Wissen ist Macht von KathlynRiddle (Angst) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- A N G S T Sie lief davon, wie jeden verdammten Tag zuvor auch. Die Treppen, Wände und Erker flogen nur so an ihr vorbei. Fassade!, dachte sie höhnisch. Alles nur Fassade - von wegen Sicherheit! Sie lief davon. Vor ihm- und vor es. Sie wusste nicht, dass auch er floh. + Sein Entschluss stand schon lange fest. Es gab nichts daran zu rütteln und niemand würde ihn jemals umstimmen können. Der Erbe Slytherins legte nicht viel Wert auf die Meinung anderer. Eigentlich war sie ihm sogar egal. Ganz Hogwarts wäre geschockt, wenn sie ihn sehen könnten. Außer Dumbledore vielleicht - der hatte ihm nie vertraut. Und sie. Sie wäre vermutlich auch nicht überrascht. „Tom Riddle“, zischte der Basilisk. „Fliehst du wieder vor den unwürdigen Schlammblütern?“ „Geh“, antwortete er. „Bring sie um“ + Bald wurde das erste versteinerte Opfer gefunden. + Ganz Hogwarts verfiel in Angst und Schrecken. Ein Monster!, flüsterten sie. Ein Monster geht in Hogwarts um! Wenn er sie nicht alle hassen würde, würde er sie belächeln. So begnügte er sich mit seinem Wissen - Wissen ist Macht. Und Tom verlangte es nach nichts mehr, als Macht. + Manchmal hatte er das Gefühl, ihren Blick auf sich zu spüren. + Wenn sie sich unbeobachtet fühlte, beobachtete sie ihn gerne. Er trug eine Aura der Unnahbarkeit mit sich, die ihr jedes Mal wieder den Atem raubte. Sie kannte ihn nicht. Er war ein Slytherin und sie eine Gryffindor - niemals würde er sich dazu herablassen, mit ihr zu sprechen. Selbst wenn er nicht wüsste, dass sie muggelgeboren war. Er sieht schön aus, dachte sie, während sie das Licht, das sich in seinen Haaren brach, betrachtete. Tom Riddle sieht schön aus. Innerlich ist er ein Monster. Sie war nicht die einzigste, die das wusste. Und manchmal würde sie gerne wissen, warum er so geworden ist. + Niemals, niemals zuvor in ihrem Leben hatte sie sich sosehr gefürchtet. Auf Gerüchte hatte sie nie viel gegeben - auch über ihr Leben wurde viel unsinniges Zeug verbreitet. Nicht so viel wie über seines, aber genug, um Feinde zu bekommen. Sie schaffte es nicht, Gerüchte zu ihrem Vorteil zu drehen. Es war etwas anderes, wenn sie wusste, dass die Gerüchte wahr waren. + Olivia Hornby. Sie verabscheute nichts und niemanden mehr, als dieses Mädchen. „Myrthe“, flüsterte sie gehässig. „Du bist doch ein Schlammblut, richtig?“ Sie wusste, auf was das hinauslaufen würde. Trotzdem nickte sie. „Sei bloß vorsichtig - die unwürdigsten kommen bei solch einem Monster immer zuerst.“ Wie ist sie bloß nach Gryffindor gekommen?, fragte Mrythe sich, bevor die Angst in ihr hochkroch. + Ein drittes Opfer wurde versteinert gefunden - Myrthe war erleichtert, dass es nicht sie war. Und Tom hoffte, dass bald jemand sterben würde. + Gefühle. Er verabscheute nichts mehr als Gefühle. Unnötig, fand er. Es lebt sich besser ohne sie. + Trotzdem gab es in jedem Leben schwache Momente. Bei ihr kamen sie häufig- bei ihm nur nachts. Wenn alle schliefen und selbst das Monster sich zur Ruhe gelegt hatte, wurde er schwach. Immer seltener, dachte er. Immer seltener holte ihn nachts die Vergangenheit ein. Immer seltener verfingen seine Gedanken sich in der Trübe des Waisenhauses. Der Hass blieb. Die Angst ging. Es ist vorbei, sagte er sich und wusste, dass es endlich wahr wurde. Ich bin endgültig stärker als sie. Stärker als die dummen Muggel. Er wusste, dass sie ihn nie wieder würden verletzen können. Trotzdem schreckte er nachts manchmal schweißgebadet aus einem Albtraum hoch. Es wird nie jemand erfahren, schwörte er sich und zog den Stillezauber enger. Ich habe keine Gefühle. + Ein viertes Opfer wurde gefunden - und Tom bekam die Macht, die er immer wollte. Sieben von ihnen, sagte er. Eine Gräueltat, aber möglich. Er fühlte keine Angst bei dem Gedanken, seine Seele zu teilen. + Wissen ist Macht. + Sie floh. Sie hatte vergessen wovor - Hornby? Das Monster? Er? Nein, das kann es nicht gewesen sein, dachte sie, als sie in einen warmen Körper krachte. Dunkle Augen, in denen sonst Gefühllosigkeit zu sehen war, brodelten vor Wut. Kurz versank sie in ihnen. „Kannst du denn nicht aufpassen, Schlamblut?“, zischte er und Myrthe dachte unwillkürlich an eine Schlange. „Ent- Entschuldigung“, stammelte sie und stolperte ein paar Schritte zurück. Wärme wich. Wie kannst du so eiskalt sein, wenn dein Körper vor Wärme sprüht?, hätte sie gern gefragt - aber dafür reichte ihr Gryffindormut nicht aus. Mit einem verachtenden Blick ging er an ihr vorbei. Ihr Blick brannte Löcher in seinen Rücken. + Sie vergaß niemals das Brennen in seinen dunklen Augen. + Er fühlte ihre Angst. Er sah sie in ihren Augen, hörte sie in ihren Stimmen, beobachtete sie in ihren fahrigen Gesten. Selbst den Slytherins konnte man sie ansehen, wenn man genauer hinschaute. Und er schaute immer genau hin. Tom genoss es. Er genoss es, ihre Angst zu beobachten, allein in den nächsten Unterricht zu gehen. Von wegen dreckiges Halbblut, dachte er hämisch. Ich habe mehr Macht als ihr alle zusammen. + Aber schnell wurde ihm noch etwas anderes klar: Macht konnte nur dann voll ausgenutzt werden, wenn andere von ihr wussten. + Die Slytherins kuschten vor ihm. Ja, dachte er. Ihr werdet mir dienen - und wenn es nur aus Angst ist. Bald gab es keinen bedeutenden Slytherin mehr, der sich nicht Todesser nannte. Voldemort, flüsterten sie täglich angstvoll. Mein Lord. + Hornby machte sich über sie lustig. „Das Monster kommt dich holen. Es wird uns allen einen Gefallen tun, wenn wir dich nicht mehr ansehen müssen.“ Sie wusste, sie war schwach. Sich weinend im Mädchenklo zu verstecken war schwach. Aber sie konnte es nicht ändern - sie konnte Gryffindor nicht gerecht werden. Vielleicht hassen sie mich deswegen, dachte sie. + Leises Zischen. Eine Jungenstimme, die sanfte, unverständliche Worte murmelte. Sie zuckte zusammen. Ein Junge im Mädchenklo?, dachte sie verwirrt. Und was erzählt er denn da? Das erste, das sie sah, als sie die Tür öffnete ist er. Tom Riddle. Unverkennbar mit seinen dunklen Haaren und seiner aufrechten Körperhaltung. „Was...?“ Er drehte sich um. Erschrocken. Dann sah sie gelbe Augen. Dunkelheit. + Am Ende hatte Hornby gar nicht unrecht - sie bereute, was sie gesagt hatte, als Myrthe sie als Geist verfolgte, aber sie hatte recht. Tom bedauerte ihren Tod nicht - warum sollte er denn? Sie war ein dreckiges Schlammblut gewesen. Sicher, es gab Schüler, die er lieber tot gesehen hätte, aber fürs erste war er zufrieden. + Als Hogwarts geschlossen werden sollte, fiel es ihm leicht, Rubeus Hagrid anzuschwärzen. Er bereute nur, die Kammer schließen zu müssen. Und er hasste sich für den kurzen Moment der Angst, als die Schließung Hogwarts zur Sprache gekommen war. + Ruhe kehrte in Hogwarts ein. Die Angst verlosch langsam. Nur Myrthe vergaß nie. Wenn sie nicht gerade Hornby verfolgte, beobachtete sie Tom. Sie wusste, dass er an ihrem Tod Schuld war. + Sie wusste nicht, warum sie es nie einer Menschenseele erzählte. Warum sie es nicht einmal 60 Jahre später Harry Potter anvertraute. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)