Wie die Zukunft wird von kateling ================================================================================ Kapitel 18: Fotos und Narben ---------------------------- Kapitel 18: Fotos und Narben Es war Montagabend. Joey kam erst gegen neunzehnuhrdreißig aus dem Büro. Die Besprechung bezüglich der neuen Fotos hatte länger gedauert, als geplant. Eigentlich hatte er vorgehabt kurz in seiner Wohnung vorbeizugehen bevor er zu Kaiba ging. Das fiel jetzt allerdings flach. Sollte er das Ganze auf ein andermal verschieben? Nein, immerhin ging es hierbei um Geld. Er blieb anderen nur ungern etwas schuldig, vor allem wenn es sich bei diesem anderen um Kaiba handelte. Also machte er sich auf den Weg zu Kaibas Wohnung und hoffte, dass dieser ausnahmsweise nicht bis Mitternacht in der Firma war. Der Pförtner ließ ihn ohne Probleme in das Hochhaus. Immerhin war er in den letzten Wochen oft bei Mokuba zu Besuch gewesen und daher kein Unbekannter. Er grüßte den Mann freundlich und fuhr dann mit dem Aufzug nach oben. Vor der Wohnungstür atmete er noch einmal tief durch. Dann klingelte er. Es dauerte etwas bis leise Schritte zu hören waren, dann wurde die Tür abrupt aufgerissen. Vor ihm stand Kaiba persönlich. Dunkle Jeans saßen tief auf seinen schmalen Hüften, sein Oberkörper war frei, nur um seine Schultern hing ein Handtuch. Er rieb sich mit einem Ende durch das nasse Haar, anscheinend kam er direkt aus der Dusche. Anscheinend war er nicht besonders begeistert von der Anwesenheit des Blonden, doch Joey bemerkte das gar nicht. Sein Blick hing an der nackten Brust seines Gegenübers. Dünn war der Ältere schon immer gewesen, aber dass er dermaßen abgemagert war, dass man jede Rippe erkennen konnte erschreckte ihn. Aber er war nicht nur dünn, sondern seine Haut auch von etlichen schrecklichen Narben bedeckt. Narben, die von keinem Unfall stammen konnten. Woher Joey das so genau wusste? Er trug ähnliche Narben. Die kleinen runden stammten von Zigarettenkippen und bedeckten seine empfindlichen Flanken. Seine Handgelenke waren rundherum vernarbt. Irgendjemand hatte ihn gefesselt, über längere Zeit. Kleine parallele Narben zogen sich fein über seine Arme. Narben, die er sich wohl selbst zugefügt hatte. „Du wirst jetzt wohl kaum abhauen!“ murmelte Kaiba leise und drehte sich um, um Joey in die Wohnung zu lassen. Joeys Magen verkrampfte sich. Es war nicht das erste Mal, dass er mit …Missbrauch zu tun hatte. Aber der Zustand von Kaibas Rücken… Wer auch immer ihm das angetan hatte musste ihm regelrecht die Haut vom Rücken geprügelt haben. „Kaiba…“ Seine Stimme klang erstickt. Kalt starrten die blauen Augen ihn über die Schulter hinweg an. „Spar dir dein Mitleid, Wheeler!“ Doch der Jüngere dachte daran, dass ihm dasselbe Ausmaß an häuslicher Gewalt gedroht hatte. Allerdings hatte jemand sich seiner angenommen. „Danke!“ Skepsis schlich sich in den kalten Blick. „Wofür?“ Joey hielt Blickkontakt. „Das warst du damals, der meinen Vater angezeigt hat, nicht wahr?“ Kaiba starrte blicklos vor sich hin. „Ich meine, du kannst es als einziger gewesen sein. Du wusstest es, weil du das alles selbst erlebt hattest!“ Der Ältere wirbelte herum. „Sei still!“ Er widersprach allerdings nicht, also war er es wohl wirklich. „Danke!“ wiederholte Joey leise. Wortlos führte Kaiba ihn ins beleuchtete Wohnzimmer. Der Jüngere sog die Luft durch die Zähne, Kaiba hatte ein paar unschöne an Schultern, Oberarme und am rechten unteren Rippenbogen. „Möchtest du etwas trinken?“ Joey schüttelte den Kopf und lies sich auf die Couch fallen. Kaiba tat es ihm gleich, allerdings wesentlich langsamer und mit einer Hand auf den Rippen. „Was ist passiert?“ Blaue Augen fixierten Joeys Gesicht. „Ich habe im Training ein paar Schläge nicht geblockt!“ Mokuba hatte irgendwann einmal erwähnt, dass sein BruderKampfsport betrieb. Allerdings konnte sich Joey an keine Details mehr erinnern. Sein Blick fiel auf die Kameratasche neben ihm. „Ich würde gerne ein Foto machen!“ Kaiba fuhr auf. „Was?“ Unsicher fuhr sich Joey durch das blonde Haar und wich dem Blick des Älteren aus. „Als ich mit der Ausbildung angefangen habe, da habe ich Bilder für eine Reportage über eine Rehaklinik geschossen. Damals habe ich mit Menschen Bekanntschaft gemacht, die ähnliches erlebt hatten wie ich. Und ich hatte plötzlich das Gefühl diesen Menschen eine Stimme geben zu müssen. Ich habe ihre Geschichten gesammelt und Bilder gemacht!“ Er hob den Kopf ein wenig, da Kaiba ihn noch immer nicht unterbrochen hatte. „Das Projekt heißt Narben und…“ Er holte tief durch, Kaiba schüttelte abwehrend den Kopf, rieb sich die Unterarme. „Nein, ich werde nicht an die Öffentlichkeit gehen!“ Joey erhob sich nun ebenfalls. „Das musst du nicht! Du musst auf den Fotos weder dein Gesicht zeigen, noch werde ich deinen Namen veröffentlichen. Ich werde dafür sorgen, dass keiner diese Bilder mit dir in Verbindung bringen wird, solange du das nicht möchtest!“ Lange sahen sie nur einander in die Augen, dann senkte Kaiba den Blick. „Okay, du bekommst deine Fotos!“ Joey war ein wenig überrascht, als Kaiba ihn in das Klavierzimmer führte. „Was soll ich tun?“ Kurz sah Joey sich um. „Stell dich an das Klavier, den Rücken zu mir und schau nicht in die Kamera!“ Nach kurzem Zögern gehorchte Kaiba. „Zeigen die anderen ihr Gesicht?“ fragte er schließlich leise und streckte eine Hand aus um leicht über den Flügel zu streichen. Joey fotografierte, änderte immer wieder den Standpunkt. „Manche, aber viele wollen wie du nicht erkannt werden! Außerdem hat das eine ganz andere Wirkung. Wenn sie dein Gesicht nicht kennen, beurteilen sie dich nicht nach deinem Status oder Charakter. Der Betrachter sieht wirklich nur das, was dir in deiner Vergangenheit zugestoßen ist!“ Plötzlich klingelte es an der Tür. Kaiba seufzte und fuhr sich durch das inzwischen trockene Haar. Dann ging er die Tür öffnen. Joey packte seine Kamera ein, jetzt sollte er wohl gehen. Als er zurück ins Wohnzimmer kam um sich zu verabschieden stand Kaibas Arzt im Durchgang und betrachtete den geschundenen Körper seines Gegenübers. „Da haben sie wieder einmal ein paar schöne Prellungen abbekommen! Vor allem diese beiden hier!“ Er deutete auf die linke Schulter und die bereits erwähnten Rippen. Kaiba zuckte mit den Achseln und verspannte sich dabei ein wenig. Anscheinend musste es wirklich weh tun, was auch der Arzt zu bemerken schien. Er dirigierte Kaiba auf einen Küchenstuhl und öffnete seinen Koffer. „Sie bekommen einen Salbenverband und ich bandagiere ihnen Schulter und Rippen.“ Gesagt getan und zu Joeys Überraschung hielt Kaiba tatsächlich ohne zu murren still und lies den Arzt seine Arbeit verrichten. „Halten sie den Arm ein paar Tage ruhig. Wegen den Schmerzen…nehmen sie ihre Schmerzmittel nicht auf leeren Magen, das tut ihnen nicht gut!“ Etwas unwillig nickte Kaiba und verabschiedete den Mann, dann sah er zu Joey. „Warum bist du eigentlich hier Wheeler?“ Der Angesprochene rang die Hände. „Naja, eigentlich wegen gestern. Ich meine, ich möchte dir den Eintritt bezahlen und…“ Kaiba winkte ab. „Lass stecken, Wheeler, ich habe dir gestern schon gesagt, dass ich dich einlade!“ Misstrauisch sah Joey ihn an. „Von dir? Sicher, dass da kein Haken dran ist?“ Kaiba streckte sich vorsichtig und sah Joey ernst an. „Wenn du dich dabei so schlecht fühlst kannst du uns ja ein Abendessen kochen. Ich hole mir etwas zum anziehen!“ Damit ließ er Joey alleine zurück, der damit begann die Küchenschränke zu durchsuchen und sich schließlich für gebackene Eier entschied. Er stellte gerade zwei Teller auf den Tisch, als Seto zurückkam. „Ich hätte ja eigentlich damit gerechnet, dass du dich aus dem Staub machst!“ Joey deutete über seine Schulter Richtung Tür. „Soll ich gehen?“ Doch zu Joeys Überraschung schüttelte Kaiba den Kopf. „Schon gut, wenn du willst kannst du bleiben. Wir können und ja einen Film anschauen, oder so!“ Joeys Kinnlade fiel herab, war dieser Vorschlag gerade eben etwa aus Kaibas Mund gekommen? „Ähm…geht’s dir gut Kaiba?“ Der Ältere schnaubte leise. „Du musst nicht bleiben, Wheeler!“ Joey fiel auf, dass Kaiba ihn noch nicht einmal als Köter bezeichnet hatte, irgendwie verwunderlich. „Schon gut, so war das nicht gemeint! Ich bleibe!“ Sie nahmen ihr Abendessen mit ins Wohnzimmer und setzten sich auf die Couch. „Wo ist eigentlich dein Bruder?“ Kaiba streckte sich langsam nach der Fernbedienung, dabei verzog er leicht das Gesicht. „Bei einem Freund!“ Das war lange das letzte Wort, das die beiden gesprochen hatten. Irgendwann gegen Mitte des Films sah Joey zu Kaiba. Der Ältere war etwas herunter gerutscht, sein blaues T-Shirt allerdings nach oben. Der weiße Verband blitzte ein wenig hervor. Er hatte die Augen geschlossen. Kaiba war tatsächlich eingeschlafen. Joey holte seine Kamera und schoss noch ein Foto, einfach, weil der sonst so kalte und ernste Mann nun entspannt und friedlich wirkte. Dann beugte er sich vor und schüttelte ihn leicht an der Schulter. „Kaiba?“ Er zuckte hoch, die Augen von Müdigkeit verschleiert. „Was ist?“ „Du bist eingeschlafen! Und naja ich würde dann nach Hause gehen!“ Der Ältere erhob sich und streckte sich. „Okay, ich fahr dich!“ Überrascht sah Joey ihn an, akzeptierte das Angebot aber. Als Joey nach Hause kam war es bereits Zweiundzwanziguhr. Nach kurzem Zögern griff er nach dem Telefon und rief Jessie an. „Hey Joey wie geht’s?“ Meldete sie sich fröhlich. „Ich war gerade bei Kaiba!“ „Was ist passiert?“ Joey schluckte schwer. „Vor ein paar Jahren gab es Gerüchte, Gozaburo hätte seinen Ziehsohn misshandelt! Kaiba ist von Narben übersät!“ Jessie war still am anderen Ende der Leitung, dann räusperte sie sich. „Heißt das, er hat dasselbe erlebt wie du?“ „Soweit ich das sagen kann war es bei ihm wesentlich schlimmer! Warum verdammt nochmal passiert das in so vielen Familien? Warum tun Eltern das ihren Kinder an?“ Jessie wusste, dass er sich, wenn sie ihn jetzt nicht unterbrach, stundenlang da hineinsteigern würde. „Joey, du kannst nichts daran ändern! Du kannst weder das, was dein Vater dir angetan hat, noch was Kaiba in seiner Vergangenheit erlebt hat rückgängig machen!“ „Was willst du mir damit sagen?“ fragte Joey unsicher. „Du hast Kaibas Narben heute das erste Mal gesehen?“ „Ja, aber warum fragst du?“ Jessie atmete tief durch. „Überleg doch mal Joey! Du warst wie lange in einer Klasse mit ihm und hast doch immer nur den reichen Firmenchef, aber nie die Person dahinter gesehen! Kaiba ist auch nur ein Mensch!“ „Ich weiß das jetzt auch! Ist dir aufgefallen wie dünn er ist?“ Jetzt schluckte Jessie schwer. „Ja, als ihm gestern schwindelig wurde lag das daran, dass er nichts gegessen hatte!“ Jetzt war es still zwischen den beiden. Jessie saß in ihrem Schlafzimmer auf dem Bett und starrte Löcher in die Luft. Ihr Herz schmerzte, wenn sie an Kaiba dachte. Wenn sie seine Gewichtsprobleme und seine Vergangenheit betrachtete hatte er es wohl nie wirklich leicht gehabt im Leben. Sie machte sich Sorgen. Selbst Mokuba war schon aufgefallen, dass mit seinem Bruder etwas nicht stimmte. Irgendwie musste sich etwas ändern. Sie würde etwas unternehmen. „Ich lasse mir etwas einfallen!“ Damit beendete sie das Gespräch. Sie hatte lang genug am Rand gestanden und zugesehen. Jetzt würde sie zum Angriff übergehen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)