Wahr oder nicht wahr? von KathlynRiddle (Die einseitige Liebe der Merope Gaunt) ================================================================================ Kapitel 1: Heimliche Beobachtungen ---------------------------------- Das alte Kleid kratzte unangenehm an ihrem Körper, aber Merope wagte es nicht, etwas dagegen zu unternehmen. Das Kleid war alt - bestimmt hatte es schon ihre Urgroßmutter getragen. Ihr Vater konnte es sich nicht leisten ihr ein neues zu kaufen und selbst, wenn er es gekonnt hätte - er hätte es nicht getan. Viel lieber hätte er ein neues Messer für ihren Bruder besorgt oder ihm neue Kleidung spendiert. Morfin Gaunt war eben das Lieblingskind von Marvolo. Für Merope empfand er die meiste Zeit nur Verachtung - und manchmal auch Befriedigung, wenn sie eine neue, warme Mahlzeit auf den Tisch stellen konnte. Aus der gesamten, restlichen Familie Gaunt war Merope die einzige, die kochen konnte. Sie sicherte ihrer aller überleben und bekam dafür nichts als Spott und Hass. Früher war die Familie Gaunt einer der reichsten und bekanntesten Familien der Zauberer gewesen. Aber ihre Familie war nie sonderlich klug gewesen und so hatten der Mangel an Vernunft und die Prunksucht dazu geführt, dass das gesamte Familiengold lange vor Marvolos Geburt verschwendet gewesen war. Sie drei waren nun die letzten der alten Familie und selbst in der Zaubererwelt für ihre labile und gewalttätige Veranlagung bekannt. Ihre Familie hatte immer viel Wert auf die Reinheit des Blutes gelegt und deshalb nur innerhalb der Familie geheiratet und neue Kinder gezeugt. Meist heiratete man Cousins oder Cousinen. Merope war nicht gut im zaubern. Manchmal meinte sie sich an frühe Zeiten aus ihrer Kindheit erinnern zu können, in der ihr die Magie sehr leicht gefallen war, aber inzwischen waren die einfachsten Zaubersprüche ein Kampf für sie. Marvolo - ihr und Morfins Vater- schätzte Magie mehr als alles andere in der Welt und sah es als die größte Schande an, dass seine Tochter ein Squib zu sein schien. Ihnen allen war bewusst, dass das nicht stimmte - wenn es darauf ankam, konnte Merope zaubern. Aber solange sie nicht bewies, dass sie genauso viel Magie in sich trug wie Morfin und Marvolo würde sie die Verstoßene bleiben. Sie seufzte und fuhr mit der Hand ihr Kleid hinunter. In einer kleinen, angenähten Tasche konnte sie ihren abgenutzten Zauberstab erfühlen. Zu gerne hätte sie ausprobiert, ob es jetzt mit dem zaubern klappen würde, aber ihr Bruder saß in dem Sessel am Kamin und warf in minütliche Blicke zu. Morfin hatte eine eklige, ungepflegte Gestalt. Sein dichtes Haar war so verfilzt mit Schmutz, dass man die Farbe nicht mehr erkennen konnte. Früher waren sie einmal schwarz gewesen, aber das war lange her. Von Kämpfen mit Schlangen, Prügeleien mit seinem Vater und Schlägerein mit den Muggeln fehlten ihm ein paar Zähne. Er hatte kleine, dunkle Augen, die immer in die entgegengesetzte Richtung zu schauen schienen. Morfin trug immer ein blutiges Messer bei sich und auch jetzt lag es neben ihm auf der Sessellehne. Meistens tötete er damit seine Schlangen, aber manchmal wurden auch sie oder die Muggel damit verletzt. Er ließ eine lebendige Schlange durch seine dicken Finger schlängeln und sang ihr leise auf Parsel zu: "Zischle, zischle, kleine Schlange, schlängle dich am Boden hier. Bist du nicht gut zu deinem Morfin, nagelt er dich an die Tür." * Merope hatten die kleinen Tiere immer leidgetan - es war öfter vorgekommen, dass sie eine vor ihrem Bruder gerettet hatte, bevor er sie umbringen und an die Tür nageln konnte. Aber es gelang ihr lange nicht immer - in diesem Moment baumelte eine tote Schlange an ihre Haustür genagelt im Wind. Morfin trieb den Nagel immer direkt durch das Auge der Schlange und Merope versuchte jedesmal die Augen zu schließen, wenn sie vor die Tür ging. Sie ertrug es nicht, die armen und gequälten Tiere zu sehen und zu wissen, dass sie sie vielleicht hätte retten können. "Warum starrst du so?", fragte ihr Bruder sie angriffslustig. Er sprach immer noch Parsel - eine Angewohnheit, die er nie würde ablegen können. Marvolo hatte ihm beigebracht stolz auf diese Begabung zu sein und sie nicht zu missachten, indem er sie ignorierte. Bei Merope war es ihm nicht ganz so wichtig - wenn sie mit ihm oder Morfin sprach, musste sie Parsel benutzen, aber wenn sie ins Dorf ging oder alleine war, war es ihr erlaubt, die menschliche Sprache zu verwenden. "Ich warte, bis das Wasser warm ist.", flüsterte Merope leise und deutete mit einem Kopfnicken auf den Herd. Bald war Mittagszeit und Merope musste zusehen, wie sie Morfin und Marvolo eine warme Mahlzeit auf den Tisch bringen konnte. Dazu hatte sie nur wenig Mittel zur Verfügung und auch diese Mittel waren von schlechter Qualität. Morfin zögerte kurz, bevor er seinen Blick wieder von seiner Schwester abwandte und weiter mit der Schlange sprach. Erleichtert atmete Merope durch. Kurz ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen, um sich von ihrem klopfenden Herzen abzulenken. Der Hauptraum ihres Hauses diente sowohl aus Wohnzimmer als auch als Küche. Eine zerstörte Mauer, von der nur wenige Überreste zu sehen waren, trennten die beiden Räume voneinander. Zwei Türen zweigten vom Hauptraum weg - hinter einer war das spärliche Bad und hinter der anderen der Schlafraum. Nur ein Bett stand darin und dieses durfte nur von Morfin und Marvolo benutzt werden. Merope musste auf dem Boden schlafen. Den größten Teil des Tages befand Merope sich in der Küche und wurde vom Wohnzimmer aus von ihrem Vater oder ihrem Bruder beobachtet. In der Küche befand sich nur ein schwarzer, verrußter Herd, auf dem Merope täglich kochen musste. Über diesem Herd hing ein altes, brüchiges Regal, auf dem sich verwahrloste Töpfe, Pfannen und Einmachgläser stapelten. Es gab im gesamten Raum nur ein Fenster, das sich glücklicherweise direkt neben dem Herd befand. Oft hatte Merope nach draußen gestarrt und von einem Leben jenseits der Verachtung und des Hasses geträumt. Das Wohnzimmer war ein einsamer Raum. Ein rauchender Kamin war in die Wand eingebaut und ein einsamer, schmutziger Sessel stand davor. Wenn Marvolo ihn nicht ausdrücklich verlangte, nahm Morfin ihn in Anspruch. Nur ein einziges Mal in ihrem Leben hatte Merope auf ihm gesessen. Ein kleines Sofa stand in der Mitte des Zimmers und davor ein alter Tisch. Auch ein kleiner Holzstuhl stand am Rande des Raumes. Dieser kleine, unbequeme Stuhl war der einzige den Merope jemals hatte benutzen dürfen. Vorsichtig sah Merope wieder zu ihrem Bruder. Seine Stirn war in tiefe Falten gelegt und seine kleinen, dunklen Augen leuchteten unheilvoll. Offenbar hatte die Schlange ihn verärgert - Merope kannte den Ausdruck in seinen Augen nur zu gut. Bedächtig betrachtete Merope die Schlange auf seinem Schoß genauer. Sie schien sehr klein zu sein, beinahe so klein, wie die Babyschlange, die Morfin mal aus dem Wald mitgebracht hatte. Ihre Schuppen glänzten in einem wunderschönen, hellen Grünton. Sie bewegte sich unruhig und versuchte sich aus Morfins Fingern zu winden. Es so aus, als wolle sie sich lieber etwas bewegen, als die ganze Zeit auf seinem Schoß zu liegen. Augenblicklich wusste Merope, was ihren Bruder so verstimmt hatte. "Morfin.", sagte sie leise, um ihn von der Schlange abzulenken. "Weißt du, wo Vater ist? Ich möchte ihn etwas fragen." "Sei still!", fauchte Morfin seine Schwester agressiv an. "Ich bin hier nicht dein Diener - wenn du etwas von Vater möchtest, such ihn gefälligst selber! Aber pass dabei bloß auf, dass das Wasser nicht überkocht! Ich verlange heute eine anständige Mahlzeit von dir!" Damit war sein kurzes Interesse an seiner Schwester verschwunden und er wandte sich wieder der Schlange zu. Seine Hand legte sich auf das blutige Messer, das auf der Sessellehne lag. Gehetzt ließ Merope ihren Blick durch den kleinen Raum schweifen. Gab es irgendetwas, das sie tun konnte, um die kleine Schlange zu retten? "Ich habe dich gewarnt.", murmelte Morfin der Schlange zu. "Ich habe dir gesagt, dass ich dich an die Tür nageln werde, wenn du nicht gut zu mir bist. Und es ist nicht gut von dir, wenn du versuchst, mich zu verlassen. Entweder du bleibst für immer bei mir oder ich töte dich jetzt. Verstanden?" Offenbar nahm die kleine Schlange Morfin nicht sehr ernst -entweder glaubte sie nicht, dass er die Wahrheit sagte oder sie hörte ihm garnicht zu- denn sie versuchte weiterhin sich aus seiner Hand herauszuwinden. Morfins Griff um das Messer festigte sich und er hob es langsam hoch. Er drehte die blutige Spitze zu dem Kopf der kleinen Schlange. Was Merope in diesem Moment tat, war eine unüberlegte, verzweifelte Reaktion. Die kleine Schlange sah aus wie ein Baby und sie konnte doch nicht einfach zusehen, wie ihr Bruder ein so winziges, hilfloses Geschöpf tötete! Sie hob ihren Arm und fegte mit einer kräftigen Bewegung ein paar alte Töpfe und Pfannen von dem brüchigen Regal. Es schepperte laut und Morfin ließ vor Schreck das Messer fallen. Mit blitzenden Augen drehte er sich zu ihr um und sie beeilte sich auf die Knie zu kommen und die wertvollen Töpfe wieder einzusammeln. Ihr Herz pochte laut und schnell und sie hoffte tünlichst, dass nichts kaputt gegangen war. "Wie ein dreckiger Muggel.", flüsterte Morfin beim Anblick seiner Schwester gehässig. Merope zog eilig den Kopf zwischen ihre Schultern. "E-es tut mir so leid, Morfin! Das wollte ich nicht - bitte, glaub mir! Ich bring das auch ganz schnell wieder in Ordnung und ..." "Jajaja.", unterbrach er sie harsch. "Rede nicht, sondern sorge dafür, dass es wieder in Ordnung KOMMT!" Mit einem genervten Zischen bückte Morfin sich, um das Messer wieder vom Boden aufzuheben. Merope hob leicht den Kopf und betrachtete die Schlange. Ihre Augen waren angstgeweitet und sie schien endlich zu verstehen, dass Morfin seine Worte ernst gemeint hatte. Entsetzt betrachtete die Kleine das spitze Messer, als Morfin sich wieder gerade hinsetzte. Merope sah wieder auf den Boden zu den verbeulten Töpfen und konnte nur noch hoffen. Sie hatte für die Schlange getan, was sie konnte und nun musste die kleine es allein schaffen, sich zu befreien. Sorgfältig stapelte Merope die zu Boden gefallenen Töpfe aufeinander und hob den Stapel auf ihre Arme. Wankend erhob sie sich wieder und beobachtete das sich ihr bietende Schauspiel. Als Morfin sich gebückt hatte, hatte er den Griff um die Schlange etwas gelockert, um das Gleichgewicht halten zu können. Die kleine hatte dies natürlich sofort genutzt und sich ein wenig befreit. Jetzt bewies sie Klugheit und versuchte nicht, sich vollkommen aus seinem Griff zu winden - er würde sie sofort wieder einfangen und töten. Als er das Messer wieder an ihren Kopf setzte, schoss die Schlange blitzschnell vor und biss Morfin in die Handfläche. Morfin schrie sofort polternd auf und ließ die Schlange auf den Boden fallen. Die kleine nutzte ihre gewonnene Freiheit und schlängelte sich schnell Richtung Tür. Morfin achtete kaum auf sie - aus seiner Hand tropfte Blut zu Boden und an der Wunde konnte man deutlich Fleischfetzen erkennen. Merope drehte sich um, stellte die Töpfe schnell zurück, um ihr Lächeln vor ihrem Bruder zu verbergen. Sie genoss die paar Sekunden, in der sie sich ihre Schadenfreude leisten konnte. Ihr Vater würde sie bestrafen, wenn sie zu lange zögerte, ihrem Bruder zu helfen. Also wirbelte sie nach den paar Sekunden herum und lief aufgeregt zu ihrem Bruder hinüber. "Morfin! Bei Salazar - was ist denn passiert? Warum blutest du?", sie war selbst überrascht, als sie das pure Entsetzten in ihrer Stimme wahrnahm. Manchmal entdeckte sie doch tatsächlich etwas neues an ihr - wie Schauspieltalent. "Frag nicht so doof!", fauchte Morfin trotzdem. Befriedigt nahm sie seine schmerzverzerrte Stimme war. "Hol Vater her!" Sofort tat Merope, was ihr aufgetragen wurde. Ihre Schritte trugen sie in den Schlafraum, in dem sie hoffte, ihren Vater finden zu können. Sie glaubte in Erinnerung zu haben, dass er sich in den frühen Morgenstunden dort hinbegeben hatte. Tatsächlich fand sie ihren Vater in dem Zimmer vor. Er saß auf dem kaputten Bett und polierte mit einem schmutzigen Tuch den Ring, den er um den Finger trug. Seine langen, gelben Fingernägel kratzen leicht den Dreck von dem Schmuckstück. Merope hielt ein paar Sekunden inne. Der Ring bedeutet ihrem Vater beinahe so viel, wie das Medaillon, das Merope um den Hals tragen durfte. Sie persönlich fand den Ring hässlich. Ein schwarzer Stein war in die Mitte des Ringes eingearbeitet und hatte das Peverell-Wappen eingraviert. Marvolo prahlte immer damit, dass der Ring eines der wertvollsten Familienerbstücke war und sich schon seit jahrhunderten in ihrer Familie befand. Merope hatte noch nie gesehen, dass ihr Vater den Ring abgenommen hatte - solange sie denken konnte, trug er ihn stolz am Mittelfinger zur Schau. Ihr Blick wanderte nach oben zur Gestalt ihres Vaters. Das erste, was ihr immer auffiel, wenn sie ihren Vater ansah, war seine Größe. Er war erstaunlich klein und selbst Morfin hatte in schon lange überholt. Wenn sie nebeneinander standen, konnte man sich beinahe einbilden, Morfin wäre der Vater und Marvolo der Sohn. Marvolo hatte breite Schultern, aber lange, schlaksige Arme, was ihm ein leicht groteskes Aussehen verlieh. Er hatte ein runzliges Gesicht mit stechend hellbraunen Augen und nur kurzem Stoppelhaar auf dem Kopf. "Vater! Morfin hat sich verletzt - er blutet ganz furchtbar!", rief Merope dann und ließ weiterhin das Entsetzen in ihrer Stimme klingen. Mavolos Kopf ruckte sofort hoch und er legte das Tuch achtlos auf das Bett hinter ihm. So schnell, wie er aufgesprungen war und vor ihr stand, konnte sie gar nicht reagieren. Er stieß sie grob zur Seite, und Merope prallte mit dem Kopf gegen den brüchigen Türrahmen. Mit leichten Sternchen vor den Augen drehte sie sich um und beobachtete, wie Marvolo sich vor seinen Sohn kniete und dessen Hand genau begutachtete. "Du!", fauchte er dann Merope an. "Geh in den Garten und hol die Medizin-Pflanzen für deinen Bruder!" Merope sah das unheilvolle Glitzern in seinen Augen, welches ihr mehr als nur gut bekannt war - es bedeutete, dass er sie bewusstlos schlagen würde, wenn sie nicht sofort tat, was er ihr befohlen hatte. Umso mehr beeilte Merope sich aus der Tür vor das Haus zu gelangen. Die Tür ließ sie einen kleinen Spalt aufstehen, falls die Schlange sich noch im Haus befinden sollte. Sie sollte schnell eine Möglichkeit finden zu fliehen und Merope wollte tun, was sie konnte, um zu helfen. Das, was ihr Vater und auch ihr Bruder selten liebevoll "Garten" nannten, war nichts als ein überwuchertes Stückchen Wald. Ihr kleines Häuschen stand nämlich etwas abseits des Dorfes Little Hangeleton. Es stand in einem kleinen Wäldchen und ganz dicht führt eine gewundene Straße daran vorbei. Ein kleiner Feldweg führte die ersten Meter von der Haustür in den Wald hinein, bevor er sich im Nichts verlor. Merope folgte dem Weg nur ein paar Meter, bevor sie tiefer in den Wald hineinlief. Sie musste nicht sehr tief hineingehen - nach ein paar weiteren Metern konnte sie die kleine Hecke sehen, unter der die Kräuter wuchsen, die ihr Vater verlangt hatte. Leicht raffte sie ihr schmutziges, graues Kleid auf, bevor sie sich auf den Boden kniete. Für ein paar Sekunden schaute sie dabei in den Himmel. Ein Stromschlag schien durch ihren Körper zu gehen, als sie den Stand der Sonne bemerkte. Schon früh hatte sie gelernt, an diesem Stand die Uhrzeit abzuschätzen und jetzt war gerade die Mittagsstunde überschritten worden. Normalerweise kam um diese Zeit er vorbeigeritten. Er - das war Tom Riddle. Der gutaussehende, charmante Sohn des Gutsherren. Er war der reicheste Mann in der Stadt und er befehligte über alles, was jenseits des kleinen Tals lag. Morgens ritt er immer mit seinem fuchsroten Pferd auf die Weiden und kehrt um die Mittagsstunde zurück ins Dorf, um sein Mahl einzunehmen. Manchmal fuhr er mit der Kutsche, aber Merope liebte es ihn auf dem Pferd reiten zu sehen. Überhaupt liebte sie alles an ihm. Seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte, war sie unsterblich verliebt gewesen - sie hatte gerade Kräuter gesammelt und dabei merkwürdige Geräusche vernommen. Vorsichtig hatte sie die Blätter der Hecke zur Seite geschoben und dann hatte sie ihn das erste Mal gesehen. Er war auf seinem Pferd direkt an ihr vorbeigeritten; an seiner Seite an junges Mädchen. Für sie hatte Merope keinen Blick übrig gehabt - bis sie um die nächste Kurve verschwunden waren, hatte sie ihre Augen nicht von Toms Gestalt lösen können. Heute fiel es ihr nicht mehr so leicht, die Mädchen zu ignorieren. Wenn Tom jetzt mit einer Begleiterin vorbeiritt, konnte Merope nicht anders, als diese hübschen Mädchen mit sich selbst zu vergleichen. Schon lange war sie zu dem Ergebnis gekommen, dass Tom niemals etwas von ihr wollen würde. Sie war ein armes, hässliches Waldmädchen, das ihren Vater und ihren Bruder durchfüttern musste und keines der eleganten, schönen Dorfmädchen, mit denen Tom Kontakt pflegte. Merope hielt ihre Gefühle vor jedem geheim - vor ihrer Familie, weil sie sie umbringen würden, wenn sie es wüssten und vor Tom, weil sie bei ihm nie eine Chance haben würde. Trotzdem schlich Merope sich zur Mittagsstunde manchmal nach draußen um einen kurzen Blick auf Tom erhaschen zu können. Irgendwie musste sie ihre überschüssige Sehnsucht nach ihm ja stillen. In der Ferne meinte Merope ein Pferdeschnauben zu hören. Eilig legte sie sich mit dem Bauch auf den Boden und schob die untersten Zweige und Blätter der Hecke zur Seite. Früh hatte sie dieses kleine Schlupfloch entdeckt, das garantierte, dass Tom sie nicht dabei bemerken würde, wie sie ihn beobachtete. Merope ließ ihren Blick langsam die Straße hinaufwandern - und tatsächlich. In schnellem Galopp kam ein fuchsrotes Pferd auf sie zugeritten. Schon von Weitem erkannte sie den Reiter - diese schwarzen Haare, die muskulöse Statur und die sichere Haltung hätte sie überall erkannt. Enttäuscht musste sie erkennen, dass Tom auch heute nicht allein ritt. Auf einem jungen, grauen Pferd ritt ein hübsches Mädchen neben ihm her. Sie schienen sich angeregt zu unterhalten und Merope fühlte den bekannten Stich der Eifersucht in ihrem Herzen. "Reiten wir morgen auch zusammen aus, Tom?", hörte sie die helle Frauenstimme sagen. "Natürlich, Cecilia.", antwortete Tom und Merope seufzte auf, als sie seine Stimme hörte. "Allerdings muss ich morgen schon früher wieder heimkehren, weshalb unser Ausflug etwas kürzer werden müsste." "Wann musst du den zurück in dein Herrenhaus?", wollte Cecilia wissen. "Schon um zehn Uhr.", antwortete Tom bedauernd. Cecilia lachte. "Weißt du - dann lass uns morgen früher losreiten! Holen wir die Zeit auf der anderen Seite wieder rein! Ich möchte keine Sekunde, die ich mit dir verbringen könnte, schlafen!" Tom stimmte in ihr Lachen ein und Merope nahm dieses Geräusch ganz tief in sich auf. Sie liebte es, wenn Tom lachte - sie hörte ihn viel zu selten lachen. "Was immer du wünscht, Liebling." Damit ritten sie vorüber und Merope konnte bald nur noch ihre Sihouetten erkennen. Seufzend krabbelte sie wieder unter der Hecke hervor und machte sich mit zitternden Fingern an die Arbeit, die richtigen Kräuter für Morfin zu pflücken. Sie konnte nur hoffen, dass ihr Vater ihr glaubte, wenn sie sagte, dass sie so schnell nicht die richtigen Kräuter gefunden und es deshalb so lange gedauert hatte. Sie stand wieder auf und klopfte sich den Dreck von ihrem Kleid. Und außerdem musste sie hoffen, dass das Wasser nicht übergekocht war und sie damit noch eine vernünftige Mahlzeit herstellen konnte. Im Laufschritt machte sie sich auf den Weg zurück zu ihrem Haus und bereitete sich innerlich auf eine mögliche Bestrafung ihres Vaters gefasst. Kapitel 2: Ein einziger Fehler ------------------------------ Cecilias Worte gingen Merope nicht mehr aus dem Kopf. "Lass uns morgen früher losreiten!", hatte sie zu Tom gesagt und Merope hatte genau gehört, wie er dem Mädchen zugestimmt hatte. Nervös sah Merope sich um. Die Morgendämmerung war gerade erst hereingebrochen und sie konnte Morfin und Marvolo im Nebenzimmer schnarchen hören. Die beiden standen nie so früh auf - nur Merope musste es, damit sie sich um Ordnung und das Frühstück kümmern konnte. Sie genoss diese kurze, einsame Zeit jeden Tag aufs neue - die wenige Zeit, die sie nicht ununterbrochen von ihrem Vater und Bruder im Auge behalten und kontrolliert wurde. Aber heute war sie zu aufgeregt, um irgendetwas zu genießen. Ihre Ohren waren gespitzt und sie lauschte auf jedes Geräusch, ganz egal, ob es von draußen oder von drinnen kam. Sie lauschte auf die eindeutigen Geräusche, die ihr zeigten, dass ihre Familie noch schlief. Und sie lauschte sehnsüchtig auf das Geräusch von Pferdehufen, das ihr zeigen würde, dass Tom vorbeiritt. Die kleine, gewundene Straße, die vom Dorf in die Stadt und auf die Wiesen, Wälder und Weiden führte, führte direkt an ihrem Haus und ziemlich nah an ihrem Fenster vorbei. Wenn man sich anstrengte und den Kopf zum Fenster hinausstreckte, konnte man die Straße sogar von hier erkennen. Das Frühstück stand bereits fertig auf dem Tisch - altes Brot, ein wenig gebratenes Fleisch und der letzte Rest Käse und Wurst. Auch mit der frühmorgendlichen Hausarbeit war sie schon fertig geworden - kein Wunder, wo sie doch schon so lange auf den Beinen war. Nach fünf Uhr morgens war es ihr unmöglich gewesen ruhig weiterzuschlafen. Der Boden war ihr noch härter als sonst vorgekommen und die Gedanken hatten sich nicht abstellen lassen. Ihr heftig schlagendes Herz hatte den Rest getan. Eigentlich wäre es jetzt an der Zeit, ihren Bruder und ihren Vater aufzuwecken, damit das Essen nicht kalt wurde und sie es noch genießen konnten. Und trotzdem stand Merope am einzigen Fenster und machte keine Bewegung in Richtung Schlafraum. Ihre kleinen Zähne hatten sich in ihrer Unterlippe vergraben und es wunderte sie selbst, dass sie noch kein Blut schmecken konnte. Ihre rechte Hand umklammerte das schmale Fensterbrett und die linke spielte nervös mit einer Strähne ihres stumpfen, dünnen Haares. Wenn sie nur wüsste, wann Tom und Cecilia sich verabredet haben! Wenn sie doch wüsste, ob sie es wagen konnte, hier zu warten, um einen kurzen Blick auf ihn zu erhaschen! Über die Schulter warf sie einen kurzen Blick auf die Tür des Schlafraumes. Wenn sie hier noch länger stand, würde das Fleisch kalt werden und Marvolo würde wissen wollen, warum Merope sie nicht geweckt hatte. Natürlich erst, nachdem er sie halb zu Tode geprügelt hatte. Nervös lief Merope ein paar Schritte auf den gedeckten Tisch zu. Ihre Hand schloss sich unsicher um ihren Zauberstab, der immernoch in ihrer Tasche steckte. Ein Versuch, sagte sie sich. Ein Versuch - was soll es schaden? Tief Luft holend holte sie ihren Zauberstab hervor. Seit langer Zeit hatte Merope nicht mehr gezaubert - und noch viel länger war es her, dass ihr ein Zauber gelungen war. Aber vielleicht -ganz vielleicht- würde es ja heute funktionieren. Immerhin schrie ihr Vater sie nicht an; Morfin drohte keinen hilflosen Schlangen und niemand setzte sie unter Druck. Vielleicht würde sie erfolgreicher sein, wenn sie allein war. Zitternd richtete sie ihren Stab auf das Essen. "Calore.", hauchte sie und ein hellblauer Lichtstrahl schoss aus ihrem Zauberstab hervor und traf direkt auf das fertige Frühstück. Überrascht weiteten sich Meropes Augen. Ein blaues Schutzschild hatte sich um die Mahlzeit gebildet und Merope wusste, dass dieses Schild dafür sorgen würde, dass das Essen nicht kalt werden würde. Es würde sämtliche Wärme speichern und verhindern, dass sie entweichen konnte. "Wow.", flüsterte sie. "Ich habe es geschafft - ich habe es tatsächlich geschafft!" Aber sie gab sich nur ganz kurz ihrer aufkommenden Euphorie hin - es gab wichtigeres, als ihre wiedergefundene Zauberkraft. Und Merope wollte über ihrer Freude schließlich auch nicht ihr Ziel vergessen; Tom Riddle war wichtiger, als dieses kleine Wunder. Freudestrahlend lief sie zurück zum Fenster und schaffte es mit Hilfe des klapprigen Herdes auch auf das Fensterbrett zu steigen. Das Fensterbrett sah alt und brüchig aus; nicht, als ob es einen Menschen tragen könnte. Aber Merope nahm dieses Wagnis gern in Kauf, wenn sie nur einen kurzen Blick auf ihre große Liebe würde werfen können. Dafür würde sie niemals ein Risiko scheuen. Sie warf einen Blick zurück auf den Tisch. Allerdings war es besser, wenn man allzu große Risiken vermeidete, wenn man die Möglichkeit dazu hatte. Wenn Tom vorbeigeritten und sie ihre Sehnsucht zum Teil bekämpft hatte, würde sie ihren Vater und ihren Bruder wecken gehen - und niemandem würde auffallen, dass sie getrödelt und sie nicht sofort geweckt hatte, weil das Essen durch den Wärmezauber immer noch heiß sein würde. Und ohne dieses Wissen würde ihr Vater auch keinen Grund haben, sie halb zu Tode zu prügeln. Ihr Lächeln wurde noch breiter und sie lehnte sich vorsichtig aus dem Fenster hinaus. Ihre Finger klammerten sich an die Fensterleiste, damit sie nicht den Halt verlor. Sehnsüchtig sah sie sich um; hoffend bald seinen schwarzen Haarschopf erblicken zu können, bald seine klare Stimme zu hören und sein anmutiges Pferd und seine noch anmutigere Haltung beobachten zu können. Ein kurzer Blick auf den Stand der Sonne zeigte ihr, dass es schon halb neun Uhr morgens war. Hoffentlich kommen sie bald, dachte Merope. Sonst schlägt mich Vater doch, weil er glauben wird, ich hätte verschlafen... Aber soweit sollte es nicht kommen - in der Ferne konnte sie Hufenschläge auf dem weichen Kiesweg aufschlagen hören. Ihr Herzschlag verdreifachte sich schlagartig und sie lehnte sich noch weiter aus dem Fenster heraus, um einen besseren Blick zu haben. Ihre Finger gruben sich so fest in das splittrige Holz, dass es bluten würde, wenn sie noch lange in dieser Position blieb. Es war ihr egal. Denn in genau diesem Moment ritt Tom Riddle mit seiner Begleiterin Cecilia um die Ecke. Sein Anblick raubte Merope jedes Mal wieder den Atem. Die weichen, schwarzen Haare, die in leichten Locken um sein hübsches Gesicht fielen; der starke, kräftige, aber nicht zu muskulöse Körperbau; die wunderschönen blauen Augen; die schön geschwungenen Augenbrauen... Merope konnte nichts an ihm erkennen, dass nicht absolut perfekt war. Cecilia erblasste gegen seine Schönheit und Merope empfand sie nicht als würdig genug, um an seiner Seite reiten zu dürfen. Ihre Haare waren von einem langweiligen blond; ihr Körper wirkte viel zu übbig und ihm Gegensatz zu Tom saß Cecilia so ungelenkt auf ihrem Pferd, als wäre sie noch nie zuvor geritten. Allerdings, dachte Merope und betrachtete ihr unscheinbares, blasses, recht plumpes Gesicht, dass von ihren dünnen, stumpfen Haaren eingerahmt wurde, im Spiegelbild des Fensters, sehe ich auch nicht gerade besser aus. Trotz dieser unzweifelhaften Tatsache, leuchteten ihr ihre brauen, kleinen Augen kampflustig entgegen. Sie würde Tom nicht aufgeben, egal, wie wenig sie auch zu ihm passen würde - eines Tages würde bestimmt die Zeit kommen, an dem sie ihn davon überzeugen würde, dass sie ihm sehrwohl würdig war. Und dann -und daran würde sie immer glauben- würde auch er anfangen sie zu lieben. Entschlossen löste sie ihren Blick von ihrem Spiegelbild und musste überrascht feststellen, dass die Pferde von Tom und Cecilia Halt gemacht hatten. Tom stand vor Cecilias Pferd und reichte ihr die Hand, um ihr von ihrem Pferd zu helfen. Leicht verwirrt runzelte Merope die Stirn. Was die beiden wohl vorhatten? Ob die Pferde von dem kurzen Ritt schon müde geworden waren? Oder war es doch Cecilia, die es nach einer kurzen Pause dürstete? "Schwesterherz? Darf man erfahren, was du da tust?", hörte sie ein zischeln hinter sich. Ihr gesamter Körper verkrampfte sich augenblicklich. Ihre Finger lösten den Griff um die Leiste und nur ihrer schnellen Reaktion war es zu verdanken, dass sie nicht draußen im Wald, sondern hart auf dem Küchenboden landete. Ihre Augen waren geschlossen und sie hörte ein zischelndes Lachen über sich. "Habe ich dich erschreckt?", fragte er und als Merope sich zwang, die Augen zu öffnen, sah sie sich in ihrer schlimmsten Befürchtung bestätigt. Ihr Bruder stand direkt über ihr; die Arme vor der Brust verschränkt und einen belustigten Zug um den Mund. In seiner rechten Hand hielt er sein blutiges Messer. "M-morfin!", hauchte sie. "Ich- ich wollte gerade kommen und euch wecken!" "Selbstverständlich.", schnaubte ihr Bruder und trat einen Schritt an das Fenster heran. "Lüg mich nicht an, sondern sag mir lieber, was da draußen dich so sehr fesselt, dass du deine Aufgaben und Pflichten vernachlässigst." "Da ist nichts! Morfin!", rief sie flehend und betete zu allen Mächten, dass Tom und Cecilia inzwischen weitergeritten waren. Natürlich bewahrheitete sich ihre Hoffnung nicht. "Muggel.", murmelte Morfin verachtend. "Warum beobachtest du bitte Muggel?!" Merope schwieg; verzweifelt nach einer Antwort ringend. Selbstverständlich konnte sie keine gute, plausible Erklärung für ihr Verhalten finden. Es gab keine, die Morfin gelten lassen würde. Vorsichtig setzte Merope sich auf und beobachtete die Reaktion ihres Bruders. Der hatte sich inzwischen zu ihr umgedreht und beobachtete jeder ihrer Regungen. Plötzlich ging er direkt vor ihr auf die Knie; ihre Nasenspitzen berührten sich beinahe. "Tust du das öfter, Merope? Hast du Gefallen daran gefunden schmutzige Muggel zu beobachten? Ist es das, was du immer tust, wenn du gerade keine Aufgabe zu erledigen hast?", wollte er verachtend von ihr Wissen. "Natürlich nicht.", flüsterte sie. "Morfin..." "Weißt du was?", fragte er ebenso leise. Er beugte sich noch ein Stückchen vor, bis ihre Nasenspitzen sich berührten. "Ich glaube, du lügst." "Nein!", schrie sie verzweifelt. "Morfin, nein!" Aber Morfin hörte nicht auf sie. Und sie konnte nichts anderes tun, als zu schreien und zuzusehen, wie er es tat. Sie lag gefesselt am Boden; die magischen Schlingen drückten fest in ihr Fleisch und ließen Blut darunter hervorquellen. Die kleinen Steinchen drückten unangenehm in ihren Rücken und ihre Seite, aber Merope bemerkte es kaum. Alles, was sie wahrnahm, war der Zauberstab, den Morfin auf Tom gerichtete hatte. Seine angstvollen, von Unverständnis erfüllten Augen. Und Morfins sadistisches Grinsen, dass genau zeigte, dass er keinen Spaß machte. Cecilias Schreie waren schon lange verklungen - sie war weggelaufen, als Morfin Merope gefesselt hatte. Das Glück war wirklich nicht auf ihrer Seite. Vermutlich hatte sie es schon überstrapaziert, als sie versucht hatte, einen vernünftigen Zauber hinzubekommen. Brutal hatte Morfin sie aus der Haustür auf Tom und Cecilia zugezogen, die beide auf der Wiese gesessen und einen Schluck getrunken hatten. Merope hatte alles getan um sich gegen den unnachgiebigen Griff ihres Bruders zu wehren, aber es war umsonst gewesen. Sie hatte das Entsetzen in Toms Augen gesehen, als Morfin sie auf den Boden geschleudert und mit einen einfachen Zauber schmerzhaft gefesselt hatte. Das war auch der Moment gewesen, in dem Cecilia endgültig die Flucht ergriffen hatte. Zu ihrer Überraschung und Verzweiflung hatte Tom nicht versucht zu fliehen; vielmehr schien es so, als könnte er seinen Blick nicht von ihr abwenden. Aber auch das hatte nicht lange angehalten - Morfin hatte Tom seinen Zauberstab mit Leichtigkeit an den Hals gepresst und ihm damit kurzzeitig die Luft genommen. Und das war der Moment, in dem Merope angefangen hatte zu schreien und ihren Bruder zu verfluchen. Er schien sich nicht recht entscheiden zu können, welchen Zauberspruch er gegen Tom verwenden sollte und Merope fühlte sich immer verzweifelter. Was, wenn er Tom ernstlich schaden würde? Oder gar einen der Unverzeihlichen in den Mund nehmen würde? Es wäre alles ihre Schuld! Sie hatte gewusst, welche Konsequenzen es haben würde, wenn Morfin oder Marvolo sie erwischen würden, während sie Tom beobachtete. Und trotzdem hatte sie heute alle Vorsicht vergessen und sie beide gefährdet. Es wäre ihr soviel lieber, wenn Morfin sie bestrafen würde, und Tom dafür in Frieden lassen würde! "Lass ihn in Frieden, Morfin!", rief sie, ihren Instinkten folgend. "Es ist meine Schuld und du solltest mich bestrafen- er kann doch nichts dafür! Außerdem wird niemand dich bestrafen, wenn du mich verletzt - wenn es bei ihm die Muggel oder das Ministerium merken..." Morfin schien tatsächlich kurz zu zögern. Merope nutzte ihre Chance sofort. "Denk doch nach, Morfin! Du willst doch nicht den falschen bestrafen und deine Magie an einen Muggel verschwenden, oder?" Das überzeugte. Morfin drehte sich zu ihr um. "Da hast du nicht ganz unrecht, Schwester. Du bist diejenige, die sich vor Schmerzen im Dreck suhlen sollte." Merope entspannte sich ein wenig. Dann fing sie Toms entsetzten und ungläubigen Blick auf. Er öffnete den Mund und machte Anstalten etwas zu Morfin zu sagen, als Merope ihn durch ein eiliges Kopfschütteln unterbrach. Er zögerte, schien aber zu verstehen, was sie wollte. "Trotzdem sollte er nicht ungeschoren davon kommen.", fügte Morfin lächelnd hinzu. Bevor Merope reagieren konnte, hatte Morfin seinen Zauberstab wieder auf Tom gerichtet. "Furunculus!", rief er gehässig und Merope musste entsetzt mit ansehen, wie Tom aufschrie und instinktiv die Hände vors Gesicht schlug. Morfin stellte sich in ihr Sichtfeld und verweigerte ihr jeden weiteren Blick auf ihre große Liebe. "Nun zu dir.", flüsterte er, diesmal wieder in Parsel. "Krutius!" Der Krutius - eine alte Abwandlung des alten, unverzeihlichen Cruciatus-Fluch. Er galt ebenfalls als schwarzmagisch und verboten, aber er war schwerer vom Ministerium zu orten und zeigte genau dieselbe Wirkung. Es dauerte ein paar Sekunden, bis der Schmerz Merope vollständig erreichte. Und dann schrie sie sich die Seele aus dem Leib. Die Schmerzen überrollten sie in qualvollen Wellen; eine stärker als die vorherige. Morfin hielt den Zauber nicht lange aufrecht - höchstens eine halbe Minute, aber Merope hatte das Gefühl, als hätte sie jahrelang unter dem Fluch gestanden. Ihre Muskeln waren weich wie Butter; ihre Stimme nur noch ein Krächzen; Nachwellen des Schmerzes durchflossen sie. Morfin schwang seinen Zauberstab und die Fesseln fielen von ihr ab und verschwanden im Nichts. Er trat zu ihr und kniete an ihrer Seite nieder. Eine seiner Hände glitten in ihr Haar und zogen ihren Kopf nach oben. Sie stöhnte vor Schmerz laut auf. "Damit du das verstehst, Merope - ich habe das gerade nur für dich getan. Zu deinem besten. Du bist eine reinblütige, ehrenvolle Hexe und er ist nichts, als ein dreckiger Muggel. Ein nichts, der es nicht einmal wert ist, dass du deinen Blick auf ihn richtest. Vergiss ihn." sagte Morfin und zögerte dann kurz. "Dann werde ich auch Vater nichts davon erzählen. Komm bald rein, damit er deine Abwesenheit nicht bemerkt. Und keine Sorge, ich habe einen Stillezauber auf sein Zimmer gelegt." Er ließ sie los und ihr Kopf fiel wieder in die schmutzige Erde. Wage bemerkte sie, wie er ihr den Rücken zudrehte und eilig Richtung Haus lief. "Ich liebe ihn.", murmelte sie schwach und war froh, dass Morfin zu weit entfernt war, um sie verstehen zu können. Sie schloss ihre Augen und lauschte schwerfällig ihrem rasenden Herzschlag. Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann spürte sie eine warme Hand auf ihrem Rücken. "Hey ... ist alles in Ordnung mit dir? Mädchen?", sagte eine wohlklingende Stimme über ihr drängend. Tom. Ihr Kopf ruckte hoch und es fiel ihr mit einem Mal leicht, ihre Schmerzen zu ignorieren. Ihre Augen verfingen sich mit den wunderschönen, blauen von Tom und ihr Herz machte einen Purzelbaum. "Es- es geht.", hauchte Merope leise, bevor sie ihre Blick über sein Gesicht schweifen ließ. Beinahe hätte sie entsetzt aufgekeucht. Morfins Fluch hatte sein gesamtes Gesicht entstellt - überall sprossen Furunkel, Pickel hervor und ein hässlicher Ausschlag verbreitete sich überall. Aber nach ein paar Sekunden entschied Merope, dass Tom immer noch der schönste und wundervollste Mann war, denn sie jemals getroffen hatte und den sie jemals treffen würde. Als er seine Arme um ihre Taille schlang um sie in eine aufrechte Position zu bringen, war sie sich sicher, zu spüren, wie ihr Herz ein paar Schläge aussetzte. "Kannst du alleine laufen? Soll ich dir helfen?", fragte er. In seinen Augen stand immer noch das komplette Unverständnis über das eben geschehene. Er verstand nicht, was Morfin getan hatte; was der kleine Stock zu bedeuten hatte oder warum er so komisch gezischt hatte. Aber er hatte verstanden, dass Merope ihn beschützt und nun Schmerzen hatte. Und jetzt wollte er ihr helfen. "Du solltest nicht mit reinkommen - ich schaffe das bestimmt auch allein.", flüsterte sie rau, sich seiner Hände an ihrer Hüfte mehr als deutlich bewusst. "Ich habe nichts von reinkommen gesagt.", erwiderte er nur und festigte seinen Griff um sie. Beinahe mühelos hob er sie auf ihre Beine und stützte sie, als sie drohte wieder in den Sand zu fallen. Den gesamten Weg, bis zu ihrer Haustür, hielt Tom sie fest und sorgte dafür, dass sie sich nicht nochmehr verletzte. Sie genoss jede Sekunde, auch wenn sie wusste, dass bald Ministeriumsarbeiter kommen und Tom das Gedächnis löschen würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)