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Warme Berliner

Jaschas turbulentes Jahr
von

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April 2013

1. April - Hell und dunkel
 

Aprilscherze sind eigentlich eine kindische Angelegenheit, aber da man seine infantile Seite bewahren soll, habe ich mich heute für eine ziemlich bescheuerte Tat entschlossen. Und zwar möchte ich, der absolute Anti, was soziale Netzwerke angeht, meinem Kumpel einen Streich spielen. Einen ziemlich fiesen, aber er hat es sich verdient für all die Gemeinheiten, die er sich stets leistet. Anmalen während des Schlafens ist nur eine Grausamkeit, die in seinem Hirn reift und letztendlich ausgelebt wird.

Nun bin ich mal am Zug, denn der letzte Eddingbart ist nicht sonderlich lang her. Schnell ist ein Fakeprofil in einer großen Community angelegt, freilich mit Bild einer nett ausschauenden Dame, der ich lediglich ein paar Worte in den Mund legen werde. Ein paar nette, liebreizende Worte, die einen jeden Mann um den Finger wickeln können. Und wenn der liebe Tim dann darauf angesprungen ist, löse ich das Ganze gnadenlos auf und genieße das erhebende Gefühl der ausgeübten Rache.
 

Tja, wo Licht, da Schatten. Wo hell, da dunkel.

Meine sadistische Ader pulsiert freudig, als ich auf den 'Profil erstellen'-Button klicke, nachdem ich die Seite mit dem Goldlöckchenfotos meines Alter Egos gefüttert habe.

Tim wird sich freuen über die Schnitte, ganz sicher.

Aber nicht für lange...
 

2. April - Glückszahl
 

Ehrlich gesagt war ich nicht sicher, ob Tim so viel Knete im Kopf hat, damit er wahrhaftig auf das schöne Gesicht meiner Dame hereinfällt. Aber anscheinend hat er sogar bunte Murmeln in der Birne und die Knete dient nur dazu, dass das ganze Zeug beim Laufen nicht so klappert.

Für mich ist die ganze Situation oberlustig, ich lache mir einen Ast, wann immer Tim eine schwanzgesteuerte Nachricht sendet.

Über Nacht habe ich allerhand über die perversen Abgründe des Jungen erfahren, die mich höchst traumatisiert haben. Welcher normale Mensch lässt sich schon zu einem Trunkenheitsfick hinreißen, der sogar Schwulitäten beinhaltet? Entweder hatte Tim wirklich schon mal was mit Männern oder er kokettiert nur damit, weil er glaubt, die Ladies würde das beeindrucken. Die Lady, die meinen Namen trägt, nämlich Jascha - nicht lachen, meine Eltern sind eben behindert - zeigt sich jedenfalls geflashed.
 

Ich: "Echt? Das ist ja voll sexy! Grins, grins."

Denke aber: Würg.

Er: "Ja! Sogar 69 hab ich probiert. Ist geil..."

Ich wieder: "Die 69 ist meine Glückszahl!"

Kotztropfen fallen auf meine Tastatur.

Auch wenn ich finde, dass diese mathematische Gleichung mit einer Frau reizend wäre, die Vorstellung eines Schwänze lutschenden Tims ist zu viel für mein Gemüt.
 

3. April -Abenteuer
 

Auch wenn der erste April längst vorbei ist und ich mein fieses Spielchen auflösen sollte, so kann ich mich nicht zusammenreißen. Die Dinge, die Tim von sich preisgibt, sind zu interessant und wahrhaftig besser als jeder Horrorfilm. Mittlerweile trudelten sogar ein paar Nacktbilder ein, die ich mir brav speicherte, falls ich mal einen Erpressungsgegenstand benötige.

Ich hoffe, dass mein Laptop niemals in unbefugte Hände gerät.
 

Tim ist nicht unbedingt der Dorfschönste, das muss ich zugeben, und mein Schwanz ist auch länger als seiner.

Aufgrund dieser wahrhaft unästhetischen pornografischen Aufnahmen beschließe ich, mich etwas abzulenken. Wenn ich schon einen Account auf dieser verkackten Seite besitze, muss ich diesen nutzen. Außerdem kann ich nicht leugnen, dass in mir ein Stalker schlummert.

Ein Singlestalker, der seit Monaten kein Gemüse mehr gestochen hat, wenn ihr wisst, was ich meine. Pflaumen sind zwar Obst, aber gesundes Zeug werfe ich gern mal in eine Schublade.

Ich beschließe also, mir nach Feierabend ein paar Profile anzuschauen, am besten von Mädels aus Berlin, denn so lang ist mein Schwanz dann doch wieder nicht, dass er nach Rio de Janeiro reicht.

Ich brauche ein Abenteuer vor meiner Haustür. Bitte nicht wortwörtlich nehmen, Freiluftficken ist zwar nice, aber gesellschaftlich inakzeptabel.
 

4. April - Alptraum
 

Als KFZ-Mechatroniker hat man kaum Zeit für private Spielereien. Die Betreuung des liebesbedürftigen Tim hält mich zusätzlich von der Suche nach einem Mädchen für mich ab. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel rhetorisches Geschick es verlangt, das Senden eines Nacktbildes von meiner Seite zu umgehen. Selbst wenn ich Tim ein Foto von mir ohne Antlitz zukommen ließe - der Betrug würde durch Fehlen schlagender Argumente auffallen, was er nicht soll. Ich möchte mein Opfer noch ein wenig foltern. Und zwar so lange, bis es mir wieder Spaß macht, einsam in mein Taschentuch zu wichsen.
 

Heute Abend ist Mister Liebestoll, dem ich bei unserem nächsten Treffen bestimmt nicht in die Augen schauen kann, ohne an die Pimmelfotos zu denken und ihm deswegen auf die Schuhe zu kotzen, glücklicherweise abwesend.

Dies realisiere ich zufrieden, denn diese Gelegenheit nutze ich für meine Partnersuche. So wie ich durch die regionale Liste scrolle, die Schnitten abchecke und meinen Lieblingssong von Die Antwoord höre, entdecke ich ein auffälliges Madamchen.

Mit einem Klick gelange ich auf ihr Profil und erkenne, dass sie zwar hübsch aussieht, ihr übertriebenes Make Up allerdings ein Alptraum ist.

Und dann diese angemalten Augenbrauen, die absolut nicht gesund sein können.

Schnell weg.
 

5. April - Schlüsse ziehen
 

Kreisch.

Ohne Mist, es ist mir ein inneres Kreischen, als ich mich am nächsten Abend einlogge, nichts Böses ahnend und eine Nachricht vorfinde, mit der ich nicht gerechnet habe. Nein, mich erwartet kein Schmuddelfoto von Tim - wäre auch sinnlos, ich kenne seinen nackten Körper mittlerweile aus jeder Perspektive und glaube, mich im Endstadium des Augenkrebses zu befinden.

Generell ist die Post nicht von Tim verfasst, sondern von einer gewissen Sweet Malicious.

Erneut kreisch.

Der Augenbrauenschreck!

Da mich das 'Hi' mit den kindischen Katzenöhrchen allerdings neugierig macht, klicke ich vorsichtig auf darauf, wirklich ganz vorsichtig. Man weiß nie, ob die Augenbrauen bissig sind.
 

Sie so: "Ich hab gesehen, du warst auf meinem Profil. Smiley, smiley, smiley."

Ich hasse Smileys. Wenn Symbole, dann umgedrehte Kreuze, wie das auf meine Wange tätowierte. Aber keine Angst, es ist ganz klein. Es kommt nicht immer auf die Größe an.

Sie weiter: "Ich mag dein Profilbild. Grins. Und Die Antwoord find ich cool."

Oho!

Abgesehen davon, dass mein Profilbild wahrhaftig ansehnlich ist, da ich naturgegeben ein ansehnlicher Kerl bin, so bin ich erstaunt über die musikalischen Präferenzen der Braut.

Ich schlussfolgere, dass man selbst unter gruseliger Kriegsbemalung mitunter einen ordentlichen Geschmack finden kann.

Und antworte.
 

6. April - Unfall
 

"...und dann hab ich ihr ein Nacktfoto geschickt."

Dümmliches Kichern dringt aus Tims Kehle, während ich den Gedanken an seine Erektion nicht überwinden kann. Es ist natürlich ein Bedürfnis meines Kumpels, mir bei einem samstagabendlichen Zusammensitzen mit Freund Alkohol alles über seine Internetbekanntschaft zu berichten.

Ist schließlich eine tolle Blondine; sieht klasse aus und hat meinen Charakter - was möchte man mehr?

Doch da sogar ich Mitleid verspüre und mir das vergebliche Schwärmen des Würstchens nahe geht, beschließe ich, die Sache aufzulösen. Das Wichsen bereitet mir seit Sweetie sowieso wieder Vergnügen, also muss ich Tim nicht malträtieren.
 

"Deine Melissa gibts gar nicht, denn ich bin sie...kapisch? Ich bin deine Schnalle."

Tim rafft nichts, guckt wie ein Auto.

"W-was?", entweicht es ihm nach einer Denkpause. "Du...bist eigentlich 'n Weib?“

"Nein", lenke ich ein. Wie kann der annehmen, dass ich unter meinen Klamotten heimlich weiblich bin? "Ich hab dich verarscht, man."

Wieder vergeht eine Zeit des Schweigens. Dann erhebt sich Tim samt bitterbösem Blick.

"Dann...hast du meine Nacktbilder bekommen?"

Oh, herzlichen Glückwunsch!

"Das gibt nen Unfall, das schwör ich."

Was denn für einen Unfall, frage ich mich.

So einen Unfall wie einen nackten Tim gibts eh nicht noch mal auf dieser Welt.
 

7. April - Ich liebe dich
 

Tim liebt mich nicht mehr. Das ist schade, aber nicht zu ändern. Tatsächlich ist es mir egal, ob er nun eingeschnappt ist und sich zusätzlich dafür schämt, dass ich seinen Schwanz begutachten konnte. Musste. Wie auch immer.

Aber es gibt da ja jemand anderen, der wirklich immer süßer wird. Besser gesagt, sie wird immer süßer. Sweeties Nachrichten sind jedes Mal so voller mädchenhaftem Charme, dass ich beschließe, mir die Augenbrauen der Dame nicht einfach mehr anzuschauen. Die restliche Bemalung um die Augen ist mir auch ein wenig zu viel, aber so lange ich nicht so rumlaufen muss, kann ich damit leben.

Und während des Verkehrs ist man sowieso mit anderen Dingen beschäftigt als mit dem Gesicht der Frau. Nur nicht, wenn man ein Bukkake-Spielchen spielt, aber das weiten wir an dieser Stelle besser nicht aus, denn Sweetie ist viel zu sweet, um ihr ins Gesicht spritzen zu wollen.
 

Wir chatten bereits den gesamten Sonntagabend und die halbe Nacht. Ich erfahre, dass das Fräulein im Moment single ist - sehr schön, sehr reizvoll - und als es dann schon sehr spät ist, verrät sie mir sogar von ihrer geheimen Vorliebe für Analsex.

Ganz knapp schlittern wir am Dirty Talk vorbei, denn als ich das A-Wort schwarz auf weiß auf meinem Monitor lesen kann, muss ich das Gespräch leider abbrechen, um mich mit meinem Penis darüber auszutauschen.

Er findet das nämlich auch voll gut und bejubelt es mit einer Standing Ovation.
 

Als ich dann fertig bin und sich mein Penis aufgrund des berührenden Auftrittes schnäuzen muss - ich bin so nett und reiche ihm ein Taschentuch - blinkt der Nachrichtenalert wieder auf.

Ich klicke gespannt drauf.

"Hehe, ich glaub, ich liebe dich voll. Du bist goldig. Herzchen."

Aww.
 

Drei Uhr Nachts hat denselben kruden Effekt wie zwei Flaschen Bier, glaube ich mittlerweile.
 

8. April - Konsequenzen
 

Heute ist nicht mein Tag.

Chefchen hat mich rundgemacht und als ich dachte, zu Hause könne ich abschalten und den Blödsinn hinter mir lassen, bewies sich dies als nicht berechtigt.

Im Internet ist nämlich die Hölle los! Und ich bin nicht unschuldig an den Begebenheiten. Das mit Tim mutiert immer mehr zu einem Rachebattle und mittlerweile hält er den Ball in der Hand, den er mir mit Wucht in die Fresse knallt.

Bäm.

Auf seinem Profil prangt ein pikantes Foto, auf dem mein Antlitz abgebildet ist. Mein mit Eddingbart verziertes Gesicht, das mich aussehen lässt wie einen schwulen Franzosen. Man kennt ja diese so modernen Moustaches, die absolut hässlich aussehen - aber genauso einen trage ich auf diesem Bild, während ich selig pennend meine Trunkenheit auskuriere.

Ist das Sabber, der aus meinem Mundwinkel rinnt?

Egal.

Das einzige, was zählt, ist, dass mich die ganze Welt so schick betrachten kann und die Tatsache, dass Tim mich in dieser Situation fotografierte.

Ich schreibe ihm:

"Wenn du dieses Bild nicht augenblicklich löschst, dann bastel ich Plakate, die ich überall mit der Aufschrift 'Tim ist ein Hinterlader!' aufhängen werde. Du stehst doch eh auf mein blödes Bartbild, gibs zu! Tschüss, der Wolf im Goldlöckchenpelz."
 

9. April - Über den Schatten springen
 

Tim hat sich nicht gerührt. Bestimmt lacht er sich ins Fäustchen, weil ich bald schon als Monsieur Moustache weltbekannt sein werde. Das wiederum wäre gut, denn Berühmtheiten sind stinkreich. Wenn mein lieber Kumpel mir zur Million verhilft, dann wird er sich selbst auch verschandeln. Hässlich ist derzeit sowieso in.

Ehrlich gesagt bilden sich in meinem Kopf aber andere Fragen.

Wie ihr wisst, schreibe ich mit Sweetie, was wirklich Spaß macht, sogar meinem Schwanz. Heute aber reagierte sie merkwürdig. Ich erzählte, dass ich KFZ-Mechatroniker bin, was sie cool fand; als ich dann aber mit einem selbstbewussten 'Ich bin eben ein cooler Typ' antwortete, sendete sie mir nur ein Fragezeichen.

Was bitteschön ist daran nicht zu verstehen? Findet sie mich nicht cool oder was? Nein, so geht das nicht weiter. Ich muss über meinen Schatten springen und das Unvermeidliche ansprechen.

Auch wenn ich noch immer Angst vor ihren Augenbrauen habe und weiß, dass in natura alles noch eine Ecke gruseliger erscheint.

"Lass uns treffen", tippe ich mutig.

Zum Glück hält sie mich nicht lange hin, sondern schickt mir prompt ihre Zusage. Wir einigen uns auf den kommenden Freitagabend in einem mir unbekannten Club.
 

Hoffentlich ist sie keine Massenmörderin oder ihre Augenbrauen toxisch.
 

10. April - Sucht
 

Wie hält man seine Mutter davon ab, dich umzubringen? Ehrlich gesagt ist dies eine gute Frage. Die Frau wollte nämlich tatsächlich meinen Laptop ausleihen, auf dem bekanntlich die Nacktbilder von Tim ruhen. Keine Ahnung, warum diese noch nicht auf irgendeiner Pornoseite zu sehen sind, aber ich möchte mich gern vom Niveau meines Kumpels distanzieren.

Mama jedenfalls darf den Laptop nicht in die Finger kriegen. Andernfalls müsste ich nach Rio de Janeiro auswandern, mir einen neuen Namen und eine neue Identität zulegen, denn ein Leben als Homosexueller ist untragbar für mich. Es ist nicht so, dass ich Schwule hasse, aber ich finde, sie umgibt eine unheimliche Aura. Man muss nur an diesen Harald Glööckler denken. Mit dem möchte ich nicht in einer Liga spielen, niemals. Wenn du vor ihm Auto fährst und seine Luxuskarre hinter dir her rollen siehst, musst du aufpassen, dass er dir nicht hinten reinfährt. Schwul sein ist bestimmt so etwas wie eine böse Sucht. Man kann gar nicht anders als auf Rückseiten zu zielen.

Ich sollte Tim dazu ausfragen, der angelt doch ab und an am anderen Ufer.

Wie auch immer, mir ist jetzt schlecht. Und meinen Laptop werde ich den ganzen Abend samt Nacht fest umklammern.
 

11. April - Allergie
 

Ich glaube, ich bin allergisch auf Sweeties Augenbrauen. Immer, wenn ich ihr Bild betrachte, beschleicht mich ein kleiner Bauchschmerz. Zugegeben, sie sieht anders aus als andere Frauen. Auf dem Profilbild sieht man ein Stück von ihrem Hals und ich meine einen ziemlich ausgeprägten Kehlkopf zu erkennen. Dieser sorgt für ein ziemlich mulmiges Gefühl in meiner Magengegend. Sollte ich das Treffen nicht besser absagen? Nein, dazu war ich viel zu neugierig und außerdem schreibt die Dame gerade wieder so süße Sachen, die einen Mann zwar nicht unbedingt gelungen beschreiben, aber darüber lässt sich hinwegsehen.

Nicht so über Tims Verhalten. Am Alex hängt ein großes Plakat, auf dem steht: "Tim Schultze ist ein Hinterlader! Ruf ihn an, dann belädt er auch dich!" Anbei natürlich seine Handynummer. Vom Nacktfoto habe ich einmal mehr abgesehen, denn dieses wäre einem öffentlichen Ärgernis gleichzusetzen. Kinder könnten sofort erblinden, wenn sie diesen schrumpeligen Wiener zu Gesicht bekämen.
 

Ehrlich gesagt bin ich ganz froh darüber, dass Sweetie keine Schmuddelfotos von mir verlangt. Das liegt aber wahrscheinlich nur daran, dass sie meinen nackten Körper lieber live inspizieren möchte.

Morgen.

Und ich habe meinen Schwanz gefragt, er hätte wiedermal Bock darauf, sich vor fremden Augen in voller Pracht zu präsentieren.
 

12. April - Gefühlskalt
 

Es ist Freitag und ich bibbere. Keine Ahnung, was mich zu solch einem femininen Verhalten getrieben hat. Vielleicht Tim. Oder Harald Glööckler. Oder doch die Augenbrauen.
 

21.00 Uhr sagt das Zeiteisen. Ich stehe vor dem Club. Ja, das da hinten, das ist Sweetie, dieses überschminkte Gesicht ist unverkennbar. Irgendwie wirkt sie groß und schlaksig, und sie wird immer größer, desto weiter sie sich mir nähert.

"Hey, Sweetie", grüße ich lässig.

Sweetie aber reagiert nicht, sondern stolziert an mir vorbei; und sie ist riesengroß, fast so groß wie ich, und ich bin 1,87 m!

Aber so gefühlskalt wie sie bin nicht mal ich, und ich bin ein Mann! Ich würde nie meine Verabredung ignorieren! Deswegen werfe ich mich ihr in den Weg. Und ja, sie ist wirklich anders als andere Frauen...
 

"Ich bins, Blackbird!"

"Hä?"

"Na Blackbird!"

Schweigen.

Ich muss sagen, ich finde ihr 'Hä?' ziemlich bariton.

"Sag mal, bist du'n Transvestit?"

"WAS?"

"Ich dachte, ich treff mich mit einem Mädchen!", erklärt Sweetie mit unglaublich tiefer Stimme. "Willst du mich verarschen?"

Nun fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ich habe die ganze Zeit von meinem Fakeprofil samt Goldilockbild mit Sweetie gechattet und es einfach nicht gerafft!

Erdboden, öffne dich.
 

13. April - Nur mit dir
 

Jascha, du bist weder eine Kleidchen tragende Transe noch ein Vollidiot. Jascha, du bist ein kompletter Volltrottel! Dass ich von mir selbst in der zweiten Person rede, macht das Ganze nicht besser.

Die Sache ist mir oberpeinlich. Aber müsste sich Sweetie nicht auch schämen für ihre Maskulinität? Ich werde das Gefühl nicht los, dass Sweetie in Wahrheit die Transe von uns beiden ist. Sie ist riesig, besitzt eine tiefe Stimme und hat, soweit ich dies in den wenigen Sekunden unserer Gegenüberstellung festmachen konnte, weder Brüste noch einen ausgeprägten Frauenknackarsch.

Himmel, an was für Verrückte gerate ich immer? Bin ich selbst so schräg, dass ich solche Typen magisch anziehe? Und als wäre die Situation noch nicht schlimm genug, erreicht mich eine Nachricht von Sweetie.
 

"Hi", begrüßt sie mich. Er. Sie. Whatever. Ich weiß gar nichts mehr. Und ich will es auch gar nicht so genau wissen.

"Ist blöd gelaufen gestern. War scheiße von dir, mit dem Fakeprofil."

Danke, weiß ich selbst.

Sie weiter: "Aber du bist ganz schnuckelig, und du hast Glück, dass ich pansexuell bin. Ich würd mich gern nochmal nur mit dir treffen."

Ich raffe nichts, sage aber ja.
 

War Pan nicht dieser Peter, der immer Kind sein will?
 

14. April - Jahrestag
 

Komische Situation. Komische Welt.

Wir sitzen bei Starbucks und rühren in unseren Tassen. Ich schiele skeptisch zu meinem Date.

Wie lange ist es her, dass ich mich mit jemandem in einer anderen Absicht getroffen habe als zum Saufen? Dies ist sozusagen der Jahrestag meiner Einsamkeit. Der 14. April. Der Tag, an dem ein unidentifizierbares Wesen neben mir sitzt, das wohl auf Peter Pan steht und dessen Augenbrauen bei längerer Betrachtung gar nicht mehr so unheimlich sind.
 

"Wie heißt du eigentlich? Blackbird ist ja kein Name."

Sagt's und lutscht genüsslich ihren Löffel ab.

"Als wenn Sweet Malicious einer wäre", erwidere ich.

"Hast wohl schlechten Sex gehabt, dass du so mürrisch bist."

Ja nee is klar, ich hab ihr schon beim Chatten in Ansätzen mitgeteilt, dass bei mir seit längerer Zeit im Bett nix los ist.

Aber ich will es mir nicht ganz verscherzen.
 

"Jascha."

"Ach so?", schießt sie da los und klingt ganz aufgeregt, klimpert mit den verlängerten Wimpern. "Wie Inu Yasha!"

Kein Kommentar.

"Und wie heißt du?", stelle ich die Gegenfrage.

"Vicii."

"Echt, wie aus Vicky und die starken Männer?"

"Wenn dann Vicii und die schwulen Männer", gibt sie ungerührt von sich und trinkt weiter an ihrem Kaffee.

Aha.

WTF?
 

15. April - Kampf austragen
 

Ich habe nachgefragt. Vicii ist wirklich ein Junge. Ein achtzehnjähriger, kleiner Pisser, der die Menschen mit seinem Erscheinungsbild verwirrt.

Ihr glaubt nicht, wie befremdlich die Sache für mich ist, denn es ist ja nicht so, dass ich Vicii hässlich finde; sogar als Junge ist er schön, ehrlich gesagt ist es regelrecht erstaunlich, wie feminin ein Junge aussehen kann. Aber der Gruselfaktor ist größer als jemals zuvor. Immer, wenn ich Vicii betrachte, kommt mir in den Sinn, dass er in seiner Hose einen Penis versteckt, genau wie ich. Einen Penis, mit dem er wahrscheinlich schon Ärsche penetrierte! Ich habe mich nämlich belesen und erfahren, dass Pansexualität nichts mit Peter Pan zu tun hat und eher Parallelen zu einem Flöte spielenden Ziegengott birgt. Denn Pansexuelle spielen Flöte. Die sind an Männern interessiert, wie Vicii durchschimmern lassen hat.

Vicii und die schwulen Männer.

Schön und gut, aber Inu Yasha ist nicht unter der Regenbogenflagge geboren.
 

So weit, so gut.

Scheiße.

Ich trage gerade einen inneren Kampf aus.

Vicii ist hübsch, aber er ist ein Junge! Ein verdammter Typ! Eine gruselige Transe! Eine Shemale mit Schwanz!

Am besten, ich vergesse Vicii und zelebriere weiterhin meine Einsamkeit. Sonst ende ich tatsächlich noch als schwuler Franzose.
 

16. April - In den letzten Zügen
 

"Lass mich, du Arsch!"

Was war das? Verfolgen mich jetzt schon die Geister, die ich rief? Oder ist das der wütende Tim, der sich nach meiner Ignoranz sehnt? Aber ich bin doch gar kein Arsch. Ich besitze natürlich einen, aber ein Arsch allein wäre nicht lebensfähig, da ihm essenzielle Organe fehlen. Ein Anus ist auch nicht zu allen Schandtaten bereit.
 

Ich drehe mich um. Sehe zwei Personen. Eine sich Windende, die andere hält sie fest.

Vicii!

Eigentlich wollte ich ihm nie mehr begegnen, aber er benötigt Hilfe. Ich stürze mich auf die Szene, zeige dem Glatzkopf, wo es langgeht. Zum Glück ergreift dieser bald die Flucht.
 

"Mein Held!"

Vicii sieht zerzaust aus, gar nicht mehr wie geleckt.

"Ach", winke ich ab. "Passiert dir das öfter?"

"In den letzten Zügen ist es immer ganz schlimm", erklärt er und ich frage mich, wo der Knopf ist, mit dem man ein verwirrtes Gehirn wieder auf die richtige Spur bringen kann. Vicii ist scheiße hübsch. Sogar so ramponiert. "Aber ich muss ja nach Hause kommen. Ohne U-Bahn gehts nicht."

"Wann hast du Feierabend?"

"17.00 Uhr."

"Wo arbeitest du?"

"Maxart."

"Dann können wir ja immer zusammen nach Hause fahren."
 

Hab ich das gerade wirklich vorgeschlagen?
 

17. April - Traumfänger
 

Ich bin ein Dobermann. Ein Wachhund. Ein Bodyguard. Und ja, es macht mich stolz, neben Vicii zu sitzen und den blöd glotzenden Typen einen Grund zu geben, das Weite zu suchen. Mich wundert es nur, dass sie auf den ersten Blick erkennen, dass Vicii Schwanzträger ist. Wahrscheinlich besitzen sie eine Art Radar, der ausschlägt, wenn sie Jungs in Frauenkleidern erblicken.
 

"Eigentlich hättest du mir gleich sagen können, dass du ein Kerl bist. Ich meine, ich steh nicht auf Typen und dachte, du bist 'n Weib."

"Tja, Augen auf. Aber schade, dass du nur auf Mädchen abfährst, denn ich dachte, ich hätt nen süßen Kerl getroffen. Einen aus meinen Träumen, der in meinem Traumfänger stecken geblieben ist, und den ich nur noch aus dem Netz befreien musste."
 

Ich sag ja, der hat einen an der Waffel. Was labert der eigentlich? Ist der 'ne schwarze Witwe oder wieso fängt er sich Männer mit einem Netz?

Ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass er niemanden abkriegt und auf solch rabiate Taten ausweichen muss. Ich grusele mich zwar immer noch vor ihm, allerdings schaffe ich es, mir ab und an vorzustellen, er wäre ein Mädchen. Keine Shemale, sondern ein Vollblutfrauchen.

Das wäre schön.
 

18. April - Bücherregal
 

"Bist du das?"

Mail von Vicii. Samt einem Link zu Tims Profil, auf dem noch immer das hässliche Bartbild zu bewundern ist.

"Ja, das bin ich." Man sollte zu seinen Taten stehen, nur habe ich keine Ahnung, wie Viciilein genau dieses Bild aus den Abermillionen der im Internet zu bestaunenden ausfindig machen konnte. Ich muss mal ein Wörtchen mit Tim sprechen. Wenn das so weitergeht, muss ich mir nämlich eine Marktkauftüte über den Schädel ziehen, sollte ich das Haus mal wieder verlassen wollen. Oder ich verkleide mich als Bücherregal. Fragt mich bitte nicht, wie ich auf diese Idee komme. Und nein, ich habe nichts geraucht. Es ist einfach nur so, dass sehr viele Menschen Bücher lieben und ich dann vielleicht auch wieder gesellschaftlich akzeptiert werden würde, sollte ich gratis Lesestoff anbieten.
 

"Das sieht süß aus."

Was, das Bild? Süß? Nee. Ich bin darauf sturzbetrunken und sabbere wie ein Hängebauchschwein, der Eddingbart ist noch das kleinste Übel.

Aber süß? Vicii hat nicht nur einen an der Waffel, sondern leidet genau wie ich an Augenkrebs. Vielleicht kennt er Tims Nacktbilder. Von mir hat er sie allerdings nicht.

"Freu mich schon auf U-Bahn morgen mit dir. Komischer Smiley."

Ja, ich mich auch.

Irgendwie.
 

19. April - Ziele erreichen
 

"Herzlichen Glückwunsch, Arsch, du hast dein Ziel erreicht!"

Wie oft noch; ich habe zwar einen Arsch, aber ich bin keiner. Tim scheint dies aber egal zu sein, denn er steht puterrot vor mir und sieht aus, als würde er mich am liebsten in der Luft zerreißen. Und das zum Freitag, da vergeht einem ja jegliche Freude auf das Wochenende.

"Bei mir rufen nur noch kranke Typen an, die mich in Windeln sehen wollen!"

Oh. Aha. Bitte keine weiteren Details.

"Du nimmst sofort die Plakate ab, sonst steck ich deiner neuen Tussi, dass du schwul bist und ihr nur was vorspielst."

Woher weiß er von Vicii? Stalker!

"Hahaha."

"Was lachst du?"

"Nur so."

Ach wie gut, dass Tim nicht weiß, dass ich auf seine Rache scheiß. Na ja, blöd wäre es schon, wenn Vicii denken würde, ich wäre doch an seinen Geschlechtsteilen interessiert, denn dann wäre ich am Arsch. Besser gesagt, Vicii wäre an meinem Arsch. Ich rede zurzeit häufig über Hinterteile.
 

Den Nachmittag und Abend verbringe ich damit, die Plakate abzuhängen, Tim hilft mir dabei. Das Bartbild soll dafür gelöscht werden.

Da bin ich mal gespannt. Sonst geh ich morgen zu Marktkauf und stülpe mir diese Papiertüte über den Kopf.
 

20. April - Videospiel
 

Das Bartbild ist tatsächlich verschwunden. Tim ist ein Mann seiner Worte. Vielleicht sollte ich aufhören, ihn zu mobben. Schließlich schmeckt ein einsam getrunkenes Bier nicht sonderlich. Moo und Flori vertragen nichts, aber es macht Spaß, sie unter dem Tisch liegen zu sehen. Ich glaube, ich helfe Tim nächstes Mal, den Betrunkenen einen Bart zu malen. Jeder sollte in den Genuss kommen, für einen Tag ein schwuler Franzose zu sein.

Apropos 'schwul' und 'Tim ist ein Mann seiner Worte' - er hat das Gerücht wahrhaftig verbreitet, wie ich später erfahre. Auf seinem Profil steht, ich sei homosexuell. Anbei ein Bild, das mich betrunken knutschend mit Moo zeigt. Scheiße, wann ist das entstanden?

Ich sollte nicht aufhören, Tim zu mobben. Ein einsam getrunkenes Bier ist doch ganz lecker.
 

Schade, dass das Leben kein Videospiel ist. Dann könnte ich nämlich gechillt noch einmal in Level eins beginnen. Ich würde nicht noch einmal Tim verarschen, und ich wäre ein glücklicherer Mensch, wenn ich seine Nacktheit nie zu Gesicht bekommen hätte. Vicii würde ich ebenfalls aus dem Weg gehen.
 

Jetzt ist es eine Frage der Zeit, bis Vicii den Eintrag auf Tims Profil sieht und mir freudestrahlend von seiner Entdeckung berichtet.

Marktkauftüte, wo bist du?
 

21. April - Sich wundern
 

"Du bist doch schwul?! Das wundert mich jetzt aber..."

War ja klar. Vicii hat natürlich nichts Besseres zu tun, als das Profil meines Kumpels zu besuchen. Hat er denn keine anderen Hobbys außer Schminken und sich die Haare zu glätten?

"Bin ich nicht. Tim ist einfach nur blöd. Reines Wunschdenken von seiner Seite. Der ist nämlich am anderen Ufer angesiedelt."

"Ach so? Ist er hübsch?"

Was antwortet Jascha, der Vollidiot?

"Nicht so hübsch wie ich."

Und was sagt Vicii dazu?

"Das ist ja klar, du bist einer der leckersten Typen, der mir je untergekommen ist."

Egal, ob der dieses Kompliment Machende schwul ist, männlich oder weiblich, über diese Worte freut sich wahrscheinlich jedes Männerherz. Und Vicii wäre ja auch ziemlich lecker, wenn er denn unten etwas weniger vorzuweisen hätte.
 

"Ich kann dir Nacktbilder von meinem Kumpel schicken", schlage ich vor; ich fühle mich verpflichtet, den Beweis zu erbringen, dass Tim nicht hübsch ist.

"Echt? Ich kenn keinen einzigen Heten, der Nacktbilder von nem anderen Kerl besitzt."

Mir doch egal, dann kennst du eben jetzt einen.

Die Bilder sind schnell gesendet und Vicii schickt mir nach einer Weile nur einen Smiley.

Dieser sieht aus, als würde er kotzen.

Wundert mich nicht.
 

22. April - Geschwindigkeit
 

In der U-Bahn während unserer Heimfahrt. Vicii plötzlich nach einer Weile des Schweigens:

"Ich würde gern ein Nacktbild von dir haben."

Uns gegenüber sitzt ein älteres Ehepaar, welches ganz entgeistert glotzt. Als ob die sich noch nie gegenseitig nackt gesehen hätten. Gut, in Ordnung, das möchte ich mir nicht im Detail vorstellen. Und ganz ehrlich, diese Frau ist sicher kein Segen für das Augenlicht, wenn sie keine Kleidung trägt.
 

"Woah, na das geht mir aber ziemlich schnell. Wie lange kennen wir uns jetzt?"

Vicii rollt mit den Augen. "Ist das wichtig? Deinen Kumpel - Tim, Tom oder wie auch immer - kenne ich gar nicht, und den hab ich auch nackt gesehen."

Touché.

"Aber ich bin nicht schwul", werfe ich ein, denke, das ist ein Argument. Doch nix da.

"Ist doch deinem Bild egal, von wem es angeguckt wird."

"Aber meinem Körper nicht."

Viciis Blick wird immer komischer. Irgendwie so nach der Marke Schlafzimmer.

"Weil du bei der Vorstellung, wie ich dich nackt sehe, hart wirst, stimmts?"

Vielleicht. Wie auch immer. Zurzeit macht mich sowieso alles hart. Nämlich das, was mich nicht umbringt. Das macht mich härter.

"Mh."
 

Der legt ein Tempo vor. Ich fühle mich überfordert.

Ist Zwangsverschwulung strafbar?
 

23. April - Heilung
 

"Boah, was willst du denn?"

"Bitte, Tim, vergiss jetzt mal den ganzen Scheiß. Ich hab mal ne Frage." Ja, die habe ich, aber ich traue sie mir erst zu stellen, nachdem ich mir eine Flasche Bier gegeben habe. Also, den Inhalt der Flasche. Flaschen in diversen Körperöffnungen sind nicht sonderlich förderlich für die Gesundheit.

Tim am anderen Ende der Leitung murrt, schweigt, murrt dann wieder. Irgendwie bereue ich, dass ich das Medium Telefon für dieses Gespräch ausgewählt habe. Aber im Prinzip ist mir gerade alles egal. Ich stelle einfach meine zusammenhanglose, kleine Frage und lege dann auf. Tim soll sich gefälligst freuen, dass ich ihn mir in der Rolle des Doktor Sommers vorstellen könnte. Denn ich weiß ja, dass er Fachmann in gewissen Bereichen der Sexualität ist.
 

"Kann man Schwulsein eigentlich heilen?"

Ein Grunzen ertönt, fast wie das eines Schweinchens. Macht er sich über mich lustig?

"Wieso? Willste mich wieder gerade rücken, oder was?"

"Was? Nee."

"Oder denkste, du hast ne schwule Ader in dir wegen dem Kuss mit Moo?"

"Nee! Sag mal, bitte. Ist wichtig."

Schweigen.

Dann Tim wieder: "Kann man Idiotie heilen?"

"Keine Ahnung. Weiß nicht. Vielleicht?"

"Nein! Tschüss."
 

Mh. Was will er mir damit nur sagen?
 

24. April - Preis gewinnen
 

Wir warten auf die U-Bahn. Wie jeden Tag. Doch eine Sache ist anders. Während wir stumm Däumchen drehen, stöckelt ein Weibsbild über den Bahnsteig. Ich glotze. Kurze Hosen, lange Beine; der Frühling naht anscheinend. Und High Heels. Entweder sie schwitzt bereits an diesen lauen Tagen oder sie möchte Männer wie mich aufreizen. Erfreut sich still daran. Exhibitionistenweibchen.
 

"Die is scharf. Könnte für den Hintern glatt einen Preis gewinnen", urteile ich. Ehrlich gesagt habe ich gar keine zustimmende Antwort von Vicii erwartet, obwohl der doch auch an Frauen Gefallen finden kann, wie er mal meinte. Goldilock hat er schließlich auch seine intimen Analsexgeheimnisse anvertraut.

"Mh. Sieht mir sehr ähnlich“, meint Vicii.

Prüfend gucke ich an Vicii auf und ab. Kurzer Rock, fast bauchfreies Top, freizügige Schuhe.

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?

"Mir wird warm, Jascha."

"Wieso?"

"Deine heißen Blicke, die unter meinen Rock kriechen, wirken wie eine Heizung auf mich."

"Echt?"

"Ja."

Abstreiten bringt eh nichts. Manche Gefühle kann man eben nicht verstecken.
 

"Wo bleibt eigentlich mein Nacktbild, eure Geilheit?"

Für eine Sekunde überlege ich ernsthaft, ob ich Vicii-Boy nicht den Gefallen tun soll. Denn nicht nur die Frau von eben besitzt eine exhibitionistische Veranlagung.
 

25. April - Einsame Insel
 

Ich bin noch immer die schwule Sau des Internets. Aber ich scheiß darauf. Benutze diese ganze Plattform als geistige Toilette wie jeder. Tim kann mich mal an der Sacknaht lecken. Nicht wörtlich. Aber gern im übertragenen Sinne. Lieber bin ich allein wie Robinson Crusoe auf seiner einsamen Insel. Doch der hatte ja noch diesen Wochentagmenschen. Wie ich Vicii. Vicii ist schon klasse.

Jedoch nicht, wenn er nach einem Bild von mir schnorrt. Die Gedanken an Viciis Penis tauchen nämlich trotz Sympathie und der umwerfenden Schönheit des Typen immer wieder auf und bereiten mir merkwürdige Träume. Keine Albträume, sondern...ihr wisst schon. Die Frage an Doktor Sommer ein paar Tage zuvor hätte ich ohnehin niemals gestellt, wenn ich mich nicht in einer solch misslichen Lage befände. Ich spüre regelrecht, wie ich an den Beinen vom Hetenufer weggezerrt werde und mich mehr und mehr der Gegenseite nähere. Irgendwie ist das schlimm. So befremdlich. Und das nur, weil Vicii meinen Schwanz verwirrt.
 

"Hast du Skype oder so?"

Ja, Vicii, habe ich.

"Dann können wir ja mal skypen."

Klingt jedenfalls besser als Chatroulette. Chatroulette ist räudig. Ich habs probiert. Lauter Tims und hässliche Ehefrauen.

Also wenn ich nicht masochistisch veranlagt bin, weiß ich auch nicht.
 

26. April - Lautsprecher
 

Heute ist Kumpeltag. Vicii ist lebensmüde. Denn er möchte sich involvieren. Wahrscheinlich sieht er sich selbst als einer meiner Kumpels an, oder sogar als noch etwas Größeres, Intimeres. Ich weiß es nicht. Wir haben darüber nicht mehr geredet.

Da ich keinen Bock habe, es mir auch noch mit ihm zu verscherzen, lade ich ihn ein. Widerwillig.
 

Die anderen warten bereits. Johlen, als sie mich sehen. Bezaubernd. Sogar Tim scheint unseren Clinch vergessen zu haben. Liegt vielleicht an seiner Trunkenheit.

Alle gucken auf Vicii. Bevor der was sagen kann, stelle ich ihn vor. Raunen. Ich hoffe, dass niemand merkt, welche Chromosomenkombination das bezaubernde Wesen an meiner Seite besitzt. Ich sehe schwarz, denn selbst die bescheuertsten Schlägertypen erkennen, was Vicii zwischen den Beinen hat. Mittels Röntgenblick oder so. Whatever.
 

Ich ziehe Vicii an die Seite. Er guckt mich fragend an.

"Am besten, du sprichst heute nicht so laut. Die sollen nicht raffen, dass du ein Junge bist. Sonst bin ich nämlich das Gespött, verstehste?"

Vicii versteht gar nichts, glaube ich. Viel mehr reißt er sein großes Mundwerk auf und empört sich.

"Ich bin aber ein Lautsprecher!", pampt er, während ich mental die Hände über dem Kopf zusammenschlage.

Und ich bin ein Mikrofon.
 

27. April - Gemälde
 

Die Gerüchteküche brodelt nicht. Jedenfalls sind keine neuen Gegenargumente aufgetaucht, die meine Sexualität in Frage stellen.

Und ich hoffe so sehr, dass es Satan gestern Nacht nicht geschafft hat, mich komplett an das andere Ufer zu verfrachten. Denn ich streichle gerade nicht nur den Kater in meinen Gliedern, sondern leide auch noch an einem fiesen Blackout. Wäre allerdings etwas Untragbares vorgefallen, hätte Tim sicher seine Kamera gezückt. Wenn er nicht gerade zu betrunken dafür war.

Vicii scheint es besser als mir zu gehen. Er sitzt sicher schon seit Stunden am Rechner und beschäftigt sich mit seinem Fotobearbeitungsprogramm. Irgendwann am Nachmittag trudelt nämlich eine Nachricht von ihm ein. Eine Bildnachricht. Als ich das bemerke, bekomme ich arge Blähungen und furze die ganze Bude voll vor Aufregung. Wir haben so häufig über Nacktbilder gesprochen, dass ich vom Äußersten ausgehe. Gut so, denn ansonsten wäre ich wahrscheinlich vom Stuhl gepurzelt und hätte mir eingekackt.
 

Ich habe Tränen in den Augen. Und mein Schwanz reckt sich in die Höhe, damit er auch auf den Bildschirm sehen kann. Bestimmt weint er auch schon vor Freude, denn mir ist so, als spürte ich da unten etwas Nasses.

Vicii, du Götterkind, du Beautyqueen, du schwanzverwirrendes Ding - dieses Foto ist viel zu schön, um ein Foto zu sein. Es sieht aus wie gemalt, denn es ist professionell gemacht. In Schwarzweiß konvertiert. Man sieht nicht viel von Viciis nacktem Körper, denn er steht seitlich zur Kamera und bedeckt seine Vorderseite mit einem Seidentuch. Aber man sieht seinen Hintern.

Dieser bereitet mir ein ganz komisches Gefühl in der Magengegend. Es kribbelt. Ich glaube, ich muss mich mal mit meinem Penis unterhalten.

Na, klein Jascha, auf einer Skala von 'schlaff' bis 'spritz', wie würdest du es bewerten?

Nach ein paar Minuten weiß ich, dass er sich für 'spritz' entschieden hat.
 

28. April - Fremde Welten
 

"Wenn du willst, schick ich dir das Bild jetzt."

Dieses Angebot ist einzig und allein meinem Schwanz zuzuschreiben. Dieser ist nämlich seit langer Zeit mal wieder aus einem Winterschlaf erwacht, der wahrscheinlich jede Eiszeit überdauert hätte. Nur wegen Vicii. Vicii bringt jegliches Eis zu schmelzen mit seiner Hotness. Und wenn ich geflissentlich ausblende, dass er nen Schwanz und Eier hat, kann ich meine unkontrollierbare Gier sogar genießen. Denn meine Hosenschlange hat kein Gehirn. Köpfchen zwar schon, aber sollten Eicheln wahrhaftig denken können, habe ich ein bedeutendes Ereignis der Weltgeschichte verpasst.
 

Freilich, mir gefällt die Bildsache nicht wirklich, aber irgendwie muss ich mich ja bei Vicii revanchieren. Zum Eis einladen wird ihm nicht genügen. Ach, was laber ich. Der Kerl möchte mich am liebsten komplett in fremde Welten überführen. In eine Welt, in der das Rektum eines Mannes gefeiert wird wie die heilige Kuh in Indien.
 

Antwort Viciis, live und exklusiv nur hier:

"Ach, weißt du, vergiss das Bild. Ich komm und guck mir das live an."

Und damit meint er auf keinen Fall nur das Foto. Ja, okay, ich kann ja verstehen, dass in Echt alles noch eine Ecke schöner aussieht, unter anderem mein Schwanz, aber trotzdem.

Der spinnt doch.
 

29. April - Ich habe Angst
 

Vicii hat sich für morgen angekündigt. Er meint, er hätte nach der Arbeit Zeit.

Ich habe Angst. Ja, ich bin ein Schisser geworden, denn ich spüre, dass es um die Wurst geht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich darf niemals vergessen, dass Vicii ein Kerl ist. Und Kerle lassen sich nicht ewig hinhalten. Hätte ich Vicii gleich klar gemacht, dass er keine Chance hat, wäre ich nicht in dieser misslichen Lage. Aber ich Arschloch musste ihm ja noch die Schönheit seines Bildes bestätigen. Alles auf meinen Schwanz zu schieben bringt auch nichts. Vicii ist eben schön und weiß bestimmt, dass er nur lang genug an meinen Beinen zerren muss, bis ich mich nicht mehr am Hetenufer festklammern kann. Wenn er einen kurzen Rock trägt, spüre ich regelrecht, wie es an meinen Beinen reißt. Und das ist alles andere als witzig.
 

Ich habe Schiss. Nicht nur vor Vicii und vor mir selbst, sondern auch vor der Welt. Denn sollte dieser Teufel es schaffen, mich einzulullen, werden es meine Kumpels mitbekommen. Irgendwann merken sie, dass mit meiner Flamme etwas faul ist.
 

Mal sehen, ob das Bestattungsinstitut noch offen ist. Irgendeine billige Holzkiste werden sie für meine vor Scham gestorbenen Überreste wohl haben.
 

30. April - Joghurt
 

Vicii sitzt wahrhaftig neben mir. Und das nicht wie jeden Tag in einem öffentlichen Verkehrsmittel, sondern auf meinem privaten Bettchen. Irgendwie hatte ich mir gewünscht, vor seinem Besuch noch schnell zu platzen oder anderweitig zu verunglücken, aber erstens bin ich für Methode eins nicht dick genug und zweitens verkniff ich mir diese Gedanken schnell, denn ich bin ja kein Mädchen. Ich bin ein Mann und keine Memme. Punkt.

Bis jetzt ist mein Gast auch noch recht zahm. Die Worte 'nackt', 'Bild' oder beide in Kombination plus 'live' sind noch nicht gefallen. Schön. Aber was nicht ist, kann ja noch werden...

Ehrlich gesagt haben wir uns gar nicht viel zu sagen. Wir chillen einfach nur samt meiner Lieblingsmusik, die aus den Boxen dröhnt und meine Mutter nebenan sicher schon Amok laufen lässt. Im Wohnzimmer ist so was aber legitim, finde ich. Sollen doch endlich ihre hässlichen russischen Vasen dran glauben.
 

"Haste schon mal nen Gayporn geguckt?"

"Was?"

Die Musik ist zu laut, nicht der Schock zu tief.

"Gayporn?"

"Nö."

Das Thema ist mir aber alles andere als sympathisch und bei näherer Überlegung kompatibel mit Nacktbild live.

"Was ist das da eigentlich?", will Vicii nun wissen und deutet auf mein dunkelblaues Kopfkissen. Leider bleibt meine Freude darüber aus, dass er sich von dem schlüpfrigen Gespräch abbringen lassen hat. Denn ich gerate nun in Erklärungsnot. Auf besagtem Kissen prangt nämlich stolz ein weißer Fleck und ich weiß aus Erfahrung, dass ehrlich nicht immer am längsten währt.

"Ist Joghurt", sage ich deswegen. Vicii sieht aber nicht so aus, als würde er mir das abnehmen.

Tja, Pech. Für mich.

Zum Glück habe ich noch heute Morgen komplett schlaftrunken sein Nacktbild versteckt. Denn dort ist auch so ein Fleck drauf und es wäre extrem unglaubwürdig, wenn ich behaupte, dass ich den Bildervicii mit Joghurt füttern wollte.

Mai 2013

1. Mai - Entspannung
 

Es ist nichts passiert. Gestern nicht und heute sowieso nicht. Denn heute ist Feiertag. Der Tag der Arbeit. Für mich allerdings der Tag des Faulenzens. Aber es gibt das Internet, das jeden müden Körper auf Trab halten kann.

Vicii will skypen. Jetzt. Na gut.

Leider sehe ich aus wie überfahren, da ich die morgendliche Dusche ignoriert habe.

Bei Vicii ist Ungepflegtheit niemals ein Thema. Er sieht aus wie geleckt. Das ist zwar ziemlich zweideutig, aber man sagt ja, Sex mache schön. Deswegen seh ich so beschissen aus. Weil mein animalischer Trieb lange nicht ausgelebt wurde. Hübsch.

"Na, schöner Mann?"

Ach, man flirtet.

"Privet moj sladkij."

"Hä? Was heißt das?"

"Deine Mutter, Alter", seufze ich. Das heißt es freilich nicht. Aber Vicii soll die Bedeutung nicht kennen. Über ein deutsches 'Hallo, mein Süßer' würde er sich zu sehr freuen. Muss nicht sein. Ich bin zu müde für Freudenschreie.

Aber Vicii guckt wieder so. Presst die Lippen aufeinander. Und dann legt er los.

"Du hast nur Shorts an...mh...zeig mal, was drunter ist."

Wahrscheinlich hat er gerochen, dass er mich heute erwischen kann. Ohne zu murren ziehe ich meine Unterhose nach unten und biete ihm den gewünschten Anblick.

Ich will es doch auch.
 

2. Mai - Kurzer Prozess
 

Ich sehe wieder gepflegt aus. Selbst nach der Arbeit gehe ich noch als Mensch und nicht als Halbaffe durch. Ist auch nötig. Vicii wartet nämlich bereits. Und er hat meterlange Beine.

"Na?"

Ich lächle nur. Peinlich. Stecke die Hände in die Hosentasche, sodass ich wenigstens etwas von meiner Coolness bewahre. Allerdings ist das nicht leicht, denn immer wieder muss ich daran denken, dass Vicii meinen Schwanz kennt. Namentlich nicht, aber vom Sehen.
 

"Bist du Russe?"

"Meine Mutter."

Man sieht Vicii an, dass ihm diese Tatsache gefällt.

"Russen sind gut im Bett. Und haben große Schwänze."

"Kann sein."

In welche Gefilde begeben wir uns wieder?

"Komm her."

Nee!

Aber diesem Gesicht kann keiner widerstehen. Vicii ist zu niedlich. Wenn ich mir nur nicht so sicher wäre, dass er tatsächlich ein Junge ist...
 

Wir stehen uns gegenüber. Ich mustere seine femininen Züge.

"Näher", formen seine Lippen.

Okay, dann eben noch näher. Irgendwie kann ich sein Vorhaben erahnen. Doch ich bin willenlos.

So willenlos, dass ich mich nicht gegen den unschuldigen Kuss wehren kann. Ich ekle mich nicht mal davor, obwohl ich es nicht aus dem Kopf bekomme, gerade von einem Jungen geküsst worden zu sein.

Ist halt Vicii.

Und Vicii ist VIP.
 

3. Mai - Die beste Nacht meines Lebens
 

"Ich hab dich durchschaut!"

Tim, wie schön, mal wieder von dir zu hören. Mir geht es gut. Und dir? Wie, du hattest schlechten Sex? Hört man.

"Wie durchschaut?"

Eiskalt erwischt es mich. Ob er von Vicii und dessen Geschlecht erfahren hat? Doch ich liege falsch. Komplett. Tim wird bestimmt bald in die Klapse eingeliefert. Hoffentlich für immer.

"Ich weiß jetzt, warum du das abgezogen hast. Mit dem Fakeprofil und dass du mir damit die Nacktbilder abgeluchst hast. Weil du was von mir willst! Diese...Victoria ist doch nur ein Alibi!"

"Alter, hör auf!"

Was geht denn jetzt ab? Ich und auf Tim stehen? Wovon träumt der in der Nacht? Der dreht ja voll durch.

"Ist doch so!"

"Nein!"

Er glaubt mir nicht.

"Alter, du kannst jederzeit zu mir kommen, weißte? Ich bereite dir die beste Nacht deines Lebens. Wann immer du willst."

Meine Augen fallen heraus und kullern unter den Schrank.

Schnell lege ich auf. Das kann man sich nicht anhören. Eher werde ich Papst als von Tim anal entjungfert.

Aber nun weiß ich, was er mit seiner Frage nach der Heilbarkeit von Idiotie meinte. Wahrscheinlich gehen diese und Homosexualität ohnehin Hand in Hand. Sie scheinen das perfekte Paar zu sein.
 

4. Mai - Reue
 

Vicii ist wieder da. Besser gesagt: Vic. Die zwei Is darf ich weglassen. Vic klingt viel cooler, wenn auch männlicher. Aber scheiß drauf. Vic ist eh männlich und stolz drauf. Und wenn er damit leben kann, dann muss ich es ebenfalls.

Ich bin gern mit ihm zusammen. Auch wenn wir häufiger schweigen als labern, so ist seine Gesellschaft angenehm und die Gesprächspausen keineswegs belastend. Im Gegenteil. Ich nutze sie, um Vics Äußeres abzuchecken. Gedanklich gebe ich Noten. Die Beine sind eindeutig eine Zehn. Der Hintern auch fast. Ach was, der Hintern ist scharf. Der ist eine Elf. Im Rock gar eine Zwölf. Sehr nice, was sich mir da bietet.

Doch manchmal bereue ich es, dass ich mich mit Vic abgebe. Wie heute. Er hat nämlich einen Schwulenporno mitgebracht. Den ziehen wir uns rein. Mir geht es schlecht deswegen. Vic hingegen ist angetan davon. Für mich ist es eine optische Folter, zu sehen, wie dieser riesige Prügel einen winzigen Anus penetriert.

Im Moment bereue ich alles. Meine gesamte Existenz und vor allem die Geilheit auf diesen Transvestiten.

Ich würde mir alles anschauen, was mit Körpern zu tun hat. Selbst Germany’s Next Topmodel. Aber nicht so was. Nicht so einen perversen Scheiß.
 

5. Mai - Prioritäten setzen
 

Vic hat gemeint, er komme nun öfter. Ich hoffe, er meint dies nicht zweideutig. Seit dem Gruselporno habe ich mich zu einem Sensibelchen in Sachen Schwulitäten entwickelt. Vic allerdings scheint das egal zu sein. Er versucht sich mir anzunähern, wo es nur geht. Ja, mir gefällt das auch ziemlich, aber mein Kopf dominiert noch immer meinen Schwanz. Ich denke zu viel. Ich sollte Prioritäten setzen, was die Verteilung meiner Hirnmasse angeht. Entweder Schwanz oder Schädel. Im Moment regiert aber mein dummer Blödkopf.
 

"Wieso hast du eigentlich das umgedrehte Kreuz da?"

Klar, dass Vic es sieht, er rückt mir ja auch gewaltig auf die Pelle.

"Weil ich die satanischen Gebote toll finde."

Sonderlich interessiert scheint er nicht an meiner Antwort. So wie es aussieht, will er nur das eine. Und ich ziere mich wie ein Mädchen.

"Ich selbst hab ein Piercing."

Cool story, bro.

"Was denn für eins?"

Vic grinst schäbig.

"Prince Albert. Willste sehen?"

Ich kenne mich zwar nicht mit Piercings aus; wo der Prince Albert seinen Thron hat, weiß ich aber.

Vic fummelt schon an seiner Hose herum, ich aber kann das Äußerste verhindern.

Wahrscheinlich hätte mein Augenlicht dran glauben müssen, wenn mir Vic seine gestochene Hosenschlange präsentiert hätte.
 

6. Mai - Erinnerung
 

Es ist aber nicht nur Vic, der gerade Paarungszeit zu haben scheint. Wir wissen ja, dass auch Tim spitz wie Nachbars Lumpi ist. Bestimmt ist daran die Sonne schuld. Sonne macht albern. Und heute schien die Sonne besonders heftig. Deswegen steht mein Kumpel auch unverhofft vor der Tür.
 

"Hast du es dir überlegt?"

Ich glotze ungläubig.

"Was überlegt?"

"..."

Okay, bitte ich ihn eben erst mal hinein. Vielleicht weiß er dann wieder, über was ich die Tage hätte nachdenken sollen. Doch unsere Alzheimerattacken sind nicht von großer Beständigkeit.

"Willst du ficken?"

Wahrscheinlich brannte in diesem Augenblick eine meiner Sicherungen durch. Also ist nicht mehr nur Tim reif für die Gummizelle.

"Einen Scheiß will ich! Ihr Kerle geht mir zurzeit dermaßen auf den Sack, ihr seid richtig furchtbar!"

Tim guckt lediglich kariert. Und ich realisiere, dass mit mir etwas schief läuft. Ich rede tatsächlich wie eine Frau in der Typisch-Männer-Manier. Vic exorziert nicht nur Heterosexualität, sondern führt anscheinend auch Geschlechtsumwandlungen durch. Ich spüre regelrecht, wie die Östrogene meinen Körper emporkrabbeln. Wahrscheinlich muss ich mich nicht mal mehr rasieren. Wer weiß das schon.

Tim wird aus der Wohnung befördert. Schade, dass das mit den Erinnerungen an seine notgeile Frage nicht ebenfalls geht.
 

7. Mai - Heiß und kalt
 

Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt. Bin ich denn hier nur noch von paarungswilligen Typen umgeben, die es auf meinen Schwanz abgesehen haben? Und als wäre das nicht schlimm genug, geigt mir Vic heute via Webcam seine Meinung. Es tut seinem hübschen Gesicht allerdings nicht gut, dass er sich so aufregt. Puterrot macht er mir eine Szene, die sich gewaschen hat. Natürlich kreist alles wieder nur um ein Thema.
 

"Bist du asexuell?"

"Nein." Aber ich wünschte langsam, ich wäre es.

"Irgendwie sieht es mir aber ganz danach aus. Wie lange beiße ich mir jetzt die Zähne an dir aus? Es ist ja okay, dass du Zeit brauchst, um mit deinen Gefühlen für einen Typen klarzukommen, aber ich habe den Eindruck, dass ich dich nicht anmache."

"Doch, Vic, das hast du falsch verstanden..."

"Ich dachte, wenigstens der Porno hilft dir auf die Sprünge, aber nichts da." Er legt eine Pause ein, holt tief Luft und spricht dann etwas ruhiger weiter. Nichts ahnend, dass sein doofer Porno absolut kontraproduktiv ausfiel. "Weißt du, ich hab richtig Bock auf dich. Ich will Sex, verstehst du das?"

Klar versteh ich das. Lieber Vic, du bist nicht der einzige, der mir den Hengst machen will. Aber ich habe eben meine Probleme mit Hengsten. My Little Pony mochte ich schon als Kind nicht.

Doch Vic ist Meister der Ignoranz. Und macht kurzen Prozess mit mir. Ganz kurzen. Zieht sich einfach die Hosen runter und hält seinen Schwanz in die Kamera.

Ein Schauer der Überraschung durchfährt mich.

"Macht dich das heiß oder lässt dich selbst das kalt?"

"Eher Ersteres", gebe ich zaghaft zu, obwohl ich im Moment nicht sonderlich viel mit diesem Anblick anfangen kann.

Aber Hauptsache Vic ist zufrieden. Vic, meine süße Schwanzprinzessin.

Und vielleicht sag ich sogar mal dem Prinz Albert persönlich hallo.
 

8. Mai - Mein wertvollster Schatz
 

Ich verlasse mich ja auf meine Sinne. Wahnsinn, Irrsinn und Blödsinn. Aber wenn es um das Erkennen von Geschlechtern geht, werden sie mir untreu. Ein erneuter Beweis wurde mir heute erbracht.
 

Vic hat Freunde. Echte, aus Fleisch und Blut bestehende, keine ausgedachten, die Produkt seiner Geisteskrankheit sind. Denn ich glaube nicht, dass diese ein Profil in einer Community besitzen. Doch man weiß nie.

Vic schreibt sich mit einem Mädchen. Wirklich gutaussehend. Jedenfalls denke ich, dass es ein Mädchen ist. An dieser Stelle verlassen mich wie gesagt meine Sinne.

Mein Interesse weckte diese Andie, als ich auf Vics Pinnwand ein paar zweifelhafte Einträge von ihr entdeckte. Ich fange an, den Schriftverkehr der beiden zu verfolgen, als ich den Link, den Vic zu meinem inzwischen bebilderten Profil gepostet hat, bemerke.

Das Gespräch geht folgendermaßen:

"Dein neuer Lover?"

"Ja."

"Uh. Errötender Smiley. Heiß."

"Grinsender Smiley."

Danke, danke.

"Der ist bestimmt gut im Bett."

"Vergiss es. Im Moos ist nix los."

"WAS? Schieß ihn ab! Werd lieber lesbisch für mich."

"Bin ich doch längst. Mein wertvollster Schatz. Zwinkersmiley."
 

Lesbisch? Vic ist doch ein Typ, wie kann der lesbisch sein? Ich raffe nichts mehr. Aber ist auch egal.

Dieses Gespräch verpasste mir ein psychisches Hämatom.
 

9. Mai - Verantwortung
 

Wenigstens läuft‘s mit Tim wieder gut. Wir hängen sogar heute zusammen ab. Lange herrschte nicht mehr solch ein Frieden. Auch der mich als schwul betitelnde Profileintrag samt Beweisfoto ist verschwunden. Vielleicht, weil Tim nun einsieht, dass ich nichts von Typen will. Wenn der wüsste...

Wahrscheinlich hat er eine Gehirnwäsche verpasst bekommen, denn er möchte mich nicht mehr besteigen. Gut so. Ich bin sowieso mit meinem Handy beschäftigt, um zu checken, ob Vic wieder mit seiner lesbischen Freundin über mich hergezogen hat. Ich zücke mein Gerät, werde aber von Tim unterbrochen.

"Deine Braut?"

Da hat wohl jemand Stielaugen.

"Ja."

Ich habe Vics heißes Bild nämlich auf meinem Display. Selbst Tim pfeift anerkennend.

Doch der bittere Beigeschmack ist nicht zu übertünchen. Tatsache ist, dass ich ein Schlappschwanz bin, der es seinem Prinzesschen nicht besorgen kann.

"Du, Tim?"

"Ja?"

So läute ich 'Tim, mein Doktor Sommer, Episode 2' ein. Eine große Verantwortung, die ich ihm zuspreche.

"Weißt du, wie man gechillter wird?"

Wie aus der Pistole geschossen: "Rauch Gras. Wieso?"

Ich zucke mit den Schultern.

Nur Loser knallen sich mit solchen Sachen zu. Ich aber möchte Vic mit einem freien, aufrichtigen Geist glücklich machen. Nicht mit Gras. Gras fressen nur Kühe. Und Tims.
 

10. Mai - Überwindung
 

Eine Kiffbirne ist leichter zu händeln. Deswegen habe ich mir doch ein Tütchen Gras zustecken lassen. Bin ich eben eine Kuh. Ein Stier hat schließlich dicke Eier. Wenn du es nicht glaubst, geh mal auf den Bauernhof.

Ich brauche einen klaren Kopf. Ich habe Vic nämlich gefragt, ob wir heute feiern wollen. Kurzerhand lud er mich dazu ein, mit seinen Freunden die Nacht unsicher zu machen. Schön. Ich habe gekifft und mir ist alles egal. Ehrlich gesagt ist alles schön. Vic und die ganze Welt. Besonders auch Vics lesbische Freundin, die wahrhaftig ein amtliches Holz vor der Hütte hat.

Trotzdem, ich ziere mich noch immer, mit Vic intim zu werden. Ich glotze zwar, aber meine Hände ruhen immer nur in meinem Schoß. Klar, dass Vic mit steigender Promillezahl zu Alternativen greift. Und ich bekomme live vorgeführt, wie lesbisch Vic mit Andie ist.

Ich glaube, mich kaum mehr retten zu können. Man kann so einfach vergessen, dass Vic einen Schwanz hat, und auf Lesbenspielchen fährt ja wohl jeder Mann ab. Nebenbei trinke ich noch ein paar Schlucke von dem harten Zeug, welches mir serviert wird, bis ich mich irgendwann überwinde.

Ich ziehe Vic auf meinen Oberschenkel, die Beine wie ein cooler Macker weit gespreizt und fahre wie selbstverständlich mit der Hand unter seinen Rock. Alter, in diesem Moment geht mir so dermaßen einer ab, dass ich mein Baby am liebsten komplett vernascht hätte. Oh, wie groß ist plötzlich dieser Druck in mir. So ungestüm und gnadenlos.
 

Wir knutschen. Wild und hemmungslos. Doch Vic grinst immer wieder in den Kuss.

Irgendwann rückt er mit der Sprache heraus: "Wusst ichs doch, dass du darauf anspringst..."

Damit meint er die Lesbenspielchen.

Tja, ich bin eben nur ein Mann.

Wenn mich nur nicht zusätzlich das Gras und der Alk zu meinem Glück hätten zwingen müssen.
 

11. Mai - Kaffee
 

Ich brauch nen Kaffee. Schön stark, bitte.

Boah. Es sind nur verschwommene Gedankenfetzen, die durch meine Matschbirne wabern, nichts Konkretes. Deswegen hab ich keinen Plan, was letzte Nacht abgegangen ist. Ich ahne aber was, denn Vic hat heute Morgen in meinem Bett gelegen. Nackt. Und ich hatte ebenfalls nur mein Adamskostüm an.
 

Mum guckt komisch, sagt aber nichts. Gut. Ich brauche Ruhe. Diese soll mir aber nicht vergönnt sein. Vic steht nach wenig später zerknautscht im Türrahmen. Das ist das erste Mal, dass man ihm sein wirkliches Geschlecht ansieht. Aber es macht nichts. Es macht überhaupt nichts.

Er setzt sich neben mich. Streicht sich die Haare aus der Stirn.

"Was war letzte Nacht?", frage ich.

Vic seufzt.

"Wir haben geknutscht und dann sind wir zu dir. Du wolltest es endlich. Aber als wir nackt waren, bist du weggepennt."

Fuck.

"Sorry."

"Mh."

Ich bin ein Schlappschwanz. Warum hat mich Satan nicht als geschlechtsloses Wesen erschaffen, wenn ich das, was da unten müde baumelt, ohnehin nicht benutze?
 

"Na ja", fährt Vic fort. "Hab dir halt nen Bart gemalt, als du eingeschlafen warst. Fands süß."

Mh.

Ich fahre mir mit der Hand über mein Gesicht.

"Jetzt hast du den Bart verschmiert."

"Wayne. Kaffee?"
 

12. Mai - Schwarzmalerei
 

"Tim-Boy! Was geht, Alter?"

"Alter, meine Mutter!"

Die geht? Wer hätte das gedacht? Ist doch schön, wenn sie laufen kann. Aber Tim wartet mit konkreteren Infos über seinen Anrufgrund auf.

"Ich hab mir da letzte Nacht so nen Typen mitgenommen und irgendwie hat sie wohl geschnallt, dass der nicht nur ein Kumpel war und nun hat sie mir voll die Szene gemacht, weil sie nun denkt, ich sei schwul und bla."

Wir fassen zusammen: Der Konjunktiv suggeriert, dass Tim nicht schwul ist, sondern es nur so scheint. Zweitens: Tim hatte Herrenbesuch. Drittens: Ich will mir das nicht bildlich vorstellen, aber mein Kopfkino ist stets sehr kreativ bei der Sache. Was mich allerdings noch interessiert:

"Und was soll ich jetzt machen? Mit Frauentausch brauchst du mir gar nicht ankommen, meine Mutter ist auch nicht besser als deine, wenn es darauf ankommt. Russische Konservativität, weißt schon."

"Mh, nee", meint Tim langgezogen. Ich kenne ihn, er will nicht so richtig mit der Sprach herausrücken, wenn er so rum eiert. "Weißte, ich brauch mal ein paar Tage Abstand von ihr. Sonst stresst die mich ständig wegen dem Thema. Ähm...könnt ich da derweil bei dir unterkommen? Das wär echt cool, Buddy."

Na das hat mir gerade noch gefehlt. Tim malt sich sein Leben in den schwärzesten Farben aus und bereitet mir ebenso düstere Aussichten für meine Zukunft. Wie soll das mit Vic endlich mal in Gang kommen, wenn wir ständig einen dritten Mann um uns herum haben?

Aber was will man machen? So scheiße Tim sein kann, er ist nun mal mein bester Freund. Und bei besten Freunden guckt man nicht einfach zu, wie sie vor die Hunde gehen.

Deswegen gebe ich dem Kerl mein Okay. Doch wehe, er nutzt diese Gelegenheit, um wieder an mir herumzugraben. Dann gibts ein Eddingbattle, welches sich gewaschen hat.
 

13. Mai - Zeichen setzen
 

"Echt jetzt? Deine Braut hat dir ne Lesbenshow geboten? Boom Shakalaka, wie geil ist das denn?"

Ja, echt jetzt. Und soweit ich mich erinnern kann, war es tatsächlich ziemlich scharf. Im Nachhinein weiß ich allerdings nicht, ob Vic das nur durchgezogen hat, um mich klarzumachen, oder ob er Absichten bei Andie hat. Man sieht: Der Druck steigt. Ich muss mich zusammenreißen, sonst steigt Vic mit seiner Trulla in die Kiste.

Schlimm, wenn man bedenkt, dass ich gerade Tim viel näher bin als meinem Goldstück. Denn wir sitzen gerade auf meiner Matratze und quatschen über Gott und die Welt. Sex steht natürlich im Fokus. Wie so oft.

"Boah, bin ich neidisch", fährt Tim fort. "Eine Bi-Tussi ist mein Traum. Haste nen Dreier mit den beiden gemacht? Sag, sag!"

Ich grinse allerdings nur vielsagend. Was soll ein Klemmi auch erzählen? Tim würde mich auslachen, wenn ich ihm berichtete, wie zugeknöpft ich bin.
 

Ich muss ein Zeichen setzen. Ein Zeichen, welches Vic beweist, dass er nur mich braucht. Und eines, welches mich mit der Gewissheit vor meinen Kumpels stehen lässt, dass ich ein geiler Stecher bin. Mein Selbstbewusstsein braucht das. Und nur mit Fünf gegen Willi kann ich sowieso nicht mehr lange überleben.
 

14. Mai - Etwas in Frage stellen
 

Tim ist ein Arschloch. Ein riesengroßes. Ich weiß, man sollte Menschen nicht auf ein einziges Körperteil reduzieren, aber wer Tim als Freund hat, der braucht keine Feinde mehr. Eigentlich wusste ich das schon immer.

Ich hatte mit ihm ausgemacht, dass er sich heute Abend verpisst. Denn Vic hat Zeit für mich und ich will mich endgültig an ihn ranmachen. Es gelingt auch wunderbar, wir beide lassen alle Hüllen fallen und sind drauf und dran, die schönste Nebensache der Welt gemeinsam zu erleben, als es an die Tür klopft und sich der Störer zusätzlich mit einem zaghaften Rufen bemerkbar macht.

"Mach auf, Jascha. Ich hab was vergessen."

Tims großer Auftritt. Tim, wie er unseren Verkehr stört.

Da die Stimmung sowieso dahin ist, stapfe ich zur Tür, mein bestes Stück mit einer Klamotte bedeckt, welche ich vom Boden aufgeklaubt habe und reiße das Brett wütend auf.

"TIM!", wettere ich und hoffe, der irritiert guckende Kumpel setzt deswegen heute den braunen Bob in seine Hose und nicht in den Porzellanthron.

Ich zische: "Ich hab doch gesagt, dass ich dich jetzt nicht gebrauchen kann."

Und es ist auch meine Nacktheit, die den Angesprochenen komisch gucken lässt. Wehe, ich muss sehen, wie sich in seiner Hose etwas regt bei meinem Anblick!

Doch so weit kommt es gar nicht.

"Jascha", hört man Vic vom Inneren des Zimmers her jammern und ich bin einem Herzkasper nahe. Wieso muss er ausgerechnet jetzt sein männlich klingendes Organ lautstark ertönen lassen, wo die Kacke ohnehin schon am Dampfen ist?

"Hast du'n Typen da?", fragt Tim daraufhin berechtigterweise, zieht die Stirn kraus und im Nachhinein weiß ich gar nicht mehr, was ich darauf geantwortet habe. Bestimmt irgendetwas Vages, was kein Ja und kein Nein ist.

Tim jedenfalls wird meine Heterosexualität ab jetzt in Frage stellen.

Kinder, ich bring euch alle um.
 

15. Mai - Gedeckter Tisch
 

Vic ist glücklich. Wäre er ein Huhn, gäbe es von ihm Eier in höchster Qualität. Und das nur, weil ich gut zu Vögeln bin.

Es ist passiert. Kein Tim und kein Gehirn haben dieses Mal die Idylle gestört. Vic hat es umso mehr gefreut. Glücklich strahlend liegt er neben mir, weil ich mich von ihm bedient habe wie von einem gedeckten Tisch.
 

Es war komplett anders als mit einer Frau. Nicht nur, weil Vic einen Schwanz hat, auch das Feeling unterscheidet sich. Ich würde nicht sagen, dass es schlechter ist, nein, es ist lediglich ungewohnt. Auch wenn Analsex geilomat ist, wie ich feststellen durfte, so habe ich das Meiste nur gemacht, um Vic zu erfreuen. Und im Endeffekt gefiel es mir, ihn am Rande der Beherrschung zu erleben, allein wegen meiner Berührungen.
 

"Ich hatte Recht."

"Wieso?"

"Russen sind gut im Bett und haben nen großen Schwanz."

"Was dachtest du denn?"

Vic grinst. Und um ehrlich zu sein war mein Rendezvous mit Anus samt Prince Albert gar nicht schlimm. Ich glaube sogar, dass wir es wiederholen sollten.
 

Irgendwie kann ich Tim immer besser verstehen.

Doch lass uns nicht an ihn denken. Ich brauche ohnehin neue Freunde. Die alten wissen zu viel.
 

16. Mai - Souvenir
 

"Nettes Souvenir."

"Was haben deine Augen an meinem Körper zu suchen?"

Ich komme gerade aus der Dusche. Konnte ich ahnen, dass Tim sich gerade in meinem Zimmer aufhält? Oh, ich vergaß, in unserem Zimmer. Dieser kleine Parasit hat sich hier eingenistet und denkt nun, er dürfe nun einen kostenlosen Liveporno genießen. Nichts da. Heutzutage gibt es nichts umsonst. Umsonst ist nur der Tod und der kostet das Leben.

Zum Glück zensiert das Handtuch um meine Hüften das Wesentliche. Der Jubel Tims wegen des Anblicks meiner Genitalien wäre zu groß.

"Aber das da, auf deinem Rücken!"

"Was da?"

Ich versuche, meinen Kopf einem Uhu gleich auf den Rücken zu drehen, verrenke mir aber nur den Nacken.

"Du hast einen Knutschfleck. War wohl wild, die Nacht mit diesem Typen? Oh, wenn deine Flamme erfährt, dass du mit einem Mann fremdgehst…"

Ha, was habe ich zu befürchten? Meine Flamme ist schließlich der Mann. Oder ein Mann meine Flamme. Wie auch immer. Dass Vic mich am Rücken gebissen zu haben scheint, ist ohnehin nicht sonderlich ladylike von ihm.
 

"Ich bin eben zum Anbeißen", protze ich und überlege mit einem gefälligen Grinsen, wie ich es Vic heimzahlen kann. Eigentlich sind Blowjobs eine stets akzeptierte Währungseinheit.
 

17. Mai - Lass mich in Ruhe
 

Ich bin die Weihnachtsgans Auguste. Flattere im Raum umher und quietsche "Lass mich in Ruh, will in die Truh!".

Nein, Vics Exorzistenverhalten ist nicht für mein schwules Verhalten verantwortlich. Okay, Vic hat doch schuld. Denn er will mich morgen in einen Schwulenclub ausführen. Eigentlich müsste ich mich ja geehrt fühlen, denn anscheinend habe ich den Test, den jeder gute Schwule bestehen muss, mit Bravour absolviert. Kein Wunder, ich beglücke Vic mittlerweile täglich und jedes Mal feiern wir weiße Weihnacht mit meinem dicken Sack samt großer Rute.
 

Heute bin ich Gans. Obwohl ich mir in der Rolle des geilen Weihnachtsmannes besser gefalle. Aber wer würde nicht durchdrehen, wenn er wüsste, dass die homosexuellen Kerle darauf warten, dir mit ihren Ruten den Arsch zu versohlen, während im Hintergrund fröhlich YMCA dudelt und die reizende Szene untermalt?
 

Ich muss mich verstecken. Aber auch das hilft nicht. Tims Augen sind bekanntlich überall.

"Was machst’n im Kleiderschrank?"

"Lassmichinruhe."

"Und wie geht 'Lassmichinruhe'?"

Der hat einen Knall. Ich mache hier ein Rollenspiel als Weihnachtsgans und der versaut mir alles. Wenn ich ihm wenigstens von meinem Leid berichten könnte. Aber nee. Eher lasse ich mich schlachten, als Tim zu erzählen, dass mein Dampfer ans andere Ufer schippert.
 

18. Mai - Bilderrahmen
 

Die Typen lassen größtenteils ihre Pfoten von mir. Aber mit dem Publikum der Szene kann ich mich eh nicht beschäftigen. Ich musste nämlich eine furchtbare Entdeckung machen. Besser gesagt, ich wurde furchtbar entdeckt.

Jeder Junge muss mal für kleine Mädchen. Oder so. Mit ziemlicher Angst vor auf meinen Arsch wartenden Klomonstern in Gestalt von überschminkten Paradiesvögeln schiebe ich mich auf das stille Örtchen.

Um Gottes Willen. Sofort verstecke ich mich hinter einer Ecke. Ich könnte schwören, dass bei den Waschbecken ein gewisser Tim Schultze steht und sich gerade angeregt mit einem Typen unterhält. Okay, Tim hat zwar ein Allerweltsgesicht und einen nicht sonderlich schönen Schwanz, es stellt sich allerdings heraus, dass mich meine Augen nicht getäuscht haben.

Wieso habe ich mich nicht doch von Vic schminken lassen? Dann hätte ich ein Versteck bei mir. Aber ich weigerte mich ja. Nun habe ich den Salat.

"Jascha?", höre ich Tim ungläubig rufen, überlege, was die leichteste Methode ist, einen plötzlichen Tod vorzutäuschen. Tim sieht mich in einem Gayclub, welcher eigentlich nicht mein natürliches Habitat ist, er wird aber genau das annehmen.

Doch ich stelle mich der Herausforderung. Quest 1: Zeige Tim, dass du wirklich Jascha bist. Okay.
 

"Alter, was machst du denn hier?"

Er quietscht fast. Dann nimmt er mich plötzlich in den Arm! Hilfe, Hilfe!

"Herzlich Willkommen auf der anderen Seite, Mann! Du hast dich für den richtigen Weg entschieden. Ja, das hast du. Ach, Jascha..."

Quest erfolgreich abgeschlossen. Was bekomme ich zur Belohnung? Ein in rosa gerahmtes Bild in der Eingangshalle des Clubs? Mh.

"Lass mich los. Ist gut jetzt."

"Ich wusste, dass du auf Männer stehst", säuselt Tim und ich glaube, er hat Pipi in den Augen, vielleicht sogar in der Hose. "Aber wie machst du jetzt mit deiner Schnalle Schluss?"

Gar nicht, weil ich wegen der hier bin?
 

19. Mai - Tiefschwarz
 

"Kein Wort zu niemandem, klar?"

"Ja, ja, ja!"

Ich zwang Tim, Stillschweigen über den gestrigen Vorfall zu wahren. Es ist schon schlimm genug, dass ich die Erinnerungen an den Abend nicht einfach aus seinem Gehirn löschen kann. Auch wenn in seinem Kopf nur bunte Murmeln ihr Zuhause haben, so hat er doch ein gutes Gedächtnis, wenn es um von mir verzapfte Peinlichkeiten geht.

Vic will heute kommen. Also, erstmal erscheinen. Und ich bekomme meinen Kumpel nicht los. Deswegen muss ich ihn leider in die Dusche sperren. Habe ich vor. An der Umsetzung hapert es allerdings.

Ich kacke gerade, als es klingelt. Wieso passieren Unglücke immer dann, während man auf der Toilette sitzt? Ich erspare mit das Arschabputzen und sprinte zur Tür. Aber Tim steht bereits vor dem geöffneten Brett. Von Angesicht zu Angesicht mit Vic. Oh Gott. Jetzt merkt er, was Vic zwischen den Beinen bammelt. Meine Welt taucht sich in ein tiefes Schwarz. Tötet mich.

Mit letzter Kraft versuche ich, Vic an Tim vorbeizuschleusen, doch der hat bereits zu viel gesagt.

"Jascha hat was mit nem Typen!", platzt es aus ihm heraus und Vic guckt fassungslos auf mich.

"Du hast was?!", platzt es schließlich aus ihm heraus und wenn Tim nun nicht gerafft hat, dass Vic kein Mädchen ist, weiß ich auch nicht mehr.

Seine Augen wandern hin und her, zu Vic, dann zu mir, dann wieder zu Vic.

"Alter...die ist...also...ein Typ? Boah, krass."

"Ach nee, was dachtest du, was ich bin? Ein Grottenolm?"

"Ja, vielleicht?"

Argh! Ich schnappe mir Vic und zerre ihn in mein Schlafzimmer. Tim muss leider draußen bleiben, denn er wird mir bei der Erklärung, dass Vic mein Einziger ist, eher hinderlich sein.

Hoffentlich kommt Vic nicht auf die Idee, Tim könnte mein Hausfreund sein und deswegen hier wohnen.

Tiefschwarze Zeiten für dich, du Jogginghosenheld.
 

20. Mai - Die Seele baumeln lassen
 

Vic glaubt mir. Ich konnte ihn mit einem Blowjob von meiner Aufrichtigkeit überzeugen. Blowjobs sind wirklich eine immer akzeptierte Währungseinheit. Man kann sich damit alles kaufen. Sogar Vertrauen.

Ich könnte so schön chillen. Wenn es Tim nicht gäbe. Tim, der eine Freundschaft ohne Geheimnisse erzwingt. Er weiß alles. Und auch wenn ich lieber nicht mehr mit ihm geredet und ihm stattdessen das gesamte Gesicht geschwärzt hätte, so muss ich müssen wir und doch unterhalten.

"Sollte irgendjemand erfahren, dass Vic ein Junge ist, dann kastriert mein Fuß dich. Ohne Scheiß."

Ich glaube, dass sich Tim fürchtet. Seine Augen sind klein wie Stecknadeln und bewegen sich nervös hin und her.

"Ich sag nix", versichert er mir, trotzdem vertraue ich ihm nicht. Sein letzter Schwur war schließlich nur heiße Luft.
 

Die Ernsthaftigkeit der Szene ist bald verpufft. Tim hat Pipi in den Augen und es wirkt fast so, als wolle er meine Hände ergreifen.

"Ich finds so geil, dass wir nun auch die Sexualität gemein haben. Hätt nie gedacht, dass du so bist."

So, wie bin ich denn? Regenbogenorientiert?

Jetzt lasse ich erstmal meine Seele baumeln, indem ich mir die Hosen ausziehe und den restlichen Tag unten ohne rumlaufe. Ist eh alles egal.
 

21. Mai - Den Vorhang lüften
 

"Wieso darf eigentlich keiner wissen, dass ich ein Junge bin? Du könntest doch den Vorhang einfach lüften."

Ich ahnte, dass ich diesem Gespräch nicht aus dem Weg gehen kann.

"Wär scheiße fürs Image."

"Weil du ja so ein cooler Hopper bist. Coole Hopper sind nun mal nicht schwul."

Der Sarkasmus in seiner Stimme ist nicht zu überhören. Und ich komme nicht mehr dazu, mir etwas zu überlegen, was die Geheimhaltung von Vics Geschlecht wirklich legitimieren könnte.

Dieser vorwurfsvolle Blick gefällt mir nicht.

Ich will mein gechilltes Leben zurück, wo meine einzige Sorge darin bestand, dass ich morgens mit einem Eddingbart aufwachen könnte. Doch diese Zeiten scheinen vorbei zu sein.
 

"Dabei steht selbst Tim auf Männer! Fast jeder Mensch auf der Welt ist ein bisschen bi."

"Wer sagt das?", will ich verdattert wissen.

"Freud. Aber wie auch immer...ich weiß, ich verlange viel von dir, aber wenn du es ernst mit mir meinst, dann will ich, dass du zu mir stehst."

"Mh."

"Also, lüftest du den Vorhang?"

Dem Bettelblick kann man kein 'Nein' entgegenschleudern.

"Mh."

"Dann küss mich."

Mein Baby hat die schönsten Lippen der Welt. Ich möchte sie niemals gegen die eines Mädchens eintauschen. Auch wenn das so viel einfacher wäre.
 

22. Mai - Schnipsel
 

Mir ist, als wäre mein Leben zu einem Roman mutiert. Eine höhere Gewalt namens Autor schiebt sich mein Schicksal zurecht. Deswegen bin ich gerade mit Moo, Flori und Tim unterwegs. Ich weiß, was du von mir erwartest, lieber Autor. Schwere Quests, die du mir stellst. Bin ich Lara Croft?
 

Es ist nicht möglich, eine Weile nicht wie Tims bester Kumpel zu wirken. Tim schafft es wie kein anderer, so zu tun, als ob nichts wäre. Mein Geheimnis interessiert ihn zu sehr.
 

"Hast du schon jemandem gesteckt, dass deine Flamme einen Schnippel hat?"

"Pscht!"

Wenn du flüsterst, dann bitte leise. Nicht so, dass es Moo und Flori hören können. Denn ich wüsste nicht, wann ich Tim versprochen hätte, der Welt Vics Geschlecht zu offenbaren. Vic möchte es zwar, aber ich muss den richtigen Moment abwarten. Ich kann das nicht so aus der Kalten.
 

"Deine Flamme hat einen Schnippel?"

"Einen Schnipsel!", berichtige ich Moo, der bereits zu lachen anfängt. Flori steigt prompt mit ein.

Einen Schnipsel. Stille Post gone wrong, oder wie? Wie komme ich eigentlich in den unmöglichsten Situationen auf den größten Scheiß?

"Einen Schnipsel", grunzt selbst Tim vor sich hin.

Na was denn? Wissen die nicht, was ein Schnipsel ist?
 

23. Mai - Leidenschaft
 

Es ist zu früh. Eigentlich kann ich jetzt keinen Tim ertragen. Aber da er noch immer bei mir wohnt und keine Anstalten macht, sich zu verpissen, kann ich schlecht vor ihm flüchten. Dennoch verfluchte ich seine Berufsschultage, denn dann klebt er schon am frühen Morgen wie eine Klette an mir.

"Lass uns zum Bäcker, ich brauch was für die Pause."

So zeitig bin ich zwar recht ungemütlich eingestellt, lasse es allerdings nicht durchscheinen. Würde ich das tun, bräuchte Tim kein Frühstück mehr, anstelle wäre er Frühstück.

Wenigstens macht er im Bäcker kurzen Prozess, ehe ich es tue. Berliner verlangt er.
 

"Fass mal an, die sind noch ganz warm!"

Schön für dich, Timmy-Boy, du bist selbst warm.

Ich berühre die Tüte. Ganz bezaubernde Temperatur.

"Willste einen?"

Ich lasse mir das nicht zweimal sagen und greife in den Überraschungsbeutel, bis ich so ein gezuckertes Ding erwische. Ich beiße hinein.
 

"Weißt du was, Mann?", meint Tim kauend vor der Tür. "Wir sind selbst warme Berliner."

Wäre ich nicht so müde, würde ich über diese Feststellung nachdenken und prüfen, ob sie wirklich so unklug ist, wie ich momentan annehme.

Gerade weiß ich nur, dass Tim eine Leidenschaft für dieses verdammte Gebäck zu pflegen scheint.
 

24. Mai - Träumereien
 

Heute ist wieder mal einer dieser geruhsamen Abende, die ich nur mit Vic verbringe. Da der nahende Sommer immer greifbarer wird, chillen Vic und ich auf der Bank. Chillen und hören Die Antwoord. Wie ein altes Ehepaar. Und deswegen liegt es nicht fern, dass ich ins Philosophieren abdrifte. Obwohl solche tiefgreifenden Gedanken untypisch für mich sind.
 

"Irgendwie sind wir wie Yolandi Visser und Ninja."

Vic reagiert zunächst nicht. Dann guckt er mich an. Es sieht aus, als überlege er, an welcher Stelle meines Gesicht mir ein Schlag besonders schmerzen würde. Was hab ich nur wieder falsch gemacht?

"Wir sind wie beste Freunde, die ein Kind zusammen haben?"

"Boah, Mann, nein", stöhne ich; mach doch nicht immer alles so kompliziert - das sind Träumereien, die mein Hirn einfach zum Abschalten braucht. Vic ist wie ein Mädchen. Alles genau durchdenken, alles genau hinterfragen, aber niemals Fünfe gerade sein lassen.

"Na ja, Yolandi ist scharf", lenkt mein Freund schließlich ein. "Und du als Ninja...passt!“

Sag ich doch. Wie Arsch auf Eimer.

Wir sollten ein Rollenspiel durchführen. Aber von der Weihnachtsgans hab ich die Schnauze voll. Lieber bin ich ein kiffender Rapper, der den dicken Max markiert. Ach was, das bin ich schon längst.
 

25. Mai - Pläne schmieden
 

Mütter sind eine seltsame Spezies. Manchmal sind sie pflegeleicht, die meiste Zeit aber nerven sie. So wie heute. Mum macht nämlich ein Kaffeekränzchen mit all ihren Freundinnen. Ein ganzes Zimmer voller Milfs, die ich nicht anfassen darf. Aber ich wedel ohnehin lieber an Vics Palme. Aber eben nicht hier.

"Lass uns zu dir gehen", schlage ich vor. Vic aber ist nicht begeistert. Dabei benimmt der sich doch die ganze Zeit wie eine rollige Katze und sehnt sich nach meinen magischen Händen und dem langen Körperteil. Nein, nicht nach meinen Beinen. Und auch nicht nach meinen Armen. Die Länge passt aber.

Irgendwann ist Vics Sexualtrieb doch stärker als sein Widerwille. Warum sträubt er sich so dagegen, dass ich ihn zu Hause besuche? Hat er was zu verbergen? Oder will er Mamas Freundinnen mit einem akustischen Porno schocken, weil er darauf steht? Wer weiß das schon.
 

Vic wohnt mit zwei Typen zusammen in einer Art Schwulen-WG. Beängstigend. Vor so viel Regenbogenfarbe wollte er mich wahrscheinlich schützen. Wie lieb.

Wir schaffen es nicht in Vics Zimmer, ohne einem merkwürdigen Wesen in die Arme zu laufen. Es wird mir vorgestellt.

"Das ist Felix." Erschreckenderweise sieht der tatsächlich aus wie dieser tierische Felix aus der Katzenfutterwerbung. Komplett schwarz, nur das Gesicht ist weiß mit vielen schwarzen Piercings. Ein typischer Emo. Die feindliche Subkultur eines jeden Hoppers. Eigentlich dachte ich, diese Heulsusenspezies wäre längst ausgestorben, da sie sich alle umgebracht haben.

Felix ist sehr schnell wieder verschwunden.

"Er ist sehr scheu und na ja...", erhalte ich die Erklärung für sein Verhalten. Aber was juckt der mich.
 

Außer Felix soll hier noch ein ähnlicher Paradiesvogel wie Vic wohnen, der auf den Namen Dino hört.

Ich hege da arge Bedenken.

Eine Katze und ein Dino unter einem Dach. Fressen die sich nicht auf?

Egal. Ich brauche jetzt Liebe.
 

26. Mai - Außenseiter
 

"Nee. Mir ist es ja absolut egal, wo und mit wem du es auf deiner Luftmatratze treibst, aber meine heiligen Hallen bleiben bitte verschont von deiner Schweinerei. Du entweihst sie."

Sorry, Tim, aber das musste einfach mal gesagt werden. Da verbringt man mal eine Nacht außer Haus, verlässt sich darauf, dass sein Kumpel, der gnädiger Weise Exil bei einem bekommen hat, brav ist, wird aber bitter enttäuscht.

Tim hat Herrenbesuch. In meiner Wohnung. Und das, obwohl Mum gestern ihre Freundinnen da hatte. Wer weiß, wann sein Stecher bereits hier aufgekreuzt ist. Und wer weiß, was für ein Krach die beiden gemacht haben. Da verzieht man sich extra, damit die Frau Mama samt Gefolge nicht vor Schreck vom Stuhl fällt, sollte der Verkehr etwas lauter ausfallen, bekommt dafür aber einen Schlag in die Fresse. In Zukunft werde ich mich nur noch auf meinen Arsch verlassen. Der steht wenigstens immer hinter mir.

"Och, Alter, jetzt chill mal", kommt es verschlafen von Tim. "Du bist ja wie die Obermutti."

"Wenn es sein muss, trete ich sogar mit dem Nudelholz auf und jag dich damit durch die Bude. Und den da gleich mit."

"Mhhhh..."

"Sorry, aber wenn du dich nicht benimmst, muss ich dich rausschmeißen. Degradierst dich selbst zum Außenseiter. Niemand hat dich mehr lieb."

"Boah, komm mal runter..."

Nee, ich komm gleich hoch. Besser gesagt, mir kommt es gleich hoch. Wenn ich mir überlege, was Tim mit diesem Typen wohl gemacht hat, könnt ich im Bogen kotzen.

"Du verabschiedest jetzt deinen Fickfreund und lüftest gefälligst, hier stinkts nach Sperma."

Tim gehorcht sogar. Widerwillig, aber er gehorcht. Und später haut er sogar noch einen bescheuerten Spruch raus:

"Ich mag das, wenn du so dominant bist."

Wenn ich gewusst hätte, dass Tim wegen meines Auftritts fast nen Orgasmus bekommt, hätte ich auf andere Methoden zurückgegriffen.
 

27. Mai - Lange Reise
 

Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass es gar nicht nötig ist, mich zu outen. Selbst dieses Wort klingt schon befremdlich. Ich bin doch gar nicht schwul. Und Vics Geschlecht war letztendlich sogar mir egal, also muss ich mich gar nicht auf den Balkon stellen, die Arme ausbreiten und schreien: "Ja, liebe Welt, die Frau, mit der ich zusammen bist, ist eigentlich ein Mann! Fuck yeah, ich hab homosexuelle Neigungen! Vier Fäuste für ein Halleluja!"

Nee. Das Dumme ist nur, dass Vic sehr stolz darauf zu sein scheint, ein Junge zu sein. Obwohl er Frauenkleider trägt. High Heels, kurze Röcke, bauchfreie Tops und sogar Spitzenunterwäsche. Das alles kombiniert mit seinen blonden Haaren und den reizvollen Klunkern an den Ohren. Ich sag ja, er ist komisch. Und ich glaube, er würde die Sache mit dem Balkon sogar gutheißen, würde ich ihm von meiner Schnapsidee berichten.

Okay. Irgendwann werde ich es jemandem erzählen. Aber ich weiß noch nicht, wann. Vielleicht finden Moo und Flori es ohnehin von selbst raus. Oder ich muss ihnen Gras geben, damit ihnen mein Geständnis am Arsch vorbeigeht. Wie auch immer.

Jascha und sein Outing - eine lange Reise. Eine Odyssee.

Fuck, ich bin doch gar nicht schwul.
 

28. Mai - Freitag
 

Tim sitzt auf seiner Luftmatratze alias Lustmatratze. Er guckt mich an, als hätte ein Unfall mein Gesicht schrecklich entstellt.

"Du pupst leise im Schlaf."

Unnützes Wissen, Band eins.

"Wann mach ich das?"

Bestimmt hat er irgendwas genommen. Solche Dinge haut doch kein cleaner Mensch heraus, der nicht Jascha heißt.

"Freitag hab ichs gemerkt." Er macht eine kurze Pause. Schämt er sich? Aber warum? Tim furzt schließlich ständig meine Bude voll, und das nicht nur, während er im Traumland verweilt. "Ich wollts aber nicht eher sagen."

Ich seufze. "Jo, mei. Würde ich meine Gase nicht ablassen, würde ich irgendwann wie ein praller Luftballon an die Decke steigen. Wärs dir lieber, ich würde dauernd rülpsen?"

Außer, dass Furzen und Rülpsen die Erderwärmung begünstigen, fällt mir kein negativer Aspekt ein. Klar, es riecht nicht sonderlich angenehm, aber wenn Tim hier wohnt, muss er damit leben. Schließlich sollte ich seine Samenspuren und zudem die dieses fremden Typen tolerieren.
 

"Weißte was, ich werd wieder zu meiner Mutter machen."

"Im Ernst jetzt?"

"Ja."

Oh mein Gott, Tim, ich falle dir mental um den Hals. Er will endlich ausziehen. Und das nur, weil ich leise im Schlaf pupse. Vier Fäuste für ein Halleluja. Höre der Engel Chor.
 

29. Mai - Messer und Gabel
 

Eigentlich ist das typische Nahrungsmittel für ein Hopperkind Döner. Ich allerdings konnte mich nie dafür erwärmen. Deswegen sitze ich im Chinarestaurant und fresse Nudeln. Stilecht mit Stäbchen. Bestimmt wirke ich wie eine Pussy.

Eine schwarze Gestalt schiebt sich in den Laden. Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Aber man erkennt diese gepiercte Fresse auf Anhieb. Wir leben zwar in Berlin, aber solche krassen Freakshows sieht man auch hier nicht alle Tage.

Als sich unsere Blicke treffen, nicke ich Felix zu. Da es eh nichts zu sehen gibt, beobachte ich den Katzenjungen, während er sich Futter ordert. Bei so einem kann man nicht weggucken. Er zieht Blicke magisch an, das geht sicher jedem so. Dabei soll er wie ein scheues Reh sein...
 

Mit Futter im Beutel verlässt er den Laden. Geht an mir vorbei. Okay, wir kennen uns kaum. Mir ist es egal. Ich finde es lediglich strange, dass ich den Typen später auf einer Bank entdecke, wie er sich mit Messer und Gabel über seine Nudeln hermacht. Ja, ohne Mist. Im Schneidersitz hockt er da, wie ein schwarzes Loch in der Landschaft und merkt gar nicht, wie merkwürdig das aussieht.
 

"Hättst dich auch zu mir setzen können", sage ich. Mehr als ein Schulterzucken seinerseits ist aber nicht drin. Ich jedoch setze mich ganz dreist. Glotze seine Piercings an. Sie fesseln mich.

Wir schaffen es nicht, ein Gespräch zu beginnen. Also gucke ich ihm nur zu, wie er seine Nudeln verspeist. Er wirkt nicht so, als würde ich ihm auf den Sack gehen. Eher so, als wäre ich nicht da. Und doch macht er den Mund auf, als ich es nicht mehr erwarte.

"Ich mach Freitag ne Geburtstagsfeier in der WG, kannst ja kommen mit paar Kumpels."

Ich zucke mit den Schultern, bin aber geflasht.

Man wird nicht schlau aus diesem Kerl.
 

30. Mai - Barfuß
 

Tim an die Macht! Macht sauber, macht mich glücklich...aber nicht so, wie ihr denkt. Tim lässt mich aber mit seinem noch heute stattfindenden Auszug meine Glückseligkeit wiederfinden. Und die Tatsache, dass er in der Küche mit der Milch geschweinert hat und wischen muss, befriedigt mich auf eine merkwürdige Weise. Barfuß steht er in der weißen Soße und ich bin der Meinung, dass dies die Rache für die schwule Nummer in meinem Zimmer ist. Aber Tims Füße sind eh hässlich, ein Milchbad tut ihn bestimmt gut.
 

Heute glotze ich mal. Vic ebenfalls. Wir gucken, als mache Tim einen Striptease. Nur nicht so angewidert.

"Morgen ist Felix‘ Feier", werfe ich in den Raum. "Kannst auch Moo und Flori Bescheid sagen, den alten Partypeople."

Tim schweigt. Er streckt mir seinen Arsch entgegen, um die Milch vom Boden zu wischen.

"Bück dich, Fee, Wunsch ist Wunsch!", gröle ich und ernte von Vic einen Knuff in die Seite. Okay, wenn sich jemand für mich bückt, dann nur er.

"Du wirst gleich die Milch von meinen nackten Füßen lecken", grummelt Tim und ich glaube, ich bin schneller als der Schall in meinem Zimmer verschwunden. Versuche, dieses Kopfkino abzuschütteln. Es gelingt nicht. Heute fällt das Abendbrot aus.
 

31. Mai - Eine Entdeckung machen
 

Friday is Highday. Bekifft und angeheitert treffen wir bei Felix ein. Doch der ist nirgends zu sehen.

"Er versucht immer, seine Sozialphobie zu überwinden schaffts aber nicht", liefert uns Vic die Erklärung zu seiner Abwesenheit. Bedeutet wohl, der Emo sitzt heulend und allein in seinem Zimmer, während hier draußen der Bär steppt. Was er bräuchte, wäre ein ordentlicher Joint, aber was geht der Kerl mich an.

Wir vergnügen uns. Feiern, saufen, labern Scheiße und ich glaube, ich habe selten so viel gelacht. Selbst dieser exzentrische Dino ist echt korrekt drauf, macht Witze über Homosexualität und benimmt sich absichtlich voll dem Klischee nach. Wir lachen, lachen, lachen. Es ist so cool. Diese ganzen Leute, die größtenteils wahrscheinlich schwul sind. Aber es interessiert mich nicht. Mir geht es am Arsch vorbei. Ich bin so glücklich, vielleicht wegen der Drogen, vielleicht auch einfach so, sodass sich in mir ein überwältigendes Gefühl der Freiheit einstellt und ich eine wunderbare Entdeckung mache. Wir sind jung und unabhängig, wir können tun und lassen, was wir wollen. Heute Abend gibt es keine Tabus. Jeder macht mit jedem rum, wahrscheinlich lassen sich sogar Moo und Flori von der dekadenten Stimmung mitreißen. Beim Flaschendrehen sind sie jedenfalls nicht dabei.
 

Alles verschwimmt. Zeigt die Flasche auf mich? Was soll ich machen? Knutschen? Wen? Tim?

Ich grinse. Suche nach dem anderen. Finde ihn. Er grinst ebenfalls. Wir sind frei. Wir dürfen alles. Jede Grenze brechen.

Wie durch einen Schleier höre ich den Jubel der anderen. Sie feuern uns an. Tim kommt näher. Er riecht wie drei Tage im Schnaps gelegen. So schmeckt er auch. Doch es macht mich geil. Sogar sehr. Will, dass er mich anfasst. Genau da. Shit. Alles prickelt. Wie ein gigantisches Feuerwerk. Ich muss das kompensieren. Klammere mich an Tim. Er ist so warm. Er liegt unter mir.

Juni 2013

1. Juni - Kindheit
 

Ich bin geliefert. Total angearscht. Wahrscheinlich muss ich aus dem Fenster springen.

Nein. Das geht nicht. Das kann nicht sein. Und doch ist es wahr, denn gerade habe ich Vic in meinem Bett vorgefunden. Nackt. Daneben liegt Tim. Ja, Tim. Tim in nackt. Tim ohne Klamotten. Muss ich erwähnen, dass ich ebenfalls nichts anhatte?

Tief durchatmen. Wir waren bekifft. Besoffen. Da passiert sowas. Ich kann mich eh an nichts erinnern. An gar nichts. Nur an Dinos Handtasche in grellem Gelb. Aber sonst?
 

"Aufstehen!", krächze ich. Die beiden Nackten wimmern und winden sich. Ich wage es kaum, Tim zu berühren. Nicht mal an der Schulter. Aber ich kann ihn nicht liegen lassen. Geht nicht. Das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.
 

"Beweg deinen Arsch hier hoch!"

Mir der Schädel weh, und Tims warme Haut unter meinen Fingern überfordert mich. Der Typ sitzt wie ein buckliger alter Gnom vor mir, den Kopf schief haltend, die Augen fallen immer wieder zu. Was mach ich nur? Ihn erstmal anziehen? Ich bin doch kein Altenpfleger. Trotzdem, ich kann es nicht ertragen, ihn so ansehen zu müssen. Nicht, weil er so abscheulich aussieht.
 

Verdammt, ich habe mit meinem Kumpel geschlafen!

Ich will meine Kindheit zurück.
 

2. Juni - Balsam für die Seele
 

Am Sonntag, als wir alle wieder einigermaßen beisammen sind, führen Vic, Tim und ich Kriegsrat. Dabei gibt es gar nicht viel zu besprechen. Ich jammere nur immer zu, dass das hätte nie passieren dürfen.

"Lass doch", versucht Vic mich zu beschwichtigen. "Ist doch egal. Ist eben passiert. Ist halt ein Dreier draus geworden."

Der macht sichs aber einfach. Tim ist ja auch nicht sein bester Kumpel. Erwähnter sitzt die ganze Zeit nur stumm da, man merkt, wie angespannt er ist. Hält den Blick gesenkt und dreht Däumchen.

"Das hat niemals stattgefunden. Klar? Tim?"

"Mh."

Klingt ja nicht sehr überzeugend. Ich hasse es, dass er mich nicht mal mehr anschauen kann.

"Guck mich an."

Das tut er dann sogar, nur weiß ich nicht, wie ich seinen Blick deuten soll. Reuevoll? Ängstlich? Verschämt? Mh.

"Also, kein Wort zu niemandem. Vergesst es einfach, ja?"

Okay, wahrscheinlich kann sich sowieso keiner von uns mehr an den Abend erinnern. Vielleicht ist es auch nicht zum Äußersten gekommen. Wer weiß.

Vic seufzt.

"Sei doch nicht so ne Dramaqueen. Schlimmer als ein Mädchen, echt. Als wär die Welt untergegangen. Chill doch mal."

Danke, das war gerade wirklich Balsam für meine geschundene Seele. Ich liebe dich auch, Vic.
 

3. Juni - Gut und Böse
 

"Jascha, bleib mal da."

Oh, die Stimme der Herrin. Ich sollte gehorchen. Auch wenn die Herrin nur meine Mutter ist und keine heiße Domina. Erwähnte ich schon, dass ich auf Rollenspielchen stehe?

"Ja, Mom?", frage ich erwartungsvoll; noch ahne ich nichts Böses. Aber eigentlich hätte ich bereits an ihrem grimmigen Gesichtsausdruck bemerken sollen, dass etwas im Argen liegt.
 

"Jascha", beginnt sie, dann seufzt sie und zieht den Mund in die Breite. Ich kann es nicht ab. "In dem Haus geht einiges vor sich, was ich nicht gutheißen kann. Erst lässt du deinen Kumpel hier wohnen, ohne mich gefragt zu haben und dann...na, die Freitagnacht war nicht sonderlich fein."

Oh. Am liebsten hätte ich gefragt, was genau an der Freitagnacht nicht fein gewesen ist. Obwohl ich mich vor den Details grusle, so würde mich schon interessieren, was genau ich mit Tim...vergessen wir das. Mom meckert gerade.

"Ich finde, du solltest dir eine Wohnung suchen."

Was? Ich werde quasi aus dem Hotel Mama herausgeworfen? Nur, weil ich meine Jugendlichkeit lebe? Das ist ja uncool.

Mom lässt sich nicht erweichen. Wenn ihre Meinung feststeht, dann steht sie fest. Und alle anderen haben das Nachsehen.
 

Die Herrin ist manchmal jenseits von Gut und Böse.
 

4. Juni - Pfeffer
 

Ich glaube, Vic weiß mehr über die Freitagnacht, als er zugibt. Mir ist so. Und meine Sinne trügen mich nie. Oder selten. Aber ihn fragen, was abging, möchte ich nicht. Selbstmord soll nie eine Option sein, aber mit diesem Wissen wäre er es bestimmt.

Apropos Selbstmord; es ist schön, dass wir zu Abend essen gehen, aber vorher muss ich Vics Shoppingtour ertragen. Ehrlich, wenn ich Klamotten brauche, suche ich einen Laden, der amtliche Dinge zum Verkauf anbietet, schnappe mir eine Hose in meiner Größe und kaufe sie. Nix mit Anprobieren. Umkleidekabinen sind ein Graus.

So wie es aussieht, soll ich aber aus meinem Schicksal errettet werden. Um mich in ein neues zu begeben. Plötzlich stehen Moo und Flori vor uns und drücken mich fest. Schockstarre. Ich bin mit Vic unterwegs und meine Kumpels sollen nicht erfahren, dass er...ihr wisst schon. Alarmstufe rot, vor allen Dingen, als sie ansetzen, Vic ebenfalls in eine Umarmung zu ziehen, im letzten Moment aber inne halte. Schließlich reicht Flori Vic seine Hand hin, aber Letzterer grinst nur und knuddelt schließlich den anderen.

"Hat ja Pfeffer, deine Prinzessin", urteilt Moo und ich ahne schon was.

"Deine Schnipselprinzessin", berichtigt letztendlich Flori.

Vic guckt blöd.

Ich sicher auch.
 

5. Juni - Du bist mein Licht
 

Ich bin ein armes Schwein. Mein Leben ist ruiniert, wozu Mom einen beachtlichen Teil beigetragen hat. Mich in mein Schicksal fügend habe ich mir meinen Laptop geschnappt und eine Immobilienseite aufgeschlagen. Kleine Maus, nur ich und du, wir haben heut ein Rendezvous. Und vielleicht habe ich auch bald ein Rendezvous mit einer nett aussehenden Ein-Zimmer-Wohnung.
 

Ein Raum.

Mein Leben wird sich komplett im Schlafzimmer abspielen, und das meine ich nicht im perversen Sinne. Obwohl ich bereits jetzt siebzig Prozent der Zeit, in der ich nicht arbeite, in meinen heiligen Hallen verbringe. Also würde ein einziges Zimmer keine große Veränderung mit sich bringen.
 

"Was machstn?"

Ich mag es, wenn Vic sich mir von hinten nähert.

Von hinten.

Wer weiß, vielleicht pisse ich bereits Regenbögen. Ich hab meinen Urin noch nie untersucht.

"Ne Wohnung suchen. Mom hat mich satt, weil ich ein böser Junge bin."

Vic schweigt. Guckt auf den Bunker meiner Träume.

"Zieh doch zu mir in die WG", schlägt er plötzlich vor und klingt nicht so, als würde er scherzen.

"Vic, du bist echt mein Licht in der Dunkelheit", gebe ich gerührt von mir und freunde mich bereits mit dem Gedanken an, mit drei Regenbogenpissern unter einem Dach zu leben.
 

6. Juni - Schlaf
 

"Herzlich Willkommen, Jascha!"

Wie schön von Dino, dass er sich so über meinen Einzug freut. Er sieht zwar aus wie Olivia Jones - er versieht sich noch großzügiger mit Schminke als Vic - aber es kommt vor allen Dingen auf die inneren Werte an. Sage ich selbst immer. Sonst wäre Tim nicht mein Kumpel geworden.

Obwohl zwei Augenpaare vor Freude über ihren neuen Mitbewohner bereits glitzern, so gibt es da noch ein drittes, welches mich vom Küchentisch aus argwöhnisch und fast schon ein bisschen böse mustert. Katzenaugen, mit schwarzem Kajal umrahmt. Ehrlich gesagt frage ich mich nicht, was ich Felix angetan haben könnte, dass er so giftig ist, viel mehr wundere ich mich über den dicken Kapuzenhoodie, den er bei den heutigen Temperaturen von knappen dreißig Grad trägt. Der stinkt bestimmt wie ein Iltis.
 

"Ich zeig dir mal dein Zimmer", kündigt Vic an und henkelt sich bei mir unter. Peinlich, wenn man bedenkt, dass das alte Ehepaar jetzt schon zusammengezogen ist.

Ich schleppe den Sack mit meinem Hab und Gut hinter mir her, blinzle aber noch einmal in Felix' Richtung. Es wirkt, als würde er nun sogar einen Katzenbuckel machen. Hoffentlich kratzt er mir im Schlaf nicht die Augen aus.
 

7. Juni - Adrenalin
 

Eigentlich lässt es sich in der WG aushalten. Dino kocht wie ein junger Gott und ist auch so ein angenehmer Zeitgenosse. Macht Scherzchen über dies und das und spart dabei den berühmten Freitagabend nicht aus. Ich höre genau hin. Stelle Fragen wie ein Kommissar. Leider schießt während meiner Ermittlungen Vic aus dem Badezimmer und versaut mir alles.

"Mein Gott, du denkst an nichts anderes mehr."

Wie verständnislos er den Kopf schüttelt. Da wird ein deftiger Versöhnungssex fällig.

"Ich komm darauf eben nicht klar, dass ich meinen Kumpel gevögelt habe."

Dino kichert verhalten und ich merke, dass ich wieder alleine dastehe. Niemand rafft, wieso dieser Fick für mich einen Weltuntergang darstellt. Vic sowieso nicht. Der lässt sich bullig auf den noch freien Stuhl fallen und klimpert adrenalingeladen mit seinen manikürten Nägeln auf dem Tisch.

"Ich hab den Dreier eingefädelt. Weil ich genauso auf Schwulenspielchen abfahre wie du auf Lesbenspielchen. Wie du weißt, beiß ich mich manchmal mit Andie rum. Mit Felix hab ich schon geschlafen. Wieso ist es so ein Riesending, dass du Tim flachgelegt hast? Versteh ich nicht."

Unter diesen Umständen kann ich Vic tatsächlich verstehen. Auch wenn er mich nicht versteht.

Halleluja. Ausgerechnet Felix. Das muss ich erst verarbeiten.
 

8. Juni - Zauberei
 

Ich hab jetzt sogar meine Möbel. Flori, der einzige Mobile von uns, hat sich erbarmt, mein Zeug vorbeizubringen und stellte sich auch für den Aufbau der Schränke zur Verfügung. Ich stehe tief in seiner Schuld. Vic an meiner Stelle würde ihn wahrscheinlich mit Sex belohnen. Aber Vic ist in festen Händen. Und ich bumse freiwillig keine Kumpels.

"War echt gay, die Party", haut Flori raus, während ich im Bretterhaufen liege und die Schranktür suche.

Ja, die Jahrhundertparty. Homosexuell wie ein pinkes Einhorn.

"Wo wart ihr eigentlich?", ächze ich.

"Den Schwulenauflauf hat ja keiner ausgehalten", erklärt Flori mir. Und ich dachte, Flori und Moo hätten was miteinander gehabt. So ziemlich die einzige Sache, an die ich mich in lebhaften Farben erinnere. Im wahrsten Sinne des Wortes, Gras sei Dank. "Bist du da jetzt voll drin in der Szene?"

"Nee, nicht so."

Boah, wie peinlich. Flori weiß alles, lacht aber nicht offen über mich. Anstelle mobbt er mich indirekt. So eine zweideutige Zauberei.

"Sag doch einfach, wenn du Probleme damit hast", knalle ich ihm deswegen an den Kopf.

Flori aber guckt nur wie die Kuh wenns donnert.

"Nö", brummt er. "Is doch dein Arsch."

Und damit hilft er mir, den Schrank zusammenzubauen.
 

9. Juni - Einen Neuanfang starten
 

Ich bin immer noch sauer auf Vic. So viel Sex kann er mir gar nicht geben, damit ich ihm die Sache mit Tim verzeihe. Da ich mich allerdings mit ihm gutstellen muss, mache ich gute Miene zum bösen Spiel, sonst lande ich irgendwann auf der Straße. Es ist alles eine Kosten- Nutzen-Rechnung. Aber ich bin sowieso nicht nachtragend. Und bei einem schönen Arsch werde ich von meinem Hormonen übermannt.

Bei Felix geht es mir allerdings nicht so. Der löst gar nichts in mir aus außer einer eventuellen Neugierde aufgrund seiner Äußerlichkeiten. Schon wieder treffe ich ihn am Küchentisch, spielend mit seinem Handy. Immer sitzt er dort an diesem verdammten Tisch. Hat der kein Zuhause? Manchmal glaube ich sogar, dass diese Küche in Wahrheit eine Mautstation ist. Wie viel kostet denn die Strecke Zimmer-Kühlschrank?
 

"Du bist morgen dran mit Einkaufen."

Hat Felix das gesagt? Ich habe nicht gesehen, wie er den Mund bewegt hat, weil ihm die Kapuze ins Gesicht hängt. Im Grunde macht er jedem Gangsta alle Ehre.

"Mh. 'Kay." Obwohl ich keinen Bock auf Einkaufen habe. Aber ich habe einen guten Vorsatz, den ich einhalten muss, wenn ich hier einen Neuanfang starten möchte.

Gerade öffne ich den Kühlschrank, um mir einen Joghurt zu genehmigen, da labert das schwarze Ding erneut. Ohne sich zu mir rumzudrehen, natürlich.

"Deine Mucke is cool."

Ich ziehe staunend eine Augenbraue in die Höhe.

"Das ist Rap?!"

Schulterzucken. Okay. Eigentlich geht mir die ganze Zeit etwas anderes durch den Kopf und irgendwie verspüre ich den Drang, es loszuwerden.

"Und du hast wirklich mit Vic geschlafen? Krass."

Schulterzucken. Schon wieder.

Sowas Unnahbares habe ich noch nie erlebt, und ich bin bereits 19 Jahre auf der Erde. Was meinte Vic? Felix hätte ne Sozialphobie? Klingt fast wie AIDS. Vielleicht sollte ich ihm besser aus dem Weg gehen.
 

10. Juni - Vertrauen
 

Wer hätte damit gerechnet? Ein Anruf von meinem Kumpel und Fuckbuddy. Nee. Können wir das letzte Wort streichen? Es widert mich an. Mit diesem im Hinterkopf kann ich mich nicht wie ein halbwegs normaler Mensch benehmen.

"Hi." Ich bin kurz angebunden. "Du lebst. Ein Wunder. Ich ruf gleich bei Galileo an und melde das."

Ich höre nur ein Rascheln am anderen Ende der Leitung. Mit dieser Begrüßung hätte Tim wohl nicht gerechnet. Ich mache ihn sprachlos.

"Na ja...", labert er endlich, nachdem ich schon einmal 'Hallo?' rief. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich mich wie eine Diva verhalte. Daran ist bestimmt Dino schuld. Man passt sich schließlich immer seinem Umfeld an. Und wenn es bedeutet, zu Marylin Monroe zu mutieren. Aber hören wir Tim zu. Er hat uns etwas zu sagen.

"Ich hab mich nicht getraut, mich bei dir zu melden, irgendwie..."

Dies trägt er mit einer furchtbaren Piepsstimme vor. Wie ein ganz kleiner Junge. Aber ich habe ein paar beruhigende Worte parat.

"Ey, du kannst drauf vertrauen, dass ich dir nicht den Kopf runterreiße." Pause. "Obwohl ich dich schon so bisschen hasse."

Ein Schock für Tim. Er verfällt wieder in ein tiefes Schweigen.

Ich bin schon böse.
 

11. Juni - Solang ich dich habe...
 

Ich bin zwar böse, aber kein kompletter Satan. Deswegen habe ich es Tim gewährt, mich in meiner neuen Unterkunft zu besuchen. In der W-Gay, wie ich sie liebevoll nenne. Leider bedeutet das, dass ich Tim nicht empfangen kann ohne die Gesellschaft meiner Mitbewohner. Dino ist ja okay, Vic auch, wenn man die Tim-Sache außer Acht lässt, aber Felix kann einem den ganzen Tag mit seiner verdammten Gleichgültigkeit versauen.
 

Auch heute sitzt er an seiner Mautstation, als mein Besuch eintrifft.

"Das ist Tim", stelle ich den Blödmann vor; Dino lächelt, da er Tim bereits auf der Party erlebt hat und Vic kennt bekanntlich sogar seinen nackten Körper. Bah.

Felix aber guckt auf eine nicht einzuordnende Weise an Tim empor, bis Letzterer ihm seine Hand hinhält. Plötzlich zuckt die Katz zusammen und wirkt total verstört. Schließlich verpisst sie sich wortlos in ihr Zimmer.

Selbst Vic schüttelt den Kopf, murmelt dann aber ein entschuldigendes "Neja, Felix halt."

Tim jedoch schießt den Vogel ab.

"Niedlich, der Kleine", raunt er, sein lieblicher Blick gilt allerdings mir. "Aber solange ich dich hab..."

Was soll denn das heißen? Vic braucht gar nicht zu lachen. Der ist doch daran schuld, dass Tim so ist.
 

Langsam bekomme ich Angst.
 

12. Juni - Geschwister
 

"Man ey, ich komm zu spät!"

Noch einmal donnere ich mit voller Wucht gegen das Scheißbrett namens Badtür. Wieder keine Reaktion von drinnen. Vielleicht ein leises Murren. Mehr aber nicht.

"Ich kill dich."

Oh ja, ich bin wirklich wütend auf dieses Bürschchen. Es ist nämlich Felix, der das Bad blockiert. Seit mindestens einer halben Stunde. Und das, obwohl der Typ bis Mittag ausschlafen und arbeitenden Menschen den Vortritt erlassen könnte. Im Gegensatz zu anderen Leuten in diesem Haus bezieht er frech sein Harzt IV und lässt sich die Sonne aus seinem faulen Arsch scheinen.
 

Wahrscheinlich hat ihm meine Drohung Angst gemacht. Denn wenige Sekunden später öffnet sich die Tür und ein Felix mit am Kopf angeklatschten Haaren tritt aus dem Raum. Früh um Acht färbt der seine Loden, ich glaub, mich hackts!

"Ey, wegen dir krieg ichs mit meinem Chef zu tun!", poltere ich los, obwohl die Piercingfresse riesengroße, unschuldig dreinblickende Augen besitzt. Vielleicht bringt mich dies auch erst recht in Rage.

"'Tschuldigung...", murmelt Felix betreten, aber davon kann ich mir nichts kaufen. Wutentbrannt packe ich ihn am Arm.

Panik steht in seinem Blick. Pure Panik. Aber mein Empathieschalter ist gerade im Offmodus.

"Kleiner Schmarotzer!", schimpfe ich, beginne, mich erst richtig aufzuwärmen, aber plötzlich wird mir ein Strich durch die Rechnung gemacht. Vic steht muttilike zwischen uns und löst meine Hand beherzt von dem dürren Streichholzarm, den sie fest umklammert hält.

"Was hast du denn genommen?", schleudert mir Vic entgegen. "Lass gefälligst Felix in Ruhe, niemand beleidigt mein Brüderchen!“

Mein Mundwinkel zuckt gereizt.

"Ach, warum praktiziert ihr dann eigentlich nicht weiterhin euren Inzest?", entweicht es mir, aber schon im nächsten Moment frage ich mich, ob ich nicht doch etwas zu weit gegangen bin.

Jascha, du bist ein Vollidiot. Heißt nicht, dass Felix nicht noch einen Zacken schlimmer ist als du.
 

13. Juni - Rotes Tuch
 

Ich treffe Tim am U-Bahnsteig. Heute bin ich pünktlich. Der Herr hat sich mit seiner Schönheitspflege zurückgehalten.

"Hey, Alter", lautet Tims Begrüßung. Mir ist plötzlich so, als stelle seine Anwesenheit und seine vertraute Stimme einen rettenden Pol für mich dar.

"Hey", grüße ich zurück. "Ich sags gleich: Wenn du den Namen 'Felix' erwähnst, dann fick ich deine Mutter."

An derben Flüchen erkennt man, dass nicht gut drauf bin. Und Tim rafft das.

"Stress?"

Ich verdrehe die Augen.

"Und wie."

"Auch mit Vic?"

"Sind mir beide ein rotes Tuch grad."

Ein Arm legt sich um meine Schultern. WTF? Tim aber lächelt mich nur kameradschaftlich an.

"Wenn die dich nerven, vergiss sie", rät er mir lässig und da ist plötzlich so ein komisches Gefühl in mir.

Tim, der sich oft absolut assig verhaltende Drecksack, ist im Moment so ziemlich der einzige, der noch zu mir hält. Der mich versteht oder es zumindest im Ansatz versucht. Der mich nicht verurteilt.

Deswegen liegt es mir auch nicht fern, ein 'Danke, Mann' zu murmeln. "Bist n echter Freund."

Tim winkt ab; wahrscheinlich, weil er weiß, dass er objektiv betrachtet nicht viel getan hat, um mein Seelenheil wiederherzustellen.

Doch jemand, der mich akzeptiert, genügt mir.

Völlig.
 

14. Juni - Den Horizont erweitern
 

"Uh, krass! Das hast du deiner Schnitte an den Kopf geworfen?"

An Tims Stelle würde ich nun auch die Luft scharf einziehen. Verdammt noch mal, ja, das, was ich da abgelassen habe, ist nicht sonderlich beziehungsförderlich. Zumal seit der berühmten Freitagnacht sowieso der Haussegen zwischen Vic und mir leicht schief hängt.

"Ich finds ja selber richtig scheiße", gebe ich reumütig zu, vergrabe das Gesicht in meinen Händen und bleibe genau so sitzen. "Aber dieses kleine Ekel macht mich einfach schwach."

"Also ich fand ihn ja ziemlich niedlich, wenn auch etwas creepy..."

"Tim!"

"Schon gut, schon gut. Und nun?"

Ich zucke mit den Schultern.

"Ich werds schon wieder irgendwie grade rücken mit Vic, denk ich mal."

Keine weitere Reaktion von Tim. Als ich dann wieder die Hände von den Augen nehme, um in die kranke Weltgeschichte zu blicken, bemerke ich, wie nervös mein Kumpel mit dem Fuß auf dem Parkett herumrührt, während sich seine Hände in meinem Bettlaken verkrampfen.

"Was is?"

Seit wann lächelt ein Tim so zaghaft? Ich sag ja, der wird noch ne richtige Pussy.

"Ich...ich hab da was für dich. Für uns...wie auch immer."

Plötzlich liegen zwei Konzerttickets auf dem Tisch. Ich kann darauf in großen schwarzen Buchstaben 'Die Antwoord' lesen. Wen wundert es da noch, dass mir die Kinnlade herunterklappt?

"Alter, wie geil is das denn? Die Dinger sind doch schweineteuer!"

Tim aber tut gar nicht dergleichen.

"Is für London. Deswegen bräuchtest du auch Urlaub..."

Das wird schwierig. Ich seufze.

"Du bist so verrückt."

Tim ist wirklich nicht so ein Arschloch, wie ich noch vor kurzem dachte. Er hat es tatsächlich geschafft, meinen Horizont zu erweitern und ihn in einem ganz anderen Licht zu betrachten.

Verdammte Scheiße, er ist schwer in Ordnung. Und ich dachte bereits gestern, er wäre cool drauf.

Irgendwie flasht mich das gerade voll.
 

15. Juni - Erfolge
 

Aus Erfahrung weiß ich, dass selbst der beschissenste Lebensabschnitt irgendwann in einen guten übergeht. Dieser Zeitpunkt ist jetzt erreicht. Vic kam nämlich gerade zahm wie ein Lamm und versöhnlich brummelnd in mein Bett gekrochen, und ich konnte ihn einfach nicht wegstoßen. Ich bin eben zu gut für diese Welt. Ich sags ja immer wieder.

"Das ist alles so blöd gewesen in letzter Zeit", murmelt Vic, während er nach unserem unvermeidlichen Versöhnungssex neben mir liegt. "Mit uns, das soll nicht einfach kaputtgehen."

"Mh." Eigentlich habe ich gar keinen Bock, über den Mist zu quatschen. Ich will einfach nur Frieden in meinem Universum. Aber prinzipiell habe ich ja bereits einen Erfolg erzielt. Vic verzeiht mir einfach so meinen Amoklauf auf Felix und irgendwie glaube ich sogar, dass er mich lieber mag als diese kleine Kakerlake.

Ich hoffe, dass es so ist. Wenn ja, dann wird er auch akzeptieren, dass ich mit Tim nach London fliegen werde. Ohne ihn. Doch heute sage ich noch nichts. Mit meinem Chef ist sowieso noch nicht besprochen und ehrlich gesagt habe ich jetzt schon die Hosen voll.

Aber das wird schon. Wenn ich Vic hab, dann kann mich die ganze Welt mal ganz gepflegt am Arsch lecken.
 

16. Juni - Postkarte
 

Mit meinem Seelenfrieden im Herzen könnte ich theoretisch schön pennen. Alles läuft wunderbar und in meinem Bett ist es heute besonders gemütlich. Aber an der praktischen Umsetzung meines Schlafes hapert es. Schuld daran sind die grässlichen Geräusche, die aus dem Badezimmer dringen. Entweder Felix wird in die Unterwelt gezogen vom Pot-God, welcher im Porzellanthron haust oder er übt dieses Rumgeschreie, welches ein Bestandteil seiner Lieblingsmusik ist. Falls dieses Gedonner der Bezeichnung 'Musik' würdig ist.

Ich stehe auf. Langsam wird es mir zu viel. Beschließe, den Pot-God zu unterstützen. Und tatsächlich; die Badezimmertür ist angelehnt und wenn man genau hinschaut, kann man sehen, wie Felix sich in das Klo beugt.

Sollte ich ihn an den Beinen schnappen und versuchen, dem Pot-God sein Opfer zu entziehen? Nein. Der ganze Spuk ist ohnehin vorbei. Als wenn nichts wäre erhebt sich Felix, spült sich den Mund aus und erblickt mein Abbild im Spiegel.

"Ist ja scheußlich", stöhne ich, noch immer angeekelt von den Würgegeräuschen aus diesem schmächtigen Leib. "Soll ich dir nen Tee machen?"

Felix zuckt mit den Schultern. Eine eindeutigere Reaktion scheint er nicht zu kennen. Ich kann mir also aussuchen, wie ich sie deuten möchte. Da ich selbst aber verspüre, dass ich etwas Warmes im Bauch gut vertragen könnte, stelle ich mich in die Küche und koche Wasser. Aus den Augenwinkeln beobachte ich Felix, der sich auf seinen Stammstuhl fallen lässt.

"Dir geht's beschissen, wa?", quatsche ich ihn zu, von Felix' Seite ertönt ein Brummeln. "Ich weiß noch, wo ich mir die Seele aus dem Leib gekotzt hab...der erste Schwung ging auf Mamas Postkartensammlung. Die hat mich gehasst."

Kein Kommentar. Egal. Es ist Nacht und ich bin deswegen weiterhin ganz lieb. Auch, weil es Vic sicher freut, wenn ich mich bei Felix einschleime. Und außerdem ist es zuträglich für meine pazifistische Mission.
 

17. Juni - Schokolade
 

Es ist geglückt. Chefchen hat mir entgegen jeder Erwartungen sein Okay gegeben. Ich darf mit Tim ein verlängertes Wochenende in London erleben. Und das berauscht mich so sehr, dass ich mich nach Feierabend in die Küche setze und einen Joint inhaliere, um meine Ekstase weiter zu steigern. Was hab ich für Hummeln im Arsch. Sie summen so doll, dass ich sogar dem aus seinem Zimmer schleichenden Felix zulächle und zu mir heranwinke. Heute bin ich all der Dinge Freund.

Felix steht am Tisch. Guckt kariert auf meine Zigarette. Der hat wohl noch gar nichts vom Leben gesehen. Oder?

"Kann ich einen?"

Unfassbar, das Kleinteil kann sprechen! Berauscht halte ich ihm meinen Grasstängel entgegen und lasse es einen Zug nehmen. Mein Grinsen will nicht mehr abebben.

"So gefällst du mir, Kumpel!", lobe ich Felix. "Sprechend, kiffend und nicht kotzend oder badblockierend."

Und was ist das an Felix' Piercingfresse? Zucken etwa seine Mundwinkel? Ich krieg noch einen Orgasmus, ohne mich anfassen zu müssen.

"Kiffen ist wie Schokolade", meint Felix und ich ziehe übermütig an seiner Kapuze.

"Dann setz dich und gib dir Glückshormone", lade ich ihn ein. "Ich glaub, das haste öfter nötig."

Er zuckt mit den Schultern. Back to the Roots.
 

18. Juni - Insekt
 

Ich merkte mal an, dass Tim sich zu einer Pussy entwickelt. Das stimmt nicht. Tim ist Peter Pan in Reinkarnation.

Heute gönne ich mir nach Feierabend eine Shoppingtour durch das Alexa und entdecke, als ich zufällig dort vorbeigehe, Tim höchstpersönlich bei Build a Bear. Ich muss mir echt die Augen reiben und zweimal durch die Scheibe stieren. Aber es ist und bleibt Tim, der den Teddybär, den er im Arm hält, liebevoll einkleidet. Wer hätte gedacht, dass mein Kumpel, der sich sogar zu Dreiern hinreißen lässt, so eine liebe Puppenmutti sein kann? Da geht ja sogar mir das Herz auf.

Nachdem ich bereits Tränen gelacht habe, betrete ich das Geschäft und pirsche mich unbemerkt an Tim heran. Als ich schließlich hinter ihm stehe, kann ich es mir einfach nicht verkneifen, seine Seiten zu kitzeln. Ach, herrlich, wie er in die Höhe springt und zusammenzuckt. Als Belohnung darf er in mein fett grinsendes Gesicht schauen.

"Alter, was geht'n mit dir ab?", frage ich und beginne erneut zu lachen. Besonders wegen Tims errötenden Wangen.

"Lass mich doch", brummelt Tim und lässt mich stehen, um seinen mittlerweile bekleideten Bären zu bezahlen. Ich aber lasse mich nicht abschütteln. Bis zum bitteren Ende stehe ich neben meinem Kumpel, der echt alle Schikanen der gestörten Verkäufer über sich ergehen lässt. Von Bärenhaus bis Geburtsurkunde ist alles dabei. Auf letzterer kann ich zufällig den Namen des Teddys lesen. Er heißt Jascha.

"Ach du scheiße!", schreie ich und weiß nicht mehr, ob ich mich weiterhin meinem Lachkrampf hingeben soll. "Sag nichts, ich will nicht wissen, was du mit meinem Bär-Ich anstellen wirst."

Tim jedoch lacht noch immer nicht. Er ist ganz ernst.

"Er soll Insekten fressen."

"Deine Filzläuse, oder wie?"

"Haha."

Tim lügt. Das sieht man ihm an. Aber soll er doch. Die Wahrheit kann manchmal schmerzhaft sein.
 

19. Juni - Verschlungene Pfade
 

Gestern noch glaubte ich, mein Leben liefe wieder in geregelten Bahnen. Doch nichts ist okay. Alles ist scheiße. So verdammt scheiße.

Ich habe gesehen, wie Felix sich ritzt. Er saß im Bad und zog sich mit der Rasierklinge die Handlinien nach. Ich bin hin um ihm zu sagen, wie beschissen das ist, was er tut, aber deswegen eskalierte alles. Ich sehe ihn noch immer vor mir, den blutenden Felix, den ich zum ersten Mal mit lauter Stimme sprechen hörte.

"Ich bins nicht wert, dass du dich um mich bemühst! Ich bin ein Dreck! Du hattest Recht. Habs verdient, dass du mich hasst. Denn ich hab wieder mit Vic geschlafen. Und ich liebe Vic. Wäre doch besser, ich wär tot. Ich will ihn dir nämlich wegnehmen."

Das war so…unreal. Wie in einem Film.

Ich bin fertig mit der Welt. Am liebsten würde ich die Rasierklinge nehmen und damit Felix die Kehle durchtrennen. Dieses Stück Scheiße. Der ist krank. So richtig krank. Meine Beziehung mit Vic nimmt sowieso nicht den einfachsten Weg, sondern so einen verfickt verschlungenen Pfad, der mich an die Grenzen meiner Zurechnungsfähigkeit treibt.
 

Mein Mundwinkel zuckt unaufhörlich. Der Papierkorb liegt zerbrochen vor mir auf dem Asphalt.

Es reicht nicht.
 

20. Juni - Ein Rätsel lösen
 

Ich hasse Luftmatratzen. Nur mein geficktes Leben hasse ich noch mehr. Deswegen ertrage ich ersteres auch artig. Ich sollte froh sein, dass ich hier sein kann. Verdammt froh.

Trotzdem kann ich nicht pennen. Wälze mich hin und her. Bemerke jede Bewegung Tims. Frage mich, ob er schläft.

"Tim?"

"Mh." Tim schläft wohl nicht.

"Kann nicht pennen. Ungemütlich. Und in meinem Kopf ey..."

Schweigen.

"Könntest ja zu mir kommen."

Im zurechnungsfähigen Zustand hätte ich Tim eins vor den Latz gehauen, aber mir geht es schlecht und kann nicht mehr aufhören, Vic und Felix mental zu töten. Morgen früh wird mir auch das Kreuz wehtun.

Also…
 

Ist das schön. So warm. So gemütlich. Ich vergesse alles. Ich vergesse sogar, dass Tim und ich schon nackt nebeneinander lagen. Ist wurscht.

"Mal mich nicht an", warne ich den anderen, dessen Hand auf meinem Rücken liegt. Nichts im Gegensatz zu meinem Kopf auf seiner Brust. Tim sollte sich als Kissen bewerben. Bei mir.

"Nur nicht, wenn du mein Rätsel lösen kannst."

Och man. Bin ich bei der Sphinx?

"Was ist weich und kuschelig und liegt gerade in meinem Bett?"

"Ich."

"Nein. Der Jascha-Teddy."

Tatsache, der Kumpel liegt oben am Kopfende.

Wieder ein Dreier. Gute Nacht.
 

21. Juni - Sonnenschein
 

Boah, man!

Im Raum herrscht noch finstere Nacht, aber das hindert mein Handy nicht daran, sich lautstark zu melden. In diesen Momenten hasse ich sogar meinen Lieblingssong von Die Antwoord, den ich zu meinem Klingelton auserkoren habe. Ich sollte ihn ändern, sonst kann Tim bald alleine nach London fliegen.

"Ja", plärre ich ungehalten in das Gerät, merke, wie Tim neben mir ebenfalls munter wird.

"Jascha..."

Behände saust mein Daumen auf das rote Hörersymbol hernieder. Meine Laune bewegt sich nun erst recht im Minusbereich.

"Wer war das?", erkundigt sich Tim. Wie verschlafen er aussieht. Und wie zerzaust. Wäre mir gerade zum Lachen, hätte ich genau das getan. Aber ich kann nur seufzen. Tief und sehr nachdenklich klingend.

"Wer wohl."

Nun seufzt auch Tim. Langsam könnte er mal aufhören, mir auf die Pelle zu rücken. Ich bin ohnehin gerade so anschmiegsam wie ein Backstein in meinem Zorn. Grrr...

"Schalt dein Handy einfach für 'n paar Tage aus", meint Tim. "Ich hab keinen Bock, dich wieder irgendwo von der Straße aufzulesen inmitten irgendwelches kaputten Stadteigentums, weil du Doomsday feierst. Chill einfach mal. Die können dich am Arsch lecken."

Recht hat er.

Wenn ich bedenke, dass so was wie Vic mal mein Sonnenschein war...
 

22. Juni - Unverbesserlich
 

Das mit Vic war einmal. Und mir ist es heute richtig egal. Um meinen Schlussstrich zu markieren, setze ich mich vor meinen Laptop. Das Profil auf dieser verdammten Seite soll gelöscht werden. Damit fing der Ärger schließlich an.

Mit einem Klick ist alles weg. Erleichterung. Ich weiß schon, warum ich soziale Netzwerke verabscheue. Sie verkuppeln dich mit Menschen, die nicht zu dir passen und sich ins Fäustchen lachen, wenn du auf ihre perversen Spielchen reinfällst. Man sagt nicht umsonst, dass sich im Internet jede Menge Betrüger herumtreiben. Und ich bin der Allerletzte, der sich betrügen lässt. Wenn du mein Herz fickst, dann wird es dich teuer zu stehen kommen.

Der Schlussstrich ist so allerdings nicht komplett. Obwohl es mir schwer fällt, verbanne ich Vics Bilder von meiner Festplatte. Somit hätte ich auch fast Tims Nacktbilder gelöscht. Nee, die behalte ich. Und so wie ich mir eines davon in der Großansicht anschaue, muss ich feststellen, dass Tim gar nicht so beschissen aussieht. Eigentlich ist er Durchschnitt, mit Ottonormalkörper.

Ich schmunzle. Heiß ist anders, aber mein PC wird es überleben, wenn ich die Erpressungsbilder drauflasse. Vielleicht brauche ich die für den nächsten 1. April. Man kann nie wissen.

Ich bin echt unverbesserlich.
 

23. Juni - Hintergründe
 

Tim und seine Mutter liefern sich ein heißes Wortgefecht. Selbst im Badezimmer kann ich meinen Namen fallen hören.

"Gibts Stress?", erkundige ich mich später bei Tim.

"Ach. Du weißt doch, wie Mom ist."

In der Tat. Sie hat ihren Sohn in die Flucht geschlagen, weil sie eine Abneigung gegen Schwulitäten hegt. Auch in diesem Falle ging es um das altbekannte Thema. Ich frage mich in stillen Momenten ernsthaft, was zwei Männer, die miteinander Sex haben so mysteriöses für Uneingeweihte innehaben. Ich kanns nicht kapieren.

"Nur, weil sie uns zusammen im Bett gesehen hat, macht sie einen Aufriss. Nervt ab, Mann."

"Dann wärs vielleicht besser, ich würd wieder bei meiner Herrin um Asyl..."

"Nee, nee. Du bleibst bei mir."

Oh, dem Herrn scheint viel daran zu liegen, dass ich sein Bett vorwärme. Sonst wäre er mir nicht so impulsiv ins Wort gefallen. Man sieht ihm allerdings an, dass er sich für seine leidenschaftliche Reaktion schämt. Rote Bäckchen leuchten mir entgegen. Aw.

Irgendwie glaube ich jedoch, das Ganze hat andere Hintergründe. Ein warmes Bett ist zwar schön, jedoch spüre ich, dass da etwas im Busch ist.

Ob der immer noch an unser Doktor-Sommer-Gespräch denkt und irgendwann erneut mit der Fickfrage herausrückt?

Gruselig.
 

24. Juni - Häppchenweise
 

"Man kennt doch diese Statuen von der Osterinsel. So sieht sein Gesicht aus. Voll bescheuert, Alter. Wie kann man sich das reinziehen? Absolutes Hässlon."

Tim braucht gar nicht so betreten zu gucken. Er ist selbst schuld, dass er pornografisches Material in seinem Zimmer bunkert. Schwulenpornografisches. Auch wenn ich meine Finger kreuze, wenn ich so ein Filmchen entdecke, so kann ich nicht immer weggucken. Es ist wie ein Unfall; eklig, aber faszinierend. Ein Unfall ist der Typ hier wirklich. Klar, nur hässliche Leute machen so nen Job. Aber muss man das als Käufer unterstützen?

"‘Analritter 2 - heute wird eingedost‘ - ist nicht dein Ernst, Alter?"

Umso länger ich darüber nachdenke, desto schlimmer muss ich lachen. Derjenige, der sich die Pornotitel ausdenkt, muss ein kreativer und sexuell verzweifelter Mensch sein.

Tim kann man getrost dazu zählen. Der fantasiert auch den ganzen Tag über solche Sachen.

"Kann halt nicht jeder so makellos schön sein wie du."

Recht hat er. Aber irgendwie höre ich das mit gemischten Gefühlen aus seinem Mund.

Die offensive Art alá 'Willste ficken?' hat bei mir nicht gezogen, also versucht er mich häppchenweise weichzukochen. Denkt wohl, ich raffs nicht.
 

Tim will bei mir eindosen. Er ist der Analritter 1.
 

25. Juni - Komik
 

London rückt immer näher. Ich kann das Konzert schon förmlich hören und sehen. Oh Mann. Das ist wie Weihnachten früher. Und weil ich mich so sehr freue und mir meine heile Welt bewahren möchte, spreche ich Tim nicht auf seine augenscheinlichen Absichten mir gegenüber an. Ich verdränge sie so gut, dass ich sogar weiterhin das Bett mit meinem Kumpel teile.

Manchmal wache ich mit meinem bärigen Namensvetter im Arm auf. Aber ich trage nie einen Eddingbart oder muss feststellen, dass meine Unterhosen flüchtig geworden sind. Gut so. Tim soll sich zusammenreißen. Nur leider kann er das nicht immer. Heute Morgen musste ich eine recht gewöhnungsbedürftige Entdeckung machen. Und um ehrlich zu sein tut mir noch jetzt der Bauch weh.
 

Tim hat sich einen runtergeholt, als er dachte, ich schlafe. Auf seinem Laptop lief der Analritter-Porno. Tim trug Kopfhörer, sodass ich nicht hören konnte, wie die Kerle stöhnten, aber ich konnte alles sehen. Und das genügte. Irgendwann wurde das Gesicht des Osterinsel-Mannes im Großformat gezeigt, kurz bevor er abspritzte. In dem Moment konnte ich mich nicht mehr beherrschen. Ich musste so schlimm lachen, dass ich Angst hatte, zu sterben oder so.

Tim nimmt mir das übel.
 

"Du wichst zu Comedy!", wiehere ich noch immer und klatsche Tim übermütig mit der flachen Hand auf den Bauch. "Cindy aus Marzahn soll auch sehr empfehlenswert sein, wenn man es mal wieder nötig hat."

Tim schaut, als wolle er mich töten.

"Aber du fährst trotzdem noch mit mir nach London. Oder?"

Schweigen. Grabesblick.

"Ich schick Felix."

"Und ich töte deinen Teddy."

Aber dann haben wir uns wieder ganz doll lieb und schwärmen gemeinsam von den gruseligen Musikvideos unserer Lieblingsband.

Tim würde mich niemals diesem sich aufschneidenden und Vic an den Hals werfenden Etwas überlassen. Das weiß ich. Bei Tim hab ich einen Stein im Brett.
 

26. Juni - Ironie des Schicksals
 

"Ey, guck mal."

Ich gucke tatsächlich. Direkt auf den Bildschirm von Tims Laptop. Allerdings schmeichelt dieses Mal kein Osterinsel-Mann meinen Augen, sondern Vic. Vic wie er leibt und lebt.

"Alter, was interessierst du dich für den?", fahre ich Tim an, dieser lässt sich jedoch von meiner Reaktion nicht aus der Ruhe bringen. Viel mehr glotzt er weiter in seine Kiste hinein und reißt die Augen sehr weit auf.

"Hast dus nicht gelesen? Vic fährt auch nach London zum Konzert."

"Was?"

Meine Blicke scannen die Statusmeldungen auf Vics Profil. Tatsache. Dort steht es Schwarz auf Weiß.

"Na prima!", ironisiere ich ganz aufgeregt. "Es ist ja bestimmt nicht so, dass er die Karten erst seit heute hat. Aber mich mal fragen, ob ich mit ihm gehe...nee, um Gottes Willen. Man sieht an solchen Sachen, dass er ein Idiot ist. Hübsche Fresse, aber scheiß Charakter."

Ich rede mich so richtig in Rage. Tim wirkt ziemlich hilflos.

"Hoffentlich sehen wir den dort nicht. Sonst ist mein ganzer Tag versaut."

"Ach", winkt Tim ab. "Der wird dir am Arsch vorbeigehen. Und jetzt lass uns schon mal packen."

"Mh."

Ich hoffe, dass Tim Recht behält. Mein Schicksal ist in letzter Zeit einfach nur eine miese Bitch.
 

27. Juni - Jemanden enttäuschen
 

London ist ein Traum. Der Scheiß der letzten Tage liegt weit hinter mir, als ich die Lichter der Stadt sehe. Ich dachte, Berlin ist riesig, aber was hier abgeht ist die Wucht. Unser Hotelzimmer ist schon klasse, doch als wir uns ins Nachtleben stürzen, um uns selbst willkommen zu heißen, bleibt mir die Spucke weg.

Ich sehe, dass auch Tims Augen funkeln. Und auf meinem Gesicht breitet sich ein freudiges Grinsen aus.

"Gehn wir rein?", frage ich und deute mit dem Kinn auf den Eingang eines geil aussehenden Schuppens. Eine heiße Mädelsgruppe schob sich gerade hinein. "Am liebsten würd ich heute Nacht ne Schnecke klarmachen.“

"Ich auch", stimmt Tim zu. Doch die erwartete Euphorie in seiner Stimme bleibt aus.

"Ey, haste Schiss, dass die heißen Engländerinnen alle mit mir durchbrennen?"

Das sollte ein Scherz sein.

"Wenn du willst, kannst du doch jede haben...und jeden. Gegen dich kann ich nicht anstinken."

"Ach, was denkst du denn?", schüttle ich den Kopf und klatsche Tim mit der flachen Hand kameradschaftlich auf den Rücken. "Ich teile mit dir natürlich brüderlich. Wirst sehen, ich werd dich nicht enttäuschen."

Über Tims Gesicht zuckt ein Lächeln. So soll es sein.

Sie kann beginnen, die Nacht unseres Lebens.
 

28. Juni - Küss mich
 

Ich brauche kein Gras. Keinen Alkohol. Die Geschehnisse der gestrigen Nacht genügen mir, um das Prickeln in meinem gesamten Körper zu spüren. Der ungezwungene, unverbindliche Sex tat mir so gut. Und auch Tim ist viel relaxter. Ich beschließe, mich nie mehr fest zu binden und nur noch meine Freiheit zu leben. Die grenzenlose Freiheit, die sich mir bietet, als die Lichter ausgehen und das Konzert beginnt. Wenn etwas noch besser als Sex ist, dann ist es dieser Moment. Und all die nachfolgenden.

Elektrisiert bin ich. Mir geht die Pumpe. In mir kribbelt es. Vorfreude. Adrenalin.

Und dann stehen sie vor mir. Meine Helden, meine Götter, mein Ein und Alles! Gänsehaut, überall. Ich kann mich selbst so intensiv wie nie zuvor spüren. Jeden Muskel. Jedes Härchen, das sich auf meinem Körper aufstellt. Den Orgasmus in meinem Magen.

Wir feiern so hart. Liegen uns in den Armen. Halten uns an den Händen. Grölen jede Zeile mit, scheißen darauf, dass wir kein Afrikaans sprechen. Wir sind eins mit der ganzen Welt. Mit der Musik. Mit den anderen Menschen in dieser Halle. Und ganz besonders Tim und ich verschmelzen miteinander. Seelisch sind wir uns so nah, dass es mich fast umhaut. Auch nach dem Konzert ebbt dieses unsichtbare Band nicht ab. Wir stehen uns einfach gegenüber und blicken uns wie bekifft grinsend in die Augen.

"Das hab ich nur dir zu verdanken", kommt es mir rauer Stimme von mir. "Danke. Danke. Danke. Du bist so geil."

Nur ein Kuss kann dem, was ich heute fühle, Ausdruck verleihen. Nur ein leidenschaftlicher Kuss, der unsere Verbundenheit besiegeln und den Endorphinrausch vertiefen soll.

Ich falle in ein tiefes Loch. Kann das alles kaum mehr kompensieren. Packe Tim und presse ihn an die Bar. Mache weiter. Reagiere mich an ihm ab. Will ihn spüren.

Er ist so geil.
 

29. Juni - Lampe
 

Es war strange, was gestern abging. Extrem strange.

Ich bin noch immer geflasht von dem Konzert und all den irren Gefühlen, die mich überfielen, und ich glaube, Tim geht es nicht anders. Den ganzen Tag schon liegt er im Bett und seufzt ab und zu. Ob er einfach nur fertig ist?

Ja, der Kuss. Was hab ich da gemacht? Ich hab Tim abgeknutscht und möchte nicht wissen, wie weit ich gegangen wär, hätten wir uns im Hotelzimmer befunden und nicht in der Öffentlichkeit. Dabei war der Kuss im Nachhinein betrachtet irgendwie widerlich.

"Ich gieß mir einen auf die Lampe", murmle ich und mache eine Flasche Bier auf. "Willste auch eins?"

Tim ist selbst um nach der Flasche zu greifen zu alt und zu schwach. Leider haben wir keine Schnabeltasse.

"Wasn los? Wirste krank?"

"Nee."

"Ein Glück, sonst hättest du deine Viren gestern mit mir geteilt."

"Mh."

"Boah, deine Lethargie nervt."

Tim nippt an seiner Flasche. Schweigt. Und er ist blass. Holy shit.

Ich ahne was.

Vielleicht bin ich für Tim sogar mehr als nur das favorisierte Fickopfer. Gott, nee.

Ob der in mich verschossen ist und wie ein Hund leidet, weil ich ihm mit dem Kuss falsche Hoffnungen gemacht habe?
 

30. Juni - 5 Minuten Pause
 

Ich habe Vic gesehen. Am Flughafen. Vic und Felix.

Zum Glück haben die beiden auch von Tim und mir Notiz genommen. Im Grunde würde ich mich freuen, wenn sie denken, mit Tim liefe was. Aber Tim nochmal abzuknutschen, um ihnen eine Racheshow zu bieten, kann ich nicht bringen. Außerdem ist das kindisch.
 

"Ey, Mann, jetzt lach."

Doch Tim lacht nicht. Wenn er so weiter macht, muss ich ihn wirklich auf meinen Verdacht ansprechen. Und dies wollte ich vermeiden; erstens, weil es peinlich ist und zweitens weil ich hoffe, Tims Fimmel vergeht wieder, wenn ich ihn ignoriere.

Ich presse meine Zeigefinger an Tims Mundwinkel und ziehe sie weit auseinander. Herrlich, wie er grinst! Wenigstens ich habe meinen Spaß. Schließlich muss ich schon wieder an Vic denken und daran, dass der Ritzejunge nun diesen schönen Arsch sein Eigen nennt.

Im Grunde geht mein Leben schon wieder weiter. Die paar Tage Auszeit fühlen sich an wie gerade mal fünf Minuten Pause von der Realität.

Das Schlimme ist, dass ich nun nicht mal mehr einen Tim habe, der mich aufmuntern kann. Er hadert selbst mit sich und seiner Welt.

Ich quatsche echt nicht gern irgendwelche Probleme tot, aber wir haben dringend etwas zu klären.

Juli 2013

1. Juli - Drei kleine Worte
 

Tim ist krebsrot. Im Prinzip kann er aufhören, seine Unschuld zu beteuern. Ich weiß auch so, dass er sich in mich verguckt hat. Ach du Scheiße!

Ich raufe mir die Haare. Wahrscheinlich sieht es nun ganz so aus, als würde jetzt die Welt untergehen. Ja, irgendwie tut sie das auch. Ich werde Tim in Zukunft mit ganz anderen Augen sehen. Wie ungezwungen die Zeit war, in der wir bloße Kumpels waren und Tim noch keine Absichten mir gegenüber hegte. Ich werde sie vermissen.

Mein Blick schweift in die Ferne. Ich kann Tim gerade nicht ansehen. Deswegen starre ich aus dem Fenster, wo die Natur so unschuldig und ahnungslos den Sommer zelebriert.

"Ich hab dich ja gern", werfe ich irgendwann zusammenhanglos in den Raum. "Aber so krass wie du...nee, so krass ist es bei mir nicht."

Die Wahrheit wird Tim nicht gefallen. Aber es ist nun mal so. Tim ist mein Kumpel. Die Vorstellung, dass zwischen uns mehr wäre...undenkbar.

Ich drehe mich um. Lasse meinen Blick flüchtig über den krumm auf dem Bett sitzenden Tim schweifen.

"Tut mir leid", murmle ich. Und ich meine es so. Irgendwie tut er mir verdammt leid. So Liebeszeugs tut immer weh. Wenn auch nicht gleich am Anfang, aber irgendwann.

Bah, am liebsten würde ich mich mit dieser Materie gar nicht mehr abgeben. Ich bin jung, ich will mein Leben genießen. Mich fürs nichts entschuldigen. Schon gar nicht für die nicht vorhandenen Gefühle für meinen besten Kumpel.

Der hat es sich doch sicher auch nicht ausgesucht, dass er ganz gaga wird, wenn er mich sieht.

Nee.

Es ist unfassbar. Ausgerechnet Tim. Tim ist doch gar nicht der Typ dafür. Dass der sowas wie Liebe kennt, kann ich fast nicht glauben. Vielleicht wacht er morgen tatsächlich auf und merkt, dass da gar nichts ist.

Ich hoffe es.
 

2. Juli - Schneeweiß
 

Tim scheint noch immer nicht normal in der Birne zu sein. Ich hab gesehen, wie er mich heute Morgen ganz verklärt angeschaut hat. Warum musste es nur so weit kommen?
 

"Was machst du da?"

"Packen. Ich verpiss mich."

"Was? Nee, musst du nicht. Mit Mom und so, das regel ich schon und..."

Ich drehe mich zu ihm um. Sehe ihn fest an. Kann er sich denn nicht denken, wieso es das Beste für uns und besonders für ihn ist, wenn wir uns nicht ständig auf der Pelle hängen?

"Ey, erzähl mir nicht, dass du so masochistisch veranlagt bist, wie du gerade tust", sage ich. Tim guckt schon längst nicht mehr in mein Gesicht.

Ich hasse, wie sich das alles entwickelt hat. Zwischen uns liegt so ein Klirren. Kalt, zerbrechlich und nur für diejenigen hörbar, die nah genug daneben stehen.

Es ist furchtbar, wie sich Tims Gesichtsfarbe ständig von knallrot zu schneeweiß ändert. Gerade ist er wieder ziemlich blass. Am liebsten würde ich ihm sagen, dass er die Scheiße einfach lassen und mir lieber wieder Eddingbärte malen soll. So viele er möchte.

"Ich komm derweil bei meiner Mutter unter", erkläre ich ruhig und kann den Impuls nicht unterdrücken, meine Hände auf Tims Schultern zu legen. Da, das Klirren ist wieder da. Und in Tims Augen liegt so etwas Unidentifizierbares. Etwas, das ich ihm am liebsten austreiben will.

"Bleib...", murmelt er fast schon etwas verzweifelt, aber ich schüttle nur den Kopf.

"Das tut dir nur weh. So scheiße bin ich dann doch nicht."
 

Und ich gehe. Muss ich eben wieder bei meiner Herrin auf der Matte stehen. Soll sie doch denken, was sie will. Ich habe ohnehin nicht vor, ewig bei ihr zuzubringen.

Ich brauche endlich was Eigenes.

Und vor allen Dingen brauche ich Abstand. Zu all diesen verschrobenen und kopfgefickten Menschen.
 

3. Juli - Schlüsselloch
 

Vic hat dreimal versucht, mich via Handy zu erreichen. Leider fehlgeschlagen. Ich möchte mein Vorhaben gern umsetzen und eine Weile für mich sein. Doch dies ist gar nicht so einfach.
 

Ausgerechnet heute hat Mom ihren Freundinnennachmittag und ich würde am liebsten Fuchs in diesem Hühnerhaufen spielen. So ein Ding kann ich mir allerdings nicht leisten. Weil ich aber nichts anderes zu tun habe als auf meinem Bett zu liegen und an Tims verkorkstes Dasein zu denken, pirsche ich mich an meine Tür.

Neugierig blinzle ich durchs Schlüsselloch. Mamas Freundinnen sind teilweise echt scharf. Besonders die Blonde. Wie hieß die gleich? Egal. Aber ich würde sie gern mal auschecken. Deswegen schließe ich meinen Bunker kurzerhand auf und stolziere wie ein Hahn in das Wohnzimmer; natürlich charmant lächelnd und nett grüßend.

Mom passt das offenbar nicht, aber die Blonde macht keinen komplett uninteressierten Eindruck. Mh. Vielleicht sollte ich echt versuchen, sie klarzumachen. Verdient hätte ich es mir ja nach dem Ärger mit Vic. So ein kleines Abenteuer…

Reifere Frauen stehen auf knackige, junge Burschen wie mich. Und ich stehe auf fette Titten. Nun weiß ich auch, was mir bei Vic gefehlt hat.

Wahrscheinlich ist es echt gut so, wie es gekommen ist.
 

4. Juli - Ein Leben verändern
 

Schön für Flori. Ganz schön. Ich habe nämlich gerade via Buschfunk erfahren, dass er mal wieder eine Braut am Start hat. Eigentlich wird das ja auch Zeit, der toppt ja sonst noch mich mit seiner Zeit als Single. Die Hand ist eben nicht immer gut genug. Mir reicht sie allerdings. Jedenfalls vorläufig. Wenn Charlotte - die heiße Blondinen-Freundin meiner Mutter - mir jetzt jedes Mal so schöne Augen macht, dann kann ich meine Meinung auch ganz schnell zu Gunsten einer kleinen Affäre ändern. Aber warten wir es ab. Der Buschfunk flüsterte mir nämlich auch noch etwas von einem neuen Höhepunkt in meinem Leben. Flori schmeißt zur Feier seines unter die Haube gekommenen Ichs eine Party am Samstag. Natürlich bin ich da dabei. Spaß tanken kommt bei mir immer gut und wer weiß: Vielleicht verändert ja so ein Tag mein ganzes Leben. Rückt es wieder gerade.

Ich hätte Flori sagen sollen, dass er Tim, falls dieser erscheinen sollte, mit Alkohol das Gehirn durchspülen soll. Einen Schwung in die Ohren füllen und dann kräftig schütteln. Wie einen Shake. Okay, im Zweifelsfall übernehme ich das auch höchstpersönlich. Ist ja schließlich in meinem Interesse.

Ich hab ja Tim an die Seite des Bösen verloren.
 

5. Juli - Du hast versagt
 

Das war nur ein Traum. Träume kann man nicht beeinflussen. Es ist also nicht deine Schuld. Trotzdem fühle ich mich, nachdem ich mit einer feuchten Hose aufgewacht bin, total scheiße. Wie konnte mir mein Unterbewusstsein das antun?

Zunächst ging es gut los. Ich betrat einen Club, in dem sich Charlotte befand. Ich bekam sie so weit, dass sie mit mir ins Hotel ging und dann war das Unvermeidliche nicht mehr weit. Sie packte ihre Titten aus und mir ging bereits da einer ab. Es dauerte nicht lang, bis wir schließlich richtig vögelten, es war höllisch geil. Doch plötzlich verwandelte sich Charlotte in Tim. Ja, ohne Mist. Ich vögelte also Tim. Und ich konnte nicht aufhören. Irgendwie fand ich es extrem scharf, muss ich sagen. Vielleicht, weil es ein absolutes No-Go ist. Verbotene Dinge törnen einen meist so richtig an.

Wie gesagt, dann bin ich mit nasser Hose aufgewacht. Und mit einem schlechten Gewissen. Das mit Tim wird immer schlimmer. Der macht mich ganz kirre im Kopf. Am liebsten würde ich ihn gar nicht mehr sehen, aber dann vermisse ich ihn irgendwie.

Boah ey. Ich merke schon, ich versage bei meinen guten Vorsätzen. Allen aus dem Weg gehen und so. Pah.
 

6. Juli - Schuld und Sühne
 

Come on, Barbie, let's go, party. Dieses schwule Liedchen könnte ich fröhlich trällern. Theoretisch. Wenn nicht Vic in der Tür stehen würde.

Ich schlug bereits die Hände über dem Kopf zusammen, als ich erfuhr, wer Floris neue Freundin ist. Nämlich Andie. Wir erinnern uns, das ist die Kumpeline von Vic, mit dem sie einen auf Lesbe gemacht hat. Ob das eine gute Wahl ist für Flori? Wenn er auch auf Lesben steht, dann vielleicht.
 

Ich darf mich also mit Vic abgeben. Und Vic nutzt die Gelegenheit aus. Labert mich zu.

"Wegen ein bisschen Sex ist doch nicht gleich alles vorbei, Mann!", fleht er. "Sex ist doch...nichts. Jascha, du bist mir wichtig. Felix ist doch nur ein Kumpel. Wenn du jetzt denkst, ich sei mit dem zusammen: Nee, bin ich nicht. Mit Felix kannst du eh nicht zusammen sein. Der liebt jede Woche einen anderen."

Vic soll aufhören. Ich will keinen Klotz am Bein mehr.

Oh, da ist Tim. War der beim Friseur? Er trägt Seitenscheitel und hat bis auf das Deckhaar alles auf drei Millimeter getrimmt.

Er sieht schwul aus. Übelst. Aber es steht ihm.

Irgendwann steht er neben mir an der Küchentheke. Vic aber denkt noch immer nicht daran, sich zu verpissen. Deswegen bin ich so verzweifelt, dass ich etwas Böses tue.

"Vergiss es, Vic. Ich bin jetzt mit Tim zusammen."

Das dürfte reichen. Tatsache. Vic guckt blöd und verzieht sich dann. Aber er ist nicht der Einzige, der mich anguckt, als hätte ich angekündigt, im Alexa Amok zu laufen.

"Tut mir leid, dass ich dir so ins Herz latschen musste", entschuldige ich mich bei Tim. "Ich machs wieder gut, Alter. Sag mir einfach, was du dafür willst. Ich würd das Spiel nämlich theoretisch gern weiterspielen."

In Tims Kopf rattert es. Dann schmunzelt er mich an.

Keine gute Idee.
 

7. Juli - Langsam
 

Langsam.

Er ist so scheiße langsam!

Meine Hände krallen sich in das Bettlaken. Ich spüre, wie ein Stöhnen aus mir entweichen möchte. Doch ich unterdrücke es.

Kribbeln. Oh verdammt. Warum nur? Ich wage es kaum, an mir hinabzublicken. Denn dort lauern Tims Augen, ihr elektrisierter Ausdruck.

Das passt nicht. Es passt hinten und vorne nicht. Mein Schwanz gehört einfach nicht in diesen Mund und doch ist es so wie in meinem Traum. Und besser. Viel besser. Tim hat es drauf, ohne Mist. Seine Lippen können zaubern. Genau wie seine Zunge. Und wie diese kleine Strähne über sein rechtes Auge fällt. Wie er mich mustert. Lauernd auf eine Reaktion meinerseits. Gierig. Er will sehen, dass er es schafft, mich um den Verstand zu bringen. Doch ich habe eine zu große Selbstbeherrschung. Unterdrücke den Drang, zu Keuchen.

Es war sein Wunsch. Und meine Sühne. Doch verdammt, er wird sich danach extrem quälen. Auch wenn Tim gerade ganze Überzeugungsarbeit leistet und mich verwöhnt, als gäbe es keinen Morgen, so werde ich trotzdem nicht mit ihm zusammen sein. Tim will schließlich mehr als ficken. Tim will mein bescheuertes Herz. Auch wenn er es nie direkt gesagt hat.
 

Langsam lutscht er mich. Mein Körper zuckt. Es kribbelt. In mir wächst die Ungeduld zu einem dicken, festen Klumpen heran. Lust macht aggressiv. Und Tim beschwört dies geradezu herauf.

"Mach, Mann!", fahre ich ihn an. Dieser wird wieder schneller. Immer schneller und schneller. Ich vergesse mich komplett. Raste aus. Die Sau will das so. Fuck die Wand an!

Trotzdem kann ich das fiese Grinsen auf Tims Gesicht sehen. Dafür würde ich ihm am liebsten die Hosen runterziehen und ihm mächtig eine auf den Arsch hauen. Doch darauf steht das kleine Biest bestimmt. Pah, und wenn schon. Tim schluckt, und schluckende Sexpartner dürfen sich schon mal was erlauben.
 

8. Juli - Weißer Gartenzaun
 

"Kommst du morgen mit an die Spree, ne Runde baden?"

Recht hat Moo ja. Baden tut uns bei der brütenden Hitze bestimmt allen gut. Mein wirrer Schädel braucht ohnehin mal eine Abkühlung. Das gestern war mir alles ein wenig viel. Ich bin immer noch ganz fertig.

"Kommt Tim auch?"

"Wieso?"

"Nur so."

Ehrlich gesagt glaube ich kaum, dass ich ihm noch unter die Augen treten kann. Wie soll ich mich verhalten? Unsere ganze Kumpelbasis fährt gerade richtig gegen den Baum. Besser gesagt, sie ist bereits gegen den Baum gefahren. Und wir sind beide schuld daran. Ich brauche Ablenkung. Egal in welcher Form.

"Okay, bin dabei."

"Cool."

Ablenkung Nummero eins. Nummero zwei wartet ebenfalls schon. Ich sehe sie an unserem weißen Gartenzaun stehen. Nice. Nur schade, dass Mom nicht da ist. Da muss ich mich wohl um Charlotte kümmern, in der Hoffnung, sie verwandelt sich während des Verkehrs nicht tatsächlich in Tim.
 

Wie sie lächelt. Mh. Das wird was, hundertpro. Die fährt auf mich ab. Wer tut das auch nicht?

"Komm ruhig rein", nicke ich ihr zu, was sie sich nicht zweimal sagen lässt. "Ich darf dich doch duzen?"

"Klar", antwortet sie.

Sehr schön. Mach was aus eurer trauten Zweisamkeit, Jascha.
 

9. Juli - Einschränkung
 

"Vollpanne, ich sags dir. Alter, die Braut war dominant wie...was weiß ich. Sowas kann ich überhaupt nicht ab."

Die Sonne scheint mir nicht unbedingt aus dem Arsch, aber auf den Bauch. Und wider meine Erwartungen kann ich Tim noch ins Gesicht gucken. Er ist es auch, bei dem ich mich wegen Charlotte ausheule. Vielleicht ist er nicht der richtige Ansprechpartner, aber momentan ist niemand anderes hier, den ich zuschwallen könnte.

Tim sagt nichts. Sein Blick schweift in die Ferne. Wahrscheinlich wagt er es nicht, meinen nackten Oberkörper unverhohlen anzustarren und dabei einen Ständer zu bekommen. Wahrscheinlich hätte ich ihn heute nicht mal dafür gekillt. Vielleicht würde ich ihn auch generell nicht dafür umbringen. Wo er doch nichts dafür kann. Sich immer einzuschränken macht nur krank.

"Hast kein Glück in der Liebe, wa?"

"Mh."

"Ich ja auch nicht."

Und Alter, der Kunde tut mir so verdammt leid. Denn ich bin sein verdammtes Glück. Ich allein habe sein Scheißglück in der Hand. Und anstatt es ihm zu geben, balle ich eine Faust und mache es kaputt.

Wenn ich nur könnte, würde ich es ihm hinreichen. Mich ihm schenken.

Man, er ist mein Kumpel. Und genau das ist der Haken an der Sache.
 

10. Juli - Schritt für Schritt
 

Wohnungssuche gleicht echt der Suche nach dem Ende des Regenbogens. Besonders hier in Berlin. In kleinen Kaffs gestaltet sich dies sicher nicht so schwierig. Aber hier werden regelrechte Castings veranstaltet, weil der Andrang so groß ist. Klar, dass ich da abkacke, wenn der Makler eine Kostprobe meiner Gesangskünste verlangt. Peinlich zu erwähnen, dass ich noch nicht mal 'Hänschen klein' singen kann, ohne wie ein Besoffener zu klingen. Ich bin dafür echt nicht geboren. Ich bin ein Talent im Nichtstun und im schön aussehen, aber wenn das nicht genügt, dann kann ich es auch nicht ändern. Ist sowieso affig und für den Arsch, dieses Theater um eine läppische Wohnung. Ich suche schließlich keinen Palast oder so.

Also weiterhin im Hotel Mama abkacken. Ich habe meiner alten Herrin ja versprochen, dass ich mich benehmen werde. Kein Sex während ihrer Anwesenheit und keine Alkoholeskapaden. Brav bin ich. Viel zu brav. Das geht nicht. Das muss kompensiert werden. Und da ich eh gefrustet bin aufgrund meines erfolglosen Superstarcastings, betrete ich ein Tattoo- und Piercinggeschäft. Hier habe ich mir bereits mein Kreuz stechen lassen. Heute allerdings soll es sich um etwas ganz anderes handeln.

Schritt für Schritt verwandele ich mich in einen Rebellen. Hell yeah.
 

11. Juli - Was wäre wenn
 

Meine Clique hat beschlossen, bei dieser Hitze öfter in der Spree zu baden. Ist mir recht. Eigentlich. Denn heute wird mir wieder vor Augen geführt, wie klein die Welt ist.
 

"Man, Tim, das macht mich nervös, wenn du mich die ganze Zeit anguckst."

Auch wenn ich viel mehr mit dem Beobachten Vics beschäftigt bin, der heute nicht nur Felix sondern auch Dino im Schlepptau hat, so spüre ich doch Tims starrende Blicke auf mir.

"Ich kann nicht anders. Dein Piercing ist so geil."

Sollte ich es etwas bereuen, dass ich es mir stechen lassen habe? Wäre vielleicht ein Intimpiercing besser gewesen anstatt eines Labrets, ansässig in der Unterlippe? Das hätte niemand bemerkt.

"Geh doch mal baden, Mann", seufze ich und kann es mir nicht verkneifen, mit der Zunge an diesem ungewohnten Ring herumzuspielen, während ich feststelle, dass Vic nur eine Badehose trägt und er heute ein krasser Zwiespalt zwischen männlich und weiblich ist.

Plötzlich scheint er mich bemerkt zu haben. Scheiße. Dass ich schnell wegschaue, kann mich nicht mehr retten. Ich muss an meine Lüge denken. Tim und ich, ein Paar...Vic scheint das ja geschluckt zu haben.

"Ich will aber nicht baden", grummelt Tim und wird dann erschreckend ehrlich. "Viel lieber tät ich auch mal an deinem Piercing herumspielen...mit der Zunge."

Vic steht da hinten. Was wäre, wenn ich Tim einfach...hier und jetzt...

"Dann mach."

"Was?"

Ich schüttle ungläubig den Kopf. "Mach!"

Da er aber wie gelähmt ist, zerre ich den verdutzten Typen einfach zu mir herunter. Es dauert einen kleinen Moment, ehe sich unsere Lippen finden, aber dafür ist es ganz wahnsinnig. Alter, was mache ich hier? Was mache ich mit Tim? Scheiße, er soll aufhören, mich anzugrabschen. Schließlich bin ich ausgehungert und jede noch so kleine Berührung löst in mir alles Mögliche aus.

Die Situation entgleitet mir. Scheißdreck.
 

12. Juli - Stress
 

Moo und Flori haben gestern nichts bemerkt, hoffe ich. Mein Ständer war zwar nicht zu übersehen, aber den konnte ja theoretisch auch mein Kopfkino ausgelöst haben.

Ich bete zu Satan, dass es heute nicht wieder zu so einer pikanten Begebenheit zwischen mir und Tim kommt. Denn es gibt wahrscheinlich keinen einzigen Mann auf der Welt, der sich ewig beherrschen kann, wenn er an den richtigen Stellen gestreichelt wird.
 

Ich bin im Stress. Und das, weil ich doch ein Talent besitze: Ich kann kochen. Wie meine Kumpels davon Wind bekommen haben, ist mir schleierhaft, jedenfalls soll ich mich heute für sie in der Küche betätigen. Vielleicht sollte ich den Maklern vorschlagen, das perfekte Promidinner nachzustellen anstatt eines DSDS-Castings.

Okay, meine Spaghetti mit Tomatensoße würden wahrscheinlich keinen Blumentopf gewinnen. Aber für die drei Drecksäcke, die am Tisch sitzen und ein komisches Lied anstimmen, das sie mit ihrem Besteck instrumental begleiten, genügt es. Wie im Kindergarten komme ich mir vor.

"Hört auf jetzt!"

"Wir haaaaaben Hunger, Hunger, Hunger, haben Hunger, Hunger, Hunger..."

Boah. Wie die Vogelkinder im Nest, ey. Mami kommt ja gleich und bringt euch Würmer. Ja, Würmer hätten sie sich verdient. Leider habe ich keine zur Hand. Also werden doch die Nudeln aufgetischt.
 

Vermehrte 'Mhhs' gehen durch die Runde, dann wird angefangen zu schlemmen. Ich habe echt was Gutes gezaubert. Ohne Mist. Deswegen kann ich auch nicht verstehen, warum Moo und Flori auf einmal das Gesicht verziehen und husten. Öh.

"Die Pampe ist total versalzen, Alter. Bist du verliebt, oder was?"

"Was? Du hast doch ne Freundin, ich bin nur im Stress gewesen. Wegen euch."

Tze.

"Also mir schmeckts", mischt sich Tim ein und steckt sich eine Gabel voll von meinen Nudeln in den Mund. Tim mag eben meine Nudeln. Wissen wir ja bereits.

"Mir schmeckts auch", brumme ich.

Alles Kunstbanausen.
 

13. Juli - Auf meine Kosten
 

Den Samstag sollte man genießen. Ich kann das leider nicht. Der Vormittag war noch okay, aber dann war ich im Alexa und bin auf Tim gestoßen. Ich wollte ihm sogar hallo sagen, obwohl ich timfreie Tage schätze. Aber dann sah ich, dass er sich mit Felix unterhielt.

Was will der von diesem gestörten Viech, mit dem nicht mal Vic mehr machen möchte als es zu ficken? Vor allen Dingen, was kann man mit dem reden? Kiffen tut er gern, aber das wars auch. Ritzt sich Tim etwa? Und dann vielleicht noch wegen mir?

Irgendwann zieht Felix Leine und ich schnappe mir Tim, um ihn zur Rede zu stellen.

"Schneidest du dir etwa auch die Arme auf?"

"Hä, wie kommst‘n auf so nen Müll?"

"Na, was hat man denn sonst mit Felix gemein?"

Ich klinge angepisst. Natürlich bekommt Tim das in den falschen Hals.

"Bist du eifersüchtig?", raunt er und grinst von einem Ohr bis zum anderen. Gnah. Nun lacht er sogar. Müssen immer alle Späße auf meine Kosten machen? Ich weiß nicht mal, ob Tim das ernst meint. Vielleicht verhöhnt er mich nur.

"Red keinen Scheiß", werfe ich Tim an den Kopf. Doch sein Urteil scheint längst gefällt zu sein.
 

14. Juli - Alkohol
 

"Tiiim! Wo bleibt Allohooool?"

Wie lange fuhrwerkt dieser Typ in der Küche herum? Der verpasst das Beste des Films. Gerade wird der Arm des Hauptdarstellers abgetrennt.

"Tim!"

Da ich keinen Bock habe, zu verdursten, beschließe ich nach Tim zu schauen.
 

"Man, was machst du?"

Tatsächlich hatte ich befürchtet, Tim hätten seine Hormone übermannt und er stände wichsend in irgendeiner Ecke. Muss ich nicht haben. Wer weiß, was meine Hormone dazu gesagt hätten. In letzter Zeit bin ich ja nicht mehr wirklich zurechnungsfähig.

"Ich such noch", antwortet Tim, doch das kann er seiner Großmutter erzählen. Die Bierflaschen stehen längst auf der Küchentheke.

"Verarsch mich nicht", schnauze ich, schnappe mir das Gesöff und Tim am Arm. "Komm jetzt."

Wer jetzt zweideutig denkt, ist ein Schwein.

Doch Tim kommt ohnehin nicht. Er starrt mich an.

"Keine Angst, ich führ dich nicht auf die Schlachtbank."

Er starrt weiter.

Hat Tim etwa Angst vor diesem Film? Ich fass es ja nicht. Ist der eine Püppi.

"Ich beschütz dich auch vor den Monstern."

Das bewegt Tim endlich zum zögerlichen Laufen. Ich nehme schon einen Schluck aus der Bierflasche. Das mit dem Beschützen war eigentlich ironisch gemeint, Tim aber nimmt es sicher wörtlich. Und kuschelt mit mir.
 

15. Juli - Ein Wunder erleben
 

Köche unter sich. Schön, Dino wieder mal zu sehen. Anscheinend wohnt er noch immer in der W-Gay und scheint nicht einmal unglücklich darüber zu sein. Eher macht er sich wohl Sorgen um mich.

"Wie gehts so?", will er wissen.

"Ganz gut", antworte ich, zucke mit den Schultern. Ja, mir geht es tatsächlich gut. Der gestrige Abend war leider schön. Tim hat mir später noch seine Hand unter das Shirt geschoben und mich von unten mit einem Hundeblick angeguckt, der gleichzeitig mitteilte 'Sag ja nichts!'. Also ließ ich ihn machen. Auch, weil ich in diesem Augenblick die wonnige Gewissheit der Begierde Tims nach mir spürte. Hat mir echt den Kick gegeben.

"Hast's ja im Moment nicht leicht", redet Dino weiter. "Erst geht das mit Vic nicht lange, dann das mit Tim...das hat vielleicht paar Tage gehalten, so wie ich das mitbekommen habe..."

"Was? Hä? Was laberst du, Mann?"

"Na, Felix hat mir erzählt, er wäre jetzt mit Tim zusammen."

Für einen Augenblick scheint die Welt sich nicht weiter zu drehen. Ich stehe einfach nur da und stoße mit der Fußspitze gegen meine heruntergefallene Kinnlade.

Also doch.

Dieses...

Der wird sein blaues Wunder erleben.

Meine Fäuste zucken.

Der wird sich noch umgucken.
 

16. Juli - Puzzleteile
 

Es hat nicht geholfen, dass ich eine Nacht über diese Information geschlafen habe. Im Gegenteil. Im Traum habe ich Felix bereits über den Jordan geschickt. Aber erst am Nachmittag des Folgetages komme ich dazu, die W-Gay ein bisschen aufzumischen.

Ich stehe also einfach auf der Matte. Klingle brav und bekomme nach einer Weile von einem verwundert dreinblickenden Dino die Tür geöffnet. Aber ich dränge mich hektisch an ihm vorbei.

Und da sitzt es auch schon. Wie eh und je an seiner Mautstation. Das kleine, katzenartige Etwas. Mein Magen krampft sich zusammen. Meine Augen verengen sich zu Schlitzen. Und meine Mundwinkel zucken erregt.

Ich stehe neben dem Tisch. Abwartend. Beobachte ihn noch ein bisschen. Dann lege ich endlich los.

"Na?", gebe ich abfällig von mir. "Macht dir das eigentlich Spaß?"

Ein ängstliches Augenpaar starrt zu mir hinauf.

"Macht es dir Spaß, mir alles wegzunehmen?"

Er antwortet nicht. Letzte Station bis zum Bahnhof Rage. Dann explodiere ich vollkommen.

Packe ihn am Kragen seinen Kapuzenpullis. Ziehe ihn zu mir hoch. Ich genieße die Angst in seinem Blick. Er soll mich so richtig fürchten.

Wie durch einen Schleier kann ich Dino bemerken, der uns irgendwie zu trennen versucht. Aber da sitzt der erste Faustschlag schon. Direkt auf den Wangenknochen. Und noch einmal die andere Seite. Meine Knöchel schmerzen. Felix' Halsmuskeln leisten keinen Widerstand mehr. Lusche. Ich lasse das Bündel auf den Boden fallen. Spüre, wie Dino mich grob an sich drückt. Bemerke meinen heftigen Atem. Kann mich selbst kaum mehr kontrollieren. Jeder Muskel ist angespannt. Mein ganzer Körper vibriert. Wie ich dieses Vieh hasse. Verabscheue. Ekelhaft.

Dann reiße ich mich los. Stapfe mit großen Schritten zur Tür.

"Viel Spaß beim Zusammensetzen der schwarzen Puzzleteile", gebe ich noch von mir, ehe ich mich vor der Tür erst einmal von meinem Anfall erholen muss.

Oh fuck.
 

17. Juli - Handy
 

"Du, Felix liegt im Krankenhaus! Keine Ahnung, was passiert ist!"

Dafür hab ich umso mehr Ahnung, lieber Tim. Nur möchte ich dir nichts erzählen. Dein Liebling wird dir schon haarklein berichten, was der böse Jascha gemacht hat.

"Aha", murmle ich ins Handy.

"Ich fahr jetzt ins Krankenhaus", kündigt Tim an, fragt sogar, ob ich denn mitkommen wolle. Pah, aber natürlich. Nicht.

"Keine Zeit."

"Soll ich ihm einen schönen Gruß von dir sagen?"

Schöne Grüße von dem Typen, der dich dermaßen zusammengefickt hat, dass du nicht mal mehr aus einer Tasse trinken kannst. Würde mir gefallen. Doch andererseits würde ich Felix lieber aus meinem Leben verbannt wissen. Leider mischt er sich immer wieder ein und vergreift sich an den Dingen, die mir lieb und teuer sind. An den Menschen, die ich mag.

Ich möchte der sein, den Tim begehrt. Nur ich. Aber das hat sich nun sowieso. Eigentlich bin ich selbst schuld. Tim hat sich ewig die Zähne an mir ausgebissen. Klar, dass er sich irgendwann nach Alternativen umschaut.
 

"Sehen wir uns heute noch?"

"Denk nicht."

Bald wird er mich gar nicht mehr sehen wollen. Sobald er weiß, dass Felix wegen mir im Krankenhaus liegt, werde ich Geschichte für ihn sein.
 

18. Juli - Frühstück
 

Ich sitze beim Frühstück, als es klingelt. Am liebsten würde ich mich totstellen, aber Mom macht mir einen Strich durch die Rechnung. Mit genervten Formulierungen wie 'Um die Zeit' und Ähnlichem geht sie in den Flur. Hoffentlich ist es nur der Postbote. Doch natürlich ist er es nicht. Oder arbeitet Tim seit Neuestem bei der Post? Gelb angezogen ist er schon mal nicht. Alles klar. Er weiß alles. Sagt schon sein Blick.

"Kann ich mal kurz mit dir alleine reden?"

Oh, bestimmt werde ich nun zu Germany's Next Schnabeltassentrinker getrimmt. Aber bestimmt haut Tim wie eine Pussy.

Mit klopfendem Herzen folge ich ihm in den Flur. Als ich die Tür hinter mir geschlossen habe, steht er plötzlich dicht vor mir. Seine braunen Augen funkeln mich an.

"Das…das ist echt krass. Felix hat mich heute Nacht angerufen, nachdem er gestern nicht mit der Sprache rausgerückt ist. Da hat er mir erzählt, dass du ihn verkloppt hast. Alter. Warum?"

Tja, das kann ich dir nicht sagen. Die Wahrheit ist zu peinlich. Zum Glück scheint er mir nicht böse zu sein und meine Fresse bleibt anscheinend auch heil. Schön.

"Weil Felix ein Arschloch ist", antworte ich schulterzuckend.

"Noch wegen der Sache zwischen Vic und ihm?", erfragt Tim, ich nicke, da mir das sehr gelegen kommt.

"Mh. Aber was ich dir noch sagen will...du weißt schon, dass Felix dich anzeigen will?"

"Was?"

"Ich versuch schon, ihm das auszureden, aber er hat so einen Hass aus dich..."

"Frag mich mal, was ich auf ihn hab!" Ich könnt schon wieder austicken.

"Chill mal", beschwichtigt mich Tim und legt seine Hände auf meine Oberarme. "Ich mach das schon." Er lächelt. Das beruhigt mich ein wenig.

"Willste auch was mitfrühstücken?", biete ich ihm an, was sich Tim natürlich nicht zweimal sagen lässt.

Mir ist allerdings jeglicher Appetit vergangen.
 

19. Juli - Die Wahrheit liegt begraben
 

Die Sache mit Felix hat sich verbreitet wie ein Lauffeuer. Woher das alle wissen, ist mir allerdings schleierhaft. Ob Tim der Tageszeitung ein Interview zu dem Thema gegeben hat? Na klar, er wird es jedem auf die Nase gebunden haben, weil es ihn bestimmt sehr bewegt, was ich mit seinem Felix gemacht habe. Dem Frieden, den mir Tim vorspielt, traue ich nicht. Man, aber er will mich sogar verteidigen. Beschützen vor rechtlichen Schritten. Um ehrlich zu sein habe ich keinen Bock, mich mit der Polizei abzugeben. Das muss unbedingt verhindert werden.

Tim hilft mir. Und auch Moo und Flori stehen wohl hinter mir laut ihren Aussagen. Fraglich nur, wen Vic und Dino unterstützen werden. Dino ist der einzige Zeuge und ob der seinem Mitbewohner in den Rücken fällt...fraglich.
 

Ich brauch erst mal einen Joint. Und während ich die grauen Rauchschwaden in die Nachtluft blase, denke ich ernsthaft darüber nach, Tim nicht doch den Grund für meine Schlägerei zu verraten. Noch liegt die Wahrheit begraben. Noch weiß niemand, dass mir Tim so scheiße wichtig geworden ist. Nur mir selbst ist es klar geworden.

Irgendwann werden die Details sowieso ans Licht kommen. Aber bis dahin haben Tim und Felix bestimmt schon geheiratet.
 

20. Juli - Geburtstag
 

Ich packs nicht. Tim sitzt schon den ganzen Abend neben mir auf der Couch, aber ich bekomme meine Fresse nicht auf. Okay. Moo und Flori sind ebenfalls anwesend und vor denen so eine kitschige Szene abzuziehen wäre echt daneben. Wahrscheinlich würden sie das spannender finden als diesen ollen Film, auf den ich sich eh keiner konzentrieren kann.
 

Tim ist auf dem Klo, als meine Kumpels anfangen, mich vollzulabern.

"Läuft da was zwischen euch?"

"Hä?"

"Na...Tim guckt dich immer so an. So...schmachtig", meint Flori und imitiert Tims angeblichen Gesichtsausdruck. Alter, nee, so guckt der nie und nimmer.

"Quark, Alter. Tim ist doch mit Felix zusammen."

Doch meine Kumpels grinsen nur.

"Ey, merkst du's nicht, Timmi-Boy ist in dich verschossen!"

Na, das war vielleicht mal. Aber nun ist es nicht mehr.

"Da geht doch was zwischen euch."

Antworten kann ich nicht mehr, denn Tim gesellt sich wieder zu uns. Lächelt mich an. Legt seine Hand auf mein Knie, als er wieder neben mir sitzt.

"Jascha hat auch glasige Augen", höre ich das Getuschel meiner Kumpels.

Wenn sie der Meinung sind, dann sollen sie mir Tim doch zum Geburtstag schenken! Leider ist der erst im Dezember. So lange kann ich nicht mehr warten.
 

21. Juli - Freundschaft
 

Das Jascha-soll-nicht-leiden-Programm wird noch immer ausgeführt. Mehr denn je. Ablenking pur. Und daran schuld sind nur Flori und Moo. Tim guckt nämlich ebenso bedröppelt wie ich, als es darum geht, dass Karaokesingen zu dem heutigen Ablenking gehört.

"Jetzt macht mal ein schönes Duett", kündigt Flori an, dem das Karaokegerät gehört. Dabei guckt er von mir zu Tim. Alter, was hat der für einen Blick drauf? Vielleicht hat er uns in Wirklichkeit dazu aufgefordert, einen Schwulenporno live vorzuführen.

Moo fummelt derweil an der Anlage herum.

Plötzlich erklingen die ersten Töne von diesem Schnulzenlied aus Titanic. Mir entgleitet alles.

"Nöööö", stöhne ich. "Nicht das, Alter!" Nicht das und kein anderes, müsste es richtig heißen. Wie schon mal erwähnt, kann ich nicht einmal Hänschen klein ordentlich singen.

"Doch!", grölt Flori und schubst Tim und mich von der Couch. Die Titanic scheint zum Glück verschwunden zu sein. Dafür erklingt ein anderes Lied, als wir die Mikros in die Hand gedrückt bekommen.

'Baby' von Raket One.

"Wollt ihr uns killen?!", beschwere ich mich, denn das Lied ist peinlich. Leider kann ich mich hier nicht mit meinen fehlenden Gesangskünsten herausreden.

Ehe die anderen antworten können, beginnt auch schon der Refrain. Oh fuck. Tim beginnt tatsächlich zu singen. Und er guckt mich an. Wie viel Promille hat der eigentlich intus?

"Babyyyy, ich liebe dich, mein Schatz, du bist so süß, bei dir brauch ick 'n Sabberlatz."
 

Oweia. Aber irgendwann ist auch die größte Peinlichkeit überstanden und das Lied vorbei. Tim hat fast alles allein gesungen. Doch die Krönung kommt jetzt.

"Knutschen!", jubeln Flori und Moo im Chor, und da Tim sowie ich zu perplex sind, um irgendwas zu tun, springt mir Flori förmlich auf den Rücken und drängt mich in Tims Arme. Irgendwie knutschen wir dann tatsächlich. Wie verrückt sogar.

Flori und Moo sind eben echte Freunde.
 

22. Juli - Trauma
 

Das gestern hätte theoretisch so schön sein können. Wenn da nicht immer diese Hintergedanken gewesen wären. Tim und Felix, Tim und Felix, die Bildern in meinem Kopf, die die beiden zusammen zeigen, gehen einfach nicht weg. Sie beherrschen alles. Man könnte fast sagen, ich leide an einem Trauma.
 

"Sorry, Mann, ich glaub, ich kanns Felix nicht ausreden, die Anzeige stecken zu lassen."

Was für eine gute Neuigkeit. Da könnt ich auch gleich ins Bett gehen. Mein Tag ist gelaufen. Doch ich bleibe sitzen. Starre an die Decke. Tim tut es mir gleich.

"Scheiße. Was, wenn die mich in den Knast stecken?"

"Ach, wegen so ner Kleinigkeit..."

"Na, aber was wäre wenn", murmle ich. "Da bin ich doch am Arsch."

"Quark. Ich würd dich jeden Tag besuchen kommen."

Wie abgesprochen drehen wir den Kopf zur Seite und schauen uns an. Flash.

"Du vergisst mich dann bestimmt. Schließlich hast du ja Felix und..."

"Hä, wieso Felix?"

"Der is dein Freund?"

"Mein Freund? Wie kommst du auf son Scheiß?"

Nicht? Ich ziehe die Augenbrauen zusammen.

"Dino meinte, Felix habe ihm erzählt, du und Felix, ihr wärt zusammen..."

Tim aber gluckst nur und schüttelt dann den Kopf.

"So ein Spinner, ey. Wie soll ich mit dem zusammen sein, ich bin doch schon längst vergeben."

"So? An wen?"

Das bereitet mir tatsächlich Sorgen. Aber nicht für lange. Denn Tim schiebt seinen Arsch ganz dicht an meinen und drückt mir plötzlich einen Kuss auf die Wange. Alter, ich dreh durch.

"An wen wohl, du Nuss?", meint er und lacht dann leise vor sich hin.

Ach, so ist das also. Warum hat er dann noch nicht eher gesagt, dass wir zusammen sind? Ich mach hier nen mentalen Amoklauf und dabei ist das mit uns längst beschlossene Sache.

Oh mein Gott. Ich glaub, nun ist mir alles egal.
 

23. Juli - Regen
 

"...dann hast du das wegen mir gemacht? Wegen mir hast du Felix zusammengekloppt? Alter..."

Ja, genau deswegen hat sich dies gar folgenschwere Ereignis zugetragen. Und für den Blick, mit dem Tim mich gerade besieht, hat es sich sogar gelohnt.

"Na ja, ich war ja generell sauer auf ihn", versuche ich es mit einem für mich sehr unpassenden verlegenen Grinsen zu kompensieren. "Hat er sich einfach mal verdient, ordentlich eins aufs Maul zu bekommen."

Dazu sagt Tim nichts, wahrscheinlich betrachtet er es mit gemischten Gefühlen, dass ich den wehrlosen Felix zu zugerichtet habe. Andererseits lässt er mich spüren, dass ich der Held des Tages bin. Immer zu verlangt er nach Küssen. Und ich gebe sie ihm alle.

"Sowas macht mich schon an", raunt Tim und ich kann mich ganz entspannt zurücklehnen, während mir ganz forsch der Schritt massiert wird. Mh. Doch alles hat einen Wermutstropfen. Manchmal entpuppt er sich sogar als ein Regenschauer.

"Trotzdem...vielleicht solltest du mal sorry sagen gehen. Dann lässt er das eventuell auch mit der Anzeige."

Ach nee. Ich will weder das eine noch das andere. Will mich nicht entschuldigen. Denn ich hasse Heuchelei. Aber angezeigt will ich auch nicht werden.

Eigentlich will ich im Moment nur Sex.
 

24. Juli - Leistung
 

Ich kann mir dieses Elend kaum ansehen. Nein, es sind nicht die schlimmen Wunden, die Felix' Gesicht komplett entstellt haben, so doll habe ich ja dann auch wieder nicht draufgehauen. Es ist viel mehr dieses verhasste, kleine Bündel im Allgemeinen. Der abwertende Blick, den es kein einziges Mal auf mich richtet. Diese negative Aura, die es an den Raum abgibt. 'Trag mal bunt' würde ich am liebsten sagen anstatt eine nicht ernstgemeinte Entschuldigung zu stammeln. Die den Schwerstkranken ohnehin nicht interessieren wird, wette ich.

"Sorry", kommt er schließlich über meine Lippen. Tim hält ganz kitschig meine Hand. Ob Felix das gesehen hat? Bestimmt. Deswegen tut er auch gar albern. Eigentlich kann ich solche romantischen Sachen überhaupt nicht leiden, aber Tim soll ruhig weitermachen. Denn es erfüllt mich mit einem dicken, fetten Stolz, dass ich ihn habe und nicht dieser Deprijunge.

Wie erwartet erfolgt keine Reaktion. Schön. Was soll ich denn jetzt noch machen? Ratlos tausche ich Blicke mit Tim aus. Der guckt mich auffordernd an. Soll ich etwa auf die Knie gehen und um Vergebung flehen? Vergiss es. Lieber gehe ich in den Knast, als mich zu unterwerfen.

Aber gut. Ich schmücke das Ganze noch etwas aus. Vielleicht steht Felix ja drauf.

"Das war einfach nur ne Kurzschlussreaktion und nicht so gemeint", lüge ich. Okay, Kurzschluss war es tatsächlich. Aber nebenbei auch genau so gemeint, wie es angekommen ist. "Ich weiß ja, dass du okay sein kannst, aber ich hasse Lügen wirklich sehr."

"Ich würd jetzt noch eine Runde schlafen", sagt Felix auf einmal total ungerührt. Na prima! Warum reiß ich mir hier den Arsch auf, wenn meine Leistung eh nicht anerkannt wird?

Sauer zerre ich Tim mit mir mit, um ihm vor der Tür zu verraten: "Am liebsten hätte ich gleich nochmal reingeschlagen."

Wer kann mir das schon verübeln?
 

25. Juli - Bildfetzen
 

Vorgestern wollte ich Sex, gell? Gestern wäre ich der schönsten Nebensache der Welt natürlich ebenfalls nicht abgeneigt gewesen, aber glaubt ihr, Tim lässt sich einfach dazu hinreißen? Dabei ist es doch seine Pflicht, mich in jeglicher Hinsicht glücklich zu machen. Klar, damals mit Vic hatte ich auch Probleme, aber bei Tim ist das was ganz anderes. Tim hatte mich schon im Mund und ist eigentlich den ganzen Tag genauso rattig wie ich. Traut er sich nun etwa nicht mehr, mich heranzulassen? Dabei brauche ich meinen Frustfick. Dringend.
 

Wir sind ans Spreeufer gefahren.

Als Tim sein Shirt über den Kopf streift, kann ich seinen Oberkörper betrachten. Heilige Scheiße, seit wann ist er so gebräunt?

Ungeniert streiche ich mit der Hand über seine Bauchmuskeln. Grinse. Tim grinst auch.

"Siehst fast aus wie ein heißer Italiener", raune ich.

"Mh, aber ich bin noch nicht überall so", meint er und guckt sich prüfend um.

Kurzerhand beginnt Tim, sich auszuziehen. Leider liegt er schon mit dem Bauch auf der Decke, als ich bemerke, dass er nichts mehr anhat. Stimmt, sein Arsch ist zu weiß für den Rest seines Körpers. Doch was juckt mich das. Tim ist nackt und ich bin eh scharf.

Als ich sehe, dass er die Augen geschlossen hält, zupfe ich ein Gänseblümchen ab, knie mich über seine Beine und setze das Blümchen zwischen seinen Schulterblättern an, um es langsam tiefer gleiten zu lassen. Mh. Gänsehaut breitet sich auf seinem aufzuckenden Körper aus. Rrr.

Irgendwann mache ich an seiner Arschritze halt. Über die beuge ich mich einfach und beiße leicht in die Stelle direkt darüber.

Ein Knutschfleck der besonderen Art. Wenn das Tim nicht zu mehr animiert. Seinem wohligen Knurren nach zu urteilen hält er es allerdings auch nicht mehr lange aus.

Bildfetzen rasen durch meinen Kopf. Davon, wie es wohl werden wird...
 

26. Juli - Geld regiert die Welt
 

Meinen Albtraum habe ich nun schriftlich. Gerade eben kam er mit der Post angeflattert. Ich könnte kotzen. Nicht mal über den auf mir liegenden Tim kann ich mich freuen. Obwohl er nicht viel an hat und die Gefälligkeiten, die er mir gestern schon bereitete, heute wunderschön fortsetzt. Ich sag nur so viel: Tims Schließmuskel ist eng wie ein Schraubstock.
 

"Soll ich mitgehen zur Vernehmung?", meint Tim, nachdem er den bescheuerten Brief gelesen hat. Noch lange schaut er auf die Zeilen. Meine Mundwinkel zucken. Ein Lächeln wird allerdings nicht draus.

"Ich schaff das schon", sage ich und streiche Tims Haare nach hinten. Er mag das. Er ist wie eine Katze. "Ich werd bisschen beschönigen und so, dann wird das schon."

"Wird schon nicht so schlimm", murmelt Tim. Sein Kopf ruht nun auf meiner Brust. Wahrscheinlich hat er ebenso wenig Bock über den Mist nachzudenken wie ich.

"Ich seh Felix schon förmlich, wie er mit nem ganzen Sack Schmerzensgeld abzieht. Wenn ich nun auch noch bluten muss wirds gar nichts mehr mit ner eigenen Wohnung. Fuck."

Tim schnauft. Ich spiele mit seinen Haaren. Irgendwann scheint er eingeschlafen zu sein.

Ich jedoch werde vorläufig gar kein Auge mehr zubekommen. Nur wegen diesem Pisser.
 

27. Juli - Nachts
 

Nächste Haltestelle: Prenzlauer Berg. Nein, nicht wirklich. Was will ich da. Aber mir kommt es tatsächlich so vor. Mütter mit Kinderwägen, soweit das Auge reicht. Wenn wir es schaffen, uns an den Dingern vorbei an den Ausgang zu quetschen, dann sind wir echt gut.
 

Neben Tim sitzt auch eine Mutti mit Kleinkind im Buggy. Es lutscht an einem Brötchen herum und sabbert fürchterlich. Ekelhaft. Doch der Meinung bin anscheinend nur ich. Tims Mund ist ganz breitgezogen. Er grinst sich einen weg, während er dem Baby beim Rumsauen zusieht.

Ich zupfe an seinem Ärmel. Endlich bin ich wieder der Mittelpunkt seiner Welt.

"Wenn ich sowas sehe, dann weiß ich echt, wieso ich niemals Kinder haben möchte." Tatsächlich würde ich mir nie im Leben so ein Balg anhängen lassen. Nicht nur, weil ich dafür meine ganze Existenz opfern müsste, sondern auch weil ich mit Kindern absolut nichts anfangen kann. Sie sind eklig, schreien rum und machen in die Hosen.

"Och, ist doch niedlich", meint Tim allerdings und wendet sich wieder dem Hosenscheißer zu.

"Boah, hör auf, so ne Mutti zu sein", meckere ich mit meinem Freund, aber das juckt ihn nicht.

In Zukunft werde ich nur noch nachts mit ihm U-Bahn fahren.
 

28. Juli - Die Zeichen stehen auf Sturm
 

Es ist Sonntag. Und trotzdem stehe ich auf der W-Gay-Matte. Ob Felix schon aus der Klinik ist, weiß ich nicht. Es ist mir auch egal. Und auch Vics grimmigen Blick, mit dem er mich besieht, ignoriere ich. Heute habe ich nur Augen für Dino. Wir ziehen uns in sein Zimmer zurück. Muss nicht jeder hören, was ich von ihm will.
 

"Sag mal", beginne ich, betont cool klingend. "Wegen der Sache mit Felix...zu hältst aber schon zu mir, oder? Wenn nicht, dann bin ich nämlich ganz schön am Arsch."

Dino sagt nichts. Wahrscheinlich weiß er selbst nicht, was er tun soll. Seine mit langen Wimpern versehenen Augen schauen auf den quietschepinken Teppich.

"Bitte, Dino." Man, ich rutsche sogar auf Knien, das muss er einfach anerkennen. "Du musst ja nicht lügen, aber du könntest wenigstens sagen, dass ich Felix nur ne Ohrfeige gegeben hab oder was weiß ich. Bist doch mein Kumpel, Alter."

Endlich eine Reaktion. Ein breitgezogener Mund.

"Mal sehn", sagt er dann. Prima. Ich könnte wetten, er hat nicht den Arsch in der Hose, um mich zu decken. Tief Luft holen.

Die Zeichen stehen auf Sturm alias die Kacke ist am Dampfen. Denn der Termin der Vernehmung rückt unaufhörlich näher.
 

29. Juli - Ich brauche dich
 

Was ist schöner als eine heiße Dusche nach einem anstrengenden Arbeitstag? Eine heiße Dusche plus ein nackter Schönling natürlich. Ich könnte reinbeißen in diese gebräunten Arme. Egal wie beschissen es mir geht, sobald Tim da ist, bin ich spitz. Er tut ja auch Dinge, die einen absolut um den Verstand bringen können. Erst knutscht er mit dir rum, fasst dich an deiner empfindlichsten Stelle an, um sich dann vor dich zu knien und dir ordentlich den Marsch zu blasen. Aber nicht für lange. Dann steht er vor dir und verlangt nach einem Zungenkuss. Tim weiß, dass es mich gehörig anmacht, mich selbst auf seinen Lippen zu schmecken.

"Jascha", haucht er danach. "Darf ich heute mal aktiv sein?"

"Och Tim." Ich verdrehe die Augen. "Du weißt doch, dass ich es nicht abkann, dominiert zu werden."

"Ich dachte, das gilt nur bei Frauen..."

"Ich bin noch nicht so weit, okay?" Man will ja keinen Streit anzetteln. Gerade jetzt nicht. Jetzt, wo ich Tim so sehr brauche. "Ich war noch nie passiv und irgendwie stell ichs mir auch nicht sonderlich geil vor."

Tim findet es scharf, mich in sich zu spüren, während ich seine Enge genieße. Warum sollten wir dann einen Rollentausch vornehmen?
 

30. Juli - Scherben
 

"Jascha, was ist das?"

Nicht jetzt, Mom. Am besten gar nicht. Ich hadere genug wegen der morgigen Vernehmung mit mir. Und dann kommt Mom um die Ecke, wedelt mit der Vorladung und schaut mich an, als wäre der Brief meine schriftliche Bestätigung, den dritten Weltkrieg anzetteln zu wollen.

"Körperverletzung? Das macht doch nicht mein Sohn!"

Leider macht er es doch.

"Lass mich", stöhne ich. Doch die Herrin gerät in Rage.

"Das kommt davon, wenn man sich mit diesem...Homosexuellen abgibt. Der tut dir nicht gut."

Tolle Schlussfolgerung. Sind jetzt die Schwulen am zweiten Weltkrieg schuld? Langsam glaube ich, manche Leute sind davon überzeugt.

"Dieser 'Homosexuelle' ist mein Freund", oute ich mich spontan, weil im Moment eh alles egal ist. "Und Tim hat mit meiner Scheiße nichts zu tun."

Tim ist viel zu pussyhaft, um jemandem eine Delle in die Fresse zu boxen. Lediglich indirekt hat er mit dem Einsatz meiner Faust zu tun. Aber das muss Mom ja nicht wissen.
 

"Ich bin enttäuscht", ruft mir Mom nach und sorgt dafür, dass es mir noch dreckiger geht.

Meine Zukunft hat einen Knacks, weil mein Führungszeugnis einen Eintrag bekommt und die Beziehung mit meiner Mutter ist auch für den Müll.

Ein Scherbenhaufen. Schön.
 

31. Juli - Narrenfreiheit
 

"Tut mir ja leid, Tim, aber heute gibt es keinen Kuschelsex. Wahrscheinlich werde ich dich wie ein Tier durchnehmen müssen."

"Na von mir aus."
 

Die Vernehmung war ein unnützer Husten. Der blöde Bulle hat mir sowieso kein Wort geglaubt. Im Grunde bereite ich mich schon auf eine saftige Strafe vor. Denn irgendwie sagt mir mein Gefühl, dass Dino zu Felix halten wird. Einfach, weil er das schwächste Glied in der Kette ist. Und weil sie zusammen wohnen.
 

"Kauf mir nen Boxsack. Sonst wirst du morgen nicht mehr sitzen können."

Tim grinst. Dieses perverse Schwein. Das macht ihn doch an, wenn ich ein bisschen gröber werde.

"Dann würd ich immer zugucken, wenn du boxt", meint Tim und guckt ganz verträumt. "Du bist so geil männlich, wenn du aggressiv bist."

Ich sags doch. Der fährt drauf ab. Sowas lasse ich mir natürlich gerne sagen. Sicherlich holt sich Tim immer einen runter, während er an meine Prügelei mit Felix denkt. Denn da benahm ich mich bestimmt wie ein Tier. Apropos Tier...

"Also hab ich heute Narrenfreiheit? Kann ich dich durchrammeln, bis der Arzt kommt?"

Tims linke Augenbraue zuckt verheißungsvoll.

"Ich bitte darum", raunt er und macht sich untenrum frei.

So macht leben Spaß.

August 2013

1. August - Schlafende Hunde wecken
 

"Jascha, Mann, guck mal: Der sieht original so aus wie du!"

Was? Ich habe einen Doppelgänger? Oder gibt es seit Neustem schon Masken zu kaufen, die meinem wunderhübschen Gesicht nachempfunden sind?

Tim dreht mir bereits seinen Laptop zu. Von der Mattscheibe lächelt mir ein jugendlich aussehender Typ entgegen, mit wohlgeformten Augenbrauen und einer niedlichen Stupsnase.

"Alter, der hat ja Ohrlöcher, da kannst du deinen Schwanz durchschieben!", kommt es mir ein. "So seh ich überhaupt nicht aus. Und ich trag auch keine karierten Hemdchen. Was ist denn das für eine Lusche?"

"Das ist T. Mills", grummelt Tim, wahrscheinlich findet er den Typen auch noch gut. "Und der könnte mit dir verwandt sein."

"Ja, über fünfzig Ecken", spotte ich.

"Aber du bist schöner", kommt es von Tim. Aber natürlich bin ich schöner. Tim soll bloß keine schlafenden Hunde wecken. Irgendeine Kritik an meiner Optik und deine Fresse muss genäht werden. Ach nee, das wollte ich mir ja abgewöhnen. Und Tim könnte ich sowieso nie im Leben vermöbeln. Mein Freund hat viel zu schöne braune Augen. Und ein Lächeln, wegen dem ich ihn regelmäßig auffressen könnte.

Ich werde zum Mädchen. Mal wieder. Dann bin ich noch lieber dieser Z-Promi T. Mills in schöner.
 

2. August - Allein sein
 

Immer, wenn du denkst, du ratterst in deinem kleinen Auto den Berg namens Leben wieder mal hinauf anstatt hinunter, kommt ein dicker Dämpfer und du rollst schneller talwärts als du gucken kannst.

So geschehen heute. Hoher Besuch stand vor meiner Tür.

"Charlotte, was machst du denn hier?"

Haben wir noch irgendetwas zu besprechen? Unsere gemeinsame Nummer war für den Mülleimer. Ich bin nur gekommen, weil ein notgeiler Mann damit generell nicht so seine Probleme hat.

Charlotte aber sagt nichts. Sie steht vor mir und schaut mich mit Grabesblick an.

Momentan scheine ich wirklich viele Feinde zu haben. Und ich weiß nicht mal, warum. Charlottes Feindseligkeit bekomme ich allerdings haarklein erläutert.
 

"Bürschchen", beginnt sie. Ich sag ja, sie ist dominant. Ich komme mir tatsächlich vor wie ein kleiner, dummer Junge. "Wie man ein Kondom ordentlich aufzieht, weißt du auch nicht, was?"

"Hä? Natürlich weiß ich das!", verteidige ich mich.

"Scheint mir aber nicht so", fährt Charlotte schnippisch fort. "Sonst wäre ich jetzt nicht schwanger. Von dir."

Von mir? Ich glaub, ich steh im Wald und die Füchse sagen 'du' zu mir.
 

Vollflash. Charlotte scheint es ernst zu meinen. Sie erwartet ein Kind von mir und von niemand anderem. Fakt. Dabei kann ich mir nicht vorstellen, dass weit und breit kein anderer in Frage kommen könnte. Charlotte sieht super aus, die hat doch bestimmt jedes Wochenende einen neuen Stecher. Mindestens.
 

"Wir sprechen uns noch!", droht sie, ehe sie abdampft. Na prima. Und jetzt? Ich hasse Kinder, ich kann doch kein Vater sein beziehungsweise werden. Wie sich das schon anhört. Vater.

Hätte ich Charlotte nicht sagen können, ich sei kastriert oder zeugungsunfähig? Dann wäre ich vielleicht aus der Liste der Verdächtigen gestrichen worden.
 

Gute Arbeit, weiße Soße. Hast du echt klasse gemacht. Und nun lasst mich allein, damit ich in Ruhe sterben kann.
 

3. August - Sich gehen lassen
 

So, fassen wir zusammen. Auf der einen Seite tummelt sich der ganze Scheiß. Anzeige, Schwängerung, niemand hat mich mehr lieb. Auf der anderen wiegeln mein wundervoller Freund, der damit verbundene Sex, meine Erwerbstätigkeit und vielleicht auch noch Moo und Flori die Shit-List auf. Trotzdem. Ich fühle mich wie gegessen und ausgekotzt. Und ich weiß nicht, ob ich Tim von der Sache mit Charlotte erzählen soll. Irgendwie habe ich das dumme Gefühl, dass das nur Ärger geben würde. Also schweige ich. Sitze in meiner riesigen Jogginghose auf dem Bett und spiele das Elend persönlich samt unrasiertem Gesicht. Tim hat mich vorhin gar nicht wiedererkannt. Und meine Kollegen haben dumme Witze über den Waldmenschen gerissen. Kein Mitgefühl, ey.
 

"Du willst mich nicht küssen, wenn ich so aussehe, oder?"

Doch, doch, Tim drückt mir trotzdem einen dicken Schmatzer auf. Allerdings schaut er mich dann wieder vollkommen besorgt an. Er ist so die Mutti, das geht gar nicht.

"Musst keinen Schiss haben vor dem Prozess."

Ach, wenn es nur das wäre. Tim legt seine Hand auf meine.

"Gib mir einfach Gras", murmle ich. "Und dann nen Blowjob. Revanche erfolgt ein andermal."

Wenn ich Tim nicht hätte, säße ich bestimmt schon längst nicht mehr hier.
 

4. August - Film
 

"Wozu brauchen wir die Dinger? Im Film benutzt die doch auch keiner."

Ja, im Film. Wo alles gestellt und gefaked ist und die Frau nur dann schwanger wird, wenn der Drehbuchautor es möchte.

Das Leben ist aber kein Film. Okay, vielleicht ist es das doch. Allerdings wurde mir das Drehbuch entrissen.

"Ey, wir nehmen jetzt die Packung", sage ich und sorge dafür, dass der Artikel brav im Einkaufswagen landet. Tim glotzt ziemlich dumm.

"Keine Angst, ich hab keinen Tripper."

"Aber ich vielleicht?"

"Du hast 'n Tripper?"

"Nein."

Er schüttelt den Kopf. Sein Grinsen sieht immer ulkiger aus. Er grinst manchmal so mit den Mundwinkeln nach unten.

"Du hast Angst, dass ich schwanger werde!", schreit er plötzlich aus voller Kehle, damit auch ja die anderen Kunden bemerken, was hier Sache ist. Nachdem ich ihn zur Ruhe aufgefordert habe, fügt er leiser hinzu. "Keine Angst, schwanger werden kann ich auch nicht."

"Na ein Glück, sonst hätte ich bald noch ein Kind am Hals."

Nun ist es raus. Herzlichen Glückwunsch, Tim. Bald wirst du...ja, was wirst du eigentlich? Mutter? Nee, das bist du ja längst. Na, nun guck nicht so kariert. Ich erzähle dir alles zu Hause. Nachdem wir die Kondome bezahlt haben.
 

5. August - Spezialität
 

Wohnungssuche, die Zweite. Auch dieses Mal gibt es ein wundervolles Casting, welches den besten und wertvollsten Bewerber aus über hundert Menschen herausfiltern soll. Singen kann ich allerdings noch immer nicht. Nur kochen und vögeln sind meine Spezialitäten. Ersteres ist leider nicht möglich aufgrund der nicht eingerichteten Küche und das Zweite möchte ich mir dann doch nicht antun. Der Makler ist nicht gerade die Schönheit in Person. Geschätzter Mittvierziger mit kreisrunder Glatze. Auch ich habe Ansprüche. Und einen Freund zu Hause.

Mitten im Getümmel entdecke ich eine besonders bunt gekleidete Person mit blonden Haaren. Hier in Berlin gibt es zwar einige Paradiesvögel, aber das ist unverkennbar Dino. Was macht der denn hier? Hat er den Auflauf mit einem DSDS-Casting verwechselt? Egal. Ich werde es herausfinden.
 

"Was machst'n du hier?"

Sag's und klatsche ihm unsanft auf die Schulter. Irgendwie unpassend. Aber interessiert mich nicht. Dino dreht sich um. Nein, auch wenn es mir auf der Zunge liegt, ich frage nicht, ob er schon gegen mich ausgesagt hat. Hat er sowieso.

"Ich will mir doch mal was Eigenes suchen", argumentiert er schließlich. "Auf Dauer ist eine WG nicht das Wahre. Und außerdem hat Vic nun immer seinen neuen Boyfriend da. Und na ja..."

"Was 'na ja'?" Logo, dass mich das ganz besonders interessiert.

"Benjamin ist ziemlich...krass. Da warst du mir schon irgendwie lieber."

Oh, danke für die Blumen. Aber die Sache mit Vics Freund lässt mir keine Ruhe mehr. Muss ja wirklich ein seltsamer Vogel sein, wenn sogar ein Jemand wie Dino den krass findet.
 

Vielleicht begegne ich ihm mal. Wäre auf jeden Fall mal interessant zu wissen, wer da an meine Stelle gerückt ist. Nicht, dass ich eifersüchtig wäre oder so, nein, aber man muss ja wissen, ob der alte Partner seinen guten Geschmack bewahrt hat oder blind nach irgendwem gegriffen hat.
 

6. August - Von Blumen und Bienen
 

"Charlotte hat angerufen."

"Und? Gibt's was Neues bezüglich deiner Vaterschaft?"

Man, Tim soll aufhören, den Euphoriebolzen zu spielen.

"Mh. Sie hat nen Termin zur Abtreibung."

"Was?"

Alter, wie geht der denn jetzt ab? Wie kann man da gleich so schockiert sein? Vielleicht ist 'Abtreibung' auch ein Wort, welches die befickte Gesellschaft sehr hochgepusht und tabuisiert hat. Trotzdem. Tim soll sich nicht so haben. Was juckt ihn das überhaupt?

"Man kann doch deine guten Gene nicht einfach so wegwerfen!", wettert er, während er ganz Dramaqueen im Zimmer auf und ab marschiert. Ich allerdings bleibe auf mein Bett gefläzt und rühre mich überhaupt nicht.

Beinahe hätte mich ein Lachen überkommen. Die guten Gene. Recht hat er ja irgendwo. Aber ich will einfach kein Kind und ich bin heilfroh, dass Charlotte meine Meinung teilt. Und das sage ich Tim auch.

"Glaub mir, ist besser so."

Tim hält inne. Guckt mich an.

"Boah, bist du kalt", säuselt er fassungslos, dann ist er plötzlich verschwunden.

Na prima. Das kann er mir doch nicht antun. Die Sache mit den Blumen und den Bienen ist eben verunglückt. Da wird man doch wohl wieder alles gerade rücken dürfen. Oder nicht?

Man. Tim soll wiederkommen, sonst krieg ich Zustände!
 

7. August - Männeregos
 

Ich habe es geschafft, mir den Weg in Tims heilige Hallen zu bahnen. Um ehrlich zu sein habe ich unaufhörlich an sein Fenster geklopft, weil er mich an der Tür sicher abgewimmelt hätte.

Meine Hartnäckigkeit machte sich zum Glück bezahlt. Nun stehe ich hinter Tim, halte dieses stocksteife Brett im Arm und bin auf Kuschelkurs. Auf extremem Kuschelkurs.

"Magst du mich noch?", raune ich reumütig. Tim reagiert gar nicht. Ich küsse seinen Nacken. Beiße leicht hinein. Nee, wenn Tim mir das nicht verzeiht, dann kann ich nicht länger existieren.

"Vielleicht bin ich ja kalt, aber ich bin nicht kalt zu dir. Das ist doch das Einzige, was zählt, oder?"

Schweigen.

"Ich will eben kein Kind...und es wäre doch echt bekloppt, wenn ich mit einer Frau, die ich kaum kenne, eine Familie gründen müsste...das würde dir doch auch nicht gefallen."

"So was macht man aber einfach nicht!"

Boah. Es sieht nicht so aus, als würde mir Tim verzeihen. Auch er besitzt so was wie ein Männerego und dieses ist zu stolz, um klein bei zu geben. Mh.

"Tim, wenn du mich nicht mehr magst, dann muss ich mich vor den Zug werfen. Ohne Mist. Ohne dich schaff ich doch das alles gar nicht."

Hat mal jemand Leim, damit ich mich an Tim festkleben kann? Lieber würde ich sein siamesischer Zwilling sein anstatt ihn einzubüßen.

Der Junge bleibt knallhart. Deswegen fasle ich auch Dinge, die ich mir vorher nicht gut genug überlegt habe.

"Wenn du dann wieder gut mit mir bist, darfst du auch mal top sein...bitte, Tim."

Da dreht er sich plötzlich um. Mustert mich prüfend. Dann schmunzelt er. Mir fällt ein Stein vom Herzen.

"Mh, na das ist doch mal ein Angebot", meint er.

Oh je. Erst jetzt wird mir klar, was ich mir da eingebrockt habe. Mein armer Arsch.
 

8. August - Du bist mir so fremd
 

Ich bin mir selber ganz fremd. Ja, wirklich. Denn Tim hat seine Position gestern meisterlich ausgenutzt. Huh. Habs nur ihm zuliebe gemacht. War nichts für mich. War furchtbar. Und mir tut jetzt noch alles weh. Ehrlich, was tu ich eigentlich sonst immer dem armen Tim an? Wir sollten auf Hand und Mund umsteigen. Aber nee. Das wäre ja auch irgendwie fad. Und Tim hat sich noch nie darüber beschwert, dass mein Prügel wie ein dicker Pfahl in ihm steckt.

Wieso ich so aus dem Nähkästchen plaudere? Heute ist die Einladung zum Prozess gekommen. Wirklich ein sehr erfreuliches Ereignis. Ich bin auf einem mordsmäßigen Ablenkungskurs. Wichse schon den ganzen Tag. Doch wirklich besser gehen möchte es mir nicht.

Wenigstens habe ich Tim wieder. Und dieses Baby bald von der Backe. Und wenn ich Glück habe, muss ich dem Richter nur ein paar schöne Augen machen, damit er mich gehen lässt. Mh. Aber bräuchte ich nicht einen Anwalt? Ob Felix einen hat? Ich weiß nicht. Ich habe keine Ahnung von der ganzen Materie. Ich hab einfach nur Schiss und will, dass das Ganze schnell vorbei ist. Denn dann kann ich endlich wieder richtig leben. Das verspreche ich meinem mir so fremden Selbst.
 

9. August - Gerettet werden
 

Früher bin ich immer mit Vic nach Hause gefahren. Nun darf ich oft alleine heimgondeln. Heute begleitet mich Tim aber. Echt schön, mit ihm über Kopfhörer Musik zu hören und doof rumzuzappeln.
 

Tim feiert so hart, weil ich den bekifften Blick Ninjas bei 'Enter the Ninja' wahrscheinlich so originalgetreu imitiert habe, dass er krebsrot wird und kaum Luft bekommt. Wahrscheinlich werde ich ihn mit einer Mund-zu-Mund-Beatmung retten müssen. Doch plötzlich verlangt etwas anderes meine Aufmerksamkeit. Ich lasse Tim also fast sterben, während Vic sich mitsamt einer riesigen Wuchtbrumme von Mann durch die Reihen schiebt. Ich boxe Tims Schulter. Endlich beruhigt er sich.

"Ey, ob das Vics neuer Lover ist?"

"Möglich. Was interessiert dich das?" Und ganz nah an meinem Ohr: "Du hast doch mich."

Stimmt. Ich habe Tim. Und ich würde Tim nicht mal hergeben, wenn ich dafür Hugh Heffner werden könnte.

Trotzdem denke ich lange über diesen gefährlich aussehenden Typen an Vics Seite nach. Da kann ich Dino verstehen, dass er die Flucht ergreift. Wer weiß, ob Felix sich noch bester Gesundheit erfreut. Selbst ich, Jascha Eisenfaust, würde mich in den Büschen verstecken, wenn dieser Benjamin auf der Bildfläche erscheint.

Fazit: Vic hat mit mir seinen guten Geschmack verloren.
 

10. August - Tollpatsch
 

"Tim, wo ist der Osterinsel-Porno?"

Wir erinnern uns: Nicht nur Vic, sondern auch Tim leidet an Geschmacksverirrung. Letzterer allerdings nur, was Pornos angeht. Ich glaube, Pornodarsteller sind grundsätzlich hässlich. Die Weiber sind heiß wie Frittenfett, aber die Typen müssen nur Muskeln besitzen kombiniert mit einem großen Genital. Dabei ist das Gesicht wichtig, wenn du nicht dauernd im Dunklen ficken willst.
 

"Den hab ich bei Ebay verkauft."

"Echt?" Ich wühle weiterhin in seinem Regal. "Alter, alle deine Pornos sind weg!"

Tim steht bedröppelt da.

"Ey, ein Leben ohne Pornos ist zwar möglich, aber sinnlos", schüttle ich den Kopf.

"Gibt ja Internet", argumentiert Tim verdruckst. "Außerdem, seit ich dich hab machen mich die Dinger sowieso nicht mehr an."

Ich grinse so breit, dass es fast mein Gesicht sprengt.

"Willst nen Porno von mir, was?"

Tim wird rot. Aber ich bin zu tollpatschig, um vor einer Kamera souverän rüberzukommen. Wahrscheinlich würde ich eher einen Lachkrampf bekommen anstatt eines Orgasmus. Dass Tim so ein Film von mir scharf finden würde, ist klar. Ich würde ihm ja auch gerne zugucken, wenn er sich anfasst.

Doch nee. Wir sehen uns fast jeden Tag, da brauchen wir keine bewegten Bilder hinter Mattscheibe von dem anderen.

Idee verworfen.
 

11. August - Phasenweise
 

Ich weiß nun, was Tim mit seinem Ausspruch 'Gibt ja Internet' meinte. Es ist nicht so, dass er sich haufenweise pornografisches Material aus dem WWW herunterlädt, nein, Tim macht ganz perverse Sachen. Er spielt Chatroulette.

Zufällig betrete ich den Raum, als er gerade gebannt vor seiner Webcam sitzt. Natürlich passt es ihm nicht, dass ich einfach durch das Bild stolziere und bemerke, dass mir vom Laptop her ein fremder Typ entgegenstarrt. Da ich aber schon recht angeheitert dank drei, vier Bier bin, geselle ich mich prompt zu Tim und winke dem Unbekannten auch einmal zu, anstatt das Fass namens Untreue aufzumachen.

Im Nachhinein erfahre ich, dass Chatroulette eigentlich nur von Perversen oder Spinnern genutzt wird - Tim gehört also zur Klientel. Man weiß nie, was einen erwartet. Manchmal ist es eklig, manchmal macht es aber auch großen Spaß. Besonders gefällt es Tim, wenn er dieses Erlebnis mit jemandem teilen kann. Mit mir. Und ja, ich finde mittlerweile auch großen Gefallen daran. Wir verarschen einige Typen, lachen uns halb tot über entblößte Schwänze und Hinterteile, bis wir ein Mädchen vor die Linse bekommen. Schwarze, fettige Haare. Brille. Ein Nerd-Girl.

"Die hat doch bestimmt auch nen Schaden", raunte ich Tim zu. "Ein normaler Mensch würde nie Chatroulette spielen."

Tim aber, ebenfalls leicht besoffen und bekifft, kommt prompt eine prima Idee.

"Willst du zwei Männer bumsen sehen?", fragt er forsch das Mädchen auf dem Bildschirm. Es errötet, sagt aber nichts. Shit, was geht mit dem ab? Phasenweise hat Tim wirklich eine Vollklatsche, da wird selbst mir Himmelangst.
 

Zum Verkehr kommt es letztendlich nicht, nur zu einer eindeutigen Fummelei vor einem rotstichigen Mädchengesicht und dem Beschluss, es doch mal mit einem Porno in Eigenregie zu versuchen.

Kinder, lasst die Finger von Alk und sonstigen Drogen. Ihr seht ja, was sie mit euch anstellen können.
 

12. August - Pro und Contra
 

Ein harter Arbeitstag liegt fast hinter mir. In Gedanken bin ich schon im Feierabend. Trotzdem ich nicht viel anhabe, schwitze ich wie ein Schwein. Und es wird sogar noch schlimmer.

Tim steht plötzlich da. Begrüßen wir Tim.

"Was machst'n du hier?"

"Dich abholen", raunt mein Freund und irgendwie fürchte ich mich vor seinem Blick.

"Sexy", meint er, mich gierig beguckend. Ausgerechnet heute trage ich kein Shirt unter der Latzhose. Es ist fast, als hätte Tim das schon von weitem gerochen und dies als Paarungsbereitschaft gedeutet.

"Wusstest du das nicht? Mein Job ist es, die Kunden anzulocken", grinse ich. "Es gibt genügend Ladies, die gern mal an sich rumwerkeln lassen würden, wenn der Mechatroniker so ein geiler Typ ist..."

"Kann ich verstehen...hast du jetzt Schluss?"

"Mh."

Es ist tatsächlich Feierabendzeit. Schnell in die Umkleidekabine, damit ich meinen gackernden Kollegen entkomme. Leider klebt Tim wie eine Klette an mir. Folgt mir sogar zu meinem Spint. Und sorgt letztendlich dafür, dass ich beinah in diesen hineinfalle.

"Tim, hör auf!", meckere ich, aber der Typ ist kaum wiederzuerkennen. Wahrscheinlich hat das Chatroulette seiner geistigen Gesundheit geschadet.

"Lass es uns hier tun", knurrt er. "Du mit deinem heißen Outfit, das ist wie im Porno."

Gutes Stichwort.

"Okay, du fickst mich hier", lenke ich ein, da Tim beziehungsweise sein Schwanz sich eh nicht mehr umstimmen lassen würde. "Aber du filmst das mit deinem Handy und lädst das auf Youporn hoch."

"Nee! Filmen ja, aber nicht hochladen!"

"Machen wirs so: Wenn du zuerst kommst, laden wir hoch, wenn ich zuerst abspritze, laden wir es nicht hoch. Deal?"

"Deal."

Tim keucht.

Wahrscheinlich hat er nur zugestimmt, weil sein Trieb ihn leitet. Und ich habe nur zugestimmt, weil ich auch nicht mehr anders kann. Geil ist es aber allemal. Erwischungsgefahr und so. Hat eben alles sein Pro und Kontra.
 

13. August - Talent
 

Das Video ist ein absoluter Fail gewesen. Das liegt nur an Tims alter Mähre von Handy. Das Ding sollte er echt der Mülltonne übergeben. Alles ist verwackelt und pixelig. Nee. Sowas können wir den notgeilen Youpornnutzern nicht anbieten. Die wollen in HD sehen, wie mein Schwanz in Tim steckt. Ich weiß aus Erfahrung, dass schlechte Aufnahmen absolut ungeil sind. Wenn ich meine Fantasie nutzen soll, dann greife ich auf mein Kopfkino zu.
 

Tim wurde dazu angehalten, den Scheiß zu löschen. Und ich habe gesagt: "Wir machen das nochmal. Aber anders. Besser."

Tim jammerte. Er jammert immer noch. Er möchte eigentlich gar nicht im Internet zu sehen sein. Jedenfalls nicht nackt unter mir liegend. Doch ich habe das Abspritz-Duell gewonnen und ich sage, wir laden ein Video hoch. Weil wir gut ankommen bei allen Geschlechtern. Bei Jung und Alt. Weil wir einfach nur ein wahnsinniges Talent besitzen, was die Pornografie angeht. Ich kombiniere dieses zusätzlich mit meiner Kreativität.
 

"I'm a Ninja!", gröle ich. Ja, ich bin wirklich einer. Im Schrank habe ich einen alten, schwarzen Schal gefunden, den ich mir um den Kopf gebunden habe. Nur die Augen schauen raus. Tims Gesicht soll genau andersrum zensiert werden. Alles sichtbar, nur die Augen abgedeckt. Wenn er wüsste, dass ich das extrem geil finde. Blindfold nennt der Fachmann das. Ich sabber jetzt schon hinter meinem Schal.
 

Tim passt das auch wieder nicht wirklich. Vielleicht hätten wir das mit den verbundenen Augen eher mal üben sollen. Doch egal. Da muss er durch. Digicam wird in Position gerückt. 'U make a Ninja wanna fuck' dröhnt aus dem Laptop. Und dann gehts los.

Leider habe ich nicht bedacht, das Lied auf Endlosschleife zu stellen, deswegen fängt plötzlich Sido an, von Titten und Muschis zu rappen. Während ich in Tim stecke. Scheiße. Aber nicht mehr zu ändern.
 

14. August - Bruchstücke
 

"Noch ein Schein und dann tanzt sie Breakdance auf meinem dritten Bein..."

Sido ist unser Held. Soundtracklieferant deluxe.

Was haben wir gefeiert, als wir das Video angeschaut haben. Es war lustig, aber auch peinlich. Ich bin eine einzige Katastrophe. Am Ende glaubte ich, mein Kopf müsse unter der Verkleidung explodieren, weil mir so warm war.

Um ehrlich zu sein: Geil wars nicht. Nicht für uns. Aber den Leuten wirds schon gefallen.
 

Wir öffnen Youporn. Suchen den Hochladebutton. Finden aber etwas anderes.

"Alter, klick da drauf!"

Macht Tim. Gleich in den ersten Sekunden sieht man einen Jungen mit blonden Haaren, wie er...etwas sehr Sexuelles tut.

"Fuck, das ist Vic!"

Tim zeigt sein Pokerface, während ich einen Anfall bekomme.

"Ob der weiß, dass er hier zu sehen ist?"

"Keine Ahnung", meine ich. "So ne Nummer könnt ich mir bei ihm vorstellen...aber irgendwie..."

"Der hat doch so nen Komischen jetzt."

Nun nagt selbst Tim angespannt an seinem Daumennagel.

Man sieht immer nur Bruchstücke von dem anderen Typen. Mal streichelt er mit der riesigen Pranke über Vics Kopf, dann wieder hilft er Vic bei seinem schmutzigen Job. Ehrlich, mir wird kotzübel. Und nein, so billig ist Vic nicht. So würde sich niemand freiwillig präsentieren.
 

15. August - Konversation
 

Tim und ich sind nun doch noch nicht im Internet zu bewundern. Vics Paradebeispiel war zu abschreckend. So abschreckend, dass ich mir ernsthaft Sorgen um seine geistige Gesundheit mache. Nur deswegen konnte ich mich dazu überwinden, noch einmal auf der W-Gay-Matte zu stehen. Tim begleitet mich. Wenn ich mich wirklich mit Vics neuem Lover prügeln sollte, muss er mein Lippenpiercing halten. Während ihm wegen meiner Männlichkeit voll einer abgeht.
 

Ich treffe Vic gleich an.

"Was willst'n du?", schnarrt er und will mich wieder aussperren. Doch ich habe bereits meinen Fuß in der Tür. Autsch. Kleines Biest. Noch fester, oh ja.

"Können wir rein?", fragt Tim an meiner Stelle.

Vic ist so gut. Fein. Zum Glück verschwindet der olle Felix gleich, als er mich sieht. Und von Vics neuem Einrichtungsgegenstand namens Schrankwand aka Lover fehlt jede Spur.

Wir setzen uns. Tim, hol den Laptop raus. Licht aus, Spot an.

"Weißt du eigentlich, dass du auf Youporn zu sehen bist?", stelle ich die allmächtige Frage. Und sie haut Vic sichtlich um. Also wusste er es nicht.

"Bist du aber. Mit deinem Neuen. Beweis kommt gleich."

Vics Augen fallen bald raus. Irgendwie tut er mir leid.
 

Doch der Beweis kommt nicht. Das Video ist weg. Gelöscht. Hat sich in Wohlgefallen aufgelöst. Oder so.

"Danke für die Eifersuchtsszene", donnert Vic los und hält uns schneller als wir gucken können die Tür auf. "Aber nein, Jascha, ich liebe Benjamin. Mehr als dich. Und er liebt mich. Deswegen nehme ich dich auch nicht zurück. Brauchst ihn mir gar nicht madig zu machen. Gegen seinen Fick kommst du sowieso nicht an. Warst immer ein Lutscher im Bett."

"Boah, na das stimmt aber so nicht!", mischt sich Tim ein. Aber es hilft nichts.
 

Konversation gescheitert. Vic sauer wie ein Glühwürmchen von Trolli. Böser Lover aus dem Schneider.

Super.
 

16. August - Element
 

Ist doch Vics Scheiße. Bin ich sein Kindermädchen? Also. Ich habe meine eigenen Probleme.

Montag ist der Prozess. Mir schlottern die Knie. Ich kann das Wochenende mit Sicherheit nicht genießen. Dachte ich. Aber dann kommt Tim um die Ecke und schockiert mich so tief, dass er mir schon fast mein Seelenleben rettet. Der Kerl ist so fertig.
 

"Hast du was von Charlotte gehört?"

"Nee." Darüber macht der sich immer noch Gedanken? Er soll aufhören. Ich muss ihn ablenken.

"Zieh dich aus."

"Schon wieder spitz? Wir haben doch heute schon..."

"Macht das was?"

"Nee..."

"Sonst lade ich deine Nacktbilder hoch. Ich hab die noch..."

"NEE!"

Mein Erpressungsmaterial. Ich bin eben ein Computer-Messi. Speichere jeglichen Scheiß auf meiner Festplatte, unter anderem auch Tims hässliche Bilder. Ja, die sind wirklich hässlich. Weil Tim keine Ahnung von erotischer Fotografie hat.
 

Tim lässt die Hüllen fallen. Sehr schön. Ich zerre an seiner Hose. Sie rutscht über seinen Arsch. Über die Schienbeine. Ich halte inne. Glotze.

"Nicht dein Ernst? Du hast dir die Beine rasiert!“

"Boah na und? Ist doch mein Körper. Musst ja nicht hingucken."

Tim ist bockig, weil ich lache. Aber was hat er erwartet? Alter, dem seine Beine schauen jetzt aus wie die eines Mädchens! Tim ist ein Mädchen. Er ist die Oberpussy! Hehehe.

Lange lache ich allerdings nicht.

"Dir würde es auch mal gut tun, deine Sackhaare abzuschneiden."

"Mach ich doch."

"Einmal im Jahr."

Ich schmolle. Gespielt. Viel zu sehr muss ich wegen Tim grinsen.

"Ach, weißte was, ich fick dich trotzdem. Ist ja nichts Besseres da."

"Weil es nichts Besseres als mich gibt."

Tim ist schlau. Denn das stimmt.
 

Bald schon sind wir in unserem Element. Das Bett quietscht, der Tim wills härter. Kann er haben. Und auch beim Sex ist er mädchenhaft: Er schreit das ganze Haus zusammen.

Leider geil.
 

17. August - Abneigung
 

Wir sind die Kapuzengang. Irgendwie fühle ich mich mit Kapuze auf dem Haupt immer besonders cool und Gangsta. Heute aber schütze ich mich lediglich vor dem ekligen Nieselregen, der von der hauptsächlich roten Leuchtreklame so richtig hervorgehoben wird. Ja, richtig, wir machen gerade das Rotlichtviertel unsicher. Tim, Flori, Moo und meine Wenigkeit. Erstens soll es ein Ablenking für mich darstellen und zweitens verdienen unsere Kumpels auch wiedermal ein bisschen Aufmerksamkeit von dem Traumpaar Jascha und Tim. Da haben wir sie gleich entscheiden lassen, was wir machen. Stripclub. Okay. Und um ehrlich zu sein würde ich mir wirklich gern wiedermal ein paar Frauen anschauen. Tim geht es da nicht viel anders. Doch wir haben abgemacht: Nur gucken, nicht anfassen. Leider werde ich bereits auf der Straße angegrabscht.

Ich sehe eine kleine Hand mit schwarzlackierten Nägeln, die sich drängend auf meinen Arm legt und ziemlich fest zudrückt. Grr. Wir sind hier zwar im Rotlichtviertel, das bedeutet allerdings nicht, dass ich Freiwild bin. Der Hammer kommt aber noch. Das Wesen, welches ich mir zunächst gar nicht so genau anschaue, flüstert mir etwas zu.

"20 Euro für nen Blowjob?"

Was? Sowas kann ich bei Tim umsonst kriegen. Aber halt mal. Das Wesen scheint männlich zu sein. Ich drehe mich um. Neugierig bin ich geworden. Mit Schrecken erkenne ich Felix' Gesicht. Er ergreift ebenfalls sofort die Flucht, als er seinen Peiniger identifiziert. Seine Abneigung mir gegenüber ist offensichtlich. Und sie wird erwidert.
 

"Seit wann bietet Felix Blowjobs für Geld an?", frage ich in die Runde, aber keiner weiß eine Antwort darauf.

"Is der nicht Hartzi?", meint Moo und wir kommen zu dem Schluss, dass der Typ einfach sein Portmonee etwas füttern möchte. Mir ist es außerdem scheißegal, was der des Nachts treibt. Soll er sich doch auf dem Strich ausnehmen lassen.

Übrigens bis Montag. Motherfucker.
 

18. August - Wenn ich du wäre
 

Wie ich mit mir hadere. Ich kann nicht ruhig zu sitzen und an Tims Seite diesen Film genießen. Einerseits wünschte ich, der Morgen würde schon grauen, andererseits wäre es mir recht, wenn die Zeit stehenbleiben würde.

Tims Muttigen kommt zum Vorschein. Heute mag ich es. Er nimmt meine Hand und drückt sie an seine Brust. Dann küsst er sie.

"Das rockst du morgen schon", ermutigt er mich. "Du bist stark. Wenn ich du wäre, ich würde wahrscheinlich Amok laufen, aber du gehst morgen bestimmt ganz ruhig dort rein. Tuffi."

"Was?" Hab ich mich verhört?

"Tuffi", wiederholt er ernst, lässt meine Hand los und schmiegt sich an mich. "Bist mein Tuffi."

Irgendwie schäme ich mich. Aber auf der anderen Seite ist das typisch Tim. Er ist eben eine verweichlichte Püppi. Nur zu gut könnte ich mir vorstellen, wie Tim an meiner Stelle die Nerven aufgrund des Prozesses verlieren würde. Er tut zwar oft cool, aber er ist es nicht. Überhaupt nicht.
 

Tim pennt irgendwann ein. Ich bin sein Kissen. Und ich realisiere, dass ich nicht der Einzige bin, der im Schlaf pupst.

'Brumm' macht sein Arsch.

Brumm.

Ganz leise.

Wahrscheinlich werde ich meine schlaflose Nacht damit zubringen, Tims Körpergeräuschen zu lauschen.
 

19. August Der erste Kuss
 

Und dann ist er da, der Tag des Prozesses. Ehrlich, ich fühle mich wie ausgekotzt. Oder gestorben.

Doch ich rocke das. Irgendwie. Muss ja. Ich geh dort rein, versuche Felix zu ignorieren, konzentriere mich nur auf mich selbst. Angst habe ich. Und ich habe selten Angst. Dafür überrollt sie mich heute umso heftiger.

Aber irgendwann ist der Spuk vorbei. Irgendwie überlebt man alles, auch Dinge, von denen man nie geglaubt hat, dass man mit aus ihnen heiler Haut hervorgehen kann.

Tim wartet schon auf mich. Wir nehmen uns fest in die Arme. Wahrscheinlich geht gerade Felix an uns vorbei, aber den will ich nicht sehen. Auch Dino kann ich nicht gebrauchen. Nur Tim. Immer nur Tim.

"80 Sozialstunden", entweicht es mir atemlos. Kein Knast. Nur ein paar Wochen Altersheim.

"Mein tapferer Krieger", nuschelt Tim, sicher meint er es nicht ernst, meine ich doch ein Lächeln aus seinen Worten herauszuhören.

"Meine Kitschprinzessin", werfe ich den Ball an ihn zurück. Sekundenlang schauen wir uns in die Augen. Bei Tim sehe ich wieder dieses Feuer lodern. Ich liebe es, dieses weiter anzufachen. Ich küsse ihn. Heiß.

Dies ist der erste Kuss, der mich aus diesem Albtraum aufweckt. Er liegt hinter mir. Und ich stehe noch immer aufrecht.
 

Morgen muss ich nach meinem eigentlichen Job die ersten vier Stunden ableisten. Egal. Ich habe das geschafft, ich kann alles schaffen. Denn ich bin stark. Doch nur, weil ich einen wie Tim im Rücken habe.

Dieses Prickeln in mir, welches nur er auslösen kann, wird gerade übermächtig. Vollflash. Alter. Es fickt dermaßen krass meinen Körper, dass ich nicht weiß, wie ich es kompensieren soll.

"Fuck, du bist so geil", gebe ich deswegen zwischen zwei Küssen von mir, nur um Tim im nächsten Moment schon wieder abzuknutschen.

Es ist wie unser erster Kuss beim Konzert. Deja Vu.
 

20. August - Trennung
 

Eine Adresse habe ich bekommen, bei der ich mich melden soll. Die nehmen Sozialstundenrocker wie mich, hieß es. Und ja, das tun sie wirklich. Ich kann sofort anfangen. Bekomme so einen hässlichen, weißen Kittel verpasst und soll alten Omis und Opis in den Rollstuhl helfen.

Oh shit. Echt nicht mein Traumjob. Aber es soll ja eine Strafe sein. Dabei ist die Reduzierung meiner gemeinsamen Zeit mit Tim schon bitter genug. Ich sehe es schon kommen: Kein Sex mehr in der nächsten Zeit. Nicht mal mehr Masturbation. Mir wird Himmelangst, wenn ich mir dieses Horrorszenario ausmale. Samenstau deluxe.

Wenigstens scheinen mich die alten Leute zu mögen. Ganz besonders die weiblichen Personen. Wer kann so einem charmanten, gutaussehenden jungen Mann schon widerstehen? Wenn ich alt und pflegebedürftig bin, möchte ich auch mal einen schönen Menschen haben, der mich umsorgt. Zu schwach für Sex werde ich dann zwar sein, aber ich glaube nicht, dass mein innerer geiler Bock sterben wird, bevor mein Körper den Geist aufgibt.

So weit, so gut. Oder auch nicht. Denn irgendwann treffe ich im Gang einen anderen jungen Mann, seelenruhig einen Rollstuhl vor sich herschiebend.

Benjamin. Wie schön. Wenn du nicht so riesig und muskulös wärst, würde ich überlegen, wie ich dir am leichtesten den Hals umdrehen kann. Doch unter den gegebenen Umständen sollte ich mir besser lieb Kind mit dem Schrank machen.

"Ach, musst wohl auch Sozialstunden ableisten?", krähe ich etwas unbeholfen. Benjamin kennt mich zum Glück nicht. Trotzdem wirkt er ziemlich schlecht gelaunt, als er mir seine Zustimmung signalisiert.

Aha, was haben wir denn verbrochen?, hätte ich am liebsten gefragt. Auch jemanden verschnickt? Oder schlimmer?

Hoffentlich nicht Vic, schießt es mir durch den Kopf. Oh damn. Man schlägt keine Mädchen. Und keine Tiere. Sollte er eigentlich wissen.

Okay, ich hab ja auch die Katz vermöbelt. Von daher.
 

21. August - Feuer
 

Wie ein Knastinsasse führe ich eine Strichliste über meine abgeleisteten Stunden. Ich sterbe. Ich brauche einen Pfleger. Genau das schreibe ich in die SMS an Tim.

"Ich bin gleich da, dann wasche ich dich", antwortet er.

Ich bin total abgearbeitet, meine Hormone allerdings absolvieren eine Nachtschicht. Es zuckt in den Lenden, wenn ich daran denke, wie Tim mich mit seinen magischen Händen berührt.

Erneut piepst mein Handy. Wieder Tim.

"Ich wasch dir deinen Schwanz so lange, bis du kommst."

Jetzt hat er mich. Ich bin so spitz, ich weiß nicht mehr wohin. Deswegen beschließe ich, Tim nun anzurufen. Er nimmt ab.

"You fuckin' Tease!", brülle ich in den Hörer. Tim lacht nur.

"Tuffi", kichert er. Argh.

Tuffi wird gleich böse werden, wenn du weiterhin seinen Geilheitsofen anfeuerst. Er wird dir den Arsch versohlen. Mit dem Krückstock. Und dir sein Gebiss hinterherwerfen.

Mal sehen, wer dann lacht. Ja, genau. Der Tuffi ohne Zähne. Und du wirst deswegen nie wieder einen hochkriegen.

All das erzähle ich Tim nicht. Sonst findet er mich zum Schluss noch unsexy.

"Komm mich blasen", befehle ich.

"Es ist um elf", erwidert Tim.

"Das ist meinem Schwanz egal."

Als ob mein Schwanz die Uhr kennt. Tim hat Ideen.
 

22. August - Kleine Biester
 

Heute komme ich in den Genuss, zur selben Zeit Pause zu haben wie Benjamin.

Ich sitze auf meinem Stuhl und spiele an meinem Handy herum. Benjamin tut es mir gleich. Nur irgendwie ist der Stuhl zu klein für seinen Arsch. Ist der nur fett oder sind das alles Muskeln? Ich will es gar nicht wissen. Ich kenne seinen Schwanz. Das ist mehr wie genug und löst noch heute einen Kotzreiz bei mir aus. Lieber noch gucke ich mir die Exkremente der Altenheimbewohner an als dem sein Genital.

Mich schüttelts. Benjamins Handy vibriert. Er geht ran. Genervt wie ich ihn kennengelernt habe.

"Was habt ihr...? Boah ey", sagt er und zischt ein leises 'Fickt euch doch' hinterher.

Dann legt er auf.

"Kleine Biester", murmelt er vor sich hin.

Mh. Wer? Vic und Felix? Oder jemand ganz anderes?

Es steht mir nicht zu, Fragen zu stellen, aber wenn er wirklich mit Vic so umgeht, na dann gute Nacht. Ansätze dieses Verhaltens sah man ja bereits im obszönen Ekelporno.
 

Einfach nur lächeln und winken, Jascha. Der Affe da leidet sowieso an Koprolalie und würde dir bestimmt eine über den Schädel ziehen, falls du aufmüpfig werden solltest.

Nee. Der Typ wird mir immer unsympathischer.
 

23. August - Dschungel
 

Seit ich im Altersheim arbeite, bin ich kein Mensch mehr. Ich muss hässliche Klamotten tragen, Ärsche abwischen und meine Hände mit Desinfektionsmittel einreiben. Echt, ich lebe in einer total sterilen Welt, die andererseits dreckig und eklig ist.

Erst wenn das vorbei ist werde ich wieder ein gesittetes Sexualleben führen können, denn Tim will ja um Mitternacht lieber pennen als mir seinen Arsch darzubieten. Er ist schließlich in der glücklichen Lage, unseren Porno auf seinem Rechner aufzubewahren. Ich hab nur mein Kopfkino, welches von den ekelhaften Eindrücken des Tages überstrahlt wird.

Und ich hab Benjamin. Raucht wie ein Schlot, flucht wie die Sau und guckt sich ohne Scheiß Pornos in der Pause auf seinem Handy an. Als ich mich bisschen verschämt zeigte, weil ich damit nicht gerechnet hätte, wurde er komisch.

"Prüder Vogel", schnauzte er. Wenn der wüsste. "Kriegst 'n Schweinegeld, wenn du's professionell anstellst und auf den richtigen Seiten hochlädst. Würdest du auch machen. Aber deinen Dschungel will eh keiner sehen."

So ist das also. Vic ist sein Goldesel. Wenn der wirklich so doof ist und das mit sich machen lässt, ist ihm nicht zu helfen.

Trotzdem. Benjamin strahlt dieses richtig Aggressive, Bösartige aus.

Mir macht das schon irgendwo Sorgen.
 

24. August - Himmel und Hölle
 

Heute ist der fünfte Tag, den ich abstinent zubringen müsste, würde ich meinem Schicksal keinen einen Strich durch die Rechnung machen.

Einkaufen muss ich. Mom nutzt es schamlos aus, dass ich heute nicht erst um zehn zu Hause bin. Butter, Zucker, Brot, Kondome - man muss auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Als ich mit den Tüten den Laden verlasse, dunkelt es bereits leicht. Doch ich kann mich noch nicht auf die Socken machen. Im Geschäft habe ich nämlich Tim gesehen, wie er ganz konzentriert das Süßigkeitenregal studierte. Und ich dachte: Das wird den Sex nicht ersetzen. Deswegen möchte ich eine gute Tat vollbringen.
 

Ich warte. Tim braucht ewig. Endlich erscheint sein brauner Schädel an der Kasse, ich kann ihn durch die Glasscheibe beobachten. Ich lecke mir über die Lippen. Grinse. Als er mit seinem Einkaufswagen in Richtung Tür fährt, ziehe ich mir die Kapuze über den Kopf.

Als er seinen Wagen an die restlichen ankettet, stehe ich bereits hinter ihm. Kurzerhand schnappe ich ihn mir und presse meine Hand auf seinen Mund. Oh fuck, er hat Angst, natürlich hat er das, aber ich finde die Situation gerade mächtig antörnend. Irgendwie wie Himmel und Hölle. Deswegen liegt es mir auch nicht fern, etwas Verruchtes in sein Ohr zu raunen.

"Ich hab Bock, dich wild zu ficken."

Endlich zappelt Tim nicht mehr so. Wahrscheinlich hat er meine Stimme erkannt. Um sicher zu gehen versucht er ein Blick auf mein Gesicht zu erhaschen. Seine Miene hellt sich auf, als er mich als seinen Freund identifiziert.

"Boah, musst du mich so erschrecken?", meckert er, ich kichere nur blöd.

Wir schnappen uns unsere Tüten und machen uns auf den Weg. Wenn ich zu Hause die Einkäufe abgeliefert habe, geht es rund mit dem jungen Hund. Tim wird sich freuen, denn ich bin sehr, sehr ausgehungert.
 

25. August - Schwere Zeiten
 

Am Sonntag sind wir noch immer voll dabei. Ehrlich, das ist so wie in der von uns erdachten Parodie von 'Im Frühtau zu Berge': "Wir haben keine Sorgen und ficken bis zum Morgen." Na ja, nicht ganz. Denn Sorgen mache ich mir trotzdem, obwohl die ganzen Endorphine in meinem Körper eigentlich den ganzen Scheiß beiseiteschieben sollten. Und ja, ich mache mir tatsächlich einen Kopf über Vic. Beziehungsweise Benjamin. Obwohl die mich theoretisch am Arsch lecken könnten.

Ich erzähle Tim alles über den zwielichtigen Gesellen. Der hört es sich an und sagt nicht sonderlich viel dazu. Nur: "Und was willst du da machen? Wieder zu Vic rennen und ihm von deinen beweislosen Vermutungen berichten? Kannst du dir sparen. Der beschimpft dich eh bloß."

"Mh", mache ich. Recht hat er ja. Ach, vergiss es. Es wird nicht mehr lange dauern, dann liegen die schweren Zeiten hinter mir und dann sind mal die anderen dran, sich knietief in die Scheiße zu begeben.

Soll Vic sich doch kümmern. Er ist erwachsen. Und jemand, der mich als Lutscher im Bett bezeichnet, kann sich eh zum Teufel scheren.

Macht doch, was ihr wollt. Ich jedenfalls vögel jetzt noch eine Runde. Vor mir liegt eine harte Woche.
 

26. August - Unstimmigkeiten
 

Ich glaub, mich laust der Affe. Benjamin ist eben immer für eine Überraschung gut.

Heute wurde er abgeholt. Aber nicht von Vic, wie man vielleicht annehmen könnte, nein, von Felix. Ja, richtig gehört. Ich hab auch geguckt wie die Kuh ins Scheunentor. Oder so ähnlich. Ganz verrückt wurde es aber erst später. Denn da hat Felix dieser Schrankwand Geld zugesteckt. Mehrere Scheinchen. Und als wäre das noch nicht genug gewesen landete, während sie Seite an Seite losliefen, die riesige Pranke Benjamins auf Felix' nicht vorhandenen Arsch.

Was geht denn da? Ob Vic weiß, dass sein ihn liebender Freund unter fremde Gürtellinien geht? Bestimmt weiß er es nicht. Und mich reizt es fast zu Tode, Vic die Taten Benjamins zu offenbaren. Aber ich kann ja nicht. Ich hätte es fotografieren müssen. Aber ich war viel zu geflashed, weil Benjamins Hand fast so groß ist wie Felix' Hüften breit.

Wie dem auch sei: Hier liegt etwas im Argen. Sherlock Jascha hat Dinge gesehen, die darauf hindeuten. Leider kann ich mit meinen Augen keine Fotos von den ganzen Unstimmigkeiten schießen.

Und warum will Jascha unbedingt Detektiv spielen? Nicht, weil das sein Berufswunsch als kleiner Junge war.

Jascha wollte schon immer die Welt retten.
 

27. August - Verschwinde aus meinem Leben
 

Wer hat sich die ganzen Depri-Überschriften ausgedacht? Felix?

Gerade ist es mein Leben lebenswert. Benjamin dürfte zwar gern verschwinden, aber nicht Tim. Nie und nimmer Tim. Tim ist das seltsamste, kitschigste und tollste Ding, welches ich je kennengelernt habe.
 

Im Briefkasten liegt ein Brief. Wo auch sonst. Ich wundere mich, denn eigentlich erhalte ich nie Post, vor allen Dingen keine, auf dessen Couvert handschriftlich mein Name genannt wird. Ich vermute, dass es ein Erpresserbrief ist. Doch ich irre mich.

"Lieber Jascha", steht da in krakeliger Männerschrift. "Wir sehen uns jetzt immer so selten. Deswegen und auch weil das gesagt blöder und peinlicher kommt als geschrieben, lasse ich eben meinen Stift sprechen. Jascha, ich lieb dich voll. Irgendwie geht mir das schon seit Ewigkeiten im Kopf herum. Und ich wollt dir das schon lange sagen, aber ich hab das noch nie zu jemandem gesagt. Weil da noch keiner so war wie du. So gut im Bett und so schön und alles. Ich hoffe, du lachst nicht. Und irgendwie hoffe ich, dass du mich auch liebst...dieses Wort, ey. Musst es ja nicht sagen, ich hoffe aber eben, dass du nicht nur wegen meinem Arsch mit mir zusammen bist. Dein Tim."

Daneben hat er ein kleines Herz gemalt.

Ich glaube, ich muss noch im Hausflur verrecken. Mir wird ganz schwindelig. Alter. Eigentlich ist das sowas von peinlich, aber ich kanns nicht peinlich finden. Ich find das so irre schön, dass ich kaum noch atmen kann.

Wie um alles in der Welt kann Tim annehmen, ich wäre nur mit ihm zusammen, weil er sich gut ficken lässt? Tze.

Was Besseres als Tim gibt es nicht. Jeder sollte einen Tim haben. Aber nicht meinen Tim. Mein Tim ist mein Tim. Okay, ich hör auf, ich kann nur noch Scheiße labern, weil ich so euphorisiert bin.
 

28. August - Grab
 

Alter, schon wieder so ein Depri-Titel. Erst soll ich melancholische Gedanken hegen, während ich den Brief meines Lebens lese und heute das.

Ich gehe mit Tim händchenhaltend über den Platz, mitten in der Nacht. Und alle meine Innereien flattern vor Glück.

"Ey, Tim, ich lieb dich", wiederhole ich immer zu, damit wir uns an den Klang dieser kitschigen Worte gewöhnen. Tim grinst jedes Mal so drollig. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass er niedlich ist. Wie eine kleine Katze oder so. Und mir wird einmal mehr klar, wie lange ich gebraucht habe, um das zu checken. Früher war Tim für mich nur der blöde Bartmaler, aber heute ist er...keine Ahnung, die Welt. Rauschgift. Ein Aphrodisiakum.
 

"Tim, ich lieb dich", sage ich erneut. Es hört sich immer besser an. Wir bleiben stehen. Schauen uns an.

"Jetzt üb auch mal", fordere ich. Wie er grinst. Mit den Mundwinkeln nach unten. Speziell, aber so anbetungswürdig.

"Ich lieb dich auch, Jascha." Na also. Zur Belohnung gibts einen Kuss. Und eine schlaflose Nacht. Scheißegal, bin ich morgen eben müde und muss mir fünf Red Bulls reinpfeifen. Interessiert mich nicht. Nur Tim interessiert mich.

Ehrlich, für den Typen würde ich ins Grab gehen.
 

29. August - Gemeinschaft
 

Wie erwartet bin ich hundemüde. Ich staune nur, dass sie mir noch kein Bett im Altenheim angeboten haben. Oder mich gleich eingeladen haben, hier wohnen zu bleiben. Hätte ich sowieso abgelehnt. Auf einen Pfleger wie Benjamin kann ich verzichten.

Apropos Benjamin. Er steht im Gemeinschaftsraum und drückt wie so oft an seinem Handy herum. Ich bin gerade damit beschäftigt, die Tische von der Vesper abzuräumen, da sagt er plötzlich laut und ohne Rücksicht auf Verluste: "Findest du Shemales auch geil?"

Ehrlich gesagt kann ich mit dem Begriff nicht viel anfangen, deswegen heißt es wieder lächeln und winken, bevor ich hier in Teufels Küche komme.

Benjamin deutet meine Reaktion sowieso wie er will.

"Findest du auch geil, klar. Bist du überhaupt schwul?"

Ganz sicher werde ich mich nicht vor den alten Herrschaften outen.

Vielleicht sollte ich doch hier einziehen. Denn genau wie die Heimbewohner weiß ich nicht, was Shemales sind. Ich wittere ja was Perverses. Besonders, als Benjamin etwas sehr Pikantes offenbart.

"Ich hab daheim ne Shemale, kannst ja mal live angucken kommen."

Er meint damit Vic, hundertprozentig. Wenn ich zu Hause bin, muss ich gleich mal Onkel Google zu diesem mysteriösen Begriff befragen.

Diese Wohngemeinschaft macht mir langsam richtig Angst.
 

30. August - Zerrissen
 

Ich habe gegoogelt. Nach den Shemales. Und ich kann mit Sicherheit sagen, dass Vic dieser Gattung keineswegs angehört. Was mir da an Bildmaterial entgegenlachte, waren Frauen mit Schwänzen. Ohne Mist. Ich konnte die Nacht kaum schlafen. Immerzu geisterten diese Gruselfotots in meinem Kopf herum...Jascha steht im Wunderland, eindeutig.
 

Ich klage Tim mein Leid. Der versteht mich doch.

"Ey, ist doch geil für nen bisexuellen Typen. Frau und Mann in einem."

Tim versteht mich also nicht. Vielleicht bin ich doch ein bisschen prüde.

"Aber Vic ist sowas nicht. Der hat keine Titten. Ich muss es wissen. Vielleicht war dieser Benjamin nicht mal mit Vic in der Kiste, sondern lässt sich nur blasen."

Mir wird schlecht.

"Könnte sein", meint Tim. "Soll er doch machen."

Ja, soll er doch. Tim ist so weise. Ob er denn nie über irgendetwas grübelt? Manchmal wüsste ich gern, wie es in seinem Kopf aussieht. Welche Farben die Murmeln besitzen. Ob sie alle rosa sind. Oder kackbraun.
 

Es gibt nur eine Sache, die mich von meiner Zerrissenheit heilen kann.

"Sex?", frage ich. Tim grinst. Ich grinse auch.

Mittlerweile habe ich es geschafft, dass Tim, meine Krankenschwester, sogar Nachtschichten für mich einlegt.

Das muss sie sein, die wahre Liebe.
 

31. August - Sich selbst finden
 

Da ist sie, die Nummer vom Altersheim. Ich muss da nämlich anrufen. Nicht, weil ich mich endgültig für einen Einzug in die Einrichtung entschieden habe, sondern weil ich seit gestern Abend einen stechenden Schmerz im Rücken verspüre. Wahrscheinlich habe ich einen Hexenschuss. Oder ein Nerv hat sich eingeklemmt. Wo ist mein Rollator?

Im Grunde ist Tim an der ganzen Misere schuld, glaube ich. Denn das Aua kam beim Sex auf. Die vielen kräftigen Bewegungen aus der Hüfte heraus sind gefährlich. Aber wie sollen wir es sonst bewerkstelligen? Sex geht eben so. Wenn ich an der Spitze meines Zeigefingers eine Eichel hätte, wäre vieles leichter. Aber Mutter Natur hat es so nicht vorgesehen.

Ich melde mich krank. Zunächst bis Montag.

Dann klingle ich Tim an. Denn endlich, endlich bin ich pflegebedürftig. Kann mich nicht mehr bücken und somit auch nicht am ganzen Körper waschen. Das wird ein Fest. Tim wird mich einseifen. Und er wird erkennen, dass Mutter Natur es wollte, dass er Krankenschwester wird. Durch mich wird er sich selbst finden. Und seine Bestimmung.

"Werf dich in Schale, Timmi-Boy, du wirst mich heute versorgen."

Ob Tim das kleine Häubchen steht? Das frage ich mich ernsthaft.

Doch, er ist niedlich genug.

September 2013

1. September - Sport ist Mord

 

"Dass ihr Kerle euch immer so wehleidig haben müsst."

Boah, dieses kleine Luder. Wenn die wüsste, welche Höllenqualen ich leide, dann würde sie ganz ruhig sein. Oder schreien wie am Spieß.

"So, und jetzt auf die Knie gehen und mit den Händen aufstützen."

"Mh, passiver Doggy Style", murmelt Tim erfreut. Der guckt zu, wie ich mich abrackere. Nachher muss er eine Strafwäsche ableisten dafür. Ach, eigentlich hätte er es sich verdient, mich den ganzen Tag über einzuseifen. Schließlich hat er Moo und Flori herbestellt, um sich mein Schicksal zu begucken aka mich zu unterhalten. Und wie der Zufall es so wollte, posaunte Flori heraus, dass Andie, die eine Ausbildung zur Physiotherapeutin macht, mir sicher helfen könnte.

Ja, und nun knie ich hier, mal liege ich auch wie ein Maikäfer auf dem Rücken und lasse mich malträtieren.

Und mir wird klar: Andie mag ich nur, wenn sie mir eine Lesbenshow liefert. So herrisch kann ich sie nicht leiden.

 

Zusätzliche Erkenntnis des Tages: Jeglicher Sport ist Mord. Einschließlich Sex. Man sieht ja, was man davon hat, wenn man es seinem Freund besonders geil besorgen möchte. Da tritt einem das Schicksal zur Strafe so fest in den Rücken, dass man total ausgeknockt ist.

 

2. September - Idiot

 

Der Arzt hat gesagt, ich hätte mir eine Zerrung zugezogen. Zum Glück wollte er nicht wissen, wie das passieren konnte. Allerdings gab er mir eine Spritze. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mich auf Arbeit gequält.

Morgen soll ich wieder einsatzbereit sein. Na, mal sehen. Jetzt torkle ich zumindest noch herum wie eine alte Ente. Sogar als mir jemand auf die Schulter tippt, kann ich mich nicht in Windeseile herumdrehen und meinem Betatscher eins auf die Zwölf geben. Langsam sind meine Bewegungen. Wie die eines alten Opas.

Hinter mir steht ein Typ. Nicht hässlich, aber auch nicht hübsch. Durchschnitt. Blonde Haare. Ohrring rechts. Wie ging der Spruch? Links cool, rechts schwul? Mh.

Der Kerl lächelt. Lacht er mich aus? Falls ja, denn werde ich dafür sorgen, dass er ebensolche starken Schmerzen empfindet wie ich.

 

"Du bist doch andersrum, oder?"

Hä? Wie jetzt? Andersrum? Lauf ich auf den Händen, oder was?

Wahrscheinlich rafft der Kerl, dass ich gar nichts raffe. Und rafft sich auf, mir einen Hinweis zu geben.

"Schwul?"

"Was geht dich das an?"

"Ich hätte da nen heißen Tipp für dich. Vorausgesetzt, du kannst was mit Schwänzen anfangen."

Skeptisch ziehe ich eine Augenbraue in die Höhe. Wotzefack.

Obwohl ich nichts mehr sage, streckt mir der Typ ein Kärtchen entgegen.

"Kannst ja vorbeikommen. Geht Samstag?"

"Nee."

"Sonntag?"

"Mh."

Ich bin mit dem Studieren der Karte beschäftigt. Eine Adresse steht darauf. Was führt dieser Idiot im Schilde?

"Cool, also, bis dann."

Tze. Ich schaue dem Typen mit der Meise unter dem blonden Pony noch eine Weile hinterher.

Ich sags ja, Idiot. Ich kenne ihn nicht, aber ich weiß jetzt schon, dass er einer ist. Allein wie sein Arsch in der engen Hose beim Laufen wackelt.

Mal sehen, was Tim zu der Sache sagt. Ist ja schon irgendwie krass, das Ganze.

 

3. September - Höhen und Tiefen

 

Tim möchte den Schwulian besuchen. War mir klar. Aber ich bin ja selbst neugierig, was mich in diesen heiligen Hallen erwartet. Vielleicht der Goldtopf vom Ende des Regenbogens. Oder jemand, der mir sagt, dass mein Leben ein einziger Witz sei und ich nur geschaffen wurde, damit Satan etwas zum Lachen hätte. Wer weiß das schon. Manchmal erscheint mir besonders letztere Sache recht glaubwürdig.

 

Benjamin hat heute auf der Toilette gewichst. Jede Wette. Ich will es mir nicht genauer vorstellen. Jedenfalls sagte mir der Typ hinterher, ich solle mir öfter an der Palme wedeln, damit ich ein bisschen lockerer werde. Damit sich das Abspritzen leichter gestaltet, wollte er mir eine Seite für pornografisches Material von Shemales empfehlen. Ich lehnte dankend ab. Wer weiß, vielleicht hat er dort schon einen Vic-Porno hochgeladen. Und es würde mich wider Erwarten anmachen. Kann ja sein. Dass Vic keine Shemale ist, wage ich allerdings nicht auszusprechen. Schließlich möchte ich weiterhin die Höhen und Tiefen meines Lebens durchstehen und nicht als kleiner Quark in der Ecke enden. Deswegen sollen mir auch diese Shemales nicht auf die Pelle rücken. Ich verliere schon mein Augenlicht, wenn ich nur an diese akkuraten Frauen mit einer Überraschung in der Hose denke.

 

4. September - Gib mir noch Zeit

 

"Und, wie geht's deinem Kreuz?"

Tim sorgt sich um mich. Er ist eine gute Krankenschwester. Auch ohne Häubchen.

"Geht schon."

"Schön."

Schweigen. Wir sind eben wie ein altes Ehepaar. Wir kennen uns gut und sind beide keine Meister der Konversation. Aber das macht nichts. Hauptsache ich weiß, dass Tim am anderen Ende der Leitung ist. Dann ist er wenigstens irgendwie da, auch wenn er es eigentlich nicht ist.

"Du, ich würd gern wiedermal top sein."

Aus heiterem Himmel trifft mich dieser Schlag. Aber dieser Wunsch erscheint mir logisch, ist er doch schon bei meiner Krankengymnastik aufgeflammt. Tim mag es, wenn ich für ihn den Hund spiele. Leider mache ich es nicht gern.

"Ach Mann...dabei geht mir keiner ab, weißte doch."

"Wir müssen es nur richtig anstellen." Tim hat immer ein Argument. "Ich hab ne Idee. Kann ich morgen vorbeikommen?"

Wieso fragt er das?

"Natürlich. Mein Herz und mein Haus stehen dir jederzeit offen."

Er kichert. Jetzt würde ihm die Krankenschwesterkleidung wieder gut stehen, glaube ich.

Aber er führt etwas im Schilde. Nicht gut.

Ja, ich würde Tim den Hund vorspielen, doch ich kann mich dazu nicht noch einmal überwinden. Jedenfalls nicht heute und morgen. Vielleicht irgendwann. Ich brauche noch Zeit.

 

 

5. September - Klein

 

Ehrfürchtig betrachte ich dieses Ding. Nachtschwarz ist es und wirkt nicht sonderlich realitätsnah. Es ist klein, aber für mich trotzdem ein Monster. Tim wird sich für diese Aktion noch angemessen entschuldigen müssen. Ich bin ein bisschen sauer.

"Probiers doch einfach aus", meint Tim. "Ich würd mich doll freuen, wenn du auf den Geschmack kommen würdest. Du weißt ja, wie man den geilen Punkt trifft."

Mh. Griesgrämig gucke ich vor mich hin. Ich muss mir noch überlegen, ob ich Tim den Gefallen bereite. Wahrscheinlich bekomme ich es sowieso nicht über das Herz, mir dieses Teil in den Allerwertesten zu schieben. Denn sei es machohaft oder nicht: Ich bin nicht in der Position, um mich vögeln zu lassen. Ich vögele. Außerdem gefällt mir Tim viel besser, wenn er unter mir liegt und das empfängt, was ich für ihn bereithalte.

 

Das Ding liegt auf dem Tisch. Vorsichtig berühre ich es. Vielleicht beißt es plötzlich, weil es spürt, dass ich es nicht mag.

"Ich helf dir auch dabei."

Ach nee. Tim soll meiner Blamage nicht beiwohnen. Bestimmt benehme ich mich wie eine elende Pussy, die größere Angst vor dem Gerät als vor einer Spritze hat.

Tja, es sind eben die kleinen Dinge im Leben...

 

6. September - Prüfungen

 

Langsam. Es sticht. Kleines Teil ganz groß. Noch ein Stück. Oh scheiße. Vielleicht hätte ich mehr Gleitgel verwenden sollen. Doch nun ist es zu spät. Ich muss das durchziehen. Denke dabei ganz fest an Tim. Nur für ihn tue ich mir das hier an.

Mein Leben hält eben ständig schmerzhafte Prüfungen für mich parat. Psychische Herausforderungen vermischen sich mit physischen.

Aber da muss ich jetzt durch. Egal, wie fies es zwickt und zwackt an meinem Allerwertesten. Ramm dir den Prügel rein, Jascha. Ramm ihn dir rein, das kann doch nicht so schwierig sein. Irgendwann geht es sogar leichter, aber schön ist es nicht. Und ich bezweifle, dass sich der Genuss noch einstellen wird.

Deswegen stoppe ich an dieser Stelle. Blase die ganze Sache ab. Schmeiße die Plastikwurst in die Ecke. Ich werde Tim sagen, dass ich mit Spielzeugen nicht viel anfangen kann. Schließlich bin ich kein Kind mehr.

Prüfung nicht bestanden, würde ich sagen. Aber was juckt mich das. Irgendwie werde ich Tim schon weismachen, dass ich keinen 'geilen Punkt' in meinem Inneren besitze und deswegen dem seinen huldige. Tim ist eben ein anatomisches Wunder. Ein Homunculus.

Ach, was laber ich. Ich muss jetzt erst mal meinen wunden Arsch versorgen.

 

 

7. September - Egoistisch

 

Manchmal ist Tim wie ein bockiges Kleinkind. Besonders, wenn er die Arme verschränkt. Kombiniert mit dem finsteren Blick ist allerdings schon fast wieder niedlich. Leider schlägt mein Versuch fehl, mit einem Wollknäuel dem Katzen-Tim wieder eine heile Welt zaubern zu wollen. Eigentlich war das ja Bepanthen mit der heilen Welt. Und die hab ich mir auf meinen wunden Arsch geschmiert.

 

"Ich find das schon doof", meint Tim und versucht gechillt zu wirken. Gelingt ihm allerdings nicht. Meine Glaskugel verriet mir übrigens, dass Tim vor Freude über den erwarteten Rollentausch wie auf Speed über den Teppich getobt ist. Und nun habe ich ihm mit meinem Geständnis verbal in die Magengrube geschlagen. Sorry.

 

"Ist schon egoistisch, dass du immer top sein willst."

Ich seufze, haue mich neben Tim aufs Sofa und streichle ihm schnurrend über die Wange.

"Was haben wir denn da, den Schmunzelhasen!", stelle ich fest, als ein Lächeln auf seinem Gesicht heranwächst und glaube, nun ist mir Tim schon gar nicht mehr böse. Wäre auch furchtbar, schließlich wollen wir morgen den Schwulian besuchen.

"Aber du probierst es wiedermal?"

Ich brumme nur. Nur damit Tim zufrieden ist. Doch wahrscheinlich hätte der Kuss auch genügt, den ich ihm auf den Mund drücke.

 

8. September - Floß

 

Der Schwulian ist einer, den kannst du nicht vergessen. Auch wenn du es dir vorgenommen hast. Denn man sieht ihm nicht nur an, dass er homosexuell ist, nein, viel dramatischer ist die Tatsache, dass er ein weiteres Schwein im Stall der Perversen darstellt.

Das erste, was er von uns - speziell von mir - verlangte, war ein Striptease. Ohne Mist, ich sollte meine Hüllen fallenlassen. Ich weigerte mich. Deswegen stehen Tim und ich nun auch dumm da und wissen nicht, ob wir flüchten oder eine Schlägerei anzetteln sollen. Doch das Schicksal hat mal wieder mitgedacht. Es schickt nämlich Vic. Ja, Vic. Dieser schreitet nämlich nur mit einem Handtuch um den Körper aus dem Badezimmer. Ich raffe nichts mehr. Vic scheinbar auch nicht. Seine Augen fallen beinahe aus den Höhlen.

"Bin ich hier bei der Comedyfalle?", blaffe ich Schwulian an, der jedoch nicht so schnell antworten kann wie Vic fluchen.

"Verpiss dich", wettert er und Tim und ich folgen prompt seiner Aufforderung.

 

"Was sollte das jetzt?", frage ich Tim, als wir endlich der Höhle des Löwen entkommen sind. Tim allerdings schaut nur ratlos und schüttelt den Kopf. Ja, genau so sieht es auch in meinem Inneren aus. Nur einen Zacken aggressiver.

"Also ne Floßfahrt sollte das bestimmt nicht werden", nuschle ich. "Dafür zieht man sich zwar auch aus, aber nicht komplett. Alter, der wollte mich nackig sehen und wer weiß was dann noch gekommen wäre. Und was hat Vic mit dem zu tun? Mag sein, dass die sich durch die Schwulenszene kennen, aber wenn Mr Schwulschwul wirklich alle seine Gäste zunächst bittet, sich freizumachen, sollte man vielleicht mal das bunte Auto kontaktieren."

Ich bin in Rage, Tim schweigt. Was soll er auch sagen? Die Hintergrundinfos kennt er ebenso wenig wie ich.

Und ja, ne Floßfahrt sollte das nicht werden. Garantiert nicht.

 

9. September - Kneipe

 

Wir einigten uns darauf, dass Schwulian und Vic plemplem in der Birne sind. Dass es der passive Analsex sein könnte, der blöde macht, wollte Tim allerdings nicht hören.

Da der Arbeitstag anstrengend war und ich nur noch pennen will - nachdem mir Tim einen Blowjob verpasst hat und dann vor Erschöpfung weggeschnarcht ist - lasse ich es gut sein. Man sollte sich seinen Energievorrat für die schönen Dinge des Lebens aufheben.

 

Aber nichts da mit schönen Dingen. Wir schlafen friedlich in unserem Bett, als ich plötzlich durch ein Türklingeln aufschrecke. Sauer sowie schlaftrunken erhebe ich mich, hoffend, die Herrin wäre nicht erwacht und ließe mich wegen des Krachs meine Rache spüren. Obwohl ich gar nichts dafür kann. Selbst als ich die Stimme am Sprechautomaten als die Vics identifiziere, trifft mich keine Schuld. Hab ich mir ausgesucht, Vic zu kennen? Ja, kann schon sein. Trotzdem.

 

In Unterhosen stehe ich im Türrahmen, als Vic samt einer zweiten Person erscheint. Erwartungsvoll lege ich meinen Kopf schief. Die kommen bestimmt aus der Kneipe.

"Was soll das jetzt?", pampe ich, als sich die Person Nummer zwei als Felix entpuppt. "Ich hab keinen Bock auf euch, schon gar nicht jetzt."

Vic aber hat die Maske mit dem Hundeblick aufgesetzt.

"Jascha...wir wären nicht hier, wenn es nicht dringend wäre. Dürfen wir bei dir pennen?"

Hab ich ein Gasthaus, oder was? Aber sie haben Glück. Ich bin zu müde, um mich aufzuregen. Am nächsten Morgen werde ich es sicher bereuen, 'ja' gesagt zu haben. Momentan will ich nur zurück in meine Kiste und zu meinem warmen Freund. Zu meinem warmen Berlinerchen. Scheiße, wie schwul denke ich eigentlich mitten in der Nacht?

 

Vic und Felix sollen die Nacht in meinem Zimmer verbringen. Wo und wie sie pennen ist mir egal. Ich glaube, ihnen auch. Na dann gutes Gelingen, Sandmännchen.

 

10. September - Wir kommen ins Geschäft

 

Ich wusste es. Seit Anbeginn der gemeinsamen Zeit mit Benjamin plagte mich dieses seltsame Gefühl im Bauch. Die Sache mit den Shemales, den Pornos und der Masturbation auf der Personaltoilette - all diese Dinge ließen mich an der Reinheit dieses Antagonisten des Drehbuchs 'Mein Leben' zweifeln. Und jetzt ist es offiziell: Benjamin hielt sich Vic und Felix, damit sie ihm das große Geld verschafften. Vic stellte den aufstrebenden Pornostar dar, die Shemale, die keine ist, und Felix musste auf den Strich gehen. Ohne Mist. Ich habe auch blöd geguckt. Denn: Welcher Idiot sucht sich ausgerechnet Felix aus, um sich einen Orgasmus zu verschaffen? Eben, niemand. Niemand außer Vic. Und vielleicht noch Benjamin.

 

Wir kommen ins Geschäft. Vic und Felix sind nun meine Sklaven. Aber ich benötige sie lediglich für das Tragen der Einkaufstüten. Mein Genussmittel ist und bleibt Tim.

"Und dann seid ihr abgehauen?", fragt Tim noch immer etwas ungläubig in die Runde. Ich reiße jedoch das Wort an mich, noch ehe mein Freund erneut den Mund aufmacht und weitere unintelligente Sachen herauspurzeln.

"Schön blöd seid ihr", grummle ich, den Einkaufswagen vor mir herschiebend und lecker Nutella einladend. "Hättet ihr dem doch aufs Maul gehauen, als ihr gemerkt habt, dass Benni-Boy euch ausbeutet."

Benni-Boy wollte Vic nämlich mit einem fremden Typen vögeln lassen. Für Geld. Und so ne Schlampe ist nicht mal mein kleiner, femininer Ex.

Felix hatte ne Tracht Prügel angedroht bekommen, weil er nicht genug Geld auf dem Strich eingesammelt hatte. Mh. Der Kerl scheint echt für jeden der Boxsack zu sein. Wenn du dieses Gesicht siehst, beginnt deine Faust ein Eigenleben zu führen.

Trotzdem, Benjamin ist doof. In dem Punkt sind wir uns alle einig.

Vic und Felix sagen nichts mehr. Selbst dann nicht, als ich dem Emolein in den Arsch fahre. Es ist aber auch reizvoll.

 

 

11. September - Waschlappen

 

Es ist vollbracht. Sozialstunden abgeleistet. Adieu, Altersheim und vor allen Dingen adieu, Benjamin! Am liebsten hätte ich ihm zum Abschluss einen Waschlappen rektal eingeführt. Aber so schmerzpervers war ich doch nicht.

Meine masochistische Ader blüht ohnehin in allen möglichen Farben, denn Felix und Vic hängen rund um die Uhr bei mir ab. Keine Ahnung, wieso. Vielleicht sehen sie in mir eine Vaterfigur. Beide wissen schließlich, wie gut ich im Ernstfall zuhauen kann; Beton ist meiner Eisenfaust dennoch zu hart. Nein, meine lieben Kinderchen, ich werde Benjamin nicht das geben, was er verdient. Denn ich hänge an meinem Leben. Und Tim liegt auch viel daran, dass es mich noch eine Weile gibt. Schließlich besteht sein Lebensziel darin, meinen Arsch zu penetrieren.

Aber nicht heute. Heute wird gefeiert, denn ich bin ein freier Mann. Natürlich wohnen auch Felix und Vic dem freudigen Ereignis bei, obwohl ich gemeinsam mit Tim und Alkohol meine Privatsphäre genießen wollte. Doch wenn sie schon mal da sind...

Angetrunken bin ich, als sie eintreffen. Breitbeinig sitze ich auf dem Bett, die Pulle in der Hand.

"Tanzt, ihr Nutten, der König hat Laune!", gröle ich, glaube aber, die Kleinen nehmen mir den Spruch übel. Dabei bin ich wirklich König.

 

12. September - Umschlag

 

"Tuffi!"

Was will der denn jetzt schon wieder?

"Nicht vor den Kindern", weise ich Tim zurecht. Vic und Felix sollten eigentlich nicht von meinem peinlichen Kosenamen erfahren. Nun aber wissen sie alles. Und sie kichern dumm.

"Hahaha!", äffe ich sie ärgerlich nach. Wie sie da vergnügt auf diesem Mauervorsprung sitzen und die Beine baumeln lassen. Nun lachen sie sogar noch mehr. Ich sollte echt andere Töne anschlagen. Benjamin hat mit seinen Erziehungsmethoden vielleicht gar nicht so danebengelegen. Außerdem: Es ist noch gar nicht lange her, da empfand Vic meine sexuellen Qualitäten so herausragend wie die eines Lutschers. Und Felix hatte ursprünglich mal Angst vor Onkel Jascha. Und jetzt? Jetzt sind sie frech. Einfach nur frech.

"Ich bin noch lieber Tuffi als Shemale", wettere ich weiter. Ha, endlich bleibt dem Blondchen das Lachen im Halse stecken. "Ist doch so", trete ich nach.

Tja, so ist das halt. Wer bei mir Asyl beantragt und mir noch Tage später auf die Pelle rückt, der wird eben gemobbt.

"Pass du nur auf", erhebt Vic seine Stimme. Er versucht drohend zu klingen, glaube ich.

"Irgendwann kannst du deine Zähne im Umschlag aufbewahren."

Höhö. Der Kleine will mich schlagen. Der ist doch genauso ein Pussyfighter wie Tim. Von Felix ganz zu schweigen. Wie ich mich fürchte.

"Tuffi", höre ich nun wieder Felix leise brummeln. Dann grunzt er vor Vergnügen. Und Vic stimmt ein. Er ist wohl schon nicht mehr sauer.

Während die beiden Spaß haben, wende ich mich an Tim.

"Schön!", rüge ich meinen Freund. "Warum gehst du nicht gleich ins Fernsehen damit?"

Tim aber schlingt mir von hinten seine Arme um die Hüften und legt den Kopf auf meine Schulter.

"Böser Jascha. Arwww", macht er und klingt dabei wie ein Hund, der sein Schnuffeltuch zerfetzt.

Na schönen Dank auch. Die machen mich alle so fertig.

 

 

13. September - Geschichten erzählen

 

Da sitzt er, der Pimpf. Wenn Vic für eine Sekunde von seiner Seite weicht, dann ist er wieder der kleine, ängstliche Neurosenemo, den ich kennengelernt habe. Plötzlich scheint er sich wieder vor mir zu fürchten. Aber gestern eine große Fresse haben und über Tuffi lachen.

Warum ich mich überhaupt mit ihm abgebe, fragt ihr euch? Tja, so steht es im Drehbuch meines Lebens. Es ist mein unvermeidliches Schicksal, ihn ertragen zu müssen. Im Grunde ist Satan an allem Schuld. Denn ich bin sein kleines Püppchen, dessen Gelenke er mit Stricken bewegt. Manchmal hoffe ich, die Fäden würden sich verheddern und sich ungünstig um meinen Hals schlingen, aber in meiner Rollenbeschreibung steht nicht, dass ich selbstmordgefährdet bin. Nur in Felix' Steckbrief findet eben jenes Adjektiv Erwähnung.

 

Besagter sitzt auf meinem Bett. Ja, auf meinem Bett. Nun ist es verseucht mit schwarzer Emotionalität. Doch ich sage nichts dazu. Vielmehr ist es Felix, der plötzlich die Fresse aufmacht. Das macht mich so sprachlos, dass ich einfach nur zugucken kann, wie die Katz von ihrem Kapuzenhoodie imaginäre Fusseln abzupft, während sie es nicht wagt, mich anzuschauen.

"Ich wollt mich wegen der Anzeige entschuldigen", entweicht es kleinlaut seinen kleinen, blassen Lippen. "Habs ja eh verdient, dass du mich geschlagen hast. Ich hab falsche Geschichten erzählt, ich bin ein Arschloch, ein -"

"Ist ja gut", mache ich dem geballten Selbsthass ein Ende. Eigentlich habe ich keinen Bock mehr, mich über den Vorfall aufzuregen. Vorbei ist schließlich vorbei.

Als ich bemerke, dass der Ärmel von Felix' dicken Kapuzenhoodie ein Stück hochgerutscht ist und sein zerschnittenes Handgelenk freigibt, vergeht mir sowieso alles.

"Zieh das runter", weise ich den Kleinen mit einem Blick auf die Stelle hin, die mich schwach macht. Hastig leistet er dem folge. Doch gegen die Gänsehaut auf meinem Rücken hilft das auch nicht mehr. Brr.

 

 

14. September - Der Schuss ins Blaue

 

Auch wenn Vic und die Ritzekatz neben Tim momentan einen großen, meiner Meinung nach viel zu ausladenden Platz in meinem Leben einnehmen, so wird mir bald bewusst, dass es auch noch anderes, intelligentes Leben auf diesem Planeten gibt. Nun, die Anzahl der grauen Zellen in mancher Menschen Hirn scheint äußerst begrenzt zu sein. So begrenzt, dass man seinen Ausweis vorzeigen muss, um die Gefahrenzone passieren zu können. In Moos Birne ist jedenfalls der Knisterspaß ausgebrochen.

 

"Mein Bruder kommt."

"Ich hör nichts."

Ich versuche, witzig zu sein, doch meinen Versuch entpuppt sich als Schuss ins Blaue, genau wie der Orgasmus von Moos Bruder. Obwohl sich eher sein Körper von A nach B zu bewegen droht als dessen Manneskraft.

 

"Nächste Woche kommt er."

Ich erinnere mich, dass Moo kein Einzelkind ist. Dass sein Bruder auf keinem Familienfoto zu sehen ist, gibt mir zu denken. Entweder, er ist potthässlich oder würde mit seiner Schönheit die ganze Jakob-Sippe in den Schatten stellen. Ich tippe auf ersteres. Denn Moos Eltern können einfach keine attraktiven Gene verbreiten.

 

"Ist er cool?", will ich wissen. Moo zeigt sich emotionskarg.

"Deine Witze werden dir im Hals stecken bleiben", sagt er nur, während ich grüble, was er wohl damit meint.

 

15. September - Hilf mir

 

Man nimmt an, dass ein Großstadtkind schon in jungen Jahren alles von der Welt gesehen hat. In Berlin vereinen sich schließlich die Kulturen, genau wie die Subkulturen. Und trotzdem verstören diese einen noch manchmal.

 

Ich dachte, solche wie Felix gehören eigentlich in die Geisterbahn. Doch die Katz erscheint armselig, wenn man bei Edeka an der Kasse steht und vor einem ein nach Schweiß stinkendes, langhaariges Tier Bierflaschen auf dem Band aufbaut. Ich hätte ihm gern mitgeteilt, dass Wasser seinen Loden nicht schadet, doch diese schwarzgekleidete Mischung aus Bär und Mensch ist bewaffnet. An ihrem Arm prangt ein Lederband mit Stacheln. Sofort bin ich mir sicher, dass dies ein Sadomasospielzeug ist, denn seit Tim denke ich bei langen Gegenständen zweideutig. Ich kann nicht einmal mehr an den Gurken vorbeigehen, ohne blöd zu grinsen.

 

Im Moment grinse ich allerdings kein Bisschen. Dieser Typ ist gefährlich, sagt meine männliche Intuition. Und obwohl ich mich verteidigen kann, liebäugle ich mit den Einkaufstüten.

Vielleicht nimmt er es nicht mit kopflosen Gegnern auf. Vielleicht steht er aber darauf, netten Menschen die Luft abzuschnüren, mitten im Einkaufszentrum. Schließlich sind wir alle ein bisschen hardcore.

Trotzdem.

Ich bin froh, dass ich es bin, der ihn von hinten sieht.

 

16. September - Hoffnung

 

Oma hat bald Geburtstag, ob ich will oder nicht. Und ich will definitiv nicht. Jeder weiß, dass Oma-Geburtstage zum Sterben langweilig sind.

Die Herrin besteht darauf, dass ich an ihrem Ehrentag teilnehmen soll. Faselt irgendwas von 'es könnte das letzte Mal sein', weil Oma nicht mehr die Jüngste ist. Und selbst ich bin nicht so böse, dass ich es wage, Hoffnungen zu hegen. Obwohl es mir auch egal ist, wenn man die Früchte, die ich säte, operativ entfernt. Zum Glück mag Tim Arschlöcher. Und ich auch.

 

"Hat Oma noch diese verdammte Katze?", will ich von meiner Mutter wissen. Sie schüttelt den Kopf.

"Die ist gestorben."

Man merkt, dass ihr das Theatralische liegt. Ganz im Gegensatz zu mir bodenständigem Hinterloch.

Die Katze ist also tot. Obwohl ich sie als ‘verdammt‘ bezeichnet habe, mochte ich sie, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Sie war vor Tim die einzige, die sich gerne von mir streicheln ließ. Meine magischen Hände brachten sie stets zum Schnurren. Und nun ist dieses Drecksvieh verreckt und ich habe bei Oma nichts zum Befummeln. Sich bei Kaffee und Kuchen am Schritt zu spielen, kommt nicht so gut.

 

"Kann ich Tim mitnehmen?"

Dass die Herrin nicht 'Ja!' schreiend um den Ecktisch rockt, entsprach meinen Erwartungen. Schade ist es dennoch.

Sie guckt mich so lange zerknirscht an, bis ich klein bei gebe.

"Vergiss doch mal, dass Tim und ich...den Teufel bilden. Er ist trotzdem mein Kumpel, egal wie heftig das Bett in der Nacht klappert."

Ich hege Hoffnungen, denn Sprachlosigkeit von Seiten meiner Mutter ist als gutes Zeichen zu werten. So auch heute.

"Aber ihr behaltet eure Finger bei euch!", verlangt sie, und ich verspreche es.

 

Erst später fällt mir ein, dass Tim aus dem Grund mitkommen sollte, weil die Katze tot ist und ich meine Finger eben nicht bei mir behalten wollte.

 

17. September -  Jung und Alt

 

"Du willst mir an den Sack gehen, während deine gebrechliche Oma in ihrem russischen Kaffeetässchen rührt? Willst du, dass sie einen Herzinfarkt erleidet?"

An manchen Tagen ist Tim zu vernünftig für mich. Wenn er auf dem Oma-Geburtstag ebenfalls den Spießer heraushängen lässt, werde ich den Hahn des Samowars befingern und nicht Tims. Hart sind die Dinger beide, und aus beiden fließt manchmal warmes Wasser. Nicht, dass ich darauf stehen würde. Ich nasche lieber von der Kaffeesahne.

 

"Einen Scheiß will ich", erwidere ich. "Es ist nur so, dass ich einen Kulturschock erleide, wenn ich mich lange mit alten Leuten umgebe."

"Im Altersheim musstest du dich stundenlang mit ihnen abgeben."

"Ja, und irgendwann mochte ich Spitzentischdecken."

Er wirkt skeptisch. Ich hasse das, denn es bedeutet, dass Tim sein Gehirn überbeansprucht. Und ein überbeanspruchtes Hirn fickt nicht gern. Meine Ausnahme bestätigt die Regel.

 

Eigentlich will ich über dieses Thema nicht reden. Viel lieber will ich mit Tim im Bett bleiben. Zum Glück gehört dieser Abend nur uns. Vic und Felix sind noch im Kindergarten.

 

"So gebrechlich ist meine Oma gar nicht", erkläre ich Tim. Eine seiner Haarsträhnen klebt an seiner leicht schwitzigen Stirn. Ich bin so heiß, dass sich seine Poren öffnen. Ich bin ein Samowar. "Wahrscheinlich wird sie mich mit ihrem Kaffeetässchen erschlagen, wenn ich unorthodoxe Dinge tue. Du kennst die russischen Frauen nicht. Total rabiat sind die."

Eine meiner Hände schleicht sich auf Tims Oberschenkel.

"Lass mich dir zeigen, dass auch in mir eine russische Frau steckt."

"Wow, bist du männlich. Tuffi. So männlich wie deine eigene Großmutter."

Tim grinst, und ich fühle mich alt. So alt, dass ich mir plötzlich beigefarbene Schuhe wünsche.

 

Fazit: Alte Menschen und Subkulturen machen mich krank. Und ich habe mit beiden intensiven Kontakt. Aber nicht so intensiven wie mit Tim.

Ich bin doch nicht pervers.

 

 

18. September - Bett

 

Vic ist wie eine Kakerlake auf den Kanaren. Diese sind in Hotels willkommen, sogar im Doppel- oder Dreierpack.

Vic kommt auch im Doppelpack. Doch heute scheint er allein zu sein, was seine offensichtliche Langeweile suggeriert. Denn als ich ihm im Flur begegne, bemerke ich, dass er etwas trägt, was ihm nicht gehört. Man sagt Männern nach, dass sie nichts mitbekommen, doch meinem Adlerauge entgeht nichts. Vielleicht liegt es auch daran, dass dieser Lederrock meine Sexualsynapsen aktiviert. Zumindest, wenn Vic ihn trägt.

 

Ich packe ihn am Arm. So heftig, dass er doof kreischt.

"Woher hast du den her?", will ich wissen, deute unter seine Gürtellinie.

"Gefunden", erwidert die Blondine eingeschnappt.

"Meine Mutter poliert dir deine Puderfresse." Doch Vic zeigt sich unbeeindruckt und versucht, meinem Griff zu entkommen. "Nicht, dass du dich wunderst."

Was erwidert die feine Dame daraufhin?

"Geh doch ins Bett, Jascha."

"Das werde ich tun, mein Täubchen", rufe ich ihm hinterher. "Aber nicht mit dir."

Obwohl sein Arsch in dem Rock tatsächlich gut zur Geltung kommt. Aber er erinnert mich an meine Mutter. Und daran, dass Tim mich umbringen würde. Oh ja, das würde er. Er mag vernünftig und schmerzpervers sein, aber er würde mich köpfen. Das spüre ich.

 

19. September - Es grünt so grün

 

Ja, ich bin auch der Meinung, dass wir kein Heim für benachteiligte Jugendliche bilden. Und ich stimme dir zu, Mutter, dass wir etwas ändern müssen. Doch dass du mir drohst, mich auf die Straße zu setzen, nur, weil ich ein gutes Herz habe, geht zu weit. Und noch weiter geht, dass du Tim als verschrobenen Bengel bezeichnest. Natürlich entspricht dies einer Tatsache, aber darüber müssen wir uns nicht streiten.

 

"Die haben schlechten Einfluss auf dich. Schau sie an..."

Besonders von Vic habe ich mir schon viel angeschaut. Von Tim ganz zu schweigen. Meine Knutschpuppe erkenne ich an der Form ihrer Sacknaht. Habe ich Tim in Gedanken gerade Knutschpuppe genannt? Es grünt so grün in deinem Kopf, Jascha. Deine Mutter hat Recht. Leider. Es sind die Schwulitäten, die seltsame Keime in meinen Kopf pflanzen, aus denen giftige, aber unwiderstehliche, pinkfarbene Pflanzen erblühen. Hilfe.

 

"Entweder, sie verschwinden, oder ich muss böse werden."

"In meiner Brust schlägt ein Herz in der Größe eines Walrosssackes! Ich-"

"Hör auf, die Mutter Teresa zu spielen", fällt sie mir ins Wort. "Du rast mal mit 180 in die Hölle. Da hilft keine Tarnung."

Ich hab noch mein Kinder-Engelskostüm. Das wird mir zur Seite stehen. Du wirst sehen.

 

20. September - Spielereien

 

Ich wittere sie regelrecht, die Spitzentischdecken. Und ich weiß, dass meine Nase mich nicht getäuscht hat, als ich sie erblicke. Es wird nicht lange dauern, bis ich eine besitzen möchte. Alles nur eine Frage der Zeit.

Oma guckt Tim aus ihren kleinen Äuglein an, als ich ihn als meinen Kumpel vorstelle. Wahrscheinlich wittert sie auch was. Die gute Nase scheint in der Familie zu liegen.

Noch sagt sie nichts. Erst als wir am Tisch sitzen und ich die dämliche Katze vermisse, legt sie los.

"Heutzutage lässt man abartige Spielereien zwischen Männern gewähren", erklärt sie in ihrem Kaffeetässchen rührend. "In der Heimat hat man früher an Homosexualität erkrankten Knaben die Hoden abgeschnitten."

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Zumindest wage ich es nun nicht mehr, meine Hand auch nur ansatzweise in Tims Richtung wandern zu lassen.

Eigentlich hatte ich vermutet, auch Tim würde nun seine Fresse halten, nachdem ihm demonstriert worden war, wie hardcore russische Frauen sind. Doch nichts da.

"Na ja", sagt er und schlürft an seinem Tässchen. "Man kann auch ohne Eier Spaß haben."

Ich trete ihm so doll auf den Fuß, dass er fast in den Tee kotzt.

Wahrscheinlich hilft beim Austreiben mancher Meinungen nur eine Reitgerte.

 

 

21. September - Tradition

 

"Aber Jascha! Wir können nicht heim!"

Vic mutiert zu meiner Mutter. Nicht nur kleidungstechnisch.

Sogar der sonst so apathische Felix ist ganz aus dem Häuschen. Dass Vic Angst hat, kann ich nachvollziehen. Aber Felix? Ich dachte, der liebäugelt mit seinem Untergang. Und für diesen würde sich nun die beste Gelegenheit bieten.

"Der Arsch ist in unserem Haus."

"Der Arsch ist aber auch hier. Der Arsch ist überall."

"Wir meinen nicht dich", widerspricht Vic. "Du bist der Vogel."

Schmeichelhaft. Ich verziehe keine Miene.

Felix zupft zaghaft an meinem Ärmel. Er berührt mich. Ich muss zum Arzt. Mich gegen Tollwut impfen lassen.

Ängstliche Kulleraugen schauen zu mir auf. Ich bin der Papi. Ein Rollenspiel, das mich nicht geil macht.

"Kannst du Benjamin nicht...aus der Wohnung prügeln?"

"Können schon", sage ich. "Aber ich bin nicht lebensmüde. Das solltest du nie vergessen. Wer von uns vergnügt sich mit der Rasierklinge, huh?"

"Lass ihn." Vic stellt sich schützend vor das kleine, hilflose Ding. Vic ist die Mama. Ein Rollenspiel, das mich ebenfalls nicht geil macht. "Die Tradition sieht es vor, dass der Mann auf die Jagd geht."

Den wilden Bären Benjamin möchte ich trotzdem nicht erlegen. Schließlich bin ich nur ein stinknormaler Vater. Nicht Herkules.

 

 

22. September - Jemandem eine Freude machen

 

Da wandelt man still und leise durch die heiligen Hallen des Alexas, hat ursprünglich nichts Böses im Sinne, erfährt aber von einem Augenblick zum anderen eine Gefühlsdrehung um 180 Grad, ob man will oder nicht.

Von weitem erkenne ich Moos bemützten Schädel. Ich würde ihn unter Tausenden erkennen mit seinem dämlichen Yolo-Cap, egal, in welch reizender Begleitung er sich befindet. Heute ist seine Begleitung allerdings höchst angsteinflößend, wenn nicht gar dazu prädestiniert, bei mir Deja-Vu-Erlebnisse allererster Klasse hervorzurufen. Gedanklich bin ich plötzlich wieder bei Edeka und sinniere darüber, ob der langhaarige Typ vor mir auf einseitig lustvolle Erstickungssspielchen bei Hoppern steht. Denn Moo hat einen Artgenossen dieses Monstrums an seiner Seite.

Als die beiden auf mich zuschlendern, dämmert mir vieles. Worte, vorgetragen mit Moos Stimme, sausen mir durch den Kopf.

Bruder. Nächste Woche. Ratter, ratter.

Mit einem Mal verstehe ich, wieso von diesem unbekannten Wesen, das sich anscheinend Moos Bruder schimpft, keine Fotos existieren. Menschen wie es ruinieren jede Familienehre, wenn man mich fragt. Tiere gehören ohnehin nicht ins Wohnzimmer. Und dieses Kaliber dort kann man nicht als Homo sapiens bezeichnen. Alle Mythen von Fabelwesen werden plötzlich wahr. Mein inneres Kind freut sich. Mein äußerlicher Erwachsener dafür weniger.

 

Wir machen Bekanntschaft. Ich gebe ihm nicht die Hand, weil ich bei den Bären im Zoo auch nie blöd genug gewesen war, um meine Hand durchs Gitter zu stecken. Außerdem glaube ich, dass auf dem Bärenplaneten, von dem dieser Moo-Bruder kommt, keine Hopperbegrüßungen üblich sind.

Er ist groß. Bestimmt zwei Meter. Hat lange, dunkle Haare. Eigentlich will ich gar nicht, dass ich ihn kennenlerne. Da mein inneres Kind ohnehin aktiviert wurde, verschränke ich die Arme und gucke skeptisch empor zu diesem schwarzgekleideten Bärenmacker.

"Mach mir ne Freude und verpiss dich", sage ich, doch schließlich bin ich es, der sich zum Gehen abwendet.

 

23. September - Intelligent

 

Wir sollten besorgt sein. In unserer Runde befindet sich ein Zoophiler. Obwohl man Felix auch nicht gerade als menschlich bezeichnen kann. Und einen Katzenbär gibt es ja wirklich. Dass dieser im Grunde ganz nett aussieht, kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Sollte Felix sich tatsächlich mit diesem Metalhead-Max paaren, kommen sicherlich ziemlich missgebildete Gestalten heraus, die schon von der Psyche her nicht lebensfähig sind. Sozusagen Lemminge. Kleine Selbstmordhäschen. Man sollte sich meiner Meinung nach gründlich überlegen, ob es für die Allgemeinheit gut ist, sein Erbgut weiterzugeben. Aber so intelligent ist Felix nicht. Er denkt nur an die nackte Paarung. Den Blick, den er an den Tag gelegt hat, als er heute auf Max gestoßen ist, kenne ich wie meine Westentasche. Tim guckt mich auch immer so an, und dann will ich ihn am liebsten fragen, ob er schwul ist, weil dieser Blick echt homo aussieht. Dass sich diese Frage erübrigt, muss nicht erwähnt werden.

 

Aber zurück zu Felix. Ich weiß nicht, was Max über ihn denkt. Ob er überhaupt Emos mag. Oder ob er die Katze ohnehin als zu jung für sich einstuft. Der Bärenmacker ist nämlich schon Mitte zwanzig. Gegen den sind wir alle noch Kinder. Der Typ würde sich strafbar machen, wenn er Felix mag. Obwohl sich eigentlich jeder strafbar macht, der Felix mag.

 

Als ich die Katz nach Max' Verschwinden auf meinen Verdacht anspreche, beißt er fast in Gras, anstatt es zu rauchen.

"Ey, gibs zu. Deine kleine Spritzgurke konnte kaum noch an sich halten wegen diesem Viech."

"Leck mich", ist die einzige Antwort, die ich erhalte.

"Nee, danke, mein Arzt hat mir das Naschen verboten. Aber interessant, was deine Klöten dir zu sagen diktieren."

Er tut komisch. Und ich lasse es darauf beruhen. Fühle mich intelligent wegen dieses Spruchs.

Nun weiß ich, wer von Felix' IQ zehrt.

 

 

24. September - Taschentuch

 

Ich weiß nicht, wo Vic sich herumtreibt, wenn ich nicht gucke. Ich weiß aber, dass er die meiste Zeit in seinem Kindergarten für Verrückte verbringt. Und so wie es aussieht, hat er dort einen Gleichgesinnten getroffen. Ich frage mich, wo diese geschlechtsverwirrten Dinger produziert werden.

 

Das Wesen heißt Dominik. Oder Dominique, weil es darauf besteht, einen Frauennamen zu tragen. Ich stelle fest, dass es genauso schlampig gekleidet ist wie Vic. Huh. Yeah.

"Gleich mal geradeaus durchgehen", rutscht es mir heraus. Es muss sein. "Und dann einfach freimachen und auf Anweisungen warten. Du kennst das sicher."

Dominique guckt mich an, als wäre er nicht intelligent. Wahrscheinlich ist er es auch nicht. Blondinen sagt man ja so was nach. Und Dominique ist richtig krass weißblond.

 

Vic flüstert ihm etwas zu. Anschließend ernte ich missbilligende Blicke, und keiner schlendert geradeaus weiter.

Schade. Einen Porno mit Vic und Dominique in den Hauptrollen stelle ich mir geil vor. Um ehrlich zu sein, hammergeil. Toll, jetzt habe ich Kopfkino. Und kein Taschentuch zur Hand. Dabei könnte ich losspritzen, wenn ich nur an die beiden falschen Mädels denke.

Ich muss Tim finden, damit er mir diese Flausen austreibt. Mit der Reitgerte. Wir sollten uns tatsächlich eine zulegen.

 

25. September - Plagen

 

Manche Leute verdienen noch nicht einmal das Prädikat 'Merkwürdig'. Manche Leute sind so übertrieben WTF?, dass ich glaube, mich auf dem falschen Planeten zu befinden. Und damit meine ich noch nicht einmal Vic oder Felix.

Den Bärenmacker sehe ich nun öfter. Leider auch von geringer Distanz. Sehr geringer Distanz. Anscheinend hat ihn mein schrulliger Begrüßungskommentar nicht abgeschreckt.

 

Er guckt mich schon die ganze Zeit schweigend an. Hin und wieder nimmt er einen Zug von seiner Zigarette. Ich will, dass das aufhört. Dass er aufhört. Zu existieren am besten.

Doch er hört nicht auf. Irgendwann lehnt er sich zu mir vor. Er riecht nach verdammter Erde. Ich wusste nicht, dass Bären unterirdisch leben. Er soll sich wieder eingraben. Aber anstellte mustert er mich ausgiebig. Wenn er anfängt, zu schnüffeln, sage ich ihm, dass ich keinen potenziellen Paarungspartner darstelle und man mein Geschlechtsteil ohnehin nicht riechen kann, weil ich mich wasche.

 

Er deutet auf die Stelle unter seinem Auge. Genau dorthin, wo ich mein winziges, umgedrehtes Kreuztattoo trage.

"Das ist aber nicht das satanische Kreuz", sagt er. Seine Haut besitzt so große Poren. Sie ist derb wie Leder. Ein ganz schreckliches Tier. Früher hat man aus solchen wie ihm Schuhe gebaut.

"Klar ist das eins." Der will mich wohl verarschen.

Plötzlich wendet er mir den Rücken zu und zieht sein Shirt nach oben. Zum Vorschein kommt ein...Muster.

"Das ist ein satanisches Kreuz", erklärt er mir.

"Sieht eher aus wie diese Schlange, die Apotheken gerne verwenden", murre ich, woraufhin der Bär belustigt schnaubt und den Kopf schüttelt. Als wäre ich ein dummes Kind.

"Typischer Kommentar von so nem Hipsterknollo", sagt er. "Denken, die sind böse mit ihrem Petruskreuz."

Ich bin auch böse. Ich kann es ihm gerne zeigen. Aber ich habe meinen Stolz und meine Ehre.

Hipsterknollo. Ey, ich brauch dringend einen Spaten.

 

26. September - Vorhersehung

 

Wer meint, ich hätte mich über diesen blöden Bärenmacker zur Genüge geärgert, irrt. Dass ich ihn interessiere, macht mir ohnehin Sorgen. Aber dass er behauptet, ich müsste etwas für meinen Muskelaufbau tun, geht zu weit. Habe ich mich beschwert, dass ich nicht so ein Bodybuilder-Tier wie er bin? Will ich Türsteher werden?

 

Ich kotze mich bei Tim aus. Und was tut der Kunde? Er schmunzelt bekloppt vor sich hin. Typisch.

"Was lachstn da?"

Tim zuckt die Schultern.

"Bloß so."

"Ey, erzähl nicht. Du denkst auch, dass ich ein Spargel bin."

"Spargel wird gestochen, aber du würdest eher auf dem Feld verrotten."

Das Thema. Bah.

"Du weichst aus."

"Nö."

"Ey, der will mich ins Fitnessstudio schleifen! Ich glaub, er mag mich. Gibt dir das nicht zu denken?"

Sag jetzt nichts Falsches.

"Du magst ihn aber nicht."

"Fakt."

Er lehnt sich entspannt zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkt.

"Dann geh mit ihm ins Fitnessstudio. Verschaff mir ne starke Schulter, an der ich mich anlehnen kann."

"Du bist so gay, Alter."

Ich sehe uns schon förmlich. Wir beide auf dem Cover eines Groschenromans. Tim die holde Maid. Ich mit breiter Brust. Und Max, der Wilde aus dem Wald.

Geht echt gar nicht.

 

27. September - Jahrmarkt

 

Wenn Tim manche Dinge wüsste, die er aber nicht weiß, würde ich schon längst wie eine ausgediente Puppe in irgendeiner Ecke liegen, sexlos und allein.

 

Ich bin tatsächlich mit Max ins Fitnessstudio gegangen. Einfach, weil ich Langeweile hatte. Und weil sich in Fitnessstudios meist hübsche Mädchen tummeln.

Tatsächlich habe ich ein paar Titten zu Gesicht bekommen, aber das wars dann auch. Man hat es nicht leicht, wenn man als Hetero in einer Beziehung mit einem Mann lebt. Man muss vieles unterdrücken. Doch zum Glück nicht den Harndrang.

Ich bin nach wenigen Trainingseinheiten erledigt, sage allerdings, dass ich mal für kleine Spargelstecher muss. (Tim ist nämlich auch nicht gerade muskulös.)

Zu meinem Leidwesen hat Max zur selben Zeit Harndrang wie ich. Wir stehen also nebeneinander am Pissoir. Und ich falle fast mit der Fresse in das Becken, als er sein Ding rausholt.

Mit einem Menschen hat das nichts mehr zu tun.

Nun bin ich mir endgültig sicher, dass der Bärenmacker auf den Jahrmarkt gehört, am besten in die Freakshow. Der Typ hat nen dritten Unterarm zwischen den Beinen. Ohne Mist.

 

Wenn Tim das wüsste, würde er von mir verlangen, dass ich Sport treibe, der die Schwanzgröße fördert und auf Muskeln scheißen.

 

28. September - Der Sprung ins kalte Wasser

 

Es kristallisiert sich immer deutlicher heraus: Das Auftauchen von Max ist die größte Katastrophe, die meinem jungen Leben jemals widerfahren ist. Bald schon wird mich kein Arsch mehr anschauen, und das Cover, das den Muskeljascha zeigt, wird niemals gedruckt werden. Denn der Antagonist wird die Hauptrolle an sich reißen und das schöne Mädchen ficken. Obwohl Tim als Mädchen absolut untragbar ist.

 

Wieso kann ich nicht hin und wieder ein bisschen wie Felix sein, jederzeit dazu bereit, seiner Existenz zum Abschied leise Lebewohl zu sagen? In dem Falle nämlich wäre ich derjenige gewesen, der als großer Held genau in diesem Augenblick gefeiert wird. Und nicht Max, der ohne großes Flehen von Vic und Felix in die Höhle des Bären Benjamins einmarschiert ist und diesem den Marsch geblasen hat. Einfach so ist er ins kalte Wasser gesprungen und hat ihn schachmatt gesetzt, wie ein wahrer Mann es eben tun sollte.

Und nun erntet er die Lorbeeren. Die Kinder können wieder in die W-Gay zurückkehren.

Vic fällt ihm prompt um den Hals, doch im Grunde ist es Felix, der zerfließt wie ein Stück Butter in der Sonne, obwohl er nur von weitem guckt und sich nicht traut, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Seine Kulleraugen verraten ihn allerdings einmal mehr. Er ist ja so verliebt. Ich muss sein Glück ein wenig fördern, wenn ich schon selbst keines erhalte. Selbstlos wie immer, der blöde Halbrusse.

 

"Boah ey, guck mal auf Felix!", rufe ich Max mit vor der Brust verschränkten Armen zu. Tatsächlich lässt er sich nicht weiter von der Penisprinzessin bezirzen, sondern beäugt die Katz, deren Birne mächtig feuert. "Leck seine Wunden, du geiler Wrestler. Siehst du nicht, dass er das will? Leck dem seine Wunden. Dir sei gesagt, er hat viele."

 

Edel sei der Mensch, hilfreich und gut. Na und, wenns auch stimmt.

 

29. September - Ersetzen

 

Max meint, Vic und Felix sollten Benjamin anzeigen. Er hat Recht. Aber ich will nicht, dass er Recht hat.

Zum Glück sind die beiden kleine Pussys, die jedem Ärger aus dem Weg gehen und lieber auf ewig an ihren psychischen Wunden leiden wollen. Mir solls wayne sein. Wenn sich nicht allmählich herumspricht, was für einen Kosenamen Tim für mich benutzt.

 

Ich bin bei Flori. Sitze auf dessen Couch. Will chillen. Doch nichts da. Die Tür geht auf. Flori nähert sich mir mit einem Grinsen.

"Willste was trinken, Tuffi?"

Schlimm genug, dass Felix und Vic wissen, welche Tiernamen man mir gibt. Doch nichts ist so schrecklich wie wenn deine Kumpels erfahren, dass du jemandes kleiner Liebling bist.

Flori hat Glück. Ich bin zu faul, um mich aufzuregen. Barbara Salesch hat schon ihren Hammer in der Hand. Wahrscheinlich ist sie Floris Bodyguard. Obwohl sie sicher kein Muskeltraining betreibt. Ganz im Gegensatz zu Herrn Kotz an der Backe.

 

"Ääääh", schnarre ich. "Es tut mir leid, aber du bist nicht in der Position, mich zu tuffin. Ich kann mich nicht erinnern, dir das Tuffi angeboten zu haben. Ersetze dieses Codeword mit einem anderen. Ciao Bambino."

"Dir hamse echt ins Hirn geschissen."

"Riechstes schon, Alter?"

 

30. September - Es war einmal...

 

Heilige Scheiße. Oder besser gesagt: Unheilige Scheiße. Dieser dämliche Bärenmacker und ich könnten Freunde werden, wenn er wie gesagt nicht so dämlich wäre und davon absehen würde, mir mein Leben zu ruinieren.

Ich weiß nicht, wie es immer dazu kommt, dass er mir über den Weg läuft. Jedenfalls treffe ich ihn heute auch. An seiner Lippe klebt noch immer das getrocknete Blut, das vom Kampf der Giganten herrührt. Aber es scheint ihm wurscht zu sein. Er kann trotzdem grinsen. Und er führt etwas im Schilde. Wahrscheinlich möchte er ordentlich nachtreten, weil er genau sieht, dass bei mir nicht die Sternstunden des Lebens Einzug gehalten haben.
 

Er sagt nichts, während er mich passiert. Ich sage auch nichts. Nicht mal Hallo. Weil ich eingeschnappt bin. Aber ich bin weniger eingeschnappt, als er sein Shirt glattzieht und ich die Aufschrift entziffern kann.

'Sei nicht rassistisch. Hasse alle Menschen gleichermaßen.'

Als er glaubt, dass ich es gecheckt habe, macht er sich vom Acker. Und ich bleibe stehen.

Boah, ich will das Shirt, denke ich nur. Boah ey, ich will das voll.

Plötzlich dämmert mir, dass ich Halbrusse bin. Ich beginne, misstrauisch zu werden.

Es war einmal ein kleiner Jascha, den hasste sogar die Misanthropie.

Oktober 2013

1. Oktober - In Sachen Liebe

 

Ich sage es nur ungern, aber es hat Vorteile, wenn man einen Kerl zum Bumsen hat und keine Frau. Nicht nur, dass Tims Arsch der Garten Eden ist und mein Schwanz die Schlange im Paradies, nein, im Garten Eden kann man keine Früchte sähen. Ich kann euch sagen, dafür bin ich Tim besonders dankbar. Klassische Partnerschaften kommen nicht mit einer automatischen Verhütung um die Ecke. Fragt Thomas, meinen Arbeitskollegen. Der checkt gerade die Babynahrungsfirmen in der Drogerie. Und er hat einen Kinderwagen dabei. Er ist Vater geworden, und das nicht ausversehen. Er hat sich ein Baby gewünscht. Ich sollte mich von ihm fernhalten. Vielleicht ist es ansteckend.

 

Ich versuche, mich zu verpissen. Aber Thomas entdeckt mich. Ich kann nicht entkommen. Beäuge die beiden Gläser in seiner Hand, die die ekelhafte Pampe beinhalten, die ich nicht mal als Kind mochte. Wer isst schon gern Erbrochenes? Die Natur hat doch eigentlich dafür gesorgt, dass man gegenüber Kotze einen Abwehrmechanismus besitzt.

Noch argwöhnischer beäuge ich allerdings das glatzköpfige Wesen im Wagen. Es schläft. Wenigstens kann es mich so nicht ankotzen.

"Du hast meinen Kleinen noch gar nicht gesehen!"

Warum musste diesem Klops das einfallen? Bemüht gucke ich weiterhin in den Wagen. Empfinde gar nichts. Muss an die Frauen denken, die ausflippen beim Anblick eines Babys. Nein, ich will ehrlich sein. Das bin ich Thomas schuldig.

"Ich hass so Blagen wie die Pest", sage ich. Thomas guckt, als würde mein Kopf nur noch an einer Ecke hängen.

"Hast du dich als Kind auch gehasst?", will er wissen. Er klingt verstimmt.

"Ja", sage ich und gehe weiter.

 

Ich will schwul sein. In Sachen Liebe sollte man die freie Wahl haben.

Sollte ich wiedermal auf Frauen schauen, will ich, dass Tim mir mit Barbara Saleschs Hammer so lange auf den Kopf haut, bis ich besinnungslos werde.

 

2. Oktober - Lagerfeuer

 

Einen Tag später sind meine guten Vorsätze passé.

Ich schnappe mir Moo und Flori. Heute ist Freitag, und wir haben schon lange keinen mehr draufgemacht. Wahrscheinlich werden wir alt. Wirklich fatal.

Heute brauche ich ein wenig Heterosexualität um mich herum. Man hält es im Kopf nicht aus, wenn man sich ständig wie ein seltenes Tier fühlt. Zwar existiert ein Bild, auf dem ich Moo aus irgendeinem unerfindlichen Grund belöffle, aber guten Freunden gibt man eben ein Küsschen.

 

Ich will alles vergessen. Es tut so gut, die stickige Kneipenluft zu schnuppern. Die schrillen Lichter zu sehen. Die Beats der Housemusik zu hören. Und vor allem den Alkohol in seinen Venen zu spüren. Mir wird warm. Es ist wie ein Lagerfeuer von innen. Alles wird mir egal. Sogar der Bärenmacker. Denn heute Nacht bin ich der Coole. Der Checker, der jedes Mädchen haben könnte.

Doch ich habe Tim. Und als meine Single-Kumpels mich auf ein Weib aufmerksam machen, das mich die ganze Zeit über anguckt, schüttle ich entschieden den Kopf.

"Ich liebe mein Babe, ich geh nicht mehr mit Frauen mit."

Und mit einem Mal fühle ich einen großen Stolz in mir aufsteigen. Den Stolz, endlich einmal etwas richtig gemacht zu haben.

 

3. Oktober - Alt und Neu

 

Ich weiß nicht, woher der Bärenmacker hat, dass ich ausziehen will. Wahrscheinlich hat Moo gepetzt. Ich möchte wissen, wie oft sie sich über mich unterhalten. Ich bin interessant. Na, immerhin.

 

"Ich hab meine Lehre fertig, die war in Bayern", erklärt Max. Dabei spielt er an seinem Feuerzeug. Es zeigt eine nackte Frau. Brüste wie Fußbälle. Wo waren wir? Ach ja. Lehre. Bayern. "Und nun hats mich halt wieder in die Heimat gezogen. Hab nun hier ne Wohnung. Und Platz. Also, wenn du Bock hast..."

Ich verstehe. Und kanns kaum fassen. Nach dem, was ich mir geleistet habe? Teilweise war ich ja ziemlich frech.

"Aber nur mit Tim", sage ich. "Der kracht sich auch ständig mit seiner Alten."

Er winkt ab.

"Klar, mit Tim."

Es scheint eine Selbstverständlichkeit zu sein. Ich bin baff.

"Du hast nichts gegen Homos?"

Er verzieht keine Miene. Starrt geradeaus.

"Ich hasse alle Menschen."

Stimmt. Da war ja was.

"Also, ist es fix?"

Ich will nicht, aber ich muss. Scheiß auf Prinzipien.

"Logisch, Alter."

Ich schlage ein. Freue mich ein bisschen. Auch wenn ich das nie zugeben würde.

Aber es ist schon nice, seine alte Bleibe gegen eine neue einzutauschen. Schlimmer als Mom kann Max nicht sein.

 

4. Oktober - Schmerz

 

Glücklicherweise nehmen Moo und Flori es locker, dass ich sozusagen auch an Schwänzen interessiert bin. Es scheint ihnen egal zu sein. Mir ist es ja auch egal. Im Grunde denke ich selten über fremde Schwänze nach. Nur Tims Ding geht mir manchmal durch den Kopf. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Doch seit einiger Zeit gibt es einen neuen Schwanz in meinem Leben. Er hat mich derart beeindruckt, dass ich nicht länger an mich halten kann und meinen Kumpels von ihm berichte.

 

"Ich hab ja nicht grad wenig", sage ich, da es gerade zum Thema passt. Wir alle haben uns schon nackt gesehen, die Jungs können es also bestätigen. "Aber dein Bruder, Alter!"

Damit spreche ich Moo an. Ich spüre regelrecht, wie ich in Rage gerate.

"Dein Bruder, der hat den Rüssel von nem Elefanten da unten hängen!"

Zwei Paar Augen mustern mich ungläubig. Dabei müsste Moo doch wissen, mit was für einem Monster sein Bro gesegnet wurde. Ich bin mir sicher, dass der Glaube an Satan daran schuld ist. Ich will in Zukunft fester an ihn glauben. Vielleicht krieg ich dann ne Brechstange zum B-Day.

"Und Felix, ja? Felix fährt ja so bisschen auf den ab", mache ich weiter. "Ich kann den zwar nicht so direkt ab, aber jemand sollte den warnen. Der Schmerz könnte seinen winzigen Arsch killen."

Moo ist der erste, der den Kopf schüttelt.

"Woher weißt du eigentlich, wie mein Bro nackt aussieht?"

"Woher weiß Max , dass ich ne Wohnung suche?"

Ha.

Moo zuckt nur mit den Schultern und zieht ne Schnute.

"Stasi", sagt er.

"Pissbecken", sage ich. Die beiden gucken blöd. "Ey ja, was kann ich dafür, wenn der mir aufs Klo folgt? Vielleicht steht der auf mich."

Diese unüberlegte Äußerung trifft mich wie der Schlag.

Das mit dem Zusammenziehen sollte ich mir gründlich überlegen.

 

 

5. Oktober - Die größte Enttäuschung

 

"Wir haben schon ewig nix mehr zusammen gemacht."

Solche Sätze können nur von Tim stammen. Er ist so ein Mädchen.

"Wir machen doch genug zusammen."

Anklagend schaut er mich an. Ich sitze auf dem Bett. Er kniet vor mir. Ich mag diese Stellung mehr als Doggy-Style.

"Ja, aber nicht alleine."

Er ist niedlich, wenn er sich so benimmt. Und wenn er so guckt. Mehr Hündchen als wenn er auf allen Vieren auf dem Bett hockt und mir seinen nackten Arsch entgegenreckt.

Seine Wange schmiegt sich an mein Knie. Er schließt die Augen. Umarmt meine Beine. Es zerupft mich fast, weil ich diesen Typen so sehr liebe.

"Die größte Enttäuschung für mich wär, wenn das irgendwann nichts mehr Besonderes wäre mit uns."

Ich ziehe ihn zu mir hoch. Schließlich liege ich auf dem Bett, Tim kniet über mir. Seinen Blick habe ich nicht verdient. Er schaut, als wäre ich der tollste Mensch auf Erden.

"Wir könnten auf den Jahrmarkt gehen", sage ich. "Die haben zwar nur ein Kinderkarussell, aber mh."

Tim lässt sich neben mich fallen.

"Schon gut. Hauptsache, unser Sexleben brummt."

"Genau. Wenn das Bett nächtlich knallt, ist die Liebe nicht alt."

Wir schauen uns an. Und dann grinsen wir.

 

6. Oktober - Weisheit

 

Homosexualität kommt ja im Grunde nicht so häufig vor. Ich meine, gelesen zu haben, dass gerade mal zehn Prozent der Weltbevölkerung auf ihr eigenes Geschlecht stehen. In dieser Statistik bin ich allerdings nicht erfasst. Weil mich nie einer zu meinen Präferenzen befragt hat.

Ich will wissen, ob Max auf Typen steht. Schon deshalb, weil es interessant zu erfahren ist, ob Felix realistische Chancen bei ihm hat.

 

"Bisher hatt ich immer nur Frauen", erzählt er mir in seiner üblichen coolen Art. Als Moo mir sagte, dass mir in Max' Gegenwart die Witze im Hals stecken bleiben würden, hatte ich noch geglaubt, er würde mit einem Hopper wie mir gleich Hau den Lukas spielen. Aber stimmt ja. Er mag mich. Zu sehr? Vielleicht hätte ich mir das Thema doch verkneifen sollen. Doch für das wahre Leben gibts ja leider keine Rückgängig-Funktion.

"Keine Typen?"

"Nee."

Sehr gesprächig, der Herr. Für alle Interpretationen offen, seine Antworten.

Ich will aufhören, zu bohren, aber es interessiert mich. Ich will alles über dieses unbekannte Wesen wissen. Auch wenn man darauf falsche Schlüsse ziehen könnte.

"Und wie findste Felix so? Oder Vic? Oder-"

Nein, Jascha, wage es nicht, deinen Namen aufzuführen.

"Niedlich", erwidert er, zieht eine Schnute. Dann steht er auf. Wahrscheinlich geht ihm das nicht gerade fruchtbare Gespräch auf den Sack. "Aber ich hab eh keinen Bock, mich fest zu binden."

Wer hat auch davon gesprochen? Niemand. Freier bumsen lässt sichs eh außerhalb ner Beziehung.

 

Weisheit des Tages: Max hüllt sich in Schweigen bezüglich seiner Sexualität. Fazit: Nicht gut. Ich weiß nur, dass er nichts gegen Schwule hat. Zumindest nicht im Speziellen. Er hasst ja alle Menschen. Also auch Vic und Felix, was Letzteren nicht sonderlich freuen dürfte.

Ich frage mich nach diesem Gedankengang, ob Max überhaupt auf irgendetwas steht, das menschlich ist, Arme und Beine hat.

 

7. Oktober - Barbecue

 

Da Max bekannterweise der große Held meines Freundeskreises ist (unberechtigter Weise?), muss ich nun auch mal wieder sehen, dass ich in den Mittelpunkt des Geschehens rücke. So geht das nämlich nicht. In letzter Zeit geht es sogar so weit, dass ich mich wie eine graue Maus in der Gegenwart des Bärenmackers fühle.

Ich muss nicht lange überlegen, um zu wissen, wie ich wieder ein paar Pluspunkte sammeln kann. Im Besonderen bei Tim. Obwohl der mich auch mag, wenn ich gerade aufgestanden bin und sehr kariert gucke. Doch das Äußere ist schon wichtig. Nein, ich will jetzt nicht anfangen, mich zu schminken. Aber so ein paar blonde Strähnchen in den Haaren wären vielleicht doch ganz schick.

 

Ich nehme das Projekt in Angriff. Stehe im Badezimmer, wo mir einfällt, dass ich keine Ahnung habe, wie man das eigentlich macht. Da aber immer noch die Option offen ist, mir den Scheiß runterzurasieren, falls es schief geht, mache ich einfach. Mit dem Ergebnis, das es eigentlich ganz okay aussieht. Nicht so gut, wie ich es mir vorgestellt habe, aber für das Stadtgespräch reicht es sicher.

Oh, Tim steckt gerade seinen Kopf zur Tür rein. Fragen wir Tim nach seiner Meinung.

 

Er grinst. Mit den Mundwinkeln nach unten. Wie immer. Ich liebe das. Auch wenn mir etwas Böses schwant.

Er zupft mir an den Haaren herum.

"Das sieht aus, als hättest du nen Natursektfetisch."

"Waaas.“

Ich pfriemle alarmiert an meinen Haaren. Hat er Recht? Vielleicht.

"Deine Haare sehen auch nicht besser aus", schlage ich zurück. "Die sehen aus wie...ein verbranntes Barbecue."

Tim zieht die Augenbrauen empor und wirft einen Blick in den Spiegel. Ja, mein Lieber: Wie ein verkohltes Bratwürstchen. Aber original.

 

Vielleicht sollte ich diese dämliche Haarfarbenfirma anschreiben und verlangen, dass sie den Farben neue Namen geben. Nicht 'Strawberry Blonde', nein; Bratwürstchenbraun und Natursektfetischblond!

 

8. Oktober - Herbst

 

Ein gewisses Datum rückt näher. Und zwar wäre das Tims Geburtstag.

Eigentlich suche ich immer auf den letzten Drücker nach einem Geschenk, aber dieses Mal nicht. Schließlich handelt es sich um Tim und seinen ersten B-Day, an dem er mit mir zusammen ist. Es soll also schon etwas Besonderes sein, was er von mir bekommt. Doch das ist leichter gesagt als getan.

 

In der Stadt gibts nur Mist. Wie öde Namenstassen. Oder pseudolustige T-Shirts. Ich will nicht lachen, muss aber. Ich bin primitiv.

"Lieber Schamlippen küssen als Schlamm schippen müssen."

Ey, das ist genial. Leider passt das nicht zu Tim. Wie wärs damit:

"Ich hasse Menschen, Tiere und Pflanzen. Steine sind okay."

Max. Eindeutig.

Aber jetzt kommts.

"Knie nieder und schmecke den Herren."

Ich muss so lachen. Das wäre perfekt. Obwohl ich es theoretisch tragen müsste. Also auch nicht das richtige Geschenk.

 

Warum muss Tim im Herbst Geburtstag haben? Scheiß Neujahrsfick.

Im Winter gibts doch diese Schneekugeln. Mit so kleinem Schneemann drin und so. Die verschenke ich immer, wenn jemand im Winter Geburtstag hat.

Aber für Tim wollte ich ja was Besonderes. Doch eigentlich bin ich schon froh, wenn ich überhaupt was finde.

Im Schenken bin ich echt nicht gut.

 

9. Oktober - Wogen glätten

 

Heute ist der Tag gekommen, an dem meine Mutter drei Kreuze macht. Ich ziehe nämlich aus. Zu Max, der mich verwirrt. Beinahe will ich mich nicht hinter verschlossener Tür mit ihm aufhalten. Aber habe ich eine Wahl?

Tim ist ja bei mir. Er weiß, dass der Kerl entweder auf mich steht oder zoophil ist. Tim meinte diesbezüglich, dass beides Hand in Hand geht. Ich finde, er sollte mit mehr Ernst an die Sache herangehen. Schließlich kann alles passieren, wenn ich mit dem Bären allein bin. Er unterschätzt die Gefahr eindeutig.

 

Die Wohnung ist schön. Maisonette nennt sich das glaub ich, wenn man die Treppe hoch gehen kann. Oben haben Tim und ich unser Reich. Wird voll gemütlich, wenn wir mal Geld für ordentliche Möbel haben sollten. Bis dahin können wir vom Geländer aus ins Wohnzimmer spucken, wenn Max mal seine komischen Kumpels da hat.

Ja, er hat tatsächlich Freunde. Und die sehen richtig gruselig aus. Fast wie diese Maskenträger. Slipknot heißen die, glaub ich. Obwohl Die Antwoord fast noch schauriger sind. Aber die sind im coolen Sinne schaurig. Nicht so abartig schaurig.

Na ja, ich lasse immer erst alles auf mich zukommen. Ich denke, die Wogen werden sich noch glätten.

 

10. Oktober - Berühmt

 

Ich hatte wirklich keine Ahnung, dass man Bauarbeiterlärm nutzen kann, um zu entspannen. Aber gut. Darüber kann man hinwegsehen. Jeder Mensch hat seine Eigenarten. Doch dass man sich dann hinstellt und diese unstrukturierten Geräusche mit Musik beschimpft, führt zu weit.

 

Da kommt man nach einem anstrengenden Arbeitstag heim, will seine Ruhe und einen Blowjob haben, und plötzlich wird die Szenerie von dumpfen Klängen untermalt.

"Der zerlegt das Haus", mutmaßt Tim. Mit 'der' meint er Max. Wen sonst? Dass er das Haus zerlegt, glaube ich sofort.

 

Da ich meinen Frieden nicht mehr finden kann, gucke ich von oben ins Wohnzimmer. Dort sitzt Max, eigentlich recht friedlich wirkend. Dafür scheint die Stereoanlage Schmerzen zu haben, so, wie sie brüllt. Doch ich bin lauter.

"MACH DAS AUS!"

Doch nicht. Max hört mich nicht. Anstelle schüttelt er den Kopf, sodass seine langen Haare fliegen. Nach einem 'Okay' sieht es nicht aus. Und ich bin zu faul, das Ding eigenhändig zum Schweigen zu bringen. Muss ich eben mit meiner Musik gegensteuern.

Ich frage mich, wieso manche Leute Geld bezahlen, nur um jemandem zuzuhören, der wie von Sinnen rumschreit. Für mich schreit Tim immer. Kostenlos. Vielleicht könnte ich ihn mit seinen Lustgeräuschen groß rausbringen. Who knows.

 

11. Oktober - Gespenster

 

Boah, Alter. Was. Da hat man sich gerade gewaschen und trotzdem scheint es, als hätte einem die Scheiße bis zum Hals gestanden. Denn an eben diesem sind so schwarze Krümel. Krümel oder Fussel. Ich hab keine Ahnung. Vielleicht hat Tim mehr Ahnung.

 

"Ey, Alter, gucke mal."

Er stellt sich vor mich. Selbstverständlich findet er meinen nackten Oberkörper interessanter. Sein Schwanz hält auch nie still. Selbst im Schlaf schlägt der manchmal aus. Tim hat ne Libido, ey, da kiekste dich dumm.

Ich deute auf meinen Hals, damit er checkt, dass dort die Musik spielt. Endlich guckt er dorthin, wo er hingucken soll. Setzt sogar seinen studierenden Blick auf. Mit leicht zusammengekniffenen Augenbrauen. Ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass mich das nicht dezent anmacht.

Seine Finger tasten vorsichtig über meine Haut. Lange sagt er nichts. Doch schließlich fällt er sein Urteil.

"Das ist nicht dreckig. Das ist verschrumpelt."

Boah. Ich bin gar nicht verschrumpelt. Ich bin ein junger Hüpfer. So jung, dass mir fast noch der Mutterkuchen an der Backe klebt. Tim sieht Gespenster.

Aber leicht verschissen hat er es bei mir wegen diesem Spruch. Tim soll Max angucken. Der hat erst ne scheiß Haut, ey. Voll der Dickhäuter. Inklusive Monsterrüssel.

 

12. Oktober - Blutfleck

 

Allmählich kristallisiert sich Max' Sexualität heraus. Auf Tiere scheint er doch nicht zu stehen. Und auch nicht auf mich, obwohl ich fest davon überzeugt war.

Doch seine wahren sexuellen Präferenzen sind nicht besser. Ich will nicht behaupten, dass ich sie nicht nachvollziehen kann, ganz im Gegenteil, aber irgendwie find ichs trotzdem komisch.

 

Schon seit einer gefühlten Ewigkeit hängt Max am Fenster. Wir fragen uns, was es zu sehen gibt.

Mit einem spitzbübischen Grinsen winkt er uns zu sich heran. Erklärung folgt keine. Aber die wird ohnehin überfällig, als wir die Aussicht genießen.

Ich wusste nicht, dass Dominique gegenüber wohnt. Man bekommt Einblick in sein Bad. Gerade zieht er sich aus. Oha.

"Scharfes Ding."

Es macht mir Angst, Max erregt zu erleben. Aber ich kanns nicht ändern. Ich kann es wie gesagt nachvollziehen.

"Du stehst auf Transen?", will Tim wissen. Von Max. Meine dunkle Vergangenheit kennt er schließlich.

Er brummt nur. Will sich nicht äußern. Doch sein Feuer ist entfacht. Sein Grinsen scheint unauslöschlich.

"Is doch geil", sagt er irgendwann. "Ein Mädchen, das nie seine Tage hat. Keine Sauerei mit Blutflecken im Bett."

Unter dem Gesichtspunkt habe ich das noch gar nicht gesehen. Aber er hat Recht.

Er hat verdammt Recht.

 

13. Oktober - Neuen Mut fassen

 

Eigentlich ist die Wohnung cool. Max hat uns bisher nicht gefressen (es ist schließlich genug Fleisch im Kühlschrank) und geht schon ganz zeitig schlafen. Er ist dauermüde, meint er. Gut für uns. Denn wir haben etwas entdeckt.

Für die einen mag es nur eine kleine Luke sein, für uns aber ist es der Schlüssel zum Paradies. Speziell für Tim. Denn wenn man die Luke öffnet, kann man aufs Dach steigen. Ich sage euch: Es ist total geil, bei Nacht dort oben zu sitzen und dabei die Hand seines Liebsten zu halten. Scheiß auf den Kitschfaktor.

 

Tim scheißt auch drauf. Heute bedeckt keine Wolke den Himmel. Tausend Sterne zeigen sich uns. Tim ist vollkommen fasziniert. Wie viel Kind noch in ihm steckt, denke ich.

"Das ist voll schön", meint mein Freund nach einiger Zeit. Ich bekomme mit, dass er sich kaum von dem Anblick der funkelnden Sterne losreißen kann. Und trotzdem schafft er es, mich anzusehen.

"Das ist so romantisch, Jascha." Seine Stimme zittert fast vor Aufregung.

"Ich weiß, Tim."

 

An diesem Abend bedarf es nicht vieler Worte. Es genügt, wenn wir dasselbe fühlen und ich neuen Mut gefasst habe. Denn ich weiß endlich, was ich Tim zum Geburtstag schenken werde.

 

14. Oktober - Fundstück

 

Heute habe ich im Wohnzimmer etwas gefunden. Eigentlich bin ich nicht so der Typ, der sich an fremden Dingen vergreift, aber eine drängende Stimme in meinem Innenohr riet mir dazu. Und ich bin ehrlich froh, dass ich sie habe.

Es handelt sich bei meinem Fundstück um die CD einer deutschen Band. Da ich stets ohne Vorbehalte an alles herangehe, beschließe ich, sie mir anzuhören. Auch wenn ich von Max' Musikgeschmack nicht viel erwarte.

Doch oh Scheiße. Diese Musik ist einfach nur krank! Nicht nur der Bandname 'We butter the bread with butter', sondern auch die Töne, die diese Typen von sich geben! Klar, es ist die Holzhammermethode. Richtig brachiales Zeug. Aber krank! Die Texte! Ey, ich kann nimmer! Ich krieg die Krise.

Ich beschließe, die CD vorläufig zu behalten. Denn ich brauch das Booklet, um die Lyrics zu verstehen. Ich werde schon nicht verpassen, wenn Max danach sucht. Dann schiebe ich sie ganz unauffällig unters Sofa. Und finde sie noch zufälliger.

 

Sorgen mache ich mir trotzdem. Max scheint abzufärben. Ich hoffe, mich überkommt nicht der Drang, mir die Haare lang wachsen zu lassen. Tim fänd das sicher auch nicht schick. Er hat noch nie gesagt, dass er Max sexy findet.

 

15. Oktober - Türklinke

 

Dass Tim und das Wort 'kindisch' ein Synonym darstellen, erwähnte ich sicherlich schon. Aber dass ich auch ein übelstes Kind bin, verrate ich erst jetzt.

 

"We are just children in love", hat Tim es genannt, als ich mit der bescheuerten Idee brilliert habe, doch mal kurz in dem Fotoautomaten im Einkaufscenter zu verschwinden. Aber nicht etwa, um dort zu poppen. Nein, ich dachte, dass es vielleicht ganz nett wäre, ein paar dämliche Fotos zu besitzen, die Tim und mich zeigen.

Gesagt, getan. Und die Bilder sind wirklich absolut dämlich geworden. Besonders das verwackelte ist gruselig. Da sieht Tim aus, als hätte er vier Augen. Ich sehe natürlich immer perfekt aus. Auch wenn mein Blick nicht immer das Gelbe vom Ei ist. Aber wenn wir uns küssen, sieht es echt schlimm aus. Warum hat sich darüber noch keiner aufgeregt? Es wird Zeit, dass sich jemand über diese optische Belästigung echauffiert. Und wie der Zufall es so will, ist Max dazu auserkoren, der erste zu sein.

Wir bringen die Bilder nämlich im Wohnzimmer an. Gerahmt mit noblem Schwarz.

 

Max steht schon bald davor und beäugt die Fotos. Schließlich schnaubt er amüsiert und schüttelt den Kopf, ehe er sich entfernt.

"Da lacht die Liebe denen schäbig ins Gesicht, die sie nicht wollen. Ich glaube, ich gehe mich an der Türklinke erhängen."

"So schlimm?", will ich wissen, allerdings hält sich meine Beunruhigung in Grenzen.

"Ja, absolute Suicide Season ist jetzt bei mir wegen euch Hirnis." Und: "Die Bilder sind scheußlich."

Er meint es nicht ernst. Jedenfalls ersteres. Denn er ist nicht Felix. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass er und der Emo füreinander bestimmt sind. Leider würde Felix in Max' Bett bluten. Wie so ne Frau, die ihre Tage hat. Weil der hat ja auch immer seine Tage. Allerdings an den Armen.

 

16. Oktober - Kollaps

 

Tim und ich sitzen wieder auf dem Dach.

Eigentlich hätten wir in diesem Augenblick Party machen und auf das neue Lebensjahr meines Freundes anstoßen sollen. Doch wir werden ja alt. Und so verbringen wir Tims Geburtstag zu zweit. Und das kommt mir gelegen. Denn mein Geschenk kann ich ihm nur während der Abwesenheit der anderen geben. Flori und Moo hätten nie verstanden, was es bedeutet. Denn sie kennen die Liebe nicht.

 

Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Ich weiß aber, dass Tim neugierig auf das ist, was er von mir bekommen soll. Den ganzen Tag über hab ich heimlich getan. Und nun ziehe ich die den Umschlag aus der Tasche.

Tim guckt verwundert. Wahrscheinlich ist er enttäuscht. Doch das soll sich ändern.

"Hier, ich hab da was."

Fast schüchtern reiche ich ihm den Umschlag. Er öffnet ihn. Liest mit großen Augen. Dann schüttelt er den Kopf und schaut mich an. Enttäuscht ist er nicht mehr. Er ist der glücklichste Tim auf der Welt. Funkelnde Augen können nicht lügen.

"Du...schenkst mir nen Stern?" Seine Stimme bebt. "Oh man. Alter, Fuck. Das ist so...geil..."

Er bekommt fast nen Kollaps. Krampfhaft versucht er, nicht vollkommen auszuticken.

"Ein Tim-Stern. Gott, is das...hammer."

Er freut sich. Und ich freue mich auch. Liebe macht echt Spaß. Und ich hab noch was für ihn.

"Tim, ich muss dir was sagen."

Da wird er ruhiger. Fast misstrauisch. Doch ich rücke näher an ihn heran und flüstere ihm sein zweites Geschenk ins Ohr.

"Du darfst mich heute Nacht ficken."

Seine Augen werden größer wie der Vollmond am Himmel.

"Oh, scheiße, Jascha."

 

Er flucht wie ein Postkutscher. Ein Zeichen, dass dieser Geburtstag sein bester war. Er sollte mich sich warmhalten, dann bekommt er auch im nächsten Jahr wieder so ein Brüllergeschenk.

Falls mir dann wieder so was Gutes einfällt.

 

17. Oktober - Wenn ich könnte...

 

Anscheinend war das neulich kein Zufall. Ich meine die Situation, die uns Dominiques nackten Körper vor Augen geführt hat. Denn das Mäuschen scheint zu wissen, dass wir direkt gegenüber wohnen. Oder zumindest Max. Denn es wird deutlich, dass Klein-Domi etwas von unserem Papabär will. Und zwar wären das seine Eier. Ja, ohne Mist.

Domi steht im Türrahmen und ich höre ihn gerade die Frage aller Fragen aussprechen, als ich durch den Flur schlendere.

"Habt ihr zufällig Eier?"

Max lacht daraufhin so tief, dass es sich anhört, als würde er brummen. Ich sag ja, typischer Fall von Papabär.

"Klar, Eier ham wa genug da", schmunzelt er, und Domi macht ein erfreutes Gesicht. "Ganz große Eier ham wa. Willste die mal sehen?"

Langsam wird es peinlich. Aber an Abflug ist nicht zu denken. Es ist zu interessant, wie die beiden an das Eine denken. Domi scheint eine ziemliche Schlampe zu sein. Eigentlich voll mein Typ. Aber ich hab Tim, und Max hat niemanden. Also werde ich ihm gnädig das Feld überlassen. Auch wenn er eigentlich für ein kleines Katzenvieh mit schwarzen Haaren bestimmt ist.

 

"Na, da zeig mal deine Eier."

Ein dreckiges Grinsen ziert die Visage des Miststücks. Klar, dass Max ihm nicht widerstehen kann und ihm gern seine Eier zeigt. Allerdings ganz brav die im Kühlschrank. Schließlich müssen die Zellen frisch bleiben, um ihre Wirksamkeit bei Bedarf zu entfalten. Dass er das auch Domi erzählt, ist einfach nur scheußlich, aber gleichzeitig auch sehr lustig.

Anscheinend haben sie meine Anwesenheit nicht bemerkt, denn Max schaut ziemlich überrascht, als ich später auf der Bildfläche erscheine.

 

"Der wollte poppen."

"Ich weiß."

"Warum hast du ihn nicht rangelassen?"

"Wenn ich könnte, hätte ich..."

Unglauben macht sich breit.

"Wie, du kannst nicht?"

"Na..." Er macht sich vom Acker. "Ich muss jetzt los."

 

Und ich dacht schon.

 

18. Oktober - Pralinen

 

Herzlichen Glückwunsch, Max. Du hast es geschafft. Nun bist du endgültig der Held auf dem Erdbeerfeld. Alle Mädchen werden dir hinterherschauen und dich fragen, ob sie mal ne Spritztour mit dir unternehmen dürfen. Natürlich werden die Eier erst später rausgeholt. Erst nachdem du dein Schätzchen aus der Garage gefahren hast. Du blöder Idiot.

Natürlich bin ich neidisch. Wie könnte ich nicht? Denn es stellt ein ungeschriebenes Gesetz dar, dass Mädchen auf Männer mit Motorrädern fliegen. Ob Max das weiß? Sicherlich. Jetzt kann er jede Nacht ne andere poppen und muss nicht mal mehr dafür tun als dumm rumzuprotzen. Im Grunde könnte es mir egal sein, aber wer wird nicht gerne umschwärmt, feste Beziehung hin oder her? Jascha im Korb zu sein war früher immer ganz heiß gewesen. Aber nun bin ich ja komplett abgemeldet. Uninteressant für die ganze Menschheit. Ein Glück, dass Tim nicht die ganze Menschheit ist.

 

Wir stehen gemeinsam am Fenster und gucken, als Max mit seiner neuen Kiste vorfährt. Ich könnte einige böse Sachen sagen, halte aber die Klappe. Auch Tim schweigt erst. Doch dann macht er den Mund auf.

"Ich mag lieber Pralinen", sagt er furztrocken. Das wars.

Ich find das ja voll lieb von ihm.

 

19. Oktober - Abwägen

 

Auch wenn Max wieder eine höhere Position in meiner Abschussliste eingenommen hat, so sammelt er heute schon wieder Pluspunkte.

Ich hasse es, diesen Typen nicht hassen zu können. Manchmal beneide ich ihn allenfalls, aber das Messer geht mir bei seinem Anblick nicht mehr in der Tasche auf. Die Sonne geht zwar auch nicht auf, aber die habe ich auch nicht in der Tasche.

 

Man muss auch mal chillen. Und man muss es manchmal auch im Wohnzimmer tun. Ein rücksichtsvoller Mensch wie ich trägt natürlich Kopfhörer, damit der nicht jugendfreie Text des gerade durch meine Gehörgänge wabernden Songs an die Öffentlichkeit gelangt.

Allerdings mache ich alles zunichte, als ich mitrappe.

 

Das Sitzpolster des Sofas drückt sich nach unten. Erst jetzt nehme ich von Max Notiz. Er guckt mich merkwürdig neugierig an. Forschend, als gehöre ich einer seltenen Tierart an. Dabei gibts Hopper wie Sand am Meer.

Seine Lippen bewegen sich. Im Lippenlesen war ich nie gut gewesen. Deshalb ziehe ich einen Kopfhörer vom Ohr.

"Wasn das?", wiederholt Max.

"Was ist was?"

"Na das."

Ih, er kommt näher. Ach du Scheiße.

Jetzt nimmt er mir die Kopfhörer ab und setzt sie sich auf.

"Wird dir eh nicht gefallen", murmle ich, doch er hört mich nicht. Ist abgetaucht in die Welt Alligatoahs.

Irgendwann gibt er mir die Dinger wieder.

"Dämliche Hopperscheiße, aber leider geil."

Komisch. Wie kann etwas dämlich und geil sein? Gut, Tim schafft das Kunststück auch. Aber trotzdem.

"Findeste den Part mit dem Hund auch so krank?", will ich mit einem dreckigen Grinsen wissen, welches Max erwidert.

"Ja", sagt er und erhebt sich. Sein Interesse an der Lebensweise von mir seltenem Tier war nur von kurzer Dauer. Fast schade.

 

Ich muss nicht lange abwägen, ob ich Max hassen kann oder nicht.

Im Grunde ist er voll primitiv. Etwas, das uns verbindet.

 

20. Oktober - Todsünde

 

Es klingelt an der Tür. Ob das wieder Domi-Boy ist, der geil auf Max' Eier ist?

Das Mutmaßen hat ein jähes Ende, als ich durch den Spion gucke. Ich erspähe zwar ein Paar Knopfaugen, aber dazu schwarze Haare.

Begrüßen wir also die Katz.

"Ach, hallo Felix!", rufe ich erfreut aus, so wie ich das Brett aufreiße. Ein bisschen scheint das Kerlchen sich erschrocken zu haben. Aber das macht nichts. Es gibt in diesem Haus ja eine starke Brust, an der er sich anlehnen kann.

"Max! Besuch!", brülle ich, aber kein Max kommt. Dafür erscheint Tim.

"Ich glaub, Max wichst grad", bringt Tim lässig hervor. Also kommt Max doch.

Felix zuckt sichtlich zusammen. Und sagt kein Wort.

"Du willst doch zu Max, oder?", frage ich.

"Nein."

"Ah. Und zu wem dann?"

Er schweigt betreten.

Da hätten wir es ja. Nichts zugeben wollen, aber auch keine Ausrede vorweisen können.

Tim schiebt sich neben mich.

"Klar willst du zu Max", meint er verstehend und wirft dann mir einen fragenden Blick zu. "Sollen wir ihn hinlassen?"

"...damit er mit ansieht, wie Max die Todsünde schlechthin begeht?" Ich lache auf. "Da wird er ja blind."

"...wenn Max ihm ins Gesicht spritzt und er nicht die Augen zumacht, ja."

Wir lachen nun ganz blöde. Nur Felix lacht nicht. Der ist krebsrot und macht auf dem Absatz kehrt.

Also will er nicht mit Max sündigen. Doch, wollen schon, aber solange Schamgefühle sein mickriges Hirn dominieren, kann er sich nicht auf seine Sexualität einlassen.

 

"Wir müssen was machen", sage ich zu Tim. Und er versteht.

"Ich lass mir was einfallen."

"Schön." Ich klopfe ihm auf die Schulter. "Du Amor mit deinem Giftpfeil."

Er grinst schäbig. Widerspruch ist ohnehin zwecklos. Tims Giftpfeil steckte schließlich auch schon in mir. Genau wie sein Giftstachel.

Ich sag euch, Tims Gift brennt fürchterlich.

 

21. Oktober - Salbe

 

Ich dachte ja lange Zeit, dass Max zoophil veranlagt ist. Aber in Wirklichkeit mag er Tiere gar nicht. Man siehts ja an Felix. Dem hat er bisher immer mit einer Leichtigkeit widerstanden. Wenigstens hat er ihm gegenüber noch keine Mordgedanken gehegt, soweit ich weiß. Das ist dann eher mein Part. Aber andere Tiere, wie so Schweine und Kühe, die metzelt der Herr brutal ab! Aber nicht etwa, weil er Satanist ist, nein - er ist Fleischer! Lange hat er vor uns geheim gehalten, dass er arme, unschuldige Viecher mit einer Axt zerhackt.

Nichtsdestotrotz finde ich, dass ihm der Job steht. Und ich glaube, Felix würde ihn sogar sexy finden. Max im Schlachthaus, umgeben von ganz viel Blut - das ist doch Felix' Welt.

Tims und meine dafür umso weniger. Wir genießen lieber die Tatsache, dass Max einen guten Koch abgibt.

 

Es ist Abendbrotzeit und wir sitzen am Küchentisch, während der Typ etwas zusammenpampt.

Tim und ich streiten uns. Über furchtbar wichtige Dinge.

"Das sind Klopse, verdammich!" Tim haut mit der Faust auf den Tisch, was Max zu einem 'He, Jungs!' animiert.

"Nein, das sind Fri-ka-dellen!", halte ich eisern dagegen. "Du bist selber ein Klops."

"Und du hast gleich ne...frisch kalibrierte Delle im Kopf!"

Frisch kalibriert? Der spinnt wohl! Wo hat der solche Wörter her?

"Tim", seufze ich. "Wir müssen uns trennen."

"Wieso?", will er wissen.

"Dein IQ ist nicht mehr tragbar."

Ob ich ihn extrem dumm oder extrem schlau finde, kann er sich alleine überlegen. Eine Salbe gibt es schließlich gegen keines der beiden Leiden.

 

"Jungs", sagt Max nun wieder. Er deutet in die Schüssel mit dem Hackfleisch. "Wenn ihrs genau wissen wollt, das werden Buletten."

"Buletten?", hake ich nach, und Max nickt.

"Buletten für die Schwuletten", summt er vor sich hin.

Leider lassen sich auch Frechheiten nicht einfach wegsalben.

 

22. Oktober - Ein Gerücht in die Welt setzen

 

"Hast du meine WBTBWB-CD gesehen?"

"Was für n Ding?"

Max antwortet mir nicht. Genau, wie ich ihm auch nicht antworte. Er ist viel zu beschäftigt damit, auf dem Fußboden herumzukriechen und ich bin damit, ihm fasziniert dabei zuzusehen.

Leck meine Stiefel, denke ich.

"Was schmeißt du deine CDs auch hier im Wohnzimmer rum? Selber schuld, wenn die dann weg sind."

"Aber die können sich doch nicht in Luft auflösen!", dringt es unter dem Tisch hervor.

"Anscheinend ja doch", sage ich gelassen, doch da dämmert mir plötzlich etwas. Wee Tee Wee blablawhatever weckt Assoziationen. Und ich weiß, dass nun mein großer Auftritt kommt.

 

Eigentlich hatte mein Plan vorgesehen, dass ich die CD zufällig hinter der Couch finde. Nun habe ich mich allerdings spontan umentschieden.

Ich schiebe das Teil unter das Sofa und lasse Max weiter suchen. In der Rolle als Hund gefällt er mir nämlich gut.

Leider ist mein inszeniertes Ostern schon bald vorbei und Max taucht auf, mit der Platte zwischen den Fingern.

"Ja, bin ich denn blind...", murmelt er vor sich hin und klappt das Jewelcase auf, wahrscheinlich, um zu sehen, ob noch alles fit im Schritt bei den Butterbrot-Boys ist. Aber ich kann mich beruhigt zurücklehnen, denn ich habe die CD stets sehr zärtlich behandelt. CDs und Weichteile behandle ich nämlich grundsätzlich zärtlich.

 

Dennoch hat Max Grund zur Beanstandung. Eine Weile beäugt er dezent angewidert das Booklet, dann sagt er: "Hier klebt ja ein Popel."

"Dann lass es dir schmecken", erwidere ich.

"Der ist nicht von mir."

"Hast du n DNA-Test gemacht, oder was?"

Sein Blick richtet sich auf mich. Ganz klar, wen er verdächtigt.

"Setz nicht solche Gerüchte in die Welt", sage ich ruhig und drehe mich um. "Als ob ich popeln würde."

Das glaubt er mir sowieso nicht. Das glaube ich ja noch nicht einmal selber.

 

23. Oktober - Matratze

 

Schon wieder steht Felix alias Romeo auf der Matte.

Uns ist es nur recht. Tim alias Amor hat sich nämlich bestens auf seinen Besuch vorbereitet.

Ohne Umschweife wird die Katz am Arm gepackt und ins Innere der Wohnung gezerrt. Etwas verdattert torkelt Felix hinter Tim her, der ihn schließlich in Max‘ Zimmer hineinschubst.

"Max kommt dann", versichert Tim ihm, als er ihn ganz ratlos und unschuldig anblickt. Und ich muss bei 'kommen' schon wieder zweideutig denken, weshalb ich leicht grinse.

Wir schließen die Tür und lauern genau wie Felix auf Max' Eintreffen. Tatsächlich kreuzt er wenig später auf und verzieht sich prompt in sein Zimmer. Dann geschieht eine ganze Weile nichts. Lediglich ein paar Stimmen dringen an unsere Ohren. Tim und ich gucken uns an. Ob sein Plan Früchte trägt? Wenn Max derart mit Felix konfrontiert wird, muss er sich schließlich mit ihm auseinandersetzen. Und wir hoffen echt, dass das Bett zu knarren beginnt. Nein, wir glauben sogar fest daran.

 

Doch nichts da. Max stürmt aus seinem Zimmer. Sein Blick, ey, der strotzt derart vor Wut, dass ich fast vom Schemel falle.

"Auf so ne Scheißidee kommt auch nur ihr kleinen Pisser, wa?", blafft er uns an und marschiert an uns vorbei. Die Tür steht noch offen. Auf dem Bett kann man Felix sitzen sehen. Er hat seine komplette Kleidung nicht mehr an, sondern auf dem Schoß liegen.

"Dass er sich nackt macht, daran sind aber nicht wir schuld!", verteidigt uns Tim, und es stimmt sogar, was er sagt. Eine Nutte ist stets allein verantwortlich für das, was sie tut.

"Erzählt nicht", mufft Max jedoch nur. Das wars.

Es hätte ja auch keiner gedacht, dass Felix so ne Bettmatratze ist. Vollkommen verzweifelt muss der sein, wenn er solche Sachen durchzieht.

Max allerdings kann ich verstehen. Auch wenns schon schade ist.

 

24. Oktober - Schall und Rauch

 

"Alter, ich krieg die Krise!"

"Was, wieso?"

"Guck dir das an!"

"Was denn?"

"Vor dem Wäschekorb!"

"Wasn da?"

"Tim!" Ich könnte aus der Haut fahren, aber Tim spielt in einer Seelenruhe mit seinem Handy. "Wenn du jetzt nicht gleich mitkommst, sorge ich dafür, dass das Smartphone in deinem Arsch vibriert!"

Daraufhin erhebt er sich träge von der Couch. Obwohl ich gedacht hatte, ihm damit sogar was Gutes zu tun.

 

Im Bad stehen wir vor einem Wäschehaufen.

"Oh", macht Tim, als er checkt, was Fakt ist. "Ein Rock."

"Und was sagt uns das?"

"Der Rock ist schmutzig, deshalb liegt er auf dem Wäschehaufen."

Verzweifelt lasse ich meine Schultern sinken. Worte wie kalibrieren kennen, aber trotzdem dumm wie ein Brot sein. Was hat seine Mutter da nur in die Welt gesetzt.

Aber es gibt ja noch mich. Ich bin das Brain, er ist der Pinky. Ich bin der Schall, er allerdings nur das Würstchen im Rauch.

"Mal unter uns, Süßer: Trägst du Röcke?" Ich lasse es so klingen, als ob ich ihn für ein Ja nicht diskriminieren würde. Doch Tim verneint das ärgerlich.

"Gut, ich auch nicht", stelle ich klar. "Aber wer dann?"

"…Max?", fragt Tim vorsichtig.

"Falsch", sage ich bestimmt. "Ich kenne diesen Rock. Er gehört meiner Mutter. Und Vic hatte den auch schon an."

"Also poppt Max Vic?"

Freudestrahlend wuschle ich ihm über den Kopf.

"Du hast es erfasst!"

Stille. Dann hat Tim einen Einwand.

"Aber was, wenn das gar nicht der Rock deiner Mom ist? Sondern nur einer, der genauso aussieht? Und Max so geil auf diesen Transen-Domi war, weil er für ihn eine Inspiration ist? Und Max doch heimlich-"

"Mach endlich den Kopp zu, Mann! Deine Gedankengänge sind ja ne Gefahr für die Allgemeinheit!"

Daraufhin schweigt er endlich.

Man sollte die Dinge echt lassen, die man nicht kann.

 

25. Oktober - Deal

 

In diesem Haus gehen äußerst merkwürdige Dinge vor sich. Man könnte fast meinen, dass es hier spukt. Erst taucht Max' CD wie aus dem Nichts auf und ein mysteriöser Popel klebt an ihr, als nächstes findet sich ein Rock. Und das in einer reinen Männerwirtschaft.

Und nun liegt auf dem Couchtisch ein Stern. Nein, nicht so einer vom Himmel. Die Zeitschrift Stern. Kennt ihr? Ich kenn den auch. Aber nicht direkt. Also, ich habe noch nie einen Blick in so ein Heft geworfen. Weil mich schon das Cover meist irgendwie...abstößt. Zu viel geballtes Wissen suggeriert es. Dafür sind ich und meine Synapsen nicht bereit.

Heute allerdings riskiere ich tatsächlich einen zweiten Blick auf das Wurstblatt, wem auch immer es gehören mag. Denn auf dem Titelblatt habe ich aus den Augenwinkeln ein höchst interessantes Wort entdeckt.

"Mindestlohn homoriert harte Arbeit der Fachkräfte."

Homoriert? Da kiekste, wa, Jascha? Da fragste dich, was das bedeuten soll.

Zum Glück gesellt sich nun Max zu mir. Und ich kann mal wieder meine blöde Fresse nicht halten.

"Was ist denn 'homorieren'?" Nicht verstehend guckt er mich an. Ich deute mit dem Kinn auf die Zeitung. "Haben die sich da verdruckt?"

Aber noch im selben Zug bemerke ich, dass mich meine Augen verarscht haben.

"Du bist homoriert, Kunde", wirft er mir an den Kopf. "Homoriert ist so wie marmoriert, weißte?"

Blitzschnell schalten meine Synapsen. Ich, ein Heterokuchen, mit Homosexualität durchzogen...

"Also ist homoriert bi", schließe ich. Dafür bekomme ich allerdings eins mit der zusammengerollten Zeitung drübergezogen. "Aua, du Horst."

"Deal", schlägt Max vor. "Ich verarsch dich nimmer, aber du rauchst dafür weniger Gras. Das tut deinen grauen Zellen echt nicht gut."

Eher meinen Augen, denke ich. Auf den Deal lasse ich mich jedenfalls nicht ein. Ohne Gras geht gar nicht in dem Haushalt.

Da wirste ja bekloppt.

 

26. Oktober - Blumenstrauß

 

Irgendwann dreh ich durch. Ohne Scheiß. Nur Verrückte um mich herum. Max sowieso, aber auch Tim. Der scheint unter die Wannabe-Artisten gegangen zu sein. Ohne Erfolg allerdings. Das einzige, was er sich eingebrockt hat, ist eine gebrochene Hand. Er musste ja unbedingt wie blöde irgendwelche Stunts mit dem Rad vollführen, die er nicht bringt, und das auch noch mit Floris alter Kricke. Dann war da ein Stein, und dann war da rums, wie er mir am Handy vom Krankenhaus aus erzählt.

Blöde is der. Selber schuld is der. Das sage ich ihm auch. Und trotzdem fahre ich gleich ins Krankenhaus.

Als ich aus der Bahn steige, entdecke ich einen Blumenladen. Es ist albern, ja, aber irgendwie fühle ich mich dazu berufen, zumindest zwei Rosen zu kaufen. Mehr gibts nicht. Die Geste stimmt Tim sowieso verlegen.

"Oh, ich frag dann die Schwester, ob sie mir ne Vase bringt", meint er mit ganz roten Wangen und lächelt dümmlich.

"Die kannste dir auch in deinen Arsch stecken", erwidere ich.

"Blödmann", murmelt er und pfriemelt verklärt grinsend an den roten Blütenblättern herum. Natürlich mit der gesunden Hand. Die andere muss voll schräg angestanden haben, wie in so nem Horrorfilm, hat er mir erzählt.

Leid tut er mir nicht. Na ja, doch, ein bisschen vielleicht.

"Wenn der Gips trocken ist, schreib ich dir was drauf", verspreche ich. Tims Augen leuchten.

"Aw, was Schönes?"

"Ja", nicke ich. "Penis."

"Ich glaub, das ist ein bisschen zu schön", äußerst Tim seine Bedenken.

"Na gut, dann nicht."

Ich stehe auf. Hab noch andere Dinge zu tun. Aber morgen komme ich wieder. Oder erscheine. Wie der Heilige Geist.

"Bis denn", sage ich.

"Tschüss, Tuffi", sagt Tim.

Ja, morgen werde ich sehr lange bei Tim bleiben und mir all die Küsse holen, auf die ich in der kommenden Nacht verzichten muss.

 

27. Oktober - Krankheit

 

Es ist komisch, so ohne Tim. Irgendwie einsam. Wenn er da ist, nervt er zwar sehr oft, aber eigentlich mag ich das ja.

Max nervt zwar auch, aber das mag ich irgendwie nicht.

Schon als ich von der Arbeit komme, geht es los.

"Wie geht's Tim?"

"Geht schon", murmle ich. "Ich fahr dann gleich hin."

"Wie lange muss er denn bleiben?"

"Weiß nicht."

Er dreht seine Zigarettenschachtel auf dem Tisch.

"Dann sind wir jetzt also eine Weile alleine…"

Was soll denn das bedeuten? Hat er auf diese Gelegenheit gewartet, um mich endgültig flachzulegen? Eigentlich hatte ich dieses Thema längst abgehakt, aber man sollte sich ja nie zu sicher sein. In solchen Bärenschädeln geht bestimmt Seltsames vor sich. Man denke an die Röcke. In stillen Stunden, von denen ich momentan viele habe, so ohne Tim, überlege ich, was wäre, falls Tim Recht hat. Und Max wirklich im Rock geht.

Das wäre schlimm. Für meine ohnehin schon geschädigten Augen. Der bloße Gedanke daran ist schließlich schon hirnschädigend.

"Durch zeugenlose Wald und Wiesen gehst du Gassi mit dem Hund in einem Minirock - Dann fick ihn doch!"

Ich vermute, dass Max das nachstellt. Er, der Hund im Minirock.

Dieser Mann macht mich krank.

 

28. Oktober - Rückblickend betrachtet

 

Max hat Besuch. Ich bin fast froh drüber. So ist er wenigstens abgelenkt.

Sein Gast hat was Asiatisches an sich, wodurch sein Make Up ihn noch puppenhafter wirken lässt. Wer sich mit so einem abgibt, kann eigentlich nur schwul sein. Die These mit dem Rock bestätigt sich immer mehr.

Da ich nichts zu tun habe, tigere ich in die Küche, wo der Bär und die Puppe sitzen. Sie rauchen, während ich den Kühlschrank aufreiße und nach einem kalten Bier greife.

Der Puppenboy guckt. So, als wüsste er, dass ich gerade ziemlich viel trinke. Dabei weiß das nur Max. Der guckt auch, und ich beschließe, eine Show abzuziehen.

Betont klischeeschwul posend baue ich mich mit der Flasche auf. Alle Bewegungen kommen aus der Hüfte.

"Bier macht schön", lasse ich mit meiner authentischsten Werbestimme verlauten. "Oder habt ihr schon mal einen Mann gesehen, der sich schminkt?"

Die Puppe fühlt sich ertappt. Ich lache dreckig, ehe ich mich verziehe.

 

Rückblickend betrachtet war das echt fies von mir. Aber wer schon am 28. Oktober Halloween feiert, bekommt eben sein Fett weg.

Mich hat der doch auch angeglotzt, als hätte ich nen Pimmel im Gesicht.

Wenn Subkulturen aufeinander treffen, passieren eben immer wieder epische Sachen.

 

29. Oktober - Wie Hund und Katz

 

Wenn man nichts zu tun hat, kommt man auf seltsame Ideen. So stehe ich plötzlich bei meiner Mutter auf der Matte.

Nein, lebensmüde bin ich nicht. Aber das ist nicht schlimm. Denn die Herrin tritt mir mit einem Strahlen entgegen, das jedem Atomkraftwerk Konkurrenz macht.

Auch wenn ich es ungern denke, aber so sehen Personen aus, die guten Sex hatten. Und das erst vor wenigen Stunden. Ich weiß das, denn wenn ich Tim mittags vögle, hat der Effekt am Abend schon wieder nachgelassen. Dann wird es Zeit für eine Auffrischung.

 

"Hallo, Jascha, komm doch rein, ich mach dir einen Kaffee!", flötet die Herrin und stolziert in die Küche.

Irgendwas an der Situation macht mir Angst. Vielleicht ist es die Gewissheit, dass meine Mutter ein Sexualleben hat. Gruselig aber wahr.

Man merkt immer mehr, dass Halloween vor der Tür steht.

 

"So, nun erzähl mal, wie gehts dir?"

Wir sitzen vor Kaffee und Kuchen. Ich rühre schon ewig in der Tasse, ohne meine Mutter anzusehen.

"Joa, geht."

"Na immerhin." Sie seufzt zufrieden. "Hat sich was in deinem Liebesleben geändert?"

Ich hebe den Blick.

"Das könnte ich dich fragen", kontere ich, um von mir abzulenken. "Könnte es sein, dass du mir einen Stiefvater unterjubeln willst?"

Die Frage ist gewagt, ich weiß. Vielleicht hat sie ja nur am Wochenende ein wenig Spaß. Aber offensiv ist schließlich mein zweiter Vorname.

Ihr Blick wird starr. Da hätten wir es ja.

"Woher weißt du, dass-"

Ich lächle milde.

"Mom, du siehst aus, als wärst du ihm Urlaub gewesen. Aber da dem nicht so ist und guter Sex den Urlaub ersetzt..."

Auf einmal sieht sie gar nicht mehr so erholt aus. Ihr Ärger macht sie alt. Und ich muss feststellen, dass wir noch immer wie Hund und Katz sind. Auch wenn wir nicht mehr unter einem Dach leben.

 

30. Oktober - Apokalypse

 

Dieses blöde Gruselfest steht vor der Tür. Und ich stehe gar nicht darauf. Moo und Flori allerdings schon.

"Im Basta is fett Party", informiert mich Moo und guckt mich fragend an. "Kommst du auch?"

"Ohne Tim...?" Ich rümpfe die Nase.

Flori springt neben mich und packt mich bei der Schulter. Seine gute Laune ist absolut pervers.

"Klar kommst du!", bestimmt er. "Du warst schon ewig nicht mehr weg. Die Beziehung macht dich echt irgendwie alt."

"Du bist alt", schnaube ich, was jedoch keinen interessiert.

"Ich geh übrigens als Kotzfleck", meint Moo, was dazu führt, dass ich ihn anstarre, als würde ihm das Hirn zu den Ohren rausquellen. Aber was nicht existiert, kann auch nicht rausquellen, fällt mir in.

"Alter, ja, das passt du dir!", lache ich, will mir auf der anderen Seite aber gar nicht vorstellen, wie dieses Kostüm in der Praxis aussieht. Ich lenke mich ab, indem ich Flori angucke.

"Und als was gehst du?"

Der zuckt jedoch die Schultern.

"Der geht als sexy Nonne!", posaunt Moo und zwinkert Flori keck zu.

"Gar nicht wahr", grummelt dieser, und mir wird klar, dass ich nicht mal mehr in die Insider meiner Freunde eingeweiht bin.

Nun richten sich ihre Blicke auf mich.

"Und als was gehst du?"

"Als gar nichts."

"Jascha geht als Regenwolke", verkündet Flori und klopft mir auf die Schulter. "Dazu braucht er sich nicht mal zu verkleiden."

Na super. Bin ich wirklich so schlimm? Verbreite ich tatsächlich eine Stimmung, als würde die Apokalypse nahen?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Das ist ein böser Schwindel. Ich bin das pure Leben. Nur eben ein bisschen erwachsener als meine Freunde.

Aber nicht alt. Höchstens reif. Wie ein guter Wein.

Ja, ich sollte als Wein gehen. Als Flasche.

Ach nee, doch nicht. Damit bin ich den ganzen Abend über der Blöde.

 

31. Oktober - Halloween

 

Ich gehe nicht zur Party. Diese Spacken können mich mal Arsch lecken. Auf dem Sofa ist es viel gemütlicher. Max meint, ich würde zu einem Assi mutieren. Aber ich weiß es besser. Ich bin lediglich zu reif für Halloween.

Selbst er geht weg, sagt er, und er hat sogar ein Kostüm.

Max geht im Rock. Ich habe doch immer gesagt, dass er Röcke trägt. Tim hätte so verloren, hätten wir diesbezüglich gewettet.

Allerdings handelt es sich nicht um den Lederrock, den wir neulich im Bad gefunden haben. Zum Glück für meine Augen trägt er einen Schottenrock, der nur wenig von seinen behaarten Beinen entblößt. Was allerdings schon eklig genug ist. Beinahe wäre ich ebenfalls als Kotzfleck gegangen. Aber ich kann mich gerade noch beherrschen.
 

Nachdem Max mit seiner Sackpfeife abgezogen ist und ich an meiner Sackpfeife spielend daheim geblieben bin, dauert es nicht lange, bis es klingelt.

Zwei Kinder stehen vor mir. Dracula und Frankensteins Monster.

"Süßes oder Saures!", krakeelen sie.

"Gut, dann nehm ich Süßes", sage ich ungerührt.

Damit scheinen sie nicht gerechnet zu haben. Mir gleich. Süßes gibts für mich allerdings nicht.

Tim hätte mir bestimmt Süßes gegeben. Die ganze Nacht lang. Aber der musste ja unbedingt kaputtgehen.

November 2013

1. November - Mutter Natur

 

Tim darf endlich nach Hause.

Ich bin dabei, als er seine Sachen zusammenpackt. Die beiden Rosen sehen inzwischen ganz welk aus. Aber er hat sie trotzdem nicht weggeworfen.

"Ey, du hast echt alles verpasst!", rüge ich meinen Freund, der mir allerdings kaum zuhört, sondern mit seiner Sporttasche kämpft. Ich muss ihm helfen, denn noch immer ist er ein einarmiger Bandit mit seiner Krüppelhand. Sexy ist das nicht, aber ich hatte ihm ja selbst in diesem Krankenhausnachthemd kaum widerstehen können.

Wir stopfen die Tasche. Das da sind Tims Buxen. Die mit dem Superman-Logo auf dem Arsch. Oh Shit, an diesen Dingern hänge ich total.

"Max war gestern im Rock", sage ich.

"Ernsthaft?" Tim mustert mich ungläubig.

"Ja."

"Du ziehst Transen jeglicher Art an, glaub ich."

"Ja, und aus."

Nun schleicht sich Beunruhigung in Tims Blick.

"Nee, du denkst doch nicht im Ernst, ich hätte Max..." Ich schüttle den Kopf und zurre den Reißverschluss zu. Dann mache ich ein paar Schritte um den Tisch und lege meine Hände auf Tims Hüften. "Spatzi, Moo und Flori wollten, dass ich als Regenwolke zu Halloween gehe, weil ich so schlecht gelaunt war ohne dich. Die dachten, ich werde alt und alles."

Der Schmalz quillt mir aus allen Poren. Aber Tim genießt das. Er hält ganz still und schaut mich an wie ein Hündchen, was wiederum ich genieße.

"Und abends im Bett, ja, da hab ich mich voll alleine gefühlt. Irgendwie war das voll kalt unter der Decke, so ohne dich."

Ich schäme mich ein bisschen, aber als Tim mir so gut er eben kann um den Hals fällt, weiß ich, dass es das wert war.

Dass ich ihn Spatzi genannt habe, liegt mir dennoch wie ein Stein im Magen.

Mutter Natur hat echt ne schöne Scheiße angerichtet, als sie mich in Tim verliebt gemacht hat.

 

2. November - Groß und klein

 

Ich mag nicht ans Handy gehen. Nicht um diese Uhrzeit. Ja, womöglich ist es schon zwölf, aber Tim und ich, wir hatten die ganze Nacht über viel nachzuholen, und alles war so schwierig mit diesem dämlichen Gipsarm. Doch das ebenso dämliche Handy kümmert das nicht. Es nervt maximal ab mit seinem Gedudel. Aber da ich eh wach bin, nehme ich das Gespräch an.

"Mh."

"Jascha?"

"Mh."

Ist das mein Chef? Einer meiner Kollegen? Jedenfalls ist es ein Mann, so weit bin ich schon. Und mein Chef duzt mich eigentlich nicht.

"Ich bins", hilft mir der Mann auf die Sprünge. "Dein Vater."

Stimmt. So was hatte ich auch mal. Hatte ich völlig verdrängt.

"Was is?", murmle ich verschlafen und reibe mir die Wange, aber die Müdigkeit liebt mich, sie will nicht von mir lassen. Von Tim übrigens auch nicht. Der blinzelt träge zu mir hoch.

"Schlechte Laune?" Es lacht am anderen Ende der Leitung. Mein Vater und ich haben uns ewig nicht gesehen, und trotzdem tut er, als hätten wir voll das Vertrauensverhältnis.

"Nee", krächze ich und spiele an Tims dunkelbraunen Locken. "Warum rufst'n an?"

Pause.

"Ich wollte fragen, ob du mich besuchen kommen magst."

Was denn. Der hat vielleicht Nerven! Bei dem hackts wohl.

"Ich weiß nicht..." Doch, ich weiß schon. Erstens habe ich auf meinen Dad keinen Bock (schließlich hatte er auch ewig keinen Bock auf mich) und zweitens kann ich nicht schon wieder ohne Tim. Nee, auf keinen Fall.

"Überlegs dir", vernehme ich die Stimme meines Vaters mit ihrem sächsischen Akzent. "Ich würde mich freuen."

"Ja nee is klar", schnaube ich, als ich bereits aufgelegt habe.

Das Handy landet in der Ecke. Und ich überlege mir einen Scheißdreck. Kuschle lieber noch eine Runde mit Timmilein.

Der große und der kleine Petrov sollten sich besser aus dem Weg gehen.

 

3. November - Betrug

 

Tim und ich sitzen vor der Glotze, auch wenn das Abendprogramm immer mieser wird. Uns ist es eh egal, was in der Flimmerkiste gezeigt wird. Denn das, was unsere Finger unter der Decke tun, lenkt uns von allem ab. Zumindest von fast allem.

Tim starrt auf den Bildschirm. Dabei kommt nur Werbung. Gerade aber wird ein Bild von einer Eiscremeschachtel eingeblendet. In dem Falle ist sogar Tim für Werbestrategien empfänglich.

"Boah, ich hätt Bock auf ein Eis", macht er seinem Verlangen Luft.

"Du kannst mich lutschen", schlage ich vor, doch das juckt den nicht. Er will ein echtes Eis.

"Ich habe glaub neulich ne Schachtel im Kühlschrank gesehen", verkünde ich. Tim ist prompt Feuer und Flamme.

 

Ich reiße das Gefrierfach auf und hole die Schachtel hervor, ziehe den Deckel ab - und erstarre.

Irgendeine braune Masse befindet sich darin. Etwas, das nicht einmal entfernt an Eierlikör-Sahne erinnert.

"Igitt", bringe ich hervor, so wie Max im Raum erscheint. "Das können wir glaub wegschmeißen."

Der Kerl beäugt den Eisschachtel-Inhalt, dann fängt er an zu grinsen.

"Da hab ich Kassler mit Soße eingefrostet", erklärt er. Und ich blicke ihn anklagend an.

Ich dachte, das wäre vergammeltes Eis. Dabei ist das ein fieser Betrug.

 

4. November - Lava

 

Immer wieder kreuzt Felix auf. Er ist wie ein Running Gag. Und hartnäckig wie Urinstein.

Max ist nicht nachtragend, was die nuttige Nummer von neulich angeht. Aber besonders gesprächig ist er auch nicht. Wir hocken zwar alle im Wohnzimmer, doch er hat Stöpsel drin - in den Ohren - wobei aber selbst wir die Musik rauschen hören. In zehn Jahren ist der taub. Aber die Zeit bis dahin sollte man ja genießen.

Felix pfotelt. Es ist fast niedlich, wie er Max gegen die Schulter tatzt auf der Suche nach Aufmerksamkeit. Auch wenn Max nicht begeistert sein dürfte, zieht er sich einen Stöpsel aus dem Ohr.

"Was hörstn?", fragt das Katerchen.

Max grinst. Als wäre ihm die Frage unangenehm. Oder die Antwort darauf.

"Eskimo Callboy."

Da wird die Katz plötzlich wild. So habe ich Felix noch nie erlebt. So...voller Leben.

"Die sind der Hammer!", jubelt er und rückt zu Max, schnappt sich den losen Stöpsel und steckt ihn sich hinein. Also, in sein Ohr.

Und ich spüre regelrecht, wie der Vulkan namens Felix-Max ausbricht. Dass heiße Lava zwischen ihnen brodelt. Oder wenigstens Potenzial, was eine Fickfreundschaft betrifft.

Gemeinsamkeiten machen sexy. Obwohl ich Max nicht sexy finde, nur weil er Alligatoah hört.

 

5. November - Urlaub

 

Die Hausverwaltung hat angeordnet, dass bei uns die Fenster gestrichen werden müssen. Also, die Rahmen. Nicht so, dass man nicht mehr rausgucken kann. Max kann also weiterhin Domi bespannern. Ich bespannere ihn auch manchmal, aber eher ausversehen. Wenn es sich nicht vermeiden lässt. Wenn Domi stript oder so. Meine Augen gehorchen meinem Hirn nicht immer.

 

Der Malermeister hat sich gerade eben verabschiedet. Tim und ich sind ganz froh darüber, denn nun haben wir wieder sturmfrei und können Spaß haben. Allerdings fängt mein Freund plötzlich an, wie ein Irrer in alle Schränke zu durchwühlen.

"Scheiße", stößt er irgendwann aus, nachdem ich ihm skeptisch bei seiner seltsamen Form von Spaßhaben zugesehen habe. "Meine Brieftasche ist weg."

Nun wird er auch noch panisch. Rast wie blöde von Zimmer zu Zimmer. Ich komme nicht mehr ganz mit.

"Wo hastn das hingetan?", will ich wissen.

"In den Küchenschrank", erklärt mir Tim verzweifelt. "Aber da ist es nicht mehr!"

"Also ich habs nicht", stelle ich klar. "Und Max ist nicht da."

Er wirft mir einen verschwörerischen Blick zu.

"Der Maler hats geklaut!"

Er stürzt zum Fenster. Wirft einen Blick nach draußen.

"Der steht noch unten, ey, der kriegt so was von auf die Fresse, ich sags dir..."

"Warte mal." Ich durchwühle die Flurgarderobe. Unter Tims speckiger Jacke ertaste ich etwas Hartes, Ledriges, so pervers das auch klingen mag. Ich ziehe es hervor. "Tuts auch das hier?"

Fast ein wenig fassungslos steht Tim neben mir und lässt sich die Brieftasche überreichen.

"Das zum Thema 'Sie ist im Küchenschrank'", spotte ich, grinse schief und klopfe ihm tröstend auf die Schulter, weil er so bedeppert dasteht. "Du brauchst dringend Urlaub. Aber da guter Sex den Urlaub ersetzt..."

"Ich hab Alzheimer", murmelt Tim in Gedanken versunken. "Was hilft gegen Alzheimer?"

"Sex", erwidere ich.

Denn Sex ist immer die beste Medizin.

 

6. November - Legendär

 

Da kommt man nach der Arbeit nach Hause und erhofft sich einen gemütlichen Feierabend, doch nichts da.

Mein ganzes Leben steht von der einen auf die andere Sekunde Kopf.

Aus dem Badezimmer kommt meine Mutter. Ja, verdammt. Ich glaube, nicht mehr sauber zu sein. Aber das Ganze entpuppt sich nicht als schlechter Traum, sondern als grausame Realität.

Das Schlimmste ist, dass nur ein Handtuch ihre Blöße verdeckt. Sie muss geduscht haben.

"Mom", rufe ich verdattert aus, da mir absolut nichts Schlaues bezüglich dieses ungewollten Aufeinandertreffens einfällt. "Was machst denn du hier?"

Ich brauche ihre Antwort eigentlich gar nicht. Denn in meinem Kopf verbinden sich gerade all die seltsamen Vorkommnisse zu einem stimmigen Ganzen. Der Lederrock, Max' Desinteresse an Felix - gut, das muss nichts heißen, ich stehe auch nicht auf meine Mutter, nur weil mich der wie zehn aussehende Felix nicht anmacht - die gute Laune meiner Mutter…

Alter. Tim soll kommen. Er muss mich auffangen. Ich glaub, ich fall um. Als auch noch Max dazukommt und ebenfalls nicht mehr als ein Handtuch um die Hüften trägt, ist das Dilemma perfekt.

"Alter, du poppst meine Mutter!", schreie ich und möchte Max an die Gurgel springen, der faselt, dass er ja nicht wusste und nicht ahnen konnte.

Aber die Herrin funkt mir dazwischen. "Jascha! Wie redest du denn...?"

Mein Blick vernichtet sie förmlich.

"Ich rede so, wie ich will!", blaffe ich und dampfe ab. "Fuck!"

So schnell bringt mich eigentlich nichts auf die Palme. Wer das schafft, der ist schon legendär.

Max aber hat es geschafft. Egal, ob er wusste, in welchem Verhältnis diese heiße Mittvierzigerin zu mir steht oder nicht.

Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.

Ich bin echt sauer. Und angewidert. Die Bilder wollen mir nicht mehr aus dem Kopf. Meine Fantasie quillt über. Immer dann, wenn sie nicht soll.

 

7. November - Ich bleibe immer bei dir

 

Erklärungen.

Schon aufgrund dieses Wortes könnte ich ausrasten. Max soll seine verfluchte Fresse halten. Genau wie meine Mutter. Da sie dies aber ums Verrecken nicht hinkriegen, gibt es nur eine Möglichkeit, sie zum Schweigen zu bringen.

Ich muss hier raus. Aus dieser Stadt. Das Angebot meines Vaters scheint plötzlich der Himmel geschickt zu haben. Meinen Arzt, der mich ewig krankgeschrieben hat, ebenfalls.

Dad freut sich natürlich - und hoffentlich ehrlich - über meine Entscheidung.

Tim allerdings nicht.

 

Wir stehen am Bahnsteig. Der Zug wird gleich eintreffen. Nur noch wenige Minuten.

Mir tut es weh, meinen Freund so zu sehen. Traurige Augen, krummer Rücken. Nicht einmal gekämmt hat er sich heute Morgen. Seine Aufmerksamkeit hat nur mir gegolten. Und gilt mir immer noch. Genau, wie ich für ein paar Augenblicke nur noch für ihn existiere.

Meine Finger streichen durch sein wuscheliges Haar. Ganz weich ist es, ich will mir das Gefühl einprägen. Zudem jenes, welches er in mir auslöst, so wie er sein Gesicht gegen meine Halsbeuge drückt.

"Lass mich mitfahren", tuschelt Tim.

"Besser nicht", sage ich behutsam. "Mein Dad ist auch nicht gerade der toleranteste Mensch."

In dem Moment fährt der Zug ein. Tims Gesicht ist meinem ganz nah.

"Ich bin ja nicht lange weg", beruhige ich ihn.

Aber Tim nickt heftig.

"Doch."

Der Trennungsschmerz geht mit ihm durch. Er presst die Lippen aufeinander. Ringt mit sich.

"Hey, nicht schwächeln, starker Mann!", lache ich, um zu überspielen, was in mir vorgeht. Ich presse Tim an mich, küsse ihn auf die Schläfe. Dann steige ich ein.

Bis zur Abfahrt sehen wir uns schweigend durch die Scheibe an. Als sich der Zug in Bewegung setzt, winkt mir Tim hinterher. Und ich würde ihm am liebsten sagen, dass ich doch immer irgendwie bei ihm bin.

Wenn nicht körperlich, dann zumindest mit dem Herzen.

 

8. November - Gefangen

 

Erst am nächsten Tag komme ich in dem kleinen Vorort von Dresden an.

Vorort klingt schon voll nach Pampa und Menschen, die noch nicht geschnallt haben, dass die DDR nicht mehr existiert. Lustigerweise gibt es Vorurteile, die tatsächlich zutreffen. Genauso, wie es schwule Tucken gibt, existieren auch die übelsten Hinterwäldler.

Zef Side*, denke ich mir. What the Fuck. Wo bin ich hier gelandet.

Das Schlimme ist aber: Mein Dad ist keinen Scheiß besser. Als ich ihn zuletzt gesehen habe, wohnte er noch in einem stinknormalen, zivilisierten Mietshaus. Inzwischen haust er aber in einer Laube im Kleingartenverein. Ja, Mann, sogar im November! Es ist echt schweinekalt, und ich wünsche mir plötzlich, in unserer geheizten Wohnung geblieben zu sein.

Aber nun bin ich hier. Bei meinem wie ein Wilder lebenden Vater. Werde während meines Aufenthalts hier vergessen, was eine Toilette ist, denn hier gibt es nur ein Plumpsklo.

Außerdem stinkt es in der Laube. Mächtig gewaltig. Als wäre eine Maus hinter der Couch verreckt oder so.

Aber so endet man eben, wenn man als ehemaliger Spielsuchti sein ganzes Geld verzockt hat.

Und so endet man auch, wenn die Erzeugerin den Mitbewohner bumst.

Alles eine Scheiße.

Das hier ist echt schlimmer als Knast.

___

 

* Zef bedeutet in Afrikaans so viel wie Hinterwäldler. Die Antwoord, Jaschas Lieblingsband, bezeichnen ihre Musik zudem als Zef.

 

9. November - Bonbon

 

Ich habe ja geahnt, dass mein Vater die absolute Stimmungskanone ist. Gut, eigentlich ist er wider Erwarten ganz okay, man kann sich ab und an schon mit ihm unterhalten, aber nicht den ganzen Tag. Dafür bin ich nicht geschaffen. Und er auch nicht. Sein Bier ist ihm lieber als ich. Und mir sind meine Zigaretten lieber. Wenns jetzt noch ne Glotze gäbe, wäre mein Leben gar nicht so mies. Aber alles, was mir geblieben ist, ist mein Handy samt zwei Gigabyte Musik. Nicht viel, aber immerhin.

Moo und Flori haben mich schon angerufen, um zu fragen, was passiert ist. Wieso ich nicht mehr da bin und so. Ich habs ihnen ansatzweise erklärt und gemeint, sie sollen Tim fragen. Tim, der immer alles weiß, wenn es um mich geht. Tim, der mir gestern noch ganz spät eine gute Nacht gewünscht hat. Tim, dessen Bild ich auch jetzt wieder auf dem Display habe. Von Strunk heraufbeschworen oder so.

"Hey", sage ich weich und linse nach draußen, um zu checken, ob mein Vater weit weg ist und ich frei sprechen kann. "Was geht?"

Doch aus frei sprechen wird nichts. Aus sprechen wird generell nichts. Ich höre anstatt Tims Stimme lediglich ein Rascheln. Geilo. Da hat der Honk das Ding wohl in der Hosentasche stecken.

 

Später ruft er noch mal an. Dieses Mal bewusst.

"Deine Eier haben erst bei mir angerufen", erzähle ich ihm und grinse. "Ich glaube, sie haben Sehnsucht."

"Kann sein", lässt Tim verschmitzt durchblicken.

Ich lehne mich auf der stinkenden Couch zurück. Das Gespräch hat Potenzial...

"Ich würd sie jetzt gern lutschen", wispere, doch da steht plötzlich mein Vater im Raum.

"Was ist mit lutschen?", will er wissen. Anscheinend rafft er nicht, dass ich telefoniere.

"Bonbons", sage ich.

Eltern darf man nie die Illusion rauben, man wäre noch ein kleines Kind.

 

10. November - Glaskugel

 

Wenn das so weiter geht, werde ich Alki. Tims Krankenhausaufenthalt hat bereits den Grundstein gelegt. Aber nun vertieft sich meine Sucht noch weiter. Und mein Vater tut nichts dagegen, im Gegenteil. Er bietet mir ständig Pilsner an. Und ich war schon immer einer, der schlecht Nein sagen konnte.

So sitzen wir in der klirrenden Novembersonne. Ich schiebe das Kinn in Tims Schal, dankbar, dass er ihn mir überlassen hat, obwohl er ihn doch selbst braucht.

Er riecht voll gut. Man kann es nicht beschreiben. Er riecht eben nach Tim. Nach dem besten Mannsstück, das mir je untergekommen ist.

"Was macht'n eigentlich die Lena?", reißt mich die Stimme meines Dads aus meinen Tagträumen. Wenn der wüsste, was er da für ein beschissenes Thema anschneidet...

"Ach", winke ich ab. "Die hat jetzt so nen jungen Typ am Start, der zufällig so was wie ein Kumpel für mich ist. War. Whatever."

"Aha." Das klingt verwundert. Aber weitere Fragen stellt er nicht. Zumindest keine, die die Herrin betreffen.

"Und du so? Hast du eigentlich ne Freundin?"

Na super. Ich wäge in Windeseile ab, ob ich lügen soll. Die Wahrheit sollte ihn nämlich nicht freuen. Dennoch entscheide ich mich für sie. Was hab ich schon zu verlieren?

"Ich bin mit meinem besten Kumpel zusammen." Ich nehme einen Schluck aus der Flasche. "Hat sich so ergeben. Na ja."

Daraufhin herrscht Schweigen zwischen uns. Ich hätte vermutet, mein Vater tobt nun los oder so, aber nichts da. Er ist die Ruhe selbst. Erst nach einer Weile macht er wieder den Mund auf.

"Du und deine Mutter, ihr seid beide so richtig verkorkst."

"Ja, genau wie du auch", sage ich. "Spielsuchti."

"Woher weißt du das?" Er starrt mich an.

Ich zucke die Schultern.

"Hat mir meine Glaskugel verraten."

Woher ich das weiß, weiß ich nämlich selbst nicht mehr.

 

11. November - Fackel

 

Heute ist Karneval. Aber mir ist nicht nach Party. Denn die Gartensparte hat nicht nur das Problem, nichts außer Tristesse zu verbreiten und mich als Regenwolke deluxe gehen zu lassen, nein - seit gestern Abend herrscht Ebbe in meiner letzten Kippenschachtel. Und ich hab keinen Plan, woher ich Nachschub nehmen soll. Mein Vater lyncht mich, wenn ich was von ihm 'leihe'.

 

Vor Vaters Garten schleicht ein Typ rum. Könnte mein Alter haben. Was er hier macht - keine Ahnung. Aber sicherlich ist ihm auch langweilig. Ein Hopper gehört nicht in nen Kleingarten. Und der Kerl scheint auch ein Hopper zu sein.

Ich lümmle über dem Gartentor. Blicke den Kerl, der prompt stehen bleibt, hoffnungsvoll an.

"Hast du mal ne Kippe?"

Er glotzt zurück, sieht mir für ein paar Sekunden ins Gesicht. Die Sonnenstrahlen lassen seine Augen voll golden schimmern.

"Hier", sagt er, und ich realisiere, dass er mir wohl schon ewig die Zigarette unter die Nase hält.

"Fett, danke." Ich nehme das Teil. Und stiere weiterhin dieses Fremden an.

Leute haben mich schon immer irgendwie fasziniert. Manchmal erweckt das falsche Eindrücke. Der Typ aber geht weiter.

Meine Kippe entzünde ich an einer der brennenden Fackeln, die mein Dad aufgestellt hat.

 

12. November - Die Geister der Vergangenheit

 

Mein Vater hat mir zigarettentechnisch doch was von sich abgegeben. Ich musste nicht mal betteln. Es genügte, dass ich sein Sohn bin. Sachen gibt’s, ey.

Allerdings hat sich gerade ein neues Problem ergeben.

Dad ist einkaufen gefahren, und da ich seiner klapprigen Schrottmühle nicht traue, bin ich im Garten geblieben. Mitsamt einer ganzen Schachtel Zigaretten. Ich bin ja kein Kettenraucher oder so, das reicht schon eine Weile. Aber dennoch nutzt sie mir momentan einen Scheißdreck. Denn heute ist es zu früh für brennende Fackeln. Und mein Feuerzeug muss ich irgendwo verbummelt haben. Jedenfalls ist es nicht mehr auffindbar.

Gerade, als ich zu seufzen ansetze, erscheint mir doch tatsächlich ein Engel. Also, das darf jetzt nicht falsch verstanden werden. Dieser fremde Hopper von gestern ist weder besonders fesch noch besitzt er so ein markantes Lächeln wie Tim. Aber der Himmel schickt ihn. Ernsthaft. Und Raucher helfen sich immer. Egal, was passiert.

 

Es dauert nicht lange, und ich hänge wieder über dem Zaun.

"Hast du Feuer?"

Prompt fasst er sich in die Hosentasche. Ich wusste es.

"Cool", freue ich mich und lasse mir bei der Gelegenheit gleich noch die Kippe von ihm anstecken. Dann nehme ich erst einmal einen tiefen Zug, bevor mich die Realität wiederhat.

"Mein Zippo ist hops gegangen, irgendwie", erkläre ich.

"Kein Ding", sagt der Kerl und streckt mir die Faust für einen Best-Buddy-Gruß hin. Eigentlich ist es zu früh dafür, aber was solls. "Ich bin übrigens Justin, aber nenn mich Jus."

"Jascha", sage ich meinen Namen. Dieser Jus grinst.

"Jay und Jay, das ist Schicksal, weißt du?"

Ich verstehe erst nicht, was er meint. Dann dämmert es mir. Warum er mir nun mit irgendeinem Schicksal kommt, kann ich mir allerdings nicht erklären. Vielleicht haben ihm die Geister der Vergangenheit irgendeinen esoterischen Quark ins Hirn geschissen. I don't know.

 

13. November - Trauer

 

Es ist alles gekommen, wie es kommen musste.

Ich hocke in Jus' Laube und rauche Gras. Ich glaube, er baut es im Garten an, aber ich habe ihn nicht gefragt. Denn ich muss vielmehr daran denken, dass die Lage absolut strange ist.

Dreimal sind wir uns begegnet. Und heute hat der Typ mich eingeladen. In diesen kleinen Verschlag, der so dreckig ist, weil seine Katze wahrscheinlich in die Ecken scheißt oder so. Das Vieh ist ganz schwarz, und es mag mich. Genau, wie es Die Antwoord zu mögen scheint. Aus den Boxen dröhnt scheppernd ein Songtext, den ich nur zu gut kenne.

"I think about you when I masturbate..."

Allmählich glaube auch ich, dass das mit uns irgendein blödes Schicksal sein muss. Denn Die Antwoord haben auf Last.fm gerade mal 379.731 Hörer, und das weltweit. Und ausgerechnet hier treffe ich jemanden, der diese genialen Spacken kennt.

 

Der Kater pennt auf meinem Schoß. Schon eine Weile.

"Du musst irgendeinen guten Vibe haben", meint Jus mit einem schiefen Grinsen, als er das sieht. Irgendwie grinst er ziemlich oft schief. Genau wie ich auch. "Niko ist eigentlich eher schüchtern."

"Du auch, was?" Ich wollte scherzen, doch anscheinend habe ich ins Schwarze getroffen.

"Jep, eigentlich schon", erklärt Jus.

"Ey, schüchterne Hopper gibts nicht." Ich boxe ihm gegen die Schulter, was ihn allerdings wenig kümmert.

"Man wird irgendwann so", sagt er und klopft auf die zerfetzte Couch. "Ich bin froh, dass ich das hier hab."

"Du wohnst hier?"

"So ziemlich."

"Okay..."

Ich schaue mich um. Nein, ich möchte hier nicht wohnen. Ich bin ein Vollblutstadtkind, eindeutig.

"Es ist mein Versteck", präzisiert er etwas. "Meine Zuflucht."

Irgendwie lässt mich das nicht so recht kalt. Justin scheint einsam zu sein. Und traurig.

Ja, vor allen Dingen traurig.

Ein trauriger Hopper. Ey, so was müsste gesetzlich verboten sein.

 

14. November - Helden

 

Am nächsten Tag kommt Jus vorbei. Ihn interessiert, wie mein Dad wohnt, meint er. Das nehme ich ihm allerdings nicht ab.

Heute hocken wir also in der Laube meines Vaters, welcher wieder ausgeflogen ist.

Es ist hier drin kälter als in Justins Bude. Warum, das weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich sorgt Katzenscheiße für Wärme. Es gibt ja die verrücktesten Dinge.

 

Jus holt eine Rolle Mentos aus seiner Hose.

"Kann ich auch einen?", frage ich. Jus nickt und ich halte meine Hand auf.

Als ich sie wieder wegziehen will, hält Justin mein Handgelenk fest.

"Warte mal."

Verwirrt schaue ich ihm zu, wie er meine Finger öffnet und meinen Handteller studiert.

"Du hast eine verdammt krasse Herzlinie", haut er plötzlich raus.

"Was hab ich?", frage ich, doch Jus hört mir nicht zu. Die Kuppe seines Zeigefingers fährt über eine meiner Handlinien, wahrscheinlich diese komische Herzlinie.

"Umso tiefer die Herzlinie, desto leidenschaftlicher ist man", erklärt er, und als er seinen Griff um mein Gelenk lockert, ziehe ich meine Hand schnell weg. Die Tatscherei wurde mir langsam echt unangenehm.

"Aha", erwidere ich unbeeindruckt. "Danke für die Lesung, die irrer Eso-Held."

Daraufhin kehrt Schweigen ein. Und ich vermute immer stärker, dass Justin irgendwie verrückt ist.

 

15. November - Denk nicht zu viel

 

Justin ist zum Glück nicht mein einziger Gartennachbar. Es gibt hier noch andere Laubenpieper. Und natürlich auch Laubenpieperinnen. Man mag es nicht glauben, aber sogar im November verirren sich Menschen in die Sparte. Und die sind bestimmt nicht alle so irre im Kopf wie Jus und mein Dad. Sondern haben triftige Gründe, sich in eine Laube zu verziehen.

Ich bin ja eigentlich kein Spanner. Okay, vielleicht manchmal. Wenn es wirklich viel zu gucken gibt. Und heute ist Kino deluxe in der gegenüberliegenden Laube. Anscheinend hat die Tussi, auf die man da einen Blick erhaschen kann, einen gut heizenden Ofen, oder aber ihr ist nicht kalt, weil sie selbst so übermäßig hot ist. Denn ansonsten würde sie sich wohl nicht so ungeniert obenrum freimachen.

Scheiße, hat die Titten. Garantiert ist da nicht viel echt dran, aber das juckt meine Urinstinkte gar nicht. Die finden es eher scharf, wie die Lady da ihre Möpse im Spiegel bewundert und betastet. Wenn sie nun auch noch anfängt, sich selbst zu befriedigen, dann mach ich mit. Aber so was von. Mann, Mann, wie stockhetero ich noch immer bin. Dass ich keine Frauen mehr im Bett habe, geht mir manchmal schon ganz schön ab. Nichts gegen Tim, um Gotteswillen, aber Titten sind halt auch was Feines.

Leider werden nun jene, die ich eben noch so schön bestaunen konnte, von einem BH verdeckt. Schließlich zieht die Tussi sich noch ne Bluse über, und im selben Augenblick kreuzt ein Kerl an ihrem Gartentor auf.

Wahrscheinlich betrügt sie hier ihren Alten. Oder verkauft sich heimlich. Wer weiß. Ich sollte jedenfalls nicht immer so viel denken.

Vielleicht sollte ich bald mal wieder bei Jus vorbeischauen. Auch wenn der voll psycho ist, aber schließlich hat er Gras. Und das ist noch immer das beste Mittel gegen zu viele Gedanken auf einmal.

 

16. November - Auto

 

Dieses verfluchte Unkraut sorgt immer für einen freien Kopf. Eigentlich habe ich bisher selten Joints geraucht, nur anlässlich spezieller Feierlichkeiten oder so, aber in dieser Gartensparte scheint man nicht nur Alki zu werden, sondern auch Drogensüchtiger. Ich hab mir ja gedacht, dass mir dieses Umfeld nicht gut tut, aber von Max lernt man schließlich auch nicht viel Gutes.

Dann doch lieber Jus. Jus, der nie viel redet, und wenn doch, dann irgendeinen abgedrehten Stuss. Also übernehme ich das Sprechen. Als meine Sorgen weit weg geschwebt sind, purzeln die Fakten bezüglich des Erlebten einfach aus mir heraus.

"...ja, und dann hab ich sie erwischt, halbnackt, alle beide." Ich zucke die Schultern, denn momentan geht es mir wirklich am Arsch vorbei, was und mit wem die Herrin es treibt.

Justin hört mir schweigend zu. Dreht sich immer wieder einen neuen Joint. Ein schlimmer Kiffbruder ist das.

Nun bin auch ich wieder ruhig, denn ich habe alles gesagt. Habe mir alles von der Seele geredet.

Jus nimmt einen tiefen Zug von seiner Tüte, dann schaut er mir in die Augen.

"Denk nicht so viel", sagt er, es ist fast ein Säuseln. Und dann kommt er mir plötzlich nahe.

Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht, weshalb ich auch nicht gleich eingreifen kann. Mir schießt lediglich durch den Kopf, dass dieser Irre mich küsst, einfach so, auf den Mund. Meine Hände schieben ihn allerdings schon Sekundenbruchteile später empört von mir. Woraufhin Justin nur einen ahnungslos-fragenden Blick übrig hat. Er glotzt wirklich wie ein Auto.

"Hör auf mit der Scheiße!", zische ich und bin mit einem Mal nicht mehr gechillt. "Ich steh zwar auch auf Schwänze, aber ich hab nen Freund, klar?"

Justin nickt betreten. Ob es ihm peinlich ist, weiß ich nicht. Vielleicht bedauert er es auch nur, dass er mich nicht haben kann.

 

17. November - Mythos

 

Nach der Nummer gestern war klar für mich, dass ich hier weg muss. Und das so schnell wie möglich.

Es gibt ja echt wenige Leute, die Die Antwoord hören, aber es gibt eindeutig noch weniger schwule Hopper. Anscheinend bin ich nicht nur ein Idiotenmagnet, sondern auch jemand, der solche verkorksten Pappnasen anzieht. Denn im Grunde bin ich selbst einer von denen. Von den Idioten wie auch von den schwulen Hoppern. Zumindest, wenn man die Details außer Acht lässt.

 

Meinem Vater ist es eh egal, ob er wieder alleine ist oder nicht. Viel hatten wir uns ohnehin nicht zu sagen. Wir haben einfach ein paar Tage nebeneinander her gelebt. Auch mir fällt der Abschied nicht schwer. Dad ist ein Mann wie alle anderen auch - er hat mich lediglich rein zufällig gezeugt.

Zu Hause werde ich wenigstens erwartet. Das weiß ich ganz genau. Tim will ich erst was von meiner Heimfahrt erzählen, wenn ich schon im Zug sitze. Aber das kann sich ziehen, denn die beschissene Bahn streikt. Wahrscheinlich haben sie es angekündigt, aber dieser Kleingartenverein war ja ein ganz anderes Universum, in dem nichts zu mir durchgedrungen ist.

 

Ich brauche also den ganzen Tag und die halbe Nacht, um in meiner Heimatstadt anzukommen. Allerdings wird mir im Zug, als ich so alleine mit meinen Gedanken bin, einiges klar.

Erstens: Jeder darf vögeln, mit wem er will.

Zweitens: Gras macht dich bekloppt, siehe Justin.

Drittens: Ich werde womöglich niemanden mehr außer Tim je küssen.

Aber das macht mir nichts aus. Ja, ernsthaft. Dass bisexuelle Leute nicht treu sein können, das ist ein Mythos. Das Problem ist nur, dass die, die vorgeben, nicht zu können, in Wirklichkeit nicht wollen.

Impotente Frigidität könnte man das nennen, überlege ich, während ich alberne Strichmännchen an die beschlagene Scheibe male, die sich an den Händen halten.

 

18. November - Musik

 

Ob er am Bahnhof ist? Gesagt hat er nichts. Bis jetzt kann ich ihn auch nicht sehen, egal, wie sehr ich mir den Hals verrenke.

Der Zug wird immer langsamer. Schließlich bleibt er stehen. Und ich bin endlich wieder in Berlin.

Erst als ich mit meiner Tasche über den Bahnsteig wandle, merke ich, wie sehr ich diesen Grund und Boden wirklich vermisst habe. Nie wieder Provinz, ey. Ein Tag länger, und ich wäre verreckt, ernsthaft.

 

Neben dem Fahrplan entdecke ich ihn schließlich.

Scheiße, hat der Kerl mir gefehlt. Scheiße. Es rauscht durch mich durch wie der Wahnsinn, als wir uns in den Armen liegen. Ja, jetzt, jetzt bin ich wieder zu Hause. In genau dieser Sekunde bin ich heimgekehrt.

"Privet moj myschka", raunt Tim mir ins Ohr. Und ich muss wie blöd grinsen. Er guckt mich an wie ein dummer Junge, als wir uns etwas voneinander lösen.

"Alter, du hast Russisch gelernt!", erkenne ich erstaunt.

"Mir war langweilig", gesteht Tim schulterzuckend. "Ohne dich ist echt verdammt langweilig."

"Ich weiß." Mein Grinsen ist nun ein stolzes. Ich bin eben doch der Beste.

"Wie wars?", will Tim wissen. Ich winke nur ab.

"Öde", sage ich nur und muss wieder daran denken, wie er mich eben genannt hat. "Aber ich glaub, ich hätte doch noch länger bleiben sollen."

Ehrliche Bestürzung macht sich auf Tims Gesicht breit.

"Wieso?"

"Weil du noch dezent an deinem Russisch feilen musst", kläre ich ihn auf. "Kleine Maus steht mir nicht so, nee."

"Oh." Er grinst auch, lächelt.

Gemeinsam schlendern wir in Richtung Bahnhofshalle.

"Allerdings ist Bärchen auch nicht gerade so fett."

Ein schelmischer Blick streift mich von der Seite.

"Gut, du hast es so gewollt: Privet moj Tuffi."

Wahrlich Musik in meinen Ohren. Aber ja, ich habe es tatsächlich so gewollt. Denn ich bin, was ich bin.

Tuffi.

 

19. November - World Wide Web

 

Tim muss mich nach einer heißen Nacht schon wieder teilen. Denn auch Moo und Flori wollen was von mir abhaben. Und ja, es ist auch schön, sie wiederzusehen. Dieser Justin hätte sie auch bevor er sich diesen Kuss geleistet hat nie ersetzen können.

Natürlich haben sie auch Wind von der Geschichte um Max und meine Mutter bekommen. Moo sowieso, der ist schließlich Max‘ Bruder. Klar, dass wir das Ganze nun auswerten.

"Max war schon immer schräg drauf", plaudert Moo aus dem Nähkästchen, während er die ganze Tüte Erdnussflips alleine frisst. Wir lassen ihn, denn die Infos sind gerade brandheiß. "Der war früher sogar mal Emo, als er so fünfzehn war."

"Waaaas?" Ich falle aus allen Wolken. "Du meinst, der war so n kleiner, irrer Felix?"

"Ja, aber geritzt hat er sich nicht."

"Der schlitzt ja auch lieber Tiere auf als sich selber", ergänzt Tim. Keiner kommentiert das. Anstelle erzählt Moo weiter.

"Und dann, so mit zwanzig oder so, da hat unsere Mom den mal mit ner Bitch vom Fenster aus gesehen, die bestimmt schon über dreißig war." Er stopft sich eine Handvoll Flips in den Mund und redet ungeniert kauend weiter. "Er hat natürlich alles abgestritten, aber ich glaub, die Alte war sogar mal bei uns oben. Keine Ahnung. Na, und dann war er drüben, in Köln, wer weiß, was er dort getrieben hat."

Allgemeines Schweigen breitet sich aus. Bis Flori schließlich alles mit einem Satz zusammenfasst.

"Also steht er auf MILFs."

"Jep."

"Krass." Tim nickt. "Krasser Scheiß."

Wieder Schweigen. Bis Moo sich erneut zu Wort meldet.

"Also, nachvollziehen kann ichs schon. Reife Frauen sollen voll geil im Bett sein."

Ja, MILF-Porns, die hab ich auch schon zur Genüge gesehen. Sogar mit Tim. Und ich verwette meinen Arsch, dass es einige Fetische ohne das World Wide Web gar nicht gäbe.

 

20. November - Wage es nicht!

 

Sonderlich lange mag ich Max zwar noch nicht kennen, aber in der kurzen Zeit habe ich bereits mitbekommen, dass er nicht sonderlich nachtragend ist. Eigentlich ist schon jetzt wieder Alltag in unserer beknackten Wohngemeinschaft eingekehrt.

 

Heute bügelt der Kerl. Am liebsten würde ich ihn fragen, wieso das nicht meine Mutter übernimmt, aber ich wage es nicht. Ich habe nämlich keinen Bock auf Schläge. Man weiß nie, zu was er imstande ist.

Anstelle sage ich etwas anderes. Es fällt mir leicht, weil er mit dem Rücken zu mir steht und in seine Arbeit vertieft ist.

"Mich geht das ja eigentlich gar nichts an", entkommt es mir. "Weißte, mich hat das nur so umgehauen, weil meine alte Mutter noch ein Liebesleben hat."

"Deine Mutter ist nicht alt", höre ich Max sagen.

"Ach, na ja." Ich grinse. "Wie manns nimmt. Also morgens, da sieht sie echt ganz schön alt aus."

"Okay..."

Blödes Thema.

"Aber was ich eigentlich sagen wollte...ich hab kein Problem damit, dass du mit meiner Mutter..."

Das Thema ist auch nicht besser.

"Du, Jascha, nimms mir nicht übel", setzt Max nun unerwartet an, "aber mir ist da auch einiges zu Ohren gekommen..." Er dreht sich mit dem heißen Eisen in der Hand zu mir um und grinst schelmisch. "Du hast mal mit der Freundin deiner Mutter...?"

Und ich hatte schon gedacht, das vorherige Thema wäre furchtbar. Aber das ist noch schlimmer. Weshalb ich es verdrängt hatte. Erfolgreich. Aber nun liegen die Wunden wieder offen.

"Ja, na und?" Ich zucke die Schultern.

Max sagt auch nichts mehr. Aber bestimmt denkt er sich seinen Teil.

Irgendeiner muss gepetzt haben. Wenigstens scheint er nicht zu wissen, dass es sogar kurz einen kleinen Jascha gegeben hatte.

Obwohl Max mir sicher zugestimmt hätte, dass Abtreibung die verantwortungsvollste Lösung war. Der Menschheit zuliebe. Die er hasst.

Mh.

 

21. November - Opfer und Täter

 

Eigentlich sind die Samstagmorgen immer am besten. Man kann lange schlafen, aber der Montag sitzt einem noch nicht im Nacken. Dafür sitzt einem aber vielleicht etwas anderes im Nacken. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Tim pennt, aber über seinen Rücken krabbelt irgendwas Schwarzes, Kleines. Und mit klein meine ich wirklich sehr klein. Ohne Mikroskop ist es kaum sichtbar. Da muss man schon wirklich sehr nahe rangehen. Als ich das tue, lässt sich aber feststellen, dass es mindestens acht Beine hat.

"Jascha, nich", höre ich es murmeln. "Zu früh für Sex."

Für Sex ist es eigentlich nie zu früh oder zu spät - vorausgesetzt, man bezieht sich nicht auf das Alter.

"Du hast da was", sage ich.

"Was hab ich da?"

"Ne Spinne, glaub ich."

Mit einem Mal ruckt Leben durch seinen Körper. Wie blöde beginnt er, sich zu schlagen, und kreischt dabei in einem fort: "Ist sie weg? Ist sie weg?"

"Oh Mann, die war nur ganz mini." Ich verdrehe die Augen. "Entweder du hast sie umgebracht, oder sie krabbelt nun im Bett herum."

Das hätte ich nicht sagen sollen. Sofort steht Tim draußen und beobachtet panisch die Matratze.

Ich habe dafür nur ein Seufzen übrig.

"Wenn Vic sich so gehabt hätte, hätte ich es noch einigermaßen nachvollziehen können, der ist schließlich ein halbes Mädchen. Aber du..."

"Fick dich."

Ich lache.

"Oh, wer wird denn da gleich ausfällig werden?"

"Ich", sagt Tim. "Schließlich bin ich das Opfer."

"Nee, die Spinne is das Opfer", wende ich ein. "Du hast sie umgebracht."

"Also ist sie weg?"

Ich zucke die Achseln.

"Weiß nicht."

Das reicht Tim nicht. Anstatt wieder ins Bett zu kommen, verzieht er sich ins Bad.

Wer weiß, ob er jemals wieder hier schlafen wird, ehe der Kammerjäger nicht nach dem Rechten gesehen hat.

Was für eine elende Pussy.

 

22. November - Meersalz

 

Aus Prinzip gehe ich immer alleine einkaufen. Das erspart nämlich jede Menge Zeit und Nerven. Alternativ schicke ich auch jemand anderen in den Laden, der dann aber auch gefälligst den Einkaufszettel abzuarbeiten hat.

Heute stehe ich trotzdem vor der Fleischtheke bei Edeka. Und an meiner Seite befinden sich Tim und Max.

"Du musst schon sagen, was du haben willst, sonst bestimme ich, und dann hör ich das Gemäkel schon förmlich."

Max nervt. Weil er sich als Koch aufspielt, aber selbst keinen Plan hat, was er denn heute Abend auf den Tisch bringen soll. Deswegen werden mir wieder Dinge angedichtet.

"Ey, dann mach einfach Steak." Ich zucke mit den Schultern. Also gibt es Steak. Tim sagt erst gar nichts dazu. Aber Tim frisst schließlich auch alles. Alles außer Minispinnen, die findet er verflucht eklig.

 

Mit dem Fleischbeutel im Einkaufswagen geht es weiter. Hier findet eine Tüte Parmesan, da ein Streuer mit Meersalz seinen Weg in den Korb. Schließlich kommen wir an dem Regal mit Bioprodukten vorbei. Für Max und mich ist das nichts, aber Tim guckt sich das Zeug genauer an.

"Komm weg, das ist Pferdefutter", verlange ich von meinem Freund, denn die Packungsgestaltung dieses Biozeugs ist grauenvoll. Doch Tim grinst plötzlich und hält mir eine kleine Flasche entgegen.

"Agaven-Dicksaft", lese ich laut vor, woraufhin Tim einen Lachflash erleidet. Nicht nur ich und Max glauben, er wäre reif für die Klapse, sondern sicher auch die anderen Kunden.

"Übersetz das mal", fordert Tim, als er sich wieder etwas beruhigt hat. Ich runzle die Stirn.

"Agaven - ich weiß nicht, was das heißt... thickjuice."

"Dickjuice, du Horst!", schmettert mir Tim entgegen. Mit hochgezogenen Augenbrauen gucke ich zu Max hoch.

Da fehlt echt eine Prise Meersalz an diesem geschmacklosen Witz. Aber auf dumme Weise ist das trotzdem arg komisch.

Ich kann Tim irgendwie verstehen.

 

23. November - Federleicht

 

Den Rentnerstempel lasse ich mir nicht verpassen. Flori und Moo haben behauptet, durch meine Beziehung hätte ich mich innerhalb ein paar Monate zu einem Opa entwickelt - dabei ist das Bullshit, Liebe konserviert nämlich.

Um den Lästerlichen dies zu beweisen, sitze ich mit ihnen in Floris Partykeller. Ja, der Typ hat echt so was. Schon deshalb ist er ein geiler Kumpel. Aber ein noch geilerer Kumpel ist Moo. Moo, der gar nicht so bescheuert aussieht, wenn man bereits einem im Tank hat.

Ich blickficke ihn schon länger. Irgendwann blickfickt er mich zurück. Ich grinse.

"Alter, das ist echt wie früher."

Das Licht der Diskokugel, welches Muster auf sein Gesicht malt, lässt ihn doch albern aussehen, als er haargenau so grinst wie Tim. Mit den Mundwinkeln nach unten.

"Echt?"

"Ja Mann, echt."

"Aja."

"Wie früher, als ich noch nicht so homo drauf war."

Es war klar, dass Tim mich für diesen Spruch anguckt. Soll er. Denn es stimmt. Ich lüge nicht.

"Früher warst du auch schon homo", meint Moo. "Da hast du nur statt Tim mich geknutscht."

Der Alk hindert mich am klaren Denken. Meine Hand schiebt sich in seinen Nacken. Das letzte, was ich sehe, bevor ich ihm nen Kuss auf den Mund drücke, sind seine riesengroßen Augen. Irgendwie wie ein panisches Pferd.

Als ich ihn von mir stoße, schmunzle ich.

"Jetzt ist wirklich alles wie früher."

Tim nimmt mir mein Fremdgehen nicht übel. Ungerührt nippt er an seinem Bier. Moo ist schließlich unser Kumpel.

 

Während sich in mir ein Gefühl einschleicht, das meinen Körper federleicht zu machen scheint, entdecke ich auf der Couch den weggedämmerten Max. Sabber läuft ihm aus dem offenen Mund. Felix wird ihn gleich weglecken, glaub ich. Der sitzt schon auf seinem Schoß.

Bei einem Schlafenden.

Er muss es echt nötig haben.

 

24. November - Antrieb

 

Boah, mein Kopf. Ich will echt nicht mehr leben, ey. Wieso bringen die besten Dinge im Leben nur immer solche Nebenwirkungen mit sich? Alkohol ist echt ein verdammt böser Geist. Genau wie Max, der mich in meinem Zustand mit seiner Abmetzelmusik quält. Der Typ ist schon wieder auf dem Posten, aber der trinkt ja auch echt wenig, weil er ne schreckliche Pussy ist und nichts verträgt. Dennoch muss er deshalb nicht die Totenruhe stören.

Warum ich auf der Couch liege, weiß ich selbst nicht. Bin halt irgendwann hier verendet. Alles, was ich weiß, ist, dass meine Ohren von der einen Sekunde auf die andere zu klingeln beginnen.

Im Reflex schmeiße ich mir das Sofakissen auf das Gesicht, aber auch das vermag meinen Schmerz nicht zu lindern. Ich brülle.

"Mach das aus!"

Immerhin macht Max die Scheiße leiser. Dann schiebt er meine Beine zur Seite und pflanzt seinen fetten Arsch auf die Couch.

"Kunstbanause." Ich habe das Gefühl, dass er mich auslacht. "Das sind Nachtblut. Sag niemals was gegen Nachtblut, wenn du behauptest, mit den satanischen Geboten zu sympathisieren."

In dem Moment verstehe ich sogar eine Liedzeile inmitten all des Gebrülls.

'Menschen lieben dich, wenn du deine Sache hast gut gemacht, doch machst du deine Sache richtig bist du gottlos und verhasst.'

Ich nehme das Kissen von meinem Gesicht. Gucke Max an. Max, der mich so stolz angrinst, als hätte er höchstpersönlich diese Musik geschrieben. Vielleicht hat er das ja auch, was weiß ich. Ich will es auch besser gar nicht wissen. Aber eins muss ich zugeben.

"Das stimmt sogar", bekenne ich, und Max nickt.

"Diese Band ist mein Antrieb an miesen Tagen."

Soll das eine Anspielung auf meine missliche Lage sein? Mir wayne. Ich halte diese Akustikwand trotz zutreffender Lyrics nicht aus. Und schmeiße mir wieder das Kissen aufs Gesicht.

 

25. November - Dahin schmelzen

 

Es raschelt. Beunruhigend, so mitten in der Nacht, wo man außer Tims Schnaufen sonst nie was hört.

Ich bin ja kein Schisser, aber das ist doof.

Es raschelt noch lauter. Dann bedeckt etwas mein Gesicht. Dämlich. Ich muss ehrlich sein - ich bin erschrocken und hätte beinahe Tim meine Faust auf den Kopf geklatscht. Aber seine Birne ist noch nicht Matsch. Ich konnte mich beherrschen. Gerade so. Denn nun weiß ich ja, was geraschelt hat.

Die Antwoord. Diese beschissenen Idioten, deren Abbild auf dem Poster prangt, das über meinem Bett hängt. Hängen sollte. Denn im Augenblick befindet es sich nicht an seinem Bestimmungsort.

"Boah, verpisst euch, ihr Spackos, ich will pennen..."

Tim wacht nicht auf, trotzdem ich spreche. Tim ist wie tot, wenn er schläft. Er wäre es nicht mehr, wenn ihm Ninjas Fresse so nahe wäre. Oder Yolandis Schritt. Wegen letzterem könnte man eher noch dahin schmelzen. Aber nicht wegen schwarzgefärbter Zähne. Mann, ist der Kunde hässlich aus der Nähe betrachtet. Das soll meine Lieblingsband sein. Okay. Mir egal.

Ich fege das Poster auf den Boden. Poster sind eh nur was für kleine Kiddies. Oder einsame Fetischisten. Und das bin ich beides nicht. Gut, vielleicht ein wenig. Wer weiß.

 

26. November - Inspiration

 

"Ey, was hastn dort?"

Tim guckt mich an, als würde er nicht ganz mitkommen. Er hält die Hände zwischen die Knie gepresst. Wie ein Mädchen. Oder wie einer, der was zu verbergen hat. Doch mir bleibt nichts verborgen. Kein noch so wohlgehütetes Geheimnis.

"Komm", fordere ich ihn mit einem Lächeln auf, dem niemand widerstehen kann. Erst recht Tim kann das nicht. "Ich hab eh schon gesehen, dass du Blut an den Fingern hast. Wen hast du denn ermordet?"

"Niemanden", sagt Tim. Glaubste ja wohl selber nicht. Verarschen kann ich mich alleine.

"Bestimmt Moo, weil ich ihn geknutscht hab", mutmaße ich und schmunzle. "Du kleiner Eifersuchti..."

"Quatsch."

Er zieht sich immer mehr in sein Schneckenhaus zurück. Irgendwas stimmt nicht mit ihm. Aber so was lässt sich leicht herausfinden.

Ich brauche nur seinen Arm zu schnappen. Er macht ihn ganz steif, aber dann sehe ich doch, was er an den Fingern hat. Besser gesagt, auf den Nägeln.

"Uff", fällt mir dazu nur ein. Ich lasse Tims Arm los, als wäre er ebolarisiert. "Emoschwuchtel, Alter."

"Boah, fick dich." Beleidigt steckt er die Hand zurück zwischen seine Knie. Ich kanns kaum fassen - Tim hat sich die Nägel lackiert. In Emoschwarz. What the holy fuck.

"Nee, gibs denn das..."

"Das ist, weil ich knauple."

"Felix sollte man sich dennoch nicht als Stylinginspiration nehmen. Als nächstes zerschnibbelst du dir die Arme, aber da is Feierabend, ich sags dir. Dann fick ich dich nie wieder."

Man muss ja mal Klartext reden. Tim rollt darauf mit den Augen.

"Ey, Max hat mir dazu geraten", stellt er richtig. "Der kaut nämlich auch."

Und lackiert sich die Nägel. Alter Verwalter. Ich möchte meinen Kopf am liebsten in das abgestürzte Poster wickeln und darin ersticken.

Hilfe. Nur Schwule in diesem Haus. Und dann sag nochmal einer, Homosexualität wäre nicht ansteckend.

 

27. November - Pflege

 

Homosexualität erinnert mich manchmal an eine Bakterie. Sie ist nicht nur ansteckend, sondern auch verdammt sozial. Schwul und schwul gesellt sich eben gerne. Kein Wunder, dass unser Lieblingsemokater schon wieder bei uns rumhängt. Er muss den Geruch der Homofische gewittert haben, die Max neuerdings vom anderen Ufer angelt. Wahrscheinlich hat den das Geficke mit der Herrin nun gay gemacht. Könnte ich ihm nicht mal verübeln. Darüber nachdenken will ich trotzdem nicht. Da ist mir selbst Felix' verstrahlter Tschernobyl-Blick noch lieber. Denn er gilt ja nicht mir, sondern Max.

Der Kleine ist heute sogar kurzärmlig unterwegs. Wahrscheinlich möchte er seinem Angebeteten nackte Tatsachen unterbreiten und seine Paarungsbereitschaft subtiler als noch vor einiger Zeit präsentieren. Irgendwie dubios. Aber der Typ springt sogar drauf an. Besser gesagt auf die rote Geheimschrift auf Felix‘ Armen, die davon erzählt, wie sehr er sich selber hasst.

Erst sagt Max nichts, sondern guckt nur. Immer wieder. Schließlich wendet er sich doch an ihn.

"Vielleicht solltest du mal ne Therapie machen", meint er, klingt dabei aber irgendwie voll fürsorglich. Sein Blick wandert über Felix' Arminnenseiten. "Is nicht schön, dass du dich so ruinierst. Bist doch eigentlich so ein Hübscher, wa?"

Tim und ich schauen uns an. Wir denken dasselbe.

"Du könntest ihn doch therapieren", schlägt Tim vor. "Bisschen Liebe könnte doch Wunder wirken bei so nem kranken Pflänzchen."

Max erwidert darauf nichts. Ein wenig missbilligend guckt er auf Tim, das wars aber auch.

Dafür aber zerfließt Felix förmlich. Offenbar wähnt er sich seinem Ziel nahe. Tim und ich uns auch. Wir sind im Kuppelmodus und hoffen, dass Max Felix pflegen wird. Vielleicht klappts ja so zwischen ihnen, denn in jedem Mann steckt doch ein Vater. Außer in mir. Aber ich verfüge ja auch nicht über eine starke Brust zum Anlehnen. Man sollte schon seinen naturgegebenen Talenten gemäß handeln.

 

28. November - Düstere Legenden

 

Tim plagt der Hunger. Mitten in der Nacht. Er geht mir schon ewig Weile auf den Sack mit seinem gurgelnden Grummelmagen. Was er jetzt braucht, sei ein Pudding, meint er. Und so, wie ich an Pudding denke, rumort es auch in meiner Wampe. Deshalb schleichen wir schließlich auch gemeinsam zum Kühlschrank. Im Dunkeln. Nackt. Auf der Treppe hätte es dann beinahe einen Toten gegeben. Das Ding ist echt creepy, wenn man nichts sieht.

Im Wohnzimmer begrüßt uns eine Lichtquelle. Wohl Max' Laptop. Ich frage mich, was er hier treibt, aber nicht lange. Denn dann entdecke ich einen großen Haufen auf der Couch.

Max hat offenbar der Schlaf plötzlich übermannt. Okay. Kann ja mal vorkommen. Was nicht vorkommen kann, erklärt mir Tim.

Aufgeregt tippt er mir gegen den Arm und zeigt auf den Laptop. Nackt, wie ich bin, schleiche ich ums Eck, linse auf den Bildschirm.

Bombastisch!

Auf der Mattscheibe ist tatsächlich das Vorschaubild für ein Video von miteinander bumsenden Emotypen zu sehen. Ich komm nimmer klar, ey. Zumal die Seite kackedreist 'Homoemo' heißt.

"Der guckt sich Felixe an!", zischt Tim mir zu. Er sieht nackt und im Finsteren aus wie ein Geist. Witzig. Doch nicht so witzig wie unser Fundstück.

"Aber er ist dabei eingepennt", gebe ich zu bedenken, worauf Tim nichts mehr sagt. Wir schleichen weiter in die Küche. Und ich überlege mir, dass es gar nicht so komisch ist, gleichzeitig MILFs, Transvestiten und Emos zu mögen. Wenn man einmal irre im Kopf ist, dann eh richtig.

Tja, um Max' Sexualität ranken sich einige düstere Legenden. Er sollte mit Felix gemeinsam ne Therapie machen. Ne Sextherapie. Vielleicht schläft er ja nicht mehr ein, wenn er aktiv am Verkehr beteiligt ist.

Werde auch du ein Homoemo. Denn in jedem Menschen steckt was Gutes, auch wenn es nur ein Messer ist.

 

29. November - In Gedenken an...

 

"Tuffi."

Tim steht in der Tür. Er sieht blass aus. Man kann eigentlich nur spontan Mitleid mit ihm bekommen.

Da ich gerade auf dem Drehstuhl sitze, patsche ich mir auf die Schenkel.

"Komm zu Papa", fordere ich ihn auf, und wahrscheinlich findet Tim es scheiße, dass ich mich Papa nenne. Denn er setzt sich nicht auf meinen Schoß. Setzt sich gar nicht. Steht unbehaglich guckend in der Gegend rum.

"Nee."

Seine Stimme ist leise. Er hat was.

"Erzähl Dr. Sommer, was los ist."

Ich kenne Tim gut genug, um einschätzen zu können, wenn ihn was quält. Und offenbar mag er es lieber, wenn ich mich Dr. Sommer nenne. Denn er macht den Mund auf.

"Ich hab Verstopfung."

Während er das sagt, schaut er mich ernst an. Und ich Depp vom Dienst hätte fast spontan gelacht.

Tims Hinterausgang ist zu. Scheiße. Ehe ich was sagen kann, fährt Tim fort.

"Das ist seit dem letzten Fick."

"Oh." Ich ziehe die Augenbrauen hoch. "Und nun?"

"Wir sollten öfter die Positionen tauschen."

Das gefällt mir nicht. Tim ist schließlich immer so willig, wenn ich ihn nehme. Ganz im Gegensatz zu mir, wenn er mich nimmt. Außerdem grusle ich mich jetzt, wo ich weiß, dass man dabei verstopfen kann.

Trotzdem, Tim tut mir leid. Er blinzelt.

"Das hat bestimmt was mit dem Sperma zu tun."

"Mh." Ich kratze mich am Kopf. "Kann sein..."

So gesund ist eine Arschbesamung bestimmt nicht. Kann ich mir gut vorstellen.

"Aber es ist geil, wenn du in mir zuckst."

Daraufhin zuckt bei mir wieder was - allerdings mein Mundwinkel.

Wir kriegen das schon wieder hin. Wäre ja gelacht. Und dann darf Tims Arsch nicht mehr in Frieden ruhen. Heute aber gedenken wir der Zeiten, als er noch unberührt gewesen war. Und es auf dem Scheißhaus wie geschmiert lief. Oder so.

 

30. November - Um den heißen Brei herumreden

 

Eigentlich kann ich Starbucks nicht ab. Heute sitze ich trotzdem in diesem Laden. Der Durst hat mich und Tim in der Stadt überwältigt. Und die Müdigkeit. Wir benötigen also einen Kaffee. Zum Glück ist Tim so gut und geht an die Theke, während ich mich schon mal in den Sessel lümmeln kann.

Schließlich kommt er wieder, einen Becher in jeder Hand. Einen stellt er vor mich, einen vor sich. Dann setzt er sich. Und guckt so. Als würde er auf irgendeine Reaktion meinerseits warten.

"Was?", frage ich. Tim schüttelt nur den Kopf. Manchmal ist er echt komisch. Ich weiß auch nicht.

Da er gesprächsunfähig scheint, setze ich den Becher an die Lippen. Trinke. Dann halte ich panisch die Luft an. Pruste. Kaffee sprudelt mir aus der Fresse. Ich sehe bestimmt aus wie einer, der Tollwut hat.

Etwas Hartes wurde mir mit dem Kaffee in den Mund geschwemmt. Tim macht ganz große Augen. Was geht hier vor?

Als man mir wieder ne Portion Beherrschung verpasst hat, schlucke ich die Brühe und hole anschließend einen Ring aus meinem Mund. Hä? Ich werfe Tim einen fragenden Blick zu, und der Kerl wird krebsrot.

"Ja, äh...", bringt er mühsam hervor und schaut verschämt weg. "Das ist ein Antrag."

"Ein Antrag?" Ich hebe die Brauen. "Ein Antrag auf was? Auf Hartz IV?"

"Nee." Er räuspert sich. "Ich würd dich ganz gerne heiraten, Jascha."

Was. Jetzt bin ich gesprächsunfähig. Tim ist irre geworden. Das geht mir zu schnell. So schnell, dass ich nicht nachdenken kann über das, was ich sage.

"Boah. Fuck."

Tims Augen sind groß.

"Willst du denn?"

Ich mustere den Ring, der aussieht wie im Schmuckladen gekauft. Er ist nichts Besonderes. Jedenfalls nicht objektiv betrachtet. Lediglich die Tatsache, dass er von Tim ist, macht ihn besonders.

Wir sehen uns in die Augen.

"Ja, Mann. Ich will das sogar..."

Daraufhin beugt er sich über den Tisch, legt die Hände auf meine Wangen und küsst mich. Einfach so. Vor allen Leuten. Und es stört mich nicht mal. Ich bin glücklich. Ich bin wirklich glücklich darüber, dass Tim meint, dass das mit uns für immer ist. Denn der Meinung bin ich auch.

Der Antrag ist seltsam, aber wen kümmerts. Mich nicht. So musste er nicht um den heißen Brei herumreden. Das Ganze ist typisch Tim. Und fände ich scheiße, wie er manche Dinge tut, dann wäre er nicht mein Freund. Und erst recht nicht mein zukünftiger Mann.



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Kommentare zu dieser Fanfic (14)
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Von:  chaos-kao
2016-07-10T22:19:25+00:00 11.07.2016 00:19
Das Konzept der Geschichte war anfangs etwas irritierend, aber nachdem ich mich daran gewöhnt habe, ist es ziemlich angenehm zu lesen. Die Charakter sind Stereotyp und dann doch wieder nicht. Alles ist irgendwie verwirrend und doch wieder nicht. Ich mag es. Weiter so!

Antwort von:  Anemia
11.07.2016 08:11
Ja, irritierend war es wahrscheinlich deshalb, weil ich seit langem wieder einmal ohne eine von vornherein festehende Storyline gearbeitet habe. Ich wollte mich schlichtweg selbst überraschen lassen und keinen zu starren Regeln folgen - denn das tut das Leben ja auch nicht. ;)
Zugegeben, ich greife tatsächlich gewisse Stereotypen auf, was dem Ganzen schon wieder so nen Parodie-Faktor gibt.

Tja, die Story kommt halt aus meinem Kopf, und dort besitzt die Verwirrung ohnehin die Oberhand, von daher. xD
Was das Weitermachen angeht: Ich bin extrem langsam. Ich schreibe pro Jahr vielleicht noch so um die 15 Drabbles und verliere dann wieder das Interesse. Ich hoffe ja, dass ich das Projekt noch beenden kann in den nächsten fünf Jahren. xD Wir werden sehen.

Danke für die interessante Rückmeldung!

lg Serpa
Von:  Agent-00i
2016-04-13T20:13:31+00:00 13.04.2016 22:13
Ich hab mich riesig über das neue Kapitel gefreut. Und dann passieren hier auch noch so viele große Dinge xD Jascha erwischt seine Mutter mit Max, Tim macht ihm einen Antrag, omg xD Ein Glück, dass er den Ring nicht verschluckt hat :'D
Dein reduzierter Stil und dein Humor sind echt klasse! "In jedem Menschen steckt etwas gutes..." hehe...

Freue mich schon auf's nächste Update <3
Von:  Tomoaki-chan
2016-04-10T19:54:52+00:00 10.04.2016 21:54
Einfach Hammer. Der Text ließt sich total entspannt und kommt so alltäglich daher, das ist wirklich der Wahnsinn! Ich liebe wie du schreibst! Die kleinen Dinge im Leben, den normalen verrückten Alltag, all das stellst du einfach wunderbar da!
Und ich freu mich, dass Jascha und Tim einfach sind wie sie sind. Der Antrag ist übrigens klasse! Wer braucht schon einen Weg aus Rosenblättern auf dem Boden, Rosen überhaupt und Kerzen und den ganzen Schmand? Echte Gefühle sind das wichtigste und Einfachheit tut's auch <3
Antwort von:  Anemia
11.04.2016 17:55
Wow, danke schön! Freut mich sehr, dass dir mein reduzierter und umgangssprachlicher Drabblestil gefällt. Um ehrlich zu sein mag ich ihn auch - man merkt dadurch einfach, dass man auch mit wenigen Worten viel ausdrücken kann.
Die Chaoten sind eigentlich die einzigen von mir ausgedachten Charaktere, die ich über Jahre hinweg sehr mag. Deshalb hab ich mich nun auch endlich wieder an das Projekt gesetzt, in der Hoffnung, es endlich zu beenden. Mal schauen, ob mir die Ideen hold sind. :)

lg Serpa
Von:  Agent-00i
2015-04-22T23:26:23+00:00 23.04.2015 01:26
Dein Schreibstil ist wie immer herrlich ♥
Freue mich schon aufs nächste Kapitel!
Antwort von:  Anemia
23.04.2015 08:20
Freut mich, dass dir diese kleinen Chaosepisoden gefallen und du es trotzdem noch liest, obwohl es so eine lange Update-Pause gegeben hat...;) Ich hoffe, nun bis zum Ende durchzuhalten. :D

Danke fürs Lesen!

lg Serpa
Von:  Leviathena
2013-06-03T16:08:49+00:00 03.06.2013 18:08
Ich liebe diesen Tagebuch stil! Und die Story sowoeso, hat mich ziemlich gefesselt, auch wenn ich so far nichts mit diesen bösen hiphopboys anfangen kann (sehr witzig die sache mit dem Tattoo. Sooo prollig xD)
Es ist ja nicht die erste story von dir, die ich fresse, und mal wieder kann man dich nur loben! Locker, leicht und versaut hihi so wie mans gern hat ;)
Ab und an fehlt mir ein bisschen Detail, aber ein Tagebuch schreibender wird kaum dort festhalten, vorallem explizit xD, wie er seine flamme das erste mal durch nimmt. Schade, aber nachvollziehbar, und abhalten vo, lesrn tut es michauch nicht!!!
Vic und Benjamin *mal scharf die luft einzieht* bin ich noch unschlüssig, was mich da erwartet, wills aber definitiv bald wissen xD
Jaschas Obsession bezüglich Vic kann man auch zweideutig sehen. Wäre ich Tim, ich hätte unserem badboy schonmal ordentlich den Hintern fur das ganze Vic-gequatsche versohlt. Andererseits ists lobenswert, dass er nach all der Action noch eine gewisse Fürsorgepflicht empfindet.
Und Felix... *Finger knacken lässt* ich bin kein Freund von Gewalt, ABER bei dem wäre mir wohl auch die Faust ausgerutscht.

Alles in allem eine schöne Komposition unterschiedlicher Charaktere. Freue mich auf September ;)
Von: abgemeldet
2013-04-18T12:05:29+00:00 18.04.2013 14:05
Die Süßen xD

Wieder ein schönes Kapitel, sexy, witzig, spannend, wendungsreich, süß, außergewöhnlich. Wie du die Sache mit dem Prozess ausgearbeitet und gelöst hast, fand ich sehr gut. Alles wirkt sehr realistisch. Und das Altersheim tut unserem Jasche bestimmt mal ganz gut^^.

Dies ist der erste Kuss, der mich aus diesem Albtraum aufweckt. Er liegt hinter mir. Und ich stehe noch immer aufrecht.
Mein Lieblingssatz, sehr cool :)

Auf die Auflösung mit Vic und Benjamin bin ich schon sehr gespannt! Ich finde es toll, dass Jascha so groß ist und sich trotz allem noch um Vic sorgt. Er ist eben doch kein so knallharter Gangsta. Ich hoffe, er kann Vic helfen und ihn aus den "Fängen" dieses fiesen Mistkerls befreien. Und wie Felix da wieder reinpasst, ist mir auch noch schleierhaft. Der ganze Typ ist mir schleierhaft. Was der da wieder abzieht! Was ist bloß mit dem los?! Wie kaputt muss man sein, um sich so zu verhalten? Erst liebt er Vic, dann Tim, jetzt geht er auf den Strich und betrügt Vic mit Benjamin, der ja Vics Freund ist...?! Das macht doch alles keinen Sinn! Der muss echt ein psychisches Problem haben. Oder er hat so unglaublich wenig Selbstachtung, dass er gar nicht begreift, was er sich und den Leuten um sich rum damit antut... Meine Güte o0

Überhaupt finde ich, dass deine Figuren alle umheimlich vielschichtig und außergewöhnlich sind. Sie haben so viele Eigenschaften, so viele Macken, die alle nebeneinander bestehen und gerade das macht sie so unheimlich menschlich und realistisch. Ich glaube, so krass ist mir das bei noch keiner Geschichte hier auf Mexx aufgefallen. Menschen sind nicht so einfach gestrickt, wie Autoren das manchmal gerne hätten. Und du hast es richtig drauf, Menschen so kompliziert und anstrengend zu zeigen wie sie wirklich sind. Echt toll, bewunderswert. Von dir und deinem Schreibstil möchte ich mir gern ein paar Scheiben abschneiden^^. Darf ich :)?

Bitte schreib schnell weiter! Und hab eine schöne Restwoche :)
Lung
Antwort von:  Anemia
19.04.2013 10:16
Der von dir zitierte Satz ist eigentlich das, was ich selbst oft denke, wenn ich mir bewusst werde, wie viele schwierige Situationen ich bereits gemeistert habe. Wie oft denkt man, dass man etwas nicht packt? Aber es geht immer irgendwie weiter. Auch wenn man glaubt, draufzugehen. ;)

Ja, Benjamin ist einfach nur kaputt und ich kann ihn auch nicht leiden. :) Ich werde selbst froh sein, wenn der weg ist...aber noch muss ich ein bisschen aushalten..;)
Mh, man sollte vielleicht nicht die ganze Schuld auf Felix abwälzen...Felix ist labil und würde wahrscheinlich so ziemlich alles mit sich machen lassen...aber ich will nicht zu viele Hinweise geben. Man wird sehen. ;)

Ach, der letzte Absatz...der hat mich total glücklich gemacht. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Manchmal denke ich, ich kann nicht besonders schreiben, weil man mir schon so oft gesagt hat, dass das, was ich verzapfe, unrealistisch ist. (Okay, auf manche Geschichten trifft das zu..) Aber sowas gibt mir gleich ganz neues Selbstbewusstsein und Kraft, hieran weiterzuschreiben (ich hab ne kleine Pause eingelegt, um an einer anderen Geschichte zu arbeiten). Manchmal braucht man sowas einfach. Hach, ich freu mich so. Jetzt werde ich tagelang strahlen! :3
Und Quatsch, du schreibst doch selbst so toll...hast du gar nicht nötig, dir von mir ne Scheibe abzuschneiden. ;)



lg Serpa
Von: abgemeldet
2013-04-18T10:45:17+00:00 18.04.2013 12:45
Hahaha, die beiden und ihr Dirty Talking XDDDD!

Nein, ehrlich. Ich mag ihre/deine unverblümte Sprache. In einer Beziehung sollte man sowieso miteinander über Sex reden und dass sie dies so tabulos machen, tut ihnen sicher gut und ist obendrein auch noch ziemlich sexy ^_________^

Schön, dass die zwei Turteltauben es geschafft haben. Ich mag die beiden sehr als Paar. Sie passen gut zusammen, besser noch als Jascha und Vic. Auf den bin ich im Moment sowieso böse òó. Ebenso auf Felix. Ich meine, er tut mir leid mit seinem Selbsthass und so, aber wenn er sich als Dreck empfindet und keiner sein will, sollte er sich nicht so arschig verhalten. Trotzdem... Das mit der Schlägerei war ein Fehler, Jascha. Und ich finde, dass er ruhig dafür geradestehen kann. Felix ist zwar nicht das Unschuldslamm, das er so kompetent gibt, aber jemanden so zu schlagen, dass er im Krankenhaus landet, ist nicht richtig.

Mann, Mann... Da lässt du deine Protagonisten ja ziemlich schwitzen^^. Aber das machst du ziemlich gut und witzig ist es auch noch dabei. Sehr gute Arbeit :)

Ich freu mich aufs nächste Kapitel,
Lung
Antwort von:  Anemia
19.04.2013 10:09
Dirty Talking ist eine essenzielle Angelegenheit in vielen meinen Geschichten...davon kann es gar nicht genug geben. ;) Nur passt eine volle Ladung nicht immer ins Geschehen...(ist das jetzt irgendwie pervers? ;D)

Ich persönlich mag solche ewig schnulzigen, kitschigen Pärchen(szenen) auch nur bedingt. Es kommt auf die Personen an. Wenn ich eine FF schreibe, dann gehen mit mir schon manchmal die Pferde durch und alles ist voller Blümchen und Herzchen...einfach, weil ich die Personen in trauter Zweisamkeit sehen will. Bei Jascha geht mir das allerdings nicht so. Und ich muss sagen, dass Jascha und Tim am schönsten zusammen sind, wenn die Szenen so etwas..unromantisch sind. ;)

Jascha und Vic passen meiner Meinung nach auch nicht zusammen (es gab aber schon Leser, die mir da nicht zustimmten...). Anfangs war das mit Tim und Jascha überhaupt nicht vorgesehen, aber Tim hat von Beginn an Zeichen in diese Richtung gesandt und ich hab sie irgendwann wahrgenommen..;) Manchmal zahlt es sich aus, wenn man keinen festen Plot hat. Dann wird alles ein bisschen flexibler als mit Plot. (Ist bei mir jedenfalls so)

Meine Protas sind eigentlich immer Arschlöcher. Wäre Jascha ein lieber Junge, dann würde ich ihn wahrscheinlich nicht so sehr mögen, wie ich es tue. ;)

Und nochmal danke. ;)
Von: abgemeldet
2013-04-17T16:24:04+00:00 17.04.2013 18:24
Oh, oh. Da spitzt sich die Situation zwischen deinen Protagonisten aber zu OO!
Ich wusste aus deinem Weblog ja schon, dass Jascha und Tim irgendwann zusammen sein würden, aber da Jascha ja so happy mit Vic war, konnte ich es noch nicht so recht glauben.

Und jetzt das.

Ich muss schon sagen, ich bin echt enttäuscht von Vic. So ein cooler Typ und dann betrügt er Jascha ausgerechnet mit Felix, der offenbar so labil ist, dass eine Trennung von Vic ihm an den Rand des Abgrunds treiben könnte. Vic scheint es mit der Treue und den sexuellen Regeln ja nicht so ernst zu nehmen. Auch die Sache mit dem Dreier. Kein Wunder, dass er das so viel lockerer als Jascha gesehen hat. Und Felix… Ich denke, der arme Junge braucht Hilfe. Ich finde Ritzen fürchterlich! Einmal habe ich einen Artikel darüber gelesen und mir ist zwischendurch beinahe schwarz vor Augen geworden, weil ich die Vorstellung so unerträglich fand. Ach, Felix… Was tust du dir da nur an? Ich drücke ihm – trotz seines „Verrats“ an Jascha – die Daumen, dass er sein Leben noch in den Griff kriegt und aus diesem Strudel hinaus findet.

Und dann gibt’s da ja auch noch Tim und den Jascha-Bären ( xDDDDD ). Mhm, das muss echt anstrengend für Jascha sein. Von einem Tag auf den anderen ändert sich sein Leben so sehr. Sein Liebster entpuppt sich als treulose Tomate, sein Kumpel zeigt Verschossenheits-Anzeichen. Ich kann verstehen, dass ihm das irgendwie zu viel wird. Aber Jascha, du und Tim… Das wäre eine echt gute Sache. Und ich wette, Tim ist nackt eigentlich doch ganz nett. Vielleicht sogar ein echtes Sahnetörtchen :). Wait and see!

Im zurechnungsfähigen Zustand hätte ich Tim eins vor den Latz gehauen, aber mir geht es schlecht und kann nicht mehr aufhören, Vic und Tim mental zu töten.
Ach ja, muss hier vielleicht statt Tim Felix stehen? Nur weil Jascha ja kurz darauf in Tims Bett kommt. Und wenn er ihn mental tötet, würde er das doch nicht unbedingt tun, oder?

Übrigens habe ich überlegt, dass die unverständlichen Sätze, die ich in meinem letzten Kommentar erwähnt habe, vielleicht tatsächlich umgangsprachliche Ausdrücke sind und vielleicht einfach von deinem…keine Ahnung, Dialekt?...kommen. Ein bisschen undurchsichtig für mich als hochdeutsch-sprechende Nulpe, aber eigentlich ganz nett :). Nur einmal hast du im letzten Kapitel Sonn statt Sonne geschrieben. Daran kann ich mich ganz deutlich erinnern!

Wie auch immer. Schönes, witziges, sprachlich aufregendes Kapitel. Ich verfolge die Weiterführung mit Interesse :)! Hab noch einen schönen Abend!

Lung
Antwort von:  Anemia
19.04.2013 10:01
Sooo, der Tim musste tatsächlich durcn den Felix ausgetauscht werden und im Mai steht wirklich Sonn..dass man sowas aber auch nicht merkt...ich hab jedes einzelne Drabble bestimmt fünfmal durchgelesen. Wahrscheinlich macht schreiben betriebsblind. Ich merks ja manchmal bei der Grammatik. Da sitz ich da und überlege ewig, ob das so stimmt, weil mein Sprachgefühl mich verlassen hat. ;)

Mh, ja die Umgangssprache...das ist eben für manche ein Problem, zumal ich selbst manchmal nicht weiß, ob das ein umgangssprachlicher Ausdruck ist oder es als hochdeutsch durchgeht...Ich sag Tim und Jascha mal, dass sie nen Sprachkurs besuchen sollen. Aber ich wette, darauf haben sie keine Lust...;)

Ich gehe jetzt mal davon aus, dass du Felix irgendwie magst. Das finde ich sehr schön, denn er kann wahrscheinlich nicht mal etwas dafür, dass er so ist. Ich persönlich mag ihn auch, auf der anderen Seite ist er so ein kleines bisschen der Unsympath, einfach, weil ich als Jascha so denken muss. ;)

Danke, danke fürs Lob. Hab mich sehr gefreut. :)

lg Serpa
Von: abgemeldet
2013-04-14T14:30:58+00:00 14.04.2013 16:30
BOAH! Was für ein fieser Cliffhanger òó! Und ich hatte mir doch geschworen, jetzt den Laptop runterzufahren…… Argh! Aber okay, erstmal noch ein paar Anmerkungen zu deinen Ergüssen.

Ich habe hier und da ein paar Rechtschreibfehler bzw. unverständliche Sätze gefunden, die ich dummerweise nicht kopiert habe, weil ich weiterlesen musste. Aber so schlimm waren sie nicht, vielleicht entdeckst du sie ja selbst, wenn du dir das Kapitel irgendwann nochmal anschaust :)

Geile Sätze:

Aber naja, Ich verlasse mich ja auf meine Sinne. Wahnsinn, Irrsinn und Blödsinn.
Sehr cool, sehr einfallsreich xDDD

Ich kacke gerade, als es klingelt.
Boah XDDDD! Respekt, dass du das ausschreibst!

Okay. Abgesehen davon gefallen mir die sprachlichen Mittel sehr, die du hier verwendest: All die Metaphern, die Ausdrücke, das Jugendliche, was das Ganze sehr realistisch macht. Du hast einen tollen Stil und spielst sehr gekonnt und kreativ mit der Sprache, das bewundere ich immer sehr, wenn ich eine Geschichte lese :). Auch die ganzen Versautheiten, die Jascha so raushaut, finde ich gut, obwohl ich mich manchmal beinahe erschrecke ;)

Ebenfalls gut finde ich diese winzigen „Kapitel“, die alles so auflockern und die jeden Tag eines ganzen Monats beleuchten können. Vier Fäuste für Drabbles :D
Manchmal war ich verwirrt, wenn du gar nicht geschrieben hast, wo sich Jascha gerade aufhält und man einfach so in die Situation geschmissen wird. Andererseits hat das auch Charme, sich so nur auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Alles in allem bisher eine coole und witzige Geschichte, die ich bestimmt weiterverfolgen werde. Aber jetzt muss ich in die Sonne :)!

Bis bald, keep on writing,
Lung
Antwort von:  Anemia
14.04.2013 17:01
Ach, wie schön, dass du reingelesen hast. ;)
Rechtschreibfehler? Dass Open Office mich so hintergeht...jedes einzelne Drabble habe ich außerdem mehrfach durchgelesen. Und unverständliche Sätze? Okay, die kommen vielleicht von meiner eigenen bunten Knete im Kopf. ;)

Danke für das ganze Lob, ich weiß grad gar nicht, was ich dazu sagen soll, ich freue mich einfach nur. :D Umgangssprachlich kann ich glaub ich am besten Schreiben, passt auch zu den ganzen Unverblümtheiteiten, die ich sehr gern habe. ;) Ja, nicht jeder wird damit umgehen können, denke ich, umso schöner ist es allerdings, wenn jemand ganz begeistert davon ist. (Ich kann nämlich nicht anders...;D)

Danke fürs Lesen und eifrige Kommentieren!

lg Serpa
Von: abgemeldet
2013-04-14T14:19:34+00:00 14.04.2013 16:19
Hello :)! Ich muss sagen, ich bin recht angetan von deinen warmen Berlinern. Eigentlich wollte ich einen ausführlichen Kommentar schreiben, aber nun muss ich erstmal ins zweite Kapitel reinlesen, fürchte ich. In die Zukunft also, denn heute ist ja erst der 14. April 2013 und Jascha hat schon Mai xD

Also, hier meine Lieblings-Sätze:

Ehrlich gesagt war ich nicht sicher, ob Tim so viel Knete im Kopf hat, damit er wahrhaftig auf das schöne Gesicht meiner Dame hereinfällt. Aber anscheinend hat er sogar bunte Murmeln in der Birne und die Knete dient nur dazu, dass das ganze Zeug beim Laufen nicht so klappert.
Wunderbares Bild, die Murmeln und die Knete und das Klappern beim Laufen XD

Bin ich selbst so schräg, dass ich solche Typen magisch anziehe?
Hier musste ich glucksen. Und ich dachte: Ja, Jascha^^.

War Pan nicht dieser Peter, der immer Kind sein will?
Und hier musste ich richtig lachen xDDD! Supergut – „dieser Peter“ :DDD

Okay, den meine restlichen Gedanken schreibe ich dir später. Jetzt muss ich zum nächsten Kapitel :)

Lung


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