Das schönste Gefühl von KFutagoh89 ================================================================================ Kapitel 5: Wagnis ----------------- Die Nacht verstrich. Die wärmenden Strahlen der Frühlingssonne lösten die Finsternis ab und die funkelnden Sterne erloschen. Der Sonntag begann nun. Normalerweise würde jeder diesen Wochentag in vollen Zügen genießen. Angefangen beim langen Ausschlafen bis hin zum gemütlichen Verweilen auf der heimischen Couch, um dabei vielleicht ein Buch zur Entspannung zu lesen. Doch dieser Morgen war kein gewöhnlicher. Nicht zumindest für Joey Wheeler. Der blonde Junge konnte die ganze Nacht über kein Auge zu tun. Immer wieder kreisten seine Gedanken um ein Thema; ein Gefühl; eine Person. Joey rieb sich übermüdet die Augen. Es half einfach nichts. Die gestrige Begegnung mit Seto Kaiba fachte sein komplettes Gefühlschaos weiter an. Es verging keine Minute, in der Joey eine regelrechte Achterbahnfahrt durchlebte. Sie glich ihm allzu oft einem gewaltigen Kraftakt. Der Verstand und das Herz fochten einen Kampf aus. Welcher von beiden sollte die höhere Priorität im Verhalten des Mannes besitzen. Doch bisher ging, wie schon seit langer Zeit, keines der Gefühlszentren als Sieger hervor. Deprimiert erhob sich der er aus seinem Bett und betrat das Bad. Am Waschbecken drehte er den Wasserhahn auf und sammelte das eiskalte Wasser in seinen offenen Handflächen. Ohne länger zu zögern tauchte er sein Gesicht in das kühle Nass ein und erwachte dadurch etwas mehr. Gedankenverloren betrachtete er sein Antlitz. Die dunklen Augenringe zeichneten sich deutlicher als sonst ab. Obwohl Joey diesen Anblick bereits kannte, missfiel ihm dieser heute umso mehr. Grummelnd zog sich der schlanke Mann aus und ging anschließend duschen. Nach dem Waschritual erschien der er in der Wohnküche. „Morgen Serenity“, rief Joey. Doch keine Antwort folgte. Irritiert sah er auf und schaute sich um. Seine Schwester blieb aber unauffindbar. Am Kopf kratzend kehrte der er in die Küche zurück. Auf dem Esstisch fiel Joey schließlich ein kleiner Zettel auf. Verwundert nahm er den Papierfetzen und las laut vor. [Morgen Bruderherz. Wunder dich nicht, aber ich bin heute bei einer Freundin. Ich habe dir auf die Küchentheke eine Flasche 'American Pancake’s' gestellt. Mit ein bisschen Milch hast du ein schnelles Frühstück. *Zwinker Lass es dir schmecken. Ich bin am Sonntagabend zurück. Sei liebevoll umarmt, Serenity] Joey musste schmunzeln. „Du bist echt die Beste, Schwesterchen“, dachte er dabei. Er legte den Brief zur Seite und nahm sich die Pfannkuchen-Mischung. In Windeseile brutzelten die Getreidefladen in der Pfanne und landeten gestapelt auf einen Teller. Aus dem Kühlschrank wanderte ein Glas Haselnuss-Schokocreme dazu. Der Junge bestrich einen Lappen nach dem anderen mit der süßen Soße und rollte diese anschließend zusammen. Genüsslich ließ er sich die Happen auf der Zunge zergehen. Besser konnte ein Tag wirklich nicht anfangen. Schlussendlich leckte Joey sich die überschüssige Schokocreme von den Fingern. Man konnte ihn einfach als Naschkatze bezeichnen. Oder würde Naschkater besser passen? Mit reichlich Zucker im Blut beschloss Joey, sein eigentliches Vorhaben endlich umzusetzen. Ein Besuch bei Kaiba stand an. Das Ziel - seine Villa, die den Familiensitz auszeichnete. Also machte er sich fix an das Geschirrspülen und trat nach wenigen Minuten aus der heimischen Haustür. Der Junge lief die Gehwege entlang, in Richtung des großen Anwesens. Dabei hörte er mit seinen alten MP3-Player Musik. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, um sich von quälenden Gedanken und Fragen zu befreien. An dem heutigen Tag trug der 18 Jährige einen dunkelgrünen Kapuzenpullover mit Reißverschluss. An seinen Oberarmen verliefen waagrecht ein roter und schwarzer Streifen. An der Brust schimmerte ein schwarzes T-Shirt durch. Eine einfache Jeans mit dunklen Chucks vervollständigte das Bild. Joeys Blick schweifte ab und an durch seine Umgebung und verlor sich in der Bunten Schaufensterwelt. Nur wenige Autos fuhren auf den Straßen. Viele schienen den Feiertag lieber daheim zu verbringen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte der Spaziergänger das aufgesuchte Gebäude. Dort angekommen betrachtete er lange die Klingel, die sich neben einem weiten und geschwungenen Eisentor befand. Groß genug, dass Autos durch passen würden. Das komplette Anwesen wurde durch hohe und dicke Mauern umzäunt und war somit optimal vor unerwünschten Besuchern geschützt. Joey schluckte. „Was mache ich hier nur? … Bin ich bescheuert? … Der lässt mich doch so oder so nicht rein!“ Der unsichere Junge konnte sich zu keinem Entschluss durchringen. Ihn verließ der Mut. An diesem Morgen erwachte Seto übermüdet aus seinem Schlaf. Dunkle Augenringe untermalten seinen grimmigen Blick. Die komplette Nacht kam er nicht zur Ruhe. Schließlich suchten ihn immer wieder diese Albträume heim. Dauernd schreckte er schweißgebadet auf. Schwer atmend realisierte Seto nur zögerlich, dass es sich bei seiner gedanklichen Erfahrung nur um einen Traum handelte. „Hören diese verdammten Träume denn niemals auf? … Weshalb taucht ständig dieser Köter darin auf? … Ich kann mir keinen Reim drauf machen.“ Der junge Mann widersetzte sich seinen Gefühlen, die ihm so vertraut und doch so fremd waren. Ohne viele Worte entschwand er ins große Badezimmer. Die Dusche wurde betreten, der Wasserhahn aufgedreht. Das warme Wasser floss aus einem großen Duschkopf. Sanft regnete es herab und perlte auf seiner glatten Haut ab. Seinen Gedanken nachgehend starrte Seto auf die dunklen Fliesen der Kabinenverkleidung. Grummelnd beendete er die Waschung und trocknete sich ab und begab sich mit dem langen Handtuch um die Hüften in sein Schlafgemach zurück. Beim durchwühlen des Kleiderschrankes überkamen ihn schlagartig wieder die Erinnerungen. „Unsere Wege treffen immer wieder aufeinander. Selbst in meiner Freizeit habe ich keine freie Minute vor dem. Ist das nur Zufall? … Wohl kaum!“ Endlich fand Seto wonach er suchte. Das erste Kleidungstück wurde übergeworfen. Als er zufällig in den Spiegel sah, stockte er halb bekleidet in seiner Bewegung. Nach langer Zeit, in der er nur sein Spiegelbild betrachtete, zauberte sich ein Lächeln auf seine Lippen. „Wenn ich ehrlich bin, habe ich den Hitzkopf schon immer bewundert. Für seine Entschlossenheit, sein Lachen, für das, was ihn ausmacht. …Gern wär ich öfters in seiner Nähe.“ Leichte Schamröte färbten seine Wangen rot. „Ist das was ich empfinde vielleicht … Liebe?“, fragte Seto sich ungläubig. Ein Kopfschütteln holte ihn in die Realität zurück. „Unfug! Ich kann ihn nicht lieben! Nicht diesen verlausten Straßenköter. … Diesen Hitzkopf … mit dem tollsten Lächeln, was ich je gesehen habe … AH!“ Frustriert zerzauste Seto sein sonst so gepflegtes Haar. Am liebsten würde der Verzweifelte laut los schreien. In dieser Situation fühlte er sich nur hilflos und wie ein gewöhnlicher Schuljunge. Doch das alles hatte einfach keinen Platz in seinem Leben. Mit diesem letzten Gedankengang beruhigte er sich wieder. Schnell verwarf er die vergangene Situation, kämmte sein braunes Kopfhaar und zog sich endgültig um. Wenig später betrat der raus geputzte Hausherr den eleganten Essensraum. Dort saß bereits Mokuba und inhalierte seine Frühstücksflocken. Seto setzte sich auf einen freien Stuhl. Sofort servierten ihm Butler und Zimmermädchen heißen Tee, Gebäck und ein kleines Frühstück, bestehend aus Croissant, Marmelade, Butter und ein gekochtes Ei. Ein eher europäisch angehauchter 'Guter-Morgen-Start'. Während dem morgendlichen Mahl schnappte sich der ältere Bruder auch gleich die beigefügte Zeitung und schlug sie auf. Heute hatte Seto ein dunkles T-Shirt an. Darüber trug er ein weißes Hemd. Dazu wurde eine schwarze Hose kombiniert. Die Kleidung war einfach, besaß jedoch eine elegante und sportliche Note, die den Ansprüchen des Trägers durchaus entgegen kam. Immer wieder lugte der Ältere der Kaiba Brüder über den Rand der Zeitung und beobachtete den anderen. Dieser füllte sich zum wiederholten Male seine Schüssel mit Schokoladenflocken und übergoss sie mit frischer Milch. Ein Schmunzeln bildete sich auf den Lippen des Zuschauers. „Mokuba, … ess nicht zu viel! Davon bekommst du nur wieder Bauchweh!“, maßregelte er den Jüngeren. Der strenge Ton hielt sich diesmal aber in Grenzen. Mit einem zuckersüßen Schmollmund beäugte Mokuba seinen Bruder. „Aber Seto … die sind doch so lecker!“, entgegnete er. Die verzogenen Lippen wurden größer, genauso wie die Welpenaugen, die der Junge aufsetzte. Das Bild war einfach nur niedlich. Lächelnd erwärmten sich die blauen, eiskalten Augen Setos. Einer seiner Hände legte sich auf das Haupt des Bruders. In wilden Bewegungen wurde das Haar durcheinander gebracht. Im väterlichen Ton fügte Seto an: „Sei einfach so lieb und hör auf deinen Bruder!“ Mokuba blickte auf. Ein lachendes Gesicht mit geschlossenen Augen begrüßte ihn. Diese menschliche Art. Diese liebenswerte Ader, die Seto besaß, kannte nur Mokuba. Außer ihm noch seine engsten Vertrauten auf dem Anwesen der Kaibas sahen hinter die harte Fassade des sonst so mürrisch gelaunten Mannes. Nur sie wussten, wie er wirklich war. Je länger er jedoch sein Geschwisterchen betrachtete, bemerkte der Ältere etwas. „Dieses Lächeln … es erinnert mich an Joey…“ In diesem Moment ertönte die Klingel. Jemand am Haupttor bat um Einlass. „Wer zum Teufel stört uns!“, knurrte Seto, während sich sein Blick erneut verfinsterte. Sein vertrauter Butler Yoshio übernahm die Unannehmlichkeit und schritt zur Sprechanlage. „Soll ich, soll ich nicht?“, überlegte Joey hin und her. Er nahm sich sogar einen Löwenzahn, der in der Nähe blühte, zur Hilfe. Ein Blütenblatt nach dem anderem wurde abgezupft. „Soll ich, soll ich nicht“. Dieses Spiel ging eine Zeit lang. Bis schließlich nur noch ein gelber Blütenrest übrig blieb und die Entscheidung brachte. Der Verunsicherte schnaufte tief durch. „Ich soll also. … Uff. … In Ordnung, dann wollen wir mal!“ Sein ausgestreckter Zeigefinger erhob sich und betätigte die Klingel. Ein lautes: „Ding-Dong“ ertönte. Danach passierte erst einmal nichts. Überlegend und unsicher zugleich wippte der Blondschopf auf seinen Fersen hin und her. Warten stand nun an. Doch dann erschien auf einem kleinen Bildschirm, der sich links von der Klingel befand das Gesicht eines älteren Bediensteten. Joey bemerkte ihn und sprach ihn auch sofort an. „Guten Morgen. Verzeihen Sie die Störung. … Ich mach es auch ganz kurz. Ich möchte gern zu Seto Kaiba“. Während der Besucher sprach, mischte sich zum freundlichen und entschuldigenden Tonfall in seiner Stimme auch eine Spur von Entschlossenheit. Denn genau hierfür stand er am Sonntagmorgen an diesem Ort. Joey brauchte die Aussprache mit seinem Erzrivalen. Anders ging es einfach nicht. „Guten Morgen. Mister Kaiba ist sehr beschäftigt. Haben sie einen Termin?“ fragte der Butler. Joey schüttelte nur den Kopf. Es stellte sich als Fehler heraus. „Mister Kaiba empfängt keine Besucher ‚ohne Termin. Melden sie sich wieder, sobald sie ‚einem Termin’ haben!“, antwortete der Herr auf das Kopfschütteln seines Gegenübers. Unmerklich biss Joey auf seine Lippen. „Es ist aber dringend“, bettelte er. „Wie ich bereits sagte: Vereinbaren sie einen Termin, dann wird Ihnen auch Eintritt gewährt. Andernfalls wünsche ich ihnen einen schönen Sonntag.“, entgegnete der Angestellte. Der ältere Herr wollte bereits auflegen, als aus einiger Entfernung die deutliche Stimme von Seto Kaiba ertönte. „Yoshio, lass diesen Besucher herein und führe ihn in mein Büro!“ Perplex sah der Butler in die Richtung, aus der der Befehl kam. Zumindest zeigte dies das Bild, welches Joey von außen mit verfolgen konnte. Doch schnell besann sich Yoshio. „Sehr wohl, Mister Kaiba!“ erwiderte er. Seine Aufmerksamkeit kehrte zum Gast zurück. „Auf Wunsch von Mister Kaiba erhalten sie Eintritt. Kommen sie zur Hauspforte. Ich erwarte sie dort.“ Mit diesen Worten endete das Gespräch abrupt. Als nächstes öffnete sich quietschend das große Eisentor. Durch den bereits entstandenen Spalt schlüpfte Joey hindurch und folgte dem gepflasterten Weg, um an das große Wohngebäude zu gelangen. Jetzt, wo er das Anwesen das erste Mal von innen sah, staunte der er nicht schlecht. Sein Kontrahent schien einen guten Geschmack zu besitzen. Die Villa, der Weg, die Bepflanzung und Zierobjekte harmonierten fantastisch miteinander. Joey kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. In wenigen Schritten erreichte er die Eingangstür, an der wie angekündigt der Bedienstete ihn erwartete. Mit einer einfachen Handbewegung wies der ältere Mann dem Besucher den Weg in das Herzstück des Anwesens. „Hier entlang, Mister …“ „Wheeler, Joey Wheeler!“ half Joey dem Butler. Erst jetzt bemerkte der Besucher, dass er an der Tür sich nicht vorgestellt hatte. Seto war dankbar. Auch wenn er es nicht immer zeigte. Sein treuer Untergebener Yoshio würde diesen ungebetenen und frechen Störenfried, der es wagt seinen Familiensonntag zu belästigen, abwimmeln und für Ruhe sorgen. Doch trotz allem Vertrauen konnte der junge Firmenchef es nicht lassen und lauschte dem Gespräch. Die Kommunikationsanlage für das Eingangstor befand sich nur um die Ecke. So konnte Seto ohne Probleme lauschen, während er gleichzeitig vorgab die Zeitung weiter zu studieren. Mokuba unterdessen packte die Gelegenheit am Schopf und widmete sich erneut seinem ausgiebigen und süßen Frühstück. „Guten Morgen. Mister Kaiba ist sehr beschäftigt. Haben sie einen Termin?“ fragte der Butler den Gast. Doch nichts kam als Antwort. Dies deutete Seto als Nein. Wie in einem Drehbuch entwickelte sich die Unterhaltung. Yoshio wimmelte den Besucher ab, während dieser umso mehr auf einen Einlass pochte, was den Hausherrn belustigte. Als er jedoch seine Tasse zum Trinken ansetzte, stockte er in dessen Bewegung, als er die Stimme des Gastes erkannte. „Verdammt. Das darf doch nicht wahr sein! Was macht diese Flohschleuder hier?“ schoss Seto durch den Kopf. Das heiße Getränk wurde zurückplatziert, die Zeitung aus der Hand gelegt. Entschlossen erhob sich der junge Mann. Er schritt stolz wie immer aus der Küche in Richtung Eingangstreppe. Bevor Seto jedoch weiter ging hielt er inne und wendete sich an seinen Butler. „Yoshio, lass diesen Besucher herein und führe ihn in mein Büro!“ Anschließend stieg Seto die Treppen empor und entschwand in sein besagtes Arbeitszimmer. Irritiert durch die Anweisung seines Vorgesetzten reagierte Yoshio zunächst nicht. Doch dann besann sich der ältere Herr und nickte. „Sehr wohl Mister Kaiba.“ Mokuba beäugte die Entwicklung interessiert. Gleichzeitig schaufelte er sich munter seine Schokoflocken in den Mund. „Was ist nur mit Seto los?“ fragte er sich. Der dunkelhaarige Junge konnte sich darauf keinen Reim machen. Der Weg für den unerwarteten Besucher war frei und der Gastgeber würde diesen in seinem Territorium empfangen. Ganz nach dem Motto: Sein Haus, seine Regeln. Setos schmalen Lippen verformten sich zu einem Schmunzeln. „Dies könnte interessant sein!“ Inzwischen saß er in seinem großen, dunklen Bürosessel und sah aus dem Fenster in den blühenden Garten. Es hieß jetzt: Warten! Joey trat in die Eingangshalle. Auch dieser Anblick ließ ihn einfach staunen. Noch nie stand er im Zentrum von Setos Heiligtum, seinem Zuhause. Der Blondschopf musste seine Meinung über den Hausherren korrigieren. Joeys Kontrahent bewies einen hervorragenden Geschmack. Das konnte der Besucher nicht leugnen. Ein lautes Räuspern holte den staunenden Mann aus seiner Gedankenwelt zurück. „Bitte hier entlang Mister Wheeler.“ Yoshio betrat über die geschwungene Treppe das nächste Stockwerk und hielt erst vor der aufgesuchten Zimmertür an. Joey folgte dem älteren Herrn schweigend. „Jetzt wird es ernst“, dachte er dabei. Der Angestellte erhob seine Hand und klopfte dreimal an die Holztür. Ein „Herein“ ertönte. Yoshio trat, gefolgt von Joey in das Büro. In diesem saß hinter einem großen Schreibtisch in seinen Sessel Seto Kaiba. Beim Eintreten drehte sich der Besitzer des Anwesens zu ihnen um. Der Butler verbeugte sich, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich. Nun befanden sich beide Männer am selben Ort und sahen sich nur gegenseitig an. Schweigen erfüllte den Raum. Doch Seto durchbrach es schließlich. „Was willst du Wheeler?“, fragte er Joey. Dabei fixierten seine eiskalten, an Saphire erinnernden Augen seinen Erzrivalen. Der Angesprochene schluckte schwer. „Ich…“ Joey verstummte wieder. Der Junge wusste nicht was er antworten sollte. Der charakteristische Blick seines heimlichen Schwarms verunsicherte ihn sichtlich. Dennoch überkam ihm wieder dieses seltsame Gefühl. Er konnte nicht wirklich einen klaren Gedanken fassen. Als er weiter sprechen wollte, unterbrach ihn Seto. „Bist du nur gekommen um meine kostbare Zeit zu verschwenden? Dafür steht mir nicht der Sinn! Verschwinde, wenn du keinen Grund hast, mich zu sprechen!“ Die Provokation saß. Seto kannte Joey sehr gut. Dadurch testete er die Schmerzgrenze seines Kontrahenten gerne aus. Es war ein Katz und Maus-Spiel, das die beiden miteinander führten. Dabei wechselten sie sich mit ihren Teilsiegen immer ab. Heute aber schien etwas anders zu sein. Der jüngere der Beiden wirkte verunsichert und schüchtern. Das komplette Gegenteil zu dem temperamentvollen und leicht reizbaren Jungen, den der Geschäftsführer so gut kannte. Ohne dass der Joey es merkte, änderte sich Setos Blick. Forschend und hinterfragend betrachtete er ihn. Was stimmte nicht mit ihm? Bewusstlos drehte sich Joeys Körper in Richtung Tür. Alles passierte automatisch. Die Hand legte sich um die Türklinke. „Was ist los du Straßenhund? Haust du nun einfach ab? Nach Hause zu deinem Knochen?“ stichelte der Ältere den Anderen. Wie es schon immer war. Doch plötzlich hielt Joey in seiner Bewegung inne. Die Worte des Gastgebers rüttelten ihn wieder wach. „Schnauze Kaiba!“, entgegnete er. Der Griff um die Türklinge erhärtete sich. „Ja, ich habe einen Grund hier zu sein!“ Nun drehte sich Joeys Kopf zum Gegenspieler. Entschlossenheit funkelte in seinen dunklen Augen. „Ich möchte etwas klären. Es geht um die Situation im Park.“ Seto hörte ihm aufmerksam zu, ohne dabei seine derzeitige Miene zu verziehen. Joey fuhr fort: „Als ich dich angriff und dabei fast hingefallen wäre, da hast du mich davor bewahrt den Boden zu küssen. Ich habe deinen Blick gesehen. Er war anders. Du warst anders. Was hat das alles zu bedeuten Kaiba? …“ Joey stoppte. Während seinem Redeschwall trafen sich ihre Blicke erneut. Genau in diesem Moment bemerkte er etwas. Setos Augen veränderten sich wieder. Sie glichen denen, die er in der geschilderten Situation gesehen hatte. Er verstand es nicht. Was mochte im Kopf des Gegenübers bei seinen Worten vorgehen. „So. Darum geht es also“, stellte der Zuhörer für sich fest. Für einen kurzen Moment schloss Seto die Augen und lächelte zufrieden. Er beschloss, dass dies ein guter Moment für einen letzten Test schien. Der Hausherr erhob sich aus seinem Sitzplatz. Joey erschrak. Er trat näher, bis nur noch wenige Zentimeter beide voneinander trennten. Sie sahen sich tief in die Augen. Belustigt, so wie er es am besten beherrschte, stichelte er erneut gegen seinen Besucher. „Du meinst, dass ich mich verändert habe? ... Wie kommst du auf einen solchen Unsinn? Seit wann können Straßenköter denken? … Gegenfrage: Wieso bist du so verändert?“ Dieser Konter saß. „Was hat er jetzt vor?“ fragte sich Joey. Sein Herz begann schneller zu pochen. Seto trat auf ihn zu bis er ganz nahe bei ihm stand. Er spürte den warmen Atem des Größeren auf seiner Haut. Leichte Röte umspielte seine Wangen. Ihre Blicke trafen sich. Sie beäugten sich. „Du meinst, dass ich mich verändert habe? ... Wie kommst du auf einen solchen Unsinn? Seit wann können Straßenköter denken? … Gegenfrage: Wieso bist du so verändert?“, entgegnete Seto auf seine Fragen. Dieser Konter saß. Verlegen drehte Joey seinen Kopf zur Seite. Die Röte in seinem Gesicht wurde kräftiger. Sein Schädel wirkte wie eine rote Tomate. „Ich kann ihm doch nicht sagen, dass ich in ihn verliebt bin“, dachte sich Joey. „Er wird rot? … Sein Gesicht glüht förmlich. Kann es sein, dass er … Ich verstehe“, dachte Seto, während er Joeys Verhalten studierte. Ein Lächeln zauberte sich auf seine Lippen. Das Testergebnis lag vor. Seto verlor am besten keine Zeit. „In Ordnung, ich verrate dir mein Geheimnis zu meinem „veränderten“ Verhalten.“ Diese Worte flüsterte er in das zu sich gedrehte Ohr. Sein Herz pochte nun so schnell, dass es Joey spüren müsste. Was würde jetzt passieren? Konnte Joey seinem Gehör trauen? Die Stimme seines Rivalen hatte sich verändert. So männlich und aufregend empfand der Zuhörer sie noch nie. Eine Schweißperle lief seitlich an seinem Gesicht hinab. Die Anspannung ließ ihn nicht los. Sie stieg weiter an. Das Herz begann zu rasen und das Atmen fiel schwer. Wie in Zeitlupe ergriff Seto mit einer Hand das Gesicht von Joey und zog es zu sich. Beide hielten den Atem an. Schließlich berührten sich ihre schmalen Lippen. Joey war wie paralysiert. Träumte er oder war er wach? Seto Kaiba küsste ihn! Die heimlichen Gefühle, die er bisher verspürte, überkamen ihn wieder. Nur waren sie 1000 Mal stärker als beim ersten Mal. Dieser Kuss schien die Zeit anzuhalten. Joey konnte und wollte sich nicht gegen diese Gefühle, die ihn überschwemmten wie eine Sturmflut, wehren. Auch dem Mann, der die Imitative ergriffen hatte, erging es nicht anders. Dieser erste, deutliche Ausdruck seines Gefühlschaos bestätigte ihn. Die verborgene Sehnsucht bekam ihre erste Befriedigung. Und diese fühlte sich einfach fantastisch an. Das musste auch ein Seto Kaiba sich eingestehen. Nach einer Minute, die für die beiden Küssenden wie eine halbe Ewigkeit vorkam, trennten sich wieder voneinander. Joey sah in Setos Gesicht. Er lächelte nur. Ein Lächeln das Gletscher zum Schmelzen brachte. Es strahlte Wärme und Zuneigung aus. Es wurde durch seine blauen Augen untermalt. Joey war hin und weg. Einen schöneren Anblick kam ihm nicht in den Sinn. „Seto, ich…“ Joey fehlten die Worte. Doch er rang danach. Der Ältere drückte seinen Finger auf seine Lippen. „Psst….“, antwortete er. Ein kurzer Kuss folgte. Die Röte im Gesicht des Blonden erreichte eine neue Intensität. „Ich muss dir ein Geständnis machen“. Seto berührte mit seiner Hand die Wange seines Gegenübers. Sie war genauso warm und zärtlich, wie beim ersten Mal. Joey musste Setos Hand berühren! Sein Arm erhob sich bis sich die Hände der Beiden schließlich berührten. Seto fuhr fort „Als ich dich das erste Mal sah, überkamen mich Gefühle, die ich bisher nicht kannte. Sie wurden immer stärker, je mehr Kontakt ich mit dir hatte. Ich konnte und wollte sie mir anfangs nicht eingestehen. Ich habe dagegen an angekämpft, aber sie waren stärker. Joey… ich habe mich… in dich verliebt!“ Dieser Satz. Diese Worte. Konnte Joey seinen Ohren trauen? Seine Gedanken konnten sich nicht ordnen. Hatte sein Angebeteter gesagt, dass er tatsächlich in ihn verliebt sei? Der gleiche Seto Kaiba, der ihn bisher wie Dreck behandelte? Joey war wie gefesselt. Gefesselt von dieser Situation. Sein Kopf konnte nicht begreifen WAS hier gerate passierte. Sein Herz jedoch wusste es. Dieses Gefühlszentrum hatte den langen Kampf, die unendliche Auseinandersetzung für sich entschieden. Die Liebe, die Joey für den mächtigen Geschäftsführer Seto Kaiba empfand, erblühte regelrecht. Das dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte verstärkte es umso mehr. Ohne das Wissen, was der eine für den anderen empfand, brachte der erste Schritt des Einen beide so zusammen, wie sie es sich niemals vorgestellt hätten. In Kurzfassung: Sie fanden endlich zueinander und liebten sich aus tiefsten Herzen. Noch immer schauten sie sich in die Augen. „Meinst du das ehrlich?“ fragte Joey zögerlich. Seto nickte. Kurz nach seinen nicken sah er in Joeys Augen ein Leuchten. Ein Leuchten, was nur jemand haben konnte, dessen Liebe erwidert worden ist. Urplötzlich spürte Seto die sanften Lippen von Joey auf Seinen. Gleichzeitig umarmte der Blondschopf seinen Hals. Beide schlossen die Augen. Innerlich wussten sie, dass dieser Kuss ihr neues, gemeinsames Glück besiegelte. In diesem Moment sprang die Tür auf. Der kleine Mokuba erschien. Perplex starrte das Pärchen auf den unerwarteten Gast. Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen jubelte der Junge: „Willkommen in der Familie, Schwager! Ich freu mich für euch.“ Die kindliche und euphorische Art des kleinen Bruders überrannte die zwei Männer. Aber wäre das nicht genug schlossen sich weitere Personen dieser Gruppe an. „Ich stimme Mokuba zu. Herzlich Willkommen in der Familie.“ Es war Serenity, Joeys Schwester. Neben ihr stand Yoshio. Verwirrt schauten Joey und Seto sich erst gegenseitig, dann die Runde an. Jetzt bemerkten sie, dass sie noch immer einander um den Hals hingen. Joey löste zögerlich die Umarmung. Beide räusperten sich. „Kann uns mal jemand aufklären, was hier zum Teufel los ist?“, fragte Seto die Anwesenden. Ein barscher Unterton schlich sich in seine Stimme. Sein Angestellter verbeugte sich demütig vor ihm. „Verzeihen sie Mister Kaiba. Miss Wheeler beehrte uns erst vor kurzem mit ihrem Besuch und auf Anweisung ihres Bruders wurde ihr Eintritt gewährt. Ich bitte um Verzeihung Sir.“ Seufzend schüttelte der Hausherr den Kopf. „Ist ihnen verziehen Yoshio. Aber was führt dich hier her Serenity?“ Die gleiche Frage stellte sich auch Joey. „Ja, was machst du hier?“, schloss er sich den Worten seines Partners an. „Nun ja …“, begann die junge Frau mit verschmitzter Mimik. „Es wäre sicher gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich gerade in der Gegend war und den Kaibas einen Besuch abstatten wollte.“ Dabei streckte sie spielerisch die Zunge heraus und kniff ein Auge zu. Das Paar nickte. „Um ehrlich zu sein, ich wollte nach dem Besuch bei Rachel mit Mokuba über euch reden. Aber dann erfuhr ich, dass du bereits hier bist und wir haben gelauscht.“ „Gelauscht oder nicht. Das ist hier nicht die Frage. Hauptsache ihr habt endlich zueinander gefunden und liebt euch. Oder?“, mischte sich Mokuba ein und unterbrach somit das Mädchen. Aufmerksam hörten alle zu. Joeys Blick wanderte anschließend zu Seto. Er vermutete, dass der Geliebte angesäuert auf diese Beichte reagieren würde. Doch zur Überraschung von allen begann Seto an zu kichern. Es steigerte sich zu einem Lachen. Es wirkte ansteckend. Erst Joey, dann Mokuba und Serenity, sogar Yoshio musste mit lachen. Dieses hielt eine Zeit lang bis sie sich wieder beruhigten. Der eine oder andere musste sich die Freudentränen aus den Augen wischen. Dann beugte sich Seto zu Mokuba herab und zerzauste mit seiner Hand dessen Haar. „Du bist ein Frechdachs. Ein Frechdachs, wie er im Buche steht!“ Alle Beteiligten schmunzelten. Die Familie fand zusammen. Auf einen ungewöhnlichen, aber aufregenden Weg. Am Abend standen Seto und Joey auf dem Balkon der großen Villa. Arm in Arm und betrachteten gemeinsam den wunderschönen Sonnenuntergang. Sie schwiegen zunächst. Doch dann sahen sie sich an. Ein Lächeln wurde ausgetauscht. „Ich liebe dich Seto“, begann der Kleinere von beiden. „Ich liebe dich auch, Joey“, erwiderte der Geliebte. Die Beiden vereinten sich in einem intensiven Kuss. Denn es konnte kein schöneres Gefühl geben, als jemanden zu lieben und selber geliebt zu werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)