Federschwingen von RhapsodosGenesis ================================================================================ Kyrie saß Nathan gegenüber auf einem Stuhl, der aus Licht gewoben worden war. Es war einfach nur erstaunlich, was die Ränge zu Stande brachten! Es wäre bestimmt toll gewesen, so etwas auch zu können. Aber sie durfte wohl bereits damit zufrieden sein, überhaupt zur Gesellschaft der Engel zu gehören. Immerhin war sie sehr lange ein Mensch gewesen – fernab jeglicher Gedanken an ein Leben im Himmel mit Stühlen und Tischen und Essen aus Licht. Der Gedanke entlockte ihr Schmunzeln. „Hey, es ist nicht zum Lachen“, ermahnte Nathan sie, während er ein Stück Licht verschlang, welches verdächtig nach Kuchen aussah. Sie lächelte entschuldigend. „Tut mir leid – war nicht meine Absicht …“ „Also – nachdem die Schülerin ständig über ihrem Essen abschweift, werde ich es noch dieses eine Mal wiederholen!“, bot Nathan übertrieben streng an, wobei er feixend grinste. Kyrie fragte sich, ob er immer absichtlich grinste oder ob dieser Ausdruck an ihm festgewachsen war. „Wenn du ein nicht identifizierbares Ziehen in deinem Körper spürst, ist das ein eindeutiges Anzeichen, dass du in den Himmel musst. Ist das Ziehen schmerzlicher Natur, bedeutet es dir, dass du ausgelaugt bist, weil du dem Licht des Himmels zu lange fern geblieben bist.“ Sie nickte. So etwas war wohl schlimm … Sie war froh, es noch nicht gespürt zu haben. „Nach fünfundzwanzig Jahren außerhalb des Himmels stirbt ein Engel doch, oder?“, fragte sie, obwohl sie bereits wusste, dass er bejahen würde. „Wie kommt es dazu, dass er das Ziehen ignoriert?“ Nathan zuckte mit den Schultern. „Engel, die gegen das Gesetz verstoßen, werden hinaus geworfen. Auf die Erde. Und wenn die Todsünden ihrer ‚vergessen’ …“ Er beendete den Satz nicht. „Es kommt auf das Verbrechen an.“ Er verschränkte die Arme. "Die Todsünden haben die Macht, eine Aus- oder Eingangssperre zu verhängen. Es ist unschön." Also waren Engel auch nicht perfekt. Aber das war ihr bereits zuvor aufgefallen. ... Aber es musste wirklich ... schlimm sein, ausgesperrt zu werden. Immerhin ... dieser Glanz. Diese Schönheit ... Und auf der Erde konnte man seine Flügel auch nicht ausstrecken. Und ... einfach zu verenden, weil man zu lange fort war? Keine schöne Alternative ... Ihr taten all diese Engel leid. „Jedenfalls gibt es auch Varianten. Das üben wir dann noch. Wenn es ganz leicht ist, ruft dich ein Engel, der relativ schwach ist und ein schwaches Bedürfnis nach dir hat. Das bedeutet, dass du deine Aufgaben noch erledigen darfst, aber bestenfalls an diesem Tag zu diesem Engel zurückkehren sollst. Wer auch immer dich ruft … du wirst es fühlen.“ Kyrie konnte ein Stirnrunzeln nicht unterdrücken. „Bist du sicher?“ Er nickte entschieden. „Ja. Ich werde dich in den nächsten Tagen nur noch per Ruf beordern, okay? Und du wirst mir Folge leisten. Bisher war das ja nicht nötig, weil du jeden Tag gekommen bist, aber … nachdem du nun so weit bist!“ Er grinste. Sie bejahte unsicher. Hoffentlich würde sie alles richtig machen … „Wenn es etwas stärker zieht, ist es bereits eine dringendere Angelegenheit und du solltest dich beeilen. Man sagt, zwei, drei Stunden könne man sich dann noch Zeit lassen, aber man sollte sich beeilen. Natürlich ist dieses Ziehen immer nach eigenem Ermessen, aber …“ Er zuckte mit den Schultern. „Gegen das harte Ziehen … von einigen auch „der Magnet“ genannt …“ Er schüttelte den Kopf. „Du müsstest wirklich einen triftigen Grund haben oder verrückt sein, bei dem Ziehen nicht sofort in den Himmel und zur Zielperson zu gehen. Beim Magnet wünschst du dir vermutlich, dass du schon gestern oben gewesen wärst.“ Er dachte kurz nach. „Als ich ihn das erste Mal gespürt habe, habe ich geglaubt, jemand habe mir das Schwert zwischen die Rippen gerammt.“ Er grinste. „Na ja, fast zumindest.“ Kyrie hörte ihm schweigend zu, bemerkte aber, dass sich ihre Augen unweigerlich weiteten und sie den Atem unwillkürlich anhielt. Magnet? Schwertstich? „Was könnte denn so dringend sein?“, fragte sie atemlos. Atmen, Kyrie! Atmen! Nathan wurde schlagartig ernst. „Engelsversammlungen.“ Sie sah ihn verständnislos an – und sie war wieder zu Atem gekommen. Glück gehabt. „Hab ich das auch ausgelassen …?“, fragte er sich leise, „Ich werde den Zettel besser vom Büro mit nach Hause nehmen, sonst wird das hier nie was“ Der letzte Satz war lediglich ein gut verständliches Murmeln. „Was sind Engelsversammlungen?“, formulierte Kyrie die Frage aus. „Versammlungen, die alle Engel, die existieren, betreffen. Also alle im Himmel und auf der Erde. Sie gehen meist von Sin oder den Todsünden aus. Dafür sind die Todsünden zum Beispiel auch geschaffen – sie haben die Macht, alle Engel gleichzeitig so stark zu berühren, dass sie wissen, dass sie sofort anzutreten zu haben. Ich bin froh, dass sie die letzten zwanzig Jahre keine Versammlung einberufen haben …“ Er schauderte. „Während der Schule wäre ich ungern abgeflogen!“ Kyrie lächelte. „Ich denke, das hätte für Aufsehen gesorgt.“ „Ja, aber man hält es wirklich kaum aus …“, grummelte er. „Was besprechen sie auf diesen Versammlungen?“, wollte sie von ihm wissen. „Immer etwas, das eine gesamte Veränderung betrifft. Eine Veränderungen in den Reihen der Ränge ab dem dritten Rang zum Beispiel – oder wenn Gott etwas Wichtiges verlauten ließ … oder aber wenn es von der Seite der Dämonen etwas Neues gibt. So etwas wird sofort mitgeteilt. Und …“ Er machte eine kurze Pause. „Es ist nicht sehr ratsam, eine Versammlung zu schwänzen. Schwänzt man eine Versammlung, ist eine Sperre die Folge. Ich glaube, seit ungefähr dreitausendzweihundertvierundsechzig Jahren hat es kein Engel mehr gewagt, einer Versammlung nicht nach zu kommen." Er blickte streng drein. Kyrie fragte sich, ob er sich alle Zahlen bloß ausdachte oder sie wirklich kannte. Aber die Strenge, die auf seinem Gesicht vorherrschte, ließ sie zurückschrecken. "Aber … eigentlich ist es unwahrscheinlich, dass dich eine Versammlung betrifft.“ Er zuckte erneut mit den Schultern. „Ob zwanzig oder hundert Jahre … für Engel macht es keinen Unterschied. Für Menschen und Halbengel aber …“ Er unterbrach sich selbst mit einem Räuspern. „Tut mir leid“, fügte er leicht verlegen hinzu, „Das hätte ich nicht anschneiden sollen.“ Kyrie bemerkte, dass ihr Gesicht einen unangenehm kühlen Ausdruck annahm, als er diesen dezenten Unterschied klarmachte. Er hatte Recht. Es war also sehr dumm, darum wütend zu sein, aber … aber … Wieso machten sie diese Unterschiede? Nur, weil sie nicht so alt werden würde? Nur, weil sie schwächer war? War das nicht … unfair? Sie hatte es sich nicht ausgesucht, schwach zu sein! „Jedenfalls werde ich dir kleine Kostproben aufhalsen. Und beim Magnet … du wirst ihn erkennen, wenn er auf dich angewendet wird.“ Er grinste wieder. Sobald sie in den Zauber seines Grinsens geriet, konnte sie nicht anders, als ihre Miene aufzulockern und zurückzulächeln. Wie machte er das bloß? Entweder er litt unter Stimmungsschwankungen ... oder er wollte sie aufheitern. Aber sie war dankbar für den durchaus gelungenen Versuch. "Werden auch gesperrte Engel zu Engelsversammlungen berufen?", hakte sie nach. Nathan ließ sich Zeit mit Antworten. "Kommt ganz auf das Thema an. Wenn man eine Armee zusammen stellen muss, werden sie kommen - wenn bloß ein Rang neu besetzt wird, dann kann man sie wohl ignorieren." Kyrie nickte verstehend. Eine Armee ... Um so etwas aufzustellen, musste wohl wirklich etwas Schreckliches passieren. Eine ganze Dämonenhorde müsste einmarschieren. ... Sie hoffte, dass so etwas niemals eintreffen würde. Vielleicht würde ihr die Schöpfungsgeschichte ja verraten, dass so etwas gar nicht passieren konnte? „Und was ist jetzt mit der Schöpfungsgeschichte und den Kindern?“, wollte sie freundlich von ihm wissen. Und hoffnungsvoll. Sehr hoffnungsvoll. „Babyengel werden vom Licht geboren, wenn sich zwei Engel verlieben. Das ist ein Grund, weshalb wir den Himmel unbedingt beschützen müssen“, teilte er ihr mit, ohne einen dummen Kommentar dazwischen abzugeben, „Sonst sterben die Engel aus. Wenn sich etwas Grundlegendes verändert …“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich bin nur ein Assistent der Todsünden … Manchmal schneiden die Todsünden das Thema an und protokollieren es, wodurch ich davon erfahre." Er zuckte mit den Schultern. "Nur Gott – vielleicht auch Sin – weiß, wie es funktioniert … wir müssen also sehr, sehr vorsichtig sein.“ Jetzt klang er wieder besorgter. „Denkst du wirklich, Gott würde Engel aussterben lassen?“, fragte Kyrie leicht geschockt über diese Annahme. Gott würde so etwas doch nicht tun! Immerhin war er … Gott … und Gott war gut! Schließlich war er nicht die Antigöttin! Er schüttelte den Kopf. „Nein, nicht direkt, aber … wir wollen den Dämonen doch kein Futter geben, oder? Immerhin beschützen wir euch Halbengel auch vor ihnen. Da brauchen wir keine Bresche in unsere eigenen Reihen zu schlagen.“ Kyrie nickte. Sie glaubte, verstanden zu haben. Hoffte. Gott war nicht böse. Nur die Antigöttin. Und die konnte er durch die Macht des Lichtes hoffentlich besiegen! „Gar nicht so spektakulär, stimmt es nicht?“ Sein Gesicht zierte erneut dieses charmante Grinsen. „Hab ich es überdramatisiert?“ „Eindeutig“, gab Kyrie belustigt zurück. „Gut!“, freute er sich aufrichtig, „Dann zum nächsten Wunsch der Kandidatin – und danach ist sie für heute entlassen!“ Kyrie legte den Kopf schief. „Dass ich wieder alleine darüber nachgrübeln kann?“, murmelte sie ungehalten. Er lachte sie nur an. „Nein, dass ich dir endlich ein paar Rufe austeilen kann!“ Gott und die Antigöttin lebten in Frieden zusammen. Sie waren Freunde. Beinahe mehr. Sie wollten eins sein, doch konnten sie sich nie erreichen. Allerdings verbittert waren sie nicht, da beide jeweils ihre Schöpfungen hinter sich wussten. Eines Tages hatte Gott jedoch die Idee: Sie sollten gemeinsam eine Rasse schaffen, die ihnen beiden gleich diente – die perfekt ausbalancierte, vollkommen im Gleichgewicht befindliche Rasse. Die Antigöttin war einverstanden. Zu diesem Zweck brauchten sie jedoch einen neuen Platz. Gott wollte keine Schwarzen Löcher bewohnen und die Antigöttin scheute sich vor dem Himmel. So entdeckten sie die Erde. Eine Mischung aus Dunkel und Hell, aus Feuer und Wasser, aus Luft und Boden … Die perfekte Balance herrschte an diesem Ort, den sie als Planeten geschaffen hatten. Gott schenkte der Erde die Sonne, die seinen Teil immer bescheinen möge, sodass „Tag“ herrschte, während die Antigöttin die Nacht vermachte, durch welche man die Schwarzen Löcher leuchten sah – Sterne - und Dunkelheit über die Erde brachte und ihr somit immer den jeweils anderen Teil zu Eigen machte. Tag und Nacht. Zwei Seiten eines Ganzen. Nachdem sie also einen ausgeglichenen Lebensraum geschaffen hatten, beschlossen sie, genau gleich viele Teile ihrer Untertanen in die neue Rasse einzuarbeiten. Liebe und Hass, Gut und Böse, Heiler und Kämpfer … So hatten die den perfekten Charakter in der perfekten Umgebung – hergestellt aus ihren Träumen der Gemeinsamkeit. Diese Perfektion wollten sie erreichen. Denn diese Balance war das Universum – und sie waren die beiden auseinander gegangen Teile des Universums. Die beiden Mächte, die sie in sich hatten. Sie brauchten aber noch eine Hülle für ihr Werk. Und so erschufen sie ebenfalls wieder aus ihren eigenen Kreaturen heraus die Rasse: den Menschen. Im Aufbau ähnelten sich ihre eigenen Rassen so sehr, dass sie auf die Idee kamen, die neue Rasse bloß zu lassen. Ohne Ausrüstung für den Kampf. Die friedlich kämpfende Rasse. Die perfekten Lebewesen. Dämonen, Engel und Menschen lebten zusammen auf der Erde. Gott und Antigöttin herrschten gleichmäßig auf der Erde. Die Erde war die Welt des perfekten Gleichgewichts. Der vollendeten Ausgeglichenheit. Die Menschen hatten die Wahl, sich entweder beiden Göttern anzuschließen oder nur einem. Die Anhänger der Engel und Dämonen blieben immer gleichmäßig. Doch irgendwann begannen die Dämonen, den Menschen einzureden, dass die Antigöttin ihnen mehr einbrächte. Und die Seite, die die Antigöttin ihnen gegeben hatte, hörte darauf. Als die Engel von diesen Untaten erfuhren, gaben sie es an Gott weiter, der sofort mit der Antigöttin Kontakt aufnahm, um diesen Krisenherd zu unterbinden … doch diese wies die Anschuldigungen stur von sich. So starteten die Engel in Gegenschritten – wie es vom Gleichgewicht verlangt wurde -, die Menschen auf ihre Seite zu ziehen. Und alsbald bekämpften sich die Menschen gegenseitig und heilten bloß jene ihrer eigenen Gruppierung, die denselben Gott liebten. Weder Gott noch Antigöttin konnten diesen blutigen Kampf, in dem auch Dämonen und Engel mitwirkten, aufhalten, da die Menschen aus ihrer beider Kontrolle geraten waren, weil keiner die totale Überhand hatte und der Mensch somit über einen freien Willen verfügte. Aus diesem Grund standen Gott und Antigöttin erneut vor der Entscheidung: Wer war der Stärkere der beiden? Die Balance der Erde stand auf dem Spiel. Das Blau des Wassers und das Grün der Erde färbten sich immer roter und roter … und dieses Rot war das Blut von Engeln, Dämonen und schließlich auch Menschen. Gott zog die Engel zuerst von der Erde zurück, da seine Weisheit ihn zum Rückzug aufforderte. Er hatte der Antigöttin zu dieser Zeit vertraut. Er hatte gehofft, dass sie die gute, richtige Entscheidung treffen würde, die für alle zu einem glücklichen Ende führen würde. Doch erneut nutzte die Antigöttin Gottes Güte aus, um sich selbst zu bereichern. Sie schickte mehr Dämonen auf die Erde, um sämtliche Menschen mit ihrer eigenen Macht zu erfüllen. Gott verlor die Überhand und die Macht der Antigöttin wuchs mit dem Glauben an sie. Sie hatte die Menschen kontrollieren können – und Kriege, die die Menschen bloß gegen sich selbst führten, ungeachtet der Dämonen, brachen aus. Gier, Hochmut, Zorn fanden ihren Sitz in den Herzen der Menschen, genauso wie die Faulheit, der Neid, die Wollust und die Völlerei ihnen anheim fielen und sie verdarben, sodass sie sich von den Dämonen nur noch durch Äußerlichkeiten unterschieden. Gott konnte an diesem Punkt nicht länger zusehen. Er liebte seine Schöpfung, er liebte die Menschen. So erschien er vor ihnen – und wurde als Ketzer und Fälschung bezeichnet. Die Menschen glaubten nach all der Zeit unter dem Joch der Antigöttin nicht mehr an ihn. Kannten ihn nicht mehr. So musste er, um sie zu retten, Engel auf die Erde schicken, welche die Dämonen von dort in langen und harten Kämpfen vertrieben. Gott benutzte seine Kraft, um sich selbst und die guten Eigenschaften wieder in den Menschen hervorzubringen. Er schenkte jedem Mensch und jedem Engel einen Teil von sich. Die Engel erstarkten – doch er wurde schwach. Schwächer als die Antigöttin. Diese natürlich wusste diesen Moment gezielt auszunutzen. Egal, welche Gefühle sie ihm vorschwindelte, so war sie doch bloß die Antigöttin, die Verkörperung der schlechten Eigenschaften, das Böse. Sie attackierte Gott, um seine Macht in sich aufzunehmen und selbst wieder zum Universum zu werden. In dieses Universum wollte sie alle Kreaturen wieder einbauen, um ihrer Habgier gerecht zu werden: Mit der Energie aller Lebewesen würde sie das stärkste und einzige Lebewesen sein, keiner würde es mit ihr aufnehmen. Die Einsamkeit wollte sie umarmen. Doch Gott konnte das nicht zulassen. So kämpften sie. Gott wusste, dass er keine Chance hatte, da er seine Kraft verschenkt hatte. Allerdings war ihm auch klar, dass, wenn er aufgeben und sterben würde, alles, wofür er je gestanden hatte, verschwinden würde. Engel. Menschen. Liebe. Alles. Nur noch ein leeres, dunkles Universum, welches allein zwei Mächte darstellte, die dann wieder Eins waren, würde übrig bleiben. Dies würde zwar den Krieg verhindern, doch würde es auch alle schönen Momente auslöschen. Zwei Seiten eines Ganzen. Und er wollte für die zweite Seite kämpfen. Viele, viele Millionen Jahre lang. Nachdem Gott nur noch ein kleines Licht war und der Sieg der Antigöttin beinahe gewiss, als diese die Erde bereits schwarz gefärbt hatte und die dunklen Löcher und Sterne zu einem großen dunklen Loch gemacht hatte, besaß Gott lediglich noch den Himmel, in dem seine Engel warteten und beteten. Egal wie viel Hoffnung, Glaube, Liebe, Tugend, Glück und Licht sie ihm gaben, so war es doch nur genug, ihn am Leben zu halten. Den Angriffen der Antigöttin, die ihn kalt und brutal attackierte, konnte er kaum standhalten. Eines Tages beschloss Sin, der Oberste der Engel, dass die Engel endlich aktiv in den Kampf schreiten mussten. Sie wussten, dass sie schon immer durch ihr Einmischen die Kämpfe angespornt hatten, so wollten sie dieses Mal bloß hoffen und beten, doch er war sich sicher, dass, wenn sie all ihr Licht, alles, was den Himmel darstellte, auf die Erde und die Menschen übertragen würden, wenn sie dies alles der Antigöttin nehmen würden und dadurch Gott geben, er so gewinnen könnte. Und dadurch entwickelten sie die Magie, mit der heute Dinge geformt wurden. Sie nahmen sich alle an den Händen. Alle Engel bildeten im geschützten Himmel eine Einheit. Und alle gleichzeitig begannen, ihr eigenes Licht auszustoßen und das gesamte Licht des Himmels einzusaugen. Sin, der an ihrer Spitze stand, erhielt all das Licht und lenkte es gezielt auf die Erde. Während der Himmel immer weiter erdunkelte, begannen Lichter auf der Erde zu brennen – und in den Herzen der Menschen. Die blutigen Kämpfe fanden nach so langer Zeit ein Ende – und mit ihnen endete auch der Himmel. In jedem Engel war nur noch ein kleines Licht verblieben, nicht genug, um lange am Leben zu bleiben, doch Gott erstarkte in einem kleinen, kurzen Moment. Und weil er in diesem Moment, in dem die Antigöttin geschockt war und nicht wusste, wie ihr geschah, zuschlug, konnte er die Antigöttin vernichten. Dadurch, dass sie noch immer so viel Macht hatte, Gott diese allerdings nicht aufnehmen wollte, erlangten die Dämonen, welche im großen Schwarzen Loch gehaust hatten, die Macht ihrer Herrin und eigene Befehlsgewalt. Und ihr erstes Ziel war das Attackieren des Himmels. Gott, der durch den machtvollen Angriff auf die Antigöttin geschwächt war, warf sich zwischen Dämonen und Himmel. Und seit jeher, seit all jenen Jahren, kämpfte Gott am Rand des Himmels gegen die anpreschenden Horden der Dämonen. Hin und wieder gelang es einem minimalen Trupp auf die Erde zu gelangen, da sie den Himmel übersprangen, sobald sie Gott überquerten, um Unheil auf die Erde zu bringen – und dafür suchten sie sich Gefäße. Halbengel eigneten sich durch ihre inkomplettes Dasein genauso gut wie böse Menschen, die noch von der Zeit der Herrschaft der Antigöttin stammten. Die Engel konnten sich, ehe ihr letztes Licht erlosch, durch die Nähe zu Gott wieder aufladen. Der Himmel erstrahlte zu neuem Glanz – und die Engel beschützen hinter Gott die Menschen und die Erde. Und seither ist die Erde der Austragungsort des Kampfes zwischen Gott und Dämonen. Man sagte, Halbengel seien Überbleibsel aus der Welt, in der Engel, Dämonen und Menschen zusammenlebten. Wo Dämonen einst waren, so sagen einige, bleibt Unrat zurück. Diese einen, die auch wissen, dass Gott für immer kämpfen kann und niemals verlieren wird. Doch wer wird je gewinnen? Kyrie lag in ihrem Bett und überdachte die Geschichte. Menschen. Menschen waren der Auslöser für Gottes Leiden. Menschen, die seine Liebe nicht würdigten. Menschen, die sich so einfach manipulieren ließen! ... Und noch immer waren sie nicht vor dem Einfluss der Dämonen gewappnet. Noch immer waren sie leichte Opfer! Und die einfachsten Opfer waren die Halbengel. Nachdem Nathan die Geschichte erzählt hatte, sagte er ihr, er sei müde. Sie könne ihm beim nächsten Mal mehr dazu fragen … Ja, sie hatte einige Fragen … Warum? „Warum?“, fragte sie sich selbst leise. Das war die dringendste Frage. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)