Ewa von Skeru_Seven ================================================================================ II.I ---- Andrijan funkelte Ewa herausfordernd an, während er die Zähne zusammenbiss, weil Semjon ihm so rücksichtslos die Arme auf den Rücken gedreht hatte, dass er befürchtete, sich alle Knochen zu brechen. „Du bist so ein Dummkopf, Andrijan“, belehrte ihn Ewa kopfschüttelnd, „das nächste Mal, wenn du meine Schulbücher verbrennen willst, lass dich nicht erwischen. Oder benutz Benzin, das brennt schneller.“ Ihr Blick schien sich durch seine Stirn zu bohren und ein Schauer lief Andrijan über dem Rücken. Sie war noch hübscher, wenn sie wütend war, aber mindestens dreimal so bösartig. Und dann gab sie ihm tausend Gründe, sie noch mehr zu hassen als zuvor. Alles, was mit ihr zusammenhing, war vollkommen seltsam, besonders seine Gefühle ihr gegenüber. „Pass beim nächsten Mal besser auf deinen Scheiß auf, dann muss ich ihn nicht wieder beseitigen, du unfähige Kuh“, entgegnete Andrijan aggressiv und schrie im nächsten Augenblick vor Schmerz auf, weil Semjon ihm das Knie von hinten zwischen die Beine gerammt hatte. Er krümmte sich zusammen, obwohl dadurch seine Arme abzureißen schienen, und Tränen verschleierten ihm den Blick auf Ewa, die mit einem zufriedenen Lächeln auf ihn hinabblickte. „Wer ist hier unfähig, du erbärmlicher Mistkerl?“ Sie fuhr mit der Fingerspitze ihres Zeigefingers über seine Wange, und hielt ihm die nassen Kuppen direkt vor das Gesicht. „Wer von uns beiden weint hier? Ich nicht, ich kann mir neue Bücher kaufen.“ Provokativ beugte sie sich so nah an sein Ohr, bis ihre roten Haare wie eine Trennwand zwischen der Ohrmuschel und ihrem Mund wirkte. „Du hast nicht mal Eier in der Hose, die du dir nachliefern lassen könntest. Sonst würdest du endlich zugeben, dass du nur so ein asoziales Stück Dreck bist, weil du mir an die Wäsche willst, stimmts?“ „Nein“, grollte Andrijan und scheiterte an dem Versuch, ihre Präsenz nicht übertrieben wahrzunehmen. „Ich hasse dich aus tiefstem Herzen, du dumme Schlampe.“ „Aber nur, weil du mich anziehend findest. Aber ich dich nicht. Und das kannst du nicht ertragen und bist schlimmer als die Axt im Wald. Ich weiß gar nicht, wie viele Fensterscheiben du bei uns daheim schon eingeworfen hast, wie viele Briefe mit Drohungen und Beleidigungen in meinem Briefkasten lagen, alle primitiver als der andere. Du hast mein Fahrrad gestohlen und im See versenkt, meine kleine Schwester bedroht und fast unseren Hund vergiftet, und das nur, weil dein klitzekleines Ego geknickt worden ist. Du bist einfach nichts Besonderes, du bist zu klein, zu dürr, hast eine dämliche Frisur und einen widerlichen Charakter. Mit jemandem wie dir will man sich nicht freiwillig abgeben.“ „Halt endlich dein Maul!“ Er wollte das alles nicht hören, doch Semjon hinderte ihn immer noch mit aller Macht, sich die Ohren zuzuhalten. Und selbst wenn er geschrien hätte, wäre ein Schlag genug von ihm gewesen, um ihn kampfunfähig zu machen. Aber das schlimmste an der Sache war, dass Ewa recht hatte, dass sie ihn durchschaut und sein falsches Spiel als solches enttarnt hatte und absolut wusste, wie sie ihn am besten traf. Nicht mit boshaften Attacken auf sein Eigentum, sondern durch Worte und die Verweigerung, ihn an sie heranzulassen. „So redet man nicht mit älteren Menschen, hat man dir gar nichts beigebracht?“ Jedes Mal ritt sie auf der Tatsache herum, dass er jünger war als sie, dass er keine Umgangsformen kannte oder einhielt und auch gerne, wie überflüssig jede weitere Diskussion mit ihm war. Sie hatten ihn oft genug erwischt, Ewa und Semjon, und während Semjon ihm physische Gewalt antat, um Ewa zu rächen, quälte diese Andrijan mit bitteren Worten und einer niederschmetternden Arroganz. Weil er nicht mehr weiterwusste, weil ihm nichts einfiel, wie er sie niedermachen konnte, schwieg Andrijan und hoffte, dass nach einer Tracht Prügel von Semjon und Ewas höhnischem Gekicher die Sache wieder wie immer weiterverlief: Er rächte sich für die Schmerzen an Ewas Hab und Gut, wurde irgendwann dabei erwischt, bekam wieder ein paar Schläge und Ohrfeigen von ihrem persönlichen Gehilfen und so setzte sich der Teufelskreis immer weiter fort, bis vielleicht irgendwann jemand durchdrehte und sie sich gegenseitig umbrachten. Einen anderen Ausweg sah er hier nicht mehr, sie würde nie seinem Verlangen nachgeben. Nicht freiwillig. „Aber weißt du was, Andrijan?“ Ihre Hand fasste sein Kinn und drückte es etwas hoch, sodass sie ihm direkt in die Augen blicken konnte; sein Puls raste, ob vor Abscheu oder Aufregung ließ sich nicht deuten. Er wusste nie, ob er sie gerade begehrte oder verachtete; es war verwirrend. „Ich gebe dir heute eine Chance. Nur eine einzige. Wenn du die nicht möchtest, dann wirst du nie wieder die Möglichkeit bekommen, mich für dich zu haben.“ Ihm wurde ganz anders zumute, was nicht nur an ihrem Zugeständnis lag, sondern auch an dem boshaften Lächeln, das sich auf ihr so hübsches Gesicht schlich und sie wie einen Dämon in Menschengestalt wirken ließ. „Was willst du dafür?“ Von ihr bekam er nichts umsonst, dafür kannte er sie zu gut. Irgendetwas Grausames hatte sie ausgeheckt. „Du darfst mich küssen. Und vielleicht sogar mehr, wenn ich es möchte.“ Ihre Fingernägel gruben sich in seine Kiefer. „Aber nur, wenn du dich von Semjon nehmen lässt. Zur gleichen Zeit.“ Andrijan starrte sie an und fühlte plötzlich, dass er nicht allein eine kranke Seele in sich trug, nur Ewa wusste besser, wie man sie verbarg und in welchen Momenten man sie den Mitmenschen vor Augen führen musste, um sie zu foltern. „Das ist abartig.“ Das würde er nicht mit sich machen lassen, nicht einmal für Ewa. Er hatte auch seinen Stolz, den ließ er sich nicht von diesem Menschen nehmen, der ihm beinahe den Unterleib zerstört hätte. Nein, lieber ließ er sich schlagen und auslachen und wie ein Stück Dreck auf die Ecke werfen, wenn Semjon mit ihm fertig war. An seiner Außenhülle durfte er ruhig kratzen, die war in den Jahren sehr robust geworden. Aber allein die Vorstellung, dass Semjon in ihn eindrang… das machte der sicher nicht mit, so hörig konnte der Ewa gar nicht sein. „Du willst nicht? Gut, ich werde dich zu nichts zwingen, was du nicht willst.“ Sie drehte sich um. „Semjon, das Übliche. Und brech ihm nicht das Genick, ich brauche ihn noch für meine tägliche Unterhaltung.“ „Nein, warte.“ Die Worte kamen schneller, als er nachdenken konnte. „Warte, du Mist-, ich meine, Ewa.“ Er wollte sie, er wollte sie so unglaublich, nicht ihre Seele, aber ihren Körper. Nachts träumte er davon, sodass er am nächsten Morgen sich selbst als Trottel verfluchte, dieser Hure mehr Aufmerksamkeit als ohnehin zu schenken. Kein anderer Mensch hatte so einen großen Platz in seinem Leben, vor allem einen so zwiespältigen. Er wollte sie, aber er wollte nicht von Semjon noch mehr erniedrigt werden, er wollte nicht angekrochen kommen und Ewa anbetteln, dass sie sich auf ihn einließ, damit dieser perverse Wunsch endlich ein Ende fand. Am liebsten hätte er sich mit Gewalt genommen, was ihm seiner Meinung nach all dem Leiden, das er ausgehalten hatte, zustand, aber da gab es Semjon, sein wachsames Auge und seine schnelle Reaktionsgabe, die in Kombination mit seinen kraftvollen Armen eine unbezwingbare Mauer darstellte. Und die Mauer ließ sich nur mit einer einzigen Möglichkeit offiziell bezwingen und auch nur in diesem Moment. Andrijan biss sich auf die Unterlippe, sodass ihm eine kleine Spur Blut über das Kinn rann, und senkte den Blick. „Ich stimme zu.“ Er würde es tun, auch wenn er sich danach vor sich selbst ekelte und Ewa noch mehr Hass entgegenbringen müsste als vorher. Etwas anderes hatte dieser Dämon nicht verdient. Ein triumphierendes Lächeln glitt über ihr Gesicht, sie kostete ihren Sieg über seine schwache Seele voll aus. „Gute Entscheidung, Andrijan, ich habe nichts anderes von dir erwartet.“ Semjon ließ ihn endlich los und Andrijan ging in die Knie, den Blick auf Ewas schlanke Beine gerichtet, die sich ihm näherten, bis sie so nah vor ihm standen, dass er sie berühren konnte, wenn er wollte. „Semjon, bereite dich vor; wir wollen dir ja nicht zu sehr wehtun, Andrijan.“ Sie sprach zu ihm, als sei er ein kleines Kind, das zu dumm war, um zu verstehen, was um ihn herum passierte. „Sag noch einmal, dass du es wirklich willst und dir bewusst ist, was mit dir passieren wird. Ich will nachher nicht von dir hören, dass Semjon dich vergewaltigt hätte. Du machst das hier aus vollkommen freien Stücken.“ Ihre Stimme wurde leiser und spürbar bedrohlich. „Du erniedrigst dich, weil du es so möchtest.“ „Ja, verdammt.“ Am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte sie geschlagen dafür, dass sie ihm solche Qualen zufügte, seine verwirrten, pubertären Gefühle für ihre Zwecke benutzte, nur um ihn zu knechten. „Ich werde aus freien Stücken mit Semjon Sex haben, ist das genug?“ „Das ist kein Sex“, knurrte Semjon an seinem Ohr, „aber das kannst du ja nicht wissen, du jungfräuliche Landplage. Halt einfach still und tu das, was man dir sagt.“ Ewa beugte sich zu Andrijan nach vorne und küsste ihn, während ihre Hände sein Gesicht ohne jegliches Feingefühl umfassten; fast im selben Moment zog Semjon ihm die Hose hinunter, umfasste grob seine Hüften und stieß in ihn. Nur zu gerne hätte Andrijan geschrien, Ewa weggestoßen und Semjon so lange ins Gesicht getreten, bis er sich nicht mehr rührte, aber weil das seine einzige Chance war, seine wahnhafte Idee in die Tat umzusetzen, blieb er stumm, versuchte mit allen Mitteln, die Schmerzen im Unterleib zu ignorieren und nur Ewas Lippen zu fühlen, die ihm das Atmen erschwerten. Hilflos nahm er ihre Zunge in seinem Mund wahr, wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte, was zu tun war, was man von ihm erwartete, während die ganze Zeit sein Körper von den Bewegungen Semjons erfasst wurde, die kein bisschen stimulierend auf ihn wirkten. Im Gegenteil, bei jedem Stoß, dem er ausgesetzt wurde, machte sich Übelkeit breit, und seine Augen wurden nicht mehr trocken. Es tat fürchterlich weh, obwohl Semjon tatsächlich Vorbereitungen getroffen hatte, um keine nachhaltigen Verletzungen zurückzulassen. Nur sie drei sollten wissen, was hier geschehen war. Irgendwann ließ Ewa von ihm ab, ebenso Semjon, und Andrijan krümmte sich auf dem Boden zusammen und sah durch den Schleier, der ihn schon die ganze Zeit umgab, zu ihr hoch. Sie musste ihn doch jetzt erhören, immerhin hatte er sich so furchtbar demütigen lassen, wie man es von einem Jungen in seinem Alter kaum erwarten konnte. „Das war… interessant“, lautete ihr wohlüberlegter Kommentar. „Aber du küsst wie ein Karpfen und hast das Feingefühl einer Brechstange. Mit dir möchte ich wirklich nicht in einem Bett liegen müssen. Semjon, wir gehen besser.“ Wie vom Blitz getroffen starrte Andrijan den beiden hinterher, die völlig abgebrüht, als sei gerade eben nichts Ungewöhnliches geschehen, den Heimweg antraten, sich nicht zu ihm umdrehten und ihn wie eine gesprungene Schüssel, die zu nichts mehr zu gebrauchen war, zwischen den Bäumen liegen ließen. Und dann leuchtete ihm ein Gedanken auf. Sie hatte ihn reingelegt; sie hatte von Anfang an geplant, ihn ganz zum Schluss abblitzen zu lassen, nachdem Semjon ihn mit seiner Einwilligung zu einem minderwertigen Objekt gemacht hatte. Wie in Trance zog Andrijan seine Kleidung zurecht, um das beschämende Erlebnis so gut wie vergessen zu machen, doch sein Kopf ließ es nicht zu, die Bilder blieben wie festgemeißelt vor seinem inneren Auge hängen. Und zum ersten Mal seit Jahren weinte Andrijan bewusst wie ein kleines Kind, während er sich so klein wie möglich auf dem harten Erdboden zusammenrollte und von der Welt vergessen werden wollte. Allerdings weinte er nicht vor Scham oder Schmerz, sondern vor grenzenloser Wut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)