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Assassin's Creed

Modern Brotherhood
von

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Prolog

Paris

13 August. 2012
 

Französischer Rotwein, es gab nichts auf der Welt, was er lieber trank. Leicht angeschwippst ließ er die rote Flüssigkeit im Glas rotieren und nahm dann einen weiteren Zug.

In der französischen Hauptstadt dämmerte es. Die Straßenlaternen leuchteten auf, die ersten Sterne zeigten sich am dunkelblauen Himmel. Die Sonne berührte bereits die Dächer der anliegenden Gebäude.

„Du solltest mit dem Trinken aufhören, Rene.“ Sagte eine weibliche Stimme hinter ihm.

Rene drehte sich um, ging vom Fenster des Hotelzimmer zum Tisch und stellte das Weinglas ab.

„Es gibt nichts berauschenderes, du solltest es auch mal probieren, Jaqueline!“

Eine dürre, aschblonde Frau in Anzug und mit einer Halbmondbrille saß auf dem Bett, ein Notebook auf ihrem Schoss. Sie richtete ihre Brille und funkelte Rene wütend zu.

„Wenn Vidic erfährt, dass wir während des Dienstes trinken, würden wir mit einer Kündigung günstig noch mal davon kommen. Vermutlich verlieren wir beide unseren Kopf!“ sagte sie streng.

Doch Rene lachte nur über ihre Drohungen, griff zur Weinflasche und schenkte nach. Dann hob er das Glas wieder und lächelte Jaqueline an.

„Auf Vidic. Möge der alte Knacker bald ins Gras beißen!“

Er nahm einen Zug und seine Kollegin wand sich nur angewiderte ab.

Rene war Mitte 40, genau wie seine Partnerin und Mitglied bei Abstergo, dem größten Pharma-Konzern der Welt. Er hatte kurzes, braunes Haar und besaß einen stattlichen Leibesumfang. Ohne Anzug wurde er angeblich noch nie gesehen.

„Pass auf, was du sagst, die Wände haben Ohren!“ ertönte die Stimme einer dritten Person.

Ein dunkelhäutiger, Glatzköpfiger Mann mit Sonnenbrille trat aus dem Nebenzimmer. Ander als Rene war er groß, muskulös und schlank. Doch wie auch die anderen war er in einem eleganten Anzug gekleidet.

„Morgen werden wir zurück nach L.A. fliegen, bis dahin werden wir uns keinen Fehler erlauben, verstanden?“ brummte er Rene an.

Dessen gute Laune verflog und er brummte etwas vor sich hin, nickte aber dann.

Der dritte Mann hieß Adrian und war der Anführer der kleinen Gruppe. Er trat ans Bett und schmiss eine Sporttasche neben Jaqueline.

„Hast du inzwischen herausgefunden, ob es “der“ echte ist?“ fragte er sie.

„Natürlich. Alle Datenmuster stimmen überein, es ist der echte Edensplitter.“

Sie öffnete die Tasche und holte eine kleine, goldleuchtende Kugel hervor. Eine ominöse Macht ging von ihr aus und alle im Raum fühlten sich von ihr ergriffen.
 

Plötzlich klopfte es an der Tür.

Adrian zuckte zusammen und holte rasch eine Pistole aus seinem Halfter unter dem Sakko. Jaqueline stopfte den Edensplitter zurück in die Tasche und zog selbst eine kleine Waffe hervor. Rene hatte seine Waffe auch gezogen und ging langsam zur Tür, durch dessen Spion er blickte.

Er sah eine Gestalt im Flur stehen. Jeans und Turnschuhe. Eine schwarze Jacke über einem weißen Pullover, dessen Kapuze tief im Gesicht liegt. Fingerlose Handschuhe und auf dem Rücken ein kleiner Rucksack. In einer der Hände hielt er eine Pizza-Schachtel.

„Wer ist da?“ fragte Adrian vom Bett aus.

Rene steckte die Waffe wieder zurück in seinen Halfter und sah Adrian lächelnd an.

„Nur die Ruhe, es ist nur der Pizza-Bote. Wurde aber auch mal Zeit.“

„RENE, NICHT!“

Adrians Warnung kam zu spät, denn Rene hatte bereits die Türklinke nach unten gedrückt. Die Tür wurde aufgeschlagen und Rene stolperte nach hinten. Der vermeintliche Pizza-Bote ließ die Schachtel fallen und stürzte hinein. Er sprang Rene an, stürzte sich quasi auf ihm und schmiss ihn mit sich zu Boden. Sein Handgelenk schlug dem Dicken dabei gegen den Hals.

Der Angreifer sprang kurz darauf sofort wieder auf die Beine und lief auf Adrian zu, der gerade noch die Waffe heben konnte. Er schoss zwei Mal, jedoch daneben.

Derweil griff sich Rene an den Hals, umschloss ihn mit beiden Händen und stieß einen gurgelnden Schrei aus. Blut floss zwischen seinen Fingern hindurch. Eine Klinge hatte sich tief in seinen Hals gebohrt.

Nun wurde Adrians Arm gepackt, und eine Faust schlug ihm so hart gegen den Ellenbogen, sodass das Gelenk unnatürlich nach oben schnellte und er seine Waffe fallen ließ. Er stieß nun selber einen Schrei aus.

Derweil kam auch Jaqueline in Bewegung und sie richtete ihre Waffe auf den Angreifer. Der Jedoch, immer noch Adrian packend, bemerkte dies und zerrte den Glatzköpfigen in die Schussbahn.

Jaqueline drückte ab und die Kugeln trafen den Körper ihres eigenen Kameraden.

Vor Schreck hielt sie inne und riss die Augen auf, während aus Adrians Mund weitere Schreie hallten. Er wurde losgelassen und nach hinten, direkt zu Jacqueline geschubst. Beide stürzten zu Boden.

Der Kapuzenträger schnappte sich eiligst die Sporttasche, griff hinein und holte den Edensplitter hervor.

„Du verdammter Mistkerl.“

Sie schoss, traf aber nur das Fenster, das laut klirrend zu zerbersten begann. Damit hatte sie ungewollt eine Fluchtmöglichkeit für den Kapuzenträger geschaffen, den dieser auch sofort nutzte. Er stürzte durchs Fenster, lief über den kleinen Balkon und kletterte auf die Balustrade. Noch bevor die Blonde ihm folgen konnte, stürzte er sich todesmutig hinab.

Sein Sprung brachte ihn nah genug an das gegenüber liegende Gebäude, sodass er es sich an einer Fahnenstange fing, sich von dort auf einen niederen Balkon hinüber schwang und dann wieder hinab sprang. Er landete auf einem vorbei fahrenden LKW, ging in die Hocke und ließ sich von ihm davon tragen. Mit einem kurzen Blick sah er zurück zum zerbrochenen Fenster des Hotels, an der eine geschockte und wütende Frau erkannte.
 

Als der LKW um eine Ecke bog und damit aus dem Blickfeld der Frau verschwand, schlug er seine Kapuze zurück und entblößte sein schneeweißes, strubbliges Haar. Mit smaragdgrünen Augen betrachtete er die goldene Kugel. Feine Linien leuchteten darauf.

Schnell stopfte er sie in seinen Rucksack, dann sprang er bei der nächsten Gelegenheit vom LKW, lief die Straße entlang in eine Fußgängerzone und tauchte unter den vielen Menschen unter.
 

Der Name des Jungen, der soeben drei Agenten von Abstergo Angriff war Leroy Minato. Und genau so wie viele seiner Vorfahren war er ein Assassine...

Beziehungskrisen und nächtliche Besuche/Der Vorhang hebt sich für Christina Beckenbach

„Darf man fragen, wo du hin willst?“

Es war schon spät, die Sonne war untergegangen und über dem Pariser Nachtleben blinzelten die Sterne. Jeden Moment würde die große Wanduhr in ihrem Flur zur zehnten Stunde schlagen. Christina stand, beide Hände in die Seiten gestemmt, im Flur und beobachtete ihren Freund und Liebhaber, Alexandre, wie er sich mit Mühe und Not, hektisch die Schuhe zuband.

„Das Büro hat angerufen, ich soll so schnell wie möglich noch mal vorbei schauen. Offensichtlich ein Notfall, man wollte mir am Telefon nichts Genaueres sagen!“ erklärte er.

Kurz darauf fluchte er, als der Schnürsenkel riss. Doch er hatte jetzt keine Zeit für Kleinigkeiten.

„Aber es ist gleich 10 Uhr, u die Zeit arbeitet doch keiner mehr!“ entgegnete Christina.

„Wir von Abstergo schon!“

„Ihr von Abstergo… einem Pharma-Unternehmen. Ich bitte dich, Alexandre. Das ist der erste Abend seit 3 Monaten, den ich gehofft hatte, mal wieder mit dir allein verbringen zu können. Und jetzt musst du plötzlich ins Büro?“

Ihre Stimme bebte vor Wut. Sie hatte Tage damit verbracht, diesen Abend vorzubereiten, hatte Wasser und Blut geschwitzt und sogar ihre kommende Master-Arbeit im Bereich Medizin einen Augenblick vergessen.

Jeder Beziehung hatte ihre Höhen und ihre Tiefen, Christina jedoch glaubte, aus diesem Tief nicht mehr raus zu kommen. Doch sie konnte sich unmöglich von ihm trennen, dafür liebte sie ihn noch zu sehr.

Sie sagte nichts mehr, verschränkte die Arme vor der Brust und wand sich ab. Alexandre konnte selbst nur ahnen, welche Mühe seine Freundin auf sich genommen hatte. Umso unwohler fühlte er sich dabei, dass er nun gehen musste.

„Christa… hör mal…!“ er trat auf sie zu und nahm sie zärtlich in seine Arme. Sie wehrte sich leicht, doch ließ es schließlich geschehen. Sie zitterte am ganzen Körper und ihre Hände ballten sie vor lauter Wut zu Fäusten.

„Es tut mir leid. Und ich kann deine Wut verstehen. Aber bitte… versuch auch mich zu verstehen. Mein Chef ist ein Arsch aber wenn ich nicht kusche wenn er ruft, bin ich meinen Job los. Und was wird dann aus deinem Studium. Ich tu das hier doch alles nur für dich!“

Er küsste ihren Nacken, schlang die Arme noch fester um sie.

„Ich verspreche dir, ich werde es wieder gut machen!“

„Wirklich?“ fragte sie und wand ihr Gesicht zu ihm.

„Ja… ja, wirklich!“

Sie küssten sich, dann ließ er sie los und sie ließ ihn gehen.
 

Als sich die Wohnungstür schloss, blieb Christina eine Weile im Flur stehen und blickte, erfüllt von gemischten Emotionen auf die Tür. Dann wischte sie sich mit dem Ärmel ihres Hemdes die Tränen aus dem Gesicht und ging zurück ins Wohnzimmer. Auf dem Esstisch standen Kerzen und zwei unvollendete Hauptgerichte, für die sie drei Stunden in der Küche gestanden hatte. Es sollte ein romantisches Abendessen bei Kerzenschein und Mondlicht werden, geknüpft mit ein wenig klassischer Musik, auf die Alexandre so stand.

Sie schaltete die Anlage ab, blies die Kerzen aus und brachte die Reste des Essens in den Kühlschrank. Der Abend war gelaufen, da konnte sie sich auch ins Bett legen, noch ein wenig lesen oder Fern sehen und dann mit ihrem Frust und Kummer einschlafen.
 

Nachdem sie also im Wohnzimmer wieder für Ordnung gesorgt hatte, knipste sie überall das Licht aus und folgte dann der Treppe hinauf ins Obergeschoss, wo bereits die Tür zu ihrem Schlafzimmer offenstand.

„Na ja, komme ich heute wenigstens nicht zu spät ins Bett!“ dachte sie und versuchte irgendwie das Positive an der ganzen Geschichte zu sehen.

Doch als sie gerade am Kleiderschrank sich aus ihren Klamotten schälen wollte, um in etwas Bequemeres zu schlüpfen, schrak sie zusammen, als etwas gegen die schmale Balkontür klopfte.

Verwundert stand sie erst mal Regungslos im Raum, den Blick auf die Vorhänge gerichtet, wohinter sich die Tür zum Balkon befand.

Erst vermutete sie, das Klopfen hätte sie sich eingebildet oder es sei einfach nur ein Ast oder ähnliches gegen die Scheibe geflogen, doch kurz darauf klopfte es wieder, im selben Takt wie beim ersten Mal.

Ohne Zweifel, jemand stand auf ihrem Balkon.

Reflexartig zog sie einen Golfschläger aus der in der Ecke stehenden Tasche ihres Freundes und schlich zum Balkon.

Dann riss sie mit einem Ruck den Vorhang beiseite und sah den Ursprung des Klopfens auf ihrem Balkon sitzen.

„Leroy?“

Der junge Mann saß angelehnt am Geländer, das Gesicht angestrengt verzogen und eine Hand gegen die Seite, kurz unterhalb der Achsel, drückend. Er atmete schwer, versuchte aber zu Lächeln, als sie ihn entdeckte.

Rasch öffnete sie die Tür und kniete sich zu ihm.

„Was… was machst du hier?“ fragte sie und dabei senkte sie ihre Stimme auf ein Minimum.

„Ich… hatte einen… einen Job, hier in der… Nähe…!“ antwortete der junge Assassine schwer atmend.

Einen Job. Das konnte nur bedeuten, dass von einem Attentat die Rede war. Und der Verfassung des Weißhaarigen zumute war es nicht nach Plan verlaufen.

Christina blickte noch einmal prüfend an ihm herab. Sie kannte Leroy nur von einigen, wenigen Treffen. Er kam sie besuchen, fragte nach Übersetzungen zu einigen Texten und verschwand dann wieder.

Er war 25 Jahre alt und soweit sie wusste schon seit 6 Jahren ein ausgebildeter Assassine. Einige titulierten ihn schon als Meister-Assassine.

„Also ist er seit seinem achtzehnten oder neunzehnten Lebensjahr damit beschäftigt, Menschen zu töten!“ dachte sie und ihr Blick betrübte sich. Sie wusste, dass der Kampf gegen die Tyrannei der Templer viel verlangte, dass jedoch schon so junge Menschen ausgebildet werden müssen?

Es war nicht fair.

„Christina?“

Sie schrak aus ihren Gedanken, als Leroy mit seiner freien Hand, vor ihrem Gesicht winkte.

„J-ja?“

„Ich… will nicht unhöflich sein, aber… aber kann ich… herein kommen?“ fragte er.

„Oh ja… ja natürlich. Verzeih, ich war völlig in Gedanken. Warte ich helfe dir!“

Mit ihrer Hilfe stemmte er sich zurück auf die Füße und da bemerkte die Blonde das viele Blut auf dem Boden und seinen Kleidern.

„Oh mein Gott!“

„Ganz ruhig. Das meiste ist nicht von mir… aber… das hier…!“ er nahm die Hand von der Seite und zeigte eine Stelle vor, wo seine Jacke völlig vom Blut durchtränkt war, „…das tut sehr weh!“

Sofort riss Christina die Bettdecken und Kissen vom Bett und holte aus dem Kleiderschrank einige Laken und Handtücher hervor. Die breitete sie auf der Mattratze aus und strich sie glatt.

„Leg dich dort hin… zieh dir die Sachen aber vorher aus!“ sagte sie bestimmend und Leroy gehorchte. Schließlich stand sie kurz vor ihrem Master in Medizin, also konnte der Weißhaarige ihr Vertrauen. Er streifte sich die fingerlosen Handschuhe ab, zog Jacke, Pullover und versteckte Klinge aus und legte sich dann auf das Bett. Es fiel ihm schwer, denn jede Bewegung schmerzte.

Derweil kam Christina mit heißem, klarem Wasser und einigen, medizinischen Utensilien zurück ins Schlafzimmer.

Als sie den nackten Oberkörper ihres Besuchers sah, trübte sich wieder ihr Blick und sie seufzte. Sie konnte sehr gut mehrere Narben und schlecht verheilte Schusswunden entdecken. Zeichen eines Lebens voller Gewalt und Tot.

Leroy bemerkte ihren Blick, sagte jedoch nichts. Er wusste, dass sie erst vor einigen Jahren von seinen Brüdern und Schwestern angesprochen wurde, es war für sie noch schwer, sich daran zu gewöhnen, vor allem, da sie kein Assassine war, die jede Nacht auf der Flucht war und über Häuserdächer lief.

Christina hatte viel mehr die Aufgabe, zu Übersetzen und zu recherchieren. Und dank ihrer Liebschaft mit Alexandre, der nun mal für die Templer arbeitete, hatte sie einen direkten Draht zu Abstergo.

„Versuch den Arm zu heben!“ sagte sie.

Tatsächlich entdecke sie eine Schusswunde unterhalb der Achsel. Die Kugel war im Rücken eingetreten, schien aber außer Muskeln nichts Wichtiges getroffen zu haben. Sie ging sauber durch, weswegen sie nicht nach der Kugel suchen musste. Dennoch sollte die Wunde schnell verarztet werden.

„Wie bist du mit diesen Schmerzen überhaupt hier hoch gekommen?“

„Ich habe meinen… Job erledigt… und stand noch völlig unter… unter AdrenaliAUA… kannst du nicht ein wenig… vorsichtiger sein?“ fragte er und biss kurz darauf die Zähne zusammen.

„Sorry.“ kam es nur von der Blonden.
 

Sie reinigte die Wunde, dann begann sie, den Oberkörper zu verbinden, sodass die Blutung gestillt wurde.

„Geht es jetzt schon ein wenig besser?“ fragte sie, als Leroy sich vorsichtig aufsetzte.

„Ja, danke. Es geht schon!“

„Gut… ich werde deine Kleidung in die Wäsche schmeißen, du kannst die so lange ein Hemd von Alexandre raus suchen… das sollte dir passen!“

„Ist gut!“
 

„Wo ist eigentlich dein Freund?“ fragte Leroy, während er sich aus dem großen Kleiderschrank ein frisches Hemd heraus angelte.

„Arbeiten. Er wurde plötzlich vom Büro angerufen, angeblich ein Notfall!“ erklang Christinas Stimme aus der unteren Etage.

Wärend er sich das Hemd zuknöpfte, ließ er den Blick durch das Schlafzimmer gleiten und bemerkte eine kleine Packung auf dem Nachtschrank. Als er erkannte, was es war, lief er sofort rot an.

„Oh… äh… dann… dann habe ich dir wohl heute den Abend versaut, was?“ fragte er, peinlich berührt.

„Wieso?“

„Nun ja… ich habe heute zwei guten Männern von Abstergo das Leben genommen und ihnen etwas wichtiges entwendet. Bei denen ist jetzt sicherlich Hochstimmung, daher wurde Alexandre vermutlich ins Büro gerufen!“ erklärte er, als Christina wieder zu ihm hoch ins Schlafzimmer kam.

„Es tut mir wirklich leid!“

Er verbeugte sich, doch die Blonde legte fürsorglich ihre Hand auf seine Schulter.

„Nein, gib dir nicht die Schuld dafür. Ich habe mich so wieso langsam an solche… Abende gewöhnt.“

Sie lächelte, doch es war ein trauriges Lächeln und die Schuldgefühle beim Weißhaarigen blieben.
 

„Also, da deine Klamotten in der Wäsche sind und du dich eh noch ein wenig schonen musst… schlage ich vor, du bleibst gleich länger bei mir!“ sagte sie und wirkte plötzlich sehr zufrieden mit sich und der Welt.

„Äh, würde ich gern. Aber wenn Alexandre zurück kommt, ist hier sicherlich der Teufel los.“ Sagte Leroy.

Doch Christina winkte lachend ab: „Ach was, wenn der einmal ins Büro gerufen wird, dauert das Tage, bis er wieder da ist. Außerdem habe ich so endlich jemanden zum reden.“

„Was ist mit deinen Eltern?“

„Verreist!“

„Und Freunde?“

„Sind auch alle im Urlaub!“

„Dein Studium?“

„Bin gut vorbereitet!“

Leroy zuckte mit den Schultern. Mit seiner Verletzung konnte er wirklich nicht weiter reisen und wie oft bekam man Speise und Trank, dazu noch ein warmes Bett angeboten?

„Also gut… ich bleibe!“

„Yayy, dann wird das heute eine coole Pyjama-Party!“

Die Jagd beginnt / Das Templer-Duo Karren und Esset

„Der arme Rene!“

Vorsichtig schob die 25-Jährige Sarina Esset einen Zollstock in die offene Wunde des verstorbenen Templer-Agenten, zog es dann wieder heraus und prüfte die tiefe des Einstiches.

„15 Zentimeter… vermutlich eine Assassinen-Klinge!“ sagte sie und brachte sich mit einem Ruck aus der Hocke wieder in den Stand. Dann reichte sie ihrem Partner den Zollstock, damit er ebenfalls einen Blick drauf werfen konnte.

Ein stummes Nicken, dann wurde das Messwerkzeug sauber gewischt und verschwand wieder in der Tasche der jungen Frau.

„Natürlich war es ein Assassine. Das habe ich doch schon erwähnt!“ keifte die aschblonde Frau, die als einzige das Attentat im Pariser Hotel überlebt hatte.

Jaqueline schob ihre Halbmondbrille zu Recht, warf immer wieder verstörende Blicke auf die Leichen ihrer Kollegen und trat dann auf die beiden Agenten zu.

„Wer sind sie überhaupt? Und wo kommen sie so plötzlich her?“

„Sarina Esset. Dr. Vidic hat uns gestern Abend angerufen und nach Paris geschickt. Wir sollen diesen Mordfall untersuchen. Das ist mein Partner, Alexander Karren!“ sagte Sarina und stellte mit einem freundlichen Lächeln ihren Partner vor. Der nickte nur kurz und wand sich dann wieder Rene’s Leiche zu.

„Vergessen sie den Mord!“ blaffte Jaqueline los, wobei sie wild mit den Händen herum gestikulierte. „Finden sie den Assassinen. Er hat einen unserer Edensplitter, wir müssen ihn wieder haben!“

Sarina und auch Karren blickten verwirrt auf.

„Eden-was?“

„Edensplitter. Jetzt sagen sie nicht… hurmpf… welche Sicherheitsstufe besitzen sie beide?“ fragte die dürre Frau und in ihrem Gesicht konnte man schon erkennen, dass sie kurz vor einem Schreikrampf stand.

„Stufe 2… wir haben die höchste Sicherheitsstufe in der London-Zentrale…!“

„Stufe 2!?“ fragte Jaqueline völlig entgeistert.

„Das sagte ich bereits, ja.“ erwiderte Sarina, doch mehr konnte sie auch nicht mehr sagen, denn Jaqueline verließ laut fluchend und nach ihrem Handy kramend das Hotel-Zimmer. Sie konnte nur noch Sätze wie „Vidic anrufen!“, „Wieso immer ich?“ und „Nur Idioten in Rom!“ hören, dann war die gute Frau auch schon verschwunden.

„Scheint wohl unter Stress zu stehen!“ kam es von Alexander, der nun damit begann, Fotos vom Tatort zu machen.

„Zwei ihrer Kollegen wurden vor ihren Augen ermordet. Wer würde da nicht unter Stress stehen?“

Daraufhin erhob Alexander die Hand, ohne die Kamera dabei aus dem Gesicht zu nehmen. Sarina verdrehte die Augen. Es war ja klar, dass diese Antwort von ihm kam.
 

Als alle Beweise erfasst und dokumentiert wurden, saßen Sarina und Alexander kurz darauf im französischen Cafe La Terrasse du 7eme, nahe des Eiffelturms und in derselben Straße wie dem Hotel Royal Phare, dem Tatort.

„Ätzend!“ nuschelte Sarina über den Rand ihres Milchkaffees hinweg, bevor sie einen Schluck nahm und mit der Zunge Milch von der Oberlippe leckte.

Dann stellte sie die Tasse ab und tippte unkontrolliert auf ihrem kleinen Notizbuch herum.

„Was bildet sich diese alte Schrulle überhaupt ein? Ich habe extra meinen freien Tag aus dem Kalender getilgt, um hier her zu kommen und was muss ich zu hören bekommen? Vorwürfe. Beleidigungen. Die kann froh sein, dass ich nicht wieder im Zug nach London sitze!“

Alexander schwieg, nippte an seinem Kaffee und pulte lustlos die Körner von seinem Vollkornbrötchen ab.

Sarina ging auf seine Anteilslosigkeit nicht ein, sie arbeitete schon zu lange mit ihm zusammen, als sich darüber auf zu regen, dass er nicht viel sprach. Aber das brauchte er auch nicht, sie fand ihn gut so wie er war und wenn er mal sprach, dann traf er das Thema beim Punkt.
 

Alexander hatte vor 16 Jahren seine große Schwester verloren und er litt lange unter diesem Verlust. Abstergo hatte er sich zunächst angeschlossen, um die Wahrheit über ihren Tod zu erfahren. Von ihnen erfuhr er schließlich, dass die Assassinen an ihrem Tod verantwortlich waren.

Nun war er einer der besten Undercover-Agenten von Abstergo und hatte sich zum Ziel gesetzt, die Assassinen zu jagen.
 

Sarina selbst wusste nicht viel von ihrer Familie, sie war kurz nach ihrer Geburt zu Abstergo Industries gekommen und von Kindesbein ausgebildet worden. Von Anfang an wurde ihr eingetrichtert, dass ihre Eltern von Assassinen getötet worden sind. Seitdem jagt auch sie die weißen Kapuzen-träger.
 

„Wir sollten uns überlegen, wohin der Assassine geflohen sein könnte!“ sagte Alexander leise, während er sich in seinem Stuhl zurück lehnte und die Nachrichten auf seinem PDA überflog. Sarina gab ihm recht, nur fiel ihr nicht ein, wo sie mit der Suche beginnen sollte.

„Er wird Paris schnell verlassen wollen... also werden wir alle Flughäfen und Bahnhöfe überwachen müssen!“ begann sie und notierte sich sofort alles in ihrem Notizblock. Alexander tat das selbe auf seinem PDA.

„Metro?“

„Auch die Metro lassen wir überwachen. Kameras, Wachmänner und Undercover-Agenten.“

Rasch hatte sie ihr Handy aus der Tasche gezuckt, stand auf und verließ das Cafè in Richtung Straße. Alexander stand ebenfalls auf, legte ein paar Euro auf den Tisch und folgte seiner Kollegin.

Sie wählte die Nummer der Abstergo-Zentrale in Paris und wartete, bis jemand den Hörer abnehmen würde.

„Zentrale hier?“ meldete sich eine junge Frau knapp.

„Sarina Esset, Dienstnummer 7732-2C. Schicken sie sofort Männer an alle Bahnhöfe und Flughäfen der Stadt. Lassen sie die städtische Metro überwachen und setzen sie sich mit der Polizei in Verbindung. Ich werde ihnen die Beschreibung des Assassinen zukommen lassen!“

„Verstanden!“

Das Gespräch wurde sogleich wieder beendet und das Handy verschwand in der Hosentasche.

„Komm Alex, wir fahren zum Bahnhof und fangen dort mit der Observation an.“
 

Müde drehte sich Leroy von einer Seite zur anderen und rutschte dabei halb aus dem Bett, konnte sich aber noch fangen und kletterte rasch zurück unter die warme Decke.

Er wusste nicht, wie spät es war, aber er wusste auch nicht, wie oft er noch die Chance auf ein warmes, richtiges Bett haben würde, also machte es ihm nicht aus, auszuschlafen.

Er hatte noch bis spät in die Morgenstunden mit Christina im Gästebett gesessen und mit ihr geredet. Größtenteils über ihr Leben als Verbindungsagent der Assassinen. Leroy interessierte sich sehr dafür, ob sie glaubte, für die richtige Sache zu kämpfen. Er zweifelte nicht an ihrer Loyalität, dennoch beruhigte es ihn zu wissen, dass sie hundertprozentig hinter der Sache der Assassinen stand.

„Es hatte mich sehr überrascht zu erfahren, dass Fiore eine Assassine war. Ihr Tod hat mich stark getroffen, aber noch mehr der Grund.“ hatte sie dem Weißhaarigen anvertraut.

Fiore war Christinas beste Freundin gewesen, jedoch wurde sie von den Templern aufgespürt und ermordet. Weil sie eine Assassinen war. So wie Leroy. So wie sie.

„Ich... ich kannte Fiore auch sehr gut!“ gestand er nach einer Weile.

Nun war Christina noch mehr überrascht und sie hatte Leroy die ganze Zeit dazu gedrängt, ihr mehr zu erzählen und obwohl sich der Jüngere zunächst davor sträubte, hatte er dann doch ein wenig von sich preis gegeben.

So erfuhr Christina, dass Fiore und Leroy einst ein Team gebildet hatten und gemeinsam auf Attentats-Missionen gingen. Doch mehr verriet er ihr nicht und sie beließ es dabei.
 

„Leroy? Bist du wach?“

Christina trat leise ins Zimmer und klopfte gegen den Türrahmen an. Als Antwort bekam sie von dem weißhaarigen nur ein unverständliches Brummen unter der Bettdecke. Sie grinste, ging zum Fenster und zog die Vorhänge zurück.

Sofort wurde das Brummen lauter, als das Sonnenlicht das Zimmer flutete und der junge Meister-Assassine begann sich wieder im Bett zu rekeln.

„Komm, steh auf, du Schlafmütze. Ich habe Frühstück gemacht. Aber vorher schau ich mir deine Verbände an!“

Ohne Gegenwehr ließ er sich von ihre das Oberteil über den Kopf ziehen und den Verband abnehmen. Christina grinste, als sie kurz einen Blick über sein Gesicht schweifen ließ.

Er hatte sein Haarband über Nacht abgelehnt, nun hingen ihm die weißen Strähnen bis zur Schulter. Die Augen waren noch halb geschlossen und er gähnte einmal herzhaft.

Irgendwie sah er schon niedlich aus. Und so unschuldig. Sie konnte noch immer nicht ganz realisieren, dass vor ihr ein gefährlicher Killer saß.

Schnell verdrängte sie jedoch solche Gedanken und konzentrierte sich voll und ganz auf ihre Arbeit.
 

„So, der Verband ist Gewechselt, die Wunde sieht auch schon nicht mehr so schlimm aus wie zuvor. Dennoch wird es noch einige Zeit dauern, bis alles vollkommen verheilt ist. Eine Narbe wird jedoch zurück bleiben!“

„Das macht nichts!“ antwortete Leroy und zog sich das Shirt wider über. „Narben habe ich schon genug. Eine mehr oder weniger wird da nicht auffallen!“

„Wie einfach er das hinnimmt!“ dachte sie, brachte aber erst einmal die alten Verbände zum Müll.
 

Bevor Leroy jedoch hinab in die Küche ging, schnallte er sich die versteckten Klinge um die Arme und zog sich seinen frisch gewaschenen Pullover wieder über. Die Ärmel waren lang und der Stoff dick genug, um die heimlichen Waffen gut zu verstecken. Dann schlüpfte er in seine Jeans und eilte die Treppe hinab zur Küche.

Christina war bereits da, kochte Kaffee und stellte ein paar letzte Dinge auf den Tisch.

„Ich hoffe du magst Kaffee. Was anderes habe ich zur Zeit leider nicht, nur noch Mineralwasser!“

„Kaffee ist gut!“ antwortete Leroy nur knapp und setzte sich ans Fenster. Er streckte sich kurz dem Sonnenlicht entgegen, dass hinein fiel und griff dann herzhaft nach einem Croissant.

Christina schenkte ihm derweil Kaffee ein und setzte sich ihm gegenüber.

„Hast du denn gut geschlafen?“

„Ja, danke. Euer Gästebett ist wirklich sehr bequem. Kann mich nicht erinnern, was ich das letzte mal so gut geschlafen habe!“ sagte er lächelnd.

„Wo schläfst du denn sonst?“

„Och, Heuhaufen, Autorücksitze und sonstiges. Ein richtiges Bett kriege ich nur selten!“

„Oh!“

Mehr hatte sie dazu nicht zu sagen und Leroy schmierte sich genüsslich seine Croissant.

„Wie sehen jetzt deine Pläne aus?“ fragte sie, um das Thema zu wechseln.

Leroy biss ab, kaute und kippte sogleich einen Schluck Kaffee hinter her. Erst, als der Mund wieder frei war, antwortete er: „Monteriggioni. Ich nehme den Zug raus aus Paris und Fahre Richtung Stuttgart. Von dort versuche ich dann nach Rom zu kommen und von da aus dann nach Monteriggioni. Wenn ich Glück habe, kriege ich eine passende Zugverbindung erwischt!“ erklärte er.

„Mit dem Zug? Leroy, Abstergo hat sicherlich bereits alle Bahnhöfe und Flughäfen abriegeln oder Bewachen lassen. Du wirst niemals unerkannt in einen Zug kommen. Warum fährst du nicht mit einem Auto?“

„Hab kein Führerschein!“ antwortete er nüchtern und Schulterzuckend. Dann schob er sich wieder ein Stück Croissant in den Mund.

„Außerdem fahre ich gern Zug. Man kommt leicht rein und wieder raus und man muss sich nicht darum kümmern, das Auto verschwinden zu lassen. Vertrau mir, Christina, ich weiß, wie ich in den Zug komme.“

Er grinste und biss wieder in sein Frühstück. Christina indessen versuchte sich vorzustellen, wie Leroy ungesehen einen Zug besteigen wollte...

Es geht nicht immer nur im Alleingang / Flucht aus Paris

Es war bereits ihr 4 Kaffee an diesem Tag, doch was sonst konnte man die Zeit über machen, während der Weißhaarige Assassine neben ihr immer wieder prüfende Blicke über den Zeitungsrand in Richtung Bahnhof warf? Christina stellte die Tasse ab, wobei ein wenig Kaffee über den Rand schwappte und sie sich die Finger kleckerte.

„Merde!“ fluchte sie leise auf französisch und begann sofort nach einem Taschentuch in ihrer Tasche zu kramen.

Leroy nahm davon keine Notiz. Er tat weiterhin so, als würde er den Artikel in der “Times“, die er sich auf dem Weg zum Bahnhof an einem Kiosk gekauft hatte, wahnsinnig interessant finden.

„Du hast mir noch gar nicht gesagt, wie du unbehelligt in den Bahnhof gelangen willst!“ erwähnte Christina, während sie sich den Kaffee von der Hand wischte.

„Mach dir darum mal keine Gedanken. Abstergo kennt mich nur Anhand der Klamotten. Wenn ich mich also verkleide, bin ich für die nur ein normaler Passant oder Tourist!“ sagte er, ohne von der Zeitung aufzublicken.

Doch Christina war lange genug mit einem Templer zusammen, um zu wissen, dass das Risiko für den Assassinen immer noch sehr hoch war.

„DU wirst Hilfe brauchen!“ sagte sie und warf sofort einen verstohlenen Blick auf sein Gesicht, um seine Reaktion daraus ablesen zu können.

Er schloss, leicht genervt, die Augen und seufzte. Dann blätterte er um und baute die Zeitung wie einen Schild wieder vor sich auf.

„Das Thema hatten wir schon. Und meine Antwort bleibt die selbe. Nein, ich werde dich nicht mitnehmen!“ sagte er.

Doch Christina blieb stur. Sie sah es gar nicht ein, dass er alleine sein Leben riskierte für... ja für was eigentlich? Seit dem sie ihn auf dem Balkon aufgelesen hatte, war noch kein Wort über den Grund seines Aufenthalts ins Paris gefallen. Wenn hatte er getötet und warum?

„Leroy, ich bin wie du vom selben Orden. Ich kann dir helfen, also bitte... lass mich mitkommen!“ bat sie erneut.

„Nein!“ kam prompt die Antwort!

„Warum nicht?“

Leroy zuckte zusammen, als Christina aufgebracht beinahe vom Stuhl aufgesprungen wäre und die anderen Gäste im Cafè sich Naserümpfend zu ihnen umdrehten. Sofort packte er sie an der Schulter und drückte sie zurück in ihren Stuhl.

„Beruhig dich. Und nimm das nicht persönlich, aber du bist in meinen Augen nicht der Typ Mensch, der ständig auf der Flucht ist und Leute ermordet. Du hast hier ein Leben, eine Familie und einen Freund. Und vergiss nicht dein Studium, du stehst so kurz vor dem Master. Lass dir das alles nicht entgehen, nur weil du dich plötzlich von unserem Orden berufen fühlst, wie ich dein Leben auf's Spiel zu setzen.“

Sie wollte es ihm gegenüber nicht zugeben, aber was Leroy sagte, war wahr. Würde sie jetzt mit ihm gehen, würde sie das alles hinter sich lassen.

Und dennoch. Innerlich konnte sie fühlen, dass es falsch wäre, sich hier von dem Weißhaarigen zu trennen und darauf zu hoffen, dass er irgendwann ein Lebenszeichen von sich gibt.

In ihrem Kopf schwirrten die Gedanken, sie war hin und hergerissen. Wo auch immer die Reise hin führen würde, es wäre sicherlich ein spannendes Abenteuer. Aber würde sie wirklich alles, wo für sie so hart gearbeitet hatte, über den Haufen werfen wollen?

„Meine Eltern sind eh die meiste Zeit verreist, meine Freunde durch ihr eigenes Studium zu sehr beschäftigt und den Master... kann ich sicherlich noch nachholen. Und Alexandre?“

Sie stockte, lehnte sich zurück und blickte hinauf in den blauen, wolkenlosen Himmel.

Alexandre arbeitete die meiste Zeit für Abstergo, und sie lebte schon lange mit der Angst, dass er irgendwann ihr Geheimnis lüften würde. Aber ihre Gefühle für ihn waren einfach noch so stark.

Sie konnte nicht einfach mit ihm Schluss machen.

„Ich...!“ begann sie, brachte aber den Satz nicht zu Ende.

Leroy sah sie mitleidig an, als hätte er die ganze Zeit ihre Gedanken gelesen. Er faltete die Zeitung zusammen und verstaute sie in seinem Rucksack, dann legte er vorsichtig eine Hand auf ihre.

„Hör auf mich... bleib hier. Sag dich am besten los vom Orden und führe ein normales Leben. Werde mit Alexandre glücklich, das wäre das beste!“

Sie antwortete nicht und Leroy nahm das als stummes Einverständnis entgegen. Dann stand er auf, verabschiedete sich mit einem aufmunternden Lächeln und machte sich auf, das Cafè de`l Est zu verlassen, und über die Straße zum Bahnhof zu gehen.

„Geh ihm nach!“ sagte eine Stimme in Christinas Kopf. Sie biss sich auf die Unterlippe und tippte nervös mit den Fingern auf der Tischplatte herum, während sie sah, dass Leroy bereits den Zebrastreifen erreicht hatte.

„Geh ihm nach!“

Er tauchte unter der Menschenmenge, die gerade an der Straße entlangging, unter, dennoch konnte sie ihn noch erkennen, wie er den Place du 11 Novembre 1918 ansteuerte.

„Geh ihm nach!“
 

Als Leroy durch einen der vielen Eingänge des Bahnhofes eintrat, schlug ihm sogleich ein Schwall kühler Luft entgegen und der Lärm von unzähligen Passanten, Reisenden und Touristen drang an seine Ohren.

Auf den ersten Blick konnte er keine Abstergo-Mitarbeiter erkennen, doch bemerkte er sofort die unnatürlich hohe Anzahl von Überwachungskameras. Und er verwettete seine linke Hand darauf, dass sicherlich gut 15 Agenten verkleidet als Touristen durch den Bahnhof streiften.

Er blieb nicht lange im Eingang stehen, sondern steuerte sofort einen der vielen Ticket-Automaten an. Er kannte sein Ziel, und er schwor auf die Diskretion eines Automatens.

Doch bevor er sich seinen Weg durch die Menge bahnen konnte, legte sich eine Hand auf seine Schulter.

Reflexartig fuhr er herum und hätte beinahe schon die Versteckte Klinge gezückt, wenn er nicht noch rechtzeitig realisiert hätte, dass es Christina war, die völlig außer Atem hinter ihm stand und erst mal nach Luft rang.

„Was machst du hier?“ fragte er prompt, blickte sich dann aber rasch um und zog sie sogleich an die Wand.

Christina wollte gerade antworten, als Leroy sie gegen die Wand drückte, eine Hand an die Wand lehnte und die andere an ihre Wange. Und dann hatte sie auch schon seine Lippen auf ihren.

Nun war sie völlig von der Rolle und ihre Gedanken überschlugen sich.

Leroy hingegen beobachtete aus den Augenwinkeln heraus, wie die zwei Polizisten, die er gerade noch rechtzeitig erspähen konnten, kurz einen Blick zu den beiden warf, dann aber weiter gingen. Erst als sie außer Sichtweite waren, ließ Leroy wieder von ihr ab.

„Was... was... was sollte das?“ fragte sie, völlig aufgebracht und rot angelaufen vor Scham.

„Sorry!“ antwortete er achselzuckend, „Aber wir sind hier in Paris, da fällt ein Liebespaar selten auf!“

Sie nickte und verstand, dennoch war sie noch ganz durcheinander.

„Warn mich... das nächste mal bitte vor!“

Er nickte.
 

„Was machst du hier?“ wiederholte Leroy nun seine Frage.

„Ich komme mit. Und egal, was du jetzt sagst, es ist entschieden. Keine Widerrede!“ antwortete Christina, als sie die Fassung wieder gefunden hatte.

„Aber...!“

„Kein Aber!“ unterbrach sie ihn und legte ihm sogar einen Finger auf die Lippen, „Und jetzt lass uns gehen, wir haben genug Zeit verschwendet!“
 

Es war also entschieden, Christina würde Leroy begleiten. Er hatte es mit einem kurzen Seufzen hingenommen. Andererseits freute er sich schon über ein bisschen Gesellschaft. Seit Fiore tot ist, hatte er nur noch allein Mission unternommen, dies würde eine willkommene Abwechslung bieten.

Also zog er am Automaten gleich zwei Tickets und zusammen bahnten sie sich einen Weg zu den Bahnsteigen.

„Es sind so viele Menschen. Woher wissen wir, wer von denen ein Templer ist und wer nicht?“ fragte Christina leise. Leroy hingegen schloss die Augen, atmetet tief durch und begann sich zu konzentrieren.

Er war ein Assassine, neben seinem jahrelangen, hartem Training und der lang eingetrichterten Disziplin besaß er noch eine andere andere Fähigkeit.

Das Adlerauge.

Er benutzte es nicht oft und er brauchte immer etwas länger, um es anwenden zu können. Dennoch war es steht's eine nützliche Fähigkeit.

Als er die Augen wieder öffnete, sah er alles in einem schimmernden blau und grau. Die Passanten, die an ihm vorbei gingen waren nur noch Konturlose Schatten. Auch Christina neben ihm schimmerte Blau, doch wegen ihrer Nähe war sie deutlicher zu erkennen.

Und dann entdeckte er viele, einzelne, rote Gestalten, die durch den Bahnhof streiften.

„Komm!“ sagte er, als ihn die Kraft wieder verließ und er führte Christina an den Zügen entlang.
 

„Warte!“

Er stoppte, als er zwischen den Passanten ein vertrautes Gesicht erkannte. Es war Sarina Esset, die Templer-Agentin aus London. Sie hatte ihn noch nicht bemerkt und würde ihn in seiner einfachen Touristen-Verkleidung nicht erkennen, dennoch hatte er ein mulmiges Gefühl in der Magengegend.

„Was ist los?“ fragte Christina.

„Eine alte bekannte... hm... komm mit, ich hab eine Idee. Und egal, was passiert, halte dich an mich!“

Verwirrt über diese Aussage, runzelte die Blonde ihre Stirn, ließ sich aber von Leroy weiter führen. Der Assassine heckte etwas aus, die Frage war, nur was?
 

Sarina hatte Alexander im Kontrollraum zurück gelassen und wollte sich im Bahnhof selbst ein wenig die Füße vertreten. Seit Stunden nun hatten sie den Bahnhof Observiert. Gleichzeitig wurden auch alle anderen Bahnhöfe und auch die Flughäfen in und um Paris herum überwacht. Dennoch wusste sie, dass die Chance für den Assassinen noch sehr hoch stand, um zu entkommen.

„Vielleicht ist er auch auf den Straßen unterwegs... aber wir können unmöglich alle Straßen kontrollieren lassen!“ dachte sie seufzend.

Sie fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und überlegte, ob sie sich noch einen Kaffee holen sollte, als sich plötzlich ein junger Mann breit grinsend in Ihr Blickfeld schob, eine Blonde, junge Frau im Schlepptau.

„Buon Giorno! Buon Giorno! Würden sie mir, und meiner amichetta, meine Freundin, einen cortesia, einen Gefallen tun?“ fragte er mit italienischem Akzent.

Sarina blinzelte erst ein wenig verwundert dem Mann ins Gesicht, dann aber nickte sie und lächelte freundlich.

„Aber ja!“

Darauf hin drückte der Mann ihr eine Kamera in die Hand und drückte seine Freundin an sich.

Sarina machte das Foto, dann reichte sie die Kamera zurück.

„Grazie. Komm, wir müssen unseren Zug nach Venezia erreichen!“

Und darauf hin verschwanden die beiden in dem bereits wartendem TGV.

Sarina schüttelte über die Szene nur belustigt den Kopf, dann steuerte sie ein nahestehendes Cafè an.
 

Leroy zog Christina in den Zug, dann schloss er hinter sich die Tür und öffnete die gegenüberliegende.

Dann streckte er den Arm aus und öffnete die Tür des Zuges, der direkt neben ihrem stand und er half Christina herüber.

„Das... war ziemlich riskant!“ sagte sie schließlich, als die Tür sich schloss, und die beide ihre Sitzplätze suchten.

„Riskant, aber lustig. Ich war ihr noch was schuldig für die Messerwunde unter meinen Rippen. Außerdem, wenn sie jemals herausfinden sollte, dass ich es bin, denkt sie, ich sei auf den Weg nach Venedig.“

„Und wohin fährt dieser Zug hier?“

„Nach Stuttgart!“



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