Adlerschwingen von vigorous_spring ================================================================================ Prolog: -------- Ich sitze hier an meinem Schreibtisch, neben mir im Bett wird ein junger Mann vom Licht einer Kerze beschienen, der ruhig schläft. Seit etlichen Minuten betrachte ich das friedliche Gesicht, kann mich einfach nicht davon losreißen und starre kurz darauf doch wieder auf das Blatt Papier, bis auf diese Worte makellos wie eine unberührte Blüte. Seit einer Stunde versuche ich meine Gefühle bezügliches meines Sohnes, der wie gesagt neben mir schläft, nieder zu schreiben, doch es gelingt mir nicht. Meine Gefühle sind zu komplex, als dass Worte sie beschreiben könnten und 'Liebe' genügt nicht. Deshalb schreibe ich nun meine Gedanken auf, in der Hoffnung, dass dies hilfreicher sein möge. Der Name meines Sohnes lautet Connor. Jedenfalls ist dies ein Name, den er sich hat geben lassen, da die allgemeine englische Zunge kaum in der Lage war seinen Geburtsnamen richtig auszusprechen. Ich werde ihn dennoch aufschreiben, damit er nicht in Vergessenheit gerät: Rathonhaké:ton. Das bedeutet so viel wie 'Leben voller Schrammen'. Recht traurig und ich frage mich, was seine Mutter sich damals dabei dachte, ob sie etwas über seine Zukunft gewusst hatte. Nun, jetzt kann ich sie nicht mehr fragen, sie ist bereits tot. Dass ich jetzt keine Träne vergieße mag herzlos erscheinen, doch muss ich für meine Erklärung weiter ausholen... Es war im Winter 1753, Haytham Kenway streifte durch den Wald und kämpfte gegen die Schneedecke an, die ihn am weitergehen hindern wollte und ihn bis über die Knie ging. Doch der Templer war hartnäckig und ließ sich nicht von nassen Socken beirren, auch wenn ihm wahrlich danach war. Zu jener Zeit war er zwar vergrämt, doch die Suche nach dem Schlüssel zu den Antworten seiner Fragen nahm sein gesamtes Denken ein, ebenso wie der Gedanke sich mit den Mohawk zusammenzuschließen. Er war sich bewusst, dass dies lange dauern würde und das tat es auch - Monate vergingen, ehe er ihr Vertrauen gewann. Und überdies Ziios Herz, oder wenigstens einen Teil davon. Er bemerkte nämlich recht schnell, dass eine Squaw nie ihre Gefühle in ihrer Gänze preisgibt, sondern immer einen Teil zurückhielt. Sie war unnahbar, gar kalt und pragmatisch. Er hatte sie kennen gelernt, als er sie befreit hatte und hätte sich erhofft, dass die schöne Frau mehr Dankbarkeit zeigte, doch seine Hoffnung war schnell versiegt. Außer der Bettstatt teilten die zwei unterschiedlichen Menschen nichts und Ziio jagte ihm davon, als sie sich von ihm verraten fühlte. So einfach war das für sie und damit war die schöne Squaw aus Haythams Leben getreten, der sich nie sicher war, ob sie ihn jemals wirklich geliebt hatte. So vergingen die Jahre und er dachte oft an sie, ohne sich jemals wirklich nach ihr zu sehnen. Nicht aus tiefstem Herzen. Haytham nahm ihren Verlust hin wie einen Schlag, der mit der Zeit nicht mehr schmerzte. Er fragte sich nur oft, wie sein Leben verlaufen wäre, wäre er bei ihr geblieben. Doch vergaß er sie beinahe, wäre da nicht diese eine Begegnung gewesen... Kapitel 1: Kollision -------------------- Connor saß am Kai des Hafens von Boston, ließ die Füße gen Wasser baumeln, die es natürlich nicht erreichten und beobachtete die kleinen Fische, die unter ihm entlangflitzten. Er war gerade achtzehn Jahre alt geworden, fühlte sich aber dank Achilles' Art manchmal wie gerade erst vierzehn. Sein Lehrmeister war streng und ließ ihn oft genug spüren, dass er seiner Meinung nach noch grün hinter den Ohren war und sein Gewand noch nicht verdiente. Allerdings wusste Connor, dass es nicht mehr lange dauern konnte, Achilles hatte nämlich immer weniger auszusetzen und wenn, dann waren es nur Kleinigkeiten die er zu bemängeln hatte. Schließlich hob er den Kopf und sah den Männern zu, die von einem großen, frisch angelegten Schiff an Land gingen. Er strich sich eine Strähne schwarzen Haars aus der Stirn und stand auf, um sie sich näher anzusehen. Die meisten von ihnen sahen wie die üblichen Seemänner aus, doch einer unter ihnen stach besonders heraus, was vor allem an der sauberen Kleidung und dem Dreispitz liegen mochte. Er sah fein hergerichtet aus, sehr britisch und so, als sollte man sich ihm besser nicht in den Weg stellen. Connor, der diesem vernünftigen Gedanken folgen wollte, drehte sich um, als ein Mann etwas rief und damit seine Aufmerksamkeit erregte "Master Kenway!" Den Rest des Satzes hörte der junge Mohawk schon nicht mehr, er hatte sich wie in Zeitlupe umgedreht und starrte den Mann, dem er eigentlich noch eben hatte aus dem Weg gehen wollen, mit großen Augen an. Kenway. Sein Name war auch Kenway. Erstarrt suchte Connor nach Ähnlichkeiten und vergaß dabei völlig, dass er dem feinen Briten im Weg stand und Haytham immer näher kam. Jedenfalls nahm er an, dass dies Haytham war, seine Mutter hatte ihm seinen Namen genannt... "Geh beiseite, Junge." Connors Mund stand einen winzigen Spalt weit offen und als er dies bemerkte schloss er diesen flugs, rührte sich aber immer noch nicht von der Stelle. Haytham war überraschend groß, er hatte ihn sich tatsächlich kleiner vorgestellt, obwohl er selbst hoch gewachsen war. Nun richtete der Mann, von dem er wusste, dass er sein Vater war, seine Aufmerksamkeit auf ihn. Sein Blick heftete sich zuerst auf die Kleidung des Jüngeren und anschließend auf sein Gesicht. Connor senkte schnell den Blick, aus Furcht davor, dass Haytham Ähnlichkeiten fand und fühlte sich mit einem Mal noch viel grüner hinter den Ohren als Achilles ihm weismachen wollte. "Entschuldigung, Mister Kenway..." Er hatte keine Ahnung von englischem Benehmen, weshalb er sich beiseite stellte, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Wäre dieser Mann nicht ausgerechnet sein Vater, so würde er sich auch nicht benehmen wie ein unterwürfiger Hund, jetzt jedoch blieb ihm keine Wahl, da ihm seine Anonymität vor ihm sehr wichtig war. Allerdings schien das Kind bereits in den Brunnen gefallen zu sein, was ihn nicht besonders wunderte, war er doch im Gegensatz zum Rest der Bostoner wie ein Wilder gekleidet. Haytham jedenfalls schien jetzt erst durch das Verhalten des Mohawk wirklich auf diesen aufmerksam zu werden und musterte ihn gänzlich. Connor versuchte sich noch abzuwenden und zu verschwinden, doch der Templer war schneller und griff nach seinem Arm, den er überraschend fest hielt - womöglich weil er wusste, dass dieser 'Wilde' sich zu wehren wusste? Sofort traf den Älteren auch ein höchst unwilliger Blick, denn der Indianer wurde nicht gern berührt und schon gar nicht festgehalten. Haytham interessierte dies herzlich wenig und festigte seinen Griff eher noch "Kenne ich dich von irgendwo her?" fragte er misstrauisch, während sein Blick über das Gesicht des Jüngeren huschte und sich zunehmend verfinsterte. Dieser Bursche sah einer gewissen Person recht ähnlich und zudem erinnerte ihn dieses junge, sture Gesicht viel zu sehr an sein eigenes vor etlichen Jahren. Nun, völlig unmöglich war es nicht, dass die Squaw von damals ein Kind von ihm bekommen hatte, aber Hayhams Stolz sträubte sich noch vehement gegen diese Vorstellung. Ein Bastard war definitiv nicht geplant gewesen. Überhaupt einen Nachkommen zu zeugen war weniger noch als nebensächlich... Erst nach gegenseitigem taxieren antwortete Connor "Nicht dass ich wüsste. Lasst mich los!" Nun versuchte er sich durch ein paar sture und heftige Armbewegungen zu befreien, jedoch ohne Erfolg, was ein böses Funkeln seiner Augen zur Folge hatte. Er hatte nicht vor seinen Vater hier und jetzt zu ermorden, weil er nicht wusste, ob sie nicht doch auf eine Ebene kommen konnten ohne sich gegenseitig an die Kehle zu wollen und auch weil er sich nicht sicher war, ob er sich mit Haytham messen konnte. Dieser zeigte nun ein seichtes, arrogantes Lächeln, als er auf den Jüngeren hinabblickte "Ich glaube nicht, dass ich dies tun werde." Grob zog der Ältere ihn aus dem Mittelpunkt und stieß ihn so heftig gegen die Wand einer Hafentaverne und drückte ihm den Unterarm fest auf die Kehle, dass Connor einen Moment die Luft weg blieb, allerdings noch ohne ihm ernstlich weh zu tun. "Sag mir, wer du bist." Die Tonlage ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass es sich dabei um einen Befehl handelte und Connor überlegte nur einen kurzen Moment, sich zu widersetzen "Connor." Haytham drückte ihn ruckartig noch einmal gegen die Wand "Connor und weiter?" Etwas meldete sich in seinem Hinterkopf bei diesem Namen, allerdings konnte er nicht zuordnen woher dieses Gefühl kam und er gab es nach wenigen Momenten auf, in seinem Gedächtnis danach zu suchen, wenn er die Antwort viel einfacher haben konnte. Connor schien nicht sonderlich erpicht darauf zu sein zu antworten, der Unterarm an seiner Kehle allerdings ließ ihn seine Meinung noch einmal überdenken "Connor Kenway." Absichtlich stieß er die Antwort eher knurrend heraus, was nichts an der Tatsache änderte, dass Haytham ihn sehr gut verstand. Kurz ließ der Druck seines Armes nach und ein erstaunter Ausdruck huschte über das Gesicht des Älteren "Erstaunlich. Jedoch nichts, was mich sonderlich interessiert. Viel eher möchte ich wissen, wieso mein eigener Sohn-" der verächtliche Ausdruck der im Gesicht des Älteren zu sehen war und seinen Mundwinkel spöttisch in die Höhe wandern ließ, war unübersehbar "-in der Stadt zu suchen hat. In diesem Aufzug." Haytham regte Connor bereits jetzt auf. Arrogant. Snobistisch. So typisch britisch, dass er bei dessen Akzent leichte Aggressionen in sich aufsteigen spürte - oder bildete er sich dies nur ein weil er alles andere als unvoreingenommen war? Schon möglich, Tatsache war jedoch dass sein Vater ihn wütend machte und er den Körperkontakt sofort unterbrechen wollte, weshalb er sich jetzt auch zu wehren begann. Haytham ließ dies nur zu und ließ los, weil ihm danach war und nicht, weil der kleine Wilde, der sich seinen Sohn schimpfte, sonderlich stark wäre. Connor kannte die spöttischen Blicke der feinen Herrn und sie hatten ihn mit der Zeit immer weniger interessiert. Die seines Vaters machten ihn allerdings gereizter als er wollte und er zögerte sichtlich mit dem geplanten flüchten, bevor er sich vom affektierten Blick des Älteren löste und um die nächste Ecke huschte, um so viel Abstand zwischen sie brachte wie möglich. Haytham blickte ihm hinterher. Sein Sohn. Er würde lügen, wenn er behauptete, er wäre gefasst auf eine solche Situation gewesen, doch er war sich sicher, dass er Connor bald wieder sehen würde. Er ließ ihn für heute gehen, da er die Begegnung noch verarbeiten und darüber nachdenken musste, dass er einen Sohn hatte, der fast schon ein erwachsener Mann war. Er wandte sich um und kehrte auf die Hauptstraße zurück, wo bereits ein Pferd auf ihn wartete, mit dem er zur Green Dragon Taverne reiten konnte. Die Straßen waren so wirr wie eh und je, daran hatten auch die Jahre der Abwesenheit nichts geändert und die Menschen waren genau so uneinsichtig was das ausweichen anging wie zuvor. Und genau so wie zuvor scherte Haytham sich nicht darum und ritt ungerührt durch die Menge, die sich im letzten Moment schimpfend teilte. Er hatte andere Sorgen als ärgerliche Waschweiber und Herumtreiber, die sich seinetwegen aufregten, immerhin war er nicht umsonst zurück nach Bosten gekommen und hatte zu allem Überfluss von einem Sohn erfahren. Automatisch machte er sich Gedanken um Ziio. Connor sah so aus, als wäre er bei seinem Volk aufgewachsen, der Kleidung und den Federn in seinem Haar nach zu urteilen. Wahrscheinlich auch bei seiner Mutter... Die Frage war dann nur, was er hier in der Stadt zu suchen hatte, so weit entfernt von seinem Dorf. Ein wenig genervt darüber, dass er ihn nicht deshalb befragt hatte stieg Haytham von seinem Pferd, das vor der Taverne stehen blieb, und betrat das kleine Gasthaus. Der letzte Besuch war bereits eine Weile her und er hatte im Grunde auch nie vorgehabt, überhaupt noch einmal zurück zu kehren. Allerdings war Charles Lee der hartnäckigste Verbündete, den er je erlebt hatte, auch wenn seine Loyalität ihm gegenüber deutlich abgenommen hatte. Haytham erinnerte sich gut an den eifrigen Mann von damals, der unbedingt wollte, dass er ihm gefiel und sich gleichzeitig um andere Personen einen Dreck scherte. Deshalb hatte er Charles gegenüber nie seine volle Sympathie gezeigt und die Briefe die sie einander geschrieben hatten, waren eher kühler Natur gewesen. In letzter Zeit hatte er Haytham nur immer öfter gedrängt sich mit ihm zu treffen, weshalb er nun wieder hier war und sich nach Charles umsah. Connor indes war inzwischen mit stechenden Lungen am anderen Ende der Stadt stehen geblieben und blickte sich ein letztes mal leicht gehetzt um, ehe er endlich sicher war dass sein Vater ihn tatsächlich nicht verfolgen würde. Ihm war aber klar, dass dies nicht die letzte Begegnung sein würde. Und wenn er richtig dachte, war er bis dahin bereits Assassine und damit kein Freund des Ordens dem Haytham angehörte. Die Zeit würde zeigen, ob dies das Todesurteil für eine neutrale Beziehung zwischen ihnen war. Konfrontationen würden kaum zu vermeiden sein. Ruhig und mit entspannterer Atmung begann Connor den Weg zurück zu gehen, immerhin war er nicht zum Spaß in Boston gewesen, sondern musste Besorgungen für Achilles erledigen und würde erst morgen wieder abreisen. So lange kam er in einem Gasthaus unter, welches er schon an dem Tag kennen gelernt hatte, als er seinen alten Namen gegen Connor eintauschen hatte müssen. Deutlich langsamer trottete der Mohawk die Straßen zurück gen Hafen, mit einem dumpfen unguten Gefühl, dass dies der erste Schritt in die falsche Richtung war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)