Imagination von Kupoviech ================================================================================ Kapitel 5: Niemals ------------------ Ich bin siebundsiebzig Jahre alt. Ich lebe im Heim auf der 7ten Straße. Das Heim heißt Tír na nÓg. An einfaches alles erinnere ich mich noch ganz genau, denn ich bin im Geiste immer jung geblieben, wie es sich für die Einzige Tochter eines Vater, der der vierte Sohn eines siebten Sohnes war und für die Einzige Tochter einer Tochter, die die siebte Tochter einer vierten Tochter war, gehörte. Das Heim in dem ich lebe, ist ein sehr schönes Heim. Die Fensterrähme im ganzen Haus sind bunt bemalt, vor den Fenstern blühen Salbei, Lavendel und Sonnenblumen. Der Gartenpark ist hübsch in Ordnung gehalten. Der Rasen ist säuberlich niedergeschnitten. Die Buchsbäume in akkurate Rechtecke geschnitten. Die Rosenrabatten in Reih und Glied, hochgebunden und zurecht geschnitten. Die grauen Granitsteine des Springbrunnens sind glatt poliert. Die Bäume sind eingezäunt und zurecht gestutzt. Die Sonnenterasse ist aus ebenmäßigen gelben Fliesen. Der Lattenzaun, der den gesamten Gartenpark umgibt ist weiß lackiert. Doch hört man nie ein Wispern. Kein Geraschel und keinen Wind. Der Gartenpark ist tot. Die Pfleger kümmern sich gut um einen, wenn ihre Stimmen auch von jener schleichenden Freundlichkeit ist, die einen Unterton von lauernden Geiern hat. Das Essen ist ebenfalls totgekocht. Selbst die Fleischklöße sind matsch und die Kapern viel zu salzig. Gurke und Kresse findet man auch nicht mehr auf den Sandwiches, denn Kresse klebt zwischen den Zähnen und Gurken lassen sich nicht beißen. Meine Haut ist schon ganz runzelig und grau, weil ich nicht mehr richtig beißen kann. Selbst das viele Salz hilft meinem Körper nicht, dass Wasser in sich zu behalten. So fällt meine Haut immer mehr in sich zusammen. Meine Haare sind grau und strohig. Nur meine Augen sind noch in Ordnung. Nie in meinem Leben habe ich eine Brille gebraucht. Mein Kleid hängt mir von den Knochen wie ein alter Kartoffelsack. Das Leinen ist auch rau wie Jute nur nicht so braun, sondern grau. Montags jedoch, dass war an jedem vierten Montag, wenn der Mond hell schien, dann kam eine Pflegerin und brachte mir ein braunes Kleid aus Samt. In meiner Erinnerung, dachte ich sie schon einmal gesehen zu haben. Das Kleid ist nie einfach anzuziehen. Während ich mich in das spitzwindige Ding hinein kämpfe, stellt sie mir ein Glas Milch auf den kleinen Nachttisch. Die Milch ist erfrischend und bevor ich in die Welt der Träume gleitet, zündet sie für mich die Kerze im Fenster an. Ich wage es mich heute noch nicht ohne die Kerze im Fenster zu schlafen. Die gute Pfelgerin hat auf ihrem Schildchen Flidais stehen und bevor ich einschlafe könnte ich schwören, sie schon einmal gesehen zu haben. In den Heim, wo ich lebe, gibt es auch einen Aufenthaltsraum, wenn es draußen regnet und das Wetter nicht ganz so sonnig ist. Dort sitzen immer zwei Streithähne, die sich nie beruhigen. Laut rufen sie und bedrohen sich gegenseitig mit ihren Gehhilfen. Wenn sie ihre Zähne fletschen, dann klappern ihre Dritten. Dienstags, jeden vierten Dienstag, wenn am Himmel ein rotes Licht zu sehen ist, dann kommt ein Pfleger mit dem Schildchen Alator. Er setzt sich zu den Streithähnen und fordert sie auf ihren Zwist in einer Runde Maumau auszufechten. Ein schlauer Pfleger ist das. Ein Stratege gemacht zur Kriegsführung. Wenn der Kampf entschieden ist und der Sieger der Streithähne grinsend seinen Triumph genießt, dann kommt er zu mir rüber. Er bringt mich dann auf mein Zimmer, wo er für mich die Kerze im Fenster anzündet. Erst wenn die Kerze brennt, kann ich schlafen. Denn ich wage es mich nie, sie zu vergessen. Wenn ich kurz vor dem Einschlafen bin, könnte ich schwören einen leisen Hauch von Triumph zu hören. Wie ich bereits erwähnte schlafe ich nicht gut. Oft sitze ich in meinem kleinen Zimmer und meine Augen sind hellwach. Meine alten Knochen können mich nicht mehr tragen. Nicht mal einen Spaziergang im Mondlicht, kann ich mehr tun. So sitze ich dort in der Stille der Nacht. Mittwochs, jeden vierten Mittwoch, wenn am Himmel ein blaues Licht schimmert und einfach nicht an Schlaf zu denken ist, dann Klingel ich nach einem Pfleger. Jeden vierten Mittwoch, dann kommt ein älterer Herr. Einer der freiwilligen Engel, die einem Gesellschaft leisten. Das Schildchen auf der Brust des älteren Herrn, nennt ihn Ogma. Ich brauche nie etwas zu sagen. Herr Ogma weiß immer sofort was er tun muss. Manchmal hat er seine Geige bereits bei sich. Er setzt sich zu mir ans Bett und spielte die wunderbarsten Töne. Voller Gefühl und sättigend Reich. Er braucht nicht viele Striche auf seiner Geige und mir fallen die Augen zu. Doch kurz bevor ich einschlafe, sehe ich wie er für mich die Kerze anzündet und im Schein der Kerze rührt sich die Decke über mir. Meine Knochen sind alt, ich meine ich hätte das bereits erwähnt. Sie tragen mich nicht mehr. Im Heim, da muss ich dann zu einem Sport namens Physiotherapie. Die Trainer dort sind erbarmungslos. Sie heben und senken meine armen alten Knochen, bis die Muskeln anschwellen und drücken. Sie Foltern mich und schweiß tritt mir auf die Stirn. Abends liege ich im Bett und bin ein einziger Krampf und ein Pochen. Wenn am Himmel ein Donnern zu hören ist und es ist der vierte Donnerstag, dann ist das Pochen unerträglich. Mir bleibt nie etwas anderes übrig als zu Klingeln. Das ist der Donnerstag an dem Schwester Morrigan kommt. Wie ein Engel der Barmherzigkeit. Mit geschulten Augen prüft sie meine geschundenen Knochen. Wenn sie befindet, dass es nötig ist, dann reibt sie mir die Beine mit Arnika ein. Der beißende Geruch macht mich immer ganz schläfrig. Ich könnte schwören, schon einmal so geprüft worden zu, wenn Schwester Morrigan bevor sie geht, die Kerze im Fenster anzündet. Habe ich schon erwähnt, dass das Alter langweilig ist? Mein Gedächtnis ist nicht mehr was es einmal war. Das Alter ist langweilig. Niemand den man kennt lebt noch und kommt einen Besuchen. Ich meine mich noch an diesen Jungen zu erinnern. Ich glaub ich nannte ihn immer Caleb Black. Black, hieß er wirklich Black? Oh mein Gedächtnis lässt nach. Selbst Caleb obwohl er in meinem Alter ist, kommt mich nie besuchen. Träge und verwirrt sitze ich in meinem Sessel vor dem Fenster und denke den ganzen Tag lang nichts. Besonders die vierten Freitage, wenn die Nächte lauwarm sind und der Wind Frühlingsgefühle weckt. Dann erfasst mich eine unglaubliche Sehnsucht. Sie reißt an mir. An meiner Seele. Sie ruft und flirtet und will mich einfach nicht gehen lassen. Mein Herz liegt dann schwer in der Brust. Das tut es schon sehr oft, dass alte Herz. Nichts ist so unerträglich wie die vierten Freitage. Selbst das Licht der Kerze in meinem Fenster, die ich abends anzünde bevor man mich ins Bett rüber trägt, vermag es nicht mein Herz zu trösten. Dann gleich darauf kommen die vierten Samstage im violetten Silberlicht des Himmels. An diesen Tagen fühle ich mich so schwach, dass ich gar nicht erst aus dem Bett aufstehen kann. Mein Körper ist ermattet und schlaff. Mein Herz macht müde Hüpfer. Auf leisen Sohlen und stumm kommt dann Pfleger Dian Cecht. Mit traurigen Augen sieht er mich da liegen. Mitfühlend hebt er meinen Kopf und unter seinem strengen Blick, wage ich es mich nie, dass Wasser das er mir zu trinken gibt einfach nicht zu schlucken. Er ist ein strenger beharrlicher Pfleger. Erst wenn ich mein Wasser getrunken habe und mein Herz nicht mehr ganz so schmerzhaft langsam pocht, lässt er sich überzeugen meine Kerze im Fenster anzuzünden. Würde ich ihn nicht darum bitten, dann würde er nie für mich tun. Nun bin ich schon so alt. Ich bin mit der Erkenntnis gestraft alt zu sein und mein Geist welkt dahin. Mein junger Geist obwohl nicht alt geworden ist leer. Die Erinnerungen sind verblasst zu einem grauen Reigen. Nichts mehr in dieser Welt ist mir geblieben. Ich bin allein. Abends lege ich mich ins Bett mit schmerzenden Knochen, grauen Haaren, hüpfenden Herzen. Wenn ich meine schwarzen Tage habe, dann haben die Schwestern Angst um mich und rufen Frau Doktor. Frau Doktor ist eine elegante hochgewachsene Frau. Sie schimpft immer mit mir „Schon bald…“ höre ich sie nur sehr schwach, bevor der Rest ihrer Worte untergeht.“ Sie macht mir Angst. Manchmal kommt auch Herr Doktor. Herr Doktor ist nicht weniger beängstigend, doch er hat nur Augen für die jungen Dinger. Sonntags vergesse ich die Kerze in meinem Fenster. Heute an einem schwarzen Sonntag den 13., ist mir eingefallen, dass ich immer eine Kerze im Fenster brennen haben muss. Mein Kopf lässt sich nur schwer in die Richtung drehen. Doch als ich es geschafft habe, sitzt dort ein rothaariger Junge. Er hat Haare wie wilde Erdbeeren. In seiner Hand, es ist die Linke, hält er die Kerze hoch. Er hat sie für mich angezündet. Ich frage mich ob der Junge in den Safranfarbenen Kleidern schon immer da gewesen war. Hat er für mich die Kerze angezündet, wenn ich es vergessen habe? Seine blauen Augen, die so tief sind wie Ozeane sehen mich wissend an. Er weiß, dass ich seinen Namen vergessen habe und lacht nur schelmisch. Sein Lachen ist ansteckend. Doch ich erinnere mich nicht mitlachen zu dürfen. „Vermisst habe ich dich.“ Seine Stimme ist wie die Erinnerung an eine alte Liebe. Er stellte die Kerze auf das Fensterbrett und reichte mir seine Hand. „Komm. Es ist die Zeit.“ Am liebsten würde ich sagen, dass ich nicht kann. Doch ich traue mich nicht. „Komm mit mir. Kein Leid wirst du von mir erfahren. Reich mir die Hand und du bist mein Freund.“ Er macht mir Mut und ich steige aus dem Bett. Meine Knochen sind wieder stark und mein Geist wird hell, als meine Hand in seiner liegt. Seite an Seite gehen wir in eine mir so vertraute Welt. Die Welt die niemals war. Doch jagt mir ein Schauer über den Rücken als Caleb sagt „Ihr Majestäten warten auf dich.“ Ich sage ihm, dass ich mich fürchte. Als ich das sage, stelle ich fest das meine Stimme wieder jung ist. Ich bin wieder jung und würde niemals wieder alt werden. „Hab keine angst. Sie laden dich ein für 700 Jahre ihr Gast zu sein.“ Fest klammere ich mich an diese Hand. Je weiter wir in die Welt, die niemals war, gehen, so klarer wird mein Geist. Wissen füllt mich. „Bist du nicht der der …“ Doch weiter komme ich nicht. Wissend was ich sagen wollte hatte er mich aufgehalten. „Das ist nicht so wichtig, ob ich der bin. Ich bin Caleb, so hast du mich benannt.“ Wieder wollte ich ihn etwas fragen. Doch wieder weiß er was ich fragen will. „Andere nennen mich auch Abarta.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)