lucky failure von cork-tip (KaitoxSaguru) ================================================================================ Kapitel 3: secret ----------------- Während die Krankenschwester Kaito Kids Aussage kulant abnickte und lediglich anmerkte, wie reizend es doch von ihm war, seinem 'Freund' in einer Notlage beizustehen, hatte Hakuba Mühe, vor Schreck nicht laut aufzuschreien. „Du...“, begann er säuerlich, wusste dann aber doch nicht so recht, was er sagen wollte und hielt vorsichtshalber den Mund. Langsam aber sicher bekam er wirklich Lust, die Polizei zu rufen. Glaubte dieser Mistkerl denn, dass er an Geschmacksverirrung litt? Niemals hätte er sich in eine so himmelschreiend aufgedonnerte Tussi wie ihn verliebt! Hätte er nicht unbedingt wissen wollen, was Kid ihm zu sagen hatte – und ihm darüber hinaus auch noch sein Leben zu verdanken gehabt – dann wäre er spätestens jetzt hinfällig gewesen. „Bitte bleiben Sie nicht zu lange“, wandte sich die Krankenschwester noch einmal an Kid. „Herr Hakuba muss sich schonen. Morgen können Sie ihn dann mitnehmen.“ „Vielen Dank“, erwiderte der verkleidete Meisterdieb betont süßlich und kam Hakuba gefährlich nahe. „Zusammen werden wir das schon schaffen, nicht wahr, Schatz?“ Zu allem Überfluss gab er ihm auch noch einen vorsichtigen Kuss auf den Mund. Hakuba schmeckte Kirsche. Lippenstift mit Geschmack brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Kaum, dass die Schwester den Raum verlassen hatte, sprang Hakuba wie von der Tarantel gestochen auf und brachte erst einmal einen guten Meter Sicherheitsabstand zwischen sich und Kid, bevor er ihm ein wütendes: „Du hast doch nicht mehr alle Tassen im Schrank!“ entgegen brüllte. Der Meisterdieb legte kokett einen Finger auf die Lippen und bedeutete ihm, still zu sein. Vermutlich, um zu verhindern, dass die Krankenschwester, die sich noch immer in unmittelbarer Nähe des Zimmers aufhalten musste, die Scharade durchschaute. „Musste das denn unbedingt sein?“, erkundigte Hakuba sich etwas leiser, aber keineswegs milder gestimmt. Kid ging nicht darauf ein. „Gibst du mir das Schreiben von Lion's Mane?“, fragte er stattdessen und Hakuba überreichte ihm den Brief, ohne zu wissen, warum er sich überhaupt so bereitwillig auf den abrupten Themenwechsel einließ. „Und?“ „Ich habe dir ein lateinisches Wörterbuch mitgebracht“, erklärte der Meisterdieb und erfreute sich an der Verwirrung, die Hakuba für den Bruchteil einer Sekunde in demütigender Offensichtlichkeit ins Gesicht geschrieben stand. „Ein lateinisches Wörterbuch?“, echote er verständnislos, so dass Kid sich bemüßigt sah, die nette Geste näher zu erläutern. „Kudo wäre es sofort aufgefallen“, stichelte er vorab. „The Lion's Mane ist der Titel einer Sherlock Holmes-Kurzgeschichte. Der Mörder in diesem Fall war eine Qualle, die Cyanea Capillata, bei ihrem lateinischen Namen, genannt wird. Dabei handelt es sich um dasselbe Tier, das auch auf dieser Karte abgebildet ist. Vermutlich hat der unbekannte Schütze das Motiv aus zwei Gründen gewählt: Zum einen soll es eine Warnung darstellen. Die Fangarme dieser Qualle werden dich auch aus großer Entfernung erreichen und töten. Zum anderen weist es dich darauf hin, dass der Code auf Latein verfasst ist. Deshalb auch das lateinische Alphabet.“ Er bedachte seinen Widersacher mit einem ekelhaft süffisanten Grinsen. „Dass das Latein ist, weiß ich selbst!“, fauchte Hakuba. Er fühlte sich seltsam in die Enge gedrängt. Kid war kein Detektiv, er war ein ganz gewöhnlicher Verbrecher! Wie kam er dazu, sich dermaßen offensiv in seine Arbeit einzumischen? Ihm war klar, dass er unfair wurde. Aus welchen Grund auch immer - Kid wollte ihm helfen und er konnte es sich nicht leisten, dieses Angebot auszuschlagen. Er rief sich selbst zur Ordnung. Sinnlos herumzustreiten war nicht seine Art und stand ihm auch nicht sonderlich gut. „Sehr schön“, bestimmte Kid, sichtlich unbeeindruckt von seinem kleinen Ausbruch, und reichte ihm seinen Notizblock und einen Kugelschreiber. „An die Arbeit, Herr Meisterdetektiv.“ Hakuba kam der Aufforderung willig nach, suchte die vier Worte heraus und notierte sich die Übersetzung: amātorculus → kümmerlicher Liebhaber amātorem → Liebender, Liebhaber, Anbeter capital → todeswürdiges Verbrechen / Kapitalverbrechen m o rs → Tod „Naja“, kommentierte Kid, der ihm in unangenehm aufdringlicher Art und Weise über die Schulter geschaut hatte. „Amātorem, nicht amātor. Das Wort steht im Akkusativ, folglich sagen uns die ersten beiden Wörter: Wer und Wen. Deshalb sind sie auch räumlich von den anderen getrennt.“ Nur mühsam konnte Hakuba die erneut aufkommende Wut über Kids altkluge Art herunter schlucken und notierte die Änderung, wobei er den Kugelschreiber unnötig fest auf das dünne Papier presste: Der kümmerliche Liebhaber den Liebhaber. „Zufrieden?“, wollte er wissen. Kid grinste frech und drückte ihm ein Küsschen auf die Wange, und Hakuba kam nicht umhin sich zu fragen, ob der Kerl nicht einfach nur vorbei geschaut hatte, um zu testen, wie viel er sich ihm gegenüber erlauben konnte. „Sicher“, erklärte er. „Ich verspreche auch hoch und heilig, mich von jetzt an nicht mehr einzumischen. Mehr weiß ich wirklich nicht und ich vertraue darauf, dass du kalter, fantasieloser Logiker das Rätsel für mich lösen wirst.“ „Erstens“, begann Hakuba, tatsächlich reichlich unterkühlt, „ist der Brief an mich adressiert, allenfalls noch an Kudo und geht dich somit grundsätzlich nichts an, und zweitens wäre es wirklich hilfreich, wenn du versuchen würdest, mich wenigstens fünf Minuten am Stück nicht zu beleidigen.“ „Kann es sein, dass du heute besonders sensibel bist?“, wollte Kid wissen, wurde von Hakuba aber komplett ignoriert. Intuitiv ahnte er, dass es besser war, sich ein wenig zurückzuhalten, wenn er den seltenen Frieden nicht aufs Spiel setzen wollte. Auch wenn es ihm schwer fiel, seinen Lieblingsgegner nicht zu provozieren, er musste sich wohl oder übel in Disziplin üben. „Nicht nur heute“, bestätigte Hakuba mit Nachdruck, und Kaito Kid beschloss, ausnahmsweise Rücksicht auf die Gefühle dieses Sensibelchens zu nehmen. In stummer Übereinkunft widmeten sich daraufhin beide wieder der Nachricht des geheimnisvollen Schützen. „Die bloße Übersetzung kann nicht die ganze Lösung des Rätsels sein“, dozierte Hakuba, der von einer Sekunde auf die Andere zu seiner sachlichen, professionellen Art zurückgefunden hatte. „Die Anfangsbuchstaben sind unterstrichen, was nur bedeuten kann, dass sie eine besondere Bedeutung haben. Aacm, maac, caam, acam, maca... So wie es aussieht, ergeben sie kein weiteres Wort. Möglich wäre allerdings, dass es sich um gebräuchliche Abkürzungen handelt. Zwischen aa und cm hat der Schütze – oder sollte ich lieber sagen: die Schützin? - eine Leerzeile gesetzt; das dürfen wir nicht außer Acht lassen.“ „Die Schützin?“, hakte Kid neugierig nach, der die betreffende Schlussfolgerung noch nicht gezogen hatte. „Natürlich“, setzte der Detektiv zu einer ausführlichen Erläuterung an. „Der Text spricht von zwei 'Liebhabern', also können wir davon ausgehen, dass es sich um eine Täterin handelt. Was ich jetzt sage, ist zwar nur blanke Spekulation, aber ich gehe davon aus, dass mit 'amātorculus' ein eifersüchtiger Ehemann gemeint ist, der einen Nebenbuhler getötet hat. Diese Nachricht weist auf einen ganz bestimmten Todesfall hin und es würde mich doch sehr wundern, wenn sich hinter dem so seltsam in Szene gesetzten 'mors' nicht ein Datum verbirgt, das uns direkt zu dem Fall führt, den ich – so wie es aussieht – noch einmal aufrollen soll.“ „Ein Fall, der vorschnell ad acta gelegt worden ist, nehme ich an“, bemerkte Kid, einer plötzlichen Eingebung folgend. Hakuba verstand sofort. „A.a. Ad acta. Und was unklar ist, ist wohl die Todesursache: causa mortis.“, vervollständigte er. Kid grinste stillvergnügt vor sich hin. Hakuba konnte denken und sagen, was er wollte: sie waren ein tolles Team. Gegen den Detektiv zu arbeiten war amüsant, aber mit ihm zu arbeiten gefiel Kid beinahe noch ein bisschen besser. Er kam nicht umhin, bereits in diesem Moment zu bedauern, dass ihre Zusammenarbeit eine einmalige, zeitlich eng begrenzte Angelegenheit sein würde. „Und schon sind wir einen Schritt weiter!“, kommentierte er gut gelaunt. „Verrätst du mir auch das Datum, von dem du gesprochen hast?“ „Sehe ich aus wie ein Computerhirn?“, antwortete Hakuba etwas schnippisch, fühlte sich aber an seinem Ehrgeiz gepackt und notierte ein weiteres Mal das lateinische Alphabet in sein Notizbuch. 13 15 18 19. Diese Zahlenkombination hatte das Wort mors ergeben. Eine einfache Durchnummerierung von Eins bis 26. Das brachte ihn nicht weiter. Also tat er, was Lion's Mane von ihm verlangte und betrachtete alles aus einem anderen Blickwinkel, sprich: er nummerierte das Alphabet von hinten durch, beginnend bei Z. Das Ergebnis stellte immerhin eine vernünftige Arbeitshypothese dar. „Ich soll einen Todesfall untersuchen, der sich am 14. Dezember 1998 ereignet hat“, teilte der Detektiv seinem neu gewonnenen Assistenten mit. Kid applaudierte frech. „Ein Computer hätte es nicht besser gekonnt“, lobte er, abermals in einem Tonfall, der auf Anhieb nicht erkennen ließ, ob er es ernst meinte oder nicht. Hakuba nahm die Worte hin, wie sie waren: indifferent, aber weder verletzend, noch provokativ. Selbstverständlich schrieb er auch die Lösung des Rätsels fein säuberlich auf, in der festen Absicht, so bald wie möglich die Archive der größeren Tageszeitungen zu besuchen oder zumindest bei der Polizei um Auskunft zu bitten. „Untersuche den Todesfall, der sich am 14.12.1998 ereignet hat und der vorschnell ad acta gelegt worden ist. Es handelt sich um ein Kapitalverbrechen, gestorben ist ein Liebhaber. Der Täter ist ein kümmerlicher Liebhaber. Wenn ich den Fall nicht löse, werde ich ebenfalls Opfer eines Verbrechens.“ Hakuba hatte leise und zu sich selbst gesprochen. Dass die Täterin ihre Drohung ernst meinte, hatte sie in der Nacht höchst eindrucksvoll bewiesen und mittlerweile hatte er ein mehr als ungutes Gefühl bei der Sache. Die unbekannte Frau hatte ihm nicht einmal Zeit gelassen zu ermitteln, was durchaus verwirrend war, wenn man bedachte, dass sie zu wollen schien, dass sich ein Detektiv ernsthaft mit dem alten Fall beschäftigte. Welcher Detektiv sich der Sache annahm, schien ihr dabei egal zu sein und dem Wortlaut der Botschaft nach zu schließen, war er nicht der Erste, der sich daran versuchte. Vielleicht hatte vor ihm nur die Polizei ermittelt und Shinichi Kudo hätte dank seinem phantastischen Ruf der erste Sachbearbeiter werden sollen. Aber es war ebenso möglich, dass ähnliche Nachrichten an andere berühmte Detektive gegangen waren und er nicht alleine auf der Abschussliste von Lion's Mane stand. Ja, es bestand sogar die Möglichkeit, dass Lion's Mane schon einen oder mehrere erfolglose Ermittler auf dem Gewissen hatte. Zwar hatte er nichts von einem derartigen Vorfall gehört, aber das hatte nicht viel zu bedeuten. Auf dem weiten Weg nach Großbritannien ging die ein oder andere Nachricht verloren und wenn er sehr beschäftigt war, widmete er den japanischen Nachrichten oft nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient hätten. Auch danach würde er sich erkundigen müssen. In Archiven, im Internet, bei der Polizei oder aber auch bei einer anderen Quelle, die schon bereit stand. Kaito Kid hatte ihm noch immer nicht gesagt, was er ihm hatte sagen wollen und nun schien die Zeit reif, ein wenig nachzuhaken. Wer, wenn nicht der Meisterdieb, konnte Hakuba sagen, woher die Botschaft von Lion's Mane kam? Irgendwie und irgendwo musste er sie in die Finger bekommen haben und die Tatsache, dass er einen seiner gefährlichsten Gegenspieler nach Japan rief, um ihn zu warnen, sprach dafür, dass er von Anfang an um die Gefahr gewusst hatte, die von der unbekannten Schützin ausging. Kid hatte eine ganze Weile schweigend darauf gewartet, dass Hakuba wieder aus den Untiefen seiner Gedanken auftauchte. Als der Detektiv schließlich das Wort an ihn richtete, hatte er schon gar nicht mehr damit gerechnet und fuhr erschrocken zusammen. „Da ich dir nun das Datum genannt habe, halte ich es für mein gutes Recht zu erfahren, wo du einen Brief her hast, der ganz eindeutig an mich adressiert ist. Ich hoffe, das ist kein Geheimnis?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)