Blind von SeishiroSumeragi (Holly x Rico) ================================================================================ Kapitel 7: Paradise ------------------- Wie verabredet, holte Rico Holly am nächsten Tag aus dem Krankenhaus ab und fuhr ihn nach Hause. Die letzten Untersuchungen waren nach Aussage der Ärzte mehr als zufriedenstellend und ließen auf eine schnelle, vollständige Genesung hoffen, was Ricos Herz gleich noch ein wenig höher schlagen ließ. Und seine Sorgen ein wenig mehr verdrängte. Als die beiden Mitglieder der Instanz endlich in Berlin ankamen, gingen sie zunächst einkaufen. Denn Hollys Kühlschrank füllte sich schließlich nicht von allein. Danach fuhren sie weiter zur Wohnung des Sängers. Rico hatte sich gleich ein paar Sachen mitgenommen, damit er für die nächsten Tage auf den Sänger aufpassen konnte. Auch wenn er nach wie vor noch nicht ganz realisiert hatte, was seit gestern alles geschehen war… Nicht nur, dass Holly aller Wahrscheinlichkeit nach wieder völlig gesund werden würde. Nein, er konnte auch noch persönlich dafür sorgen, dass der Sänger sich wirklich erholte und durfte die nächste Zeit bei ihm bleiben! Trotz aller Sorgen, die sich der Violinist immer noch machte, konnte er nicht leugnen, dass er bei dem Gedanken an die bevorstehenden Tage einfach glücklich war. Zwar würde es sehr mühevoll werden, weiterhin seine Gefühle vor Holly zu verbergen, aber darüber konnte er sich Gedanken machen, wenn es soweit war. Und während Rico sein leichtes Lächeln gar nicht mehr ablegen wollte, machte auch Holly so seine Pläne, was die Zeit mit seinem Bandkollegen anging. Denn ganz uneigennützig war es nicht gewesen, dass er sich nahezu ohne Widerrede auf das Angebot Ricos eingelassen hatte. Immerhin sah der Dunkelhaarige trotz seines nun wenigstens wiedergefundenen Lächelns nach wie vor aus wie eine wandelnde Leiche. Und Holly hatte vor, genau das zu ändern. Wenn Rico bei ihm war, konnte er wenigstens dafür sorgen, dass dieser mal ordentlich ausschlief und auch wieder etwas vernünftiges zu essen bekam. Und vielleicht würde er sogar ein bisschen mehr aus ihm herauskriegen, als nur die bloße Aussage, dass er sich Sorgen um ihn machte… Denn Holly war der festen Überzeugung, dass das nur die halbe Wahrheit war. Da musste noch mehr sein – kein Mensch, auch wenn er noch so fürsorglich war, würde derart ausgezehrt und fertig sein, nur weil er sich Sorgen um irgendjemanden machte, der nicht mal sterbenskrank war. So kam es, dass Holly und Rico die kommende Woche fast ausschließlich gemeinsam verbrachten. Da der Sänger eigentlich vorgehabt hatte, ein wenig umzuräumen, hatte er das Gästezimmer vorübergehend als Abstellkammer für all jene Dinge genutzt, die er entweder wegschmeißen oder ordentlich verstauen wollte. Das wiederum hatte nun zur Folge, dass Rico ebenfalls in dem Doppelbett schlafen musste. Natürlich hatte er dagegen keinerlei Einwände, auch wenn er sich sicher war, dass es ihm die ein oder andere schlaflose Nacht oder diverse Problemchen am Morgen bereiten würde. Doch das war ihm so ziemlich egal – Hauptsache er konnte in Hollys Nähe sein… Entgegen seiner Befürchtungen schlief der Violinist jedoch sehr gut; die ständige Sorge und der alles andere als gesunde Tagesablauf der letzten Zeit forderten ihren Tribut. Und da Holly nach eigenen Aussagen die Krankenhausbetten ohnehin nicht besonders mochte, entwickelte auch er sich zunehmend zum Langschläfer. Die Tage verbrachten die beiden auf unterschiedlichste, aber immer entspannte Art und Weise. Rico hatte seine Violine dabei und spielte nicht nur an einem Abend diverse Songs der Instanz, die Holly entweder mitsang oder lediglich das Geigenspiel des Dunkelhaarigen genoss. Wenn das Wetter schön war, gingen die beiden Musiker spazieren und unterwegs essen. Oft tauschten sie dabei Ideen für neue Songs aus oder sprachen über ihre lustigsten Erlebnisse mit der Instanz. Rico wurde dadurch zunehmend ausgelassener, was Holly wohlwollend zur Kenntnis nahm und bekam auch wieder ein wenig mehr Farbe im Gesicht. Der Sänger selbst erholte sich ebenfalls schnell und vergass darüber völlig die Zeit und den Grund, warum Rico bei ihm schlief. Am dritten Abend überredete Rico Holly, in einer Bar vorbeizuschauen und den Abend dort ausklingen zu lassen. Was der Sänger nicht ahnte: die restlichen Mitglieder der Letzten Instanz waren allesamt anwesend und wollten seine Entlassung aus dem Krankenhaus und seine schnelle Genesung feiern. Die Überraschung war perfekt, denn Holly hatte wirklich nichts von der heimlichen Planung mitbekommen und freute sich wie ein kleiner Junge. An diesem Abend lachte selbst Rico viel und die Spuren seines Leids waren kaum noch erkennbar. Erst als nach circa einer Woche der erste Arzttermin anstand, wurde den beiden wieder deutlich bewusst, warum sie eigentlich jeden Tag bisher so entspannt angegangen waren… Wie Rico jedoch sehr wohl wusste, hasste der Sänger Arzttermine – das lange Warten, der sterile Geruch, die Krankheit, die einen umgab. Es gab viele Gründe, warum Holly nicht gern zum Arzt ging und deshalb beschloss Rico, ihn zu begleiten. Anfangs wollte der Sänger ihn von seinem Vorhaben abbringen, doch der Violinist blieb stur und letztlich war Holly froh, nicht allein im Wartezimmer zu hocken. Glücklicherweise bestätigte der Arzt nur, was bereits die Doktoren im Krankenhaus gesagt hatten: die Genesung Hollys schritt erfreulich schnell voran und wenn alles so weiterging, würde er gute Chancen darauf haben, keine Folgeschäden oder Spätfolgen davonzutragen. „Du scheinst ja quasi so etwas wie mein persönlicher Glücksbringer zu sein, Stolzi.“, meinte Holly grinsend, nachdem er dem Dunkelhaarigen auf dem Rückweg zum Wagen alles erzählt hatte. Es war nur ein einfacher Satz, doch Rico spürte sofort, wie er rot wurde. „Zur Feier des Tages lade ich dich ein. Also: was willst du essen?“ Etwas nervös wandte er sich ab, damit Holly die leichte Röte auf seinen Wangen nicht sah und räusperte sich, nachdem er tief durchgeatmet hatte. „Äh… keine Ahnung.“, murmelte Rico und konnte seine Gedanken kaum auf die eigentliche Frage Hollys konzentrieren. „Eigentlich würde es mir völlig reichen, wenn wir uns heute einen gemütlichen Abend bei dir machen.“ Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, hätte er sich dafür am liebsten die Zunge abgebissen. Was sollte das denn? Hatte er nicht vorgehabt, seine Gefühle trotz allem vor Holly zu verbergen!? Innerlich resigniert den Kopf schüttelnd sah Rico vorsichtig zu Holly, da er schon fast einen blöden Kommentar erwartete… oder einen entgeisterten Blick, wenn er ihn nun doch durchschauen würde. „Haha, du bist ja vielleicht anspruchslos. Aber meinetwegen. Dann koch ich was Schönes für dich. Da musst du dich dann aber schon entscheiden, was du willst.“ Holly lächelte ihn offen auf seine warmherzige Art und Weise an und Rico musste sich zusammenreißen, um nicht in diesen wunderschönen Augen zu versinken. „Äh, kein… kein Problem, das krieg ich hin.“ Er konnte sein Glück kaum fassen! Zwar hatten sie in letzter Zeit oft zusammen gegessen und gekocht und auch so sehr viel Zeit miteinander verbracht. Aber wenn Holly nur für ihn kochen würde, war das noch mal was ganz anderes. Die Vorfreude musste ihm regelrecht ins Gesicht geschrieben stehen, denn während des gesamten Rückwegs machte Holly irgendwelche Bemerkungen über sein strahlendes Lächeln, was laut dem Sänger aussah wie das eines Honigkuchenpferdes. Doch offensichtlich freute es ihn, den Violinisten so glücklich zu sehen. Später verbannte Holly seinen Bandkollegen aus der Küche und schickte ihn ins Wohnzimmer, wo er solange warten sollte. Der etwas verwirrte Rico stand im ersten Moment ratlos vor der Couch und hörte für einige Sekunden nur dem Klappern des Geschirrs zu. Dann beschloss er, sich die Zeit mit Geige spielen zu vertreiben. Doch irgendwann wurde der Dunkelhaarige nervös – was machte Holly nur so lange in der Küche? Er war schon kurz davor, nachzusehen, ob mit dem Sänger alles in Ordnung war, da sich seine Sorge wieder zurückmeldete. Was wäre, wenn Holly zusammengebrochen war und nun bewusstlos am Boden liegen würde, während er hier dumm rumstand? Doch in diesem Moment kam Holly auch schon zur Tür herein, blieb stehen und sah Rico mit einem so sanften Lächeln an, dass dieser Mühe hatte, sich auf dessen Worte zu konzentrieren. „Darf ich bitten?“, fragte er und streckte dem Violinisten die Hand entgegen. Dieser war von dem seltsamen Verhalten des Sängers mehr als irritiert, errötete jedoch leicht, als Holly seine Hand nahm. Der Sänger geleitete den Dunkelhaarigen in das an die Küche angrenzende Esszimmer… und Ricos Kinnlade sackte zu Boden. Holly hatte nicht nur einfach Essen gemacht – er hatte quasi ein drei-Gänge-Menü gezaubert und das Esszimmer ganz nebenbei auch noch entsprechend hergerichtet. Über dem Tisch lag nun eine Tischdecke, in der Mitte stand eine Kerze und auch im restlichen Raum brannten mehrere Kerzen. Dazu hatte Holly eine passende Flasche Rotwein kühl gestellt. Es war eine Flasche, die Rico ihm mal zum Geburtstag geschenkt hatte, wie ihm bei genauerem Hinsehen auffiel. Scheinbar bemerkte auch Holly die Sprachlosigkeit des Violinisten, denn er sah ihn von der Seite her an und musterte ihn eingehend, während er noch immer seine Hand hielt. „Gefällt es dir? Ich dachte mir, dass du es nach all dem Stress und den Sorgen, die ich dir bereitet habe, nur verdient hast. Und ich wollte mich damit bei dir bedanken. Für… einfach für alles, was du für mich seit dem Unfall getan hast. Ich hab sogar extra den Wein rausgeholt, den du mir geschenkt hast. Ich glaube, jetzt ist er genug gereift und deswegen dachte ich mir, das ist doch der ideale Moment, um ihn zu trinken.“ Erst durch die leisen Worte des Sängers, die Rico einen angenehmen Schauer über den Rücken jagten, wurde er sich wieder bewusst, wo er war. Und er spürte auch wieder das leichte Kribbeln an den Stellen, wo Hollys Hand die seine berührte. Immer noch völlig überwältigt nickte er. „Es ist…“ Er schluckte, konnte die Tränen, die sich in seinen Augen sammelten, jedoch nicht unterdrücken. „Rico? Hey, was ist denn los?“, fragte Holly sofort besorgt, packte den Violinisten vorsichtig an den Schultern und drehte ihn zu sich. „Es ist nur… ich bin… einfach so glücklich. Ich danke dir, Holly.“ Und im Geiste fügte er noch hinzu: Für alles. „Hey, ist ja gut.“ Sichtlich erleichtert nahm der Sänger Rico in den Arm und streichelte ihm zärtlich über den Rücken. „Du hast dir das wirklich verdient, Rico. Ehrlich. Du brauchst dich deswegen nicht bei mir zu bedanken.“ Unfähig, etwas zu sagen und immer noch über alle Maßen gerührt von Hollys Verhalten nickte der Dunkelhaarige nur und genoss die Umarmung des Sängers für eine Weile mit geschlossenen Augen. „Aber wir sollten erst mal essen. Sonst hast du dir die ganze Mühe umsonst gemacht.“, murmelte er leise, obwohl er Holly am liebsten nie wieder losgelassen hätte. Dagegen konnte Holly nichts einwenden und ließ Rico langsam los – es kam dem Violinisten beinahe ein bisschen widerwillig vor, gerade so als hätte auch der Sänger die Umarmung am liebsten noch nicht beendet… Aber das bildete er sich sicher nur ein; immerhin hatten sie in letzter Zeit so viel gemeinsam gemacht, dass er diesen kurzen Moment der Nähe wohl überbewertete. Innerlich seufzend wandte sich Rico dem gedeckten Tisch zu und automatisch bildete sich ein leicht verträumtes Lächeln auf seinen Lippen. „Du grinst ja schon wieder so.“, meinte Holly nun ebenfalls grinsend, dem das nicht entgangen war und ging zu dem Stuhl, der Rico am nächsten Stand. Er zog ihn ein Stück nach hinten. „Bitte sehr, der Herr.“ Rico setzte sich langsam, während sein Herz einen wilden Freudentanz aufführte. Fast ein wenig zu wild für den Geschmack des Geigers. Doch das ließ er sich nicht anmerken und folgte stattdessen Holly mit dem Blick, während dieser sich ihm gegenüber niederließ. Während sie aßen, redeten die beiden über alles mögliche und lachten ausgelassen. Rico vergaß für eine Weile jegliche Sorgen und im Grunde auch alles andere um sich herum – für ihn gab es in diesem Moment nur Holly. Sie saßen noch ziemlich lange gemeinsam am Tisch, obwohl sie schon längst fertig mit essen waren. Doch die Atmosphäre war so unbeschwert, dass keiner den Moment zerstören wollte. Denn dann wären sie wohl oder übel wieder in der Realität angekommen und auch all die Sorgen und Ereignisse würden sich wieder in ihr Gedächtnis schleichen. Besonders Rico wollte das so lange wie irgend möglich hinauszögern; aber natürlich konnten sie auch nicht ewig dort sitzen bleiben und so beschlossen sie irgendwann, abzuräumen und sich dann auf die Couch zu setzen, um dort in Ruhe weiterzureden. „Du solltest deinen Augen doch regelmäßig eine Ruhepause gönnen – abgesehen vom Schlaf. Das hatte der Arzt doch gesagt, oder?“ Rico hatte sich gerade auf dem Sofa neben seinem Bandkollegen niedergelassen. „Ja. Ich soll halt mindestens alle paar Tage so 'ne Art Mittagsschlaf einlegen… Wieso fragst du?“ „Weil du das bis jetzt noch nicht gemacht hast. Und deine Entlassung ist bereits mehr als eine Woche her.“, meinte Rico mit erhobener Augenbraue. „Na ja…“ Unschuldig dreinblickend kratzte sich der Sänger am Hinterkopf. „Ich steh nicht so auf Mittagsschlaf. Und außerdem wurde mir doch heute bestätigt, dass alles in Ordnung ist. Also geht’s ja wohl auch ohne.“ Rico seufzte. „Darum geht es doch gar nicht. Mir wäre es lieber, wenn du einfach mal machen würdest, was die Ärzte dir sagen. Du könntest dich jetzt zum Beispiel ein bisschen ausruhen. Immerhin hast du eine ganze Weile in der Küche geschuftet und bist jetzt bestimmt vollgefuttert. Da würde sich das anbieten.“ Plötzlich breitete sich ein Grinsen auf den Lippen des Sängers aus, was Rico mit einer Mischung aus verwirrtem, fragendem und misstrauischem Blick quittierte. „Vielleicht hast du ja recht, Stolzi und ich sollte meinen Augen wirklich ein wenig Erholung gönnen.“ Doch ehe der Dunkelhaarige noch dazu kam, nachzuhaken, was denn nun so witzig daran sei, hatte Holly sich schon auf der Couch ausgestreckt und seinen Kopf auf dem Schoß des anderen platziert. Immer noch grinsend schloss er die Augen und rekelte sich ein wenig, um es sich noch bequemer zu machen. Rico kam nicht einmal dazu, zu protestieren, denn es verschlug ihm zum zweiten Male an diesem Abend die Sprache. Holly brachte ihn noch um den Verstand! Wobei… eigentlich hatte er das bereits getan. Doch wie sollte er so seine Gefühle im Zaum halten? Hin und her gerissen zwischen der unbändigen Freude, Holly derart nah bei sich zu haben und der Panik, dass dieser hinter seine Gefühle kommen könnte, wusste er nicht, was er tun sollte. Sein Körper hatte sich automatisch ein wenig versteift, als Holly sich hingelegt hatte; doch nun atmete er tief durch und konzentrierte sich voll und ganz darauf, völlig normal und entspannt zu wirken. Es gelang ihm sogar erstaunlich gut. Dennoch wusste er nicht, was er sagen sollte und ob ihn seine Stimme nicht am Ende verriet. Der Violinist schluckte und räusperte sich. „Na ja, wenigstens nimmst du einmal Vernunft an.“, meinte er dann leichthin und hoffte, dass Holly nicht auffiel, dass das alles nur gespielt war. Scheinbar funktionierte es, denn der Sänger lächelte nur und flüsterte: „Wenn man schon das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden kann…“ Rico lief ein angenehmer Schauer über den Rücken. Sanft legte er eine Hand über die nach wie vor geschlossenen Augen des Sängers. „Holly…“, hauchte der Dunkelhaarige, auch wenn er selbst nicht so recht wusste, wie er diesen Satz beenden oder was er überhaupt sagen wollte. „Immerhin weiß ich nicht, wie lange ich dazu noch die Möglichkeit hab. Du willst sicher irgendwann auch mal wieder nach Hause und im Grunde hast du dich ja auch lange genug um mich gekümmert… Ich will dich nicht noch mehr ausnutzen und du musst wirklich nicht mir zuliebe hier bleiben.“ Die Worte trafen den Violinisten mitten ins Herz, welches sich daraufhin schmerzhaft zusammenzog. Daran hatte er gar nicht gedacht. Ihm war nie in den Sinn gekommen, dass er ja nicht für immer bei Holly bleiben konnte… und dass das Thema unweigerlich irgendwann zur Sprache kommen musste. Rico biss sich auf die Unterlippe. Eines wusste er genau: er wollte nicht weg. Am liebsten wäre er gleich bei Holly eingezogen, doch natürlich konnte er das nicht. Immerhin wusste der Sänger nichts von seinen Gefühlen – und wenn er etwas wüsste, würde er es wohl noch viel weniger wollen, dass Rico blieb. Plötzlich war seine eben noch so fröhliche und ausgelassene Stimmung wie weggeblasen. Doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, riss ihn Holly erneut aus seinen Gedanken. „Rico? Alles okay? Du bist ja auf einmal so still.“ „Äh, ja… Ja, alles in Ordnung. Ich war nur in Gedanken.“ Obwohl Holly es momentan eh nicht sehen konnte, setzte der Violinist ein gezwungenes Lächeln auf. „Mir macht es wirklich nichts aus, bei dir zu bleiben. Da musst du dir keine Sorgen machen.“ Er versuchte, es irgendwie locker auszudrücken. Doch leider gelang ihm das nicht so richtig. „Aber vielleicht sollte ich tatsächlich mal wieder zu Hause vorbeischauen.“, meinte er dann nach einigen Momenten, in denen er abgewägt hatte, ob er dies wirklich aussprechen wollte… Immerhin sagte ihm sein Herz etwas ganz anderes. Aber was brachte es schon, wenn Holly nicht wollte, dass er blieb? Dann würde er sich die ganze Zeit aufdringlich und irgendwie unerwünscht vorkommen… Für einen Moment herrschte vollkommene Stille zwischen den beiden. „Tut mir leid, wenn ich dir die Laune verdorben hab.“, flüsterte Holly dann auf einmal. „Was?“ Die Verwirrung war Rico nicht nur anzusehen, man hörte sie auch deutlich aus seiner Stimme heraus. „Du wirkst auf einmal so bedrückt…“ „Äh…“ Dem Dunkelhaarigen fehlten die Worte – er konnte es schlecht bestreiten, dass er verletzt war, denn der Sänger hatte nun mal recht und Rico war nie ein besonders guter Lügner gewesen. Zumindest nicht Holly gegenüber. „Na ja… ich… hab nur völlig vergessen, dass das Leben ja einfach weitergeht.“, meinte der Violinist dann ehrlich und fügte in Gedanken hinzu: Ungeachtet dessen, was wir erleben und durchmachen. „Das wollte ich nicht. Verzeih.“ Es schien dem Sänger tatsächlich ziemlich unangenehm zu sein. „Schon okay. Irgendwann musste ich ja mal wieder in der Realität ankommen.“ Wieder lächelte der Violinist gezwungen. „Ruh dich jetzt lieber noch ein bisschen aus, damit deine Augen sich erholen können.“ Der restliche Abend verlief eher schweigsam. Nachdem die beiden Musiker noch eine Weile so auf der Couch gesessen bzw. gelegen und nur noch ein wenig über dies und jenes geredet hatten, beschlossen sie, ins Bett zu gehen. Es war schon ziemlich spät geworden und da sie sich morgen mit den anderen Mitgliedern der Instanz treffen wollten, um einige ihrer Ideen für das neue Album zu präsentieren, war es angebracht, nicht noch später schlafen zu gehen. Der nächste Tag begann zunächst genau wie die vorherigen. Nach einem ausgiebigen, entspannten Frühstück saßen Holly und Rico noch eine Weile gemeinsam am Tisch und redeten über alles mögliche. Danach ging der Sänger duschen, während Rico anfing, seine Sachen zusammenzupacken. Er hatte mit Holly ausgemacht, dass er ihn nach dem Treffen mit der Band nach Hause fahren und sich dann selbst auf den Heimweg machen würde. Einerseits konnte er den Sänger ja verstehen, dass er sich mies fühlte, weil er glaubte, Rico auszunutzen. Aber andererseits wäre er lieber noch bei ihm geblieben und fühlte sich so fast ein bisschen vor die Tür gesetzt… Seufzend warf er eines seiner Shirts in die Reisetasche, das auf einem gemütlichen Sessel im Schlafzimmer lag. Dabei fiel ein Zettel zu Boden, den Rico erst gar nicht bemerkt hatte. Doch nun hob er ihn hoch und wollte ihn schon auf die Kommode legen, als sein Blick auf die Schrift Hollys fiel. „Blind“ stand oben relativ mittig auf dem Blatt. Obwohl er sich ein wenig schlecht dabei fühlte, überwog doch die Neugier und er begann zu lesen. Es handelte sich wohl um einen Songtext, den Holly verfasst hatte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)