The Dark Legend von ilinga ================================================================================ Kapitel 7: Chapter 7 - ... Suche nach Kara ... ---------------------------------------------- Als sie erwachte, wusste sie zuerst nicht, wo sie sich befand. Und anscheinend hatte sie ein Körperteil zuviel. Verwundert richtete sie sich auf und bemerkte, dass die Hand, die sie erst als ihre eigene deklariert hatte, zu Raven gehörte. Dieser saß schlafend neben ihr, an die Zeltwand gelehnt, ihren Kopf in seinem Schoß haltend. Er hatte so lange über das Geschehene nachgegrübelt, dass er über seine Gedanken hin eingeschlafen war. Kara schob die Decke zurück und kroch aus dem Bett, bemüht sich so leise wie möglich zu verhalten, um ihn nicht zu wecken. Sie schlüpfte in ihre Stiefel und schlich nach draußen. Dichte Nebelschwaden und sanfter Sonnenschein, der alles um sie herum in ein undurchdringliches Weiß tauchte, hüllten sie ein. Der Nebel war so blendend weiß, dass sie sich eine Hand vor die Augen halten musste, um etwas zu erkennen. Anscheinend war sie als einzige wach, alles um sie herum war still, nur in der Ferne war der Gesang einiger Vögel zu hören. Sie beschloss die Gelegenheit zu nutzen und sich etwas umzusehen. Leise schlich sie zurück ins Zelt und nahm ihr Schwert und den Rest ihrer Sachen von dem Hocker neben dem Ausgang. Wieder draußen legte sie alles an und machte sich in eine unbestimmte Richtung auf. Der Nebel würde noch eine ganze Weile so dicht sein und sie musste sich alles gut einprägen, wenn sie später den Weg wieder zurück finden wollte. Behutsam schritt sie zwischen den anderen Zelten hindurch, bis sie den Rand des Lagers erreicht hatte. Plötzlich erschrak sie, etwas war hinter hier, es berührte ihr Bein! Sie drehte sich um und sah Targras, der sie neugierig anblickte. Sie beugte sich zu ihm hinab und strich ihm über den Kopf. "Na du, willst du mich begleiten?" Sie lächtelte ihn an und Targras wedelte wie zur Antwort mit dem Schwanz. Zusammen glitten sie den leichten Hang hinter dem Lager hinunter und wagten sich in eine kleine Baumgruppe vor. Hier unten schien der Nebel noch dichter zu sein. Aus dem Lager drang noch immer kein einziges Geräusch. Kara blickte sich nur einmal kurz um, dann schritt sie weiter durch die kleine Baumgruppe und über eine kleine Lichtung in einen etwas dichteren Wald. Hier war der Gesang der Vögel schon deutlicher, dennoch konnte sie keinen einzigen erblicken. Der Wald war dicht, ab und an führte sie der Weg über umgestürzte Bäume und kleine Bachläufe. Am Stand der Sonne konnte sie erkennen, dass sie schon einige Zeit unterwegs war. Sie wusste nicht ganz, wonach sie eigentlich suchte oder was sie an diesem Morgen hinaus in dieses Land gerufen hatte, aber sie glaubte, dass es wohl das sein musste, was dieses Land so einzigartig machen sollte. Sie wollte finden, was dieses Land so berühmt gemacht hatte und sei es nur eine kleine Fee, ein Gnom, eine Nymphe, irgendetwas. Doch nichts dergleichen hatte sich ihr bisher gezeigt. Vielleicht konnten normale Menschen sie einfach nicht sehen und sie war bereits umgeben von jenen Wesen. Vielleicht zeigten sie sich nur denen, die sie selbst auserwählt hatten, sie zu sehen. Ihr Blick schweifte über einen großen kräftigen Baum und für einen Moment glaubte sie, dass er sie Ansah. Waren dort eben wirklich Augen gewesen? Oder hatte sie sich das nur aus dem tiefen Wunsch heraus eingebildet, endlich ein mystisches Wesen zu finden? Sie starrte weiterhin auf jenen Fleck, an welchem sie glaubte die Augen entdeckt zu haben, doch nichts rührte sich. Müde und etwas enttäuscht setzte sie sich auf einen umgestürzten Baum. Er war dicht von Moos bewachsen, welches sich wie ein weicher Pelz um ihn schmiegte. Kara lehnte sich zurück und starrte in den saphirblauen Himmel. Über ihr raschelten die dichten grünen Blätter der Bäume und nahmen ihr mit dem Wehen des Windes ab und zu die Sicht auf das weite Blau. Sie musste an ihre Eltern denken. Ihre schwer verletzte Mutter, ihren besorgten Vater... wo ihr kleiner Bruder wohl gerade war? Die Truppen hatten ihn mit sich genommen, aber wohin? Bald würde sie sich auf den Weg machen, ihn zu suchen. Sie schloss die Augen und sog tief die würzige Waldluft ein. Als sie sie wieder öffnete, war es tiefschwarze Nacht. Anstatt in den saphirblauen Himmel, erblickte sie unzählige Sterne über sich. Allem Anschein nach war sie eingeschlafen. Sie setzte sich auf und entdeckte Targras, der ein Stück von ihr entfernt an einer Baumwurzel lag und sie ansah. Raven machte sich sicherlich Sorgen. Sie sah sich um, konnte aber kaum die Hand vor Augen sehen. Es war stock finster in diesem Wald. Nur durch einige Äste und Baumkronen hindurch waren die Sterne zu erkennen. So konnte sie unmöglich den Weg zurück ins Lager finden. Sie musste warten, bis es wieder Morgen wurde. Ein Schauer lief über ihre Haut, es war sehr kühl geworden und sie fröstelte. Zum Feuer machen hatte sie nichts mit sich genommen, auch zu Essen hatte sie nicht dabei. Sie verfluchte ihre Neugier und suchte einen Windgeschützten Platz an einem hohen und sehr breiten Baum auf. Hier setzte sie sich zwischen die riesigen Wurzeln und versuchte anhand der wenigen Sterne, die sie erkennen konnte, die ungefähre Zeit abzuschätzen. Nur fiel ihr ein, dass sie sich weiter nördlich befand und hier keine genauen Angaben anhand der Sterne machen konnte. Also richtete sie ihren Blick wieder nach unten und presste ihren Körper an den harten Baumstamm. Targras hatte sich zu ihr begeben und sich an ihrer Seite niedergelassen. Seine Wärme wirkte tröstlich auf Kara. Wäre sie doch blos nicht einfach so losgetigert, hätte sie sich doch nur alles von den anderen zeigen lassen. Aber nein, sie musste mal wieder mit ihrem Dickkopf durch die Wand und alles auf eigene Faust machen. Sie zog ihre Knie so weit wie möglich an und legte ihren Kopf auf ihre Arme. Der Wind strich durch die Bäume und das Rascheln der Blätter klang wie ein leises Flüstern. Hier schien etwas in der Luft zu hängen. Das Flüstern klang nach Abenteuer, nach Aufregung, aber auch nach Gefahr - wie eine alte Prophezeihung. Der Wind trug sie durch das Land und die Blätter fingen sie auf, um sie zu hören und in ihrem Rascheln weiterzutragen. Dort erfuhren die Raupen davon, alle kleinen Tiere, die Vögel. Die Raupen verwandelten sich in Schmetterlinge und erzählten es den Blumen. Die Blattläuse erzählten es den Ameisen und jene wiederum erzählten es dem Boden, in dem sie wohnten. Die Vögel trugen die Kunde durch die Luft und berichteten es den Wolken. Alles um sie herum war erfüllt vom Wiederhall der Sage, alles um sie herum erzählte ihr von der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Einer nicht allzuweit entfernten Zukunft. Und doch konnte Kara die Kunde, die ihr hier zugetragen wurde, noch nicht verstehen. Ihr Herz schien mit den Blumen zu sprechen, mit den Wolken zu singen und mit der Erde zu schweigen, eine tiefe Aufregung ergriff sie, welche sie nicht begreifen konnte. Am liebsten wäre sie aufgesprungen, hätte diese Aufregung herausgesungen, ihr Klang, eine Form gegeben, aber die Töne kamen in ihrer Kehle nicht zustande, sie hätte am liebsten alles von sich getanzt, aber wäre sie aufgestanden, sie hätte die Schritte und Bewegungen nicht gefunden. So saß sie nur da und lauschte auf das stetige Wachsen in sich. Da war etwas und es reagierte auf alles um sie herum. Es wuchs und wuchs und würde bald hervorbrechen. Sie wusste es nicht zu verhinden, womöglich sollte es auch nicht verhindert werden. Die Weise im Dorf hatte ihr einmal erzählt, dass in jedem von uns etwas schlummert und wenn es heraus will, dann soll man es auch herauslassen und nicht einsperren, sonst würde man seines Lebens niemals froh werden und man könnte niemals frei sein. Aber wie sollte Kara es hinauslassen? Sie konnte ihm keine Form geben, keine Gestalt, keinen Klang. Es wurde immer größer, dieses übermächtige Gefühl... Sie lehnte sich zurück und blickte am Stamm entlang in die mächtige Krone und erschrak. Über sich hatte sie ein Gesicht gesehen. Es war eindeutig dagewesen, mit weiblichen Zügen, dunklen grünen Augen und es hatte sie angelächelt. Sie sprang auf und sah nach oben, doch nichts war dort oben mehr zu sehen. War es das, wovon die Weise ihr einmal erzählt hatte? Eine... wie nannte sie sei noch gleich... Baumnymphe! Sie lebten in den Bäumen, waren mit ihnen verbunden. Lange starrte sie in die Krone, das Gesicht zeigte sich nicht wieder. Sie war sich sicher, dass sie es sich nicht eingebildet hatte. Nachdem sie sich kurz umgeblickt hatte, fiel Kara auf, dass es der Baum war, von dem sie schon zuvor gedacht hatte, darin Augen erkannt zu haben. Nun hatte sie also gefunden, wonach sie zu suchen losgezogen war. Fühlte sie sich nun anders? Eigentlich nicht. Sie wusste nun, dass es jene Wesen hier gab, dennoch fühlte sie nichts besonderes oder neues an diesem Ort. Nur die Sage hing noch in der Luft und erschwerte die Luft, so dass sie warm und dick wirkte. Irgendetwas würde bald geschehen, dass war Kara nun klar. Vielleicht würde sie schon bald den Inhalt der Sage verstehen, vielleicht würde sich ihr bald eine verborgene Tür öffnen und sie würde hindurch gehen und alles verstehen, was ihr bisher verborgen blieb. Sie wusste nicht, wie nah ihre eigenen Gedanken an der Wahrheit waren. Bald würde sie alles erfahren. Sie hatten das komplette Lager und den Wald um das Lager nach ihr abgesucht, aber nirgends war eine Spur von ihr zu entdecken. Raven und Porta mussten dennoch an die Front, die Moral der Kämpfer war gesunken und wenn sie nicht mit ihnen kämpften, würde sie wohl noch weiter sinken. Irgendetwas an den beiden gab den Männern die Kraft weiter ihre Schwerter zu führen und ihr Blut bereitwillig zu vergießen. Kageshi, Ncham und drei weitere Männer hatten sich auf den Weg gemacht das Mädchen zu suchen. Kageshi hatte einige kaum noch zu erkennende Spuren von ihr ausgemacht. Da noch niemand wusste, dass sie verschwunden war, nahm auch niemand Rücksicht auf Spuren, die eventuell hilfreich wären. So waren vor Ravens Zelt und rund um das Lager kaum noch Spuren von ihr zu finden. Mit untrüglichem Instinkt folgte Kageshi den Spuren bis hin zu der kleinen Baumgruppe. Hier erkannte sie auch die Spuren des Hundes und wusste nun, dass wenn sie die Spur des einen verlor, nach der Spur des anderen Ausschau halten musste, um sie wiederzufinden. Noch im Lager hatten sie sich aufgetrennt und waren in verschiedene Richtungen losgezogen, um sie zu finden. Nach den Geschehnissen der letzten Nacht war Raven sichtlich besorgt gewesen, womöglich wusste sie noch nicht einmal, dass sie sich in Bewegung gesetzt hatte oder ähnliches. Kageshi verfolgte die Spuren über die Lichtung und hinein in den Wald. Die kleine war eine ganz schön weite Strecke gelaufen, wahrscheinlich würden sie sie vor Einbruch der Nacht nicht mehr einholen. Wohin war sie blos unterwegs? Nach Ravens Aussagen war sie schon eine Weile in einer Art Trance, hoffentlich tappte sie hier nicht in irgendeine Falle oder verlief sich hoffnungslos. Die junge Frau schreckte auf, als sie plötzlich etwas hinter sich hörte. Sie drehte sich blitzschnell um und das Messer verfehlte nur knapp den Schatten. Er zog es aus der Erde und ging lächelnd auf sie zu. "Ist das eine Art einen alten Freund zu begrüßen?" er grinste sie an. Sie atmete erleichtert auf und nahm ihm das Messer ab. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Wenn sich der alte Freund in einen Herumtreibern verwandelt, der ohne Vorwarnung einfach so auftaucht, kann ich für nichts garantieren." sie hob mahnend den Zeigefinger und lächelte ihn noch immer an. "Sieh dich an, du bist groß geworden. Wie lange ist es her?" ihr Blick musterte ihn von Kopf bis Fuß. "Im Menschenreich nun vier Jahre. Ich weiß ja nicht, wieviel Zeit hier vergangen ist, aber anscheinend nicht allzuviel, du bist schön wie eh und je!" SIe verzog das Gesicht und verpasste ihm eine Kopfnuss, "Hör blos auf damit! Oder Porta macht dich wieder ein paar Köpfe kürzer. Du hättest dich ruhig öfter mal blicken lassen können. Was hast du die ganze Zeit getrieben?" sie hatte nun die Arme vor der Brust verschränkt und blickte ihn vorwurfsvoll an, wie sie es ihm gegenüber schon immer zu tun pflegte. Ihrer Meinung nach hätten seine Eltern ruhig härter mit ihm umspringen können, dann müssten sich andere nicht dauernd so viele Sorgen um ihn machen. "Nicht viel, nur die Truppen etwas aufgemischt und nach ihr gesucht..." Sie schüttelte den Kopf, "Du gibst wohl wirklich niemals auf! Apropos suchen, erinnerst du dich noch daran, was ich dir über das Springen beigebracht habe? Ich könnte deine Hilfe gut gebrauchen." Er schaute sie fragend an, "Ist deswegen das Lager in heller Aufregung? Ist jemand verschwunden?" "Ja, unsere Hoffnung!" "Wie darf ich das verstehen?", er konnte ihr nicht wirklich folgen. "Der Dolchträger oder besser gesagt die Dolchträgerin." Seine Augen weiteten sich, "Wie, ihr habt den Dolchträger gefunden?", er blickte sie ungläubig an. "Genauso ist es, aber die kleine ist verschwunden. Hier sind ihre Spuren. Ich würde vorschlagen, dass wir von hier an springen, du gehst weiter nordöstlich durch den Wald und wir treffen uns über dem Wasserfall. Sie hat lange schwarze Haare, sollte also leicht zu erkennen sein, etwa fünfzehn Jahre alt. Und lass die Pfoten von ihr, ich kenn' dich Ladykiller ja..." "Und das von Portas Zukünftigen...", sein Blick war mehr als vorwurfsvoll. "Er weiß sich inzwischen wenigstens zu benehmen", ihre Augen funkelten ihn böse an, "nur du musst noch einiges lernen. Immer diese Jungesellen!", sie seufzte und verdrehte die Augen. "Solange du mich nicht so zügeln willst wie ihn, wenn ich bedenke, dass...", er brachte den Satz lieber nicht zu ende, sein Hirn sagte ihm, dass das seiner Gesundheit zuliebe wohl besser wäre. Er seufzte leise und warf den Kopf in den Nacken. Mit Blick in den Himmel fügte er nur leise hinzu: "Du weißt genau, dass es für mich nur eine gibt." Sie blickte ihn nicht an, sondern drehte sich nur um und schaute auf die Spuren. Ohne ein Wort des Abschieds konzentrierten sie sich auf ihre bevorstehende Aufgabe und trennten sich. Es war schon tiefste Nacht und sie hatten sie noch immer nicht gefunden. Kageshi brach die Suche ab und verbarg sich in einer Baumhöhle, den kommenden Morgen abwartend, in der Hoffnung, dass die Spuren bis dahin nicht verloren sein würden. Sie tat die ganze Nacht kein Auge zu. Als der Mond aufging, tauchte er alles in sein sanftes silbernes Licht. Die Blätter wirkten wie von feinem Silberstaub bedeckt. Der Tau im Gras begann weiß zu leuchten und gab ein reflektiertes Bild seiner Umgebung in mikroskopischer Form wieder. Er hingegen führte den Sprung weiter. Da er den Spuren nicht gefolgt war, sondern einfach seinem Ziel entgegen schritt und die Augen immer auf der Suche nach ihr offen hielt. Er verharrte nur kurz, bis nach Sonnentuntergang der Mond aufgegangen war und setzte seinen Weg dann fort. Die Vorstellung, das ein Mädchen des Nachts hier ganz alleine herumirrte, löste seinen Beschützerinstinkt aus. Sie kannte keine der Gefahren. Lykanthropie war kein Märchen und Lykanthropen waren gefährlich, vor allem bei Vollmond. Wenn sie hier einem Werwolf oder ähnlichem über den Weg lief, wäre sie hoffnungslos ausgeliefert. Er kannte Kara ja nicht und wusste nicht, dass sie sich sehr gut selbstverteidigen konnte. Zudem hatte sie ohne ihr eigenes Wissen eine Macht auf ihre Seite gezogen, die sie momentan schützte. Unzählige Nymphen hatten sich, ohne das sie es merkte, um sie versammelt und bildeten so einen schützenden Ring. Sie saß einfach nur da, im Schutze des riesigen Baumes, was für die Nymphen wie eine stille Andacht wirkte und wartete das Licht des kommenden Tages ab. Inzwischen hatte sich die Sage zurückgezogen und Stille legte sich wie ein Tuch um den Wald. Nichts war mehr zu vernehmen, selbst das kleinste Geräusch schien verhallt zu sein. Alles hielt den Atem an und erwartete mit Kara den Aufgang der Sonne, den Anbruch eines neuen Tages. Die ersten Strahlen ergossen sich wie pures Gold über den Himmel und das noch schlafende Land. Jenes Gold weckte die ersten Vögel, deren Gesang zuerst noch verschlafen, aber bald schon fröhlich und zugleich etwas angespannt klang. Erneut breitete sich in Kara das Gefühl aus, dass etwas passieren würde. Sie erhob sich und dehnte ihre müden und von der Nacht noch steifen Glieder. Mit Mühe und Not versuchte sie das Knurren ihres Magens zu überhören. Was ihr anscheinend gelang, hatte jemand anders aber nicht überhören wollen und wie auf Befehl viel ein Apfel von einem Baum. Kara blickte sich erstaunt um und entdeckte wieder ein Gesicht in einem der Bäume. Es lächelte sie an und war sofort verschwunden. Sie ging auf den Apfel zu und hob ihn auf. Dann verbeugte sie sich vor dem Baum und sprach laut ihren Dank aus. Sie lächelte den nun leeren Stamm an und verspeiste das Geschenk. Irgendwie schien es für sie selbstverständlich zu sein, mit diesen Wesen auf diese Art und Weise zu kommunizieren. Sie schien von ihnen akzeptiert worden zu sein, was sie innerlich in Aufregung und helle Freude versetzte. Das Dämmerlicht reichte bisher noch nicht ganz aus, um den Weg auszumachen, also beschloss Kara einen Weg zu wählen, der ihr bekannt vorkam und den sie glaubte gegangen zu sein. Sie wusste nicht, dass sich der Wald jede Nacht in Bewegung befand, sie kannte das Eigenleben der Pflanzen und Steine nicht. Der von ihr gewählte Weg führte sie noch weiter vom Lager fort und weiter hinein ins Heilige Land. Das fahle Licht der Sonne warf einen orangenen Schimmer auf ihr Gesicht und lies ihre Haare erglühlen. Sie fühlte sich unglaublich lebendig und setzte ab und an zu kleinen Sprints durch das immer lichter werdende Dickicht an, bei welchen sie Targras mit freudigem Bellen begleitete. Sie stoppte erst, als sie etwas vernahm, was sie hier nicht erwartet hatte. Dieses Dröhnen... sie konnte sich nicht daran erinnern gestern an einem Wasserlauf vorbeigekommen zu sein. Aber das Rauschen schien sie magisch anzuziehen. Sie kletterte über die Bäume und Steine und stand vor einem mächtigten Wasserfall. Er ergoss sich nur wenige Meter vor ihr von einer sehr hohen Klippe und hatte einen schmalen aber allem Anschein nach sehr tiefen See geschaffen. Aus dem See floss das Wasser weiter in einem breiten, sich durch einen anderen Teil des Waldes schlängelnden Fluss. Das Sonnenlicht brach sich an dem sprühenden Wasser und zauberte einen Regenbogen in die kühle Morgenluft. Der Anblick war atemberaubend. Bis ans Wasser wuschen die Pflanzen in dichtem und üppigen Grün, man konnte kaum sagen, wo der Wald endete und das Wasser begann. Sie zog sofort ihr Schwert, als sie ihn entdeckte. Er war kurz vor Sonnenaufgang hier eingetroffen und wartete seit dem auf Kageshi. Er hatte sie erblickt und war auf sie zugegangen, froh darüber, das verschwundene Mädchen gefunden zu haben. Als sie ihr Schwert zog, wich er zurück. Aber irgendetwas in ihren Augen ließ ihn nachdenklich werden. Konnte das wirklich sein? Er stieg in das Wasser, um sich ihr zu nähern. Kara wollte nach hinten zurückweichen, doch hatte sie die Bäume und Felsen vergessen, über welche sie geklettert war. Würde sie sich umdrehen, um erneut über diese zu klettern, gäbe sie ihm Gelegenheit an sie heranzukommen und sie anzugreifen. Er hatte zwar sein Schwert nicht gezogen, dennoch war sie lieber vorsichtig. Und Angriff ist ja bekanntlich die beste Verteidigung. Also stieg auch sie ins Wasser und blickte ihn prüfend an. Ein unbändiges Gefühl der Gewissheit überkam ihn. Endlich! Als er auf sie zuging, erhob sie ihr Schwert. Er versuchte sich ihr weiterhin zu nähern, aber da er sie in keinster Weise ansrpach, griff sie ihn an. Noch immer überwältigt von der Gewissheit, konnte er sie nicht ansprechen, er wich einfach jedem ihrer Schläge aus und wartete den richtigen Zeitpunkt ab, sie müsste ihm nur einmal die Gelegenheit geben, nur einmal ihre Deckung blostellen. Inzwischen waren beide bis auf die Knochen durchnässt, ihr Atem ging schwer. Mit einem plötzlichen Angriff, wollte sie ihn zu Fall bringen, doch bot sie ihm genau in diesem Moment das, worauf er schon gewartet hatte. Sie hob das Schwert gen Himmel und wollte sich auf ihn stürzen, doch er packte blitzschnell ihr rechtes Handgelenk, drückte es nach unten und zog sie zugleich an sich heran. Sein rechter Arm schnellte um ihre Hüfte und fixierte sie so, dass sie nun nicht mehr fliehen konnte. Noch ehe sich Kara versah, tat er das, was sie zuvor aus einer Laune heraus bei Raven getan hatte. Er küsste sie, einfach so, hier unter dem Wasserfall, inmitten des Waldes und ohne jedwede für sie erkenntliche Absicht. Sie stand einfach nur wie zu Stein erstarrt da und begriff nichts mehr. Sie hatte aus Angst die Augen zusammen gekniffen. Nun öffnete sie ein Stück und erkannte, dass er seine geschlossen hatte. Neben der plötzlichen Überraschung machte sich ein weiteres Gefühl in ihr breit. Irgendwie erschien ihr die Situation vertraut, aber nicht wegen der Sache mit Raven. Oder kam er ihr eher vertraut vor? Etwas in ihr sagte ihr, dass sie sich gehen lassen, den Augenblick und dieses Geschehen genießen sollte. Sie schloss die Augen wieder und versuchte jenes Gefühl zu ergründen und zu verstehen, warum sie nicht im geringsten das Bedürfnis verspürte, sich gegen ihn zu wehren. Und das nicht nur, weil er verdammt gut küssen konnte. Etwas zerschnitt die Luft. Kara war zuerst so benommen von all dem, das sie eine Weile brauchte, um die Situation zu begreifen. Dann entdeckte sie eine Frau am Ufer. Kageshi war nach Mondaufgang weitergezogen, zuerst wollte sie zwar den Morgen abwarten, doch nach und nach war das Mondlicht stark genug gewesen, um die Spuren zu erkennen. Gerade als die Sonnenstrahlen über den Horizont drangen, hatte sie den Baumstamm gefunden, auf welchem Kara zuerst verharrt hatte. Sie entdeckte noch andere Spuren und sah sich um. Gewiss über ihre Anwesenheit, sank sie auf die Knie und senkte ihren Kopf. "Verzeiht mein Eindringen, ich suche das Mädchen, dass sich heute Nacht hier aufgehalten hat." "Erhebe dich, Schattentod." die Stimme klang sanft und dennoch fest. Aus dem Stamm eines Baumes löste sich der Körper einer wunderschönen Frau. Sie war von Kopf bis Fuß von glänzendem Grün, ihre Haare wirkten wie kräftige Lianen. Ihre Augen schimmerten braungrün. Sie blickte die junge Frau auffordernd an. Kageshi erhob sich und hielt den Blick weiterhin ehrerbietend gesenkt. "Das Mädchen war vorhin noch hier, wir hatten uns heute Nacht ihrer angenommen. Was will eine Kopfgeldjägerin von ihr?" Kageshi blickte nun die Nymphe an. "Raven schickt mich, sie ist die Dolchträgerin, sie war verschwunden und er machte sich Sorgen, so sollte ich sie zurückbringen." Beim Klang von Ravens Namen erhellte sich das Gesicht der Nymphe. Für sie war es gerade einmal wenige Tage her, dass eine ihrer Schwestern ihm begegnet war, dass Kageshi zusammen mit den anderen ihr Land betreten hatten, um es zu verteidigen. "Dann ging diese Aura also nicht von dem Mädchen, sondern von dem Dolch aus." Kageshi nickte. "Sie ist zum Wasserfall gegangen, mehr kann ich dir nicht sagen.", die Nymphe verschwand wieder in ihrem Baum. Kageshi machte sich auf den Weg, in dem Wissen, dass es nun nicht mehr lange dauern würde, bis sie das Mädchen finden würde. Die Spuren zu ihren Füßen waren noch frisch, sie konnte nicht unweit von ihr sein. Als sie den Wasserfall erreichte, wagte sie es nicht ihren Augen zu trauen. "Corazon!", ihre Stimme schien die Luft zu zerschneiden. Er löste sich langsam von Kara und drehte sich um. Mental machte er sich schonmal auf ein Donnerwetter gefasst. Er wusste genau, dass er nun nicht mit Kageshi reden könnte, sie würde ihm garnicht zuhören, sondern ihn einfach nur eine Standpauke halten. "Ich fasse es nicht, ich fasse es einfach nicht! Wir sollten das Mädchen finden und nicht verführen! Geht denn nichts was ich dir sage in deinen Schädel hinein?", ihre Stimme bebte voller Zorn. Kara blickte nur verdutzt von einem zum anderen. Aus der Haltung der beiden hatte Kageshi schließen können, dass Corazon den Kuss forciert hatte. Er hielt noch immer ihr rechtes Handgelenk umschlossen, so dass sie ihr Schwert nicht gegen ihn richten konnte und sein rechter Arm fixierte noch immer ihre Hüfte. Kageshi war kurz davor zu explodieren. Das plötzliche Gelächter hinter ihr ließ sie zusammenzucken. Die anderen Männer, die auch losgeschickt worden waren, um Kara zu suchen, waren Kageshi gefolgt und hatten nicht wie sie eine Rast eingelegt, sondern waren die komplette Nacht durchmaschiert, um sie zu finden. "Das ist mal wieder typisch von ihm, erst ist er wochenlang nicht zu sehen und dann verschafft er sich so einen Auftritt.", der Mann winkte blos ab, während sich die anderen die Bäuche vor Lachen halten mussten. Und Kageshis Wut schien sie noch mehr zum Lachen zu bringen. Der eine legte ihr beschwichtigend die Hand auf die Schulter und blickte zu Corazon. "Wollt ihr nicht langsam mal da raus kommen? Das Wasser muss doch eiskalt sein." Corazon konnte sich das Grinsen nicht verkneifen und löste endlich seinen Griff von Kara. Diese stapfte trotzig ans Ufer und kletterte über die Felsen. Einer der Männer half ihr herauf und nahm ihr vorerst ihr Schwert ab. "Raven hatte wirklich recht, Wirbelwind ist eine Untertreibung!", er tätschelte Karas Kopf und sie hätte sich am liebsten ihr Schwert geschnappt und dem "Herrn" mal etwas Benehmen beigebracht. Anscheinend hatte Kageshi ihre Gedanken gelesen und verpasste dem Kerl einen kräftigen Schlag mit der Handkante in den Nacken. Der Schlag war zwar hart, dennoch sanft genug, um ihn nicht bewusstlos zu Boden gehen zu lassen. "Schau mich jetzt blos nicht vorwurfsvoll an, dann verpasse ich dir gleich noch eine.", sie funkelte ihn böse an, "Hier hat wohl keine von euch eine Ahnung davon, wie man mit einer Frau umzugehen hat und der schlimmste steht da drüben!", sie deutete auf Corazon, der inzwischen ans Ufer geklettert war. Er lächelte Kara etwas unsicher an und bewegte sich gebeugt auf alle zu, sich sicher darüber, dass er gleich einen Kinnhaken von Kageshi ernten würde. Einer der Männer war zu ihren Pferden geeilt und hatte für Kara und ihn Decken geholt, wovon er eine ihm zuwarf und die andere um Karas Schultern legte. Sie bedankte sich bei ihm und wickelte sich darin ein. Kageshi trat zu ihr und legte einen Arm um ihre Schultern, um sie zu den Pferden zu führen. "Raven hat sich Sorgen um dich gemacht...", ihre Stimme klang unsagbar sanft, kein Vergleich zum Tonfall zuvor. Die Tatsache, dass er sich um sie sorgte, lies Kara erröten und ihr wurde seltsam warm. Etwas in ihr freute sich unbeschreiblich darüber. Kageshi half ihr aufs Pferd und stieg danach selbst auf eines. Die anderen waren nun auch aufgestiegen und bildeten eine kleine Eskorte um Kara. Zu Pferd würde der Rückweg nun nicht mehr allzulange dauern und sie hatte nun jemanden, der den Weg kannte. Nur dieser Junge, Corazon... irgendwie bereitete er ihr Kopfzerbrechen. Erst küsst er sie einfach so und dann ritt er schweigend hinter ihr. Sein Gesicht wirkte ausdruckslos. Auch er hatte vernommen, was Kageshi ihr gesagt hatte. Nicht schon wieder. Immer Raven, wieso immer er? Er hatte gehofft, dass er sie dieses Mal zuerst treffen würde und das sie sich nur an ihn erinnern würde. Aber anscheinend war sie wieder ihm zuerst begegnet, vielleicht würde sie sich garnicht daran erinnern, was damals alles geschehen war. Jedenfalls schienen Kageshis Worte sie in Aufregung zu versetzen. Ihre Augen leuchteten, als sein Name fiel. In seinem Herzen breitete sich ein stechender Schmerz aus. Er wollte sie nicht schon wieder an ihn verlieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)