the flood that wrecked our home von Violie (LILY + LOUIS) ================================================================================ Kapitel 3: the sound of fear ---------------------------- drei -- the sound of fear lily + louis + Lily hatte zwei Dutzend Bilder in ihren Händen und sie konnte damit zwei Stapel bilden und sie wusste, was Louis gemeint hatte. Sie wusste, warum er gekommen war. Sie wusste, warum ihm diese Fotografien so aus der Fassung gebracht hatten, dass er das Verlangen hatte, nach zehn Jahren an ihre Tür zu klopfen und sie zurück zu wollen. Die Bilder teilten sich so eindeutig und klar und unwiderruflich voneinander, wie Öl und Wasser. Sie waren nicht zu verbinden, nicht einmal ein kleines bisschen, und diese Tatsache ließ Lily keine Ruhe. Dabei war es so einfach. Auf einigen der Bilder war sie zu sehen. Und auf einem anderen, viel größeren Teil, nicht. Zunächst hatte sie es nicht verstanden. Die ersten Bilder, die sie betrachtet hatte, waren Bilder nur von Louis und ihr selbst, in Windeln im Gras und mit riesigen Sonnenhüten am Strand. Wenige Bilder, die sie in den lächerlichsten und kindischsten Situationen zeigten, mal nur die beiden, mal mit ihren Geschwistern, Cousins und Cousinen. Und sie hatte geglaubt, dass das alles sei. Das Louis ihr zeigen wollte, wie vertraut sie einmal gewesen sind - was sie einmal hatten. Doch dann folgten andere Bilder: Louis mit Fred, Roxanne, Hugo und Rose auf den Hogwarts-Ländereien, Louis mit Lysander und Lorcan in der Großen Halle, Louis mit seinem Arm um Alice‘ Schultern und einem verliebten Ausdruck in den Augen. Louis, zu Victoires und Teddys Hochzeit. Louis mit dem Rest des Potter-Weasley-Clans, mit Besen in den Händen und kämpferischen Ausdrücken auf den Gesichtern. Louis, mit all den wichtigen Menschen in seinem Leben. Louis ohne Lily. Und plötzlich wurde ihr klar, was ihr ehemaliger bester Freund ihr zeigen wollte. Nicht nur eine einzige Freundschaft, die sie verloren hatte - wessen Schuld auch immer das gewesen sein mag- sondern alle Freundschaften, die sie im Verlauf der letzten Jahre ohne mit der Wimper zu zucken aufgegeben hatte. Und nicht nur das: auch all die Momente, an denen sie nicht teilgehabt hatte. All die wichtigen Ereignisse im Leben ihrer engsten Vertrauten, die sie einfach an sich hatte vorübergehen lassen. All die Familienmomente, die sie verpasst hatte, gerade so, als würde sie nicht mehr zur Familie gehören. Lily wusste was Louis ihr mit diesen Bildern zeigen wollte. Es war das Leben, das sie hätte haben können, wenn sie nicht jede Sekunde eines jeden Tages nur ans Ballett gedacht hätte. Es war das Leben, das sie hätte haben können, wenn sie einen einzigen Augenblick im Jetzt gelebt und die Zukunft einfach auf sich zukommen lassen hätte. Und das Problem war, für einen Augenblick war Lily wütend auf ihren Cousin. Und dann, dann war sie verängstigt und unsicher und sie hatte das Gefühl, dass sie alles hinterfragen müsste. Komischerweise war es das Foto, das Louis und Alice so jung und verliebt und glücklich zeigte, welches Lilys Atmung wieder beruhigte und das wirbelnde Chaos in ihrem Kopf zum Stillstand brachte. Der kurze Moment des Zweifelns war vorüber und Lily konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Louis wusste selbst heute noch, wie er eine Reaktion in ihr auslösen konnte. Als würden die letzten Jahre nicht zählen und alles wäre irgendwie noch genau so wie damals, als sie zwölf Jahre alt waren. Lily schluckte und ihr Gesicht wurde wieder ernst und sie erinnerte sich, dass nichts mehr so war, wie zuvor. Louis hatte sie verlassen und das war alles, was sie dazu noch zu sagen hatte. Wenig später hatte sie die Bilder in einer Schreibtischschublade verstaut und das Nachttischlicht ausgemacht. Die Dunkelheit legte sich wie eine zweite Decke über sie und ihre Augen fielen zu. Sie schlief schnell ein und verschwendete dabei keinen weiteren Gedanken an die Fotografien. Doch in ihren Träumen erlebte sie jeden einzelnen Moment, den sie nicht mit Louis und Hugo und ihren Brüdern und den Scamander-Zwillingen und all ihren Cousinen erlebt hatte. Und sie sah sich selbst mit Louis‘ Arm um ihren Körper geschlungen und mit vor Freunde und Liebe strahlenden Augen. Als sie aufwachte, raste ihr Herz und auf ihrer Stirn klebte der Schweiß und sie versuchte, sich die vielen Träume ins Gedächtnis zurückzurufen, um sie dort zu behalten, doch je mehr sie es versuchte, desto schneller entglitten sie ihr und am Ende war sie dankbar. + Zu ihrer positiven Überraschung schienen die Bilder und jegliche Ablenkung, die mit ihnen verbunden waren, aus ihrem Kopf verbannt zu sein, sobald sie an diesem Montagmorgen das Studio betrat und den anderen Ballerinas freundlich zuwinkte. Sie suchte sich einen Platz an der Stange und begann ihre gewohnten Aufwärmübungen und Ruby gesellte sich bald darauf zu ihr, was zu einem oberflächlichen Gespräch über das vergangene Wochenende führte. „Meine Eltern haben mich besucht und deswegen war ich am Samstag nicht hier um zu trainieren. Dafür habe ich Sonntag zwei Stunden länger gemacht“, sagte Ruby mit ihrer gewohnt sanften Stimme. Lily hörte nur mit halbem Ohr zu, als sie erneut ins Plié ging. „Aber dich habe ich gestern überhaupt nicht gesehen. Ich bin später am Nachmittag zu deinem Studio gegangen, aber das war verlassen. Hast du dir auch mal einen Tag Pause gegönnt?“ „Natürlich nicht“, widersprach Lily und klang dabei gereizter als beabsichtigt. Die Tatsache, dass sie gestern nicht so hart und ausdauernd wie üblich trainiert hatte, setzte ihr noch immer zu und sie wollte sich möglichst nicht daran erinnern. „Ich habe nur etwas früher Schluss gemacht, um meine Großeltern zu besuchen“, setzte sie versöhnlicher hinzu und schenkte Ruby ein schmales Lächeln. „Hattest du denn einen schönen Tag?“, fragte diese mit einem erwiderten Lächeln auf den Lippen und Lily antwortete ihr so kurz und bündig wie möglich, ohne erneut unhöflich und schlecht gelaunt zu wirken. Sie war erleichtert als Madam Cortez mit ihrer Assistentin Valerie in den Ballettsaal trat und das Gemurmel und Geplauder zwischen den Mädchen augenblicklich verstummte. Die Madam begrüßte sie mit ihren üblichen Worten und forderte sie dann auf, mit den bekannten Übungen zu beginnen. Lily stürzte sich übereifrig in die Arbeit. + Am Mittwochabend, nach drei ganzen Tagen, denen Lily nur dem Ballett gewidmet hatte, betrat sie ihre Wohnung und sah sich ihrer Mum gegenüber. Lilys Magen machte einen unangenehmen Hüpfer, als sie die Tür leise hinter sich ins Schloss fallen ließ. Ein schlechtes Gefühl breitete sich in ihren Gliedern aus. Für gewöhnlich hielt ihre Mum über Briefe Kontakt mit ihr. Alles, was sie ihr zu erzählen hatte, quetschte sie auf zahllose Pergamentseiten und jede Einladung zu gemeinsamen Mittagessen oder Familienabenden versendete sie auf ordentlich beschriebenen, kleinen Karten. Ein unangekündigter Besuch am Abend war einfach untypisch. Lilys ungute Vorahnung bestätigte sich drastisch, als Ginny einige Schritte auf sie zutrat und Lily ihr Gesicht erkennen konnte, welches von rotumrahmten Augen gezeichnet war. „Mum“, brachte sie nur schwach hervor und ihre Hände begannen zu zittern und was auch immer über Ginnys Lippen dringen würde, Lily wusste, dass sie es nicht hören wollte. Am liebsten würde sie zurück zur Tür hinaus gehen und dann rennen, rennen, rennen, bis ihre Beine sie nicht mehr tragen konnten. „Oh Lily, Mäuschen, komm her“, begann Ginny und ganz automatisch schloss Lily die Lücke zwischen sich selbst und ihrer Mum, fiel in ihre Arme, obwohl alles in ihr sich dagegen sträubte und sie nur weg wollte. Nach einer schieren Ewigkeit sprach Ginny die gefürchteten Worte aus. „Dein Großvater ist heute Morgen gestorben, Lily. Er ist tot.“ Und Lily wusste nicht, was sie von sich selbst erwartet hatte. Sie hätte niemals im Leben sagen können, wie sie auf eine solche Nachricht reagieren würde und es war auch nicht wichtig, denn nichts in der Welt hätte sie vor dieser Welle voll Schmerz und Unglauben und Verlust bewahren können. Nichts hätte sie schützen können. „Nein“, schluchzte sie in die Schulter ihrer Mum und ihre Hände verkrampften sich in ihrer Bluse und ihr Herz schlug so schnell und schmerzhaft gegen ihren Brustkorb, dass sie nach Luft schnappen musste. „Nein“, sagte sie noch einmal, doch ihre Stimme war kaum in der Lage, die Worte zu formulieren und ihr Körper hatte nicht die Kraft, ihre Beine noch länger aufrecht zu halten. Ginny hielt sie gerade, obwohl Lily schon längst aufgegeben hatte und vollkommen haltlos in ihren Armen lag. Heiße Tränen rannen über ihre Wangen und sie wünschte, sie wäre gerannt, als sie die Chance dazu gehabt hatte. Sie wusste nicht, was dann passierte, nur, dass sie irgendwann in ihrem Bett lag und ihre Mum über ihr Gesicht streichelte und ihre Augen brannten, weil sie jede letzte Träne verweint hatte. Aber sie wusste, dass ihr Großvater ihren Kopf einnahm, als sie in einen unruhigen Schlaf fiel. Und sie fühlte sich plötzlich so allein und verlassen und hoffnungslos. Ihr geliebter, großherziger Opa, der immer an ihrer Seite gestanden und das Ballett so heldenhaft für sie verteidigt hatte - es erschien ihr unlogisch, geradezu unsinnig, dass er in diesem Moment nicht mehr Teil ihrer Welt war. Denn wirklich, sie konnte ihn nur in seinem Sessel vor dem flackernden Kaminfeuer sitzen sehen, mit seiner Lesebrille und einem Buch in den Händen. Lily konnte nicht glauben, dass der einzige Mensch, der sie voll und ganz verstanden hatte, nicht mehr da sein sollte. Sie wusste nicht, wie sie ohne ihren wundervollen Opa die Stärke finden sollte, weiterzumachen, weiterzukämpfen. + Lily erschien wie gewohnt zu ihrem Donnerstagstraining mit Monsieur Mathis. Und es war nicht so, als wäre ihr Großvater es nicht wert, dass sie für ihn eine Pause machte und, anstatt bis zur Ermüdung zu Tanzen, einen Tag im Bett blieb und sich ihrer Trauer hingab. Nur wusste Lily, dass ihr das nicht helfen würde. Sie wusste, dass dies der erste Schritt in die falsche Richtung wäre. Und sie wusste, dass ihr Opa es verstehen würde, verstehen würde, warum sie das so früh am Morgen Haus verließ, ins Studio ging und über Stunden hinweg Schritte, Bewegungen und Abläufe lernte. Ballett war nicht nur ihre Leidenschaft oder nur ihr größter Traum. Ballett war ihr Anker, ihr sicherer Hafen. Ballett war ihre Möglichkeit, Dinge für einen Moment zu vergessen, ihren Blick neu zu fokussieren, Kraft zu schöpfen und weiterzumachen. Ballett gab ihr neue Energie - eine andere Art von Energie, die nicht in Körperkraft und Anstrengung zu messen war. Ballett war nicht nur ihr Ziel, sondern auch ihr Antrieb und Weg dorthin. Also trainierte Lily am Donnerstag und am Freitag, beim Gruppentraining, ließ sie sich für einen Moment von Ruby im Arm halten, bevor sie jeden weiteren, betrüblichen Gedanken aus ihrem Kopf schob und sich konzentrierte. + Der kommende Samstag war der erste seit Monaten, an dem sie ihr freiwilliges Training ausfallen ließ. Stattdessen stand sie eine gute Stunde am Morgen unter der Dusche, ohne das sie es bewusst mitbekam. Das heiße Wasser war wie Balsam für ihre Seele und es war das erste Mal, dass sie darüber nachdenken konnte, dass ihr Großvater tot war und nie mehr wiederkehren würde. Und es tat weh, ja, aber Lily wusste auch, dass dies der Lauf des Lebens war. Und sie wusste, dass Arthur Weasley ein glückliches, erfülltes Leben geführt hatte und das er schmerzlos und zufrieden eingeschlafen war, ohne eine einzige Sorge. Und das war letztendlich doch alles, was sich Lily für ihn jemals wünschen könnte. Sie trocknete ihre Haare mit Hilfe ihres Zauberstabes und ließ sie in natürlichen, glatten Strähnen über ihren Rücken fallen - etwas, dass sie schon seit Jahren nicht mehr gemacht hatte. Ihre Haare waren immer zu einem festen Knoten gebunden, so dass sie beim Tanzen nicht störten. Es war ungewohnt, immer eine lose rote Strähne vor den Augen zu haben, aber Lily würde den Tag überstehen. In den Tiefen ihres Kleiderschranks, hinter all den Trainingsanzügen und Bodys und Strumpfhosen, fand sie ein schwarzes Kleid, von dem sie nicht einmal wusste, dass sie es besaß. Sie konnte sich nicht erinnern, es jemals getragen zu haben und wusste demzufolge auch nicht, warum sie es jemals gekauft hatte. Natürlich nahm ihr das die Mühe, sich viele Gedanken über ein angemessenes Outfit zu machen. Mit geschlossenem Reißverschluss stellte sie sich schließlich vor den Spiegel und erkannte sich dabei selbst nicht wieder. Wie seltsam, dass eine andere Frisur und neue Kleidung einen Menschen so sehr verändern konnten. Lily mochte es nicht, aber es war eine Ausnahme. Eine einzige Ausnahme, für ihren Großvater. Sie atmete tief durch und sammelte sich, ballte ihre Hände für einen Moment zu Fäusten und verfluchte das Universum, bevor sie mit determinierten Schritten ihre Wohnung verließ und direkt vor der Tür apparierte. + Die Beerdigung fand auf dem Friedhof des Dörfchens Ottery St. Catchpole statt und Lily überblickte sofort, dass unendlich viele Menschen gekommen waren. Ihr Herz klopfte laut in ihrer Brust und etwas wie Stolz schwoll in ihr heran. Es berührte sie, dass so viele Menschen ihren Opa gemocht und geschätzt hatten und ihm heute die letzte Ehre erweisen wollten. Er hatte, ihrer Meinung nach, auch nichts anderes verdient. Sie fühlte sich seltsam abgeklärt, als sie auf die Trauergemeinde zutrat und sich zu ihren Eltern stellte, um ihrer Mum die Hand zu halten. Sie sah ihre Tanten, Onkels, Cousins und Cousinen und sie wusste, dass später Zeit dafür sein würde, sich gegenseitig Trost zu spenden. Jetzt ging es nur um Opa Arthur. Die Worte des Predigers kamen ihr stumpfsinnig und leer vor. Es war eine Rede, die man jedem Menschen vortragen könnte - nichts Besonderes, nichts, das ihrem Großvater gerecht werden würde. Aber der Prediger war ein Muggel und Lily wusste, dass allein diese Tatsache ihrem Opa unendliche Freuden bereitet hätte. Lily weinte nicht - nicht, als der dunkle Holzsarg in die Erde gelassen wurde und nicht, als Blumen niedergelegt wurden und nicht, als die meisten Menschen sich langsam verabschiedeten und letztendlich nur noch die Familie und engste Freunde übrig blieben. Sie wusste, dass sie noch lange nicht genug Tränen vergossen hatte, aber dies war nicht der Ort und nicht die Zeit. Nicht für sie. Sie apparierte allein zum Fuchsbau, wo die anschließende Trauerfeier stattfinden sollte. + Hallo! Es tut mir leid, dass es mit dem Kapitel länger gedauert hat, aber ich hoffe, es gefällt euch und natürlich würde ich mich über Meinungen sehr freuen! Danke an alle bisherigen Favorisierer und Kommentierer! :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)