Outlaw von Pretty_Crazy (... die Macht der Machtlosen (NaruHina)) ================================================================================ Kapitel 5: Der Abltraum beginnt ------------------------------- Frühjahr 1864 Die letzten neun Jahre sind unsagbar schnell ins Land gezogen und mit all dieser Zeit sind auch Veränderungen einher gegangen, die unausweichlich gewesen sind. Am dramatischsten ist wohl der erzwungene Rückzug aus ihrer einstigen Heimat gewesen. Gewaltsam vertrieben von den weißen Siedlern und der US-Regierung, wurden die Diné dazu genötigt ihr Land zu verlassen und woanders neu anzufangen. Die ständigen Kämpfe und Drohungen sind ermüdend gewesen und zerrten an den mentalen Kräften. Sicherlich kann diese Tätigkeit als eine Niederlage angesehen werden und doch war es zeitgleich die einzige Möglichkeit, um einen Schritt in eine eventuell friedliche Koexistenz zu tätigen. Nach langem Fußmarsch, mit hunderten von Tieren und tausenden Stammesmitgliedern, kam es einem himmlischen Geschenk gleich, als sie einen Ort fanden, an dem sie einen Neuanfang als möglich betrachteten. Schnell wurden Felder angelegt und Häuser gebaut. Ein neues Dorf und somit ein neues Zuhause. Sie haben sich alle eingelebt und trotzdem bleibt der Gedanke existent, dass dieses friedliche Leben nicht ewig anhalten wird. Mehr Zeit ist alles, was die Indianer mit solchen Aktionen heraus holen können. Eine weitere und nicht weniger katastrophale Veränderung ist der Bürgerkrieg, der seit dem 14ten April 1861 das Land in ihren Grundfesten erschüttert und weite Gebiete im Land betrifft. Es ist der Höhepunkt von zahlreichen gescheiterten Kompromissen, die bereits 1819 mit dem Beitritt von Alabama in die Union begonnen hatten. Damit gab es elf freie und elf unfreie Staaten. Vor der Zulassung von Missouri als neuem Staat, verlangten nordstaatliche Abgeordnete, in diesem Gebiet sollten Sklaven oder zumindest deren Kinder frei werden. Sie konnten darauf verweisen, dass im Rahmen der Northwest Ordinance von 1787 auch Ohio, Indiana und Illinois, vor der Aufnahme in die Union, Auflagen bezüglich Sklaverei hatten hinnehmen müssen. Die Vertreter des Südens stellten sich auf den Standpunkt, der Kongress habe in diesem Punkt keine Kompetenz, den Einzelstaaten Vorschriften zu machen. Die in der Verfassung niedergelegte Formulierung - neue Staaten können in die Union aufgenommen werden- sage nichts über die Art der Gesellschaftsordnung aus. Sklaven haltende Südstaatler pochten auf das Recht, ihr Eigentum mit über den Mississippi zu nehmen. Eine Kompromissmöglichkeit zeichnete sich ab, als das im äußersten Nordosten gelegene Maine um Aufnahme in die Union suchte. Im Missouri Compromise von 1820, einigte sich der Kongress darauf, die Sklaverei in den Territorien nördlich der Mason-Dixon-Linie künftig zu verbieten, mit Ausnahme Missouris. Maine wurde als freier, Missouri als unfreier Staat aufgenommen. Das Gleichgewicht war scheinbar wiederhergestellt. Der Kompromiss hielt noch, als Arkansas und Michigan zu Unionsstaaten wurden, der eine nördlich, der andere südlich der vereinbarten Linie. Allerdings stand zu erwarten dass südlich der Linie in nächster Zukunft nur Florida die Aufnahme beantragen würde, während sich im Norden Wisconsin, Iowa und Minnesota anschickten Bundesstaaten zu werden. Die Südstaaten mussten also befürchten, wieder ins Hintertreffen zu geraten. Im Norden zeigte sich Irritation darüber, dass die Verfassung von Missouri freien Schwarzen die Einreise verwehrte. Der Kompromiss von 1850, vorangetrieben von Henry Clay, war ein letzter Versuch sich zu einigen. Kalifornien wurde als freier Staat aufgenommen. Im Gegenzug verzichtete der Kongress darauf für Neumexiko und Utah eine Regelung in puncto Sklaverei zu treffen. Die Fugitive Slave Laws wurden verschärft. Der Kansas-Nebraska-Act von 1854 stellte den Bewohnern die Entscheidung frei, ob sie Sklaven haben wollten oder nicht. Nachdem diese beiden Territorien nördlich der Mason-Dixon-Linie lagen, war der Missouri-Kompromiss entwertet. Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung zwischen Nord und Süd ist die Sklaverei. Sklaven freie gegen Sklaven haltende Staaten. Ein Kräftemessen auf einer kaum vorstellbaren Ebene. Nach der Wahl Lincolns zum Präsidenten brachte Senator John Crittenden aus Kentucky einen letzten Kompromissvorschlag ein. Das Parlament sollte sich für die Sklaverei erklären, wenn die Südstaaten in der Union bleiben. Der Norden war jedoch kompromissmüde. Lincoln unterstützte diesen Vorschlag demnach nicht und sein langjähriger Weggefährte William Herndon fauchte: „Kompromiss - Kompromiss! Also, mir wird schon schlecht bei der Vorstellung. Lasst diesen natürlichen Krieg, lasst diesen unvermeidlichen Kampf seinen Lauf nehmen, bis die Sklaverei tot ist, mausetot.“ Mit einem weiteren Kompromiss hätte der Norden nur den Rest seiner Selbstachtung kompromittiert, schrieb James Russell Lowell im Atlantic Monthly. „Lasst uns den Streit jetzt austragen“, forderte der Kongressabgeordnete Edward Wade. Der Krieg sei nicht das schlimmste aller Übel, schrieb eine Zeitung in New Hampshire. Das Unrecht der Sklaverei sei nur noch mit einem Blutopfer zu sühnen. Der Frieden sei nicht das primäre Interesse eines Volkes, echote ein Abgeordneter aus Ohio. Mäßigende Stimmen gingen im Lärm der Kriegsvorbereitung unter. William Seward kam auf die Idee, die allseitigen Aggressionen in einen anderen Kanal zu lenken. In einem Memorandum legte er Lincoln nahe, die USA sollten sich an einem europäischen Krieg beteiligen, um Nord und Süd auf eine gemeinsame Sache zu verpflichten. Der Präsident ließ sich nicht beirren, die Weichen waren gestellt und das vor einem Hintergrund, den kein menschliches Wesen als plausibel erkennen sollte. Die erste Kriegshandlung war der Beschuss von Fort Sumter, nachdem sich die militärische Besatzung einer Räumungsaufforderung der Konföderierten widersetzt hatten und seitdem herrscht Krieg im Land. Die nun herrschenden Zeiten und die Bedingungen, sind äußert konsequent und von einer umherschwappenden Welle an Patriotismus geprägt. Wer sich gegen den Krieg ausspricht, wird direkt eingesperrt. Es ist schwerer geworden zwischen Freund und Feind zu unterscheiden und es muss genau abgewägt werden, was gesagt werden kann und was unmittelbare Konsequenzen nach sich ziehen würde. Es gibt nur noch Schlachtfelder und Tote. Egal wo der Blick auch hingeleitet, überall scheint gekämpft zu werden. So gesehen hat dieser Bürgerkrieg auch eine gute Seite: Der Stamm ist weniger Angriffen ausgesetzt, auch wenn die Feldzüge gegen die Rothäute noch immer praktiziert werden. Familiär gibt es auch einige Änderungen bei Naruto und Hinata. Eigentlich gibt es nur zwei und die tragen die Namen Minato und Kushina. Minato wurde vor sieben Jahren geboren und hat einen äußert lebhaften Charakter und während Hanzo äußerlich von beiden Elternteilen etwas geerbt hat, so sieht Minato wiederum seinem Vater zum verwechseln ähnlich. Dieselben Gesichtszüge, dieselben wilden blonden Haare und die gleichen blauen Augen. Der Junge ist jedoch bei allen Stammesmitgliedern dafür bekannt, dass er nur Unsinn im Kopf hat und so ist es fast schon an der Tagesordnung, dass Naruto sich bei irgendeinem Dorfmitglied für irgendeine Dummheit seines Sprosses entschuldigen muss und den Jungen hinter sich her schleift, damit dieser sich noch zusätzlich und reumütig für sein Handeln entschuldigt. Die bisherigen Strafpredigten und Konsequenzen zeigen jedoch keine Wirkung und dass der Bursche so ist, wie er eben ist, überrascht den Familienvater nicht. Naruto hat gegenüber seiner Frau zugegeben, dass er in dem Alter ganz genauso war. Er sagte, Minato könnte die jüngere Version von ihm sein. Die kleine Schwester von Hanzo und Minato ist im direkten Vergleich das genaue Gegenteil. Sie ist ruhig, nahezu unauffällig und unglaublich schüchtern. Sie schlägt damit eindeutig in die Richtung ihrer Mutter und ist wegen ihrer jungen vier Jahre auch das wohlbehütete Nesthäkchen der Familie. Kushina hat jedoch nicht nur den sanftmütigen Charakter ihrer Mutter geerbt, sondern auch die seidigen dunklen Haare und die weichen Gesichtszüge. Lediglich ihre Augen stammen von ihrem Vater. Sie hat die gleichen ausdrucksstarken saphirblauen Augen. Sie ist ein richtiger Sonnenschein. Ihre großen Brüder lesen ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Sie beschützen sie und fallen jeden an, der sie auch nur leicht zu trietzen beginnt. Die Beiden erfüllen ihre Rolle als große Brüder sehr lobenswert. Naruto muss sich faktisch um nichts Sorgen machen. Hanzo ist inzwischen dreizehn Jahre alt und ein sehr verantwortungsbewusster Jüngling, der gerne auch mal die Führungsrolle übernimmt. Wegen seiner selbstbewussten Art und seinem entsprechenden Auftreten, blicken seine Geschwister zu ihm auf, während Hanzo selbst sich sehr an seinem Vater orientiert. Es hat lange gedauert, bis er seinem Vater uneingeschränkt vertrauen und ihn als Vorbild anerkennen konnte, wo Naruto doch vorher kaum für ihn da gewesen ist. Es war viel Geduld und Feinfühligkeit von Nöten, um eine wirklich enge Bindung zwischen Vater und Sohn entstehen zu lassen, von der fast schon angenommen wurde, dass sie gar nicht mehr entstehen kann. Naruto hat sich sehr bemüht und wurde dafür belohnt. Die drei Geschwister könnten gar nicht unterschiedlicher sein und doch sind sie allesamt zuverlässig und fleißig. Sie erledigen ihre Aufgaben nur sehr individuell und lassen ihren Eltern schon das eine oder andere graue Haar wachsen. Zur jetzigen Zeit befindet sich Hanzo mit seinem kleinen Bruder auf einer der großen Weidenflächen für das Vieh, welche mit saftigem Gras bewachsen sind und Bäume und Felsen als Schattenspender fungieren. Zwischen grasenden Schafen und einigen Hühnern erhält Minato einige Lektionen, in der Thematik Reiten. Während Hanzo auf festem Boden steht, dreht Minato um seinen Bruder herum Kreise und versucht dessen Anweisungen umzusetzen, was ihm aber nur mäßig gelingt. Er sitzt verkrampft auf dem Rücken des Pferdes und schafft es kaum sich aufrecht zu halten. Der Bursche hat sich das alles sehr viel leichter vorgestellt, als es in Wirklichkeit ist. Bei seinem Vater und seinem Bruder sieht das immer so einfach aus. Hastig greift Minato die Zügel nach und bemerkt dabei erneut, welch Schmerzen bereits in seinen Fingern stecken. Er kann diese kaum noch strecken und das erste Taubheitsgefühl breitet sich in seinen Fingerspitzen aus. Bestimmt dutzende Male hat Hanzo in den letzten Minuten zu ihm gesagt, dass er seine Hände nicht so verkrampfen soll und trotzdem umschließt der Bursche die Zügel durchgehend so fest, als würde sein Leben daran hängen. Die Stute beginnt leicht zu bocken, weswegen Hanzo schon einige Schritte auf seinen Bruder zu tätigt, da er die drohende Gefahr kommen sieht. „Halt dich gerade. Korrigiere sie mit den Versen, nicht mit den Zügeln.“ Eine ebenfalls schon mehrfach ausgesprochene Anweisungen, doch wenn Hanzo eines ist, dann ein äußert geduldiger Mentor, der kein Problem damit hat Dinge zum zehnten Mal zu sagen. Es ist aber nicht verwunderlich, dass diese Order nicht mehr umgesetzt werden kann, denn noch bevor Minato überhaupt die Zügel lockern oder seinen Sitz korrigieren kann, schlägt die Stute mehrfach aus, buckelt und steigt leicht in die Höhe. In den ersten Momenten gelingt es Minato noch sich auf dem Rücken des Tieres zu halten, doch bei einem erneuten Ausschlagen hebt es ihm aus seinem Sitz und er landet äußert unsanft auf dem staubigen Boden. Minato keucht schmerzhaft auf, als er den Bodenkontakt verspürt und ringt einen Moment lang um Atem. Erschrocken über diesen Anblick und mit der Befürchtung im Hinterkopf, dass sich sein kleiner Bruder ernsthaft verletzt haben könnte, läuft Hanzo zu ihm hin und beugt sich runter, wobei er seinem Bruder eine Hand auf den Rücken legt. Dieser kauert am Boden und mahlt angestrengt mit den Zähnen. Er macht keine Anstalten wieder auf die Beine zu kommen. Er ist frustriert und demotiviert. „Hast du dir was getan?“ „Ich habe keine Lust mehr.“ Hanzo seufzt erleichtert und schließt einen Moment die Augen, nachdem er absolut sicher ist, dass seinem jüngeren Bruder nichts passiert ist. Auf diese kapitulierenden Worte hingegen, schüttelt der dunkelhaarige Jüngling aber nur den Kopf. „Du kannst nicht erwarten gleich alles zu können. Was hast du dir denn vorgestellt? Du steigst auf und bist ein hervorragender Reiter?“ „Nein, aber ich wollte wenigstens nicht abgeworfen werden. Sie ist kein gutes Pferd.“ Empört schlägt Minato die Hand seines großen Bruders weg und funkelt ihn wütend an, wobei Tränen in seinen Augen stehen. Keine Tränen des Schmerzes, sondern vielmehr Tränen aus Enttäuschung und Wut. Das Ergebnis von Frustration und Selbstüberschätzung. Die utopische Wunschvorstellung in seiner kindlichen Fantasie, ist schon beim Aufsteigen in seine Einzelteile zersprungen. Hanzo seufzt etwas ratlos und lässt sich einfach auf dem Boden nieder, so dass er Minato gegenüber sitzt, der nur beleidigt auf den staubigen Boden blickt und an einigen trockenen Grashalmen herum zupft. Die bockende Stute hat sich inzwischen beruhigt und steht friedlich grasend, etwas abseits von den Geschwistern. Eine Weile blickt Hanzo seinen Bruder nur schweigend an, während dieser immer wieder grimmige Blicke zu der Stute wirft und ihr wohl ziemlich boshafte Dinge an den Hals wünscht. Eine ungerechtfertigte Wut auf ein unschuldiges Wesen. Aus diesem Grund schüttelt Hanzo erneut nur den Kopf und verschränkt ernst die Arme vor der Brust. „Es gibt keine schlechten Pferde, nur unfähige Reiter.“ Empört und gekränkt schaut Minato zu seinem großem Bruder, dessen Worte gar nicht authentischer hätten klingen können. Im Bruchteil eines Augenblickes wandeln sich die Wuttränen in bittere Tränen der Enttäuschung um. Es ist normal dass Menschen für Misserfolg erst bei anderen Faktoren den Fehler sucht, doch wenn jemand die eigene Unfähigkeit vorgehalten bekommt, dann ist das niederschmetternd. Das eigene Versagen ertragen zu müssen ist nur schwer zu meistern und wohl so manches mal auch schwer zu verstehen. Kritik bleibt nun mal Kritik, ganz gleich in welch konstruktive Worte diese auch verpackt werden mag und Kritik hört sich niemand gerne an. Traurig und mit bebender Unterlippe blickt Minato wieder auf den Boden und beginnt erneut damit an den trockenen Grashalmen herum zu spielen, ehe ein kleiner Stein seine Aufmerksamkeit zurück fordert, den Hanzo geworfen hat. Sein großer Bruder lächelt aufmunternd. „Minato, du erwartest zu viel von dir. Du bist zu verkrampft. Sie hat dich abgeworfen, weil du ihr wehgetan hast. Es geht beim Reiten nicht darum die Kontrolle über das Tier zu haben, sondern darum eine Einheit zu bilden. Die Zügel sollten für die gar nicht existieren. Du musst mit deinem Körpergewicht arbeiten. Suche ihren Rhythmus und passe dich daran an, alles andere ist sinnlos. Wenn du das schaffst, ist der Rest nur noch Nebensache.“ „Das versuche ich doch, aber ich kriege es nicht hin.“ „Ein Pferd ist ein Fluchttier, dass bei geringstem Anzeichen für Gefahr davon läuft. Wir verlangen von diesen Geschöpfen unglaublich viel, wenn wir uns auf ihre Rücken schwingen, wie es Raubtiere bei einem Angriff tun. Daher ist es umso wichtiger ihnen die Kontrolle zu lassen, ohne selbst die Kontrolle zu verlieren.“ Hanzo weiß, dass das ziemlich widersprüchlich klingen muss und sucht nach einer Möglichkeit seinem kleinen Bruder diese Worte irgendwie begreiflich zu machen. „Schließ' die Augen und stell dir jede Gangart von ihr genausten vor. Jede Muskelbewegung. Jeder Schritt. Überlege dir, wie du dich diesen Bewegungen anpassen kannst. Wie solltest du sitzen, wie dich halten? Wie kannst du zu einem Teil von ihr werden? Wie kannst du sie lenken, ohne ihren Willen zu brechen? Du musst es fühlen.“ Gehorsam und willig diese Hürde zu überwinden, tut Minato genau das, was sein großer Bruder von ihm verlangt. Er stellt sich jedes Detail vor und formt ein harmonisches Gesamtbild daraus. Der Bursche bemerkt gar nicht, wie er langsam zu lächeln beginnt und eine Selbstsicherheit ausstrahlt, wie sie ihm die ganze Zeit gefehlt hatte. Er war unsicher, kaum dass die erste Reitstunde begonnen hat. Angst und Unsicherheit sind Empfindungen, die unbewusst auf das Tier übertragen werden, welches unglaublich sensibel darauf reagiert und im schlimmsten Fall den Reiter abwirft. Ohne dass sein kleiner Bruder etwas davon mitbekommt, stemmt sich Hanzo in die Höhe und holt die Stute zurück, welche durch ein Schnauben die Aufmerksamkeit ihres Besitzer weckt. Die Stute ist ein Geschenk von von Naruto gewesen, der seinem Sohn damit einen sehr großen Wunsch erfüllt hat. Ein ruhiges ausgeglichenes Tier, mit fuchsfarbenem Fell, einer breiten Blässe von der Stirn bis zu den Nüstern und stolzer Körperhaltung. In Narutos Augen ist die Stute genau das richtige Pferd für seinen unerfahrenen Sohn, auf dem er schnell die Reitkunst erlernen wird und Minato hat sich auch sehr darüber gefreut. Er konnte es kaum erwarten auf dem Rücken des Tieres zu sitzen, doch dass ihm das Reiten so schwer fällt hat er nicht in Betracht gezogen. Der Bursche holt noch einmal tief Luft, um sich von dieser nervösen Anspannung zu befreien, als er erneut auf sein Pferd zu geht. Minato kann es nicht leugnen, dass er ein ganz anderes Gefühl hat, als er sich von seinem Bruder erneut auf die Stute heben lässt und sogleich den passenden Sitz findet. Er fühlt sich sicher und ruhig. Das nervöse Herzklopfen zu Beginn ist verschwunden und selbst wenn er darüber nachdenkt, hat er keinerlei Erwartungen an sich selbst oder an das Pferd. Er hält sich plötzlich an die Devise: Passieren lassen. Der blonde Spross nimmt die Zügel auf, wobei Hanzo schon jetzt eine Korrektur vornimmt, oder besser gesagt eine Hilfestellung tätigt. Er sorgt dafür dass sein kleiner Bruder zwar die Zügel in den Händen hält, sich jedoch hauptsächlich an der Mähne des Tieres festhält. Die Zügel sollen nicht existent sein. „Richte dich auf. Halte deinen Körper gerade, sei aber nicht angespannt. Winkel deine Beine leicht an und halte die Versen unten. Drücke deine Knie zusammen, so hast du einen sicheren Sitz. Wenn die Richtung ändern willst, arbeite mit deinen Beinen. Arbeite mit ihr und nicht gegen sie.“ Minato nickt verstehend und nachdem sein Bruder ein paar Schritte zurück gegangen ist, übt er nur ein minimalen Schenkeldruck aus, der vollkommen ausreichend ist dass sich das Tier mit gemütlichen Schritten in Bewegung setzt. Entspannt und ohne Druck gelingt es dem Jungen problemlos zwischen den Gangarten zu wechseln und das einzig und allein mit minimalen Beinarbeiten, die er selbst kaum wahrnimmt. Kein Scheuen und kein Bocken, nicht einmal ein Schnauben. Die Freude über diesen längst überfälligen Erfolg, lässt so auch nicht lange auf sich warten. Ein fröhliches, vielleicht auch etwas fassungslos klingendes Lachen hallt über die Weidefläche, während Hanzo nur stolz die Arme vor der Brust verschränkt und seinem kleinen Bruder beobachtet. Er hatte keine Sekunde lang daran gezweifelt, dass er das schafft. Jeder braucht nur unterschiedlich lange, um die Besonderheiten der Reitkunst wirklich zu verstehen. Diese Lehre ist, wie so vieles andere auch, bei den Indianern völlig anders, als bei den Siedlern. Dort geht es darum den Willen zu brechen. Das Tier gefügig machen und zu kontrollieren. Bei den Diné geht es um eine zwanglose Zusammenarbeit. Um ein Miteinander. Naruto ist ein hervorragender Reiter, der mit seinem Pferd auf eine Weise kommuniziert, die bisher keiner für möglich gehalten hat. Sie verstehen einander ohne irgendwelche Befehlsäußerungen. Ashkii wechselt die Richtung, noch bevor Naruto die Anweisung ausführen kann. Der Hengst lauert förmlich auf jedes kleinste Muskelzucken. Er reagiert auf einen bestimmten Pfiff, wenn sein Herr nicht in Sichtweite ist und beginnt damit nach ihm zu suchen. Die Beiden sind ein perfektes Team ohne dass der eine, den anderen kontrolliert. Mit seinem Vater als Vorbild vor Augen, hat Minato einfach viel zu hohe Ansprüche an sich selbst gehabt. Der dadurch entstandene Druck hat ihn vollkommen blockiert und jetzt reitet er, als hätte er nie etwas anderes getan. „Hanzo, was ist dahinten los?“ Überrascht von dieser Frage dreht sich der Angebrochene in Richtung des Dorfes und erkennt schnell, was sein kleiner Bruder gemeint hat. Zwischen den Stallungen und Hoganreihen herrscht Hektik. Verwirrt reitet Minato zu seinem Bruder und lässt sich vom Rücken der Stute gleiten, die ebenfalls recht nervös zu werden scheint. Sie scharrt mit den Hufen und schnaubt wiederholt. Würde Minato sie nicht an den Zügeln halten, würde sie wohl davon eilen und es ist nicht nur das Pferd, welches unruhig erscheint. Die Schafe laufen wild durcheinander und suchen ihr Heil in der Flucht. Die fehlende Umzäunung macht es ihnen da einfach. Die beiden Brüder sind zwar noch jung, doch solch ein Verhalten wissen sie längst zu deuten. Irgendetwas stimmt nicht und verängstigt Mensch und Tier gleichermaßen. Immer lauter werdendes Stimmgewirr, bringt Unruhe in die Umgebung. Die ersten Bewohner fliehen überstürzt aus dem Dorf und reiten oder laufen kopflos durch den Canyon. Einige stürmen an den Brüdern vorbei, die nur ratlos der flüchtenden Menge hinterher schauen und dann wieder zum Dorf blicken. „Was … was ist denn los?“ Unsicher und verängstigt blickt Minato einem guten Freund von sich hinterher, der mit seiner Familie überstürzt an ihm vorbei läuft und ihm nur einen kurzen angstvollen Blick zuwirft. Seine Mutter zerrt ihn förmlich hinter sich her, während sie mit der anderen Hand einen wenige Wochen alten Säugling an sich drückt. Mit einem zitternden Körper drängt sich Minato an seinen Bruder und klammert sich mit seiner freien Hand an dessen Hemdsaum fest, wobei er immer noch seinem Freund hinterher schaut. Eine Antwort auf diese berechtigte Frage, kann ihm Hanzo aber auch nicht geben. Er zuckt ahnungslos mit den Schultern und blickt den fliehenden Menschen ebenfalls hinterher, ehe er wieder in Richtung des Dorfes blickt. Er hat die Hoffnung, die Ursache für diese Massenhysterie zu entdecken, doch stattdessen sieht er in einer erneut heran schwappenden Flüchtlingswelle seine Mutter, mit seiner kleinen Schwester auf den Armen heran eilen. In ihrem Gesicht kann er Angst und tiefe Sorge ablesen, doch der Grund dafür ist ihm noch immer vollkommen unbekannt. Er macht einige Schritte auf sie zu und als sie nahe genug an ihm dran ist, wird aber sogleich von seiner Mutter am Arm gepackt und zurück zu der Fuchsstute gezogen, die nervös auf der Stelle tänzelt. „Ihr müsst hier weg. Jetzt, sofort!“ Wie ein gehetztes Tier erscheint sie und ihre sonst so ruhige, sanfte und liebevolle Stimme klingt wie eine falsch gespannte Gitarrenseite. Es ist mehr ein Krächzten, als ein Sprechen. Hanzo versteht die Welt nicht mehr. „Warum? Was ist denn?“ Energisch scheucht Hinata ihren ältesten Sohn auf den Rücken der Fuchsstute, drückt ihm ebenso hastig die völlig eingeschüchterte Kushina in die Arme und schwingt zum Schluss noch Minato auf das Tier, so dass dieser sich am Rücken seines Bruders festklammern muss, um nicht herunter zu fallen. Sie blickt immer wieder zum Dorf zurück. Es ist trotz der Entfernung deutlich zu erkennen, dass sich viele der Männer auf einen Kampf vorbereiten. Sie greifen zu den Waffen und stürmen nach vorne, anstatt davon. Noch immer ist sie ihrem ältesten Sohn eine Antwort schuldig, doch noch bevor sie sich überhaupt eine plausible Erklärung für das ganze Geschehen überlegen kann, fallen auch schon die ersten Schüsse und schrecken jedes Lebewesen auf. Die Stute steigt leicht und Hanzo hat seine liebe Mühe sie ruhig zu halten. Er ist entsetzt über das, was sich gerade in seiner Heimat abspielt und blickt zu seiner Mutter runter, die bei den Schüssen herum gewirbelt ist und sich erst jetzt wieder zu ihren Kindern umdreht. „Bring deine Geschwister hier weg. Reitet zu den Höhlen und kommt auf keinen Fall hier her zurück.“ „Aber... was ist mit dir? Das waren Schüsse.“ „Wir sehen uns wieder. Tu was ich dir sage. Wartet auf euren Vater. Er wird kommen.“ „Mama -“ „Jetzt geht schon! Beeilung. Mwen renmen ou.” „Wir dich auch.“ Zögernd und widerwillig treibt Hanzo die Stute schließlich an und folgt der, nun in aller Panik flüchtenden Masse. Dass er den Gedanken, seine Mutter zurück lassen zu müssen, nicht einfach so abschütteln kann, sorgt für ein unerträgliches Gefühl in seinen Innereien. Er beißt sich energisch auf die Unterlippe, so dass er bereits sein eigenes Blut schmecken kann. Seine Geschwister weinen und am liebsten würde er dem schmerzenden Klos in seinem Hals einfach nachgeben und ebenfalls den Tränen freien Lauf lassen. Tränen aus Wut und Verzweiflung. Er hatte all die Jahre gehofft, dass dieser Krieg sie hier nicht finden würde. Er hatte wirklich gedacht es wäre vorbei und jetzt sind sie plötzlich wieder da. Wieder wird er aus seinem Zuhause gejagt und wieder müssen sie sich verstecken. Sie fliehen dieses mal nur nicht zusammen. Hinata bleibt mit vielen anderen aus dem Dorf zurück, um den anderen Zeit zu verschaffen. Sie stellen sich einer Übermacht, mit dem Wissen nicht gewinnen zu können. Sie opfern sich für die anderen und blicken damit dem Tod direkt in die Augen. Mit einem tiefen Luftholen wendet sich Hinata von ihren Kindern ab und sich der nährenden Gefahr zu, die in Form von Soldaten, die wie ein Unwetter über sie alle hereinbrechen. Ein Angriff aus dem Nichts. Ohne Vorwarnung. Ohne irgendwelche Verhandlungen. Ein Vernichtungsschlag und was bleibt ist das Flehen, dass ihren Kindern nichts passieren wird. Bei den Höhlen handelt es sich nicht um ein vorher ausgesuchtes Versteck, welches im Notfall aufgesucht werden soll, sondern vielmehr um einen Ort, an dem die beiden Brüder sich immer wieder zum gemeinsamen Spiel aufhielten. Ein Tunnelsystem, welches tief in den Canyon hineinführt und den beiden Jungs am besten vertraut ist. Für Außenstehenden sind die weit verzweigten und engen Abschnitte mit einem Labyrinth zu vergleichen, doch sie kennen jeden Stein in diesem Gebilde. Ein Spielplatz, welcher in Zeiten der Not zu einem Versteck wird. Vorher haben sie hier ihrem Echo gelauscht, als Krieger Schlachten gegeneinander geführt, Schätze gesucht und absichtlich viel Krach gemacht, um zu erfahren wie es klingt. Jetzt sitzen die Geschwister ängstlich im Dunkeln und lauschen ihrem Herzschlag, den sie am liebsten unterdrücken würden, aus Angst er könnte ihn in den Gängen gehört werden. Es ist beängstigend, wie schnell das eigentlich friedliche Leben aus dem Gleichgewicht gerät. Es ist, als hätten sie die ganze Zeit in einer riesigen Blase gelebt und nur ein winziger Augenblick hat gereicht um diese Blase zum zerplatzen zu bringen. Mit äußerster Vorsichtig wagt Hanzo einen überprüfenden Blick außerhalb der Höhle, doch viel erkennen kann er bei der Dunkelheit nicht mehr. Das einzige Licht rührt vom Vollmond her, welcher alles in einem silbrigen Schein glänzen lässt. Gefahren kann der Jüngling nicht ausmachen, weswegen er sich weiter hinaus wagt und in die nächtliche Stille hinein lauscht. Kein verräterischer Laut erklingt in seinen Ohren, stattdessen sind es nur die ihm altbekannten Tierlaute. Niemand lauert in der Dunkelheit auf sie, weswegen er seine Vorsicht zum Großteil weichen lässt und die frische Luft einatmet. Noch immer spürt er dieses Zittern in seinen Fingern und diese nagende Angst um seine Mutter. In seinem Kopf spielen sich die schlimmsten Bilder ab, denn er weiß was Soldaten unter anderem mit den Frauen der Indianern anstellen. Sie fallen über sie her, wie Tiere. Quälen und misshandeln sie auf die abscheulichste Weise, welche die Vorstellungskraft produzieren kann. Er kann die Schreie seiner Mutter förmlich hören und dann diese Bilder ... Hecktisch schüttelt er seinen Kopf um diese Schreckensszenarien zu verbannen, als er eine Berührung an seiner Hand vernimmt und somit seitlich an sich herunter schaut. Seine kleine Schwester klammert sich mit beiden Händen an seiner fest und blickt aus traurigen und ängstlichen Augen zu ihm auf, während Minato völlig apathisch an der Höhlenwand lehnt, seine Beine umschlungen hat und mit weit aufgerissenen Augen in eine völlige Leere starrt. Seit sie die Höhle betreten haben, sitzt er so da. „Ich habe Hunger, Hanzo.“ Hanzo seufzt und wirft einen besorgten Blick auf seinen Bruder, ehe er in die Hocke geht und seiner Schwester mit einem beruhigenden Lächeln auf den Lippen, kurz durch die dunklen Haare streicht. Er würde den Beiden so gerne sagen dass alles wieder gut wird, aber daran glaubt er selber nicht mal. Sie haben Angst und haben im Moment nur ihn. Er ist plötzlich in einer Rolle, die ihm bis zu diesem Augenblick völlig fremd gewesen ist. Ohne jede Vorwarnung ist er plötzlich nicht mehr nur ein großer Bruder, sondern muss auch seine Eltern ersetzen und hat dabei überhaupt keine Vorstellung davon, wie er das anstellen soll. Wie soll er auf einen traumatisch geschädigten und apathischen Bruder eingehen? Wie soll er seinen kleinen Schwester verdeutlichen, was dort passiert ist ohne sie ebenfalls zu traumatisieren? Wie soll er sich selbst Mut machen und als Stütze für seinen jüngeren Geschwister fungieren? Er wünscht sich in diesem Augenblick nichts sehnlicher, als dass irgendeiner von seinen Eltern bei ihnen wäre. Solange wie das nicht der Fall ist, muss er den starken, großen Bruder spielen, obwohl er sich am liebsten neben Minato setzen würde. Er muss ihnen etwas vorspielen, weswegen er weiterhin lächelt und in die Augen seiner Schwester schaut. „Warte hier bei Minato. Ich gehe Brennholz suchen. Ich komme ganz schnell wieder zurück.“ Kushina nickt nur und eilt zu ihrem Bruder, der auch noch immer keine Regung zeigt, als sie sich eng an ihn schmiegt. Das war einfach zu viel für ihn, weswegen Hanzo nur ratlos seufzt und die Höhle schließlich verlässt. Er entfernt sich nicht zu weit und sammelt dabei soviel Holz, wie er auf einmal tragen kann, ehe er auch schon wieder zurück geht und das Geäst aufeinander schichtet. Als Zunder benutzt er trockenes Gras und nach einigen Mühen gelingt es ihm schließlich ein Feuer zu entfachen. Er wagt es jedoch nicht, eine lodernde Feuersbrunst zu kreieren. Zu groß ist das Risiko, dass Soldaten den Rauch oder gar die Flammen entdecken könnten. Er hält die Flammen klein, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, doch zum aufwärmen reicht es, weswegen kaum ein Augenblick vergeht bis Kushina sich an die Feuerstelle setzt und ihre kleinen Hände an die aufsteigende Hitze hält. Minato bleibt noch immer an Ort und Stelle sitzen, was Hanzo nur mit einem kurzen Blick quittiert. Immer noch ratlos, wie er damit umgehen soll, geht er auf seinen kleinen Bruder zu und kniet sich direkt vor ihm. Obwohl er so nun direkt im Sichtfeld von Minato sitzt, hat Hanzo dass Gefühl als würde dieser geradewegs durch ihn hindurch schauen. Ein erschreckendes Empfinden, bei dem er hart schlucken muss. Zögernd legt Hanzo seinem kleinen Bruder eine Hand auf die Schulter und sucht fast schon verzweifelt nach dessen Blick. Selbst bei diesem Körperkontakt bleibt sein Körper ohne jede Regung. Nicht einmal ein Blinzeln huscht über sein Gesicht. „Ich versuche was zu Essen aufzutreiben. Du musst so lange auf Kushina aufpassen, ja?“ Keine Reaktion. Kein Nicken … kein Wort. Egal wie lange Hanzo vor ihm hocken bleibt, er erhält kein Verständnis und wird dadurch in seinem Umgang mit Minato nur noch unsicherer. Er weiß einfach nicht, was er tun könnte. Soll er ihm doch sagen, dass alles gut wird und das ihr Vater bestimmt bald wieder bei ihnen sein wird? Ohne ein weiteres Wort und mit nun zusätzlich aufkeimender Frustration in seiner Brust, stemmt er sich wieder in die Höhe und verkündet seiner Schwester ebenfalls, wieso er die Höhle verlässt und dass er schnell wieder zurück kommen wird. Es widerstrebt ihm die Beiden in diesem Zustand alleine zu lassen, doch er entdeckt keine Alternative. Natürlich könnte er Fallen aufstellen, doch dabei gibt es keine Garantie tatsächlich einen Erfolg verzeichnen zu können, weswegen er sich gezwungenermaßen auf den Weg zurück zum Dorf macht. Kommt auf keinen Fall hierher zurück. Das waren die eindringlichen Worte seiner Mutter, die ihm zwar sehr präsent in den Ohren widerhallen, aber trotz aller Gefahr von ihm übergangen werden. Seit einer gefühlten Ewigkeit hält Hanzo sich nun im Schatten einiger Felsen und Bäume auf und beobachtet sein ausgestorbenes Zuhause. An zahlreichen Stellen züngeln Flammen empor und selbst aus dieser Entfernung glaubt er den Geruch von Tod und Blut vernehmen zu können. Auf der Weidefläche, wo er Stunden zuvor seinem Bruder das Reiten beigebracht hat, liegen tote Schafe und Pferde. Erschossen, niedergestochen oder niedergetrampelt. Schaurige Bilder, die sich sonst nur in den Albträumen manifestieren. Es sind aber nicht nur leblose Tierkadaver, die er ausmachen kann sondern auch leblose Körper von Dorfbewohnern liegen dazwischen und dieser Anblick ist es, welcher ihm die Kehle zuschnürt. Er wagt es nicht einmal einen flüchtigen Blick auf irgendeinen von ihnen zu richten, als er die Stute endlich antreibt, aus Angst einen von ihnen wieder zu erkennen. Sein bester Freund könnte hier liegen oder ein Nachbar. Gedanken, die eine tiefe Übelkeit in ihm auslösen und welche weitere Schreckensbilder produzieren. Bei dem Anblick der Weidefläche hat er den Glauben gehabt, dass es schlimmer nicht mehr werden kann, doch dies muss er überdenken, kaum dass er die ersten zerstörten Hogan passiert. Überall Spuren eines erbitten Kampfes. Blutpfützen. Leichen überall und eine Zerstörung, wie nach einem erbarmungslosen Sturm. Der Gestank von verbranntem Fleisch, Blut und Schießpulver treibt ihm die Galle nach oben und lässt die Übelkeit noch schlimmer werden. Mit dem Gefühl, sich übergeben zu müssen, steigt Hanzo von dem Pferd und wickelt die Zügel locker um einen Anbindepfosten, der nur eine gering füge Beschädigung aufweist, ehe er zu Fuß durch sein früheres Zuhause schleicht. Langsam und mit großer Vorsicht beschaut er sich das, was von dem Dorf noch übrig geblieben ist. Er steigt über Leichen, Trümmer und Tierkadaver, während Asche durch die Luft wirbelt. Er setzt einen Fuß vor den anderen und weigert sich, auch nur einen Toten näher zu betrachten. Wie in tiefer Trance wankt er zu dem Hogan, in dem er mit seinen Eltern und Geschwistern lebte, doch nun ist es nicht mehr als ein eingestürztes Gebilde aus Erde, Lehm und verkohlten Baumstämmen. Es erscheint ihm, als würde irgendeine Macht den Boden unter seinen Füßen Stück für Stück entfernen, bis er sich in einem nie enden wollenden freien Fall wieder findet. Betrübt lässt Hanzo seinen Blick über das Chaos gleiten, ohne sich dabei auf der Suche nach etwas zu befinden. Was schließlich seine Aufmerksamkeit weckt, liegt unter einem halb abgebrannten Holzbalken und gehört eigentlich in den Besitzt seiner Schwester. Es ist eine handgroße Puppe, gefertigt aus einem Stück Rinderleder und gefüllt mit Schafswolle. Sie trägt einen kleinen Poncho, den Hinata mit liebevoller Fingerarbeit gefertigt und perfektioniert hat. Die Puppe ist an manchen Stellen angesengt und auch der Poncho ist sichtbar beschädigt dennoch ist es Glück, dass dieses Spielzeug seiner Schwester nicht vollkommen in Flammen aufgegangen ist. Vielleicht schafft er es damit ihr wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. Er sieht sie gerne lächeln. Seufzend nimmt sich Hanzo der Puppe an und setzt seinen Weg fort, wobei jedes Knacken, Knistern oder Brechen ihn aufschrecken und umher wirbeln lässt. Er ist angespannt, schreckhaft und besitzt nur einen oberflächlichen Blick für die Umgebung. Obwohl er Lebensmittel besorgen wollte, hat er danach noch nicht einmal Ausschau gehalten. Hanzo verengt die Augen und starrt auf einen in der Ferne liegenden Körper, ehe er erschrocken auf keucht. Er hastet zwischen zertrümmerten Töpferwaren und schmorenden Holzplanken vorbei, ehe er vor der leblosen Gestaltet auf die Knie fällt und diese mühsam auf den Rücken dreht, in der stillen Hoffnung sich zu irren. Eine Hoffnung, die wie Glas zerspringt, als er in das blutige Gesicht seines Großvaters schaut, der aus toten Augen in ein endloses Nichts starrt. Der ganze Körper ist voller Blut und er fühlt sich so schrecklich kalt an, wie frisch gefallener Schnee. Fassungslos und ungläubig berührt Hanzo mit den Fingerspitzen eine nicht blutige Stelle im Gesicht seines Großvaters und flüstert dabei Granpè, als hätte er Angst davor Hiashi aus einem tiefen Schlaf zu reißen. Im Grunde sagen die ausdruckslosen Augen schon mehr als tausend Worte und trotzdem beugt sich Hanzo zu seinem Großvater herunter und legt ein Ohr auf dessen Brust, um einen Herzschlag feststellen zu können. Eine Hoffnung die von der Wirklichkeit mit Füßen getreten wird. Kein Herzschlag erklingt in seinem Ohr und gibt ihm zu verstehen, dass es keinen Grund zum hoffen gibt. Sein Großvater ist tot. Getötet von Soldaten, die einfach über sie hergefallen sind, wie Raubtiere. Sein Großvater. Das Oberhaupt dieses Dorfes. Immer ernst und pflichtbewusst, doch gleichzeitig auch liebevoll und fürsorglich. Er hatte immer eine Geschichte für seine Enkelkinder parat und brachte ihnen viele nützliche Dinge bei. Er lächelte jedes mal, wenn er sie sah und war so stolz auf sie. Hanzo fühlt sich wie gelähmt, während er in die glanzlosen Augen seines Großvaters starrt und dabei die brutal zugefügten Verletzungen gar nicht wahrnimmt. Sie müssen immer wieder auf ihn eingeschlagen haben, bevor sie ihm die erlösende Kugel zwischen die Augen platziert haben. Er wurde gequält und gedemütigt, bevor sie ihn erschossen. Unfähig zu irgendeiner Empfindung oder einem logisch erscheinenden Gedanken, stemmt sich Hanzo wieder in die Höhe und versucht vergebens, sich das Blut von seinen Händen zu streichen. Immer wieder streicht er sich deswegen über sein Oberteil, doch die halb getrocknete Körperflüssigkeit heftet sich an seine Haut wie Baumharz. Sein ganzer Körper fühlt sich taub an, als er sich von diesem Anblick abwendet und sich einen Weg durch die zahlreichen Leichen und den Schutt bahnt, bis er sich eine kleine Tasche aus Hirschleder greift, die unter einem eingestürzten Holzhaufen hervorlugt bevor er in den verwüsteten Obstgärten nach noch essbaren Lebensmitteln sucht. Viele der mühsam angepflanzten Gemüsearten sind zertrampelt oder noch so unreif, dass sie nicht genießbar sind. Wie viel Zeit genau er damit verbringt, die noch verbliebenen Lebensmittel zu sammeln, weiß er nicht, doch während er durch die Gemüsegärten streift, immer wieder in der Erde herum gräbt und Gefundenes in der Tasche verstaut, laufen ihm unentwegt stumme Tränen über sein Gesicht. Erst als er über das Bein eines toten Soldaten stolpert und zu Boden geht, kauert er sich zusammen und beginnt hörbar zu schluchzen. Sein Großvater ist tot. Seine Freunde sind weg und seine Mutter entführt, während sein Vater nicht auffindbar ist. Er will zu seinen Eltern. Er will, dass sie ihn und seine Geschwister beschützen. Sie sollen ihn in den Arm nehmen und ihm sagen, dass alles wieder gut wird. Er will, dass das alles hier nicht wahr ist. Es soll nicht wahr sein. Zitternd starrt Hanzo zu Boden und streicht über den Staub unter seiner Hand, als wolle er sicher gehen wirklich im Hier und Jetzt zu sein. Ist es wahr? Ist er wirklich hier? „Wach auf! Wach auf, verdammt!“ Verzweifelt haut sich der Jüngling immer wieder mit der flachen Hand gegen seinen Kopf, während er am Boden kniet. Diese schmerzende Prozedur wiederholt er mehrfach, sobald er feststellt, dass er noch immer in dieser Szenerie gefangen ist. Am Boden kniend zwischen Toten, in mitten seines völlig zerstörten Zuhauses. Sie verschwinden nicht aus seinem Blick und niemand kommt mit den beruhigenden Worten zu ihm, dass das alles nur ein Albtraum gewesen ist. Irgendwann, nach zahlreichen Schlägen gegen seinen Kopf und den damit verbundenen Schmerzen, muss er einsehen dass diese Bilder der Richtigkeit entsprechen. Er erlebt all diese Dinge wirklich und befindet sich somit nicht in einem Gebilde seiner dunklen Fantasie. Diese Erkenntnis trifft ihn wie ein Hammerschlag, so dass sich neue Tränen in seinen Augen sammeln. Fahrig wischt sich Hanzo über seine Augen und dreht sich zu dem toten Soldaten um, über dessen Bein er zuvor gestolpert und zu Boden gegangen ist. Ein älterer Mann, mit dicht gewachsenen Schnauzer. Klein, aber dafür sehr breitschultrig und mit durchgeschnittener Kehle. Auch sein Leben fand ein sehr grausames Ende, doch Mitleid empfindet Hanzo deswegen noch lange nicht. Das Einzige, was ihn bei diesem Anblick schockiert, ist die große Menge an Blut. Den Revolver, welchen der Tote noch immer in seiner Hand umklammert hält, nimmt Hanzo ihm schließlich ab und überprüft sogleich Funktionsfähigkeit, wie auch die Munition. Die anderen verstreut umher liegenden Waffen, weisen sichtbare Beschädigungen auf, oder sind leer geschossen. Es fällt ihm ungewöhnlich schwer die Trommel des Revolvers zu öffnen, weil seine Finger so stark zittern dass er kaum die Waffe halten kann, doch schließlich gelingt es ihm. Drei Kugeln stecken noch in der Trommel. Naruto hat ihm den Umgang mit einem Revolver als auch mit einem Gewehr beigebracht und laut seiner Aussage, steckt ein sehr guter Schütze in dem Jungen. Drei Kugeln sollten also im Ernstfall Abhilfe schaffen können ... wenn er das Ziel auch trifft. Mit einem geräuschvollen Hochziehen der Nase hebt er die Tasche mit den Lebensmitteln wieder vom Boden auf und geht zurück zu der Stute. Zwei Tage später Seine Schritte wirbeln eine kleine Staubwolke auf, als er sich vor den Leichnam seines Schwiegervaters stellt und diesen mit getrübten Blick betrachtet, ebenso wie er es mit allen anderen Eindrücken gemacht hat. Diese Zerstörung ist einschüchtern und eindrucksvoll zugleich und so viele tote Stammesmitglieder hat er nicht erwartet. Hunderte von Toten, darunter auch viele Kinder, prägen das Bild der Umgebung und machen einen einfach nur sprachlos. Mit solch einem Anblick hat er nicht gerechnet. Befürchtet hat er es durchaus, aber seine Vorstellungskraft war unfähig ein solches Blutbad zu produzieren. Seufzend geht er in die Hocke und legt dem Toten ein altes Tuch auf das beinahe graue und leblose Gesicht, ehe er seinen Blick noch einmal über die Umgebung schweifen lässt. Sein Leben liegt in Trümmern zu seinen Füßen. Es ist einfach alles zerstört. Fahrig streicht er sich durch sein verschwitztes Gesicht und schließt für einen Moment betend die Augen. Wo ist seine Familie? Seine Kinder und seine Frau? Wurden sie verschleppt, liegen sie bei den Toten oder konnten sie fliehen? Ihre Behausung gibt es nicht mehr und unter den ganzen Leichen hat er sie noch nicht ausfindig machen könnten. Mit einem erneuten Seufzen und stimmloser Lippenbewegung hebt er seinen Blick erneut an, bis er in jeder Bewegung verharrt und sich sogar das Blinzeln verbietet. Rauchschwaden. Kaum wahrnehmbar und so leicht, dass sie auch für eine Illusion gehalten werden könnten. Es ist jedoch keine Einbildung. In der Ferne über den Baumkronen steigt eindeutig Rauch empor, der seinen Herzschlag sprunghaft beschleunigt. Die Hoffnung keimt in ihm auf und veranlasst ihn dazu, sich wieder in die Höhe zu stemmen und mit seinem Pferd den Weg fortzusetzen. Hanzo hat sein Zeitgefühl verloren. Es kommt ihm vor, als würden sie sich seit Wochen in dieser Höhle aufhalten und dabei dürften es in Wirklichkeit nicht mehr als zwei oder drei Tage sein. Sie harren aus und warten. Warten darauf, dass ihr Vater sie findet, so wie es Hinata ihnen zugesichert hat. Warten darauf dass er die Aufgabe des Beschützers seiner Kinder annimmt und jede weitere Gefahr mit Leichtigkeit abwehrt. Naruto ist für seine Kinder schlicht und einfach der größte, stärkste und beste Vater auf der ganzen Welt. Niemand kann ihn besiegen und keine Herausforderung ist ihm zu schwer. Ein solch naives Denken mag zutreffen, wenn die Kinder noch klein sind. Wenn sie sich in einem Alter befinden, wie Minato und Kushina. Hanzo jedoch fing gerade damit an seinen Vater als ein fehlbares Wesen zu begreifen, welches auch natürliche Grenzen besitzt. Er fing gerade an erwachsen zu werden und doch ist er plötzlich in einer Situation, in der er sich wieder hinter seinem Vater verstecken und ihm die Probleme überlassen möchte. Diese schützende Vaterhand, unter der sich alle Gefahren harmlos anfühlen. Der Junge Indianer würde vieles dafür hergeben, wenn er aus dieser, für ihn ungewohnten Beschützerrolle entfliehen könnte. Er weiß gar nicht, wie er die letzten Tage gemeistert hat. Er funktioniert einfach irgendwie. Er tröstet seine Schwester, wenn die Sehnsucht nach der gemeinsamen Mutter zu groß wird. Er kümmert sich um Minato, den er zum trinken und essen zwingen muss und sorgt für Sicherheit in der umliegenden Umgebung. Er geht jagen und stellt Fallen auf. Er hat seinen kleinen Geschwistern ein provisorisches Zuhause errichtet und hofft insgeheim doch dass sie es bald mit ihrem Vater wieder verlassen können. Dieser Druck und diese unausgesprochene Erwartung, lassen Hanzo die Nächte kaum durchschlafen. Meistens liegt er wach und blickt starr zur Höhlendecke empor. Er findet einfach nicht zur Ruhe. Seine Gedanken laufen immer auf Höchstleistung. Immer vom schlimmsten Fall ausgehend und immer nachprüfend, ob er wirklich an alle Einzelheiten gedacht hat. Hanzo verschafft sich keinen Freiraum, keine Ruhe. Er treibt sich selbst an seine Grenzen und darüber hinaus und so ist es kaum verwunderlich, dass er auch in diesem Moment wieder dabei ist ein benötigtes Feuer zu entfachen, nachdem das vorher gegangene erloschen ist. Er hat nicht aufgepasst und nun muss er es wieder irgendwie zum brennen bekommen. Er hat es geschafft aus dem nahegelegenen Fluss ein paar Fische zu fangen. Kein sehr großer Fang, aber ausreichend um den quälenden Hunger zu stillen. Hanzo beherrscht die Grundlagen um auch ohne Dorfgemeinschaft überleben zu können. Er kann Fallen aufstellen, Tiere häuten und zerlegen, Spuren lesen, Feuer machen und noch einige Dinge mehr. Er ist darin nur nicht sehr geübt, weswegen gewisse Vorgehensweisen ziemlich viel Zeit in Anspruch nehmen. Am heutigen Abend will es ihm beispielsweise einfach nicht gelingen ein Feuer zu entfachen. Der Zunder will nicht brennen und dabei hat er das trockenste Gras genommen, was sich finden lassen konnte. Die Frustration wächst, mit jedem weiteren vergeblichen Versuch. Wenn sein Vater hier wäre, dann könnten sie schon längst essen. Hanzo hat oft schon das Gefühl gehabt, dass Naruto nur mit den Finger schnipsen muss und schon züngeln sich die Flammen durch das Holz. Bei seinem Vater sehen so viele Dinge leicht aus. Resigniert kniet sich der Bursche vor die Feuerstelle und blickt auf seinen Fischfang. Er weiß nicht genau warum, aber ihm steigen plötzlich Tränen in die Augen, die er schließlich energisch weg wischt. Er kann nicht einmal mehr zählen, wie oft er in den vergangenen Tagen einfach nur weinen wollte und erneut ist er wieder in der Stimmung dazu. Er tut es aber nicht. Er zwingt sich selbst dazu die Tränen zu verschließen und so bleibt ihm nichts weiter übrig, als einen erneuten Versuch zu unternehmen. Ein Seufzen entwicht seiner Kehle, ehe er den Zunder wieder zurecht legt. Für einen winzigen Augenaufschlag richtet er seinen Blick in die Ferne, ehe er auch schon hastig auf die Beine springt und nach dem Revolver greift. Er trägt die Waffe immer an seinem Körper, um auf das Schlimmste vorbereitet zu sein und hofft zeitgleich dass eben dieser Fall niemals eintreten wird. Er war noch nie in der Situation jemanden töten zu müssen und obwohl es bei den Erwachsenen so aussieht, als würde es ihnen nicht ausmachen ein Leben auszulöschen, so weiß er von seinem Vater, dass es niemals Spaß machen sollte und das es einen ein Leben lang verfolgen wird. Das hat sein Vater ihm immer eingebläut und es so oft wiederholt, dass Hanzo schon genervt davon war. Bei dem Anblick, der sich ihm nun bietet, wirbeln seine Gedanken umher während er den Revolver empor hält, bereit jederzeit abzudrücken. Er wird schießen, wenn es nötig sein sollte – zumindest redet er sich das ein. Er hat noch nie auf einen anderen Menschen geschossen. Die untergehende Sonne blendet ihn und so kann er nicht mehr als die schemenhafte Gestalt eines Reiter erkennen, der sich seinen Weg auf sie zu bahnt. Seine Unruhe steigt exorbitant an, weil er unter diesen Bedingungen nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden kann und daher rückt er ein Stück weiter vorwärts und versucht möglichst selbstsicher zu klingen. „Wer ist da?“ „Tout bon. Ich bin es.“ Er kennt diese Stimme. Unter tausenden würde er sie heraus hören und so durchfährt es ihn wie ein Schlag, als er sie in seinen Ohren vernimmt. Seine Hand, mit der er noch immer den Revolver erhoben hält, beginnt so stark zu zittern, dass die Waffe ihm beinahe seinem Griff entgleitet. Ein schmerzender Klos verfestigt sich in seinem Hals, während die Umrisse des Reiters immer deutlicher werden und dieser sich schließlich aus dem Sattel gleiten lässt, nachdem er sein Reittier gestoppt hat. Sie sind nur weniger Schritte voneinander entfernt und erst als der Mann noch ein wenig auf ihn zukommt, erkennt Hanzo endlich das Gesicht seines Vaters. Die blauen Augen, die blonden Haare, welche vorwitzig unter seinem Hut hervorschauen. Diese markanten, auf der einen Seite hart und auf der anderen Seite weich wirkenden Gesichtszüge. Die von der Sonne gebräunte Haut und die blonden Bartstoppeln, welche Kinn- und Wangenpartie bedecken. Noch nie war Hanzo über die Anwesenheit seines Vaters so erleichtert und erfreut. Es fühlt sich an, als würde ihm eine tonnenschwere Last von den Schultern genommen werden. Er kann kaum glauben dass Naruto wirklich vor ihm steht, weswegen er noch immer die Waffe auf seinen Vater gerichtet hält. Ein kleiner Teil in seinem Inneren befürchtet sich das alles bloß einzubilden, weil die Sehnsucht so unendlich groß ist. Eine Halluzination oder eine geisterhafte Erscheinung, die mit dem nächsten Blinzeln verschwindet. Naruto lächelt leicht, als er mit beiden Händen die erhobene Hand seines Sohnes umfasst und diese nach unten drückt. Es ist nicht ganz ungefährlich direkt auf jemanden zu zugehen, der seine Hand kaum ruhig halten kann und dabei mit einer Waffe zielt. Schon oft hat sich dadurch ein versehentlicher Schuss gelöst, der jemanden anderen getötet hat, dessen Tod gar nicht beabsichtigt gewesen ist. Der Jüngling starrt seine Vater eine gefühlte Ewigkeit an. Seine Unterlippe beginnt zu zittern und gegen die Tränen will er in diesem Moment auch nicht ankämpfen. Mit einem dumpfen Laut fällt die Waffe auf den Boden und Hanzo wirft sich mit einem erleichterten Aufschrei regelrecht auf seinen Vater und klammert sich an ihn, als wenn er befürchtet ihn gleich wieder zu verlieren. In seinem Inneren tobt ein Gefühlsgemisch aus Erleichterung und der Angst, dass Naruto gleich wieder gehen könnte. Es kommt zu oft vor, dass der dreifache Vater seine Familie zurück lässt und über Wochen verschwindet. Was genau er in diesem Zeitraum macht, weiß keiner und niemand fragt nach. Hanzo weiß nur, dass sein Vater an aktivem Waffenschmuggel beteiligt ist und auch andere Indianerstämme mit diesen ausrüstet. Auch diese Reise hatte damit zu tun und Reisen dieser Art haben sich in den letzten Jahren gehäuft, weil die Konflikte der Indianer und Siedler nicht mehr messbares Ausmaße annehmen. Eine zusätzliche Einnahmequelle stellt natürlich der tobende Bürgerkrieg dar, an dem sich aber nicht nur Naruto bereichert. Diese Angst, er könne wieder gehen, ist also nicht ganz ungerechtfertigt. Eine Angst, die aber schnell abschwächt, als Naruto die Arme um seinen Sohn legt und ihm beruhigend durch die schwarzen Haare streicht. Es ist keine Wahnvorstellung als Endprodukt seiner Sehnsüchte. Ihr Vater ist tatsächlich gekommen. Er ist wieder da. Genau wie Hinata es ihren Kindern zugesichert hat. Er ist zurück an der Seite seiner Kinder, die ihn nun mehr den je brauchen. Binnen eines einzigen Momentes hasten Kushina und Minato ebenfalls heran und werfen sich auf ihren Vater. Das erste Mal seit dem Überfall, ist Minato aus seiner vegetativen Erstarrung erwacht und weint nun bittere Tränen, die wohl so ziemlich jedes Gefühl widerspiegeln, was in seinem Inneren tobt, während er sich an seinen Vater klammert und in dessen Oberteil hinein weint. Es spielt in solch einem Moment keine Rolle, wie lange diese Szenerie anhält und während sich Hanzo schließlich wieder beruhigt und von seinem Vater ablässt, weigert sich Kushina ihren Vater auch nur für einen kurzen Augenblick los zu lassen. Selbst Minato ist nicht bereit, von seinem Vater abzulassen. Ein Paar zusätzliche Arme wären in solchen Situationen wirklich hilfreich. Der bärtige Outlaw nimmt seine Tochter kurzerhand auf die Arme, so dass das Mädchen Arme und Beine um ihn schlingt, während Minato mit einer Hand weiterhin den Hemdsaum festhält. Naruto legt seinem jüngeren Sohn nur beruhigend eine Hand auf die schmale Schulter, während Ashkii von Hanzo nur schnell an einer Astgabel angebunden wird, ehe Naruto mit seinen Kindern den Schutz der Höhle aufsucht. „Woher wusstest du, dass wir hier sind?“ Schniefend und sich hastig über die Augen wischend nimmt Hanzo schließlich eine Schachtel Streichhölzer von seinem Vater entgegen, womit er das widerspenstige Feuer zähmen soll. Zwar beherrscht Naruto auch die Fähigkeit mit einem Feuerstein in wenigen Momenten ein wärmendes Feuer zu entfachen, aber da er gerade keine freie Hand hat und es mit den Streichhölzern eindeutig schneller geht, ist die Verwendung eines solchen Hilfsmittels durchaus gestattet. Auf die Frage seines Sohnes hin, schüttelt Naruto den Kopf und lässt sich schließlich an der Höhlenwand zu Boden rutschen. Sofort drängen sich seine beiden jüngeren Kinder wieder an ihn und schränken ihn in seinen Bewegungsmöglichkeiten stark ein. Er lässt es zu. Sie haben Schlimmes erlebt und versuchen irgendwie damit fertig zu werden. Sie von sich zu stoßen wäre keine Hilfe, sondern würde Gegenteiliges bewirken. Sie brauchen in jetzt mehr denn je. „Gewusst habe ich es nicht. Es gab nicht viele Möglichkeiten, was mit euch passiert sein könnte. Ich ging einfach mal von dem besten Fall aus und bin hier her geritten.“ „Mama hat uns fortgeschickt und gesagt, dass wir nicht zurück kommen sollen. Ist sie...?“ „Ich weiß es nicht. Ich habe sie im Dorf nicht gefunden.“ „Dann … haben die Soldaten sie mitgenommen?“ Naruto nickt nachdenklich, wenn auch etwas zögerlich. Er weiß nicht, was ihn weniger berühren würde oder was für seine Frau besser wäre. Wäre es besser gewesen, sie hätten sie erschossen oder ist eine Gefangennahme durch die Soldaten angenehmer? Naruto empfindet beide Möglichkeiten als eine emotionale Qual. Es ist kein Aufenthalt im Paradies, wenn jemand von Soldaten verschleppt wird, sondern eher das Durchqueren der sieben Höllenpforten. Es ist dem Familienvater auch nicht unbekannt, was einigen Indianern in der Gefangenschaft widerfährt und was speziell einige Frauen ertragen müssen. Es ist daher nur verständlich, dass er sehr große Angst um seine Frau hat und seitdem ihm klar ist, dass sie sich nicht bei den gemeinsamen Kindern aufhält, darüber grübelt wie er sie retten kann – ob er sie überhaupt retten kann. Als er in der Stadt von dem Überfall erfahren hat ist er sofort los gestürmt, hat den Handel auf der Stelle abgebrochen und wertvolle Ware zurückgelassen und das mit dem Wissen im Hinterkopf, nicht rechtzeitig im Dorf anzukommen. Ihm war von Anfang an klar gewesen, dass er auf einem Schlachtfeld erscheinen wird, indem er vergebens nach seinen Liebsten suchen wird und trotz zahlreicher, blutiger Vorstellungen in seinem Kopf hat ihn der Anblick entsetzt. Eine völlige zerstörte Heimat mit unzähligen Leichen, die verwesend im Staub liegen und kein anständiges Begräbnis erhalten werden. Er hat jedem Toten ins Gesicht geschaut, einfach nur um in Erfahrung zu bringen wer dort liegt und ob seine Frau oder seine Kinder darunter sind. Ein blutiges Schlachtfeld, wie es in dieser Zeit nahezu überall zu finden ist. Der tobende Bürgerkrieg hat schon viele Opfer gefordert. So weit es ihm möglich gewesen ist, hat er jedem von ihnen die letzte Ehre erwiesen und sich gleichzeitig dafür verflucht, dass er nicht da gewesen ist. Das Endergebnis hätte er nicht beeinflussen können, doch wenigstens hätte er Gewissheit über das Schicksal seiner Frau und Freunde. Er hätte den Stamm unterstützen und vielleicht... vielleicht den Tod seines Schwiegervaters verhindern können. „Das war eine große Truppenstärke. Wir hatten gar keine Chance gegen sie anzukommen. Du hattest doch gesagt, dass der Bürgerkrieg uns die meisten Soldaten vom Hals hält. Warum konnte sie so viele Männer herschicken?“ Naruto wird von den teilweise vorwurfsvoll klingenden Worten seines Sohnes, aus seinen Gedanken gerissen. „Die Niederlage der Konföderierten ist nur noch eine Frage der Zeit. Der Sieg der Nordstaaten ist längst gewiss und was den Süden von der Kapitulation abhält, ist ihr Stolz. Der Krieg ist also faktisch vorbei und somit wird die Front jetzt wieder an eine andere Stelle gelegt. Sie machen nun dort weiter, wo sie vorher eine Unterbrechung angeordnet haben.“ Naruto seufzt etwas frustriert und streicht sich durch die Haare. „Es tut mir leid mein Junge, aber jetzt haben sie es wieder auf uns abgesehen.“ Die Zeit ihres persönlichen Friedens ist nun wieder vorbei. Sie müssen sich wieder vor plötzlichen Angriffen fürchten und angebliche Botschafter vertreiben, die eine friedliche Lösung des Konfliktes haben, der aber hauptsächlich auf den vollständigen Verzicht aller Ländereien der Indianer aufbaut. Das ist keine friedliche Lösung und schon gar kein Kompromiss. Es beginnt alles wieder von vorne. Bekümmert blickt Hanzo in das Feuer. „Was machen wir jetzt?“ Der Familienvater blickt ebenfalls in die lodernden Flammen, während Hanzo damit beginnt die gefangenen Fische über dem Feuer zu braten und dabei etwas verloren in die Glut starrt. Naruto seufzt ergeben und streicht seiner inzwischen schlafenden Tochter sanft durch die Haare. Kushina hat sich immer noch an ihn geklammert, auch wenn sie sehr ruhig und entspannt auf seinem Oberkörper liegt. Zusätzlich drückt sie die angesenkte Puppe an sich, die ihr Bruder aus den Überresten retten konnte. Minato hingegen blickt abwesend in das Feuer, wobei er seinen Kopf auf den Oberschenkel seines Vaters gelegt und die Beine soweit angezogen hat, dass er beinahe einer Katze Konkurrenz machen könnte. Bisher hat der Bursche nicht ein Wort von sich gegeben, was Naruto als äußert beunruhigend empfindet. Eine berechtigte Frage von seinem ältesten Sohn, auf die er keine exakte Antwort liefern kann. Was soll er tun? Aufbrechen und versuchen seine Frau zu retten? Das wäre Selbstmord und eindeutig ein Beweis für Größenwahnsinn. An erster Stelle stehen zum jetzigen Zeitpunkt seine Kinder. Ihr Wohlergehen steht im Vordergrund. Er muss sie zurück in ein geregeltes Leben bringen und ihren freien Fall stoppen, in dem sie sich befinden. Er kennt diese Schwärze, die alle Empfindungen verdrängt und alles abtötet. Er will unter allem Umständen verhindern, dass seine Kinder sich darin verlaufen - besonders Minato. „Bei Sonnenaufgang reiten wir los. Ich bringe euch erst einmal in Sicherheit.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)