einen ausdrucklosen Blick zu. Ausdruckslos jedenfalls für Shibata, doch Masamune wusste Bescheid. Er warf noch einen Blick hinter sich zu den Soldaten und dann hinauf zu seinem Lager. Er sah Kojuro, der bereits die Lage erkannt hatte. Dann sah er hinüber zu Takedas Lager, wo dieser ebenfalls hinsah. Auch Yukimura hatte alles im Blick. Nur Maeda war nicht zu sehen. Doch das konnte ihnen auch egal sein. „Ihr kommt hier nicht mehr weg. Ihr sitzt allesamt in der Falle!“, sagte Shibata. Masamune senkte erst den Kopf, aber nur um unbemerkt zu beobachten, wo Kojuro gerade war. Der hatte bereits sein Versteck verlassen und erreichte gerade einen der Toten. Mit einem Lächeln sah Masamune wieder auf. Takeda und Uesugi hatten ihn dabei beobachtet. Takeda legte ebenfalls ein Lächeln auf und Uesugi schaute den Fürsten Shibata völlig gleichgültig an. „Ihr wollt also mit einem Lächeln Eure Lehen an mich abtreten? Oder wollt Ihr lächelnd sterben? Etwas besseres hätte ich mir ja nicht wünschen können!“, sagte Shibata. Masamune sah aus den Augenwinkeln Sasuke und Kasuga hinter Takeda stehen. Der große Mann mit dem roten Fell statt des Samuraihelmes bleckte die Zähne. „Fürst Shibata! Bevor Ihr solch große Reden schwingt, solltet Ihr wissen, dass wir Euren Spion entdeckt haben!“, schnappte er. Shibata schien keine Miene zu verziehen, doch in seinen Augen spiegelte sich für einen Moment unverhohlene Missgunst. „Sollte mir das Angst einjagen? Dann habt Ihr ihn eben, er gehörte nicht zu mir, ich habe ihn bezahlt. Das ist das einzig unschöne daran... Ich habe umsonst Geld ausgegeben. Wenn man nicht alles alleine macht...“, meinte er achselzuckend. Takeda gab ein leises Knurren von sich und ein Zeichen nach hinten zu den beiden Ninjas. Sie hatten den Spion aus dem Wald hergebracht und ihn vorsorglich gut verdeckt, sodass Shibata ihn nicht gleich sehen konnte. Auf das Zeichen von Takeda nahmen sie den Zeltstoff weg und stießen den toten Spion vor Shibatas Pferd. Jetzt war doch endlich eine andere Regung im Gesicht des Fürsten zu sehen. Es war eindeutig Ekel vor dem Toten und Ärger, weil er Takeda anscheinend so verstanden hatte, als hätte man den Mann gefangen genommen und nicht getötet. Seine Wut fiel milde aus aber er zeigte es ihnen. „Ich bin nicht gerade erfreut darüber, ausspioniert worden zu sein. Und mein General war es erst Recht nicht, wie Ihr sehen könnt!“, sagte Takeda wütend. Shibata zeigte darauf keine Regung, doch Masamune konnte seine Gedanken förmlich hören: Dieser kleine Schoßhund hat ihn getötet?! Niemals! Masamune hätte es wohl selbst nicht geglaubt, wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Jetzt ist er überrascht. Das hätte Yukimura nämlich niemand zugetraut. Jedenfalls jetzt noch nicht... Shibata schien sich wieder zu fassen. „Wen interessiert das jetzt noch! Seine Arbeit hat er erledigt und ich habe meine Informationen bekommen!“ „Wie schade, dass er nicht mehr lange genug lebte, um Euch noch weitere Informationen zukommen lassen zu können.“, säuselte Uesugi mit geschlossenen Augen und sah den anderen Fürsten dann mit eiskaltem Blick an, als wäre er Bishamonten höchstpersönlich. Kasugas Atem war laut genug hinter ihnen zu hören. Jeder musste mitbekommen, wie sehr sie diesen Mann anhimmelte, der wirkte, als könne er keiner Fliege etwas zuleide tun. Oh, Uesugi durfte man absolut nicht unterschätzen! Dieser Mann war durchaus höchst gefährlich. Nicht umsonst waren er und Takeda seit Jahren ebenbürtige Gegner und Takeda war auch nicht gerade eine sanfte Natur. Nicht umsonst, nannte man ihn den Tiger von Kai. „Wie meint Ihr das?!“, fauchte Shibata. Masamune grinste breit. Langsam haben wir an der richtigen Stelle. „Oh, das Leben spielt nie nach einem Plan, den man sich zurechtlegt, Shibata. Das solltet Ihr eigentlich in Eurem hübschen kleinen Plan bedacht haben... Oder habt Ihr ernsthaft geglaubt, keiner von uns würde Eure wahren Absichten hinter alldem erkennen?“ Shibata sah ihn funkelnd an, sagte jedoch nichts dazu. Er hatte nicht erwartet, dass niemand irgendwas merken würde. Aber das sie alle ihn womöglich durchschaut hatten? Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Aber das konnte auch nicht sein. Uesugi wusste überhaupt nichts von der angeleierten Fehde zwischen Takeda und Date. Und eigentlich hatte er gehofft, dass er Date soweit kannte, dass er Takeda das Richtige sagen würde um sie in eine Schlacht zu locken. Nun gut, die Schlacht hatte stattgefunden und er hatte sich wie geplant im rechten Moment eingemischt. Was also sollte jetzt noch schief gehen? Durchschaut oder nicht, er stand kurz vor seinem Ziel. „Was glaubt ihr eigentlich, in welcher Lage ihr euch befindet... Ob ihr nun meinen Plan erkannt habt, oder nicht – es ist zu spät!“, sagte er dann. „Wie fühlt es sich an, Shibata, wenn man der Falle sitzt? Dazu noch in seiner eigenen?“, fragte Masamune plötzlich. Shibata schaute nun zu ihm und Masamune glaubte, eine leichte Verwirrungen in seinem Blick ausmachen zu können. Jetzt hatte er ihn Haken. Er war genau da wo sie ihn haben wollten. Er bemerkte, wie Takeda zufrieden hinter Shibata sah. „Ihr sitzt in meiner Falle, nicht ich!“, sagte Shibata und sah von einem zum anderen. Sie sehen völlig gefasst aus... Es ist nicht einmal annähernd ein Zeichen zu sehen, dass sie zerstritten wären... Was geht hier nur vor? … Egal, jetzt habe ich die Fäden in der Hand! „Eure Armeen sind so sehr dezimiert, dass der Sieg über euch drei ein Leichtes für mich ist!“, fügte er hinzu. Plötzlich riss Takeda unvermittelt den Arm in die Luft und ließ ihn dann wieder sinken. Shibata sah ihn stirnrunzelnd an, doch bevor er etwas sagen konnte, hörte er eine Stimme hinter sich. „Da wäre ich mir nicht so sicher!“ Ohne sich umzudrehen wirkte Shibata sofort wieder gelassen und grinste. „Ist das Euer Ernst, Takeda? Ihr platziert Euren kleinen Schoßhund hinter mir? Ist das alles, was ihr zu bieten habt?!“ Doch Masamune war es, der mit tiefer drohender Stimme aber einem Lächeln antwortete: „Wer Stroh im Kopf hat, fürchtet den Funken der Wahrheit... Warum dreht Ihr Euch nicht um, Shibata, und überzeugt Euch selbst!“ Noch immer grinste Shibata, drehte sich aber selbstsicher um. Masamune beobachtete mit höchster Genugtuung, wie diesem großmäuligen Fürsten von der Westküste das Grinsen gefror. Hinter dem Fürsten Shibata und seinen Leuten standen die „gefallenen“ Soldaten. Sie umkreisten die feindliche Armee. Yukimura und Kojuro standen ihnen vor und an ihrer Seite stand Maeda Keiji. Wutentbrannt drehte Shibata sich wieder um. „IHR! Was fällt euch ein?!“, fauchte er, schaute in die ausdruckslosen Gesichter von Uesugi und Takeda und dann zu Masamune, der als einziger wagte ein triumphierendes Lächeln aufzulegen. „Das ist Euer Werk, Date!! Dafür werdet Ihr bitter bezahlen!“, knurrte er. „Werde ich das? Wir werden sehen...“, entgegnete Masamune belustigt. Wütend wandte sich Shibata an seine Soldaten. „Tötet die drei vorne! Ohne Befehle sind die Soldaten nichts wert!“, blaffte er. Takeda und Masamune hatten denselben Gedanken. Noch während Shibata sprach, sprangen beide vom Pferd und zogen ihre Waffen. Ehe Shibata es sich versah spürte er die Klinge des Drachen an der Kehle und die riesige Axt von Takeda ebenfalls. Er war verblüfft, wie präzise der Tiger von Kai mit diesem Riesending umgehen konnte. So präzise, dass er bis jetzt noch keinen Kratzer erlitten hatte, sofern er sich nicht noch bewegte. „Ihr wagt es?!“, knurrte er. „Wage es ja nicht, Sanada oder Kojuro auch nur ein einziges Haar zu krümmen! Andernfalls wird dein Haupt und das deiner Soldaten die diesen Befehl ausführen mein Burgtor schmücken!!“, knirschte Masamune düster. Takeda ließ ein grollendes Lachen hören. „Diese Zierde werden wir uns teilen müssen, mein Freund!“ Shibata sah von einem zum anderen, während er mit der Hand den Befehl gab, einzuhalten. Wut verzerrte sein Gesicht und hätte er gekonnt, hätte er sie beide getötet. Doch unglücklicherweise befand er sich mit diesen beiden Waffen an der Kehle in allerhöchster Lebensgefahr. Und dann ritt auch noch dieser kühle Uesugi heran. „Ihr habt die Wahl... Entweder Ihr verlasst unsere Lehen und kehrt nie wieder zurück, geschweige denn erhebt irgendeinen Anspruch... Oder Ihr sterbt hier und jetzt.“, säuselte Uesugi völlig ausdruckslos. „Ein Toter ist mehr als genug! Ihr solltet mit Euren Soldaten heimkehren, Fürst Shibata.“, meldete sich Maeda zu Wort. „Haltet Euch da raus, Maeda! Das geht Euch überhaupt nichts an!“, fauchte Shibata. „Wie Ihr wollt. Rückzug oder Tod... Es ist Eure Entscheidung.“ Shibata knurrte wütend und es dauerte noch einen Moment, bis er wieder etwas sagte. „Rückzug...“, murmelte er widerwillig. Takeda und Masamune zogen ihre Waffen zurück und Shibata entfernte sich ein Stück, dann drehte er sich um. „Rückzug!!“, brüllte er seinen Soldaten entgegen. Die Männer setzten sich in Bewegung und Shibata warf einen hasserfüllten Blick auf die drei Fürsten zurück. „Ich schwöre Euch... Meine Zeit wird kommen!“, fluchte er und ritt dann davon. Kojuro und Yukimura hatten die Soldaten sich aufteilen lassen, damit Shibatas Männer und er selbst den Rückzug antreten konnten. Dann kehrten sie zu den Fürsten zurück, die Shibata nachsahen. „Es hat geklappt!“, sagte Yukimura. „Sogar besser, als erwartet, nehme ich an.“, fügte Kojuro hinzu. „Allerdings. Ich habe schon fast damit gerechnet, dass er völlig ausrastet und sich in ein Gemetzel stürzt.“, meinte Masamune. Takeda ließ ein zufriedenes Brummen hören. „Ob so oder so, verloren hätte er allemal.“ „Wie schade... Ich hätte mich über ein ordentliches Schlachtgetümmel gefreut. Zu Ehren Bishamontens...“, säuselte Uesugi, während Kasuga an seiner Seite beinahe wieder einen Schmachtanfall bekam. Sasuke gesellte sich zu Takeda und warf ihr einen Blick zu. „Lieber nicht... Nicht, dass die arme Kasuga noch vor Angst stirbt.“, grinste er. Uesugi warf ihm ein Lächeln entgegen. „Kasuga muss sich darum keine Sorgen machen.“, sagte er. Kasuga lief hochrot an und Sasuke rollte mit den Augen. Yukimura und Takeda mussten herzhaft lachen. Auch Masamune grinste über die Situation und Kojuro ließ ebenfalls ein Lächeln erkennen. Uesugi verabschiedete sich als Erster, jedoch nicht ohne Takeda eine Herausforderung auszusprechen, auf dass sie sich bald zu einem ebenbürtigen Kampf wiedersehen würden. Takeda hingegen nutzte die Gelegenheit mit Masamune zusammenzukommen und gemeinsam mit ihren Soldaten verbrachten sie noch den Abend. Die Leute aus dem Dorf mussten die gespielte Schlacht beobachtet haben und hatten ihnen einen Wagen mit Fleisch und Sake gebracht, damit die Fürsten ihren Sieg gebührend feiern konnten. Den Sake ließen sich Fürst Takeda und Fürst Date natürlich mit Freuden schmecken. Nur Yukimura wollte nichts. Er saß an Sasukes Seite und fühlte sich scheinbar nicht so recht wohl, während Sasuke freudig mitfeierte. Auch Kojuro hielt sich zurück. Einer musste ja nüchtern genug bleiben um die Soldaten noch in die Schranken weisen zu können, denn die kannten natürlich auch ein Ende, wenn gebratenes Schweinefleisch und Sake so gut schmeckten. Und einer musste den betrunkenen Fürsten in sein Zelt bringen. Kapitel 16: Heimreise --------------------- Am Morgen danach kümmerte sich Kojuro bereits um das Aufladen der Zeltplanen und Proviantreste, während einige der Männer noch ihren Rausch ausschliefen – der Fürst mit einbezogen. Er sah, wie Yukimura im Lager des Fürsten Takeda das gleichte tat. Nun ja, sie beide waren immerhin nüchtern genug geblieben, sich um die Fürsten zu kümmern und morgens wenigstens auch früh genug wach zu sein, um alles bereit für die Heimreise zu machen. Nachdem endlich alle Soldaten wach waren und ihre Zeltplanen auf den Wagen gelegt hatten, ging Kojuro ins Zelt des Fürsten. Er schlief immer noch. Vorsichtig setzte er sich neben ihn und beobachtete ihn einen Moment, bevor er die Haare aus dem Gesicht des Fürsten schob. Beinahe im selben Moment wurde die Zeltplane beiseite geschoben und einer der Soldaten lugte hinein. „Verdammt nochmal, was fällt dir ein!“, fluchte Kojuro. Der junge Soldat zuckte erschrocken zusammen. „Ich... Ich wollte nur General Sanada und Fürst Takeda anmelden...“, stammelte er. Masamune regte sich und erhob sich dann schwerfällig. „Ist gut...“, brummte er und drehte sich dem Zeltausgang zu. Der Soldat machte Platz und die Sonne schien für einen Moment hinein und direkt in das Gesicht des Fürsten. „Idiot...“, fluchte Masamune unwirsch. „Was für eine Begrüßung, mein Freund.“, grinste Takeda. „Nicht Ihr! Dieser Dummkopf eines Soldaten!“, knurrte Masamune. „Nehmt es ihm nicht übel. Er weiß nicht, was es heißt, nach einer durchzechten Nacht aufzuwachen und direkt in die Sonne zu sehen.“ „Vermutlich nicht... Was beschert mir Euren frühen Besuch?“ Takeda lächelte ihn breit an. „Wie ich sehe, bin ich nicht der Einzige der sich zur Abreise bereit macht, also wollte ich mich verabschieden. Wir werden uns sicher auf dem Feld wieder sehen. Einen triftigen Grund für ein Bündnis gibt es ja jetzt nicht mehr – warum also sollte ich mir die Möglichkeit nehmen lassen, Eure Ländereien zu erobern.“ Masamune ließ ein Lachen hören. „Altes Schlitzohr! Dann sehen wir uns auf dem Feld!“ Takeda ließ ebenfalls ein dröhnendes Lachen hören, was Masamune jedoch ordentlich im Kopf schmerzte. Sein geknirschtes Gesicht veranlasste Yukimura dazu, Takeda mit der Hand auf dem Arm Einhalt zu gebieten. Glücklicherweise bemerkte der den Wink und hörte auf zu lachen. Sie nickten einander zu und verschwanden dann wieder. Kojuro wandte sich Masamune. „Eigentlich wollte ich Euch gerade wecken, als dieser Dummkopf hier hereinplatzte...“, meinte er. „Oh du hast mich geweckt...“, sagte Masamune und rieb sich den Kopf. „Du warst nicht zu überhören.“ „Verzeihung, aber ich schätze es eben nicht, wenn man mich bei etwas derart stört.“ Masamune ließ ein Lächeln in seinem Gesicht erkennen. „Also gut, dann werde ich wohl aufstehen... Wenn ich das richtig verstanden habe sind unsere Leute schon alle auf den Beinen?“ Kojuro nickte. „Nur der Fürst nicht...“ „Ihr dürft das. Und jetzt los, sonst denken die Männer noch, Ihr hättet Euch zu sehr betrunken, als dass Ihr reiten könnt.“ „Oh das werde ich können, da muss sich keiner Gedanken machen.“, sagte Masamune und erhob sich schwerfällig. Kojuro beobachtete ihn dabei wie er sich langsam anzog. Oh ja, er hatte zuviel getrunken gestern. Soviel, dass seine Reaktionen selbst jetzt noch verlangsamt waren. „Seid Ihr sicher, dass Ihr reiten wollt?“ „Willst du es mir verbieten?“ „Ganz bestimmt nicht. Solange Ihr Euer Pferd wenigstens gerade aus führen und das Tempo halten könnt.“ Masamune sah ihn ernst an. „Das schaffe ich.“ Kojuro nickte und nachdem der Fürst endlich angezogen war, packte er mit ihm gemeinsam die Decken und Zeltplanen zusammen, die sie auf den Versorgungswagen legten. Sie waren auch die Letzten die auf ihre Pferde aufsaßen und dann setzte sich der Tross in Bewegung. Kojuro gab ein schnelles Tempo vor und erklärte Masamune, dass sie diesmal an einem Tag zurückreiten wollten. Der Versorgungswagen sollte mit ein paar Männern in seinem normalen Tempo hinterher reisen. Masamune war einverstanden und so ritten sie mit den Soldaten mit nur zwei Pausen zurück nach Sendai. Auch Takeda wollte etwas schneller zu Hause sein und trieb seine Leute zur Eile an. Yukimura versuchte Sasuke endlich wieder nüchtern zu bekommen, während alle anderen bereits ihre Zelte verstaut hatten. „Sasuke! Jetzt beeil dich endlich!“ „Schreit doch nicht so...“ „Hättest du dich gestern nicht betrunken, dann würdest du schneller sein und dann müsste ich dich gar nicht erst anschreien! Jetzt mach schon!“ Sasuke war weder richtig wach noch wollte er sich überhaupt bewegen. Mühsam legte er die Decken zusammen während Yukimura das Zelt zusammenlegte und einem Soldaten gab, der es auf einem der Lasttiere verstaute. Als Yukimura zurückkam, hatte es Sasuke gerade einmal geschafft eine Decke zusammen zu legen – und das noch nicht einmal halbwegs ordentlich. „Gib her... Das kann ja keiner mit ansehen!“, knurrte Yukimura und nahm ihm die Decken weg. „Ihr habt doch gesagt, ich soll das machen...“ „Ach vergiss es!“ Yukimura legte eilig die Decken zusammen, gab auch die deinem Soldaten und sah dann mürrisch zu Sasuke. „Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, soviel zu trinken?!“, maulte er. „Wir haben gesiegt, das ist doch Grund genug... Warum habt Ihr nichts getrunken?“ „Wa- … Also einer musste ja wohl nüchtern bleiben, um den Fürsten zu Bett zu bringen!“ Sasuke murrte. „Ja und um mich jetzt anschreien zu können... Ich wäre dankbar, wenn Ihr das wenigstens lasst – mir tut der Kopf weh.“ Yukimura ließ ein genervtes Seufzen hören. „Bitte... Aber reiten kannst du hoffentlich selber!“ „Das Pferd weiß, wo es hin muss...“, murmelte Sasuke und stand schwerfällig auf. „Zum Glück weiß es das wirklich.“, gab Yukimura zurück und ging voran. Doch Sasuke konnte sein Tempo nicht mithalten und torkelte ihm hinterher. Wo er Recht hat... Ich hätte vielleicht wirklich nicht so viel trinken sollen. Ich weiß ja selber, dass ich nicht so viel vertrage, wie ich gestern getrunken habe... Und müde bin ich auch noch. Plötzlich stolperte Sasuke und fiel nach vorn, geradewegs in Yukimuras Rücken. Sie stürzten zusammen auf das Gras, Sasuke auf Yukimura. „Au! Pass doch auf!“, jammerte Yukimura, und stemmte sich auf seine Ellbogen. Sasuke rollte sich auf die Seite und sah den jungen General schuldbewusst an, dann lächelte er entschuldigend. „Verzeiht... Ich bin noch so müde, dass ich gar nicht hingesehen habe, wo ich laufe...“ Yukimura schloss die Augen, atmete angestrengt ruhig durch und sah ihn dann wieder an. „Du hättest nicht so viel trinken und vielleicht auch etwas früher schlafen gehen sollen!“, knirschte er. Sasuke sagte besser nichts mehr. Doch die Soldaten hatten die Szene beobachtet und fingen an zu lachen. „Junger General, bitte verzeiht, aber Ihr scheltet ihn, als wäret Ihr eine Ehefrau, die ihren Mann zurechtweist!“ Yukimura sprang wütend auf, beherrschte sich aber soweit, dass er nicht gleich brüllte oder sich auf ihn stürzte, obwohl seine Hand bereits auf dem Griff der Lanze lag. Die Männer verstummten sofort, während Yukimura rot anlief. Sasuke stand ebenfalls auf und dann war Yukimura überrascht wie er die Situation wieder ins Lot brachte: „Aber der General hat Recht, wenn er mich zurechtweist. Ich hätte gestern nicht zu viel trinken sollen.“, sagte er. Die Soldaten sagten nichts mehr, sondern machten sich auf einen Blick von Yukimura wieder davon, um auf ihren Pferden aufzusitzen. Yukimura sah dann endlich wieder zu Sasuke, dann nahm er ihn am Arm und zog ihn mit sich. Ohne ein Wort zu sagen. Sasuke stolperte hinter ihm her bis zu ihren Pferden, die bereits gesattelt waren. „Was ist nun? Reitest du allein?“, fragte Yukimura entnervt. Sasuke musterte sein Pferd. Auch das Pferd musterte seinen Reiter und blähte die Nüstern. Ein grimmiges Schnauben ertönte in der Morgenluft. Sasuke sah zu Yukimura und dessen Fuchs, der ihn völlig gleichgültig missachtete. „Ich glaube, ich reite bei Euch mit... Ich hab das Gefühl, Sakitama traut mir heute nicht.“ „Das würde ich auch nicht, wenn ich er wäre...“, sagte Yukimura und saß auf. „Binde Sakitama an meinen Sattel an, damit er mitkommt.“, fügte er noch hinzu und wartete geduldig, bis der Ninja das geschafft hatte. Dann reichte er ihm seine Hand und zog ihn hinter sich auf sein Pferd. „Los Arashi.“, befahl er und das braune Tier trottete an die Spitze der Kolonne zu Fürst Takeda. Der hellbraune Sakitama folgte ihm. „Mein Fürst.“, grüßte Yukimura. „Aaah, Yukimura! Dann können wir ja endlich losreiten!“, sagte er und gab ein Handzeichen, woraufhin sich alle in Bewegung setzten. Es dauerte gar nicht lange, bis Yukimura bemerkte, dass Sasuke immer schwerer an seinem Rücken wurde. Als er ein Stück hinter sich sah, stellte er fest, dass er wieder eingeschlafen war. Das war ihm schon fast klar gewesen, dass das passieren würde. Aber er hatte nicht weiter darüber nachgedacht. Jetzt, wo er Sasukes Körper an seinem Rücken spürte und seine Wärme, dachte er an den Morgen vor der Schlacht. Wenn er nicht so viele Gedanken auf einmal gehabt hätte, was wäre dann wohl geschehen? Yukimura sah gerade aus auf den Weg, doch eigentlich sah er den Weg nicht wirklich. Eigentlich weiß ich immer noch nicht, was ich machen soll. Was ich dabei fühlen soll. Was ich überhaupt fühle, wenn es soweit ist. Ich habe keine Ahnung, wie es sich anfühlt. Wie es sich anfühlen sollte... Als ich den einen Morgen neben Fürst Date gelegen habe und er mich geküsst hat, hat es sich schön angefühlt. Irgendwie warm. Ist es das, was man dabei fühlt? Wenn es das ist, dann fühle ich das bei Sasuke auch, aber bei ihm ist es auch anders. Er schaute auf Sasukes Haare, die er sehen konnte. Das Gesicht war verdeckt. Yukimura seufzte und ein Mundwinkel zog sich zu einer Art Lächeln hoch. Ja, bei Sasuke fühlt es sich auch warm an... aber wenn er mir nahe kommt, dann ist das anders. Dann habe ich dieses komische Gefühl im Bauch. Was auch immer es ist, ich kann es irgendwie nicht beschreiben. Alles in mir wird schneller... Mein Herz schlägt schneller, mein Atem wird auch schneller... Jetzt gerade nicht, aber wenn er wach wäre... und wenn wir allein wären... Yukimura schluckte schwer. Statt des Weges, den sie entlang ritten, formten sich vor seinem inneren Auge völlig andere Bilder. Er stellte sich vor, was Sasuke wohl tun würde, wenn er nüchtern wäre und wenn sie allein wären. Er sah vor sich, wie der Ninja ihm sanft vom Gesicht über den Rest des Körpers strich und ihn hier und da küsste... Yukimura schüttelte hastig den Kopf um die Bilder wieder loszuwerden. „Hm? Was hast du Yukimura?“, fragte der Fürst, der ihn bemerkt hatte. „Ach nichts, nur eine Biene.“, log Yukimura und fuchtelte mit der Hand vor sich umher. „Ich sehe keine Biene...“, meinte Takeda und sah sich suchend um. „Dann ist sie wohl schon wieder weg.“ Der Fürst schwieg daraufhin und spornte seine Pferde zu mehr Tempo an. Yukimura sah nach hinten zu Sakitama und hoffte, dass das Pferd sich dem neuen Tempo auch anpasste. Immerhin war der junge Hengst an Arashis Sattel gebunden und musste unweigerlich dem älteren Fuchs Yukimuras folgen. Sasuke wachte irgendwann am Vormittag wieder auf und schaffte es dann endlich, selbst zu reiten. Sakitama schien jedenfalls keine Anstalten zu machen, sich zu wehren und gehorchte. Vermutlich, weil der Ninja inzwischen wieder nüchtern war. Als die Sonne unterging konnten sie bereits die Burg von Kai sehen und nun ritten sie alle noch einmal etwas schneller um endlich anzukommen. Die wenigen Wachen, die Takeda zurückgelassen hatte, hatten sie bereits entdeckt und die Stalljungen schon zu den Toren geschickt. Die nahmen nun dem Fürsten, dem General und Sasuke und den Soldaten die Pferde ab und führten sie in die Ställe. Yukimura vergewisserte sich, dass sie Arashi, Sakitama und die Pferde des Fürsten auch ja richtig trocken rieben und das Fell bürsteten, bevor er mit Sasuke, der mitgekommen war, in die Burg ging. Vor seinem Zimmer blieb er stehen und schaute zu Sasuke. Der musterte ihn einen Moment. „Ihr wollt Euch sicher erst einmal ausruhen?“, fragte er. Yukimura nickte. „Ja, das will ich. Aber...“ „Aber?“ „Hast du noch einen Auftrag oder etwas derartiges zu erledigen?“, fragte Yukimura. „Nein... Warum fragt Ihr?“ „Nun ja... Du hast es nicht gemerkt, aber ich konnte die letzte Nacht kaum schlafen. Ich musste die ganze Zeit daran denken, was dieser … Spion gesagt hat.“ Sasuke sah ihn prüfend an. Das, was dieser Fremde gesagt hatte, musste für den jungen General wohl sehr schlimm gewesen sein. Sein Gesicht zeigte es gar nicht so sehr, doch in seinen Augen stand es deutlich. Sasuke sah, wie der Jüngere sich mit den Worten, welche auch immer es waren, sehr schwer tat. Sollte ich ihn danach fragen? … Vielleicht noch nicht jetzt... später. „Möchtet Ihr, dass ich bei Euch bleibe heute Nacht?“, fragte Sasuke vorsichtig. Yukimura richtete seinen Blick auf ihn, sagte aber nichts. Für Sasuke waren aber scheinbar keine Worte von Nöten. Er nickte, deutete eine Verbeugung an und verließ den Gang. Der junge General stand allein vor den Shoji seines Zimmers. Seufzend ging er hinein. Wenigstens musste er diese Nacht nicht ganz allein mit seinen Gedanken bleiben. Sasuke war nicht mehr betrunken, also konnten sie reden. Nachdem er sich den Staub der Reise abgewaschen hatte und den Yukata angezogen hatte, setzte er sich auf seinen Futon. Fast im selben Moment tauchte Sasuke auf der Terrasse auf. Er fragte nicht, sondern kam in das Zimmer. Yukimura beobachtete ihn, bis sich Sasuke vor ihm auf den Boden hockte. „Meister Sanada... Was betrübt Euch? Ihr seht so niedergeschlagen aus?“, fragte er. „Findest du, mir steht der Yukata?“, entgegnete Yukimura. Sasuke runzelte die Stirn. Was war das für eine Frage? „Wie...? Nun ja... Er bringt weder Eure Augen noch Eure Haare zur Geltung.“, meinte er stutzend. „Also steht er mir nicht?“ „Nicht wirklich, aber wollt Ihr in einem Seidenkimono schlafen?“ Yukimura seufzte. Er hatte Recht, das war nun wirklich keine Option und das hatte er auch ganz bestimmt nicht vor. Aber dieser blaue Baumwollyukata nervte ihn gerade gewaltig. Hätte dieser falsche Oyamada nicht davon gesprochen, dass er den Yukata an ihm nicht gemocht hatte, dann wäre das nicht so. „Ich würde gerne in etwas anderem schlafen... Alles nur nicht dieser Yukata...“ „Warum ist das auf einmal so wichtig für Euch?“, fragte Sasuke. „Du hast das Gespräch mit diesem Spion nicht mitbekommen... Er war es, der sich in mein Zimmer geschlichen hat... Er sagte, der Yukata würde mir nicht stehen, aber hat genug preisgegeben...“, brachte Yukimura hörbar gequält hervor. „Er hat genug preisgegeben? Wie war das gemeint?“ „Sasuke, der Yukata ist nicht so lang wie ein Kimono, das weißt du auch.“, knurrte Yukimura und war froh, dass es fast dunkel war, sodass Sasuke nicht sah, wie er rot anlief. Sasuke wusste, dass Yukimura nicht sehen konnte, wie sein Gesicht aussah und das war auch gut so. Und gut war auch, dass dieser Spion tot war, sonst hätte er ihn womöglich getötet. Er schluckte. Hatte er das gerade wirklich gedacht? „Was hat er noch gesagt?“, fragte Sasuke. Yukimura schwieg einen Moment, bevor er antwortete. „Er sagte, er sei in mein Zimmer gekommen und würde es jederzeit wieder tun wollen.“, er atmete tief durch. „Und dass meine kühle zurückweisende Art ihn angezogen hätte... Er meinte, dass ich...“ „Das Ihr...?“, hakte Sasuke nach, als Yukimura zögerte. „Er meinte, dass erwecke den Eindruck, dass ich erobert werden will...“, sagte Yukimura leise. Sasuke war überrascht. „Erobert? Was soll das denn?“ „Ich will gar nicht wissen, was wäre, wenn er noch leben würde...“ Sasuke war das jetzt völlig egal, er rückte auf den Futon und zog den jungen General in seine Arme. „Denkt nicht über so etwas nach. Das wird nicht passieren. Ihr habt schließlich Euren Standpunkt dazu überdeutlich klar gemacht. Er kann Euch nichts mehr tun. Selbst wenn... dann würde ich ihn töten!“ Yukimura riss überrascht die Augen auf, löste sich aus der Umarmung und versuchte in dem dunklen Zwielicht, das Gesicht des Ninjas zu erkennen. „Was hast du grad gesagt?“ „Ihr habt mich schon verstanden.“, erwiderte Sasuke, nahm Yukimuras Gesicht in seine Hände und küsste ihn. Als Masamune mit seinen Leuten endlich in Sendai ankam, bemerkte er sofort das geschäftige Treiben auf seiner Burg. Er warf Kojuro einen fragenden Blick zu. „Was ist hier los? Das ist nicht das normale Treiben, dass sonst herrscht, wenn wir von einem Feldzug zurückkommen...“ Kojuro beobachtete es einen Moment, während er ihre Pferde an die Stalljungen abgab und Anweisungen an die anderen Leute gab, die den Soldaten halfen. „Nein, stimmt. Aber ich weiß warum sie alle so geschäftig sind. Ich hab Euch doch von Akina erzählt.“, sagte er dann. Akina? Wieder sah Masamune ihn fragend an. „Ihr erinnert Euch doch wohl daran? Ich habe Euch gesagt, dass Euer Vater sie ausgesucht hat und dass sie bald zu uns kommt.“ „Oh... Die Akina...“, meinte Masamune und fügte dann griesgrämig hinzu: „Was heißt bald?“ „Das heißt morgen, so wie es aussieht...“, meinte Kojuro. „Morgen? Na toll!“, murrte Masamune und setzte sich in Bewegung zu seinen Gemächern. Kojuro folgte ihm. „Es tut mir Leid, dass ich es Euch nicht früher gesagt habe.“, entschuldigte er sich. Masamune winkte genervt ab und lief weiter. Kojuro sah einige Diener und während sie durch die Gänge hinauf bis zum höchsten Punkt gingen, wo die fürstlichen Gemächer waren, erteilte er ihnen Befehle. Der Fürst schob die Shoji beiseite und ging in seine Zimmer. Kojuro trat ebenfalls ein. „Das ist ja herrlich! Alle rennen durch die Burg, aber was zu Essen kriege ich nicht, wenn ich nach Hause komme!“, maulte Masamune. „Ich habe Michiko bereits informiert. Sie kümmert sich darum.“, sagte Kojuro. „Das will ich hoffen, ich sterbe vor Hunger!“ Kojuro lächelte. „Nicht nur Ihr. Sie wird gleich etwas bringen, ich glaube, ich könnt Euch auf frittierten Fisch freuen.“ „Well, das wird aber auch Zeit. Ich habe schon lange keinen frittierten Fisch mehr gegessen.“ Und er musste wirklich nicht lange warten. Michiko brachte kurz darauf ein Tablett mit Reis, frittiertem Fisch und etwas eingelegtem Gemüse. Dazu brachte sie Sake und grünen Tee. Kojuro nahm ihr das Tablett ab. „Danke. Du kannst jetzt gehen. Das Tablett kannst du morgen abholen. Sind alle weg?“ „Ja, Meister Katakura. Ich wünsche eine gute Nacht.“, sagte sie und verschwand lautlos. „Was soll das heißen, ob alle weg sind?“, fragte Masamune. Kojuro sah ihn an und lächelte. „Das heißt, das sich kein Diener mehr hier oben befindet. Sie sind alle in der unteren Burg.“ Masamune runzelte die Stirn. „Was hast du vor?“ „Wie ich schon sagte, Akina wird morgen hier eintreffen. Wollt Ihr die Zeit etwa nicht für Euch selbst nutzen?“ Der Fürst schien zu verstehen, dann setzte er sich wortlos vor das Tablett und Kojuro gegenüber. Stillschweigend aßen sie. Kojuro goss den Tee in die Becher und Sake in die kleinen Sakeschälchen. Je eines davon stellte er dem Fürsten hin und ein zweites Paar vor sich. „Akina kommt also morgen...“, bemerkte Masamune in einer Tonlage als wäre es ihm zu still. Kojuro brummte zustimmend. „Und du möchtest, dass ich die Zeit bis dahin für mich allein nutze...“ Wieder ein zustimmendes Brummen. „Alle Diener sind weg, hast du gesagt... Aber du bist nicht mein Diener, Kojuro.“ Kojuro gab diesmal kein Geräusch von sich, sondern sah ihn nur an. Masamune zog eine Augenbraue hoch. „Du willst also hier bleiben.“, stellte er fest. Kojuro sah ihn weiterhin an. Ganz so, als würde er dem Fürsten eine Prüfung abnehmen und wollte ihn durch diesen beständigen Blick verwirren. Ein Lächeln umspielte Masamunes Lippen. Er trank den Tee aus und nahm das Sakeschälchen, welches ebenfalls in seiner Kehle verschwand. Er sah, wie Kojuro es ihm gleichtat. Dann stand Kojuro auf, stellte das Tablett an die Tür und holte den Futon des Fürsten aus dem Schrank. Fein säuberlich breitete er ihn aus, legte die Decken und Kissen dazu und sah zu Masamune. Der hatte ihn leicht überrascht gemustert und betrachtete nun die Szene. „Du bist ziemlich wortkarg.“, meinte Masamune. „Muss man denn immer reden?“, entgegnete Kojuro. Masamune sah ihm überrascht nach, als Kojuro eine kleine Laterne anzündete und sie an die Shoji zum Garten stellte. Er folgte ihm auch mit dem Blick, als er die anderen Kerzen löschte. Kojuro war oft sehr still, aber heute hatte das Ganze etwas kurioses an sich. Masamune hatte nicht den geringsten Schimmer, was er vorhatte. Nur eines fiel ihm ein, aber würde Kojuro sich das wirklich ein zweites Mal einfordern? Nun gut, er würde sich nicht verweigern. Dazu bestand nun wirklich kein Grund. Das Zimmer lag jetzt in einem angenehmen Dämmerlicht, verursacht vom schwindenden Sonnenuntergang und der Laterne. Kojuro reichte ihm die Hand. „Kommt mit. Wenn ich mich recht an den Sternengucker im Dorf erinnere, dann gibt es heute Sternschnuppen zu sehen.“, sagte er. Masamune ließ sich von ihm auf die Beine ziehen und gemeinsam gingen sie auf die Terrasse hinaus, wo sie sich so setzten, dass sie die langsam erscheinenden Sterne sehen konnten. Eine ganze Weile saßen sie schweigend da, während es immer dunkler wurde und immer mehr Sterne am Himmel auftauchten. Soweit Masamune sich erinnerte, hatte er sich viel zu selten Zeit genommen, die Sterne zu beobachten. Er war überrascht, wie viele kleine, kaum erkennbare Sterne er sehen konnte. „Wann habt Ihr das das letzte Mal gemacht?“, fragte Kojuro. „Oh... ich glaube, da war ich noch ein kleiner Junge, als ich das letzte Mal die Sterne beobachtet habe.“ „Dann wurde es ja höchste Zeit.“ Kojuro berührte sanft die Hand des Fürsten. Masamune sah auf seine Hand, die von Kojuros bedeckt war und dann wieder zu den Sternen. Und dann sah er sie: eine Sternschnuppe, die sich schnell und mit einem langem strahlenden Schweif über den Himmel zog und in der Dunkelheit verschwand. Kojuro musste sie auch gesehen haben, denn er drückte seine Hand. „Kojuro...“ „Hmm?“ „Danke...“ „Wofür?“ Masamune sah ihm in die Augen. „Für die Sternschnuppe... Ich weiß, ich weiß, du hast damit nichts tun. Aber du hast dafür gesorgt, dass wir sie sehen.“ Kojuro schenkte ihm ein Lächeln und näherte sich Masamunes Gesicht. Er gab ihm einen sanften Kuss, dann zog er ihn auf die Beine. Kojuro war größer als Masamune sodass der Fürst ein kleines Stück zu ihm hochsehen musste. „Und jetzt?“, fragte der Fürst. Kojuro lächelte erneut. Dann hob er Masamune mit einem Ruck auf die Arme. Der Fürst sah ihn erschrocken an. „Kojuro!“, japste er. Ein seltenes Geräusch drang an Masamunes Ohren: Kojuro lachte erfreut! Er freute sich über Masamunes Gesichtsausdruck und seine Reaktion! Zu sprachlos darüber ließ er Kojuro gewähren und nahm erst wahr, dass er ihn wieder hinein getragen hatte, als er mit ihm vor dem Futon stand. Ganz langsam ging Kojuro in die Knie und ließ sich dann mit Masamune auf den Futon fallen, sodass er über ihn gebeugt war. Masamune sah das Verlangen in Kojuros Augen und die vereinzelt in sein Gesicht gefallenen Haarsträhnen unterstrichen diesen Eindruck noch mehr. Kojuro betrachtete ebenfalls das Gesicht des Fürsten. Er sah die Überraschung aber auch das Verlangen dahinter. Wenn er daran dachte, seit wann er sich zurückgehalten hatte und wie lange er dieses wunderschöne Gesicht angesehen hatte und sich nichts anmerken lassen durfte. Ihm wurde schwer ums Herz. Hätte er doch nur damals den unausgesprochenen Wunsch des Fürsten erhört. Dann hätte er nicht die letzten Jahre um Fassung ringen und ständig an die Ehre des Fürsten denken müssen. Und nicht jeden Tag aufs Neue das Verlangen niederringen müssen. Nicht einmal das Flusswasser von Sakura hatte das glühende Verlangen etwas kühlen können. Schließlich hatte er sich auch da zurückhalten müssen. Masamune wusste nicht wie es ging, also hatte er ihn nicht gleich verschrecken wollen. Aber wie sollte er es noch länger aushalten? „Kojuro?“, fragte Masamune, dem die Stille langsam unheimlich wurde. „Mein Fürst... ich...-“ Masamune hielt ihn plötzlich fest. „Oh nein... Sag jetzt nicht, du kannst das nicht!“ Kojuro schien erleichtert. „Nein... Das ganz sicher nicht... Aber... Ihr wisst, wie lange ich schon so für Euch empfinde. Fast genauso lang, versuche ich schon mein Verlangen nach Euch so weit es geht in den Hintergrund zu stellen...“ „Heute nicht...“, flüsterte Masamune. Seine Stimme jagte Kojuro Schauer über den Rücken. „Ich muss... Ich will Euch nicht wehtun.“ Masamune strich ihm über die Wange. „Mach was du für richtig hältst, Kojuro. Du bist hier der Meister, nicht ich.“ Kojuro schloss genüsslich die Augen, dann sah er ihn wieder an und küsste ihn. Dann zog er an den Kleidern, die der Fürst unter der Rüstung trug und zog sie ihm halb aus. Nach einer Weile, in der Kojuro mit den Kleidern des Fürsten und seinen eigenen gekämpft hatte, saßen sich beide mit einer dünnen Decke bedeckt gegenüber. Kojuro strich sanft über Masamunes Brust. Ein genießerisches Seufzen erklang und Kojuro spürte ein Kribbeln. Vermutlich spürte Masamune dasselbe. Er drückte den Fürsten sanft auf den Futon zurück und bedeckte ihn mit Küssen. Masamune genoss dieses wohlige Kribbeln, dass sich von den Stellen, wo Kojuro ihn küsste, durch den ganzen Körper zu den Füßen und wieder zurück ausbreitete. Kojuro ließ sich von Masamunes Schaudern nicht stören und bewegte sich weiter. Masamune verspürte dieses Kribbeln immer deutlicher in seiner Körpermitte und wusste, Kojuro würde es spüren. Und nicht nur das, er würde es auch sehen. Ein deutliches Zeichen für sein Verlangen. Plötzlich erlosch die Flamme der kleinen Laterne und es war dunkel. Masamune spürte Kojuros Hände, seinen Körper, seine Lippen... sein Verlangen. Und er genoss es... Kapitel 17: Akina ----------------- Am nächsten Tag sollte Akina ankommen. Als Masamune endlich aufwachte, schien die Sonne bereits in den Raum. Er drehte sich mit dem Rücken zum Fenster und sah sich um. Kojuro war nicht mehr da. Er seufzte, dann richtete er sich auf. Seine Kleider lagen fein säuberlich neben dem Futon. Typisch Kojuro... Masamune lächelte und zog sich an. Dann ging er hinaus und suchte Kojuro. Irgendwo in der unteren Burg bei Michiko fand er ihn dann. „Guten Morgen.“ „Mein Fürst...“, begrüßte ihn das zierliche Mädchen und neigte den Kopf. „Guten Morgen ist gut. Es ist fast Mittag. Die Dame Akina wird bald eintreffen, ihr Tross ist nicht mehr weit weg.“, entgegnete Kojuro und bemühte sich, das Mädchen, das sein Vater ausgesucht hatte, förmlich zu benennen. „Habe ich so lange geschlafen?“, fragte Masamune verwundert. „Allerdings. Ich habe Euch schlafen lassen. Immerhin wird es heute ein langer Tag.“ Masamune musterte ihn. Das war doch Absicht! Du bist ja selbst Schuld daran, immerhin hast du mich so lange wach gehalten. Dann lächelte er ihn an. „Was hast du alles geplant?“ „Oh eine Menge, wenn ich mir so die Liste ansehe, die die Damen hier gemacht haben. Begrüßung, eine Teezeremonie, eine Noh-Aufführung, Musik, Essen und dann ist der Tag auch schon vorbei...“, zählte Kojuro auf. Masamune drehte sich seufzend um. „Oje... Die Arme. Was denkt ihr euch alle? Sie hat eine lange Reise hinter sich und dann kommt ihr hier mit so einem Aufgebot... Streich die Noh-Aufführung, die Teezeremonie wird ihr reichen. Sie soll sich erstmal ausruhen, wenn sie angekommen ist.“, sagte er und ging aus dem Raum. Kojuro sah ihm mit einer hochgezogenen Augenbraue nach. „Mein Fürst...“ Masamune drehte sich zu ihm um und sah ihn an. „Das ist eine Frau... Sie wird sich mit Sicherheit erstmal ausruhen und frisch machen wollen. Meine Mutter war genauso.“ Kojuro musste lachen. „Ich glaube, Ihr habt Recht. Streichen wir die Aufführung.“ „Meister Katakura!“ Der Vasall kam auf den Flur und sah einen der Bediensteten auf sie zukommen. „Was gibt es?“ „Die Dame ist angekommen. Sie bringen gerade die Sänfte zum Eingang.“, sagte der Mann mit einer Verbeugung in Richtung des Fürsten. „Dann werden wir sie begrüßen gehen... Mein Fürst.“ Kojuro wandte sich an den Fürsten und nur ein Blick genügte, dass sich beide in Bewegung setzten. Am Eingang waren sie überrascht, dass die Dame mit nur zwei Begleitern und den Sänftenträgern gekommen war. Aber nun gut, vielleicht waren ihre Begleiter außerordentlich gute Kämpfer. Einer der beiden half der Dame aus der Sänfte. Der zweite brachte sie zu dem Fürsten von Oshu und seinem Vasallen. Die Begrüßung fiel relativ trocken aus, schließlich kannte man sich noch nicht. Masamune bemühte sich um Freundlichkeit, doch der Begleiter Akinas war noch immer stehen geblieben. Er trug seine Schwerter bei sich und Masamune war wie immer achtsam. „Kuroe... Ihr könnt heimkehren. Lasst mir die Sänfte hier. Richtet daheim aus, dass ich gut angekommen bin.“, sagte Akina. Der Begleiter namens Kuroe nickte und ging zurück zu den anderen. Die Sänftenträger stellten die Sänfte ab und Kuroe und sein Partner stiegen auf ihre Pferde. „Gebt den Sänftenträgern Pferde, dann sind sie schneller wieder zu Hause!“, befahl Masamune und zwei Stalljungen rannten sofort los. „Ich danke Euch, Fürst Date.“, sagte Akina und neigte ihren Kopf. Kojuro musterte sie. Sie war ohne Frage eine hübsche Frau. Ihr langes schwarzes Haar war glatt zusammengebunden zu einem lockeren Knoten, ihr Kimono war ganz aus Seide und strahlte im Sonnenlicht wie flüssiges Gold, obwohl die Farbe eindeutig Orange war. Sie war kleiner als der Fürst, aber Kojuro fiel auf, dass sie keinen der beiden direkt ansah. Sie sah nur gerade aus und neigte ein wenig den Kopf in die Richtung, aus der gerade gesprochen wurde. Er schaute zu Masamune. Auch ihm war das schon aufgefallen, doch er zeigte keine Regung. „Ihr wollt Euch sicher etwas erfrischen und ein wenig ausruhen?“, fragte Masamune höflich. „Das würde ich gerne. Würdet Ihr mich in meine Gemächer begleiten?“, fragte sie zurück. „Kojuro, zeig ihr bitte ihre Zimmer. Du hast das alles organisiert.“, sagte Masamune und sah ihn an. „Natürlich. Wenn Ihr mir folgen wollt.“, sagte Kojuro und wandte sich an Akina. Sie sah wieder nur gerade aus. „Es wäre sehr freundlich, wenn Ihr mich führen könntet.“ Kojuro sah zu ihr, zu Masamune und dann wieder zu Akina. „Wie... meint Ihr das?“ „Bitte entschuldigt... Ich kann nichts sehen. Das war früher nicht so, erst seit einigen Jahren.“, erklärte sie. Kojuro staunte nicht schlecht. Sie sah überhaupt nicht danach aus. Masamune hingegen musterte sie und Kojuro erkannte ein Lächeln auf seinem Gesicht. Fragend sah er ihn an, erhielt aber vorläufig keine Antwort auf die unausgesprochene Frage. Masamune lächelte ihn an. Na das passt ja wie ein Schwert in seine Scheide... Ich, mit nur einem Auge und sie völlig blind. „Nun, dann werde ich Euch führen.“, sagte er an Akina gewandt und nahm sie am Arm. Kojuro nickte und ging voran, während der Fürst und die zukünftige Fürstin ihm folgten. Es dauerte eine Weile, bis sie in der oberen Burg ankamen. Vor den Shoji zu den Gemächern, die Kojuro hatte für Akina herrichten lassen, blieben sie stehen. „Wünscht Ihr, dass eine Bedienstete Euch in den neuen Gemächern und der Burg zur Seite steht?“, fragte Kojuro höflich. „Das wäre sehr zuvorkommend.“, antwortete Akina. Kojuro rief eines der Mädchen und bat sie eine andere zu holen, dann wandte er sich wieder zu Masamune und Akina um. Sie werden ein schönes Paar sein... Warum nur konnte ich meinen Mund nicht halten? Meine Loyalität nicht einmal außer Acht lassen... Nur wenige Minuten darauf kam die gewünschte junge Frau. Kojuro erklärte ihr alles und stellte sie dann Akina vor. „Kanae wird Euch behilflich sein. Wir haben später eine Teezeremonie vorbereitet. Sie wird Euch dann zum Fürsten bringen.“, sagte er. Akina neigte sittsam den Kopf. „Ich danke Euch.“ „Mein Fürst, wir haben noch einiges zu tun. Wenn Ihr mit mir kommen wollt.“, fügte Kojuro an Masamune gerichtet hinzu, während Kanae Akina in ihre Gemächer führte. Als die Tür hinter den beiden Frauen geschlossen war, sah Masamune zu Kojuro. „Das ist doch gut für uns...“, flüsterte er. Kojuro nickte. „Was das angeht, ist es das wohl...“ Sie gingen hinunter, wo Kojuro die Vorbereitungen für die Teezeremonie kurz beobachtete und dann zusah, wie das Noh-Theater wieder abgebaut wurde. Nach einer Weile brachte Kanae die hübsche Akina zur Teezeremonie wo Masamune bereits wartete. Kojuro war nicht dabei, aber Masamune wusste, dass er nicht weit weg war. „Darf ich fragen, von wo Ihr kommt? Mein Vater hatte nicht mehr die Gelegenheit, mich über alles zu informieren.“, fragte Masamune leise während der Teezeremonie. „Ich komme aus der Grenzregion von Hida. Noch gehört das Lehen Shibata, aber Fürst Miki ist gerade dabei, die Grenzen zu erweitern.“, erzählte sie. Masamune nickte, dann fiel ihm wieder ein, dass sie das gar nicht sehen konnte. „Interessant... Und wann habt Ihr das Augenlicht verloren? Das heißt, wenn ich das fragen darf.“ Sie lächelte leise. „Ihr dürft. Ich habe es bei einem Angriff der Armee des Fürsten Shibata vor einigen Jahren verloren. Ich hatte Glück, andere haben den Angriff nicht einmal überlebt.“ Masamune betrachtete sie einen Augenblick. Entweder beherrschte sie die Kunst sich zu schminken so perfekt oder aber ihre Verletzungen waren gut abgeheilt. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Erblindung durch einen Angriff verletzungsfrei von statten gegangen sein sollte. Aber darüber wollte er nicht nachdenken. Er zog es vor, die Teezeremonie zu genießen. Akina schien das gleichermaßen zu sehen, also verlief die Teezeremonie in Stille. Am Abend saß Masamune nachdenklich auf seiner Terrasse. Kojuro betrat beinahe geräuschlos das Zimmer und blieb im Raum stehen. „Kojuro?“ „Ja, mein Fürst?“ „Heute sind keine Sterne am Himmel.“ „Das habe ich schon gesehen. Was betrübt Euch so?“ Masamune bat Kojuro an seine Seite. Eine Weile lang sagte er nichts, dann- „Mach ich das Richtige?“ „Das tut Ihr, Ihr seid der Fürst von Oshu.“ „Lass die Floskeln sein, ich meine das ernst.“ Kojuro lächelte. „Wenn ich ehrlich sein soll... hätte ich Euch am liebsten für mich allein, aber so ist es nun einmal nicht.“ „Du hast Glück, dass sie blind ist.“, meinte Masamune murrend. „Ja das mag sein. Dennoch, alle anderen sind es nicht.“ „Ja leider... Weißt du eigentlich wo sie herkommt?“ „Nein.“ „Aus dem Grenzgebiet von Hida.“ Kojuro warf ihm einen ernsten Blick zu. „Hida? Das gehört zu Shibatas Lehen.“ „Ich weiß, sie hat es mir gesagt. Aber sie sagte auch, dass ein Fürst Miki die Grenzen erweitern wolle. Hast du schon von ihm gehört?“ „Fürst Miki... Ich glaube ja. Aber ich bezweifle, dass er große Chancen gegen Fürst Shibata hat.“, überlegte Kojuro. „Ich glaube, darüber werde ich mir wohl weniger Gedanken machen. Dieser Miki wird schon sehen, was er davon hat. Nur weil sie aus Hida kommt, ist das noch lange kein Grund gleich misstrauisch zu werden.“, sagte Masamune. „Vielleicht habt Ihr Recht. Aber glaubt mir... Ihr tut das Richtige. Was würden die anderen Fürsten sagen, wenn Ihr Euer Leben lang allein regieren würdet?“ Masamune ließ ein Lachen hören. „Was würde mich das interessieren? Takeda macht sich doch auch nichts daraus!“ Kojuro schlug ihm lachend auf die Schulter. „Allerdings!“ Lachend sahen sie gemeinsam zum Himmel, wo sich die Wolken verdünnten und die Sterne langsam zu sehen waren. „Wie gut, dass du an meiner Seite bist...“, sagte Masamune. Kojuro lächelte und gab ihm einen Kuss. „Wie gut, dass sie blind ist...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)