Secretary von Anemia ([Crashdiet - FF]) ================================================================================ Kapitel 7: 7. Kapitel --------------------- Das, was mich erwartete, war ein ebenso reinweißer, fast schon steril anmutender Flur, allerdings stilvoll und elegant dekoriert. Peter zeigte mir, an welchem Ort ich meine Schuhe abstellen konnte (er hasste es, wenn Besucher mit Straßenschuhen in seiner Wohnung herumliefen) und schlüpfte anschließend selbst aus seinen Riemchensandalen. Ich hätte ihm zu gern die Füße massiert. "Komm ruhig mit in die Küche", meinte er daraufhin und deutete bereits mit dem Kinn zu dem besagten Raum, dessen milchverglaste Tür einen Spalt weit offen stand. Und als ich das zu dem Flur perfekt passende Zimmer erblickte, wurde ich zugleich eingeladen, mich doch zu setzen. Ja, ich musste zugeben: Peters Wohnung war ein herrliches Fleckchen Erde. Nicht nur schien hier ein wahrer Künstler der Innendekoration am Werk gewesen zu sein; in jedem Raum fand man riesige Fenster vor, die sehr viel Sonnenlicht hineinließen. Das Ganze wurde perfekt abgerundet durch die bequemen Sitzmöbel und eine noch viel bessere Aussicht, für die ich allerdings keinen Blick aus dem Fenster tätigen musste, denn ich brauchte lediglich meinen Kopf leicht zu der Küchentheke wenden, vor der Peter gerade stand. Es dauerte nicht lange, bis Peter den Kaffee servierte und sich zu mir gesellte, indem er auf dem Stuhl mir direkt gegenüber Platz nahm. Zunächst schwiegen wir uns an und tranken hin und wieder aus unseren Tassen. Die Anspannung, die Peter seit einiger Zeit an den Tag legte, war auch jetzt nicht verschwunden. Er wirkte noch immer so angespannt, ja fast schon verkrampft und wirkte, als hielte er sich an der Tasse fest. Hatte er Angst vor mir? Natürlich, ich hatte ihm die Leviten gelesen und das nicht zu knapp und ein wenig war ich noch immer wütend auf ihn, aber er sollte mich um Gottes Willen nicht fürchten. Ich wollte nicht, dass er sein Vertrauen zu mir verlor. Solche Szenen wie damals im Hotel würden sich unter diesen Umständen nie wieder zutragen, und das bedauerte ich sehr. Er hatte meine Nähe doch so genossen und ich selbstverständlich auch seine. Schließlich sah ich, wie Peter sacht zu nicken begann und dann die Lippen öffnete. "Ich wollte mich bei dir entschuldigen", sprach er leise und bedacht, trank aber im Gegensatz dazu einen hektischen Schluck aus seiner Tasse. So, als brauchte er mehr Zeit, um sich die passenden Worte zu überlegen. "Ich weiß, es war große Scheiße, die ich da gemacht habe", redete er weiter und wurde von Wort zu Wort lauter. "Aber als du mich das mit dem Französisch gefragt hast, da konnte ich einfach nicht widerstehen. Ich hatte so gehofft, dass du weißt, was ich meine." Ich schluckte. Dachte nach. Seufzte schließlich tief. Und Peter starrte mich erwartungsvoll aus seinen großen, schönen Augen an. "Du hättest etwas sagen sollen, als du bemerktest, dass ich glaubte, du könntest die Sprache", setzte ich an. "Du hast früh genug gewusst, dass wir die französischen Geschäftspartner treffen und mit ihnen verhandeln." Ich hielt inne. "Ich verstehe einfach nicht, wieso du nicht gleich mit der Sprache herausgerückt bist und mich anstelle ins offene Messer laufen lassen hast." "Martin", meinte er zugleich beschwichtigend. "Ich hatte so eine Angst gehabt, dass du mich dann rauswirfst. Ich hatte bis zur letzten Minute gehofft, dass wir das auch irgendwie so über die Bühne bekommen..." "Na ja, zum Glück konnte man das noch alles gerade biegen", warf ich ein, klang aber noch immer ziemlich kühl und schaute Peter fest in die Augen. "Aber so etwas darf nie, nie wieder vorkommen, haben wir uns verstanden?" "Ja", nickte der andere reuevoll. "Und genau darüber wollte ich auch noch mit dir reden." Ich lauschte gespannt. "Ich will ab jetzt immer ehrlich zu dir sein. Egal, um was es geht." "Das ist schön", bestätigte ich, aber Peter war noch längst nicht fertig. Ich hatte gar nicht realisiert, wie er seinen Arm auf dem Tisch ausgestreckt hatte, ganz so, als wollte er ursprünglich seine Hand auf meine legen. Aber er hatte es sich letztendlich doch verkniffen und so trennten unsere Fingerspitzen immerhin noch ein paar Zentimeter. Noch immer hatte ich meinen Blick nicht von ihm abgewendet, einfach, weil ich es nicht mehr konnte. Seit Tagen spürte ich endlich wieder einmal dieses freudige Kribbeln anstelle dieser dumpfen Anspannung, wenn ich Peter anschaute. Nein. Es war bei Weitem nicht nur dieses Kribbeln, welches durch meinen Magen fegte. Etwas war anders. Intensiver. Überwältigender. Er war so wunderschön. Das war das Einzige, was ich im Augenblick noch denken konnte. "Martin...ich wollte dir schon immer einmal sagen, wie schön deine Augen sind", kam es schließlich von meinem Gegenüber. Es pochte in mir. Sogar ein leichter Schwindelanfall überkam mich wegen seiner Worte, die absolut aufrichtig klangen. "Und am schönsten sind sie, wenn sie immer so glasig werden, wenn du mich anschaust. Wirklich, Martin, ich wüsste keinen Mann, der attraktiver wäre als du es bist." Alles auf der ganzen Welt schien in diesem Moment nebensächlich zu werden. Alles, aber nicht du. Endlich wusste ich sicher, dass du genauso empfindest wie ich für dich. Obwohl ich es schon von Anfang an vermutet hatte, schwangen stets leichte Zweifel in meinem Hinterkopf. Doch sie waren allesamt unbegründet. Du sprachst diese Worte mit einer Überzeugung aus, dass es mir ganz warm wurde. Und ich hatte das Gefühl, deswegen explodieren zu müssen. Die Überwältigung hatte mich dermaßen in ihren Bann gezogen, sodass ich mich weder rührte noch irgendein Wort sagte. Wahrscheinlich wertete Peter dies als schlechtes Zeichen, denn es dauerte nicht lange, bis er sich erhob, erklärte, er wolle sich noch Kaffee nachschenken und schließlich ziemlich viel Zeit vor der Kaffeemaschine zubrachte. Und so, wie er da stand, so wundervoll aussehend und förmlich danach schreiend, dass ich irgendeine Reaktion auf sein Gesagtes zeigte, konnte ich einfach nicht mehr anders. Alles setzte in diesem Augenblick in mir aus. So leise, dass er es mit Sicherheit nicht gehört haben konnte, erhob ich mich, machte einen Schritt auf ihn zu und musterte mit einem unvergleichbaren, noch nie in dieser Intensität dagewesenen Verlangen seinen Körper. Gedanklich strich ich bereits über seine Seiten, kniff in seinen perfekten Po und drückte diesen hart gegen meinen Schritt. Doch dazu kam es nicht. Es kam anders. Mit einem Mal drehte sich Peter um, ich merkte, dass er gerade von der Küchentheke wegtreten wollte, aber abrupt inne hielt, als er realisierte, dass ich direkt hinter ihm stand und ihn anstarrte. Nun stand ich allerdings vor ihm und schaute ihm tief in seine geweiteten Augen. Wir waren uns näher als jemals zuvor gekommen; wenige Zentimeter trennten uns voneinander und mir gelang es sogar, die grünlichen Sprenkel in seinen blauen Augen wahrzunehmen. Aber mein Blick glitt sehr schnell über seine ebenmäßige Haut bis hin zu seinen Lippen. Ich musste es tun. Schob meine Hand sacht auf seine fahle Wange und überbrückte schließlich den letzten Abstand zwischen uns, um ihn sanft zu küssen. Wie bereits erwartet erwiderte Peter den Kuss schnell, sodass wir uns schon bald wild knutschend und mit eng aneinandergeschmiegten Körpern wiederfanden. Ich wusste genau, dass du der Wahnsinn bist. Peter, dieser Moment, in dem ich dir so nahe war, wollte ich nie mehr enden sehen. Und dir erging es nicht anders, das spürte ich in deinen gierigen Küssen. Das hörte ich in deinen tiefen Seufzern der Lust, als du dich auf die Küchentheke setztest und mir vollkommen freie Hand ließest. Deine Haut schmeckte für mich wie süßer Zucker. Und du erschaudertest unter meinen Händen, jeder zarten oder kräftigeren Berührung, die ich dir schenkte. Am liebsten hätte ich mich vollkommen über dir vergessen, mein Schönster. Doch ich floh rechtzeitig aus dieser wundervollen Hölle, noch bevor ich dich komplett spüren konnte. Mit einem Mal ließ ich von Peter ab. Musterte ihn verwirrt. Sein sonst so strenger Zopf war in Unordnung geraten, einzelne Strähnen standen wirr in alle Richtungen, während sich sein Brustkorb atemlos unter der halb aufgeknöpften Bluse hob und senkte. Er sah mich an, mit Augen, in denen sich die pure Lust spiegelte. Wollte nicht, dass ich ihn hier so sitzen ließ, mit für mich gespreizten Beinen und einer deutlichen Beule unter dem engen Rock. Nein, ich wollte es auch nicht. Und trotzdem tat ich es. Eben, weil ich es nicht wollte. Und weil ich musste. Ohne ein Wort verließ ich das Haus, zog mir noch im Treppenhaus die Kleidung zu Recht und ordnete notdürftig mein Haar. Ich hatte es eilig, aber nicht nur deswegen verfehlte ich ein paar Mal beinahe die Stufen. Ich hatte es abgebrochen, das, was wir beide so sehr wollten. Aber trotz allem behielt ich dieses eine Bild in meinem Kopf. Dieses Bild, welches sich mir geboten hatte, bevor ich geflüchtet war. Nie in meinem Leben hätte ich geglaubt, dass ein Mann etwas derartig Erotisches auf mich ausstrahlen könnte. Doch es war Realität geworden. Zwar fantasierte ich schon lange von Peter, aber jetzt, wo mich die Wahrheit einholte, traf es mich härter als jemals zuvor. Erst jetzt, wo ich seinem Körper so nahe gekommen war und damit konfrontiert wurde, dass an Peter so gar nichts weiblich war, sondern er nicht weniger Mann war als du und ich, wusste ich, was all die Jahre wahrscheinlich in mir geschlummert haben musste, ohne je Ausbruch gefunden zu haben. Ja, ich hatte Peter im Hotel fast nackt gesehen, aber das war anders. Nun hatte ich ihn angefasst, berührt, geküsst, so, wie ich es wollte, so, wie er es wollte. Und es war anders als in meinen Fantasien. Wesentlich intensiver. Denn nun hatte ich eine Vorstellung davon, wie es mit einem Mann sein würde. So weit, so gut. Aber es gab da eine Sache, die mich verwirrte, ängstigte und völlig ohnmächtig werden ließ. Es war nicht nur anders und wesentlich intensiver als in meinen Fantasien; es war auch besser. So viel besser. Es war genau das, was ich haben wollte. Und gleichzeitig das, was ich nicht haben wollte. Die ganze Nacht schwirrte ein einziger Satz einem Mantra gleich durch meinen Kopf und machte mir das Einschlafen unmöglich. Und auch Ika gegenüber zeigte ich gewisse Änderungen in meinem Verhalten. Denn ich sah keine Möglichkeit, ihr zu sagen, was mich bedrückte und gleichzeitig beflügelte. Sie hätte es nicht verstanden. Nicht verkraftet. Wie auch? Wir waren doch so glücklich zusammen. Doch ich, ich war schwul. ***** Tagelang schaffte ich es nicht mehr, in die Realität zurückzukehren. Die ganze Welt um mich herum schien wie in Watte gepackt zu sein und absolut undurchdringbar für mich. Ich hing mit meinem Kopf irgendwo in den Wolken und sah keine Möglichkeit, mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Dabei stand in ein paar Tagen das Meeting mit Herrn Rosenquist an und seine Werbung war noch immer nicht mehr als ein Entwurf. Doch wie um alles in der Welt sollte ich mich in diesem Zustand noch dieser SM-Thematik widmen? Alles daran ließ mich an die Bilder zurückdenken, die mein Gehirn von Peter abgespeichert hatte. Wie er da auf der Theke saß, mich anschaute mit einem Verlangen, dass ich so stets Vergeblich in Ikas Augen gesucht hatte. Ich wusste in diesem Augenblick, dass er ganz mir gehören wollte. Ganz mir gehörte. Und eben diese Gewissheit war der Grund, weswegen ich ihm komplett verfiel. Wenn man wusste, dass seine eigenen Gefühle und Gelüste erwidert wurden, dann gab einem das Flügel. Und es konnte einem zugleich die Flügel brechen. Es war ein Kampf, Peter jeden Tag sehen zu müssen. Ihm so zu begegnen, als ob nichts gewesen wäre. Denn auf keinen Fall durfte sich die Szene in seiner Wohnung auch nur im Ansatz wiederholen. Es war ein Ausrutscher, ein einmaliges Versehen, das nicht hätte passieren dürfen. Aber im Grunde hatte er schon ohne diese Episode mein ganzes Leben verändert, vollkommen auf den Kopf gestellt. Nur war es erst an jenem Abend in mein Bewusstsein gedrungen. Und nun erst schmerzte es so sehr. Nun erst begann ich mich dagegen aufzulehnen, mit aller Macht gegen diese Gefühle zu wehren. Und damit wehrte ich mich auch gegen Peter. Ich sah alle Schuld in ihm. Denn ohne ihn, glaubte ich, hätte ich mein intaktes Leben weiterführen können und das bis in alle Ewigkeit. Ohne ihn hätte ich nie mit dem Gedanken spielen müssen, mich zu Männern hingezogen zu fühlen, gar schwul zu sein. Ohne ihn wäre ich nicht so kaputt gewesen, das wusste ich. Ohne ihn wäre meine Welt heil geblieben. Ich verfluchte ihn mit einer tiefen Leidenschaft. Doch wenn man etwas vom Leben wusste, dann war einem klar, dass Hass und Liebe sowie Leidenschaft sehr nah beieinander lagen, ineinander verflossen und unzertrennlich wurden. Sie gehörten zusammen und ich war nicht mehr als eine kleine Motte, die Peters Licht verfallen war. Egal, wie sehr ich mich dagegen währte. Im Grunde war ich machtlos. Ich realisierte es, als meine letzte verzweifelte Auflehnung fehlschlug. Vollkommen versagte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)