Secretary von Anemia ([Crashdiet - FF]) ================================================================================ Kapitel 1: 1. Kapitel --------------------- Zugegeben, meine Hände zitterten sogar leicht vor nervöser Anspannung, als ich am nächsten Tag den Schrank in meinem Büro öffnete und diese gewisse Uniform hervorholte. Alle Sekretärinnen trugen sie des Einheitslooks wegen und der Verstärkung des Zugehörigkeitsgefühls gegenüber der Firma. Im Grunde war sie schlicht und wenig aufreizend, aber das war alles nur eine Frage der Trägerin. Oder auch des Trägers. Mister Lundén stand noch immer erwartungsvoll hinter mir und verzog auch keine Miene, als ich ihm das sorgfältig auf dem Bügel hängende Kostüm überreichte. "Wären Sie so nett und würden das anziehen?", fragte ich, allerdings kamen meine Worte viel mehr einer Aufforderung gleich. "Und dann besprechen wir alles weitere." Schief und so frech wie bei unserem ersten Zusammentreffen grinste mein Gegenüber und nahm die Uniform in Empfang. "Kein Problem", nickte er mir zu, kratzte sich jedoch etwas ratlos am Kopf, während er den schwarzen Rock und die weiße Bluse musterte. "Wenn Sie dann noch ein paar passende Schuhe für mich hätten...ich wusste ja nicht, dass ich heute etwas Derartiges tragen werde, sonst hätte ich mich natürlich entsprechend vorbereitet..." Was sollte denn das heißen? Es klang ja fast so, als wären ihm Frauenkleider an seinem eigenen Körper nicht fremd. Vielleicht hatte ich aber nur etwas falsch verstanden. Schließlich war ich heute eh ein wenig von der Rolle. Zum einen, weil ich so viel mit Mister Lundén besprechen wollte und musste und zum anderen, weil dieser Mann heute irgendetwas ausstrahlte, was mich ganz in seinen Bann zog. Und das noch stärker als während des Vorstellungsgesprächs. Wo er sich umziehen konnte, war schnell besprochen und selbst ein paar passende Schuhe konnte ich auftreiben, die sogar seiner Größe entsprachen. Doch das merkwürdige Kribbeln, das mich ziemlich unbehaglich fühlen ließ, verschwand zu keiner Sekunde. Und es explodierte vollkommen in dem Moment, als Mister Lundén fertig umgezogen wieder in meinem Büro erschien. "Ist doch okay so, oder?", wollte er von mir wissen und drehte sich ein wenig, damit ich ihn von allen Richtungen mustern konnte. Das tat ich freilich auch, aber ich konnte unmöglich kommentieren, was ich da sah. Dieser Mann stach mit seinem Aussehen eindeutig alle anderen Sekretärinnen aus; nicht Melissa und erst recht nicht Julia besaßen diese perfekten Beine, die Mister Lundén sein Eigen nannte und man konnte sich zudem keine harmonischere Silhouette, kein ansprechenderes Gesamtbild wünschen. Gekonnt und so selbstbewusst wirkend wie eh und je machte er ein paar Schritte auf meinen Schreibtisch zu, vor dem er schließlich mit einem sanften Lächeln Platz nahm. Erst jetzt fiel mir ein, dass ich noch gar nicht in der Lage gewesen war, ihm die gewünschte Antwort auf seine Frage zu liefern und holte das nach. Jetzt, wo mich diese Beine und der gesamte Rest nicht mehr ablenken konnten, da der Tisch das Wesentliche verdeckte. "Sieht gut aus", äußerte ich mich ziemlich zurückhaltend, obwohl ich versucht war, ihm ins Gesicht zu sagen, dass ihm das Kostüm bizarrer Weise besser stand als vielen Frauen. In diesem Falle hätte ich mich allerdings mit einer großen Wahrscheinlichkeit zu ziemlich aufdringlichen Komplimenten hinreißen lassen und das durfte mir als Chef nicht passieren. Ich musste professionell bleiben, auch wenn in unserem Haus eine eher lockere Atmosphäre herrschte und wir uns alle duzten, egal, wie alt die Kollegen waren oder in welcher Position sie sich befanden. Beherrschung war in jedem Falle geboten, auch wenn es bei so einer Optik wie die Mister Lundéns extrem schwer fiel. Wir waren zusammengekommen, um über unsere Zusammenarbeit zu reden und nicht über die optischen Vorzüge meiner neuen...Sekretärin. Nachdem ich einmal tief durchgeatmet hatte, besaß ich wieder einen einigermaßen kühlen Kopf und konnte meinem neuen Mitarbeiter alles erklären. Zunächst wies ich ihn auf die besagten legeren Gepflogenheiten bezüglich der Anrede in der Firma hin und bot ihm in diesem Zuge natürlich das Du an. "Nenn mich Martin", stellte ich mich vor und reichte ihm reflexartig die Hand. "Peter", nannte mir mein Gegenüber seinen Vornamen und schlug kräftig ein. Auch wenn man aufgrund seiner äußeren Erscheinung nicht auf den ersten Blick auf sein Geschlecht schließen konnte, so wusste man spätestens, wenn er einem so sicher und fest die Hand drückte, dass man einen Mann vor sich hatte. Genau das war es. Genau das war es doch, was mir jeglichen klaren Gedanken erschwerte. Wir brachten schnell die kleineren Übel wie Belehrung, Einigung über das Gehalt und Einweisung in das Arbeitsfeld hinter uns und nachdem Peter seine Unterschrift unter den Arbeitsvertrag hatte, zeigte ich ihm seinen Arbeitsplatz. Das kleine Büro grenzte direkt an das meine an und wurde nur durch einen Bogen separiert, deswegen hatte ich stets Einblick auf den PC, der so im Raum stand, dass ich lediglich die Rückseite des Schreibtisches sehen konnte, somit aber auch stets etwas der Vorderseite seines Benutzers. Besser gesagt: Von der Hüfte abwärts befanden sich keine störenden Gegenstände im Blickfeld. "Ganz praktisch", empfand Peter die Lage des Zimmers und strich mit der flachen Hand über den Schreibtisch, während er bereits nach Schubfächern Ausschau hielt, die zahlreich vorhanden waren. "Wenn ich eine Frage habe oder ein Kunde angerufen hat, dann muss ich nicht mal aufstehen, sondern kann es dir gleich so mitteilen." Ich nickte. "Einen gewissen Komfort auf Arbeit erachte ich als wichtig. Und du wirst ja auch nicht für das Rumhetzen bezahlt, sondern für die Dinge, die in deinem Arbeitsvertrag stehen." Peter nickte ebenfalls und irgendetwas sagte mir, dass wir uns ganz gut verstehen würden. Dieses Du hatte den letzten Rest Reserviertheit, der noch am Anfang des Tages von Peter ausging, gänzlich ausgelöscht und auch ich konnte nun viel lockerer mit ihm umgehen, was uns beiden sichtlich guttat. Schließlich kamen wir bereits am ersten Tag so gut miteinander klar, dass Peter nicht davor zurückschreckte, mich in der Mittagspause zum Essen einzuladen. Ich erfuhr, dass er die chinesische Küche ebenso schätzte wie ich und ließ mich gerne auf diese nette Zusammenkunft ein. Peters Aufgeschlossenheit und diesem frechen Charme konnte man einfach nicht widerstehen. Und als wir während des Essens auch noch herausfanden, dass wir den gleichen Musikgeschmack besaßen und eine Schwäche für 80er-Sleazebands teilten, brach das Eis zumindest auf Peters Seite komplett. "Dann können wir ja im Büro immer Mötley Crüe und W.A.S.P. hören, wie wäre das?", lachte er und schmunzelte noch viele Sekunden später selig vor sich hin. "Ich glaube nicht, dass das den Kunden gefallen würde", warf ich ebenfalls ziemlich amüsiert ein. "Die meisten befinden sich im mittleren Alter und sind ziemlich spießig." "Ach, da müssen sie durch als Lurch." Sagte es, guckte mich an und steckte sich eine volle Ladung Nudeln in den Mund, vollkommen überzeugt von seinen Worten. Wirklich, wir plauderten bereits wenige Stunden nach unserem Kennenlernen wie alte Freunde miteinander. Peter bestach durch seine unglaubliche Offenheit und so kam es schließlich, dass er mir im Eifer des Gefechtes etwas offenbarte, das eindeutig sehr privat war. So privat, dass ich es besser nicht gewusst hätte. Denn es bescherte mir meine erste schlaflose Nacht. Die Mittagspause neigte sich dem Ende zu und Peter war bereits drauf und dran, für uns zu zahlen. Doch noch bevor er die Bedienung zu uns winken konnte, begann sein Handy nach Aufmerksamkeit zu heischen. "Entschuldige mich kurz", nickte er mir höflich zu, stand auf und stellte sich ein paar Schritte entfernt vom Tisch vor ein Fenster, das aber nahe genug war, um dass ich unfreiwillig seinen Worten lauschen konnte. Zudem zogen seine Beine einmal mehr meine Aufmerksamkeit auf sich und auch wenn ich gewollt hätte, mein Blick konnte sich nicht mehr von ihnen abwenden. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich es erlebt, dass ein Mann sich die Beine rasierte, und schon gar nicht hatte ich jemals solche perfekten, glatten Schienbeine gesehen, wie Peter sie besaß. Die anderen Sekretärinnen würden ihn sicher hassen für seine Anmut und wahrlich engelsgleiche Optik, wenn ich ihn ihnen nach der Pause vorstellte, überlegte ich. Aber genau deswegen wuchs ein wenig des Gefühls von tiefer Genugtuung in mir heran, das meinen linken Mundwinkel zucken ließ. Denn Peter war meine Sekretärin. Die wahrscheinlich hübscheste im ganzen Haus. Und dabei war sie männlich. Erst viel später fiel mir auf, wie pervers das Ganze eigentlich anmutete. Wie surrealistisch. Und wie es seine Wirkung auf mich entfaltete. Es dauerte nicht lange, bis Peter alle Register zog und mich völlig von sich einnahm. Mir alle Sinne raubte. Mein ganzes Weltbild auf den Kopf stellte. Und somit mein ganzes Leben. Aus Peters Gespräch konnte ich letzten Endes sehr deutlich vernehmen, dass er mit seiner Lebensgefährtin sprach. Schließlich nannte er sie nicht nur einmal 'Süße' und wem außer der Liebsten schickte man zum Abschied quietschende Küsse durch das Telefon? Das Messer, das sich durch meine Eingeweide wühlte. Peter war also vergeben. Genau wie ich. Ich nahm es zunächst als gegeben hin. Wollte mich gar nicht weiter darum kümmern, schließlich ging es mich nicht einmal etwas an und im Moment tangierte es mich tatsächlich eher peripher. Doch als Peter sich zurück zu mir an den Tisch gesellte und so offen über sich und seine intimsten Angelegenheiten plauderte, als wäre es das Normalste auf der Welt, begann mein inneres Feuer zum ersten Mal an diesem Tage wilde Flammen zu schlagen. Weiche Hände und Knie inklusive, wie ich sie zuletzt während des ersten Zusammentreffens mit Ika, meiner Ehefrau, erlebt hatte. "Sorry, aber das war Isabel, meine Freundin", entschuldigte sich Peter noch einmal und ich konnte genau sehen, dass er sich verdeckt vom Tisch den Rock straff zog. "Sie ist immer ein bisschen anhänglich und ich denke, es wird nicht ihr einziger Anruf heute bleiben." Er seufzte und schaute verträumt auf den Boden. "Sie vermisst mich eben." "Das kenne ich", bestätigte ich und wollte mich ebenfalls ein bisschen weiter öffnen, denn wenn Peter es konnte, dann durfte ich es erst recht. "Meine Frau jammert auch immer, wenn ich Überstunden schiebe. Aber was will man machen?" Nun schaute mich Peter aus seinen großen, wieder so tiefschwarz geschminkten Augen wie beim Vorstellungsgespräch an. "Du bist verheiratet?", hakte er interessiert nach, ich bestätigte das. "Ach Mensch, ich will Isabel ja auch heiraten, aber sie ziert sich noch. Wir kennen uns ja auch erst seit ein paar Monaten. Es ist ihr zu früh." "Bei uns hat es auch ein bisschen gedauert", bestätigte ich. "Ehe einer von uns überhaupt den ersten Schritt auf den anderen zugemacht hat..." Ich gluckste, als ich mich an damals erinnerte. Wir benahmen uns wie verliebte Teenager. Wie die Königskinder, die sich so lieb hatten, aber sich nicht haben konnten und sich lediglich aus sicherer Entfernung nacheinander verzehrten. Nun schaute Peter wieder zu Boden. Und zum ersten Mal war das Lächeln etwas aus seinem zarten Gesicht gewichen. Lediglich der Ansatz war noch zu sehen und genau das war es, was ihn plötzlich so wehmütig dreinblicken ließ. "Ich weiß schon, wieso Isabel noch warten will", meinte er leise und legte den Kopf schief, während er angespannt mit dem silbernen, schlichten Ring an seinem Finger spielte. "Sie traut mir nicht ganz. Schließlich ist sie meine erste Frau." Er hielt kurz inne, guckte mich mit Pokerface an. Wahrscheinlich tat ich es ihm gleich, denn ich verstand nicht wirklich, was er damit meinte. Seine erste Frau? Peter konnte nie und nimmer bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr Single gewesen sein. Single und Jungfrau. Das war etwas, das ich mir partout nicht vorstellen konnte. So einen wie Peter, so einen wünschte sich doch jede. Doch ich erfuhr, dass es anders war. So anders, dass mein Herz auf einmal tiefer in meiner Brust schlug. Härter. Und dass es mich mit einmal Male diesem außergewöhnlichen Mann noch einen ganzen Schritt näher brachte. Das Warum konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich einordnen, denn manche Gefühle musste man erst auf sich wirken lassen, um sie bewusst wahrzunehmen. Ich spürte nur, dass es mich komplett durcheinanderbrachte. "Bis vor...zwei Jahren habe ich immer nur mit Männern geschlafen", erklärte mir Peter mit ruhiger Stimme, doch es genügte, damit sich alles um mich herum zu drehen begann. "Ich habe immer gedacht, ich sei schwul, aber als dann Isabel kam, wusste ich, dass ich wohl eher bi bin." Wirklich. Ich konnte nicht mehr. Saß wie versteinert da, bewegte mich nicht mehr, und dabei wollte ich ihn am liebsten so viel fragen. So viele intime Geheimnisse entlocken, die ich nicht erfahren durfte, weil wir uns erst seit nicht mal einem Tag kannten und die absolut nichts in der Beziehung zwischen Geschäftsleuten zu suchen hatten. Wie ist es mit einem Mann? Wie fühlt es sich an? Und vor allen Dingen: Fühlst du dich noch immer zu Männern hingezogen? Wie fühlte es sich an, wenn man einen Mann begehrte? Ihn küsste? Ihn anfasste? Mit ihm schlief? Noch nie zuvor hatte ich mich dermaßen intensiv mit diesem mir bis dato so fremden und unwichtig erscheinend Thema auseinandergesetzt. Doch seit diesem Tag tat ich es. In jeder Stunde. In jeder Minute. Immer, wann ich Peter sah. Denn Peter hatte es für mich wesentlich gemacht. Mit allem, was er war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)