Nanshoku von Rajani (Die Farben der Liebe) ================================================================================ Kapitel 12: Der Feldzug nach Norden ----------------------------------- Nun würden sie sich also auf den Feldzug gegen Fürst Date machen. Yukimura gefiel das nicht. Er lag wach in seinem Zimmer auf dem Futon. Draußen vor den Shoji saß – wie versprochen – Sasuke. Yukimura allerdings dachte überhaupt nicht an die unheimlichen nächtlichen Besuche. Er dachte daran, was passieren würde, wenn sie auf Date trafen. Würde er ihnen die Hölle heiß machen? Der Mann wurde nicht umsonst Drache genannt, seine Kampfkunst war nicht zu verachten. Und Kojuros strategisches Können stand dem von Fürst Takeda nun wirklich in nichts nach. Was sollte das nur werden? Hatte Fürst Date wirklich das Bündnis gelöst? Einfach so weil Shibata ihn wütend gemacht hatte? Yukimura konnte sich das einfach nicht vorstellen. Auch wenn der einäugige Drache durchaus oft hitzig war, aber so? Er drehte sich auf die Seite. Ich höre lieber auf daran zu denken... Sonst drehe ich noch durch. Er zwang sich die Augen zu zu machen. Doch als wäre die morgige Abreise nicht schon genug, tauchte vor seinem inneren Auge der Fürst Date auf. Er knurrte ärgerlich und vergrub das Gesicht in seinem Kissen. Auch wenn der Mann höchst anziehend war, eigentlich hatte er ihm nur Ärger gebracht in letzter Zeit. Er schüttelte den Kopf und dann musste er an Sasuke denken. Vor allem daran, wie sanft und fast unmerklich er ihn heute geküsst hatte. Fürst Date war da etwas forscher gewesen, wie Yukimura jetzt feststellte. Nach einer Weile war er dann doch eingeschlafen. ...Morgen geht es in den Kampf. Ich weiß, er mag das Schlachtfeld. Ob er sich freut auf Date zu treffen? Immerhin haben sie sich als ebenbürtige Gegner auserkoren... Heute scheint er unruhig zu sein. Aber er sieht trotzdem so schön aus. Aber ich sollte mich nicht auf die Ruhe verlassen. Auch wenn der Tee vielleicht wirkt... Ich verschwinde besser wieder... Yukimura saß kerzengerade im Bett. Er hatte die Shoji der Terrasse gehört und dann ein Knarzen auf den Dielen der Terrasse. War etwa schon wieder jemand in seinem Zimmer gewesen? Aber Sasuke war doch draußen, warum hatte er ihn nicht verjagt? „Sasuke!“, rief Yukimura leise. Es kam keine Reaktion. Yukimura runzelte die Stirn. Was geht hier vor? Er stand auf und ging zu den Shoji, ließ sie aber geschlossen. „Sasuke!“, sagte er nochmal leise. Wieder keine Reaktion. Jetzt wurde er langsam unruhig. „Sasuke?“, fragte er vorsichtig und schob die Shoji auf. Als er Sasuke entdeckte, sackte ihm das Herz in die Hose. Hastig stürzte er zu ihm. Oh nein, bitte nicht! „Sasuke!“ Er schüttelte ihn heftig. Das er schlafen sollte, erschien ihm zwar ungewöhnlich für einen Ninja aber manchmal liefen die Dinge nie so wie sie sollten. Und er wollte nicht, dass er tot war! „Ungh... Was ist denn los...“, murrte Sasuke nach ein paar Sekunden. „Sasuke... zum Glück...“, japste Yukimura. „Warum zum Teufel schläfst du?!“, fauchte er ihn direkt danach an. „Wenn ich das wüsste...“ „Da war wieder jemand. Ich bin mir sicher! Ich hab die Shoji gehört und ein Knarren draußen auf der Terrasse!“ Sasuke versuchte in der Dunkelheit das Gesicht des jungen Generals auszumachen. Leichter gesagt, als getan, wo er doch gerade unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde. Doch langsam konnte er ihn immer besser erkennen. „Schon wieder? Ausgerechnet jetzt...“ Er stand vorsichtig auf, was ihm anscheinend schwerfiel wie Yukimura bemerkte und ihm stützend einen Arm hinhielt. „Nicht... Ich schaff das schon. Geht in Euer Zimmer.“, sagte Sasuke und zog den Arm wieder weg. Yukimura folgte stumm der Weisung. Was hätte er auch sagen sollen, Sasuke war ein Ninja und sollte sich selbst gut einschätzen können. Er bemerkte wie Sasuke ihm folgte und sah ihn im Dunkeln musternd an. Sasuke schien seinen Blick zu bemerken. „Ich bleibe jetzt hier drin, vielleicht hilft das.“, murmelte er noch immer leicht benommen. „Ich glaube nicht, dass derjenige nochmal kommt... Bis jetzt kam er, oder was auch immer, nur einmal.“, entgegnete Yukimura. Sasuke atmete tief durch. „Ist mir egal, ich bleibe jetzt bei Euch. Und wenn ich mich zu Euch ins Bett legen muss, damit dieser Nachtschatten nicht auf noch dümmere Gedanken kommt!“, fauchte er und taumelte vorwärts. Yukimura war überrascht und wäre es hell gewesen, dann hätte er vermutlich ausgesehen wie eine falsch bemalte Noh-Maske. Eilig stützte er Sasuke doch und der ließ es nun auch zu. „Also?“, hakte Sasuke nach. Yukimura stammelte irgendwas und führte Sasuke unwillkürlich zu seinem Futon. Sie setzten sich und Sasuke atmete noch einmal tief durch. „Ich kann nicht glauben, dass du einfach eingeschlafen bist...“ Sasuke ließ ein grimmiges Knurren hören. „Du bist völlig benommen... Mir geht das nie so, wenn ich morgens aufwache.“, meinte Yukimura. „Das ist bei niemandem so... Irgendwas muss in meinem Tee gewesen sein.“, sagte Sasuke. „In deinem Tee?“ „Ja... Ich war noch bei Oyamada, weil er ja nicht beim Kriegsrat dabei sein konnte. Er hatte Besuch von einem guten Freund. Irgendein entfernter Verwandter seines Vaters oder so. Von Shibatas Besuch hat er nichts mitbekommen und Fürst Takeda hat den Kriegsrat so schnell einberufen, dass keine Zeit mehr war, Oyamada zu holen. Jedenfalls hat dieser Freund Tee mitgebracht. Oyamada mag zwar Tee, aber nicht diesen englischen Schwarzen. Wo auch immer sein Freund den herhatte. Er hatte ein Beutelchen für mich, damit ich ihn mal probieren kann. Entweder wirkt dieser Tee so oder da war etwas drin...“, erklärte Sasuke. Yukimura überlegte kurz. „Willst du damit sagen, Oyamada hat mit diesem Tee dafür gesorgt, dass du schläfst?“, hakte er nach. „Ich will ihm nichts unterstellen, Meister Sanada. Der Tee kam von seinem Freund, es könnte auch er gewesen sein.“ „Und was sollte der in meinem Zimmer wollen? Der kennt mich doch nicht. Oyamada kennt mich wenigstens vom Namen her!“ Sasuke sah ihn scharf an, wenngleich Yukimura es im Dunkeln wohl kaum so wahrnehmen würde. „Hört auf Oyamada so etwas zu unterstellen. Fürst Takeda würde das gar nicht gutheißen, wenn er es erführe!“ „Aber wenn er es war?“, fragte Yukimura. „Warum sollte er? Er hat Euch noch nie gesehen und kennt nur Euren Namen! Und woher sollte er denn wissen, dass ich ausgerechnet heute auf Euch aufpasse?“, konterte Sasuke. „Stimmt...“, gab Yukimura kleinlaut zu. „Jetzt legt Euch wieder hin. Ich bin jetzt hier und wenn nochmal jemand kommt, dann wird er sich sicher ganz schön ärgern, wenn er Euch nicht allein antrifft.“ Yukimura gehorchte und legte sich auf den Futon. Sasuke ließ sich ebenfalls sinken. Weil Yukimura plötzlich nicht mehr wusste, wie er liegen sollte, drehte er sich um. Nach einer Weile spürte er im Halbschlaf wie sich Sasuke vorsichtig an ihn schmiegte. Nicht zu dicht aber so, dass sein Arm um Yukimuras Hüfte langen konnte... Eine sanfte Berührung weckte Yukimura. Es war Sasuke, der ihm ganz sanft über den Arm strich. Er musste nachts näher gerückt sein, denn Yukimura spürte seine Wärme. Und er spürte, dass sein Herz wie wild klopfte. Er schluckte und drehte sich um. Sasukes graugrüne Augen sahen ihn mit einem Lächeln an. „Guten Morgen, Meister Sanada.“ „Guten... Morgen...“, stammelte Yukimura. Als würde es Sasuke erst jetzt bewusst werden, wie nahe er an Yukimura lag, rückte er ein Stück ab, stand dann auf und verbeugte sich tief. „Entschuldigt bitte...“ „Schon gut...“, meinte Yukimura und stand nun auch auf. „Ich glaube, wir sollten uns beeilen, Meister Sanada. Fürst Takeda wollte früh aufbrechen.“ Yukimura nickte und verschwand im Bad. Eilig wusch er sich und kehrte dann zurück um seine Rüstung anzulegen. Sasuke war verschwunden, auch er würde ein paar Sachen, hauptsächlich Waffen, zusammenpacken. Als Yukimura endlich fertig war, kehrte auch Sasuke zurück. „Beeilen wir uns, der Fürst wartet schon.“, sagte Sasuke und bat Yukimura hinaus. Der junge General nahm seine Waffe und folgte dem Ninja. Draußen im Burghof vor den Toren stand die versammelte Armee. An den Seiten standen Frauen und Kinder. Yukimura schluckte. Natürlich. Manche der Soldaten hatten eben Frau und Kind. Hoffentlich sieht jeder von ihnen seine Familie wieder... Yukimura wandte den Blick stur nach vorn zum Fürsten. Dort stand bereits sein Pferd bereit und auch Sasuke schwang sich diesmal ausnahmsweise auf einen hellbraunen Hengst. Als auch der General endlich saß ritten sie los. Yukimura hatte sich zwar von den Frauen und Kindern abgewandt, doch die weinenden kleinen Kinder und die schreienden größeren konnte er nicht ausblenden. Er atmete tief durch und war froh, als die Tore hinter ihnen geschlossen waren. Nachdem sie einige Minuten geritten waren, hörte Yukimura hinter sich, wie ein Reiter im Galopp sich ihnen näherte. Als er sich umdrehte hätte er schwören können, im ersten Augenblick Meister Katakura zu sehen. Doch nachdem er einmal geblinzelt hatte, sah er, dass der Reiter etwas schlanker und jünger war und es fehlte die Narbe im Gesicht. „Aah Nobushige!“, dröhnte Fürst Takeda. Der Angesprochene neigte schweigend den Kopf zum Gruß und sah zu Yukimura hinüber. „Ah stimmt. Ihr hattet ja noch nicht die Gelegenheit gehabt, Euch persönlich kennenzulernen. Yukimura, dass ist Oyamada Nobushige. Nobushige, mein General Sanada Yukimura Genjiro.“, stellte der Fürst sie einander vor. Yukimura musterte den anderen. Das ist also Oyamada. Oyamada tat es ihm gleich und sah den General einen Moment lang an. Dann wandte er sich an Fürst Takeda. „Mein Fürst. Wohin reiten wir?“ „Ich dachte Sasuke hätte dich aufgeklärt. Wir reiten nach Utsunomiya. Ich gehe davon aus, dass Date auch nicht weiter reiten wird, immerhin ist dort unser beider Grenzgebiet.“ Oyamada nickte und warf einen weiteren Blick zu Yukimura. Der schien ihn jedoch zu ignorieren und als er seinen Blick bemerkte, warf er ihm einen eher grimmigen Blick zu. Yukimura hatte auch nicht gewusst, wohin genau sie ritten. Dies hatte sich wohl erst heute morgen ergeben. Utsunomiya war eine Ebene zwischen den beiden Lehen von Fürst Takeda und Fürst Date und westlich grenzte das Gebiet des Fürsten Uesugi an. Westlich lag auch eine Bergkette, die aber leicht überquerbar war, wie Yukimura wohl wusste. Doch wo genau nun Utsunomiya lag und warum sich Fürst Takeda für diesen Ort entschieden hatte, war Yukimura gerade ziemlich gleichgültig. Er dachte nur daran, dass dieser Schönling an Fürst Takedas anderer Seite vielleicht nachts in sein Zimmer geschlichen war. Was auch immer er bei ihm wollte, Yukimura fand das überhaupt nicht komisch. Oyamada hingegen entschuldigte sich bei Fürst Takeda und ritt dann an Yukimuras Seite. Einen Moment lang sagte er nichts, da Yukimura ihn ignorierte. Doch dann schien es dem Vasallen zu reichen und er sah den General direkt an. „General Sanada... Könnten wir einen Moment ungestört reden?“ Yukimura warf ihm einen Blick zu und überlegte einen Moment. Ungestört reden? Worüber? Er runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Oyamada seufzte, sah ihn fragend an und ließ sich dann einfach zurückfallen. Yukimura sah ihm eine Sekunde nach, doch die Neugier ließ ihn sich ebenfalls zurückfallen und nach einigen Minuten fanden sie sich am Ende des Trosses wieder. „Ihr scheint mir nicht gerade wohlgesonnen zu sein? Warum so feindselig?“, fragte Oyamada offen. „Das fragt Ihr mich? Entschuldigt bitte, wenn ich jetzt ungehalten wirke, aber wart Ihr es nicht, der Sasuke gestern Tee geschenkt hat? Tee, der ihn schläfrig macht, sodass Ihr in mein Zimmer schleichen konntet?!“, fauchte Yukimura. „Bitte was?“, fragte Oyamada und sah den General überrascht an. „Fragt nicht noch so unschuldig! Sasuke hat mir von Eurem Gast erzählt, der Euch europäischen Tee mitgebracht hat. Ihr habt mit Sasuke gestern noch gesprochen und ihm davon etwas geschenkt! Er hat ihn ausprobiert und als bei mir wachen sollte, ist er davon eingeschlafen! Er war wie betäubt! Stellt Euch also nicht dümmer als Ihr vielleicht seid!“, knurrte Yukimura. „Sasuke Sarutobi war bei mir und hat mit mir gesprochen? Und ich habe ihm Tee geschenkt? Davon weiß ich nichts.“, sagte Oyamada nachdenklich. Yukimura war verwirrt. Der Mann klang ehrlich, aber vielleicht war er auch nur ein guter Schauspieler. „Ihr wisst davon nichts? Wie kann das sein?!“, fauchte er ihn an. „Es stimmt, ich habe Besuch. Ein Freund meines Vaters, hat er gesagt. Ich kenne meinen Vater kaum, geschweige denn Freunde von ihm, also glaube ich es ihm erst einmal. Er hat europäischen Tee mitgebracht, das stimmt. Aber nur weil er europäischen Händlern begegnet ist. So hat er es mir jedenfalls gesagt. Aber mit Sasuke habe ich wirklich nicht gesprochen. Gestern, sagt Ihr?“ „Ja, gestern! Ich schätze mal, dass es am frühen Abend war, denn Sasuke war abends bei mir.“ „Glaubt es mir oder nicht, Sanada... Da habe ich geschlafen.“, sagte Oyamada. Yukimura zog die Augenbrauen zusammen. „Ach, habt Ihr das? Und mit wem, wenn ich fragen darf, hat dann Sasuke gesprochen?“ Auf Oyamadas Gesicht war für eine Sekunde eine Art Schreckstarre zu erkennen. „Oh … Ich fürchte, er hat mit meinem Besuch gesprochen. Sonst war niemand da. Und ich muss zugeben, dass er Ähnlichkeit mit mir hat... Und er hat mir auch gesagt, dass Sasuke da war und das wir heute ins Feld ziehen...“ Yukimura atmete tief durch. Was geht hier vor? Er sah gedankenverloren auf den Rist seines Pferdes. „General? Ihr habt gesagt, ich hätte mich in Euer Zimmer geschlichen... Warum sollte ich das tun? Wenngleich Ihr durchaus nicht ablehnenswert seid... Ich wüsste gar nicht, wo sich Euer Zimmer befindet.“, sagte Oyamada und versuchte in Yukimuras Gesicht zu sehen. Yukimura zuckte zusammen. Nicht ablehnenswert?! Er sah ihn an und Oyamada konnte nicht sicher sagen, ob es Überraschung oder Wut war. „Und wer sollte sich dann in mein Zimmer schleichen?“, zischte Yukimura. „Vielleicht... hat Euch Sasuke ja getäuscht, damit er einen Grund mehr hat, bei Euch zu sein.“, meinte Oyamada. „Was redet Ihr da für einen Unsinn? Sasuke hat es nicht nötig, sich selbst zu betäuben, nur damit ich wie eine Glucke um ihn herum laufe und ihn in mein Zimmer hole! Und selbst wenn, dann hätte er nicht vorher in mein Zimmer kommen können, damit ich davon wach werde!“ Oyamada schwieg darauf. Yukimura quittierte dies damit, dass er ihn dort allein ließ und auf der anderen Seite des Trosses weiterritt. Dabei sah er sich nach Sasuke um. Sein hellbrauner Hengst musste ihm sofort ins Auge fallen, so einen gab es in diesem Tross kein zweites Mal. Was geht hier nur vor? Hat Sasuke mit dem Fremden gesprochen? Aber warum hat er mir das denn nicht gesagt? Oder sieht Oyamadas Gast ihm wirklich so sehr ähnlich, dass es selbst Sasuke als Ninja nicht aufgefallen ist? Das kann ich mir nicht vorstellen... Nach ein paar Minuten fand er den Ninja etwa auf der Hälfte des Trosses bei der Kontrolle einer der Wagen. „Es ist alles in Ordnung, wir müssen deswegen nicht anhalten!“, rief er dem Wagenführer zu und sah dann Yukimura. „Meister Sanada, Ihr hier? Ich dachte, Ihr seid bei Fürst Takeda und Oyamada?“ „Bei Oyamada war ich gerade, das stimmt allerdings. Er hat mich zur Rede gestellt, weshalb ich ihm gegenüber so feindselig reagiere.“ „Meister Sanada... Ihr habt Euch hoffentlich nicht unrühmlich verhalten?“ „Ich? Unrühmlich? Sasuke!“, fauchte Yukimura. „Ich meine ja nur, immerhin seid Ihr sehr schnell aufbrausend.“ „Ja allerdings! Ich habe ihn nämlich auch zur Rede gestellt, was ihm einfällt dir einen Betäubungstee zu geben!“ Sasuke bedeckte seufzend die Augen mit der Hand. „Nein... Das habt Ihr nicht wirklich getan?“ „Oh doch, das habe ich! Und weißt du, was er gesagt hat?“ „Was denn?“, fragte Sasuke und es hörte sich nach wenig Interesse an. „Er sagt, er hat weder mit dir gesprochen noch hat er dir den Tee geschenkt! Er hat geschlafen, sagt er!“, entrüstete sich der Jüngere. Sasuke sah ihn einen Moment an. „Wie soll das gehen? Ich habe ihn doch gesehen!“ „Du hast seinen Gast gesehen! Er hat gerade selbst gesagt, dass er Ähnlichkeit mit ihm hat.“ Sasuke sah verstört auf sein Pferd herab. Wie konnte ihm, einem perfekt ausgebildetem Ninja, nur so etwas passieren? „Das kann nicht sein... Er sah genauso aus, nur seine Stimme klang ein wenig anders, er sagte er sei etwas kränklich.“ „Sasuke... Hast du dich wirklich täuschen lassen, oder...“ Der Ninja sah ihn scharf an. „Oder was?“, fragte er, ahnend, was Yukimura sagen wollte. „Oyamada hat dir unterstellt, dass du dir das alles ausgedacht hast... Aber das kann ich noch viel weniger glauben...“ Sasuke ließ ein verächtliches Geräusch vernehmen. „Wie hätte ich betäubt in Euer Zimmer gehen sollen, ohne dass Ihr es merkt... Schließlich habt Ihr mir doch gesagt, es war jemand in Eurem Zimmer. Das hätte ich ja gar nicht geschafft. Nachdem Ihr mich geweckt hattet, war ich so wackelig auf den Beinen, dass Ihr mich andernfalls schon beim Reinkommen gehört hättet...“ „Aber wer war es denn dann? Dieser Fremde? Ich wüsste nicht, was der wollen sollte.“, überlegte Yukimura. „Ich auch nicht... Und wenn Oyamada Euch nun auch etwas vorgespielt hat? Um Zweifel zu säen?“ „Meinst du? Aber ich wüsste trotzdem nicht, was er von mir wollen könnte... Er kennt mich doch nur vom Namen her und erst seit heute auch persönlich...“ „Die Welt ist komisch, Meister Sanada. Man weiß nie, was manche Menschen denken oder warum sie so handeln, wie sie handeln.“, philosophierte Sasuke. Yukimura sah ihn stirnrunzelnd an. „Da magst du Recht haben. Aber ich will wissen, was hier los ist...“ Sasuke sah ihn mit einem Lächeln an. „Zerbrecht Euch darüber jetzt nicht den Kopf.“, sagte er. Yukimura hätte schwören können, dass es dasselbe Lächeln wie heute morgen war. „Nagut... Ich werde es versuchen.“, sagte er. Sasuke nickte. „So kenne ich Euch.“ Am Abend erreichten sie eine Ebene, auf der der Fürst Takeda beschloss, dass sie dort zur Nacht ihre Zelte aufschlugen. Morgen würde es dann nur noch ein kurzer Ritt bis nach Utusnomiya sein. Damit das Auf- und Abbauen nicht zu lange dauerte, hatte Fürst Takeda entschieden, dass die Soldaten sich zu zweit die Zelte teilten. Gleiches galt auch für alle anderen. Nur er schlief allein mit einer Wache vor seinem Zelt. Das bedeutete jedoch auch, dass sich Oyamada und Yukimura ein Zelt teilten. Sasuke hatte sich bereit erklärt, vor ihrem Zelt zu wachen. Gemeinsam mit Fürst Takedas engstem Vertrauten baute Yukimura das Zelt auf. Sie schwiegen dabei und als es fertig war prüfte Oyamada noch einmal alles nach. Yukimura beobachtete ihn dabei missgestimmt. Als ob er kein Zelt aufbauen könnte! Oyamada schlug die Zeltplane auf und kroch hinein um seinen Platz mit ein paar Decken auszulegen. Knurrend marschierte Yukimura zu einem der Wagen und fragte nach einem Fell und einer Decke. Beides bekam er dort und legte es sich im Zelt neben Oyamada zurecht. Dann ging er noch einmal hinaus zu Sasuke, der an einer Ecke des Zeltes saß. „Pass bitte gut auf, ich trau ihm nicht.“, flüsterte er ihm zu. Sasuke nickte nur und Yukimura ging wieder hinein, legte sich auf das Fell und verkroch sich unter seinem Mantel und der Decke. Oyamada kehrte er den Rücken zu. Der jedoch stützte sich auf seinen Ellbogen und sah Yukimura an. „Wollt Ihr nicht mit mir reden oder schlaft Ihr schon?“, fragte er leise. „Ich schlafe!“, murrte Yukimura. „Oh, dafür könnt Ihr mir noch ziemlich deutlich anworten.“ Yukimura drehte sich gereizt um und wäre mit seinem Gesicht beinahe gegen Oyamadas geprallt. Erschrocken wich er etwas zurück. Der Andere musste lächeln und Yukimura hatte keine Chance, als das gütliche Gesicht Meister Katakuras aus seiner Erinnerung auftauchte. „Wisst Ihr... Das vorhin... als ich sagte, Ihr seid durchaus nicht ablehnenswert... Das war ernst gemeint.“, sagte Oyamada. Yukimura sah ihn verwirrt an. „Wie...“ „Nun ja, Ihr habt ein hübsches Gesicht, aber das hört Ihr sicher oft.“, sagte Oyamada und betrachtete Yukimura eingehend. Der schüttelte nur, immer noch verwirrt, den Kopf. „Nicht? Wie schade, denn es ist wahr. Und auch der Rest von Euch ist nicht zu verachten.“ Yukimura war immer noch unfähig, etwas dazu zu sagen. Was hätte er auch sagen sollen? Solche Worte hatte noch nie jemand zu ihm gesagt, nicht einmal Fürst Date! Irgendwie bestärkte es ihn noch in dem Gedanken, dass der Drache von Oshu nur mit ihm gespielt hatte. „Ihr seid wirklich schön...“, wiederholte Oyamada und seine Hand wanderte sachte über Yukimuras Wang bis zu seinem Ohr. Als Yukimura es endlich vollkommen realisiert hatte was hier gerade passierte, lag Oyamadas Hand bereits auf seiner Schulter. „Glaubt mir, ich bin nicht in Euer Zimmer geschlichen. Aber vielleicht würde ich es tun, wenn ich wüsste, wo es liegt...“, sagte er leise. Yukimura starrte ihn erst mit offenem Mund an. Es war als würde er selbst gar nichts dazu tun, aber im nächsten Augenblick klatschte es laut. Auf Oyamadas Wange bildete sich sofort ein roter Handabdruck und Yukimura stürmte aus dem Zelt. Sasuke sah erschrocken zu, wie der General aus dem Zelt hastete und auf das angrenzende Feld rannte. Er warf einen Blick in das Zelt und sah nur Oyamada, die Hand auf die Wange gelegt, nahe an Yukimuras Nachtlager sitzend und überrascht dreinblickend. Ohne Worte aber mit einem grimmigen Blick ließ er ihn dort sitzen und lief dem jungen General nach. „Meister Sanada!“, rief er so laut, dass Yukimura ihn hören musste, aber leise genug, dass er nicht die ganzen Soldaten damit weckte. „Wo seid ihr??“ Ein Rascheln rechts von sich, ließ den Ninja dorthin schauen. Da es bereits dunkel war, konnte er nichts erkennen. „Meister Sanada?“, hakte er leise nach. Er ging voran und als seine Hand endlich etwas vor ihm Stehendes berührte, hielt er inne. „Meister Sanada! Was ist passiert?“, fragte er. Yukimura drehte sich zu ihm um. Im Dunkeln konnte er den Ninja fast nicht erkennen. Der Himmel war verdeckt, es war also so gut wie nichts zu erkennen. Er hoffte, die riesige Wolke würde bald verschwinden, dann würde der Mond ihnen etwas Licht spenden. Das er da war, war zu sehen, dann an anderen Stellen des Himmels war es etwas heller, die Ränder der Wolke waren eindeutig sichtbar. „Er... er...“, stammelte Yukimura. „Was? Hat er Euch angerührt?“, knurrte Sasuke. „Nein, nicht direkt...“ „Was bedeutet nicht direkt?“ „Lass es, er hat mir nichts getan.“, sagte Yukimura. Sasukes Hand an Yukimuras Arm bebte. Wenn der General das nicht merkte, dann wusste er auch nicht weiter. Wie konnte er sagen, dass nichts geschehen war? Er war aus dem Zelt geflüchtet und Oyamada hatte offensichtlich eine Ohrfeige bekommen. „Meister Sanada... Das nichts passiert ist, könnt Ihr sonst wem erzählen. Aber nicht mir! Oyamada hat eine Ohrfeige von Euch erhalten und seid aus dem Zelt geflüchtet, wie ein Reh vor dem Jäger! Jetzt sagt schon, was ist passiert?!“, forderte Sasuke. Seine Stimme klang sanft aber gereizt zugleich. Yukimura überlegte, wie er es erklären sollte. „Er hat mir ein Kompliment gemacht, das ist alles.“, murmelte er. „Was soll das denn für ein Kompliment gewesen sein?“, meinte Sasuke verächtlich. „Ich glaube nicht, dass das allein der Grund für eine Ohrfeige und Eure Flucht sein kann.“ Die Wolke verzog sich endlich und Yukimura als auch Sasuke konnten einander endlich erkennen. Yukimura sah die ehrliche Sorge im Gesicht des Ninjas und Sasuke wiederum sah im Gesicht des Generals eine Mischung aus Panik und Wut. Sasuke seufzte und legte eine Hand an Yukimuras Wange. „Meister Sanada... Tut nicht ständig so, als wäre nichts gewesen. Ich glaube Euch das nicht.“, sagte er. Yukimura antwortete darauf nicht. Er nahm nur Sasukes Hand, führte sie zu seinem Ohr und dann hinunter auf seine Schulter. Mit dem Blick war er der Bewegung gefolgt und sah nun wieder Sasuke an. Der schaute ihn völlig konfus an. „Das hat er mit mir gemacht. Sonst nichts. Und du weißt, wie ich auf so etwas reagiere, du kennst mich. Du hast doch selbst gesagt, ich habe von Liebe keine Ahnung. Wie hätte ich denn darauf reagieren sollen?“, sagte Yukimura. Sasuke schluckte schwer. „Ihr habt richtig reagiert... Erlaubt Ihr...??“, sagte er und noch während er fragte, zog er Yukimura in seine Arme und hielt ihn fest. „Sasuke?“, fragte Yukimura verwirrt. „Sagt nichts.“, sagte Sasuke leise und drückte Yukimuras Kopf auf seine Schulter. Yukimura schien zu verstehen und dann spürte Sasuke wie sich der General an ihm festhielt und sich an ihn schmiegte. Ja, oft reichte eine Umarmung völlig aus um alles zu sagen. „Ich will nicht mit ihm in einem Zelt schlafen, Sasuke.“, murmelte Yukimura. Sasuke ließ ihn los und nickte. „Warte hier. Ich bin gleich zurück.“ Nach ein paar Sekunden kehrte Sasuke mit Yukimuras Decke und dem Fell zurück. Er trat ein paar der Pflanzen so platt, dass er das Fell und eine dritte Decke darauf legen konnte. Dann bat er Yukimura stillschweigend Platz zu nehmen und setzte sich dann neben ihm. „Wenn es Euch nichts ausmacht, dann schlafen wir heute Nacht hier. Ich passe auf Euch auf.“ Yukimura nickte und legte sich hin. Sasuke deckte ihn zu und sah zum Mond hinauf. Tsukiyumi... Das hätte ich nicht erwartet, ich sollte es ihn nur lehren, nicht selbst darin versinken. Lass mich nicht die Beherrschung verlieren, es reicht, wenn Oyamada schon genug Unheil gestiftet hat... Plötzlich spürte er, wie Yukimura an seinem Handgelenk zog. Als er zu ihm sah, bemerkte er, dass er ihn beobachtet haben musste. „Bitte... leg dich auch hin. Ich komm mir sonst blöd vor.“, sagte Yukimura kleinlaut. „Wie Ihr wollt.“, sagte Sasuke lächelnd über diese Situation, obwohl es seine eigene Situation nicht besser machte, wenn er neben Yukimura lag. Zu allem Übel schmiegte sich der Jüngere auch noch an ihn an. Sasuke wurde das Herz schwer. Er durfte das alles nur mit den Augen eines Lehrers betrachten und nicht mit seinem Herzen. Seine Gefühle hatten hier keinen Platz! Auch wenn sich der General noch so sehr an ihn schmiegte und es ihm noch so sehr schmerzte. Er hatte einmal den Arm um ihn gelegt und sich von seinen Gefühlen überwältigen lassen, sodass er sich gerade so zurückhalten konnte. Noch einmal konnte er das nicht wagen. Sasuke dachte an den morgigen Tag und daran, dass Fürst Date sich wohl nicht den Reis von den Feldern stehlen lassen würde. Der Drache würde alles geben. Mit dem Gedanken an die bevorstehende Schlacht schlief auch er etwas beruhigt wieder ein... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)