Dear You von Couscous (Ein Artikel von P. Clearwater) ================================================================================ Kapitel 2: Tribulations ----------------------- Penelope hatte die Briefe eingesammelt und mitgebracht. Auffordernd legte sie das Bündel auf den kleinen, runden Cafétisch zwischen ihnen. Romilda Vanes Lächeln wurde breiter, doch ihre Arme blieben weiterhin vor der Brust verschränkt. „Was soll das?”, fragte Penelope schroff und schob die Briefe über den Tisch. Gleichzeitig schrie etwas in ihr, sie solle nicht ihre wertvollste Quelle weggeben. Romilda lehnte sich vor und sah sie mit dunklen, schelmisch blitzenden Augen an. „Ich wusste, dass du kommen würdest, Penny”, sagte sie und legte ihre Hand auf Penelopes. Als diese ihre Hand wegzog, schüttelte Romilda kichernd ihre dunklen Locken. „Ich konnte ihnen auch nicht widerstehen, als ich sie zum ersten Mal gelesen habe. Dieser Pathos und diese Emotionen, das hätte ich von Shacklebolt nicht erwartet. Er wirkte immer so pflichtbewusst, findest du nicht?”, erklärte sie und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Penelope schnaubte. „Dann passt es ja, dass nicht Shacklebolt, sondern einer deiner Handlanger die hier geschrieben hat”, erwiderte sie und bemerkte, wie sich Romildas Stirn in Falten legte. „Wie kommst du darauf? Wieso sollte ich diese Briefe anfertigen lassen?”, fragte sie und zum ersten Mal, seitdem Penelope sie kannte, schien sie ehrlich verwirrt. Dass Romilda Vane allerdings eine gute Schauspielerin und noch bessere Journalistin war, war in Zeitungskreisen mehr als bekannt und deswegen glaubte Penelope ihr kein Wort. „Um mir eine Falle zu stellen, mich durcheinander zu bringen, was auch immer. Es gibt tausende Gründe. Oder leugnest du etwa, dass ich deiner Spur bis hierher gefolgt bin?” Romildas Gesichtszüge hellten sich sichtbar auf, als sie verstand, worauf Penelope anspielte. „Ach, Penny”, sagte sie vergnügt, „ich kann verstehen, wie du auf solche Gedanken kommst, aber das sind nicht meine Briefe. Ich habe mir nur die Mühe gemacht, sie chronologisch zu orden und für dich und mich ein hübsches Spiel zu entwickeln. Das sind Originale von unserem lieben Ex-Zaubereiminster Kingsley Shacklebolt.” Sie sah sie mit einem treuherzigen Ausdruck in den Augen an, doch Penelope war noch immer nicht zufrieden. „Woher wusstest du-?”, fragte sie. „Dass du nach mir kommen würdest? Dein Boss war nicht gerade diskret bei seinen Aktionen. Blöd war nur, dass ich persönlich beim Zaubereiminister gewacht habe und somit einen entscheidenden Vorsprung hatte. Das ist das Gute, wenn man selbstständig ist”, meinte sie und trank genüsslich einen tiefen Schluck von ihrem Früchtetee. Penelope konnte ihren Ohren nicht trauen. Die Briefe entsprachen der Warheit! Ihre Sorge war unbegründet gewesen. Sie hatte ihren Exklusivbericht gefunden. Ihr Hochgefühl verminderte sich jedoch deutlich, als ihr einfiel, dass auch Romilda davon wusste. „Was machen wir dann hier?”, fragte sie argwöhnisch, „was willst du von mir? Wieso schreibst du nicht schon längst an deinem Artikel?” Wieder grinste Romilda. Es war fast unmöglich, das Grinsen aus ihrem Gesicht verschwinden zu lassen. Niemand gewann gegen Romilda, ergo legte sich niemand mit ihr an. „Weil ich deine Hilfe brauche. Wie du vielleicht weißt, habe ich einen gewissen Ruf. Wie du weißt, bin ich nur darauf aus, Reputationen und Leben zu zerstören. Meine Artikel sind skandalöser, als sie eigentlich sein müssten. Aber manche Leute glauben, dass meine Artikel deshalb weniger wahr sind. Aber nicht so bei dir, Penny”, sagte sie sanft. „Hör auf mich so zu nennen!”, verlangte Penelope halbherzig. „Aber wir sind doch Freunde, Penny”, antwortete Romilda unbeirrbar und zwinkerte ihr zu, „die Leute wissen, wenn du etwas schreibst, dass es stimmt. Weil du anscheinend "Journalistenehre" besitzt. Außerdem, und dass meine ich völlig ernst, hast du Talent. Wir beide zusammen wären unschlagbar. Wir könnten unsere eigene Redaktion gründen und alle anderen Zeitungen wären ruiniert.” Ihre Augen leuchteten bei diesem Gedanken und einen kurzen Augenblick lang war auch Penelope versucht, ihrem Angebot nachzugeben. Doch dann erinnerte sie sich, was sie im Hinterkopf weiterhin gestört hatte. Es war nicht so einfach! „Du kannst dir nicht sicher sein, ob es wirklich stimmt. Vielleicht war noch jemand vor dir dort. Vielleicht hat gar nicht Shacklebolt diese Briefe geschrieben. Vielleicht haben wir es falsch verstanden.” Romilda nickte. „Ja, natürlich nicht. Das ist das Geheimnis unserers Jobs. Wenn du wartest, bis du sicher sein kannst, haben alle anderen schon fertig geschrieben.” Penelope zögerte. „Ich glaube nicht, dass ich das kann.” „Ich weiß. Deswegen brauchst du ja mich”, stellte Romilda sachlich fest und lächelte verführerisch. „Nun, ich sehe, du brauchst noch ein bisschen Bedenkzeit. Leider kann ich dir die nicht geben.” Sie stand auf, schob den Stapel Briefe zurück auf Penelopes Seite und hielt neben ihr inne. Sie stand so nah bei ihr, dass ihre langen Haare an Penelopes Kinn kitzelten, als sie sich zu ihr hinunterbeugte. „Ich nehme den Kamin nebenan”, flüsterte sie und hob fragend die Augenbrauen. Bevor Penelope antworten konnte, war Romilda jedoch schon weiter gegangen. Sie merkte, dass ihre Hände zitterten. Sie konnte nicht den Ruf eines ehrenhaften und vielleicht unschuldigen Mannes ruinieren. Es war nicht richtig, das wusste Penelope tief in ihrem Herzen. Sie wollte nicht so werden wie Romilda. Nicht so skrupellos, leichtsinnig und ... erfolgreich. Sie erinnerte sich an das rauschartige Hochgefühl, als sie die Briefe entdeckt hatte. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie sich in ihrem Element gefühlt. Mit einem Fluch auf dem Lippen packte sie die Briefe und eilte ins Nebenzimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)