The Dark Legend von ilinga ================================================================================ Kapitel 2: Chapter 2 - ...zurück... ----------------------------------- Die Hütte lag etwas versteckt an einer Felswand, wäre es nicht schon dunkel gewesen und hätte der Eremit deswegen nicht Licht gemacht, wären sie womöglich einfach daran vorbeigeritten. Gerade als sie abstiegen und Ravens Pferd an einem alten Baumstamm festmachten, trat er aus der Hütte. Raven grüßte ihn freundlich mit einem Nicken, während Kara ihn unruhig ansah. Sie musste einen guten Moment abpassen, in welchem sie ihm alles erklären und ihm den Dolch anvertrauen konnte, um dann zurückzureiten. Der Eremit musterte sie einen Moment. "Kenne ich dich nicht irgendwoher?" Kara sah ihn erstaunt an. "Natürlich, Kara, das kleine Mädchen aus dem Dorf! Ich kenne dich noch, da warst du gerade mal zwei Jahre alt und schon ein rechter Wirbelwind." er ging näher an sie heran und nahm sie bei den Händen, "Sieh dich an, aus dir ist eine wunderschöne Frau geworden!" Bei dem Satz musste Kara verlegen lächeln. "Entschuldigt bitte, ihr macht mir hier solche Komplimente und ich kann mich nicht einmal an euren Namen erinnern...", er unterbrach sie:" Nicht doch so förmlich kleine Kara, ich bin Bovarit, aber die meisten nennen mich einfach den alten Bova." Plötzlich erhellte sich Karas Miene, "Der alte Bova? Jetzt erinnere ich mich an dich! Du hast uns früher oft besucht und Vater Erze und Holz gebracht. Was ist passiert, warum kamst du nicht mehr? Ich hab doch früher so gerne mit deinem Hund gespielt!" Er hob beschwichtigend die Hand, um ihren Redefluss erstmal zu stoppen und lächelte sanft dabei. "Kommt erst einmal herein, hier draußen wird es langsam zu kalt für meine alten Knochen.", er unterbrach sich kurz, "Gehört das Pferd dort hinten zu euch? Ist es nicht eines von den Truppen?" Kara drehte sich suchend um und erkannte Moki, "Ja, ich habe ihn einem Krieger gestohlen, moment, ich hole ihn!" sie rannte in seine Richtung, das Pferd scheute und begann sich in Trab zu setzen. Kara musste sich ziemlich beeilen ihm hinterher zu kommen, während das Pferd mit ihr Fangen spielte. "Einem Krieger gestohlen? Ist das Mädchen wirklich so stark geworden?" Er schüttelte den Kopf, bei dem Gedanken, dass die heutige Jugend solche Kraft besaß, wunderte er sich wirklich, wie es dann noch möglich sei, dass das Land in einem solch schlimmen Krieg mit den schwarzen Truppen lag. "Habt ihr meine Nachricht erhalten?" Ravens Stimme riss ihn aus seinen Überlegungen. "Was? Oh ja, natürlich. Ich hoffe doch, dass sie es ist, die mir geschickt wurde, dann kann ich es euch sofort geben. Nur frage ich mich, was ihr damit bezwecken wollt? Ihr könntet die Magie nicht beherrschen, einige der mächtigsten Magier hatten selbst ihre Probleme damit. Aber lasst uns später weiter darüber sprechen, schafft die Pferde hinten in die Höhle, es sieht nach einem Gewitter aus. Ich gehe schon mal hinein und mache euch etwas zu essen." Kara hatte es endlich geschafft Moki einzufangen und tauchte hinter Raven auf, als dieser gerade damit beschäftigt war sein Pferd abzusatteln. "Er scheint genauso dickköpfig und aufmüpfig zu sein wie du, kaum zu glauben, dass er nicht dein Pferd ist." Sein breites Grinsen lies Kara den Drang verspüren diesen Krieger mit der großen Klappe mal ordentlich zu würgen. Sie verkniff es sich gerade so. "Ich werde gleich wieder weiter reiten, ist Bova drinnen?" "Du kannst unmöglich heute Nacht noch weiter. Er sagte, dass ein Gewitter aufziehen würde, außerdem wird der da auch nicht sonderlich von der Idee begeistert sein!" er deutete auf Moki. "Der da heißt Moki und wenn ich das will, dann reiten wir heute noch und basta!" ihre Stimmung hatte einen Tiefpunkt erreicht, langsam ging Raven ihr mit seinem "großer Burder oder sonst was für ein Aufpasser-Verhalten" ziemlich auf die Nerven. Er schaute sie nur schief und ziemlich verdutzt an. "Mmmoki? Also das ist jetzt echt ein blöder Zufall, aber warte mal! Wer von den Truppen würde sein Pferd denn Moki nennen?!?" er schaute immer noch ziemlich schief. "Keiner, ich habe ihn so getauft, kann ihn ja schlecht mit "Hey du Pferd" ansprechen." sie wurde immer brummiger, "und was meinst du mit Zufall?" Raven war inzwischen fertig damit sein Pferd abzusatteln und trocken zu reiben und lief in Richtung Hütte. Kurz bevor er die Höhle verließ, drehte er sich noch einmal zu ihr um, das blöde Grinsen war wieder in sein Gesicht zurückgekehrt, "Mein Pferd heißt Miko!". Er drehte sich wieder um und trat in die Hütte. Kara stand noch verdutzter da, als er es zuvor getan hatte. Nach einer Weile band sie Moki dann in der Höhle an und folgte Raven in die Hütte. Der alte Bova stand an einer Feuerstellte im hinteren Teil der Hütte und rührte in einem kleinen Topf, rechts von ihr saß Raven an einem Tisch und aß so eine Art Suppe, die ziemlich grün aussah, aber komischerweise nach Fleisch roch. Ihr gegenüber befand sich eine Tür zu einem weiteren Zimmer, in welchem sie wegen der Dunkelheit nichts erkennen konnte. Es war wahrscheinlich Bovas Schlafkammer. "Setz dich kleine Kara, ich bringe dir auch gleich etwas zu essen." Zum ersten mal an diesem Abend wurde ihr Drang so schnell wie möglich nach Hause zu reiten von einem anderen Gedanken überflügelt: ESSEN! Sie hatte zwar Verpflegung dabei gehabt, aber sie hatte sich nie die Zeit gelassen, etwas davon zu essen. Ihr Hunger war ihr gar nicht so sehr aufgefallen - bis jetzt. Sie setzte sich mehr oder weniger gehorsam Raven gegenüber an den Tisch und griff erst einmal zu einer Scheibe Brot. Weiterhin stand noch Schinken, etwas Käse, eine Flasche mit süßem Traubensaft und eine Schüssel mit Äpfeln auf dem Tisch. Sie wusste garnicht, wo sie anfangen und was sie zuerst essen sollte. Bova reichte ihr nun auch eine Schüssel mit der komischen grünen Suppe, sie schmeckte ungewöhnlich gut, so dass Kara gleich drei Schüsseln aß. Bova betrachtete sie die ganze Zeit über mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck. "Ich bekomme nicht oft Besuch, freut mich wirklich, wenn ich dann doch gute Kochkünste vorweisen kann." Kara lächelte ihn kurz an und futterte eifrig weiter. Raven war inzwischen fertig und betrachte ihr "Fressgelage" sehr amüsiert. Bald drehte er sich zu Bova, der es sich auf einem Stuhl an der Feuerstelle bequem gemacht hatte. Dieser bemerkte seinen Blick und wandte sich daraufhin an Kara. Diese war nun auch mit dem Essen fertig und spülte die letzten Bissen mit etwas Saft herunter. "Nun mein Kind, ich glaube du hast etwas für mich. Gib es mir bitte." Sie schaute ihn fragend an und warf einen kurzen Blick zu Raven. "Es ist in Ordnung, er weiß davon, bitte gib es mir jetzt." Sie griff in ihren Stiefel und zog den Dolch heraus. Bova bekam daraufhin große Augen, sprang auf und schaute sie fassungslos an. "Bei den Göttern, wie ist das möglich?" seine Stimme zitterte. "Was ist? Die Weise gab mir den Dolch und sagte mir, ich solle ihn dir bringen, hast du etwas anderes erwar..." Er unterbrach sie schnell: "Nein, das ist es nicht! Bitte Kind, sag mir, sprach die Alte einen Zauber über dich, bevor du den Dolch in die Hände nahmst?" sein Blick haftete eindringlich auf ihr, das verwirrte sie sehr stark. Sie schaute zu Raven, doch dieser konnte ihr auch nicht sagen, worauf der alte hinaus wollte. "Nnein, ich nahm ihn einfach und ritt los..." Der alte setzte sich wieder und fing an nachzudenken. Konnte es wirklich möglich sein? Aber sie war doch ein einfaches Kind, die Tochter eines Schmieds und gerade mal 15 Jahre alt. Er musste es einfach austesten: "Mein Kind, bitte gib dem Krieger den Dolch." Das Mädchen gehorchte ihm und reichte Raven den Dolch. Dieser streckte seine Hand danach aus und wurde kurz darauf von einem bläulichen Blitz getroffen, der aus der Klinge zuckte. Kara erschrak und lies dabei den Dolch zu Boden fallen. Ravens Hand war vollkommen taub und lief blau an, der Krieger stand völlig entsetzt und mit weit aufgerissenen Augen da, er war zu erschrocken, um zu schreien, doch wäre es ihm lieb gewesen dem Schmerz, der sich nun in seinem Körper ausbreitete Ausdruck zu verleihen. "Was war das?" Kara hielt ihre Arme eng an ihre Brust gepresst, sie hatte ihn nicht verletzen wollen, auch wenn er ihr auf die Nerven ging. "Das war der Dolch. Nur eine Person kann ihn tragen, zumindest der Legende nach." Bova hatte sich wieder gesammelt, seine Vermutung war bestätigt worden. "Mein Kind, dir wurde eine harte Aufgabe vom Schicksal auferlegt. Es wird nicht leicht sein diese zu erfüllen, aber du trägst nun eine große Verantwortung. Du wurdest vom Schicksla als Träger dieses Dolches auserwählt, du kannst dich dieser Aufgabe nicht entziehen, da du die einzige bist, von der sich der Dolch berühren lässt. Ihr seid aneinander gebunden, nur du kannst seine Macht zügeln und bündeln, bis du den Auserwählten gefunden hast, dem der Dolch zusteht." Kara stand inzwischen bei Raven und hielt dessen Hand, welche sich allmählich wieder erholte. "Ich verstehe nicht ganz. Ich dachte ich solle dir nur den Dolch bringen? Ich muss doch zurück zu den anderen, vielleicht brauchen sie meine Hilfe. Vielleicht hat noch jemand den Angriff überlebt! Ich muss nachsehen, meine Eltern, mein kleiner Bruder, ich kann sie jetzt doch nicht im Stich lassen!" Sie war von den beiden zurückgewichen und bewegte sich langsam in Richtung Tür. "Warte Kara, auf dich wartet eine wichtigere Aufgabe! Die Deinen sind ganz bestimmt in Sicherheit, aber du musst mir jetzt zuhören, was ich dir zu sagen habe!" Kara hörte nicht mehr zu, sie stürmte nur noch aus der Hütte, sie wollte nicht warten, sie wollte sofort nach den anderen sehen. Sie löste Mokis Zügel, schwang sich auf seinen Rücken und ritt los. Raven war kurz nach ihr aus der Hütte gekommen, sah aber nur noch, wie die beiden an ihm vorbei in Richtung Tal preschten. Kara waren die dunklen Wolken nicht aufgefallen, Donner grollte über ihr und Blitze zuckten am Himmel. Raven schwang sich ohne Sattel auf sein Pferd und folgte ihr, oder eher dem, was sie in dieser düsteren Nacht zu sein schien. Der Wind peitschte ihm ins Gesicht und erschwerte ihm die Orientierung. Das Laufen überlies er voll und ganz Miko, er bestimmte nur die Richtung, das Pferd würde schon sehen, wie der Boden beschaffen war und wohin es treten musste. Auf der flachen Ebene, auf der sie sich momentan befanden, war es leicht für ihn sie auszumachen, nur konnte der Wind hier auch ungebrochenüber das Land fegen, er wurde immer heftiger und riss ihn fast vom Pferd. Allmählich setzte auch noch Regen ein. Dicke Tropfen klatschten auf die beiden Reiter nieder und machten die sowieso schon eingeschränkte Sicht noch schlechter. Innerhalb von Sekunden waren beide nass bis auf die Knochen, jedoch hielt das Kara nicht davon ab Moki noch mehr anzutreiben. Es war schwer einzuschätzen, wie lange sie schon geritten waren, aber sie erreichten die Baumgrenze ungewöhnlich schnell, hier wurde es nun schwieriger im vorherigen Tempo zu reiten. Die Pferde bremsten automatisch ab und es wurde zu einem wahren Marathon für beide Reiter heil durch den Wald zu kommen, ohne vom Pferd gerissen zu werden. Kara wurde nur noch von dem Wunsch beherrscht so schnell wie möglich in ihr Dorf zu kommen und ihre Familie lebendig wieder zu sehen. Sie achtete gar nicht darauf, wie sehr sie das Pferd mit ihren Befehlen entkräftigte, der Gedanke, dass Moki dieses Tempo nicht lange durchhalen und sie dadurch keines falls den langen Weg innerhalb einer Nacht tragen würde, kam ihr erst, als sie gerade den Bach erreichten, an dem sie am selben Morgen noch von Raven verbunden worden war. Dieser hatte sich durch den Sturm in einen reißenden Strom verwandelt und war weit über die Ufer getreten. Der Boden war hier zu einem richtigen Sumpf geworden und raubte den Bewegungen des Pferdes die Kraft. Nach kurzer Zeit steckte Moki im Schlamm fest und bewegte sich keinen Zentimeter mehr. Kara stieg ab und grub so gut es ging seine Beine frei. Sie selbst steckte bis zu den Knien im Schlamm, wodurch ihr das Laufen auch nicht sonderlich leichter fiel, als dem Pferd. Sie schaffte es jedoch mit Moki im Schleeptau bald durch den Morrast, beide erreichten bald festeren Boden und sie stieg wieder auf. In diesem moment entdeckte sie Raven, der kurz vor dem schlammigen Boden anhielt und ihr nachsah. Moki war kräftiger, für ihn war es nicht so schwierig durch den Schlam zu waten. Ravens Pferd aber war feinknöchiger, seine Stärke lag in seiner Schnelligkeit, für ihn wäre der Schlamm eine Gefahr, er würde sein Pferd dort nicht so schnell heraus bekommen, wie es Kara gelungen war und wenn der Bach noch weiter über die Ufer trat, wäre es zu riskant gewesen, es zu wagen. So konnte er nur dort stehen und ihr hinterher sehen. Sie nahm den Weg, der er am Tag zuvor gekommen war, es war ihm also noch möglich ihr zu folgen, da er den Weg kannte, nur musste er jetzt einen Umweg nehmen, was ihn Zeit und sein Pferd Kraft kosten würde, aber er hatte keine andere Wahl. Er war hierher gekommen, um den Dolch zu holen, aber ohne Kara würde er ihn nicht tragen können. Der Eremit hatte ihm von einem speziellen Tuch erzählt, in welches man den Dolch einwickelte, damit auch normal Sterbliche ihn tragen konnten, aber er besaß ein solches nicht. Die Weise aus Karas Dorf tat dies, aber dafür müsste er ihr folgen - so oder so musste er ihr hinterher! Er lenkte sein Pferd auf einen kleinen Pfad, der ihn durch den Wald und in einem großen Bogen auf den Weg führte, den Kara nun wieder im Galopp langritt. Hier zwischen den Bäumen, war der Regen nicht ganz so stark, jedoch war es hier dafür dunkler und der Weg war schlechter einzusehen. Dennoch schaffte es Kara ohne eine Verletzung aus dem Wald herauszukommen. Sie gelangte gerade in ein Feld, als Moki ins Rutschen kam und sich mit ihr überschlug. Sie rollten einen kleinen Abhang hinunter und blieben regungslos liegen. Für einen Moment bewegte sich keiner von beiden, dann richtete sich Moki wieder auf. Kara war bewusstlos und hing noch mit einem Fuß im Steigbügel. Der Sturm war hier wieder stärker zu spüren, also lief Moki los, um Schutz zu suchen. Er bekam keine Zeichen mehr von seiner Reiterin, also lief er einfach in einer Richtung los, in der er in der Ferne Häuser erkennen konnte. Als Raven es endlich aus dem Wald heraus geschafft hatte, war von beiden nicht die geringste Spur zu sehen. Es war zu dunkel, um sie in der Ferne zu sehen, also ritt er an die Stelle, an der sie aus dem Wald gekommen sein mussten. Der Regen hatte ihre Spuren schon fast verwischt, aber sie waren noch leicht zu erkennen. Raven folgte ihnen ein Stück, musste aber schon bald erkennen, dass es ihm in diesem Regen unmöglich sein würde, sie weiter erkennen und ihnen folgen zu können. Er drehte Miko und ritt mit ihm wieder ein Stück in den Wald hinein, um hier etwas Schutz vor dem Regen zu haben. Seine Augen blieben die ganze Zeit über zum Feld gerichtet, er wartete darauf, dass der Regen nachlassen und er nach ihren Spuren suchen konnte. Irgendwann schläferte ihn das kontinuierliche Plätschern des Regens ein. Er war genau wie Kara auch schon Tage lang ohne eine Pause unterwegs gewesen und konnte sich einfach nicht mehr wach halten. Als er bemerkte, dass er eingeschlafen war, schreckte er hoch und sah sich um. Der Regen hatte aufgehört und am Horizont war schon ein leichtes Dämmern zu erkennen. Die Wolken hatten sich vollkommen verzogen, so dass die Sterne die Gegend etwas erleuchteten. Raven trieb Miko an, der auch vor sich hingedöst hatte. Karas Spuren waren nur noch zu erahnen. Er folgte dem, was er zu sehen glaubte und entdeckte bald die Stelle, an der sie und Moki sich überschlagen hatten. Sie hatten einen tiefen Eindruck im Boden hinterlassen und dabei einen großen Teil des Feldes aufgewühlt. Raven hoffte, dass sie sich nicht stark verletzt hatte und suchte nervös nach weiteren Spuren. Bald sah er ihre Schleifspur vor sich und wusste, dass sie bewusstlos und Moki einfach weitergelaufen war. Er war mit ihr durch das Feld gelaufen, in Richtung einer kleinen Farm. Als er dort ankam, fand er jedoch weder Moki noch Kara irgendwo. Auch sah er keine weiteren Spuren, die beiden waren wie vom Erdboden verschluckt. In einem der Häuser schien schon jemand wach zu sein. Er stieg ab, band Miko an einem Baum fest und ging über den großen steinernen Platz in Richtung des Hauses, aus dem ein sanfter Lichtschein fiel. Vorsichtig klopfte er an der Tür und erschrak, als ein Hund ihm durch die Beine huschte, als die Tür ruckartig geöffnet wurde. Ein kleiner Junge schaute ihn neugierig an. "Verzeih mir kleiner, ist vielleicht einer von deinen Eltern hier, oder hast du gar ein junges verletztes Mädchen, mit einem großen schwarzen Pferd gesehen?" Raven versuchte so nett wie möglich zu klingen und ging sogar extra in die Knie, um mit dem Jungen Auge in Auge zu reden. Dieser schaute ihn nur weiter unverwandt an. Plötzlich tauchte ein Rock hinter ihm auf. Raven richtete sich auf und blickte in das Gesicht einen älteren Bäuerin, die anscheinend die Mutter des kleinen war. "Verzeiht mir, ich..." Sie unterbrach in abrupt:" Ich habe schon gehört was ihr wollt, ein Mädchen haben wir nicht gesehen, noch nicht zumindest, von uns war heute noch niemand draußen vor der Tür gewesen." Sie sah ihn forsch an, er merkte sofort, dass er hier nicht willkommen war. "Hm, ich danke euch gute Frau. Könntet ihr mir vielleicht noch eine Frage beantworten? Wie weit ist das nächste Dorf von hier entfernt." Sie schaute ihn skeptisch an, antwortete ihm dann aber doch:" Ungefähr einen Tagesritt, ihr müsst in Richtung Süden reiten." Er bedankte sich erneut und wandte sich zum gehen, als ihn der kleine Junge am Mantel zog. "Bist du ein Krieger?" Er schaute ihn wieder mit großen Augen an. Raven ging wieder in die Knie und lächelte den kleinen an. "Ja, das bin ich." "Bringst du mir kämpfen bei?" Seine Mutter tauchte wieder hinter ihm auf und sah Raven eindringlich an. Dieser schauderte unter ihrem Blick, der noch kühler als der Regen von gestern Nacht in vollem Galopp war und schaute den Jungen wieder an. "Tut mir leid mein Freund, aber ich muss weiter, außerdem braucht dich deine Mama hier sicher, da kann ich dich doch nicht mit sowas von der Arbeit ablenken." Anscheinend hatte er genau die Worte gefunden, die seine Mutter hören wollte, auch wenn sie genau dem widersprachen, was seine Lebenseinstellung war und womit er sein Geld mehr oder weniger verdiente. Die alte gab dem Jungen einen Korb in die Hand und schickte ihn in den Hühnerstall und sah Raven mit einem Blick an, der ihm wohl sagen sollte :"Nun verschwinde schon endlich, bevor du dem Jungen noch irgendwelche Flausen in den Kof setzt!" Er warf ihr nochmals einen dankbaren Blick zu, um nicht einen allzu unhöflichen Eindruck zu hinterlassen und ging hinüber zu Miko. Gerade als er die Zügel lösen wollte, hörte er einen Schrei aus dem Hühnerstall. Sofort zog er sein Schwert und rannte zurück. Der kleine Junge rannte auf ihn zu und klammerte sich an seinen Beinen fest, die Mutter kam aus dem Haus gestürmt und wollte wissen, was passiert sei. "Da ist ein Monster im Stall!" Der Junge zitterte am ganzen Leib und versteckte sein Gesicht in Ravens schoß. Inzwischen waren auch der Vater und die anderen Kinder aus dem Haus gestürmt, um nachzusehen, was los war. Alle schauten Raven verdutzt an und versuchten das Gestammel von dem Jüngsten zu verstehen, der sich immer noch an den Krieger klammerte. "Ein Monster? Die Mutter schaute ihn ungläubig an." "Wwenn ichs doch sage, ein ganz großes, ganz schwarz!!!" Raven löste den Griff des kleinen und schob ihn zu seiner Mutter. "Wenn du erlaubst, werde ich mal nachsehen!" Das schien den kleinen zu erfreuen, seine Augen begannen zu leuchten und seine Wangen glühten förmlich. "Ja ja, sieh du nach, du machst das Monster bestimmt gleich tot!" Der Vater warf einen amüsierten Blick zu Raven, er glaubte nicht, dass dort ein Monster im Hühnerstall war, wahrscheinlich hatte sich der kleine nur vor dem Hahn erschreckt, der über ihm auf einem Balken schlief. Vorsichtig betrat Raven den Stall und fand den Korb, den vorhin noch die Frau ihrem Sohn gegeben hatte. Hier musste er sich also erschrocken haben. Es war zu dunkel, um irgend etwas erkennen zu können, er steckte das Schwert vorsichtshalber ein, um nicht ausversehen eines der Hühner zu töten. Die Frau mit dem Gletscherblick würde das sicher nicht sonderlich glücklich machen. Seine Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit, noch konnte er nichts erkennen, was einem Monster gleich kam. Plötzlich fühlte er etwas warmes und sehr feuchtes auf seiner Schulter. Er schrie vor Schreck kurz auf, sprang zurück, um sich sofort um zudrehen und nach seinem Schwert zu greifen - doch statt dem erwarteten Monster, sah er dort Moki im Stroh stehen, der ihn ziemlich erschrocken ansah. Der Schrei hatte die Familie zusammen zucken lassen. Anscheinend war dort doch irgend etwas im Stall! Jedoch atmeten sie erleichtert auf, als Raven mit dem Pferd aus dem Stall kam. Kara war nirgends zu sehen. Moki trug keinen Sattel mehr, der Gurt musste irgendwann gerissen sein. Die Sonne war nun schon ein Stück über den Horizont gerückt und tauchte den Hof in ein sanftes orangenes Licht. Die Familie bot sich an, ihm bei der Suche nach dem Mädchen zu helfen, sie musste sich noch irgendwo im Feld befinden, da war sich Raven sicher. Als Kara wieder zu sich kam, erkannte sie ein vertrautes Sternenbild über sich. Sie richtete sich auf und sofort durchzuckte sie ein stechender Schmerz. An ihrem Bein erkannte sie den Sattel, von Moki aber keine Spur. Sie war von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt, er musste sie ein ganz schönes Stück durch den Dreck geschliffen haben bevor der Sattelgurt gerissen ist. Sie streifte den Steigbügel von ihrem Fuß ab und versuchte aufzustehen. Der Riss an ihrer Seite hatte sich wieder geöffnet und blutete stark. Sie hatte den Verband irgendwo verloren. Alles drehte sich, ihr war schlecht und ihr Kopf schmerzte. Als sie nach mehreren Versuchen endlich stand, drehte sich ihr Magen um und sie übergab sich. Sie setzte sich kurz hin und schaute in den Himmel. Sie musste weiter, sie musste wissen ob noch jemand lebte! Aber so würde sie nicht weit kommen. Mit jedem Tropfen Blut, den sie durch die Wunde verlor, schwand ihre Kraft. Ihr wurde auf einmal bewusst, dass sie sich wünschte, Raven würde erneut vorbei kommen und ihr helfen. Aber von ihm war genauso wenig zu sehen, wie von ihrem Pferd. Sie stand wiederum auf und sah sich um. Durch diese Felder war sie schon einmal geritten. Sie war für eine Nacht erstaunlich weit gekommen. Moki musste sehr erschöpft sein, er würde sie wahrscheinlich gar nicht mehr tragen wollen. In der Ferne erkannte sie ein Gehöft, aber sie wollte nicht dorthin, sie musste weiter, sie würde bald an einem See vorbeikommen, dort könnte sie eine Pause machen und die Wunde erneut verbinden. Im Sattel befand sich noch etwas vond er Salbe und ein paar Verbände. Sie löste die Tasche vom Sattel und legte sie sich über die Schulter. Sie schwor sich nie wieder so schnell bei Regen zu reiten und setzte ihren Weg in Richtung ihres Dorfes fort. Es würde nicht leicht werden ohne Pferd, vor allem dauerte der Weg so doppelt so lang, wie zu Pferd. Ihre Beine schmerzten, aber Kara ignorierte die Signale ihres Körpers, der sie um Ruhe und Schlaf anbettelte. Der Drang ihre Familie wieder zu sehen war stärker als jedes Bedürfnis, dass sie sonst noch verspürte. Der Weg zog sich ewig hin, die Sonne stieg immer höher am Horizont und mit der einsetzenden Wärme meldete sich die vertraute Müdigkeit wieder, die Kara schon am Morgen zuvor verflucht hatte. Jeder Meter wurde zur Qual, sie konnte ihre Augen kaum noch offen halten und ihre Wunde schmerzte immer mehr. Sie verlor immer noch Blut. Irgendwann tanzten kleine weiße Punkte vor ihren Augen, aber sie sah es nicht ein eine Pause zu machen. Sie lief einfach weiter, ihre Beine bewegten sich automatisch, sie dachte an nichts mehr, sie lief einfach nur noch den Weg entlang, den sie vor zwei Tagen gekommen war. Bald erkannte sie vor sich den See und hoffte durch das Verbinden der Wunde wieder etwas Kraft zu erlangen. Sie beschleunigte ihren Schritt, doch 20 Meter vor dem Ufer brach sie im hohen Gras zusammen. Ihr atem ging schwer, sie fühlte nichts mehr, außer der allmächtigen und sie völlig überwältigenden Müdigkeit. Ihr Bewusstsein glitt in einen ihr völlig fremden Zustand. Sie erwachte in einem engen und sehr dunklen Raum. Die Wände waren hoch und mit Moos bewachsen, es gab keine Fenster, nur eine kleine Tür mit einem Gitterloch am oberen Ende, durch welches etwas Licht hinein fiel. Sie hörte wie sich draußen mehrere Männer unterhielten. Anscheinend redeten sie über sie. Sie stand auf und ging zu der Tür, um besser hören zu können, aber irgendetwas zog sie nach ein paar Schritten zurück. Ihre Arme und Beine lagen in Ketten, diese hingen schwer an ihr herab und zogen sie zu Boden. Wo war sie? Sie sah sich noch einmal um, konnte den Ort aber nicht als ihr bekannt einordnen. Vor ihr auf dem Boden war eine kleine Pfütze, ihr Bild spiegelte sich darin. Das Bild eines kleinen Mädchens, mit langen braunen Haaren, blaugrauen Augen, einem gelben zerfetzten Kleid und langen schneeweißen Flügeln... Sie hatten sie nirgendwo im Feld finden können. Die Kinder hatten den Sattel und ihren Verband gefunden, aber sie blieb verschwunden. Raven begab sich an die Stelle, an welcher der Sattel lag und wollte ihren Spuren von dort aus folgen. Er bedankte sich bei der gesamten Familie und ließ ihnen Moki als kleine Entschädigung da. Der Vater verlies ihn für einen kurzen Moment und kam mit einem "Geschenk" seinerseit wieder. Er gab Raven seinen besten Hund, welcher ihm helfen sollte Kara zu finden. Seine Frau war davon nicht sonderlich begeistert, aber der Gedanke ein großes, junges und tüchtiges Arbeitspferd zu haben, glich das wieder aus. Kara blutete stark, er fand viele kleine Blutlachen im Gras und auf dem Weg, den sie genommen hatte. Der Hund war ihm eine große Hilfe, er hatte ihre fährte sofort aufgenommen, so dass er sie vom Pferd aus verfolgen konnte und nicht laufen musste. Sie war ziemlich weit gelaufen, die Sonne stand schon hoch am Himmel und von ihr war weit und breit nichts zu sehen. Ihre Spur führte in Richtung Süden, also musste sie aus dem Dorf kommen, von dem die Frau ihm erzählt hatte. Der Hund sprang durch die Wiesen, immer Karas Spur nach. Sie war durch sehr hohes Gras gelaufen, für das Pferd war es an einigen Stellen schwer sich vorwärts zu bewegen, weshalb Raven allmählich auf einen gefestigten Weg langritt und den Hund von dort aus beobachtete, wie er weiter die Fährte suchte. Bald erreichten sie ein kleines Tal, in dem sich die Landschaft auf einem großen See spiegelte. Es war ein sehr eindrucksvolles Bild, weswegen sich Raven für einen Moment lang ablenken lies und erschrocken zusammen fuhr, als der hund anschlug. Schnell sprang er vom Pferd und rannte zu ihm. Vor seinen Füßen lag Kara, zusammen gekrümmt und bewusstlos. Sie war vollkommen bleich und ihr Körper fühlte sich schrecklick kalt an. Ihre Wunde blutete noch immer stark, der Riss klaffte auf, so konnte er sich nicht schließen und Kara verlor mehr und mehr von ihrem Leben. Er nahm sie auf seine Arme und trug sie zu Ufer. Dort legte er sie ins seichte Wasser, um den Dreck von ihrem Körper abzuwaschen. Ihre Sachen waren alle völlig verschmutzt, so dass er keine andere Wahl hatte, als sie vollkommen auszuziehen. Nur gut, dass sie gerade bewusstlos war, sonst hätte sie ihm sicherlich den Schädel eingeschlagen. Während er mit ihren Sachen rang, pfiff er Miko herbei. Er holte eine Decke aus seiner Satteltasche und breitete diese im Gras aus. Darauf legte er den leblosen Körper des Mädchens und verband erneut ihre Wunde. Dann deckte er sie mit einer zweiten Decke zu und begab sich auf die Suche nach Feuerholz. Als er zurück kam, hatte sich der Hund neben Kara zusammen gerollt und spendete ihr etwas Wärme. "Machst dir wohl auch Sorgen um sie?" er lächelte und kraulte ihn kurz hinter den Ohren. Allmählich schien es dem Mädchen wieder besser zu gehen, Raven kochte einen grauenvoll riechenden Tee auf dem Feuer und versuchte ihn Kara irgendwie einzuflößen. Nach mehreren Versuchen, gelang es ihm auch, jedoch hatte sich der Großteil der Brühe auf seiner Kleidung verteilt, weswegen er diese Auszog und kurz ins Wasser sprang. Genau in diesem Moment erwachte Kara aus ihrer Bewusstlosigkeit. Sie schaute sich völlig orientierungslos um und entdeckte plötzlich den nackten Raven im Wasser. Der Anblick lies sie hochfahren, was sie besser nicht hätte tun sollen, denn nun merkte sie, dass auch sie nackt war, außerdem schmerzte ihre Wunde immer noch. Raven bemerkte nun ebenfalls, dass Kara wieder wach war und wollte gerade aus dem Wasser kommen, als er es sich doch anders überlegte und sich schonmal auf das folgende Donnerwetter gefasst machte. "Es ist nicht so, wie du denkst!" er ging schon mal mental in Deckung. "B-bitte?!?! Nicht so wie ich denke? BITTE??? Ich nackt, du nackt??!?!? Was soll daran bitte schön nicht so sein, wie ich denke???" Kara schossen Tränen in die Augen, so hatte sie ihn wirklich nicht eingeschätzt, das hätte sie ihm niemals zugetraut! Raven stieg aus dem Wasser und griff seine Sachen. Während er sich anzog, erklärte er ihr Stück für Stück, was geschehen war und sie verfluchte sich allmählich selbst dafür, so etwas von ihm gedacht zu haben. Nun hatte er ihr schon das zweite mal geholfen. Langsam musste sie sich irgendwie bei ihm revanchieren. Der Hund lag noch immer neben ihr und schaute sie drollig an. Sie legte sich wieder hin und versank in Gedanken. War da nicht irgend etwas anderes gewesen? Bevor sie aufwachte? Sie erinnerte sich an einige Gefühle: Kälte, Angst, Ungewissheit, Hoffnungslosigkeit und Schmerz - sehr viel Schmerz! Es fühlte sich so ungewöhnlich real an, war das wirklich ein Traum gewesen? Ein sehr komischer Traum... Sie hatte Flügel gehabt, wie ein Engel, schneeweiß und mit langen Federn. Aber ihre Haare waren braun und sie war nicht älter als zehn Jahre gewesen. Wirklich ein komischer Traum. Aber sie konnte keinem davon erzählen, man würde sie auslachen, sie und ein Engel? Eher das Gegenteil, würde ihre Mutter jetzt sagen. Ihre Mutter... Wie es ihr wohl geht? Und ihrem Vater und ihrem kleinen Bruder? Hoffentlich waren sie in Ordnung. Sie waren doch alles, was sie auf dieser Welt besaß und was ihr wichtig war. Unter all diesen Gedanken schlief Kara wieder ein. Sie hatte einen schweren, traumlosen Schlaf, der ihr einen Großteil ihrer Kraft zurückbrachte. Raven versuchte Wache zu halten, aber auch er wurde bald vom Schlaf übermannt, so schliefen beide bis spät in den nächsten Tag hinein. Raven hatte Karas Sachen gewaschen, als sie diese anzog, erkannte man wie steinig der Weg gewesen sein musste, den Moki sie lang geschliffen hatte. Überall waren Löcher und Risse zu sehen. Der weiße Verband leuchtete richtig durch das zerfetzte und inzwischen vergilbte Hemd. "Du brauchst neue Sachen. So kannst du nicht weiter rumlaufen, sonst denken noch alle ich hätte dich irgendwem abgekauft." "Wir sind heute auch mal wieder die Freundlichkeit in Person!", Kara fauchte ihn richtig an, "Wenn wir in meinem Dorf sind, besorge ich mir schon neue Sachen, bis dahin musst du mich eben noch so ertragen. Mich stört es jedenfalls nicht so rumzulaufen, besser als gar nichts!" "Kaum geht es dir wieder besser, wirst du gleich wieder mürrisch!" Raven musste breit grinsen, "Langsam klingen wir schon wie ein altes Ehepaar." Wieder ein Satz, der Kara knallrot anlaufen ließ. "Hpfffffff!", mehr brachte sie nicht mehr heraus. Sie ritten nun zu zweit auf Miko, dem das Gewicht nicht wirklich etwas auszumachen schien. Kara fand es sehr schade, dass sie Moki nicht mehr hatte, sie hatte noch nie ein eigenes Pferd besessen. Ihr Vater hatte Angst gehabt, dass sie dann noch mehr Dummheiten machen würde oder sie eines Tages einfach spurlos verschwunden sein würde. Dabei liebte sie ihr Dorf und ihre Familie über alles und würde nie so einfach weggehen. Der Weg schien sich ewig hinzuziehen. Sie ritten durch Täler, Felder und kleine BIrkenwäldchen, über Wiesen und an Bächen vorbei. Auf ihrem Weg in die Berge war Kara die Schönheit der Gegend gar nicht aufgefallen. Jetzt musste sie sich schließlich auch nicht auf den Weg konzentrieren. Raven folgte dem Pfad und da Kara nichts entgegnete, schien er wohl nicht falsch zu sein. Langsam wurde es wieder Nacht, da die beiden aber zuvor so lang geschlafen hatten, entschieden sie sich die Nacht hindurch zu reiten. Es war Halbmond, ein besonders schöner, gelblich leuchtender Halbmond, der größer als sonst zu sein schien. Die Sterne leuchteten über den Weg und Kara suchte nach den ihr bekannten Sternbildern. Sie saß vor Raven auf dem Pferd, er hatte sie mit in seinen Mantel gewickelt, damit sie in ihrer löchrigen Kleidung nicht fror, immerhin war sie noch geschwächt und sollte sich nicht erkälten. Sie konnte seinen Herzschlag und seine Atmung spüren, seine Wärme. Sie schloß für einen Moment die Augen - ein Bild schoß ihr durch den Kopf, aber sie konnte es nicht richtig fassen. Diese Situation kam ihr so seltsam vertraut vor. Hatte er sie schon einmal so gehalten? Vielleicht als sie bewusstlos war? Sie konnte sich nicht daran erinnern. Aber es fühlte sich so gut an, sie fühlte sich sicher und geborgen, fast wie in den Armen ihres Vaters, nur etwas anders. Es kam ihr vor, als wären sie schon einmal so geritten, als hätte sie schon einmal so in seinen Armen gelegen und diese Geborgenheit gespürt, nur wann? Wieso konnte sie sich nicht erinnern, wo sie sich doch so sicher war, dies schon einmal erlebt zu haben? Diese Wärme seiner Arme um ihre Hüfte, sein Geruch, dieses Gefühl - so vertraut und doch auch wieder nicht. Kara verstand sich für einen Moment selbst nicht mehr, wieso gingen ihr all diese Dinge durch den Kopf? Was hatte das alles zu bedeuten? Sie öffnete die Augen wieder und sah in der Ferne die ihr bekannte Windmühle, an dem kleinen kristallklaren Bach, an welchem sie als Kind so gerne gespielt hatte. Nicht mehr lange und sie würden das Dorf erreichen. Je näher sie der Mühle kam, desto mehr erkannte sie, was sie lieber nicht hatte sehen wollen. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie richtete sich in Ravens Armen auf, um genauer hinsehen zu können. Die Flügel der Mühle waren zerfetzt und teilweise abgebrannt. Die Tür war eingetreten und schwarzer Ruß am Türrahmen verriet ihr, dass drinnen Feuer gelegt worden war. Weit und breit war niemand zu sehen. Oft wurden die Kinder hier her gebracht, wenn eine Gefahr drohte, aber anscheinend waren diesmal alle woanders hin geflohen. Raven bemerkte Karas Aufregung. Er schloss seinen Griff fester um ihre Hüfte und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. "Es gibt sicher Überlebende irgendwo, sie werden sich nur nicht sofort zeigen. Gib die Hoffnung nicht auf kleines. Ich bin mir sicher, wenn wir das Dorf erreichen, werden wir jemanden von deiner Familie finden, keine Angst." Seine Worte beruhigten sie etwas, aber das mulmige Gefühl in ihrer Magengegend blieb. Hoffentlich hatte er Recht! Oh ihr Götter, er musste einfach Recht haben. Sie wusste nicht, was sie sonst tun würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)