Memories von HellmotherEva ================================================================================ Kapitel 1: Bauernhofkätzchen ---------------------------- „So, wenn meine Berechnungen stimmen, dann müsste das Bällchen direkt auf den Pfannenhenkel fallen und der Schinken würde dann auf den Boden fallen.“, das graugetigerte Kätzchen sah voller Stolz zu seiner Schwester, die sich gerade ihr flauschiges Fell putzte und eher desinteressiert zu ihrem Bruder sah, der wild in der Luft herumfuchtelte und anscheinend gerade irgendwelche seltsamen physikalisch-mathematischen Fakten berechnet hatte. „Ach Grimm, ich glaub nicht das wir das tun sollten.“, meinte Grizabella abwehrend. Sie wollte sich keinen Ärger einhandeln. „Ja, was wäre eigentlich wenn Cooper uns erwischt? Oder noch viel schlimmer: Mama?“, hakte Minushka nach. „Ihr seid doch alle voll die Weicheier“, mauzte Grimm entmutigt „Ihr wisst eben nichts von Physik! Das wird ganz sicher klappen!“ „Aber du?“ Überzeugung war was anderes. „Ja! Ich hab mir schließlich ganz viel Mühe gegeben! Und jetzt lasst mich mal machen. Und mal ganz im ernst, was haben wir von Cooper schon zu befürchten? Die Zeit, die der zum Aufstehen braucht, in der haben wir schon dreimal den Hof überquert. Und jetzt sollten wir uns beeilen, solange Nadica den Bauern ablenkt haben wir Zeit.“ „Aber-“ Doch Minushkas Einwand, was auch immer das für einer werden sollte, hatte leider keine Chance gegen Grimms Tatendrang und das Bedürfnis es seinen Schwestern richtig zu zeigen. „Grimm, nein!“, rief Grizabella erschrocken aus, doch jegliche Bemühungen ihren Bruder von dieser Dummheit abzuhalten, war nutzlos, als er sich mit beiden Vorderpfötchen auf das Ende des Löffels stemmte und das Bällchen, welches auf dem Löffel lag, in hohem Bogen auf die Herdplatte, welche gegenüber des Tisches, auf dem die drei Kätzchen saßen, beförderte. „Ohneinohneinohneinohneinohnein!“, jammerten Minushka und Grizabella im Chor, während sie hilflos beobachten mussten, wie der Ball gegen die Pfanne auf dem Herd krachte und jene mit einem laufen Poltern noch weiter nach hinten auf den Herd geschoben wurde. Der krach alarmierte auch eine gewisse Bäuerin und einen Hund. „Wow, SUPER! Und wie geht dein Masterplan weiter?“, fauchte Grizabella ihren Bruder nun an. „Oh… So war das nicht geplant…“ Merklich beschämt senkte Grimm den Blick und starrte auf seine kleinen Pfötchen, die er beschämt übereinander legte. „Was sitzt ihr noch dumm rum? Kommt schon!“, forderte Grizabella und war mit den Vorderpfötchen bereits auf dem Fensterbrett über dem Küchentisch, welches sie und ihre Geschwister in Sicherheit bringen würde. Doch zu spät. Cooper, ein alter, hinkender Berner Sennenhund-Mix humpelte bellend in die Küche, gefolgt von der Bäuerin des Gehöfts. „Oh nein“, rief sie und schob Cooper zur Seite „Ihr Armen, was ist denn mit der Pfanne passiert? Oh nein, ihr Süßen, hat sich einer von euch etwa die Pfoten verbrannt?“ So schnell wie die Bäuerin Grizabella am Kragen gepackt hatte und sich jedes ihrer vier Pfötchen genau anschaute, konnte das flauschige Kätzchen gar nicht reagieren. „Hm, und ihr zwei?“ Grizabella wurde nach einigen Sekunden wieder auf den Tisch gesetzt und Grimm und Minushka mussten sich die Pfoten auch noch mal anschauen lassen. Nicht dass sie es nicht mochten auf den Arm genommen zu werden, aber ihre Lieblingsbeschäftigung war es nicht grade. Cooper hatte sich inzwischen verzogen. Er kannte Katzen doch. Sie bekamen nie Ärger, egal was für einen Mist sie taten. Und die Kleinen erst recht nicht. „Hm… Gut, euch geht es gut… Aber jetzt runter vom Tisch.“, verlangte die Bäuerin und setzte die drei zu Boden und verließ die Küche wieder. Sie erwartete wohl noch besuch, denn sie ging in den Keller, wo sie noch mehr Essen lagerten. „Toll Grimm“, zischte Minushka und sträubte das Nackenfell „Das hast du ja toll gemacht! Wie war das mit „Oh, wir werden jetzt drei Monate alt, kommt, machen wir uns selbst ein Geschenk und essen Schinken“?! Du bist so ein Idiot!“ „Hey, Mina, nun komm schon, ich wusste ja nicht dass es so schief läuft.“, versuchte Grimm sich zu verteidigen. „Ach, du bist doch so ein richtiger, blöder, großkotziger Angeber! Ich gehe, Nadica will bestimmt wissen warum nichts aus unserem Geburtstagsschinken geworden ist!“ „Ja, genau, geh doch endlich!“, schrie Grimm ihr hinterher und stampfte eingeschnappt in die entgegengesetzte Richtung, aus der Küchentür hinaus in den Hof. Wahrscheinlich würde er sich jetzt auf den Heuboden trollen und ein paar Mäuschen auflauern, so wie er es immer tat wenn er sich mit einer seiner Schwestern gestritten hatte. Vor allem Minushka. Die beiden stritten doch dauernd. Nie konnten sie sich mal vertragen, immer hörte man irgendeinen der zweien fauchen. Grizabella gefiel das nicht mal ansatzweise, aber sie hatte schon längst aufgehört auch nur zu versuchen einen auf Streitschlichter. Es war sinnlos mit den zweien, das hatte selbst ihre Mutter Sonja, begriffen. Und so endete Grizabella mal wieder alleine in der Küche. Hach, sie liebte die Küche ja eigentlich, wenn sie ganz lieb an den Füßen der Bäuerin entlangfuhr bekam sie manchmal die tollsten Leckereien! Generell waren Menschen toll, außer sie störten dich beim spielen mit deinen Geschwistern… Aber ansonsten… Menschen sind super! Währenddessen beobachtete Sonja, die Mutter der vier jungen Katzen, ihren Nachwuchs von einem hohen Regal aus. Sie hatte gesehen wie Grimm das Haus verlassen hatte und die arme, kleine Grizabella einfach hatte stehen lassen. Armes Ding. Was waren Grimm und Minushka auch immer so verstritten? Vielleicht würde es das Beste sein wenn sie voneinander getrennt werden würden und ein eigenes zu Hause bekommen würden. Und wenn dieses nicht ganz so weit weg sein würde, wer weiß, vielleicht würden sie ihre alte Mutter mal besuchen kommen. Es war ja nicht so als ob es ihr erster Wurf war. Doch sie musste sagen, dass sie ganz gute Erfahrungen mit dieser Junge-weggeb-Sache gemacht hatte. Bisher hatte sie ziemlich viele ihrer Jungen wiedergesehen, eben weil sie so nah bei ihr wohnten. Nur die wenigstens waren wirklich so weit weg gezogen, dass ein Besuch unmöglich war. Aber Sonja erinnerte sich noch an jedes einzelne von ihnen und sie alle hatten einen ganz besonderen Platz in ihrem Herzen gewonnen. Jedes von ihnen war einzigartig gewesen und dafür hatte sie sie geliebt. Dass man sie ihr ab einem gewissen Alter wegnahm fand sie zwar nicht toll, aber andererseits war es so besser als dass sie auf der Straße endeten, mit niemandem um sich als sich selbst. Lieber ein sicheres Heim mit regelmäßigen Fütterungszeiten, als dass man sich das Futter selbst erarbeiten muss. Sie hatte sich mal auf einem ihrer Streifzüge ein bisschen verirrt und musste fast zwei Tage in Feld und Flur übernachten. Und ganz ehrlich, das war nicht grad witzig gewesen. Sie wusste also wovon sie sprach. Ihr Blick glitt weg von Grizabella, zu Minushka und Nadica, die miteinander spielten. Man sah bei den Schwestern ganz deutlich Sonjas Gene, immerhin waren alle beide Schildpattfarben. Grizabella und Grimm hingegen kamen mehr nach ihrem Vater, einer einzigen graugetigerten Flauschkugel. Primus hieß der Gute. Sonja schwärmte sehr für ihn und als sie ihm in der Nacht begegnet war, hatte sie die Möglichkeit nur zu gern am Schopf gepackt. Sonja selbst hatte ein kurzes Fell, doch durch Primus würden ihre Jungen die Ehre haben, sich ihr Leben lang mit verdammt viel Pelz herumschlagen zu dürfen. Sonja war froh dass sie endlich in einem Alter angekommen waren, in dem es „eklig“ war, sich von seiner Mutter putzen zu lassen. Es war immer eine Tortur für sie gewesen diese vier Flauschkugeln zu säubern. Ganz besonders hatte es Grizabella getroffen, sie war eine einzige, wandelnde Klobürste. Aber eine unfassbar schöne, flauschig-weiche Klobürste. Grizabella hatte diesen Spitznamen von ihren Geschwistern aufgehalst bekommen und manchmal ertappte Sonja sich dabei wie sie ihn selbst benutzte. Aber sie sagte das nicht lauft, versteht sich natürlich! Aber wenn ihre Jungen mal groß waren und tatsächlich etwas nach ihrem Vater kommen würden, auch wenn sie bezweifelte dass sie je an die Felllänge Primus‘ herankommen würden, dann würden sie sicherlich mal bezaubernd aussehen! „So, die Katzen sind dort… Oh, seh an, sie spielen grade.“ Die Bäuerin kam mit einer Sonja fremden Frau, welche ein etwa vier Jahre altes Mädchen an der Hand hatte, in das Wohnzimmer gelaufen. „Also wir haben die zwei, dann noch die kleine die da in der Küche…“ Die Bäuerin, eine bereits ältere Dame, setzte sich ihre Brille auf, da sie nicht ganz glauben konnte was sie da sah „… Äh, ja, die starrt grade gegen die Wand… Hm… oder den Boden? Egal, jedenfalls sind das alles die weiblichen Katzen. Der Kater ist wahrscheinlich irgendwo auf dem Hof. Er sieht aus wie die Kleine in der Küche, nur etwas größer und heller.“, erklärte sie. „Und sind sie schon kastriert?“, fragte die Mutter des Mädchens. Sonja lachte. Kastration. Musste wohl ein Stadtmensch sein, hier auf dem Land dachte niemand darüber nach seine Katzen zu kastrieren, auch wenn Sonja es nicht schlimm oder so fand. „Nein, geimpft ist auch nur die Mutter.“ Ih, Impfungen! Sonja hasse den Tierarzt, aber sie war dort so selten… Also ging das ja. „Okay… Wir wollen sie uns ja nur mal ansehen… Schatz, komm, wir schauen mal ob uns eine von denen gefällt und wenn ja, dann schauen wir mal, ja?“ Das kleine Mädchen strahlte über das ganze Gesicht, doch Sonja war unsicher. Kleine Kinder und Katzen? Oh je… „Und denk dran, du musst ganz lieb sein, versprochen?“ Das kleine Mädchen nickte wieder und setzte sich neben die beiden spielenden Kätzchen. Grizabella wurde ignoriert. „Hallo Rainbow Dash!“, begrüßte die Kleine die spielenden Kätzchen. Rainbow Dash? Mit so einem Namen war noch niemand aufgetaucht, das häufigste war „Kitty“ gewesen. Aber gut, Rainbow Dash… Regenbogen, passte doch zu Minushka und Nadica, waren immerhin Schildpattkatzen. Sonja beobachtete die Kleine mit Argusaugen dabei, wie sie Nadica, die devotere der beiden Schwestern, unter der Brust zu fassen bekam und sie sich in den Schoß setzte. Okay, sie wusste schon mal wie sie eine Katze anfassen musste, das war gut für ein Mädchen ihres Alters. Auch das Streicheln der Katze verlief sehr gut. Dieses Mädchen war sehr sanft und nicht so patschig, egal wie sehr Nadica versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Dieses Mädchen, das musste Sonja ihr lassen, war ein Vorzeigekind. Sie hatte schon viele Kinder gesehen die ziemlich grob waren, hier war das glücklicherweise anders. „Na Amanda, was sagst du dazu? Magst du das Kätzchen?“, fragte ihre Mutter sie nun und nahm Nadica ebenfalls auf den Arm. „Ja, die ist toll! Ich will sie haben!“ „Aber du hast doch die anderen Kätzchen noch gar nicht auf dem Arm gehabt.“, wand ihre Mutter ein und setzte Nadica wieder auf dem Boden ab. „Aber ich will ein Kätzchen was so aussieht. So wie die Mama.“ Sie zeigte aus Sonja, die immer noch aus dem Schrank thronte. „Also da hätten wir nur noch die Kleine da hinten.“, meinte die Bäuerin und zeigte auf Minushka, die sich, nachdem sie und ihre Schwester gnadenlos aus ihrem Spiel gerissen wurden, dem Zipfel eines Teppichs gewidmet hatte und sich mit diesem beschäftigte. „Warte Liebes, ich hol sie dir.“ Und ehe Minushka sich versah befand sie sich im Schoß des fremden Mädchens. „Haha, die sieht auch aus wie eine Rainbow Dash. Ich glaub ich will beide.“ „Nana, nicht so schnell“, lachte die Mutter „Nur ein Kätzchen! Magst du dieses auch?“ „Ja, aber die davor war besser, die hier zerkratzt meine Hose.“ Das stimmte. Minushka war nicht das was Sonja einem kleinen Kind geben würde. „Aber davor schauen wir uns noch die Kleine da hinten an. Na, was meinst du?“ Die Mutter zeigte auf Grizabella, die noch immer wie ein verschüchtertes Häufchen Elend auf dem Küchenboden saß. „Nö.“ „Aber die ist flauschig. Du magst doch flauschige Katzen.“, versuchte ihre Mutter sie zu überreden. „Ja, aber die hier ist bunt. Die da hinten ist langweilig.“ Also bitte! KEINES von Sonjas Babys war langweilig! Grizabella war toll, genauso wie Grimm! Langweilig… Pah! „Also gut… Ich schau mir mal das zweite Kätzchen von grade eben noch mal an.“ Minushka wurde schon wieder hochgenommen, grade jetzt, wo sie sich dem töten eines Kissens widmen wollte! „Autsch! Du hast recht, die kratzt ja echt.“ „Ach nein, das ist nur der Spieltrieb, wenn sie älter werden legt sich das.“, versuchte die Bäuerin das Verhalten Minushkas herunterzuspielen. „Aber ich denke unsere Wahl ist bei ihr. Die kleine Schildpattfarbene mit mehr Weißanteil im Fell.“, meinte die Mutter. „Mama, nehmen wir sie jetzt gleich mit?“, fragte das Mädchen begeistert und nahm Nadica bereits hoffnungsvoll hoch. „Ach was, nein. Wir müssen doch erst noch für das Kätzchen einkaufen gehen und ihr ein schönes zu Hause machen. Man braucht ganz viel für so eine Katze und sie jetzt gleich mitzunehmen wäre gemein ihren Geschwistern gegenüber, die wären dann ja ganz unvorbereitet.“ Okay, das Letzte war eine Ausrede um Zeit zu schieben und sich zum eine millionsten Mal nochmals über Katzenhaltung zu informieren. Die Bäuerin lachte über letzte Bemerkung, erwiderte jedoch nichts. Gut, dann wäre Nadica reserviert. Sonja konnte es recht sein. Die Leute schienen nett und sie selbst hatte noch Zeit sich und vor allem ihre Tochter moralisch darauf vorzubereiten, dass sie bald zu neuen Leuten kommen würde. Na also, dieser Tag hatte also durchaus was gutes… auch wenn Grimm es NICHT geschafft hatte sich zum neuen Newton aufzuarbeiten. Sonja schmunzelte als Nadica und Minushka, kurz nachdem das Mädchen mit seiner Mutter den Raum verlassen hatte, wieder aufeinander losgingen, Grizabella noch immer völlig ignorierend. Hm, vielleicht sollte Sonja mal nach ihr sehen… Nur sicherheitshalber… „Grizabella… Schatz, was beobachtest du da?“ „Hörst du das nicht?“, fragte das Kätzchen seine Mutter. Sonja hielt inne und lauschte. Hm, was hörte sie? Das Mauzen von Minushka und Nadica als sie im Wohnzimmer spielten, gedämpfte Stimmen aus dem Flur, die Geräusche des Kühlschrankes, das Tropfen des Wasserhahns… Was faszinierte Grizabella denn nun so? „Was ist des denn, was dich so fasziniert, Schätzchen?“, fragte Sonja sie. „Ja das, dieses tropfen, von da oben… Was glaubst du ist das?“, fragte das graugetigerte Kätzchen und starrte ihrer Mutter voller Neugierde in die gelben Augen. Sonja starrte zurück. Grizabellas Augen hatten etwas unglaublich unschuldiges, denn im Gegensatz zu ihren Geschwistern waren Grizabellas Augen sehr dunkel, eine seltsame Mischung aus einer Art dunklem gelb und grün. Sonja schmunzelte jedoch bei ihrem Kommentar. Sie musste noch so viel entdecken. Das könnte sie auch, wenn sie ein bisschen mehr Mut zeigen würde. Irgendwie war Grizabella sehr zurückhaltend, fast schon schüchtern. Als sie klein war, hatte das Sonja nicht groß interessiert, aber irgendwie hatte sich das nicht groß gebessert. Nicht das sie das völlig überkathastrophal fand, aber wenn ihre Grizabella etwas mehr Selbstbewusstsein gehabt hätte, wäre das auch eine nette Sache gewesen. Sonja wusste ja nicht auf was für Katzen sie im Laufe ihres Lebens noch stoßen würde und etwas Selbstsicherheit war in gewissen Situationen durchaus hilfreich. „Das ist ein Wasserhahn, da wo unsere Menschen immer ihre Teller waschen.“, antwortete sie ihrer Tochter schließlich. „Oh... Aha…“ Grizabella stand auf „Okay… Ich schau mal nach Grimm… Oh, Mama.“ „Ja?“ „Wer waren eigentlich diese Menschen grad eben?“ „Oh, das erklär ich euch später. Schau lieber nach deinem Bruder und bring ihn mit wenn ihr wieder kommt.“, bat Sonja. Sie ahnte jedoch schon dass das eine Weile dauern würde, daher kuschelte sie sich auf das Kissen, welches auf dem Sessel lag. Kapitel 2: Geschwister ---------------------- „Grimm? Grimm! Komm raus, wo auch immer du bist! Ich weiß dass du hier bist und ich seh nicht ein Ärger zu bekommen, dafür, dass du nicht mitkommst! Mami will uns was sagen, also komm jetzt!“, rief Grizabella, als sie die Scheune betrat. Ein paar der Kühe, die auf dem Hof lebten, drehten kurz die Köpfe nach dem Kätzchen, doch widmeten sich schon bald wieder ihrem Futter. Grizabellas Bruder würde wahrscheinlich auf dem Heuboden nach Mäusen jagen oder er stand irgendwo hinter der nächsten Ecke und lauerte ihr auf. Doch Grizabella würde sich sicherlich nicht wieder mal erschrecken lassen! Diesmal nicht! „Grimm! Komm jetzt!“ Langsam wurde das Kätzchen ungeduldig. „VERDAMMT! Ich hasse dich!“, brüllte es von oben. „Redest du mit mir? Komm jetzt runter!“, befiehl Grizabella fauchend. „Ach, sei doch ruhig! Wegen deinem Gebrüll ist mir die Ratte entwischt!“ Grimm streckte seinen Kopf aus einem Loch im Heuboden, da wo die Leiter stand, auf der die Katzen sich immer nach oben kämpften. „Du und eine Ratte? Die sind doch fast so groß wie du! Als ob due je so eine töten könntest!“, giftete Grizabella zurück. Wenn ihr Bruder ihr blöd kam, bitte, sie konnte auch ganz doof kommen. „Aber du? Schau dich doch mal an, du bestehst doch zur Hälfte nur aus Fell!“ „Ach, aber du nicht?“, fauchte Grizabella und langsam spürte sie Tränen aufkommen, konnte sie jedoch erfolgreich zurückhalten. Ihr Bruder musste jetzt nicht seine ganze Wut an ihr auslassen, nur weil Minushka wieder mal blöd war! „Nö, DU bist doch unsere Klobürste!“ „Halt die Klappe!“ Langsam wurde Grizabella richtig sauer! „Pah! Also, was will Mama uns denn so wichtiges zeigen?“, fragte Grimm nun und kletterte etwas unvorsichtig die Leiter hinunter. „Grade eben waren ein paar fremde Leute zu Besuch und Mama wollte uns irgendwas dazu sagen. Komm einfach…“ Grizabellas Stimme war mit einem Mal sehr leise geworden, fast schon verschüchtert, irgendwie eingeschnappt wirkte sie. Die Geschwister überquerten eilig den Hof, wobei sie ein paar Hühner aufscheuchten und betraten das Haus durch die angelehnte Küchentür. In der Küche stand inzwischen die Bäuerin, welche den Herd sauber machte und verfütterte den restlichen Schinken, den eigentlich die Geschwister für sich haben wollten, kurzerhand an Cooper, welcher fast schon verachtend zu den Katzengeschwistern sah, während er gut sichtbar für die Kätzchen, den Schinken verspeiste. „Pah, das macht der doch absichtlich…“, murrte Grimm an seine Schwester gewandt und warf Cooper einen vernichtenden Blick zu. „Mhm.“, war alles was sie herausbrachte. Eigentlich war sie noch immer stinksauer, aber sie wollte nicht mehr Probleme machen als nötig. Sie wollte einfach keinen Streit, auch wenn sie die Bemerkung mit der Klobürste einfach nur fies fand und vor allem wusste er das auch ganz genau! „Mama, was wolltest du uns denn sagen?“, fragte Grimm, als sie das Wohnzimmer betraten. „Ach Grimm… Das ging ja schnell, wie hat Grizabella es hinbekommen dich so schnell aufzugabeln?“, fragte Sonja, als sie von ihrem Kissen aufsah. „Pah, die Klobürste hat meine Ratte verjagt.“, beschwerte Grimm sich und gesellte sich zu seiner Mutter auf den Sessel. Grizabella verspürte schon wieder einen Stich in ihrem Herzen und starrte beschämt auf den Boden. Plötzklich erschienen ihr ihre Pfötchen sehr, sehr, sehr interessant. Sonja bemerkte das natürlich sofort. „Grimm, sei still“, fauchte sie warnend „Du weißt genau wie sehr deine Schwester und ich übrigens auch das hasst! Du weißt dass ich das nicht mehr hören will!“ Eine so aggressive Zurechtweisung seiner Mutter war Grimm nicht wirklich gewohnt und Grizabella sah mit einer gewissen Genugtuung dabei zu, wie ihr Bruder unter den Worten seiner Mutter zusammensank. Er mochte zwar eine große Klappe gegenüber seinen Schwestern haben, aber vor seiner Mutter hatte er den größten Respekt. „Oh, da hat aber jemand ziemlichen Mist gebaut…“, lachte Minushka und sie und Nadica gesellten sich nun auch zu ihrer Mutter, dicht neben ihren Bruder gedrückt. „Grizabella? Kommst du?“ Grizabella setzte sich nach kurzem zögern schließlich auch zu ihren Schwestern, ohne ihren Bruder jedoch groß zu beachten. Wenn sie eines gut konnte, dann war es Dinge zu ignorieren. Egal wie sehr ihr ihr Bruder weh tat, sie ignorierte es einfach immer, zumindest so gut es ging. Öfters schon war sie kurz davor gestanden ihn vor lauter Wut wirklich ernsthaft anzugreifen, doch sie hatte es bisher immer geschafft sich zusammenzureißen. Und je öfter sie sich darin übte, umso länger schaffte sie solche gemeinen Kommentare einfach stillschweigend zu ertragen. Ja, im Gegensatz zu früher, was in ihrem kurzen Leben noch nicht so lange her war, war sie richtig geduldig und selbstbeherrscht geworden. „Also… Ich wollte mal mit euch über etwas reden, was ich schon sehr viel früher hätte ansprechen sollen.“, begann Sonja nun. „Geht es um die Leute die uns heute angeschaut haben?“, fragte Nadica in die Runde. „Welche Menschen?“, fragte Grimm verwundert. „Davon hab ich dir doch in der Scheune erzählt.“, murmelte Grizabella halblaut, doch sie bezweifelte selbst ob ihr Bruder das damals überhaupt realisiert hatte. „Vorhin war eine fremde Frau mit einem Kind hier und hat mich und Minushka gestreichelt und hochgenommen und so.“, erklärte Nadica schnell. „Genau. Und darüber wollte ich mit euch reden…“, begann Sonja mit einer nicht zu verleugnenden Schwermut in der Stimme. Nachdem sie fertig war mit der Erklärung, was denn nun mit Kätzchen geschah wenn sie in ein gewisses Alter kamen, war die Anzahl an betroffenen Gesichtern recht hoch unter den Kätzchen. Einzig und allein Nadica schien das nichts auszumachen, sie schien viel mehr aufgeregt zu sein. Sie würde möglicherweise bald ein eigenes, neues zu Hause bekommen? Das war ja spannend! Sie war noch nie weiter von hier weggekommen, als bis zur Kuhwiese. „Aber ich will doch gar nicht weg gehen…“, meinte Grimm schließlich, als Sonja mit ihrer Erklärung fertig war. Sie hatte zwar gesagt, dass die meisten Menschen die sich bewusst eine Katze anschafften ganz nett waren, aber wohl war ihm wirklich nicht. Er wollte lieber hier bleiben. Hier kannte er alles und jeden und selbst Cooper war ihm langsam vertraut. „Das hast du doch nicht zu entscheiden. Glaub mir, mir ist es auch nicht ganz recht, aber bisher hab ich nur nette Menschen gesehen, die eine Katze bei sich aufnehmen“ Sie seufzte „Hört mal, ich mir ganz sicher dass, wenn ihr erst mal dort seid und euch ein bisschen eingelebt habt, es euch gefallen wird! Und wenn ihr euren Menschen erst mal ein bisschen besser kennengelernt habt, wird es euch erst recht gefallen, glaubt mir!“ Sonja wusste dass sie ihren Kindern grade hauptsächlich versuchte Mut zuzureden, doch sie selbst war ja auch nicht völlig unerfahren! Als sie vor einigen Jahren als junge Katze von einem der umliegenden Nachbarhöfe hier her gebracht wurde, war ihr das auch erst mal alles zu viel gewesen, doch sie hatte sich schnell eingelebt und mochte die Bauernfamilie die hier wohnte wirklich sehr. Und wenn ihre Jungen erst mal eine gewisse Beziehung zu ihren Menschen aufgebaut hatten, dann würden sie sich sicherlich bald heimisch fühlen. „Aber ich will nicht! Ich will hier bleiben!“, stimmte nun auch Minushka ihrem Bruder zu. „Also ich find das eigentlich ziemlich spannend“, mischte sich nun Nadica mit merklicher Aufregung in der Stimme ein „Grizabella, wie findest du das denn?“ „Hm… Ich glaub nicht dass mir das gefallen würde.“, meinte sie schließlich und sah mit merklicher Unsicherheit zu ihrer Mutter auf. „Doch, glaubt mir… Die meisten Menschen sind toll… Zumindest all die , die mir bisher begegnet sind.“ „Und wie viele Menschen kennst du?“, fragte Minushka. „Äh… Ein paar… Zum Beispiel die Leute bei denen ich geboren bin… Und die Bauern und ihre Kinder… Und deren Kinder… Oh, und ganz viele Leute die hier mal zu Besuch waren um sich Kätzchen anzusehen und natürlich treff ich auch mal Leute auf meinen Streifzügen.“, erzählte sie. „Ja, aber was wenn die Leute die uns haben nicht nett sind?“, wand Grimm verzweifelt ein. „Grimm, jetzt glaub mir doch“, begann sie nochmals seufzend „Ein Mensch der sich ganz bedacht und vorbereitet eine Katze zulegt, der will einer solchen auch ganz bestimmt nichts böses.“ „Und wenn nicht?“, hakte Grimm nochmals nach. „Grimm, hast du nicht zugehört was Mama gesagt hat?“, murrte Grizabella genervt. Sie glaubte ihrer Mutter völlig, warum auch nicht? Sonja hatte ihre Jungen nie angelogen, zumindest konnte Grizabella sich nicht daran erinnern, dass das je passiert sein sollte. Und wenn sie ehrlich war, so beruhigten Sonjas Worte sie sehr. Der Gedanke zu fremden Leuten zu kommen war zwar seltsam, irgendwie beängstigend, aber ihre Mutter sprach ihnen einen solche Zuversicht zu, warum konnte Grimm sich davon nicht einfach anstecken lassen, so wie sie? Oder wie Nadica? Ja, selbst Minushka schien ruhiger zu sein als er. „Ach, sei doch ruhig, Klobürste! Was weißt du schon!?“, fauchte Grimm sie gereizt an. Das war genug für heute. „Weißt du was?! Ich hoffe du kommst zu den schlimmsten Menschen auf Erden!“, schrie sie zurück, sprang vom Sofa und rannte dort hin, wo sie sich sonst auch immer hin flüchtete, wenn sie es nicht mehr aushielt. In ihrem Fall das Dach des kleinen Nebenschuppens. „Grizabella! Komm zurück!“, rief Sonja ihr hinterher, doch ihre Tochter war bereits durch ein offenes Fenster auf den Hof geflüchtet. „Na toll, das hast du ja ganz toll gemacht!“, brüllte Minushka ihren Bruder an und trat ihn möglichst unsanft vom Sofa. „Minushka, Grimm, hört jetzt SOFORT auf! Geht’s euch noch gut?!“ Sonja war stinksauer. „Aber-“ Doch Grimm kam nicht weit. „Halt die KLAPPE! Du wirst dich jetzt sofort bei deiner Schwester entschuldigen!“ „Aber-“ „SOFORT!“ Das war genug um Grimm dazu zu bringen wie vom Teufel geritten davon zu preschen. „Hey, Milly, was ist denn hier los?“ Die Bäuerin sah besorgt ins Wohnzimmer. Das Fauchen was sie gehört hatte war wirklich besorgniserregend. Doch als sie Sonja, oder „Milly“, wie sie sie nannte und zwei ihrer Jungen friedlich auf dem Sessel sitzen sah, war ihre Sorge wieder wie weggewischt. „Nanu, ich hab doch grad was fauchen hören… Hm, ihr seid mir schon ein seltsamer Haufen.“, meinte sie schmunzelnd und wand sich wieder dem Putzen der Küche zu. „Mama, bist du eigentlich sauer auf mich?“, fragte Minushka schließlich etwas unsicher, nachdem ein paar Sekunden Stille geherrscht hatte. „Auf dich? Warum sollte ich?“, fragte Sonja nun. „Na ich war doch vorhin so fies zu Grimm und deswegen war er wieder gemein zu Grizabella.“, erklärte Minushka. „Oh bitte, Kleines, hör auf. Das grade eben war wohl mehr als gerechtfertigt. Grimm ist manchmal schlimmer als ein pubertierendes Huhn.“, murrte Sonja und machte sich auf dem Sofa lang, wobei Nadica sich an ihre Flanke kuschelte. Grizabella konnte grad nicht mehr. Sie heulte sich die Augen aus und niemanden schien es zu interessieren. Wie gern hätte sie sich einfach nur an ihre Mutter gekuschelt und gejammert, wie gemein Grimm doch ist! Sie hasste ihren Bruder manchmal einfach nur! Er war doch selber eine verdammte ‚Klobürste‘, sie hasste diese Beschimpfung! Und sie versuchte doch so sehr nicht zu weinen, sie versuchte so sehr so taff zu sein wie Minushka, doch manchmal wenn es alles zu viel wurde, da platzte es eben aus ihr raus. Ihr Bruder war einfach nur gemein! Er wusste doch wie leicht es war, sie zu Tränen zu treiben! Ach verdammt… Wieso konnte sie nicht endlich mal erwachsen werden und nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit rumheulen? Grizabella drückte den Rücken gegen die Bachsteinwand des alten Bauernhauses. Der Schuppen auf dem sie lag war direkt an das Haus angebaut, weshalb man recht einfach auf das Wellblechdach des Schuppens kam. Man musste nur aus der Haustür, nach links und an der Regenrinne hoch. Und hier oben hatte man einfach immer seine Ruhe. Auf dem Heuboden hätte sie zwar auch Zeit für sich gehabt, aber sie wusste dass dort die Wahrscheinlichkeit von ihren Geschwistern gestört zu werden höher war als hier… Hier, auf dem Moosbewachsenen, verdreckten Wellblechdach des kleinen Geräteschuppens neben dem Haus, mit dem einseitig abfallenden Dach. „Grizabella?“ Oh toll, Grimm! Pah! Der sollte jetzt gar nicht zu ihr kriechen, er hatte schon genug getan. Vielleicht würde er sie auch gar nicht finden, immerhin fiel das Dach, auf dem sie sich befand, nach hinten ab, er konnte sie gar nicht sehen. „Grizabella? Komm schon, es tut mir leid was ich gesagt hab… Ich weiß doch, dass du es nicht magst als Klobürste bezeichnet zu werden, es tut mir echt leid!“, rief er über den Hof. Grizabellas Öhrchen schnellten ganz automatisch nach hinten. Ja, toll, ruf es noch lauter, vielleicht würden es dann auch die letzten Lebensformen im Umkreis von drei Kilometer hören. Doch Grizabella würde isch sicherlich nicht von ihm erweichen lassen, sie würde einfach still schweigend hier auf dem Dach bleiben, so lange bis er aufgab und sich verziehen würde. „Grizabellaaaaaa! Bitte, komm schon, Mama wird stinksauer sein, wenn ich mich nicht entschuldige… Komm schon, bitte!“ Dieses Gejammer hielt doch niemand aus! „WAS?!“, entfuhr es ihr schließlich, doch sie bereute ihren kleinen Ausbruch sofort wieder. „Ach da bist du.“, sagte Grimm und kletterte über die Regenrinne zu seiner Schwester hoch, wobei er die Wut in ihrer Stimme einfach ignorierte. Er kannte Grizabella doch, die konnte noch so stinkig sein, so schnell würde die ihn nicht umbringen. „Was willst du denn noch?!“, schnauzte ihn sie nochmals an. „Ich wollt mich entschuldigen… Für das Klobürstendings. Also… Nimmst du das an?“ Grimms Entschuldigung klang nicht unbedingt Glaubwürdig oder gar Reuevoll und Grizabella sah nicht ein sich dadurch gleich einlullen zu lassen. Sie würde ihm diesmal nicht einfach so verzeihen! „Nö.“ „Wie ‚nö`?“ „Nö. Ich nehm’s nicht an! Ich bin stinksauer!“, fauchte Grizabella ihn an und drehte ihren Kopf sofort von weg. Jetzt hatte sie zwar die Wand vor Augen aber lieber starrte sie auf eine Backsteinwand als ihren Bruder auch nur eines Blickes zu würdigen! Ein verdammter Idiot war er. Glaubte wohl auch sie war einer von den Idioten, bei denen man den größten Mist anstellen konnte und bei denen eine halbherzige Entschuldigung reichte um alles wieder ins Lot zu bringen. „Aber… Du bist doch sonst nicht…“ Ja, Grimm war überfordert „Es tut mir echt leid, ich-“ „Jetzt lass mich doch in Ruhe!“, fauchte Grizabella und schubste ihn mit aller Kraft zur Seite. Wie das wohl aussehen musste? Eine graue Plüschkugel schlug eine noch größere Plüschkugel vom Dach, netter Anblick. Jedoch hatte Grizabella sich tatsächlich ein wenig verschätzt, denn Grimm verlor das Gleichgewicht und landete auf dem Boden, mitten in eine Horde flauschiger Hühnerküken, die sich gerade unter dem Schuppen gesammelt hatten, um nach ein paar Körnchen, die noch dort rumlagen, zu picken. Und ganz ehrlich, der Anblick löste bei Menschen, wenn das denn jemand gesehen hätte, einen Zuckerschock aus, denn dieser Anblick war… Er war… Oh Gott, wie sollte man das Beschreiben? Es war ober-mega-hyper-knuddel-wuddel-flauschel-babauschel-süß! Es war so niedlich, es war tödlich! Eine flauschige, drei Monate alte, graugetigerte, die Menschen nannten das auch ganz gerne ‚Blue Tabby‘, das hatte Grizabella öfters mal rausgehört, war umgeben von zehn kleinen, gelben, piepsenden, flauschigen Küken. Man konnte das Niedlichkeitslevel also etwa erahnen. Jedenfalls war das das, was ein Mensch darüber denken würde. Bei Grizabella, also einer Katze, sah das natürlich anders aus. Sie fand es einfach nur dämlich und lachhaft. Ja, im Grunde hätte sie ihren Bruder auch einfach auslachen können, was sie jetzt gerade auch tat. Und sie tat es gern. Ihr großer, harter, besserwisserischer, ach so männlicher Bruder wurde gerade von einer Welle von Niedlichkeit in Form von Küken erniedrigt, was könnte es denn besseres geben? „Okay, JETZT nehm ich die Entschuldigung an. Aber auch nur weil du mich so gut unterhalten hast.“, lachte Grizabella amüsiert und sprang vom Dach, was bei ihr um einiges geschmeidiger aussah, als bei ihrem Bruder. Der hatte sich zwar auch auf alle vier Pfoten retten können, doch es sah bei ihr eben einfach besser aus. „Sehr schön…“ Er rieb sich den Kopf, während alle Küken zu ihrer Mutter flüchteten, welche laut gackernd die Federn aufstellte. Sie hoffte wohl Grimm einzuschüchtern, denn wer ihren Küken zu nah kam, bekam es mit ihr zu tun! „Ist ja gut, wir wollen doch gar nichts von diesen halben Portionen.“, murrte Grimm und drückte beim Aufstehen erst mal das Kreuz durch. „Na komm“, versuchte Grizabella ihn aufzuheitern „Gehen wir wieder ins Haus, ich glaub es regnet bald.“ „Na ja, spätestens dann wärst du sowieso wieder ins Haus hinter den Ofen gekrabbelt.“ „Noch ein Wort und ich wandre freiwillig aus.“ Grizabella sah ihren Bruder äußerst vielsagend an. „Ist ja gut… Aber ich hätte vorhin trotzdem fast eine Ratte gefangen.“, beharrte Grimm. „Ganz wie du meinst Grimm… Ganz wie du meinst.“ Was sonst sollte Grizabella noch groß erwidern? Kapitel 3: So waren's nur noch drei ----------------------------------- Einige Stunden später saßen Grimm und seine Schwestern gespannt am Wohnzimmerfenster und sahen den Regentropfen dabei zu, wie sie die Scheibe herunterliefen. „Mein Regentropfen wird gewinnen!“, jubelte Minushka. „Nein, meiner holt dich gleich ein!“, entgegnete Grizabella und deutete auf den Regentropfen, auf den sie gesetzt hatte. Sonja beobachtete ihre Kätzchen mit einem Schmunzeln. Sie waren so schnell groß geworden, es war kaum zu glauben. Grad eben lagen sie noch zusammengekuschelt unter der Treppe, wo sie auch ihre ersten Wochen verbracht hatten und jetzt waren sie schon so groß… Die Zeit verging einfach zu schnell. „Na Milly, sind sie nicht niedlich?“ Die Bäuerin, welche grade vom Hof gekommen war um die Hühner in den Stall zu scheuchen, hing ihren Regenmantel auf der Garderobe auf. Sonja drehte ihr den Kopf zu strich ihr zur Begrüßung um die Beine. Sie mochte die alte Frau sehr. „Na, freust du dich auch mich zu sehen?“, fragte sie und nahm Sonja auf den Arm, als sie sich auf das Sofa setzte. Sonja hatte ja nie viele Menschen kennengelernt, aber von allen war ihr die Bäuerin am liebsten! Außer es ging zum Tierarzt… Aber das war es auch schon! Ansonsten war sie der tollste Mensch auf der Welt. Sie gab ihr immer wieder mal die ein oder andere Leckerei und reagierte auch nicht angewidert, wenn Sonja ihr kleine Geschenke überreichte. Ja, sie aß sie sogar! … Zumindest glaubte Sonja das. Ach was, sie war sich ganz sicher! Immerhin hatte sie noch nie gesehen wie die Bäuerin die Mäuse und Ratten wegwarf, also aß sie sie. Logisch, nicht? „So, jetzt machen wir uns mal einen ganz gemütlichen Abend, nur wir Frauen... und natürlich dein Kleiner.“, meinte die Bäuerin schmunzelnd und sah kurz zu Grimm und seinen Schwestern, welche noch immer fasziniert die Regentropfen beobachteten. Sie liebte es wenn Katzen in diesem Alter waren, sie waren dann besonders niedlich! Schade dass sie schon weg mussten, aber mit 3 Monaten war das kein Problem, wobei sie sich entschlossen hatte das letzte übrig gebliebene Jungtier zu behalten. Wenn das Grimm werden sollte, würde sie ihn wohl kastrieren, denn auf Inzucht hatte sie absolut keine Lust. Jedoch musste sie sagen dass er sehr gute Chancen darauf hatte vermittelt zu werden, er war irgendwie die Art von Katze, die sich jede Vorstadtfamilie wünschte. Er war neugierig, spielfreudig und jedes Kind würde es lieben ihm dabei zuzusehen, mit welchem Eifer er jagte. Er würde bestimmt mal die größten Ratten anschleppen. Wer jedoch wahrscheinlich als letztes Kätzchen übrig bleiben würde, war wahrscheinlich das Schildpattkätzchen mit dem geringeren Weißanteil im Fell. Sie war einfach zu sehr die typische Bauernhofkatze, sie war zu wild und unabhängig, sie war eben nicht das Schmusekätzchen was die meisten Leute haben wollten. „ICH HAB GEWONNEN!“, kam es plötzlich von Grizabella, als ihr Regentropfen als erster das Ende des Fensters erreicht hatte. „Na ja, solange Grimm nicht gewonnen hat kann’s mir egal sein…“, kam es von Nadica und auch sie und Minushka sprangen vom Fensterbrett. Grimm, der ein wenig eingeschnappt seinen Schwestern nachsah wie sie einander durch das Wohnzimmer jagten, grummelte irgendwas unverständliches, was nicht gerade freundlich klang. „Hey, schaut mal“, rief Minushka plötzlich aus der Küche „Unser Futternapf wurde aufgefüllt!“ So schnell wie alle vier in der Küche waren, konnte Sonja gar nicht schauen. Sie fand die Gier und Futterneid einfach nur zum Brüllen. Doch sie widmete sich wieder der alten Bäuerin und schmiege den Kopf an ihren Arm. Ein paar Tage später klingelte das Telefon, was in diesem Haushalt ein wahres Wunder war! Nicht oft gab es hier Besucher oder gar Anrufer. Der Bauer, der sich gerade seinen Earl Grey einschenkte, den er vor allem während seiner Arbeit auf dem Hof ständig mit sich in einer Thermoskanne herumschleppte, ging ran. „Ja, hier Richard Cunningham? … Oh, wegen den Kätzchen? Ja, warten Sie, da kümmert sich meine Frau drum“ Er drückte den Hörer kurz gegen seine Brust „Henrietta, da ist jemand wegen den Katzen!“, rief er aus der Küche. „Oh, ich komme!“ „Kinder! Kommt mal! Ich will dass ihr das hier hört.“, rief Sonja durch den Raum. Doch außer Nadica und Grizabella kam niemand. „Wo sind eure Geschwister?“, wollte Sonja wissen. „Die sind irgendwo draußen, spielen.“, antwortete Grizabella ihr. Die Bäuerin kam währenddessen daher geeilt und nahm den Hörer an sich. „Guten Tag? Oh, Misses Rolling, schön von ihnen zu hören. Rufen sie wegen des Kätzchens an?“ „Oh, geht’s da um mich?“, fragte Nadica gespannt und spitzte die Ohren. „Wahrscheinlich. Hör mal zu, vielleicht erfährst du ein bisschen was über dein zukünftiges zu Hause.“, meinte Sonja und hörte ebenfalls gespannt zu. „Ach ja, die Schildpattkatze mit dem vielen weiß im Fell ist noch da … Nein, es hat sich in der Zwischenzeit niemand für sie interessiert … Ach, sie wollen sie? Das freut mich sehr, so wie sie mir das erzählt haben, wird die Kleine es sehr schön bei Ihnen haben … Ach, was sagen Sie? Sie sind mit Ihrem Umzug fertig? Das ist ja wunderbar, vor allem, dass Sie jetzt einen Garten haben … Behalten Sie sie aber erst mal zwei Wochen im Haus, damit sie sich daran gewöhnt. Wann wollen Sie sie eigentlich abholen?“ Dann herrschte eine längere Pause. „Wirklich? Wunderbar, ich bereite dann alles für Sie vor. In Ordnung ich erwarte Sie dann in einer Stunde.“ Oh. OH! Das war aber doch ziemlich plötzlich! Nadica wirkte mit einem Mal gar nicht mehr so aufgeregt, viel mehr ziemlich unsicher. „Äh… Das ging ja schnell…“, brachte sie schließlich hervor. „Hast du etwa Angst?“, fragte Sonja schmunzelnd und rieb beruhigend den Kopf an ihrer Tochter. „Ein bisschen… Ich bin schon neugierig, aber…“ „Ich weiß schon was du meinst. Aber wenn es dich beruhigt, mir ging es ganz ähnlich.“ „Wirklich? Du hattest mal Angst?“ „Ja, auch ich hatte mal Angst“, meinte Sonja mit einem Schmunzeln und drückte Nadica an sich „Aber du brauchst ganz bestimmt keine Angst haben oder soll ich dir die ganze Geschichte von vorne erzählen?“ „Nein, aber… Kannst du mir vielleicht ein bisschen was darüber erzählen was mich da erwartet? Bitte, ich will nur wissen was mich erwartet“, flehte Nadica und sah zu Grizabella „Dich würde das doch bestimmt auch interessieren, oder?“ Sie nickte. Und so verbrachte Sonja fast die ganze nächste Stunde, die letzte Stunde die sie mit ihrer Nadica vielleicht für immer haben würde, damit, dass sie ihr und Grizabella alles mögliche erzählte, was sie in einem neuen zu Hause erwartete. Sie erzählte ihr auch wie es ihr selbst die ersten Tage hier ergangen war, was für sie alles neu war, was sie alles durchgemacht hatte. Ja, eigentlich hätte sie ein Gespräch wie dieses schon viel früher führen sollen, aber lieber spät als nie, oder? Und in ihrem Falle eben verdammt spät. Und irgendwann, zirka zehn Minuten vor dem geplanten Termin, da schloss die Bäuerin einfach die Tür zum Wohnzimmer, so dass Nadica auch bestimmt nicht abhauen konnte. Gut, jetzt wurde es ernst. Grizabella hatte sich inzwischen wie ein Wachhund ans Fenster gesetzt, von wo aus sie einen tollen Überblick über alles hatte was vor der Tür passierte. Sollten also die Leute von vor ein paar Tagen kommen, wäre sie die Erste die davon wüsste. „Und ich werde dich auch sicherlich nicht vermissen? Ich bin ja neugierig und alles, aber was wenn es mir nicht gefallen wird?“ „Oh Nadica, du bist eine Katze… Wenn du Aufmerksamkeit willst, dann holst du sie dir einfach, verstanden?“ Sonjas Worte klangen in Nadicas Ohren unglaublich beruhigend und aufmunternd und ihrer Mutter noch mal so nah zu sein tat sein übriges. „Ich… ich werd mich schon durchschlagen…“ Sie musste plötzlich kichern „Ich bin nur so aufgeregt… Ich hab dich doch so lieb!“ „Ich dich doch auch. Aber du wirst jetzt ein großes Mädchen, ja? Versprech' mir einfach ein glückliches Leben zu führen und uns nicht ganz vergessen, ja?“ Kaum zu glauben wie viel Mut die Worte ihrer Mutter ihr machten. Sie musste bis jetzt noch nicht mal heulen… „Hey, da kommt jemand! Ich glaub das sind sie! Nadica, ist das nicht spannend? Du wirst jetzt mal was anderes als unseren Hof hier sehen.“, sagte Grizabella aufgeregt, hüpfte vom Fensterbrett und positionierte sich auf dem Esstisch, um auch bloß nichts zu verpassen. „So, hier ist sie mit ihrer Schwester und ihrer Mutter.“, ertönte die Stimme der Bäuerin aus dem Flur. „Welcher Schwester denn?“, fragte eine deutlich jüngere Stimme, die des kleinen Mädchens was bereits vor ein paar Tagen hier gewesen war. „Die Graue, die damals in der Küche saß“, antwortete die Bäuerin „So, da sind sie.“ Die Tür wurde geöffnet und das kleine Mädchen sah sofort voller Entzücken auf Nadica, die noch immer neben ihrer Mutter lag. „Hallo kleine Rainbow Dash!“, begrüßte die Kleine das Kätzchen voller Vorfreude und nahm ihre Mutter bei der Hand. „Amanda, nicht so hektisch! Ich muss noch kurz ein paar Sachen mit Misses Cunningham besprechen und dann nehmen wir deine Dashie mit. Aber streicheln darfst du sie schon mal… Weißt du was, sag ihrer Mama doch am besten gleich mal bescheid, dass Rainbow Dash es bei uns ganz toll haben wird, erzähl ihr von unserem Haus, ja? Das wird sie bestimmt beruhigen.“ Eigentlich wollte Amandas Mutter so nur ein bisschen Zeit schinden und ihre Tochter beschäftigen, nie hätte sie gedacht, dass das tatsächlich irgendwie beruhigend auf Nadica wirken würde. „Hallo Mama von Rainbow Dash“, begrüßte das blonde Mädchen die ältere Katze und strich ihr zur Begrüßung sanft über den Kopf „Also du bist ja auch eine Mama, so wie meine Mama. Und ich glaub du willst bestimmt wissen wie toll es dein Baby haben wird, oder? Also, ich will ja nicht dass du dir Sorgen machst und darum erzähl ich dir jetzt ganz viel, okay?“ „Na, klingt das nicht nett?“, fragte Sonja an Nadica gewandt. Diese nickte noch etwas unsicher, ließ jedoch die Berührung zu, als Amanda sie freundlich am Kopf kraulte. Grizabella beobachtete alles noch immer von ihrer erhöhten Position aus. „Also, wir haben ein ganz tolles, neues, großes Haus, gleich am Rand von Hertford. Das wird dir gefallen, weil dann kannst du immer Mäuse und andere Sachen jagen, solange du willst. Und wir haben auch einen Whirlpool, aber ich glaub den wirst du nicht mögen, weil Katzen mögen ja kein Wasser. Aber du wirst deinen Kratzbaum mögen, der ist ganz toll, der ist ganz, ganz groß und du kannst auf ganz vielen Sachen schlafen. Eigentlich darfst du ja überall schlafen, aber Mama will das nicht… Will deine Mama auch nicht dass eure Menschen überall schlafen?“ Sonja schmunzelte über diese Aussage. Na ja… Menschen schliefen eigentlich nie an Orten die Sonja störten… Sie schliefen nur in Betten und gelegentlich auch mal auf dem Sofa, aber das war ihr eigentlich egal. „Oh, wir haben auch Fische, aber die darfst du nicht essen, ja? Und ich werd jeden Tag mit dir spielen, versprochen! Und ich werd dich auch bürsten und dann wirst du immer ganz schönaussehen!“ „Na, ist doch süß…“, meinte Sonja. „Ja… Die scheint wirklich nett zu sein…“, meinte Nadica ebenfalls. „Und wir werden dich noch kastrieren lassen, beim Tierarzt, das sagt Mama. Also ich weiß nicht genau was das ist, aber ich glaub du wirst das mögen. Weil wenn ich beim Arzt bin bekomm ich immer was Süßes. Du also bestimmt auch.“, plapperte Amanda freudig weiter. „Mama… Was ist kastrieren?“, fragte Nadica nun. „Ach, das…“ Sonja wand gelassen ab „Nur ein kleiner chirurgischer Eingriff, der dir dein Leben ein bisschen einfach macht, was dein Liebesleben angeht… Nichts schlimmes, keine Sorge.“, beruhigte sie ihre Tochter. Sie würde irgendwann schon verstehen was es hieß, aber jetzt wollte sie ihr wegen so einer Kleinigkeit keine Angst machen. „Amanda, wir sind jetzt fertig. Jetzt kannst du Rainbow Dash mitnehmen.“ „Ja Mama!“ Mit einem Strahlen über das gesamte Gesicht lief Amanda zu der grauen Transportbox, die ihre Mutter in der Hand hielt und öffnete diese. „Und jetzt?“, fragte Nadica wieder mit merklicher Aufregung in der Stimme. „Jetzt nehmen sie dich mit. Menschen transportieren Katzen oft in so was. Hab keine Angst, du wirst es gut haben, wirklich.“, versicherte Sonja ihrer Tochter und leckte ihr nochmals beruhigend über die Stirn. Tatsächlich hatte Sonja keine Bedenken, zumindest was diese Leute angeht. „So, komm her…“ Vorsichtig nahm Amanda Nadica schließlich an Brust und Hintern hoch „Und keine Angst Mama von Rainbow Dash, ich verspreche dir hoch und heilig dass ich mich ganz, ganz gut um dein Baby kümmern werde! Wirklich, wirklich, wirklich, ich versprech’s dir ganz, ganz doll! Tut mir auch total leid dass wir euch nicht alle mitnehmen können, aber ich pass ganz viel auf Rainbow Dash auf.“ Sonja fand das so süß. Dieses Mädchen war wundervoll. Sie redete mit Tieren wie mit ebenbürtigen Wesen, sie schien gar keinen Unterschied zwischen ihr und einem Menschen zu machen. Diese Naivität fehlte ihr manchmal bei Erwachsenen. Und dass die Kleine mit einer solchen Entschlossenheit davon sprach, ganz gut auf Nadica acht zu geben, brachte Sonja fast schon zum Heulen. Es klang so unglaublich aufrichtig und wenn Sonja es nicht besser wüsste, würde sie sagen, dass diese Familie ein purerer Glücksgriff war. „Also dann, mach’s gut mein Schatz! Und denk dran, sei einfach glücklich! Du bist eine Katze, du kannst tun was auch immer du willst.“, rief Sonja Nadica zu, als das Kätzchen in die Transportbox gesetzt wurde und Amanda sie ihrer Mutter übergab. „Mach’s gut Schwesterchen. Vielleicht treffen wir uns irgendwann mal wieder.“, meinte Grizabella, welche bisher nur schweigend dagesessen war. „Bestimmt! Ich komme euch alle mal besuchen, versprochen.“, entgegnete Nadica und nur ein paar Augenblicke später war sie in den Flur verschwunden. Und das war schnell gegangen! Es überraschte Grizabella fast schon. Sie hatte irgendwie gedacht sie hätte mehr Zeit gehabt, die sie mit ihrer Schwester hätte verbringen können. Und dann war es eine Zeit lang ruhig. Doch was war eigentlich mit Grimm und Minushka? Die hatten ja gar keine Zeit um sich von Nadica zu verabschieden… Die Armen! „Mama?“, entfuhr es Grizabella plötzlich. „Ja?“ „Ich… ich…“ Sie schluckte schwer und sprang so schnell wie möglich vom Tisch, zu ihrer Mutter auf den Sessel „Ich hab Angst!“ Und schon heulte sie. „Oh, aber Grizabella, deine Schwester hat es doch auch überlebt… Na komm, dir wird das gefallen, ich versprech' es dir…“ „Aber was wenn ich meinen Menschen nicht mögen werde?“, flennte sie in das kurze Fell ihrer Mutter. „Ach Grizabella…“ Sie schmunzelte und leckte ihr ein paar Mal über die Stirn „Zum einen bist du zu alt zum Weinen und zum anderen kann ich mir nicht vorstellen, dass du keinen tollen Menschen bekommst…“ „Und was wenn…“ „Süße… Noch ist nicht mal klar WANN dich jemand holen wird, bisher gab es nur einen Abnehmer und der hat sich für Nadica entschieden… Du bist doch noch da, nicht?“ „Vermisst du sie etwa nicht?“ „Nadica? Doch, natürlich. Aber weißt du…“ Sie seufzte schwer „Wenn ihr in einem bestimmten Alter seid, da wird es einfach für mich euch gehen zu lassen. Und ihr werdet mit jedem Tag erwachsener. Und das weiß ich. Ich weiß dass ich euch gehen lassen muss. Das gehört alles dazu, wenn man groß wird. Und wenn du selbst mal Junge hast, dann wirst du wissen wovon ich rede. Ab einem bestimmten Zeitpunkt weiß man einfach wann sie gehen müssen.“ Grizabella war inzwischen still geworden und lauschte nur noch den Worten ihrer Mutter, beziehungsweise den Schritten der Bäuerin in der Küche. Sonja mochte ja Recht haben, aber grade eben war Grizabella wieder klar geworden, dass sie eben doch nicht so mutig und stark war wie ihre Geschwister. Natürlich war sie ebenso aufgeregt wie Nadica oder sonst wer über diese ganze ‚Neue-Menschen-bekomm-Sache‘, aber im Gegensatz zu Nadica, die eine große Portion Mut bewiesen hatte, war Grizabella eben sehr viel Ängstlicher. Sie glaubte all dem was ihre Mutter ihr vorschwärmte, aber der Gedanke möglicherweise ihr restliches Leben ohne eines ihrer Geschwister oder gar ihre Mutter zu verbringen machte ihr solche Angst. Es war ja nicht so als ob sie ein totales Mamakind war, das war sie schon lange nicht mehr, aber sie hing doch noch immer sehr an ihrer Familie. Und jetzt, wo Nadica weg war, wurde ihr bewusst wie schnell so was gehen konnte. Kapitel 4: Du selten-blöde Kuh! ------------------------------- Es war etwas über einer Woche nach nachdem Nadica weg war, als Grizabella, die noch immer eine nicht zu verleugnende Angst vor dem, was auf sie zukommen würde hatte, entschloss etwas zu tun, was sie seit Nadica weg war, nicht mehr getan hatten. Grimm und Minushka, die nicht die Möglichkeit gehabt hatten, sich von ihrer Schwester zu verabschieden, waren völlig geknickt gewesen, als sie erfuhren oder besser gesagt bemerkten, dass von Nadica jede Spur fehlte. Grizabella war auch einige Tage untröstlich gewesen, was Sonja gar nicht gefallen hatte, doch inzwischen bekam sie sogar wieder Lust Sachen zu tun. Sie wollte nämlich Mäuse jagen. Aber nicht etwa auf dem Heuboden, pah, das war doch langweilig! Nein, sie wollte richtig professionell Mäuse jagen, im Gras! Auf der Kuhwiese des Hofes zum Beispiel. Da gab es auch Maulwürfe, ihre Mutter hatte eines Nachts mal einen mitgebracht. Aber die würde sie wahrscheinlich nicht abbekommen. Also konnte Grizabella eher auf Mäuse hoffen. Als das junge Kätzchen an diesem Nachmittag jedenfalls das Bauernhaus verließ und ihrer Mutter im Vorbeigehen gesagt hatte, wohin sie wollte, hatte sie außer einem leisen „Mhm“, nichts von Sonja gehört. Jetzt jedenfalls stand Grizabella am Rande der Weide, schlüpfte unter dem Zaun durch und schlich leichtfüßig durch das hohe Gras, welches sie völlig in sich verschluckte. Den Kühen reichte es immerhin bis zum Bauch! Hm, das war bei so dicken Tieren aber auch nicht schwer. Doch Grizabella ignorierte die schwarzweiß gefleckten Tiere völlig und versuchte nur irgendwie das Rascheln einer Maus im Gras auszumachen. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, es kam nichts. Kein Piepsen, kein Laut, nicht mal ein Geruch wehte ihr um die Nase. Gut, dann musste sie eben noch viiiiel besser suchen! Sie konnte das, ganz sicher! Wenn sie sich nur ein bisschen mehr anstrengen würde, dann würde sie heute mit einem ganzen Rudel toten Mäusen nach Hause kommen. Rudel? Sagte man das so? Hm, keine Ahnung, sie würde jetzt jedenfalls erst mal nach ihrem ersten Opfer suchen. Wie schwer würde das schon sein? Eine Stunde. Eine ganze verdammte Stunde schlich sie nun zwischen Kühen, Kuhmist und Gras umher und bisher war ihr nicht eine einzige Maus vor die Pfoten gelaufen, geschweige denn konnte sie eine erschnüffeln! Das war so unfair! Grimm und Minushka kamen ständig mit irgendwas an, sogar Nadica hatte regelmäßig Jagderfolge gehabt und sie? Na gut, sie war noch jung, aber so ging das doch nicht! Sie wollte eine Maus fangen! JETZT! Ach, die Kühe waren im Übrigen auch keine Hilfe. Ständig muhten sie, möglichst langezogen und tief, so dass jedes Tier, welches kleiner war als Grizabella auch möglichst viel Angst hatte. Blöde Kühe, warum muhten die überhaupt? Was hatten die einander schon zu erzählen? ‚Hey, komm rüber, hier ist das Gras viel grüner!‘ – ‚Ach, nein danke! Hier kann man viel besser kacken während man frisst, gesell dich doch zu mir!‘ – „Hast du schon gehört, Kamil hat schon wieder eine Eutergröße zugelegt.‘ – ‚Was, wirklich? Pah, die legt doch generell mächtig zu.‘ – ‚Hey, das hab ich gehört!‘ – ‚Solltest du auch, du fettes Rindvieh!‘ – ‚Wie hast du mich da grade genannt, du dumme Kuh?!‘ Ja, SO und nicht anders stellte sich das Kätzchen ein Gespräch zwischen Kühen vor. Aber zurück zum Thema, es ging schließlich nur um eines: Mäuse. Währenddessen, in einem schnieken Landhaus, unweit von London, saß eine junge Frau auf einem Stuhl, den Blick stoisch auf eine Leinwand gerichtet, auf der eine halb angefangene Katze zu sehen war. Sie brauchte Inspiration… Immerhin war das ihr Kapital! Ohne Ideen keine Bilder. Ohne Bilder kein Geld. SO leicht war das. Und sie brauchte Bilder dringend, denn das nette Landhäuschen, in dem sie lebte seit sie entschlossen hatte, dass der Londoner Großstadtdschungel nichts für sie war, wollte auch mal abbezahlt werden. Die Renovierungskosten an sich waren schon hoch. Und sie würde VIELE Bilder malen müssen, bis sie das alles beisammen hatte. Aber so wurde das nichts. Die Muse wollte ihr in den letzten Tagen einfach nicht so wirklich entgegenkommen. Aber gut, dann würde ihr Bild eben warten müssen. Um ehrlich zu sein belastete sie gerade sowieso was ganz anderes. Und das war flauschig und graugetigert und stand zum Verkauf. Sie hatte schon vor ein paar Tagen die Anzeige im Internet gesehen und ein Kätzchen war genau das, was sie jetzt haben wollte. Sie wollte schon immer eine Katze haben, aber sie hatte es immer auf den Platz geschoben, dass sie keine haben konnte. Aber jetzt? Tja, JETZT hatte sie mehr als genug Freiraum und wenn die Dunkelheit hereinbrach war es hier schon mehr als nur einsam. Aber gut, heute würde sie sich eines der Kleinen zumindest mal ansehen. Obwohl… Vielleicht, wenn ihre Entscheidung eindeutig war, könnte sie eines der Kleinen auch gleich mit nach Hause nehmen, eine Transportkiste hatte sie immerhin schon bereit stehen. Eigentlich hatte sie alles schon parat, was man für den Einzug eines Kätzchens brauchte. Einen Kratzbaum, gegen den Versailles wie eine Hütte aussah, Schüsselchen in den verschiedensten Größen und Formen, ein Katzenklo, mehrere Spielsachen, Decken und sogar eine Katzenklappe hatte sie schon einbauen lassen. Im Grunde fehlte gar nichts mehr. Nur eben die Katze an sich. Sophia seufzte, dann wählte sie die Nummer die sie sich aufgeschrieben hatte. Währenddessen war ein kleines, graues Kätzchen noch immer auf der Jagd nach einer Maus. IRGENDEINER Maus! Bitte, warum war die Welt denn grade nur so gemein zu ihr!? Warum konnte sie nicht endlich ihre Maus zu fassen bekommen, sie töten und dann in Millionen von mikroskopischen Einzelteilen zerfleischen! Man, Grizabella war wirklich ein sadistischer Mäusemörder… Wenn sie denn endlich mal eine abbekommen würde... Und tatsächlich! Da bewegte sich was, keine zehn Meter neben ihr im Gras, ganz in der Nähe von zwei der Kühe. Oh ja, DIE Gelegenheit würde sie sich nicht nehmen lassen! Das Kätzchen duckte sich und so vorsichtig und leise sie nur konnte begann sie durch das Gras zu schleichen. Tatsächlich war sie recht still, einzig und allein ihr Fell, welches das Gras sanft strich, erzeugte ein kaum hörbares Rascheln in den Halmen. Was war das?! Grizabella hielt kurz inne und grinste über das ganze Gesicht, als sie ein eindeutiges Mäusepiepsen hörte. Ha, sie hatte recht, sie würde gleich dicke Beute machen! Noch ein paar Schritte… Nur noch an der Kuh vorbei und dann würde sie sich auf ihre hilflose Beute stürzen! Platsch. Und mit einem Mal schien Grizabellas gesamtes Leben an ihr vorbei zu ziehen und ein markerschütterndes Fauchen ertönte über den gesamten Hof. „MAMAAAAAAAAAA!“, heulend rannte Grizabella über den Hof, an dem dösenden Cooper vorbei ohne ihn auch nur zu beachten, wie sie es doch sonst tat. Doch Cooper war auch nicht wirklich daran interessiert sie zu jagen, nicht in ihrem momentanen… Zustand. „Mama, Mama, Mama!“, heulte sie weiter und schrie aus Leibeskräften. Tatsächlich wirkte es und eine völlig in Sorge seiende Sonja stürzte aus dem Wohnzimmerfenster in den Hof. „Grizabella?! Wo… Oh Gott, nein, was.. WARUM?! Oh nein, was hast du getan, ich… oh nein, bitte nicht!“ Angewidert verzog sie das Gesicht und versuchte ihr Futter im Magen zu behalten. „Mamaaaaaa, die Kühe waren total gemein zu mir! Ich war so kurz davor eine Maus zu fangen und dann… und dann…“ Grizabella brach nun völlig in Tränen aus und wackelte wimmernd auf Sonja zu, was diese jedoch nur zum Zurückweichen brachte. So gerne sie ihre Tochter jetzt auch getröstet hätte… Sie war ekelerregend. Widerlich. Ekelhaft. Abscheulich. Absolut abstoßend. Und Sonja sprach grad nur vom Geruch! Von oben bis unten von Kuhscheiße bedeckt zu sein, war nicht grade das, was Sonja umarmen wollte. „Mama, mach das weg, bitte!“, flehte Grizabella schniefend und versuchte bereits selbst das größte aus dem Fell zu bekommen, indem sie sich schüttelte. Das brachte Sonja nur noch mehr dazu wegzuspringen. „BITTE! Hör auf, bitte, schüttel dich nicht aus… Das.. nein, bitte.“ „Mama, was soll ich denn tun, ich, ich, ich…“ Grizabella musste schon wieder weinen. „Ach nein, Süße, nicht weinen… Heeeey, komm, ich hab eine Idee…“ Sonja lief in Richtung von Coopers Hundehütte, da wo auch sein Trinknapf stand. „Tut mir Leid, Alter…“, meinte sie an den Hund gewandt, welcher sie nur verwirrt beobachtete. „Was soll ich da?“, fragte Grizabella und versuchte sich nun wieder zusammenzureißen. „Setzt dich da rein. Jetzt.“ Sonja hielt noch immer einen Sicherheitsabstand zu ihr, da ihr der Geruch immer schlimmer vorkam. „Aber das ist Wasser, ich hasse Wasser.“ „Wohl nicht so sehr wie dreckig sein, oder etwa doch?“, fragte Sonja genervt. „Aber…“ „Willst du sauber werden oder nicht?“, fuhr Sonja sie nun etwas aggressiver an. „Ja… schon…“, war Grizabellas kleinlaute Antwort. Was war sie aber auch in einer Zwickmühle gelandet! Egal wie sie sich entscheiden würde, sie würde immer verlieren. Zum einen wollte sie wieder schön aussehen und zum anderen wollte sie aber nicht nass werden. Doch sie wollte ihrer Mutter nicht wiedersprechen, also setzte sich gehorsam in den riesigen Trinknapf des alten Hundes, welcher die beiden Katzen verwirrt und auch ein wenig angewidert beobachtete und begann sich ein bisschen im Wasser zu wenden. Der Mist wusch sich so etwas besser aus ihrem langen Fell. Grizabella war einige Minuten nur damit beschäftigt sich auf diese Art nass zu machen, bis ihre Mutter ihr schließlich sagte, dass sie raus kommen sollte. „Grizabella, ich denke das reicht jetzt… Komm, du hast dein bestes versucht, das Wasser im Napf ist inzwischen völlig dreckig, das bringt nichts mehr.“ Gehorsam stieg das Kätzchen aus dem Napf und tapste ihrer Mutter hinterher. Grizabellas Geruch war inzwischen erträglich. „Wohin gehen wir jetzt?“ Sonja seufzte langezogen. Sie wollte das eigentlich verhindern, aber es war nötig… „Die Bäuerin wird dich jetzt baden. Und wage es nicht dich auch nur im Traum zu wehren, hörst du?“, gab Sonja warnend von sich, als sie durch die angelehnte Tür das Bauernhaus betrat. Grizabella bekam zwar jetzt schon Angst vor dem was sie erwartete, doch ihre Mutter wütend machen? Oh nein, lieber nicht jetzt. Auch wenn sie sich noch immer auf allen Ebenen für ihr Aussehen schämte. „Wo sind eigentlich Minushka und Grimm?“, fragte Grizabella beiläufig, während Sonja durch lautes Mauzen begann auf sich aufmerksam zu machen. „Die haben sich im Gegensatz zu dir entschlossen an einem Ort Mäuse zu jagen, der nicht so gefährlich ist wie die Kuhweide. Der Heuboden nämlich.“ „Aha…“ Beschämt sah das graugetigerte Kätzchen an sich herab und widerte sich schon wieder selbst an. Doch in diesem Moment kam die Bäuerin um die Ecke. Sie schien Grizabellas „Unfall“ noch gar nicht bemerkt zu haben. „Oh, Milli, was machst du denn hier? Na, hast du Hunger?“ Sie kraulte Sonja kurz hinter den Ohren, doch als ihr Blick auf Grizabella fiel, rümpfte sie angewidert die Nase. „Oh herrjeh! Das ist ja ekelhaft! Na warte, wir bekommen bald Besuch, da kannst du dich doch nicht so präsentieren!“ BESUCH?! Oh Gott, doch, doch, doch! Genau DANN wollte Grizabella sich so präsentieren wie sie grade war! Oh bitte nicht schon wieder fremde Leute… Doch zu spät. Ehe sie sich versah, fand sie sich in einem Waschbecken im Bad wieder, bis zum Hals in warmen, nach Shampoo duftenden Wassers. Sie wurde von oben bis unten eingeschäumt und was sie am meisten verwunderte, war dass es ihr nicht mal sooo unangenehm war. Sie mochte es nicht, aber das hier war besser als die Sache mit Coopers Trinknapf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)