undo what has been done von Violie (Albus & Lucy) ================================================================================ Kapitel 1: forgive quickly, love truly -------------------------------------- forgive quickly, love truly +++ „Ist das dein Ernst?“ Albus stand mit verschränkten Armen im Wohnzimmer der Wohnung, die er sich seit über einem Jahr mit Lucy teilte. Ihre gemeinsame Wohnung in Falmouth, die sie zusammen mit Liebe und Spaß und Zukunftsvisionen eingerichtet hatten. Die Wohnung, die sie beide ihr Zuhause nannten. „Natürlich ist es mein Ernst. Warum sollte ich über eine solche Sache lügen?“ „Du willst das wirklich machen?“, fragte er mit kratziger Stimme nach, denn er musste wissen, ob Lucy wirklich bereit war, alles aufzugeben, was sie sich in den letzten Monaten erarbeitet hatten. Seine Hände zitterten, aber Lucy schien es nicht zu bemerken. „Ja, Albus, wirklich. Das ist mein Traum seit ich denken kann. Freust du dich überhaupt nicht, dass ich diese Chance bekommen habe?“ Lucys harte Fassade ließ nach und sie sah ihn aus traurigen, blauen Augen an. Ihre angespannte Haltung war erschlafft und sie wirkte noch viel kleiner und zierlicher, als sie sowieso schon war. „Doch, ich freue mich. Natürlich!“ Und es war keine Lüge. „Aber du zeigst es mir nicht“, stellte Lucy leise fest. „Wie soll ich meine Freude ausdrücken, dass du bei den Appleby Arrows als Jägerin spielen darfst, wenn ich dein direkter Gegner bei den Falmouth Falcons bin? Wie soll ich dir zeigen, dass ich es dir gönne, wenn ich weiß, dass wir gegeneinander spielen und uns andauernd besiegen müssen? Und wie, verdammt, soll ich glücklich sein für dich, wenn ich weiß, dass du in eine andere Stadt ziehen und ohne mich weiterleben wirst?“ Albus sprach lauter und schneller, als er beabsichtigt hatte. Er holte tief Luft, seine Stimme ruhiger als er fortfuhr: „Ja, ich bin froh, dass du die Chance bekommst, deinen Traum zu verwirklichen, aber ich weiß, dass das bedeutet, das sich zwischen uns alles verändern wird. Einfach alles! Wie sollen wir diese Beziehung aufrechterhalten, Lucy? Wie sollen wir das anstellen, wenn wir uns so weit voneinander entfernen?“ Lucy hatte ihre Augen geschlossen und Albus wusste, dass sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Er hatte die letzten fünf Jahre mit ihr verbracht, ständig an ihrer Seite, und er kannte sie - kannte sie in- und auswendig. Und es machte ihm Angst, dass all das, all diese Zeit und all seine Liebe, am Ende umsonst gewesen sein sollen. Er wollte nicht aufhören, an Lucys Seite zu sein, doch ihr schien diese Tatsache keinerlei Probleme zu bereiten. „Was erwartest du von mir, Albus? Das ich meine Träume und Wünsche und Ziele aufgebe - für diese Beziehung?“ Albus biss sich hart auf die Unterlippe, um nicht loszuschreien, Dinge durch die Gegend zu werfen oder laut zu weinen. Wie konnte sie das alles so nüchtern und kalt betrachten, während er sich fühlte, als würde sein Herz aus seiner Brust gerissen werden? Er konnte Blut auf seiner Zunge schmecken und brach das Schweigen: „Nein, nein das erwarte ich nicht. Ich dachte nur, dass ich und diese Beziehung dir etwas mehr bedeuten - nach fünf Jahren - und das es dir nicht so leicht fallen würde, alles wegzuwerfen.“ Lucy seufzte gut vernehmlich. „Al, du weißt, dass ich das so nicht gemeint habe.“ „Ach, weiß ich das?“, fragte Albus sarkastisch und schluckte schwer. „Ich liebe dich. Ich liebe dich, Albus. Sei nicht so unfair, du weißt, dass ich das tue!“ „Vergiss es einfach, Lucy.“ Er warf ihr einen weiteren Blick zu, sah den Ärger in ihren Augen. Er war es nicht gewohnt, sie so zu sehen. Natürlich wusste er, dass Lucy eine Kämpferin war - das war sie schon immer gewesen. Sie konnte sich stundenlang streiten, schreien und stur ihre Meinung vertreten. Aber so ging sie nur mit allen anderen um, niemals mit ihm. Albus wandte sich ab. Er griff nach seiner Jacke, die wie immer über der Sessellehne hing, bis Lucy sie wegräumte, weil sie die ordentliche war und er einfach nicht. Er klopfte seine Taschen nach Schlüssel und Geldbeutel ab, bevor er ohne ein Wort zur Tür ging. „Wo willst du hin?“, rief Lucy und folgte ihm in den Flur. „Ich denke ich bleibe ein paar Nächte bei Fred“, sagte er stumpf. „Das ist doch lächerlich, Al. Bleib hier, komm schon!“ Doch er schüttelte nur den Kopf, drückte die Klinke herunter. „Bis dann, Lucy.“ Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und Lucy folgte ihm nicht. Das hatte er auch nicht erwartet. Sie war zu stolz, zu stur um ihm nachzugehen. Doch er hörte ihre verzweifelte Stimme durch das dicke Eichenholz. „Albus, komm zurück! Bitte! Verdammt!“ Er drehte nicht um, disapparierte einfach an Ort und Stelle. +++ Albus kam vier Tage später nach Hause und sein Herz sank ihm in den Bauch, als er den Zustand seiner sonst so vertrauten Wohnung erblickte. Sie wirkte leer, unbewohnt, einsam. Das lag nicht daran, dass Möbel fehlten. Nein, alles war noch da - der große Esstisch mit den bunten Stühlen, die jeder lächerlich fand, aber die so typisch Albus-und-Lucy waren, die blaue Sofa-Garnitur, die Tante Fleur ihnen vermacht hatte, das Bett mit dem verschnörkelten Metallrahmen, den Lucy so romantisch fand. Alles war an seinem gewohnten Platz, aber es fühlte sich falsch an. Denn es waren die kleinen Dinge, die fehlten - die Bilder an den Wänden, die Vasen auf dem Couchtisch, die Pflanzen in den Fensterbrettern, die kitschigen Figuren auf den Beistelltischen, die Weihnachtkarten über dem Kamin. Alles, was der Wohnung den liebevollen Touch gegeben hatte, war fort. Albus klammerte sich am Türrahmen zum Schlafzimmer fest um nicht die Balance zu verlieren. „Lucy?“, rief er mit wackeliger Stimme, obwohl er längst wusste, dass sie weg war. Alles war so ungewohnt still und Kälte überfiel ihn. Das hier war nicht seine Heimat, nicht sein Zuhause, nicht sein Rückzugsgebiet, nicht der Platz, an dem er sich wohlfühlte. Dies hier war einfach eine möblierte Wohnung, ohne jeglichen persönlichen Bezug zu ihrem Eigentümer und er hasste es. Er fand den Brief auf der Küchenanrichte. Albus, ich wusste nicht, wann du zurückkommen würdest und ich hatte keine Zeit, zu warten. Ich habe in Appleby eine Wohnung gefunden, nicht so groß wie diese hier, aber sie ist sehr hell und freundlich. Das Training beginnt am Montag und ich will vorher wenigstens die gröbsten Renovierungen abgeschlossen haben. Die Möbel habe ich dir alle gelassen, ich will sie nicht. Ich habe nur einige persönliche Dinge mitgenommen - du hast das ganze Deko-Zeug ja sowieso nie gemocht. Keine Ahnung, was ich sagen soll, Albus. Ich liebe dich, daran hat sich nichts geändert. Ich weiß, dass es nicht einfach ist - die Distanz und die Rivalität zwischen den Mannschaften. Aber ich habe gedacht gerade du würdest mich verstehen. Ich bin damals zu dir nach Falmouth gezogen; habe meine Familie, meinen Job, mein Leben in London zurückgelassen, um bei dir zu sein. Damit du deinen Traum verwirklichen konntest. Was ist mit meinen Träumen, Albus? Ich habe jahrelang auf diese Gelegenheit gewartet, habe darum gekämpft und trainiert, bis ich vor Erschöpfung zusammengebrochen bin. Ich liebe Quidditch und ich liebe dich. Wie soll ich mich zwischen den beiden wertvollsten Dingen in meinem Leben entscheiden? Und wie kannst du erwarten, dass ich bei dir bleibe, wenn du beim kleinsten Anschein von Problemen fliehst, wegläufst, uns keine Chance zum Reden gibst? Was soll ich davon denken? Wie soll ich damit umgehen? Vielleicht sind wir einfach nicht füreinander geschaffen, weil wir uns zu ähnlich sind: zu stur, zu stolz und zu verliebt in das Spiel. Ich denke, das heißt dann wohl, dass es vorbei ist. Es tut mir wirklich leid, Al! Lucy Albus blinkte vehement gegen die Tränen, die sich in seinen Augen sammelten. Sein Herz schlug rasend schnell in seiner Brust und ein Wirbel von Gefühlen zog durch seinen Körper. Er war so wütend, so traurig, so enttäuscht, so verletzt, so hilflos. „So sagst du mir, dass wir miteinander fertig sind? In einem dämlichen Brief? Das ist alles? Nachdem wir solange für unsere Liebe gekämpft, sie verteidigt, alle Vorurteile und missbilligenden Blicke über uns ergehen lassen haben? Verdammt, Lucy, ich dachte unsere Beziehung wäre dir mehr wert, als das! Nach fünf Jahren ist alles was ich bekomme ein lächerlicher Brief? Du gehst einfach, haust ab, und kannst dich nicht einmal verabschieden? Das war ich dir wert? Das ist alles?“ Er schrie die Worte aus voller Seele in den leeren Raum und die Stille, die danach herrschte, drohte ihn zu ersticken. Seine Sicht war tränenverschwommen. Er zerknüllte das Stück Pergament zwischen seinen Fingern und warf es ohne einen weiteren Blick in den Kamin, in welchem zum ersten Mal seit Ewigkeiten kein Feuer brannte. +++ Albus verbrachte die nächsten drei Wochen fast ausschließlich im Stadion. Er flog stundenlang über die Tribünen, durch die Ringe an beiden Ende des Spielfeldes, soweit nach oben in den Himmel, bis ihn die Kälte zurück in Richtung Erde trieb. Er trainierte alle Taktiken und Manöver, die er schon seit seinen Hogwartstagen perfektioniert hatte. Seine Hände waren voller Blasen trotz der schützenden Lederhandschuhe, seine Beine steif vom langen Sitzen in einer Position und er fiel jeden Abend vor Erschöpfung ins Bett, vergaß nicht nur einmal das Mittag- und Abendessen. Von Lucy hatte er nicht ein Wort gehört. Er hatte den Brief nicht verbrannt, ihn nur wieder aus dem Kamin genommen und in seinem Nachtschrank verstaut. Als er am dritten Donnerstagmorgen nach Lucys Weggang lag Albus rastlos in seinem Bett. Er wollte nicht aufstehen, er wollte nicht den ganzen Tag mit Fliegen verbringen, aber liegenbleiben konnte er auch nicht. Denn dann flatterten alle möglichen Gedanken in seinen Kopf - Gedanken, die er in den letzten Wochen gut verdrängt hatte. Er wollte nicht über Lucy nachgrübeln, er wollte sie am liebsten vergessen. Albus konnte sich eingestehen, dass es vielleicht nicht sein klügster Schritt gewesen war, an diesem Nachmittag die Wohnung zu verlassen, zu gehen, auf ein klärendes Gespräch zu verzichten. Ja, diese Schuld konnte er auf sich nehmen. Doch er würde es Lucy niemals verzeihen, dass sie ohne ein weiteres Wort verschwunden war. Lustlos schwang er die Beine aus dem Bett, sprang unter die Dusche und machte sich fertig für das Training mit der Mannschaft, welches wie jeden Tag um zwei Uhr nachmittags begann. Das er normalerweise schon Stunden davor und noch Stunden danach durch das Stadion flog und übte, hatte sein Trainer mit Missbilligung zur Kenntnis genommen, aber ihm nicht verboten. Albus wusste nicht, was er ansonsten gemacht hätte. Es fühlte sich an, als wäre Quidditch alles, was ihn noch bei klarem Verstand halten würde. +++ Am Abend desselben Tages wünschte Albus sich, dass er sein Bett niemals verlassen hatte. Die Saisoneröffnung stand in einer Woche an und natürlich war es sein Glück, dass das erste Spiel gegen die Arrows stattfand. Sein Leben war die reine Ironie. Natürlich hätte er sich selbst denken können, dass die Falcons gegen die Arrows antreten würden - der Zweitplatzierte und der Drittplatzierte der letzten Saison traten im ersten Spiel der neuen Saison immer gegeneinander an. Albus hatte noch nicht wirklich darüber nachgedacht, wie er sich verhalten sollte, wenn er Lucy erneut gegenüberstehen würde. Schlimmer war noch, dass sie sofort gegeneinander spielen würden. Er wusste nicht, ob er aus lauter Wut besonders grob mit ihr umgehen oder ob er aus lauter verzweifelter Liebe jeden guten Zug seiner Mannschaft mit Absicht vermasseln würde. Beide Optionen waren nicht gut. Sein Trainer hatte ihn sogar beiseite genommen und gefragt, ob er lieber auf das Spiel verzichten wollte, wegen seiner „Situation“, wie er es ausdrückte, und Albus hatte vor Scham im Boden versinken wollten. Wann genau war sein Privatleben die Angelegenheit aller geworden? Er hatte seinem Trainer versichert, das alles Bestens war und er auf jeden Fall spielen würde. Er konnte ja schlecht auf der Ersatzbank sitzen, während seine Ex-Freundin - es war merkwürdig sie so zu bezeichnen - durch die Luft schwebte und ihr Spiel ablieferte, so wie es von ihr verlangt wurde. +++ Am Tag des großen Eröffnungsspieles war ihm hauptsächlich übel. Er übergab sich zweimal in seinem Badezimmer in Falmouth, einmal in der Umkleidekabine im Londoner Stadion, in welchem das Spiel stattfand, und einmal kurz bevor die Mannschaften das Spielfeld betraten. Sein Kapitän warf ihm immer wieder nervöse Blicke zu und Albus wusste, dass er heute seine Höchstleistung bringen musste. Und das würde er, denn auch wenn es ihm jetzt noch so schlecht ging, in der Luft war er eine andere Person und verdammt, er war unschlagbar! Als er Lucy erblickte, gekleidet in ihren blassblauen Umhang mit dem Emblem der Arrows auf der Brust, setzte sein Herz für einen Augenblick aus. Sie hatte ihre Haare zu einem strengen Pferdeschwanz zurückgebunden, die Schultern gestrafft, einen harten Ausdruck in ihrem Gesicht und sie sah wunderschön aus. Sie begegnete seinem Blick mit Gleichmut und er spürte einen schmerzhaften Stich in seiner Brust. Albus war bewusst, das unzählige Blicke auf ihm und Lucy lagen - das halbe Stadion schien die Luft anzuhalten und zu erwarten, dass sie aufeinander zu stürmen und sich verliebt in die Arme fallen würden. Als würde das jemals passieren! Er wünschte, die Menschen würden woanders hinstarren - er konnte diese Aufmerksamkeit nicht ertragen. Schlimm genug, das jede einzelne Zeitung im Land einen ausführlichen Artikel über Lucys und sein Liebes-Aus verfasst hatte. Geschichten über ihn waren sowieso doppelt begehrt, weil er nicht nur Albus Potter, der Quidditchspieler, sondern auch noch Albus Severus Potter, der Sohn des Auserwählten, war. Es war schrecklich. Sobald er sich jedoch vom Boden abgestoßen hatte, waren alle seine Gedanken vergessen. Er konzentrierte sich auf das Spiel, nahm Lucy den Quaffel ab, als wäre sie eine Gegnerin wie jede andere, und ließ sich von ihr austricksen wie von jedem anderen Spieler auch. Er dankte Merlin dafür, dass sie niemals zusammen trainiert hatten und nicht alle Stärken und Schwächen des anderen kannten. Damals, in Hogwarts, hatte er für Slytherin und sie für Gryffindor gespielt und auch später hatten sie niemals gemeinsam an ihrer Technik gefeilt. Als hätten sie immer gewusst, das sie eines Tages Gegner sein würden. Das Spiel verlief überraschend gut und fair. Lucy und er spielten leidenschaftlich und mit Können, so wie sie es auch in jedem anderen Spiel gemacht hätten und als am Ende die Falcons mit 370 zu 300 gewannen, war es ein knapper, aber auch gerechter Sieg für Albus‘ Team. Wie üblich schüttelten sich alle Spieler anschließend auf dem Feld die Hand und wenn Albus Lucy überging, wer wollte es ihm vorhalten. Es störte ihn nicht, wie kindisch er durch dieses Verhalten vielleicht erschien, aber nach ihrer emotionslosen Miene zu Anfang des Spiels hatte er keine Kraft, ihr noch einmal in die kühlen Augen zu schauen und berühren wollte er sie auch nicht. Albus verabschiedete sich hastig vom Feld. Lucys Nähe stellte verrückte Dinge mit seinem Herzen an und er wusste, dass er dies nicht lange ertragen und am Ende etwas Dummes tun würde. „Albus! Hey Al, warte doch mal!“ Vor Überraschung stolperte er über seine eigenen Füße. Er hätte nicht erwartet, dass sie von sich aus ein Gespräch mit ihm anfangen würde. Etwas unschlüssig blieb er vor der Umkleide der Falcons stehen und drehte sich zu ihr um. Sie sah noch immer wunderhübsch aus, auch wenn ihre Haare sich teilweise aus dem Zopf gelöst hatten und der Schweiß ihr auf der Stirn stand. Ihre Augen leuchteten. „Herzlichen Glückwunsch zum Sieg“, sagte sie strahlend und Albus wusste nicht, was er mit ihrer veränderten Laune anfangen sollte. Vor dem Spiel hatte sie ihn noch angeschaut, als wäre er persönlich für alles Leiden auf der Welt verantwortlich. „Ja, ähm, danke“, murmelte er und räusperte sich anschließend. „Können wir reden?“ Ein hoffnungsvoller Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Albus nickte nur und führte sie dann in eine ruhigere Ecke, abseits des Feldes und von den Tribünen, auf denen sich noch immer Hexen und Zauberer tummelten, nicht einsehbar. „Wie geht es dir?“, fragte Lucy. Er zuckte mit den Schultern. Was wollte sie hören? Es ging ihm verdammt scheiße ohne sie, aber das war nicht der Moment, darüber zu sprechen. „Und dir?“, fragte er der Höflichkeit halber zurück. Lucy grinste schief. „Super, ja wirklich! Es ist wundervoll in Appleby, meine Teamkollegen sind nett und es macht so viel Spaß richtig professionell zu spielen. Albus, es ist genau so wie ich es mir vorgestellt habe.“ Albus brummte und sagte nichts. Lucy ging es wundervoll und offensichtlich kam sie ganz gut ohne ihn aus. Er verbrachte Stunden damit, jeden Gedanken an sie aus seinem Kopf zu zwingen, während sie ihn wahrscheinlich schon längst aus ihrem Leben verbannt und jegliche Erinnerung an ihn vergessen hatte. Lucy knöpfte ihren Umhang auf und ließ ihn von ihren Schultern gleiten. „Ganz schön heiß“, erklärte sie noch immer lächelnd und zum ersten Mal fiel Albus auf, dass es irgendwie leer wirkte. Sein Blick streifte über ihren Körper und er blinzelte verwirrt. „Isst du ordentlich, Lucy? Du bestehst ja nur noch aus Haut und Knochen“, merkte er an und seine Stimme nahm einen vorwurfsvollen Ausdruck an. Lucy verzog das Gesicht. „Ja, Albus, natürlich esse ich.“ Sie verdrehte die Augen. „Bist du sicher?“ Er griff nach ihrem Handgelenk und schluckte schwer. Sie hatte abgenommen, und das nicht nur ein bisschen. „Geht es dir wirklich gut?“ Mit einem verärgerten Schnaufen riss Lucy ihr Handgelenk los. „Das geht dich nichts an, Albus. Nicht mehr.“ „Ja und wessen Schuld ist das?“, fauchte Albus zurück und verschränkte wie üblich die Arme vor der Brust. „Du bist abgehauen, Al! Das war ja wohl eindeutig, oder was hast du gedacht, wie ich das interpretiere? Du bist gegangen, hast mich einfach stehen gelassen und dich geweigert mit mir zu sprechen. Ich habe nur deinen Willen akzeptiert und dich allein gelassen.“ „Das habe ich nie gewollt, Lucy, und das weißt du. Du hast nur eine Ausrede gesucht um schneller verschwinden zu können, gib es wenigstens zu!“, warf er ihr mit erhitzter Stimme vor. Lucy schlug ihm ohne Vorwarnung mit der flachen Hand ins Gesicht und ein verletzter Ausdruck trat in ihre Augen. „Wage es nicht mir so etwas zu unterstellen, Albus, das ist so unfair!“, begann sie mit leiser, unterdrückter Stimme. „Ich wollte für diese Beziehung kämpfen, es hätte Wege gegeben und wenn wir wirklich gewollt hätten, dann hätten wir es hinbekommen. Du hast sofort nur das Schlechte gesehen und uns nicht einmal eine Chance gegeben. Du bist gegangen und für mich war das ein eindeutiges Zeichen.“ Ohne ihm die Möglichkeit zu geben, etwas zu erwidern, schlang sie ihren Umhang wieder um ihre Schultern und eilte davon. Albus hielt sich noch immer die Wange und blinzelte die Tränen weg, die der Schmerz aber auch Lucys Worte in seine Augen getrieben hatten. Mit hängenden Schultern ging er zurück in seine Umkleide und ließ die spöttischen Kameraden seiner Teamkameraden über sein rotes Gesicht an sich vorbeigehen. +++ Albus verbrachte den Großteil der nächsten Tage damit, über Lucys Worte nachzudenken. Sie war gegangen, weil er gegangen war? Was für eine bescheuerte Logik war das denn, fragte er sich selbst wieder und wieder und wurde von Mal zu Mal ärgerlicher. Und es war auch nicht so, als hätte er nicht reden wollen. Nur dann, in diesem Moment, an diesem Nachmittag, hatte er keine Kraft dazu gehabt. Ja, vielleicht hätte er am nächsten Morgen zurückkommen und nicht noch drei weitere Tage schmollen sollen, aber es war unsinnig jetzt darüber nachzudenken, wenn er die Zeit sowieso nicht zurückdrehen konnte. Mehrmals überlegte er, einfach zu Lucys neuer Wohnung nach Appleby zu apparieren, nur um den Gedanken dann sofort wieder zu verwerfen. Was würde das schon bringen? Er wälzte sich morgens in seinem Bett herum, wälzte sich abends in seinem Bett herum und fragte sich, ob es vielleicht doch noch eine Chance für ihn und Lucy gab. Wenn er zu ihr gehen, sich entschuldigen, alle Missverständnisse aufklären würde - vielleicht könnten sie es dann noch einmal versuchen. Seine Atmung beschleunigte sich bei dieser Vorstellung. Er sehnte sich nach Lucy, vermisste sie aus vollem Herzen. Ihr schräges Singen am Morgen, ihr perfekt zubereitetes Mittagessen jeden Tag vor dem Training, ihre quirlige Art durch die Wohnung zu hüpfen, ihre Angewohnheit am Abend mit ihm auf dem Sofa zu kuscheln - er vermisste alle Aspekte seines alten Lebens mit ihr. Ohne sie wirkte alles so fad, leblos und langweilig. Er hatte seit Wochen kein selbstgekochtes Mahl zu sich genommen, nur Fertigprodukte oder bestelltes Essen. Auf der Couch hatte er auch ewig nicht gesessen. Die meiste Zeit verbrachte er allein und missgelaunt in seinem Schlafzimmer unter allen Decken, die er in der Wohnung finden konnte. Ja, er wünschte sich Lucy zurück, mehr als alles andere. Doch dann dachte er daran, wie fröhlich und zufrieden sie am Spieltag gewirkt hatte. Sie hatte jetzt ein neues Leben, ohne ihn, und schien damit bestens klar zu kommen. Der Gedanke, dass sie ihn nicht brauchte, verursachte ihm Bauchschmerzen. +++ Zwei Wochen später, nach einem gewonnenen Spiel gegen die Chudley Cannons und einem verlorenen Spiel gegen die Montrose Magpies, fand das Rückspiel gegen die Arrows statt. Albus‘ Blick fiel, sobald er das Spielfeld betrat, auf Lucy und diesmal musste er sie nicht ohne ihren Umhang sehen um festzustellen, wie unheimlich dünn sie geworden war. Sie sah nicht halb so ernst und konzentriert aus, wie das letzte Mal. Stattdessen hatte sie dunkle Ringe unter den Augen und ihre ganze Haltung schrie ihm ihre Erschöpfung ins Gesicht. Er fasste seinen Entschluss recht schnell - sofort nach dem Spiel würde er mit ihr reden, ob sie wollte oder nicht. Und er würde dafür sorgen, dass sie wieder zu Kräften kam, koste es was es wolle. Was auch immer sie zu dieser kraftlosen, ausgemergelten Person werden ließ, würde er nicht akzeptieren. Und sollte sie sich weigern, seine Hilfe anzunehmen, dann würde er ein paar ernste Worte mit ihren Eltern sprechen. Lucy würde es niemals soweit kommen lassen. Es stellte sich schnell heraus, dass es zu einem Gespräch nicht kommen würde. Das Spiel lief gerade einmal zwanzig Minuten, es stand 60 zu 40 für Arrows und Albus nahm seinem Gegner nach einem Klatscherangriff den Ball ab, als er ein kollektives Aufschreien im Publikum vernahm. Verwirrt folgte er den geschockten Blicken der Zuschauer und ließ prompt den Quaffel los, was sein Gegner ausnutzte, der nicht zu bemerken schien, was hinter ihm passierte. Albus hätte der Ballverlust nicht egaler sein können. Seine Augen waren entsetzt auf Lucy gerichtet, die nahezu in Zeitlupe von ihrem Besen zu kippen schien und ungebremst auf die Erde stürzte. Albus wusste, dass er sie niemals erreichen würde, bevor sie auf dem Boden aufschlug. Er öffnete den Mund, als wollte er nach ihr rufen, doch kein Schrei kam über seine Lippen. Er wusste nicht, was er tun sollte, wusste nicht, was er denken sollte. Er konnte sich nur mitten in der Luft an seinen Besen klammern und dem Geschehen mit rasendem Herzen folgen. Seine Starre hielt nur einige Sekunden, die ihm jedoch vorkamen, wie lange Minuten. Er wendete seinen Besen mit geübter Hand und flog Lucy hinterher auf die Erde. Er sah, wie sie vor seinen Augen auf den harten Rasen fiel und sprang von seinem Besen, obwohl er noch zwei Meter in der Luft schwebte. „Lucy!“ Seine Stimme klang wie die eines Fremden in seinen Ohren, ganz rau und tränenerstickt. Er sank neben Lucys schmalem, ohnmächtigem Körper auf die Knie. „Lucy, Lucy, Lucy“, wiederholte er wieder und wieder und griff nach ihrer zierlichen Hand. Sie regte sich nicht, ihre Augen waren fest geschlossen und aus dieser Nähe betrachtet wirkte sie noch viel kränker. Heiler und Medimagier kamen auf ihn zugerannt und versuchten angestrengt, ihn aus dem Weg zu kriegen, doch er wich keinen Zentimeter von Lucys Seite. Er nahm nur nebenbei wahr, dass das Spiel pausiert wurde, doch es kümmerte ihn nicht. Seinetwegen konnten die Arrows gewinnen, das Spiel, die Saison, den Pokal, alle Pokale auf der Erde - er wollte nur, dass Lucy ihre wunderschönen, blauen Augen öffnete. +++ Lucy kam Stunden später im St. Mungo Hospital wieder zu sich. Sie blinzelte verwirrt und Albus‘ Herz sprang vor Erleichterung auf und ab. „Lucy, Lucy, Lucy“, murmelte er und verbarg seinen Kopf in ihrer warmen Halsbeuge. „Was machst du denn nur, liebe, liebe Lucy?“ Er hatte das Spielfeld mit ihr verlassen - hatte seinem Trainer keine Beachtung geschenkt als dieser meinte, er solle sich sofort wieder auf seinen Besen schwingen und das Spiel zu Ende bringen - und seitdem keinen Gedanken mehr an Quidditch verschwendet. Lucy lag klein und blass in ihrem Krankenbett, mit einer dicken, weißen Bandage um ihren Kopf und einer Schiene an ihrem linken Unterschenkel. Sie hatte keine allzu schlimmen Frakturen. Die Dosis Skele-Wachs für ihren Kopf hatte man ihr schon eingeflößt und die restlichen Brüche wurden wie üblich mit dem Episky-Fluch geheilt. Ihr Bein brauchte einige Tage Ruhe, doch ansonsten ging es ihr gut. Albus war der Heilerin dankbar um den Hals gefallen, als sie ihm dies erklärte. „Albus?“, flüsterte Lucy und Albus reichte ihr einen Becher Kürbissaft für ihre ausgetrocknete Kehle. „Warum isst du nichts, Lucy?“, fragte Albus, nachdem er ihr geholfen hatte ein paar Schlucke zu trinken. „Die Heiler haben gesagt, dass du zu schwach warst und dich nicht auf deinem Besen halten konntest, weil du nichts zu dir nimmst. Warum tust du das, Lucy?“ Lucy schaute ihn mit großen, unschuldigen Augen an. „Ich habe gegessen, ich schwöre. Nur eben nicht besonders viel. Ich habe einfach nichts runterbekommen, Al. Alleine zu essen ist furchtbar, das bin ich einfach nicht gewöhnt.“ Sie klang so verletzlich, das Albus beschützend nach ihren Händen griff und sie drückte. „Dann solltest du nicht mehr allein essen“, sagte er leise und schaute sie direkt an. „Komm wieder nach Hause, Lucy. Komm wieder zurück zu mir. Es tut mir leid, dass ich gegangen bin. Es tut mir leid, dass du geglaubt hast, dass ich nicht für unsere Beziehung kämpfen will. Das war so dumm von mir, es tut mir unendlich leid. Ich weiß, dass wir das mit der Entfernung schon hinbekommen und gegeneinander spielen können wir auch. Das haben wir in Hogwarts schließlich auch geschafft. Es tut mir leid, Lucy. Bitte verzeih mir, dass ich so ein Idiot war und komm zurück zu mir. Wir können apparieren oder flohen, es gibt genügend Wege. Ich weiß, dass wir das schaffen. Ich liebe dich, Lucy, ich liebe dich so sehr.“ Er holte Luft und versuchte seine bebende Stimme zu beruhigen. „Tu mir das nie wieder an, Lucy! Kannst du dir vorstellen, wie ich mich gefühlt habe, als du vom Besen gefallen bist? Du hattest keine Kraft dich auf deinem Besen zu halten, Lucy. Du darfst es nie wieder so weit kommen lassen. Versprich mir das! Ich würde es nicht ertragen, wenn dir etwas zustößt. Ich würde es nicht ertragen, wenn du das nächste Mal nicht wieder aufwachst!“ Lucys Augen waren tränennasse und Albus hatte sich noch nie sehnlicher gewünscht, sie küssen zu dürfen. Aber er hielt sich zurück, aus Angst, dass sie ihn nicht zurücknehmen würde. „Mir tut es auch leid, Albus. Alles. Ich bin viel zu schnell gegangen und habe die falschen Schlüsse gezogen und ich möchte einfach nur wieder bei dir sein. Diese Einsamkeit macht mich fertig. Ich will nicht mehr alleine sein.“ „Musst du nicht“, flüsterte Albus und lehnte sich über sie. „Musst du nie wieder.“ Und dann küsste er sie und es war egal, dass Lucy währenddessen aufgrund ihrer Medikamente wieder einschlief, denn er konnte sie am nächsten Tag wieder küssen, und auch am Tag danach und an dem Tag der darauf folgte. Er konnte sie jeden Tag bis zum Ende seines Lebens küssen, wenn sie das auch wollte. +++ Ich hoffe es hat euch gefallen! Ich freue mich wie immer über Meinungen, Lob oder Kritik! 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