Familiengeschichten von Khyre (Der Weg zur Liebe ist ein steiniger) ================================================================================ Kapitel 2: Merkwürdige Freundschaft (zensiert) ---------------------------------------------- Kapitel 2 – Merkwürdige Freundschaft Den Rest des Abends hatte Naoko damit verbracht, ihren Eltern möglichst ausführlich zu erklären, was passiert war. Doch unter diesen Umständen war Ray noch nicht viel anzuhängen – zumal Naoko die Situation auch gar nicht als schlimm empfunden hatte, wie sie immer betonte. Naoko war froh darum. Sie machte sich eher Sorgen um Ray. Ihr Vater versuchte sogar, sie zu überreden, auf eine andere Schule zu gehen, damit sie Len auch nicht mehr begegnen musste. Aber das konnte sie ihm ausreden. Ob sie Len wirklich wieder sehen wollte, oder nicht, wusste sie nicht. Auch wenn es vollkommen logisch war, wie Len reagiert hatte, war sie ihm irgendwie böse. Aber wegen dieser Sache nun die Schule zu wechseln, hielt sie für übertrieben. Die nächste Überraschung wartete schon in der großen Pause auf sie, als Len in ihr Zimmer kam und mit der Hand auf ihren Tisch schlug. „Ich werde dich beschützen.“ „Äh … was?“, fragte Naoko überfordert und blickte Len fragend an. Im Hintergrund begann wieder das Geraune. „Ich weiß, dass ich vielleicht nicht der Richtige bin, um Leute zu beschützen, aber mein Vater ist nicht berechenbar. Und ich bin, glaube ich, der Einzige, der weiß, wie man mit ihm umgeht.“ „Du willst mich vor deinem Vater beschützen? Danke, aber ich denke ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen,“ entgegnete Naoko. „Das bezweifle ich.“ „Und wie willst du das anstellen, wenn ich fragen darf?“ „Ich werde dich einfach nach Hause begleiten. In der Schule sollte Ray kein Problem werden.“ „Kannst du dich nicht einfach normal mit mir anfreunden, du Loser?“, fragte Naoko nun provokant. Ihr ging das Theater um Ray wirklich auf die Nerven. „Es geht hier nicht um solche Banalitäten!“, fluchte Len. „Du siehst meiner Mutter zum verwechseln ähnlich. Bist für ihn quasi nur die jüngere Version von ihr. Weißt du, was das vermutlich für einen Eindruck auf ihn macht? Was du in ihm evozierst?“ „Alles wird gut,“ meinte Naoko nur und seufzte. Sie fragte sich gerade wirklich, wer von Vater und Sohn den größeren Schaden hatte. „Ich begleite dich nach Hause. Keine Widerrede,“ beendete Len das Gespräch und ging. „Meinetwegen,“ murmelte Naoko nur. Warum hatte sie sich noch gleich auf ihren Halbbruder gefreut? Der war ja echt schlimmer als ihr Vater. Wie versprochen begleitete Len sie nach Hause. Mao und Kai waren positiv über Lens Verhalten überrascht, aber dieser winkte nur ab, dass das in der Situation selbstverständlich wäre und ging wieder, ohne ins Haus zu kommen. Die Gunst von Mao und Kai waren ihm egal. Besonders die Gunst seiner Mutter war ihm ganz besonders egal. Am liebsten hätte er einen Rückzieher gemacht, aber nun hatte er schon so groß angegeben, dass er Naoko beschütze, also musste er sich auch daran halten. Auch wenn diese sich darum gar nicht scherte. Im Gegenteil, sie machte sich sogar darüber lustig. Das war traurig. Und was noch schlimmer war, sie hatte ihn als „Loser“ bezeichnet. Len schloss die Haustür auf und begab sich schlafwandlerisch in sein Zimmer. Sein Zimmer lag stets im Dunkeln und war nur spärlich eingeräumt. Im rechten Eck, direkt neben der Tür stand noch immer sein Kinderbett, das nun mit einem weißen Tuch überdeckt völlig verstaubt zurückgelassen da stand. Es gab nur ein Fenster in seinem Zimmer und vor diesem hing immer der weiße Vorhang, der über die Zeit schon gräuliche Farbe angenommen hatte. Len warf sich auf das durchgelegene Sofa, das ihm seit Jahren als Bett diente, und stieß sich dabei beinahe an dem kniehohen Glastisch, der vor dem Sofa aufgestellt worden war. Er hatte nicht einmal große Lust, seinen Rucksack vom Rücken zu nehmen. Und so lag er auf dem Bauch in dem Halbdunkel. Dass er ein sozialer Versager war, war ihm nichts Neues. Aber es so direkt ins Gesicht gesagt zu bekommen, tat weh. Am nächsten Tag vor der Schule auf Naoko zu warten, machte ihn fast wahnsinnig. Letztlich hatte er sich doch entschlossen, die Beschützerei sein zu lassen. Schließlich wollte er sich ihn nicht aufdrängen und außerdem war er es Leid, zu jemandem freundlich zu sein, der diese Freundlichkeit gar nicht wollte. Naoko ließ auf sich warten, aber als sie endlich aus dem Gebäude kam, lief sie ihm strahlend entgegen. „Len!“, rief sie und kramte aus ihrer Tasche ein kleines Geschenk. „Hier!“ Len war verwirrt, aber er nahm das Geschenk entgegen. „Wofür - ?“ „Ich wollte mich entschuldigen. Das gestern … war nicht so gemeint. Ich war bloß so sauer, weil alle Ray weiß-Gott-was anhängen und dabei hat er mich doch bloß geküsst. Ich weiß, dass du es auch nur gut gemeint hast.“ „Oh.“ „Meinst du nicht, dass wir einfach so Freunde werden könnten?“ „Ähm ja, gerne!“, rief Len überrascht und nach Jahren zeichnete sich auf seinem Gesicht ein Lächeln ab. Das brachte auch Naoko zum Lächeln. Sie fand, dass Len so richtig niedlich aussah. Von diesem Tag an trafen sie sich nicht mehr nur auf dem Hin- und Rückweg von der Schule, sondern auch immer öfter am Wochenende oder nach der Schule und unternahmen etwas. Ob nun im Kino oder auf Schulfesten, oder einfach nur im Gang, man sah die beiden immer nebeneinander stehen. Lens Fangirls nahmen die gute Beziehung zwischen den beiden zähneknirschend hin und manche versuchten sogar, aus Naoko geheime Informationen über Len heraus zu quetschen. Über den heimlichen Fanclub von Len zu reden, brachte beide aber immer zum Lachen. Len hatte von diesem bisher gar nichts mitbekommen und war daher umso überraschter, als Naoko begann, davon zu erzählen. Über Ray schwiegen sie sich aus und bald war er auch aus Naokos Bewusstsein verschwunden. Es war in der Nacht vor Weihnachten, als Len bemerkte, dass er mehr Gefühle für seine Halbschwester hatte, als gut für ihn waren. Sie waren noch bis spät zusammen unterwegs gewesen und Naoko hatte ein wenig Glühwein getrunken. Und als sie in der leeren Bahn saßen, legte sie sich auf Lens Schoß, um ein wenig zu dösen. Naokos schlafende Gestalt war für Len ein unbeschreiblich schöner Anblick. Er strich ihr sanft ein paar Strähnen aus dem Gesicht und musste über die vom Glühwein geröteten Wangen lächeln. Doch dann fiel sein Blick auf den leicht geöffneten Mund des Mädchens und sein Herz begann unweigerlich zu schlagen. Was wenn er -? Er blickte sich um. Sie waren wirklich nur zu zweit in dem Abteil. Aber er durfte nicht, schließlich war sie seine Halbschwester. Er durfte einfach nicht. Außerdem war es nicht einmal sicher, ob sie überhaupt von ihm geküsst werden wollte. Und so wandte er den Blick ab und blickte, mal um mal seufzend aus dem Fenster. Den Weihnachtstag verbrachten sie auf dem Weihnachtsmarkt und schauten sich überall um. Besonders Naoko war voll dabei und sie bestaunte die vielen kleinen Dinge, von Rehkitzfiguren bis hin zu Lebkuchenhäusern. Vor den Räucherkerzen machten sie auch halt. Len war in seinen Gedanken woanders. Es irritierte ihn, von Naoko an der Hand genommen und überall hin mitgeschleppt zu werden. Es wusste, dass sie es sicher nur freundschaftlich meinte, aber er musste sich wirklich oft zureden, um diese warme Hand, die ihn führte nicht anders zu deuten. Er wurde richtig aus den Gedanken gerissen, als Naoko ihm ein Räucherstäbchen unter die Nase hielt. „Riech mal!“, meinte sie und er gehorchte. „Flieder oder so?“, gab er zurück. „Ich finde, die riechen wie du!“, rief Naoko und lächelte breit. „Unsinn, Menschen riechen doch nicht wie Räucherkerzen … “, grummelte Len, fühlte sich aber dennoch geschmeichelt. Sie sah so süß aus, wenn sie gute Laune hatte … Den Weihnachtsabend verbrachten sie bei den Takagawas. Len war seit der Beschützer-Aktion vor Ray ein willkommener Gast bei Mao und Kai und bekam zu Weihnachten sogar Geschenke von ihnen. Len hatte sich seine Mutter immer unsympathisch vorgestellt, doch je länger er Mao nun kannte, desto mehr begriff er, dass die Trennung seiner Eltern wohl nicht an ihr gelegen hatte, sondern an seinem Vater. Mao blieb für ihn noch immer eine Fremde, und er war sich sicher, dass die Lücke, die sich durch die lange Trennung ergeben hatte, sich auch nie vollständig schließen würde. Aber sie wurde mehr und mehr Mensch für ihn und er würde sogar so weit gehen, Mao als eine Freundin von ihm zu bezeichnen. Es war einfach schön, mit den Dreien Zeit zu verbringen. Als Naoko ihr Geschenk von Len öffnete und lilafarbene Räucherstäbchen zum Vorschein kamen, warf sie sich ihm um den Hals. Mao und Kai mussten lachen, wie Len so überrumpelt und mit peinlich berührtem, rotem Gesicht unter ihr auf dem Boden lag. Weil es spät wurde, hatte Mao in Naokos Zimmer für Len einen Futon aufgeschlagen. Als Len aus dem Bad zurück ins Zimmer kam, saß Naoko auf ihrem Bett und betrachtete die Schachtel Räucherstäbchen in ihren Händen. Doch als sie das Geräusch der Tür vernahm, blickte sie auf. Sie sah Len zum ersten Mal mit offenen Haaren. Und das stand ihm erstaunlich gut. „Ich nehm's zurück!“, rief sie ihm entgegen und lächelte. „Was nimmst du zurück?“, fragte Len verwirrt und setzte sich auf den Futon vor sie. „Ich dachte immer, dass du so furchtbar aussiehst mit den langen Haaren. Aber sie stehen dir.“ „Oh, danke …“, meinte Len verlegen. Anfangs hatte sie sich wirklich lustig über Len gemacht. Aber je näher sie ihn kennen gelernt hatte, desto mehr hatte sie ihn schätzen gelernt. Er war so ein lieber Mensch und so goldig. „Weißt du, Len, ich hab mich total gefreut, als du mir die Räucherstäbchen geschenkt hast.“ „Ja, das habe ich gemerkt,“ erwiderte Len und musste kichern. „Aber warum?“ „Weil mir das zeigt, dass du mir zugehört hast.“ „Wie? Ähm … ist das nicht normal?“ „Nein, finde ich nicht“, sagte sie bestimmt, blickte dann aber zu Boden. „Len … ich …“, begann sie dann zögerlich und stubbste dann den sitzenden Len auf den Futon, sodass sie nun auf ihm saß. „Würdest du … mit mir mein erstes Mal haben? Ich … kann mir sonst niemanden vorstellen … ich … ich glaube, ich habe mich in dich verliebt …“ Len blickte sie an, als hätte Naoko von ihm verlangt, er müsse auf der Stelle zwei Tonnen Fleisch essen. Wusste dieses Mädchen, was sie da gerade von ihm verlangte? Scheinbar nicht, sonst hätte sie nicht gefragt. Sie, verliebt in ihn? Das konnte doch nicht sein! Sie waren Geschwister. Nein, das ging nicht! „Naoko, wir sind Geschwister. Das geht nicht,“ gab er bestimmt zurück. „Halbgeschwister!!“ „Das macht doch keinen Unterschied!“ „Du hast also nur Gefühle als Bruder für mich?“ „Ich … Es gehört sich nicht und fertig aus.“ „Du hast also Gefühle! Es muss doch keiner Wissen!“ „Das habe ich nicht ges -“ Aber weiter kam er nicht, da Naoko ihn einfach küsste. Richtig, es musste ja keiner wissen. Und so gab er sich dem Kuss hin. Und nicht nur dem Kuss. Naoko fühlte sich wohl. Auch wenn Len seine Unsicherheit anzumerken war, war er doch lieb und zärtlich. Sie war sicher auch die erste Frau mit der er so intim geworden war. Das mit dem gemeinsamen Höhepunkt klappte nicht so recht, aber es war für beide eine Erfahrung, für die es in diesem Augenblick keinen anderen gegeben hätte, mit dem sie diese gern gemacht hätten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)