Scharlachrot von Rabenschwarz ================================================================================ Die dunklen Tropfen regneten auf den Boden und färbten den Schnee, bildeten eine scharlachrote Spur in der scheinbaren Unendlichkeit der Ebene. Der Atem des Mannes ging schwer und bildete dichten Nebel in den eiskalten Temperaturen dieses unerbittlichen Winters. Tropfen über Tropfen. Schritt nach Schritt. Jeder wurde schwerer und immer mehr manifestierte sich der Gedanke, dass er das Ende erreicht hatte, dass seine Schritte ihn nirgendwohin führten sondern nur seine eigene Angst ihn vor sich trieb wie ein Raubtier. Er wollte nicht sterben. Er durfte nicht sterben. Er würde sterben. Sein Kimono sog sich immer mehr voll und gefror, sein Gewicht wurde beinahe unerträglich. Die farbenfrohen Wappen seines Hauses waren nass und dreckig, er spürte, dass seine Sandalen gebrochen waren, wie ihre Splitter in seine Füße stachen, aber der Schmerz war surreal, als wäre es der Schmerz eines anderen. Er hob die Hand und wischte sich eine schwarze Strähne aus dem Gesicht. Sein Haar war so unendlich lang geworden in den letzten Wochen. Sein Bart kribbelte, gefroren von dem peitschenden Wind. Die blauen Augen starrten nach vorne, vorbei an den Schneewehen, vorbei an dem Grau des Himmels, vorbei an der Realität selbst. In seiner Hand spürte er immer noch den Griff seines Katana, auch wenn er es schon längst verloren hatte. Er stolperte und versuchte sich damit abzufangen, doch dort war nichts, sein sicherer Halt von der erbarmungslosen Kälte entrissen, ihm für immer genommen. Er schlug hart auf dem Schnee auf. Bei diesen Temperaturen war dieser nicht zärtlich weich, sondern hart wie Glas. Tausende Eisscherben die sich in seinen Körper bohrten, der gefrierende Tod, der nach seinen Wunden leckte, nach seinem Sinn griff und ihn ins Dunkel zerren wollte. Würde sie auf ihn warten, dort, am anderen Ende? Würde sie ihm vergeben? Er hatte ihr versprochen sein Schwert nicht zu erheben. Er hatte ihr versprochen, es würde anders werden, er würde nie wieder seine Klinge sprechen lassen, nie wieder den Tod bringen. Er hatte ihr versprochen zurückzukehren. Ihr kleines Haus, eine einfache Hütte in Hokkaido, eine Zuflucht vor all dem was ihn sein Leben lang verfolgt hatte. Ein Soldat, ein Samurai für das Shogunat. Ein Held. Ein Krieger voller Würde und Mut, voller Tatendrang, der das Unrecht zu Recht kehrt, der das Böse vertreibt…ein machtloser, einfacher Mann, der sich hinter einer Rüstung, einer Klinge und Worten versteckt. Ein Mörder, der sich selbst einen Erlöser nennt. Er hatte ihr versprochen, mehr zu sein als das. Und sie hatte ihm versprochen immer bei ihm zu bleiben. Niemals von seiner Seite zu weichen, seine Schuld zu sühnen, sein kaltes Herz zu wärmen. Waren es Tränen die an seinen Wangen bissen? Oder war es das Blut, das seinem sterbenden Körper entfloh? So viel Blut…ihr Blut. Warum? Warm haben sie es getan? Warum sie? Sie wollten nur Gold, nur Reichtum, Ronin ohne Ehre, ohne Verstand, nur Hass und Gier…war er so viel anders als sie gewesen? War er im Recht über sie zu richten, der er so viele Leben beendet, so viele Frauen ohne Männer gelassen hatte? Am Ende hatte er über sie gerichtet. Sie waren tot, bezahlten für ihre Gier. Aber sie…warum musste sie sterben? Die Ronin waren tot, aber sie wachte einfach nicht auf, gehüllt in ein rotes, unnatürliches Kleid, bleich wie der Schnee um sie herum. Rikka…verzeih…mir. Seine Klinge war es, die letztendlich über ihn richten sollte. Er hatte sich zum Henker über diese Welt erhoben, hatte sich angemaßt all jene zu strafen für….für was eigentlich? Am Ende war er sich nur einer Schuld sicher, seiner eigenen. Er hatte sie nicht beschützt. Und damit sein Leben verwirkt. Rikka…wie sehr sehne ich mich nach deiner Nähe…wirst du auf mich warten, dort wo ich hingehe? Wirst du mir verzeihen? Aber ihre Nähe war ihm nicht vergönnt. Sie war schon lange fort, leblos, unnahbar wie das Eis. Er ging…Schritt nach Schritt….und nun war er angekommen, am Ende seiner Reise. Wer mit dem Schwert lebt, wird mit dem Schwert sterben. Sie war keine Mörderin, ihr oblag keine Sünde außer der ihn zu lieben. Nein, sie würde nicht auf ihn warten. Nur schwärze. Kälte. Nacht. Und der scharlachrote Schnee… Englische Version ----------------- Dark droplets, raining on the ground, painting the snow into an eerie red and leaving a petty trace amidst the seemingly endless, snowy plain. The man’s breathing is heavy and irregular, forming small clouds with each breath, breaking the ice-cold air of this relentless winter. Droplet after droplet. Step after step. Each one getting harder and harder, each making it more obvious, that he has already arrived at the end, that his way is leading nowhere and only his fear keeps him running like a scorning beast. He doesn't want to die. He mustn't die. He will die. His kimono is getting more and more soaked and frozen, it’s weight crushing his shoulders. The colorful emblems of his clan, wet and dirty, his sandals are broken and tearing into his feet, but the pain seems unreal, the pain of a stranger. His hand wipes a streak from his face. His black hair seems so incredibly long after all this weeks. His beard tingles, frozen solid by the lashing winds. The blue eyes gaze forward, past the snow, past the gray sky, past reality itself. His hand still feels his katana’s grip, even though he lost it long ago. He trips, tries to support himself but there is nothing left to sustain him, everything taken by the merciless cold. He hits the snow. A snow so cold, it feels like glass, like thousand tiny splinters, drilling into his body, the freezing death, grinding his wounds, clawing at him to pull him into the darkness. Will she wait there for him, at the other side? Will she forgive him? He promised not to raise his sword. He promised not to live through the blade again, not to kill again. Never. He promised to return to their little home in Hokkaido, a small sanctuary from everything haunting his entire life. A soldier, a samurai for the shogunate. A hero. A proud, brave warrior, thirsting to make a wrong right, to drive the evil away…a powerless, pitiful man, hiding behind his armor and his blade, behind empty words. A murderer, calling himself a savior. He promised to be more. And she promised to stay with him, promised to never stray from his side, to atone for his sins, to warm his cold heart. Are those tears, biting his cheeks, or is it the blood, fleeing his dying body? So much blood…her blood. Why? Why did they do this? Why her? They only wanted gold, riches, ronin without honor, without wisdom, only hatred and greed…is he any better? Has he any right to judge them, after ending so many lives, leaving behind so many widows? In the end he still judged them. They were dead, having paid the highest price for their greed. But she…why did she have to die? The ronin were dead, but she didn't wake up, lying there in an unnaturally red dress, pale as the snow around them. Rikka….forgive…me. In the end his blade was the one to judge him. He had lifted himself to be the executioner of this world, had the arrogance to punish this world for…for what? In his last moments he was only certain of one guilt – his own. He failed to protect her, and with this his life was forfeit. Rikka…how I long for your warmth…will you wait where I am going? But he isn't allowed to be with her. She is long gone, lifeless, like ice. He must go…step after step…arriving at this one end, his end. One who lives by the sword, dies by the sword. But she was no murderer, she was free of sin except for her love for him. No, she wouldn't wait for him at the other side. There was no redemption. Only darkness. Coldness. Night. And the scarlet snow… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)