Nanshoku von Rajani (Die Farben der Liebe) ================================================================================ Kapitel 2: Zu Gast beim Feind ----------------------------- Innerhalb weniger Stunden, während derer Date Masamune geschlafen hatte, waren sie ins nächste Fürstentum gelangt. Sie hatten den Fürstensitz in Echizen bereits erreicht und Katakura war vor einigen Minuten hineingegangen. Irgendwo mussten sie mit Fürst Date unterkommen und der Herrensitz des Fürsten Shibata war dafür am besten geeignet. Schon allein, weil hier eine medizinische Versorgung notfalls gegeben war – besser jedenfalls als auf einem kleinen Bauernhof irgendwo im Hinterland. Katakura kam wieder heraus und sah bereits das tänzelnde Pferd des jungen Sanada. Seine Unruhe übertrug sich schon auf den Fuchs, den er ritt. Er schüttelte den Kopf. Oh ja, der Junge hat noch einiges zu lernen. Mit Masamune als ebenbürtigen Feind ist er jedenfalls bestens bedient. „Meister Katakura? Dürfen wir etwa nicht bleiben?“, fragte Sanada erschrocken. „Oh keine Sorge, wir dürfen bleiben. Steig ab. Die Pferde werden in den Stallungen untergebracht. Wir dürfen hier vorn im äußersten Trakt bleiben. Jedenfalls so lange, bis wir mit Masamune weiterreiten können. Jetzt muss er sich erst einmal ausruhen und soweit erholen, dass wir problemlos nach Oshu kommen können.“, sagte Katakura, hielt die Zügel von Sanadas Pferd und wartete, bis er abgestiegen war. Dann kam ein Stallbursche von Shibata, dem Katakura die Zügel seines, Sanadas und Dates Pferd überließ. „Jungs, bringt die Sänfte bis zur Tür. Ich und der Jungspunt hier bringen den Fürsten rein.“, sagte er an die Soldaten gewandt, die die Sänfte getragen hatten. Ein erschöpftes Brummen erklang, als sie die paar Meter zur Tür stapfen sollten. Katakura und Sanada folgten ihnen. Katakura hob vorsichtig Fürst Date aus der Sänfte, die dann abgestellt wurde. Sanada öffnete ihm alle Türen, die ein Diener Shibatas ihnen zeigte und beeilte sich dann im Zimmer den Futon für Date auszubreiten. Katakura ließ ihn vorsichtig auf die Decken gleiten. Sowohl er als auch der junge Sanada ließen sich müde und erschöpft neben Date nieder. Nach einer Weile sahen sie sich an. „Du übernimmst die erste Nachtwache.“, sagte Katakura. „Wozu? Wir sind doch in Sicherheit.“, meinte der Jüngere. „Shibata ist kein Verbündeter, das weißt du hoffentlich. Sobald er eine Chance sieht, könnte er sie nutzen.“ „Aber ich dachte, Ihr hättet unseren Aufenthalt hier ausgemacht? Ich dachte, dazu gehört, dass wir hier sicher sind?“, fragte Sanada. „Ich habe uns einen vorübergehenden Aufenthalt gesichert, das stimmt. Aber für Shibata bedeutet das nicht, dass er den Feind in seinem Haus auch lebend wieder gehen lässt. Er hat sehr deutlich seinen Unmut darüber klar gemacht. Über Sicherheit für uns brauchte ich also gar nicht erst verhandeln.“ Sanada sah ihn verstört an. „Soll das heißen, wir sitzen hier in der Falle? Shibata kann uns jederzeit das Schwert in den Rücken rammen?“ „So kann man es nennen, ja. Aber er hat einen guten Grund, es nicht zu tun und uns unbehelligt wieder gehen zu lassen.“ Der junge General des, ebenfalls verletzten, Takeda runzelte die Stirn. „Was soll das jetzt heißen?“ Katakura sah ihm direkt in die Augen. „Sollte er versuchen einem von uns ein Haar zu krümmen, dann wird der Überlebende von uns dreien – und es wird mindestens einen Überlebenden geben – ihm den Allerwertesten auf Grundeis befördern. Allein der Versuch, uns anzugreifen, würde ihn einen beträchtlichen Teil seiner Leute kosten. Er weiß, welche Fähigkeiten wir beide – und vor allem Fürst Date – im Umgang mit dem Schwert haben. Shibata wird es sich nicht wagen. Erst recht nicht mit dem Wissen, dass unsere Verbündeten in sein Fürstentum einreiten.“ „Meister Katakura... Fürst Date ist verletzt und bewusstlos. Wenn Fürst Shibata es doch wagt, dann ist dein Fürst der erste der stirbt. Der wunde Punkt wird immer zuerst angegriffen. Da nutzt dann auch ein Gegenangriff eines Verbündeten nichts mehr, wenn Fürst Date ermordet wurde.“ Katakura ließ ein rauhes Lachen hören. „Um an Date zu kommen, muss er erst an uns vorbei. Und einer von uns, ist immer wach. Einer kann zurückschlagen und glaub mir, ich bin sofort wach. Beim kleinsten Geräusch. Keiner wird Date angreifen, wenn er nicht gerade lebensmüde ist.“ Sanada nickte. „Gut, dann übernehme ich die erste Nachtwache.“ „Sehr wohl.“, sagte Katakura nickend und holte sich einen weiteren Futon aus der Ecke den er neben seinem Fürsten ausbreitete. Während Katakura schlief, wachte Sanada über die beiden älteren Männer. Er hatte eine kleine Laterne, die sanftes schummriges Licht aussandte, aufgestellt. Seine Sinne waren höchst geschärft. Jedes Knirschen oder Rascheln ließ seine Hand zu seiner Lanze fahren, doch er griff nicht zu. Keines der Geräusche deutete auf einen Ninja oder Krieger hin, der in tödlicher Absicht kommen würde. Sasuke hatte ihm beigebracht, wie man diese Art Geräusche von den normalen Umgebungsgeräuschen unterscheiden konnte. Dazu gehörte auch, dass der Ninja ihn in einen dunklen Raum gesetzt hatte, wo er lernen sollte, welche Geräusche Sasuke verursachte und welche natürlichen Geräusche von draußen kamen. Tatami-Matten waren der Schlüssel. Die Matten lagen fast in jedem Zimmer aus und das Geräusch, wenn man sich darauf bewegte, unterschied sich erheblich von den Geräuschen die man auf Holzböden verursachte. Jedenfalls wenn man den Unterschied unzählige Male gehört hatte, wie Sanada. Ein normaler Mensch würde niemals den Unterschied bemerken, geschweige denn überhaupt wahrnehmen, dass sich ein Ninja anschlich. Sanada wandte sich trotzdem bei jedem Geräusch seiner Waffe zu. Man konnte ja nie wissen. Das Schachtelprinzip war sehr beliebt bei den Fürsten. Ein Ninja konnte praktisch von jeder Zimmerwand aus auftauchen, da sie alle irgendwie beweglich sein konnten. Seine Sorge, dass die Nacht für sie tödlich verlief, verlor sich, als die Sonne aufging. Schläfrig gähnte er und bemerkte, dass Katakura wach wurde. Dessen Blick ließ ihn zusammenzucken. „Keine Störung, Meister Katakura. Es war alles ruhig.“, sagte er. „Gut. Dann werde ich jetzt mal für ein Frühstück sorgen und dann kannst du schlafen.“, sagte Katakura und erhob sich. „Ja, Meister Katakura.“ Nach wenigen Minuten kehrte Katakura mit einem Bambustablett zurück. Er hatte Reis und Suppe vom Abend bekommen, die er jetzt zwischen sich und Sanada abstellte. Der Jüngere griff sofort zu und aß vom Reis. „Sehr vertrauensselig, Yukimura...“ Sanada Yukimura hielt in der Bewegung inne und sah Katakura an. Zum einen erschrocken, weil ihm die Bedeutung seiner Worte klar wurde, zum anderen, weil Dates rechte Hand ihn gerade beim Vornamen genannt hatte. „Meister Katakura... Ihr habt das Essen doch hergebracht. Ich ging davon aus, dass es unbedenklich ist. Und...“ „Das ist es auch, aber ich hatte dir soviel Verstand zugetraut, dass du mich danach fragst. Ich hätte dir fröhlich eine Ladung Gift untermischen können. Oder dir gar in die Suppe spucken...“ Yukimura verzog das Gesicht. „Ihr macht Euch über mich lustig!“, maulte er. Katakura lächelte. „So kann man es nennen. Du bist eben noch grün hinter Ohren.“ „Habt Ihr mich deshalb auch beim Vornamen genannt?“, murrte Yukimura. „Genau deshalb. Den Respekt musst du dir erst noch verdienen.“ Yukimura sah stur zur Seite. „Ich habe heute Nacht über eure Leben gewacht! Reicht das?“ „Noch nicht.“, sagte Katakura zwischen zwei Happen Reis. „Ich habe mit deinem Fürsten gegen Oda gekämpft, wir haben gesiegt! Ich war es, der Fürst Date zu Euch und Hisahide gebracht hat, damit er nicht stirbt!“, fauchte Yukimura. „Hmm... Nagut. Ich glaube, das reicht doch... Sanada... Gibst du jetzt Ruhe und isst?“ Grummelnd stopfte sich Sanada Reis in den Mund. Am Nachmittag bemerkte Katakura einen unangenehmen Geruch von draußen. Er ging bedacht vorsichtig nachsehen und war verärgert, dass Shibatas Gärtner ausgerechnet jetzt die trockenen Gartenabfälle verbrannten. Er schob die leichten Türen zu, sodass der Geruch nicht so stark in das Zimmer zog. Sanada regte sich und erhob sich dann von dem Futon an der Seite des Fürsten. „Was ist das?“, fragte er schläfrig. „Nichts weiter. Shibatas Leute verbrennen trockenes Laub.“, sagte Katakura. „Das stinkt...“, murmelte Sanada und rieb sich die Augen. „Ich habe schon die Türen zugemacht. Leg dich wieder hin und schlaf weiter.“ Sanada seufzte noch einmal, dann drehte er sich wieder um und schlief ein. Katakura lächelte, als er ihn sich zusammenrollen sah. Wie eine Katze. Der zweite Tag war so ereignislos wie der erste vorübergegangen. Wenn man einmal von versalzenem Essen, gehörigem Lärm, dem Verbrennen der Gartenabfälle und so einiger unfreundlicher Bediensteter absah. Katakura Kojuro, das rechte Auge des sogenannten Drachen von Oshu und dieses... Kind an seiner Seite ließen sich von all dem nicht stören. Und der Fürst erst recht nicht, denn der war noch immer bewusstlos, so schien es. Shibata stapfte wütend durch seine Gemächer. Jetzt würde er diese ungebetenen Gäste noch länger ertragen müssen. In selbem Moment kam ihm eine Idee und er rief seinen Ninja. „Meister?“ „Mach dich so schnell du kannst auf zu Takeda Shingen! Ich will diesen Date loswerden!“, sagte Shibata, ohne den Mann hinter sich eines Blickes zu würdigen. Der Ninja ruckte mit dem Kopf, was ein Nicken bedeuten sollte. „Sehr wohl, Herr!“, sagte er und war augenblicklich verschwunden. Shibata knurrte zufrieden. Doch seine Freude wurde augenblicklich getrübt, denn der Ninja kehrte nur kurze Zeit später zurück. „Du nutzloser Idiot! Was suchst du schon wieder hier? Du solltest zu Takeda gehen!“, fauchte er ihn wütend an. Der Ninja, mehr als schemenhafter Schatten als ein Mensch in dem Zimmer erkennbar, senkte hastig den Kopf. „Mein Herr, Sasuke Sarutobi, Takedas Ninja, ist mir gerade mit dem Ninja von Uesugi Kenshin begegnet. Fürst Shibata... Es würde keinen Sinn machen, sich in dieser Sache an Takeda zu wenden. Er und Date Masamune sowie Uesugi Kenshin sind Verbündete. Sasuke Sarutobi lässt ausrichten, dass, wenn Ihr Date Masamune oder einem seiner Gefolgsleute ein Haar krümmt, Takeda Shingen persönlich mit seiner Streitmacht kommt.“, berichtete er in eilig gesprochenen Sätzen. Shibata ballte wutentbrannt die Fäuste. „Verbündete?!“, brachte er gerade so durch die krampfhaft zusammengebissenen Zähne hervor. „Ja mein Fürst.“, bestätigte sein Ninja. Fürst Shibata verfiel in ein wütendes Zittern und beinahe im selben Moment flog seine Faust krachend in eine Vase, die in Stücke zerschmettert laut auf dem Boden landete. Katakura schreckte hoch und auch Sanada hatte zu seiner Lanze gegriffen. Irgendetwas war auf dem Anwesen passiert. Beide hatten das laute Scheppern vernommen. Nur kurz darauf hörten sie eilige Schritte. Der, der sie tat, machte sich keine Mühe, seine Wut zu verstecken, denn jeder Schritt donnerte geradezu auf den Holzdielen. Nur Sekunden später flog die Tür zu ihrem Zimmer auf und Fürst Shibata stand wutschnaubend im Rahmen. Sein Blick ruhte kurz auf dem schlafenden Fürsten Date, wanderte dann zu Sanada und von ihm zu Katakura. Der sah ihn gekonnt lässig an und neigte den Kopf ein wenig, damit der aufgebrachte Fürst sein Anliegen endlich kundtat. „Du weißt, wie ungern ich euch hier habe! Das habe ich von Anfang an gesagt, Katakura! Und wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich eurem Fürsten hier und jetzt mein Schwert in den Bauch stoßen!“, fauchte er. Katakura richtet sich ganz auf, sodass er sofort angreifen könnte, wäre es denn nötig geworden. „Dazu müsst Ihr erst einmal an uns vorbei. Und ich nehme an, selbst wenn Ihr es schafft, habt Ihr Euer Leben umgehend verwirkt. Ich schätze, Takeda wird nicht sehr erfreut sein, seinen Verbündeten und vor allem seinen General Sanada Genjiro Yukimura zu verlieren!“, sagte er völlig ruhig. Fürst Shibata bedachte ihn mit einem Blick, der hätte töten können. Dann wanderte sein Blick zu Sanada. „Das soll ein General sein? Das ist ein Kind! Takedas kleines winselndes Schoßhündchen, aber kein General!“ Sanada Yukimura war aufgesprungen, doch Katakura war so schnell bei ihm, dass er sich fragte, ob er Halluzinationen hatte. Wie konnte der Mann so schnell bei ihm sein? „Bleib ruhig, Sanada.“, beschwor der Ältere ihn. „Wie könnt Ihr-“, setzte Sanada an, doch Katakura gebot mit nur einem Blick sofortige Stille. Sanada gehorchte und zog sich zurück. „Fürst Shibata... Ich lege keinen Wert auf ein Blutbad. Lasst uns jetzt schlafen, das ist für uns alle besser. Und wer weiß, vielleicht wacht mein Fürst ja morgen auf und Ihr seid uns dann ganz schnell los.“, sagte Katakura sehr ruhig. Der Fürst runzelte die Stirn, schien dann aber diesen Vorschlag für genehm zu befinden. „Wir werden sehen!“, knurrte er und rauschte davon. Katakura atmete erleichtert durch. Sanada hinter ihm rührte sich wieder. „Meister Katakura... wie konntet Ihr nur so ruhig bleiben?“, fragte er aufgebracht. „Das nennt man Diplomatie, Sanada. Etwas, was du als General auf jeden Fall beherrschen solltest.“, antwortete Katakura. Sanada rümpfte die Nase und schnaubte. „Du bist noch so grün hinter Ohren... Merk dir das: Du wirst Shibata nicht anrühren, ist das klar! Das bringt uns sonst nur Probleme!“ Sanada schien ihn zu ignorieren und sah zu Fürst Date. „Hast du mich verstanden, Sanada Genjiro Yukimura, General von Takeda Shingen?!“, hakte Katakura nach. „Ja, Meister Katakura... Fürst Date zuliebe werde ich mich zurückhalten.“ „Gut. Kann ich mich also beruhigt schlafen legen?“ „Ja, Meister Katakura...“ Dates rechte Hand legte sich wieder auf den Futon unter die Decke. „Gute Nacht, Sanada.“ „Gute Nacht... Katakura.“, murmelte Sanada. Der junge General legte behutsam die Hand auf seine Lanze. Diplomatie... Ja, das musste er wirklich noch lernen, denn wäre Katakura nicht so schnell zur Stelle gewesen, dann wäre er auf Fürst Shibata losgegangen. Die Nacht zog sich hin und Yukimura wurde langsam müde, als draußen endlich die Dämmerung einsetzte. Während das Zimmer langsam einen Blauton annahm, sah Yukimura zum Fürsten. Das Gesicht war ruhig. Als würde er wirklich nur schlafen und sich nicht noch zusätzlich von den Qualen dieser... - wie nannte es der Heiler? Kauterisierung? - erholen. Yukimura schlich sich an den Futon Dates heran und strich vorsichtig ein paar Strähnen aus dem friedlichen Gesicht. Seine Finger fuhren behutsam über die Augenklappe. Wie er wohl ohne diese Klappe aussieht? Gerade als er nachsehen wollte, wachte Katakura auf. Er sah ihn und seine Hand packte die Yukimuras. „Tu das nicht. Wenn er das erfährt, wird er es dir vielleicht nie verzeihen. Was das angeht, ist Masamune sehr eigen.“, sagte er ernst. Yukimura stockte. „Entschuldige meine Neugier.“, murmelte er. Katakura grinste. „Keine Sorge, ich habe das auch einmal versucht. Er hat sehr deutlich klar gemacht, dass er das nicht wünscht. So deutlich, dass ich seitdem nie mehr das Bedürfnis hatte, wissen zu wollen, wie es darunter aussieht.“ Yukimura lächelte. „Wirklich? Ihr wolltet auch mal gucken?“ „Ja, das wollte ich.“ Yukimuras Lächeln wurde breiter. „Wollen wir gucken?“ „Bist du verrückt geworden? Was fällt dir ein?“ „Meister Katakura, er merkt es doch nicht. Er ist immer noch bewusstlos.“, meinte Yukimura schnippisch. Katakura schüttelte den Kopf. „Masamune war sehr sehr deutlich diesbezüglich. Selbst jetzt würde ich es nicht wagen. Aber bitte, nur zu. Tu, was du nicht lassen kannst.“ Yukimura grinste immer noch und seine Hand wanderte wieder zu der Augenklappe. Doch noch bevor er sie auch nur berührt hatte, schnellte plötzlich erneut eine Hand hoch, die ihn festhielt. Er sah zu Katakura, doch dessen Hand war es nicht. Selbst er sah erschrocken aus und schaute zum Fürsten herunter. Yukimura folgte seinem Blick und sah in ein erschöpftes aber stahlhart blickendes Auge unter sich. „Ich hacke dir die Hand ab, wenn du das machst!“, zischte Date Masamune schwerfällig. Yukimura schluckte schwer und wäre vor Schreck hintenüber gekippt, hätte sich sein Handgelenk nicht fest in Dates Griff befunden. Taubheit machte sich jetzt in seiner Hand breit, so fest hatte derFürst ihn gepackt. „Bitte entschuldige...“, japste er. Mit einem Ruck ließ Date ihn los und sah ihn finster an. Sanada schwieg und es war Katakura, dessen erleichtertes Seufzen die Stille wieder durchbrach. „Mein Fürst, ich bin froh, dass Ihr wieder wach seid.“, sagte er. Date sah sich um und schien Katakura geradewegs zu ignorieren. „Wo sind wir? Das ist nicht mein und nicht Takedas Anwesen.“, stellte er mürrisch fest. „Nein, das stimmt. Ich habe einen vorübergehenden Aufenthalt bei Fürst Shibata arrangiert, damit Ihr Euch erholen könnt.“, sagte Katakura. Der Fürst sah ihn mit glühendem Blick an. „Shibata? Du willst mich auf den Arm nehmen?! Doch nicht bei diesem verlogenem kleinen Frettchen!“ „Verzeihung, mein Fürst, aber eine andere Möglichkeit gab es nicht. Die Maedas sind zu weit weg und die Fürsten Mori und Chosokabe befinden sich in völlig entgegengesetzter Richtung zu unserem Heimweg. Auch über Tokugawas Fürstentum würden wir nur einen unnötigen Umweg machen. Von hier aus sind wir am schnellsten und Fürst Shibata war auch am schnellsten zu erreichen.“ Masamune ließ den Kopf in die Hand sinken. „Musste das denn sein? Von Shibata habe ich noch nie etwas Gutes gehört.“ „Ich glaube, dass können wir bestätigen.“, maulte Sanada. Auf Masamunes fragenden Blick hin folgte die Erklärung: „Er hat mich als Fürst Takedas winselndes Schoßhündchen bezeichnet! Sehe ich aus, wie ein Schoßhündchen?“, entrüstete sich Sanada. Masamune hätte am liebsten laut losgelacht, doch ein stechender Schmerz verwandelte das Lachen in ein unterdrücktes Prusten wovon am Ende nur noch ein seichtes Lächeln blieb. „Sehr schön, wenigstens Humor hat das Frettchen...“ Sanada sah den Fürsten brüskiert an. „Ih findest das witzig, Fürst? Na wunderbar...“ „Sei nicht sauer, Yukimura. Das Frettchen von einem Fürsten kennt dich überhaupt nicht. Wenn hier einer von einem winselnden Schoßhund an Takedas Seite reden kann, dann ja wohl ich.“, sagte Masamune. Yukimura riss den Mund auf, um etwas zu entgegnen, ließ es dann aber doch bleiben. Fürst Date Masamune war drei Jahre älter als er, kannte ihn inzwischen recht gut und er war kampferfahrener. Er musste an Katakuras Worte denken, dass er von Diplomatie noch keine Ahnung hatte. Es war also angebrachter jetzt den Mund zu halten, statt lauthals zu protestieren. Katakura nickte ihm zu. „Mein Fürst. Lass mich nach dem Verband sehen, ja? Hisahide hat uns etwas mitgegeben.“ „Reicht es nicht, dass er mich umbringen wollte?“, maulte Masamune. „Umbringen... Er hat Eure aufgerissene Wunde kauterisiert. Hätte er das nicht getan, wärt Ihr jetzt tot.“, sagte Katakura, half ihm in eine sitzende Position und zog seinen Fürsten soweit aus, dass er ihm problemlos den Verband wechseln konnte. An der Stelle wo die Wunde war, sah der alte Verband bereits gelb von den Kräutern aus. Und es roch auch ein wenig unangenehm, als Katakura die Kräuterwickel abnahm. Yukimura rümpfte die Nase und als er die Wunde sah, bemerkte er, dass sein Magen schon wieder rebellieren wollte. Dabei sah es nicht mehr so schlimm aus, wie an dem Tag, als der Heiler das glühende Eisen darauf gepresst hatte. Jetzt war es nur noch gerötet und die Haut hatte sich bereits wieder geschlossen. „Es sieht schon besser aus.“, sagte Katakura und wandte sich dann an Yukimura. „Sollen die Kräuter, die Hisahide mitgegeben hat nass aufgelegt werden?“ „Ich glaube ja. Jedenfalls sahen sie bei ihm nass aus.“ „Gut. Pass auf den Fürsten auf, ich gehe Wasser holen.“ Yukimura nickte und Katakura verließ das Zimmer. „Du warst dabei, als Hisahide mich gequält hat?“, fragte Masamune. „Ja, Meister Katakura hat mich mit Euch zu ihm gebracht und der Heiler hat mich auch nicht gehen lassen.“, sagte Yukimura. Masamune verzog das Gesicht. „Du hast ihm also geholfen? Dem alten Folterknecht...“ Yukimura nickte schuldbewusst. „Ich hatte keine Wahl...“, sagte er leise. Die Hand des Fürsten legte sich behutsam auf die seine. „Danke. Ohne dich hätte Hisahide meine Wunde nicht behandeln können. Ich war bestimmt nicht einfach in dem Moment.“ „Oh nein... Trotz des besten Sake des Landes wart Ihr wirklich schwer festzuhalten.“, gab Yukimura zu. Ein Grinsen trat auf Masamunes Gesicht. „Du bist ganz sicher kein kleiner Schoßhund, wenn du das geschafft hast.“ Yukimura sah ihn mit großen Augen an. „Dann habt Ihr das vorhin nicht ernst gemeint?“ „Natürlich nicht... Hätte ich dich denn sonst als meinen ebenbürtigen Gegner auserkoren? Dummkopf.“ Fürst Shibata war es nicht entgangen, dass Fürst Date wieder aufgewacht war. Und er konnte es sich nicht nehmen lassen, wenigstens einen Blick auf den ach so tollen Drachen aus Oshu zu werfen, wenn er schon einmal wach in seinem Anwesen zugegen war. Er wollte nicht direkt in das Zimmer platzen, den Auftritt hatte er gestern schon hingelegt. Stattdessen schlich er sich heimlich in den Garten hinaus. Er stellte zufrieden fest, dass dieses Schoßhündchen Takedas die Türen weit geöffnet hatte, damit frische Luft hinein kam. So konnte er nun beobachten, wie das Häufchen Elend eines Fürsten von seiner rechten Hand und dem Schoßhund frisch verbunden wurde. Es schien schmerzhaft zu sein, jedenfalls machte sein Gesichtsausdruck das deutlich. Shibata grinste. Der Schwertmeister Katakura Kojuro ließ die alten Verbände in das Wasser gleiten, mit dem er zuvor die Wunde des Fürsten gereinigt hatte und die Kräuter darin geschwenkt hatte. Selbige drückte der Möchtegern-General Sanada für einen Moment an Dates Bauch, während Katakura den Verband anlegte. Als sie fertig waren, brachte Katakura die Schüssel wieder zurück. Shibata schlich sich noch näher heran. Er konnte sehen, wie Date sich mit dem Jungen unterhielt. Dann strich er ihm plötzlich ein paar Strähnen aus dem Gesicht und der junge General bewegte sich keinen Zentimeter weg. Shibata hatte erwartet, dass er bei dieser Berührung wegzucken würde. Das wäre jedenfalls eine normale Reaktion gewesen. Der Fürst feixte fröhlich. So ist das also! Jetzt wurde ihm klar, was der General von Takeda Shingen hier überhaupt zu suchen hatte. Sanada ist also Dates kleiner Gespiele! Das sind ja wunderbare Nachrichten! Hände reibend spazierte er aus dem Garten zurück in seine Gemächer. Yukimura war verwirrt. Katakura hatte dem Fürsten gerade die Wunde frisch verbunden und brachte nun das Wasser weg. Katakura hatte kurz ein paar Worte mit FÜrst Dte gewechselt und jetzt strich der Fürst Yukimura ein paar Strähnen aus dem Gesicht? Was war los? „Fürst Date?“, fragte Yukimura. „Deine Haare hingen in den Wimpern fest, du hast die ganze Zeit schon geblinzelt.“, sagte Masamune. Yukimura wusste nicht, was er sagen sollte. Doch das musste er auch nicht, denn Masamunes Aufmerksamkeit wurde auf den Garten gelenkt. Sein Blick verhärtete sich. Yukimura folgte ihm und sah gerade noch den Kimono von Fürst Shibata in dessen Gemächern verschwinden. Masamunes Hand lang immer noch auf Yukimuras Schulter und beide sahen in den Garten. „War das...?“, setzte Yukimura an. „Oh ja... Das war er: Shibata... Er hat uns beobachtet, wie es aussieht.“, antwortete Masamune. „Und was bedeutet das?“, fragte Yukimura vorsichtig. „Unter den Umständen, dass ich dir gerade die Haare aus dem Gesicht gestrichen habe... nichts Gutes.“ Masamune ließ ihn wieder los und er versuchte sich seinen Kimono wieder überzuziehen. „Warte, ich helfe dir.“, sagte Katakura, als er gerade wieder ins Zimmer kam. Yukimura löste sich aus seiner Schreckstarre und schaute ihnen zu. Was bedeutet „nichts Gutes“? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)