Second Place Victory von kyouto ================================================================================ Kapitel 11: Die Reise beginnt ----------------------------- Phoenix schlief kaum in der Nacht. Immer wieder wägte er die Wege ab, die Vorteile, die Nachteile, die Konsequenzen. Heute sollte er sich entscheiden. Und er hatte eine Entscheidung gefällt. Eevi nahm sie hin, ohne etwas zu sagen. Was hätte sie auch sagen sollen? Sie war sich selber nicht sicher, welchen Weg sie einschlagen sollten. Deswegen überließ sie ihm doch die Entscheidung, dessen war er sich bewusst. Niliana holte die Beiden ab. Wieder befanden sie sich im Raum von gestern. Wieder saß Liam nur da und wippte mit seinem Finger auf und ab. Und wieder war niemand sonst im Raum. Langsam fragte Phoenix sich, wo die ganzen anderen Kopfgeldjäger waren. Die Truppe bestand doch nicht nur aus den beiden, auch wenn es bisher den Anschein machte. »Nun, ich erwarte eure Entscheidung.« Liam's Stimme war ruhig wie immer. »Ich habe lange darüber nachgedacht. Es war keine leichte Entscheidung. Doch vorher möchte ich einen Beweis haben, dass wir euch trauen können. Dass, wenn wir mitkommen, ihr uns helft und wenn wir nicht mitkommen, ihr uns nicht jagt.« Liam's Gesicht zierte ein Grinsen, dass seines gleichen suchte. Er erhob sich aus seinem Sitz, ging langsam zu Phoenix, legte seine Hände auf seine Schultern und beugte sich nach unten, sodass Phoenix ihm in die Augen sehen konnte. »Mehr als mein Wort kann ich dir nicht geben, mein Junge. Wenn du ihm nicht traust, verstehe ich das. Allerdings vertraue ich darauf, dass ihr die richtige Entscheidung getroffen habt. «Seine Hände lösten sich von seinen Schultern und mit ihnen der Druck, der auf ihnen lastete. »Wärt ihr wirklich so kaltblütig, wie diese Leute es darstellen, wären Niliana, Lana und auch Mika jetzt nicht mehr.« Phoenix schwieg. Seine Augen ... Sie schienen nicht zu lügen. Doch konnte er wirklich den Worten eines Kopfgeldjägers oder vielmehr eines ehemaligen Söldners trauen? Er war sich nicht sicher. Sein Kopf sagte Nein, doch sein Gefühl meinte ja. »Wir werden nach Tenrouka gehen. Versteh mich nicht falsch. Uns ist es egal, was dieser X gemacht hat, das hat nichts mit uns zu tun. Uns geht es nur um ..« »Um Noel«, beendete Liam seinen Satz, »Es geht euch um Noel. Niliana erzählte es mir.« Liam seufzte. Auch wenn ihm ihre Entscheidung nicht missfiel, so tat es doch der Grund dafür. »Wo ist das Problem«, mischte sich auch Eevi nun ein. Sein Wandel in der Stimme entging ihr nicht. »Nichts. Ihr müsst selbst herausfinden, ob es die richtige Wahl ist. Ich rede euch da nicht rein.« Liam drehte sich um und setzte sich wieder in seinen Sessel. »Niliana, sorg dafür, dass ihr noch heute aufbrecht.« »Phoenix, Eevi hinter der Tür biegt ihr links ab und trefft euch mit Mika. Sie trifft die letzten Vorbereitungen. Ich muss mit unserem Chef noch kurz unter vier Augen reden.« Eevi nickte und zog Phoenix hinter sich her. Er schien noch nicht gehen zu wollen, doch beugte er sich ihrem Willen. Erst als die Tür sich hinter ihr schloss, ging Niliana langsam zu Liam. »Was hat es mit diesem Noel auf sich? Kennst du ihn«, fragte sie neugierig, wie sie ist. »Nicht direkt, auch wenn ich ihn bereits öfter traf. Er ist kein schlechter Kerl.« Seine Stimme hatte einen Unterton, den Niliana nur schwer zu ordnen konnte. »Aber wo ist dann das Problem? Ich muss wissen, worauf ich mich da einlasse«, sagte sie energisch. Es war mehr ihre Neugier, die sie trieb, als die Sorge um sie selbst. »Seine Ansichten, sie missfallen mir. Und ich bin mir sicher, er wird ihn überzeugen wollen, doch wird das Mädchen ihm sicher einen Strich durch die Rechnung machen. Sie scheint sich nicht so leicht bereden zu lassen,« er pausierte kurz, »Niliana, wenn diese beiden Noel treffen sollten, halte dich fern von ihnen. Ich will nicht, dass du etwas mit diesem Mann zu tun bekommst.« »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich kann auf mich aufpassen, Vater. Dennoch wovon wird er versuchen ihn zu überzeugen?« Sie blieb hartnäckig. Welche Ansichten kann ein einzelner Mann haben, dass selbst Liam sich Sorgen machte? »Du musst nicht alles wissen, meine Liebe. Diese beiden stecken da bereits zu tief drin, ohne es zu merken. Du jedoch hast damit nichts zu tun. Und dabei soll es auch bleiben.« Niliana nickte und folgte Phoenix und Eevi. Mehr würde sie ja doch nicht erfahren, zumindest nicht von ihm. Phoenix und Eevi bestaunten bereits den Wagen, mit dem es zur Hauptstadt gehen sollte. »Fährt der ganz ohne Hasen«, fragte Eevi recht spontan und erntete einen doch eher skeptischen Blick von Phoenix Seite aus. »Willst du mir sagen, dass in Nat-Isa solche Fahrzeuge mit kleinen, süßen Hasen betrieben werden?« »Klein und süß ist relativ. Die Hasen von denen Eevi spricht, nennen sich Pukos. Das sind wahre Kampfhasen. Die sind größer als du und eigentlich sehr aggressiv, wenn sie nicht gerade an Menschen gewöhnt sind«, antwortete Niliana. »Nili weiß eben sehr viel. Die Fahrzeuge werden mit Raksha-Kristallen betrieben.« Mika öffnete eine Klappe an der Seite des Autos. Zwei rötliche Kristalle kamen zum Vorschein, die an verschiedenste Kabel verbunden waren. »Wir werden ungefähr einen und einen halben Tag brauchen bis zur Haltestelle. Unterwegs machen wir, wenn überhaupt, nur kurze Pausen. Also wenn ihr noch etwas vorhabt, tut es jetzt.« Mika schloss die Klappe wieder mit einem Ruck und verschwand unter dem Auto. »Mika kennt sich ganz gut mit so etwas aus. Sie macht das Auto startklar.« »Was gab es denn noch zu klären mit dem Chef?« Phoenix Frage klang wie nebenbei gestellt, als ob es ihm eigentlich egal war. Die Tatsache, dass Kampfhasen in Nat-Isa waren, schockierte ihn noch immer. »Nichts«, kicherte Niliana, »War lediglich etwas Organisatorisches.« Ein leises 'Aha' von Phoenix war alles, was er erwiderte. Er blieb vorsichtig. Oder war es eher die Skepsis in den Wahrheitsgehalt der Antwort? »Also wer ist dieser Mister X«, wandte sich Eevi an Niliana, »Was für Erinnerungen hat er 'geklaut?« Es waren ihr zu wenig Informationen. Und sie war sich sicher, dass Niliana dies geheim hielt, solange sie sich nicht entschieden hatten. Auch Phoenix wurde hellhörig. Hätte Eevi nicht gefragt, hätte er dies übernommen. »Ich erkläre euch alles, wenn wir unterwegs sind. Und ungestört.« »So! Alles gewartet. Ihr könnt losfahren.« Ein breites Grinsen zierte Mika's Gesicht. Niliana nickte ihr zu und stieg als Erste ein. »Nili, sei vorsichtig. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache«, flüsterte sie ihr zu. »Ich komm zu recht.« »Ich traue den beiden aber nicht.« Eevi und Phoenix folgten ihr kurz darauf. »Es sind wohl eher wir, die misstrauisch sein sollten« maßte sich Eevi an Mika entgegenzubringen. Mika wollte etwas erwidern, doch ließ sie es sein. Sie wollte die Szene vom letzten Mal nicht wiederholen. Zumal sie Anweisungen hatte, so etwas bei den beiden zu untersagen. Der Wagen fuhr los, jedoch ohne Fahrer, ganz zu Eevi's Verwunderung. Phoenix sah es ihr an und kicherte. »Solche Wagen fahren mit ein wenig Blut. Man gibt einen Code bei den Kristallen ein, sprich das Ziel und besiegelt das mit ein wenig Blut. Solange derjenige, der den Code eingab und somit auch das Blut den Wagen nicht verlässt, fährt der Wagen, quasi wie von selbst.« Eevi war immer wieder überrascht, was Lae-Bai alles aus Raksha-Kristallen machte. Es wunderte sie immer weniger, warum Lae-Bai so auf die Kristalle aus war. Ihre gesamte Technologie basierte auf ihnen. Einzig die Aussicht auf grüne Landstriche und Wälder faszinierte sie mehr, auch wenn sie weißen Steppen und Wiesen in Nat-Isa bevorzugte. »Heißt allerdings auch, dass wir ohne Niliana das Fahrzeug nicht bedienen können«, fügte Phoenix noch hinzu. Phoenix stützte seinen Kopf mit seiner Hand ab und tat es Eevi gleich. Die Aussicht war wirklich wunderschön. Ganz im Gegenteil zu ihrem Ziel. »Lasst mich euch die Details besprechen. Danach könnt ihr gerne so lange ihr wollt aus dem Fenster schauen.« Sowohl Eevi als auch Phoenix drehten sich wieder um. Niliana saß ihnen gegenüber. Sie sahen sie an. Niliana hatte ihre gesamte Aufmerksamkeit. »Ihr könnt euch mit jedem treffen, den ihr wollt, sobald wir den Auftrag hinter uns haben. Ihr habt danach genug Zeit. Wir werden nicht unmittelbar nach der Festnahme aufbrechen. Es gibt noch einige organisatorische Dinge vorher zu klären.« »Komm auf den Punkt. Wie viel Zeit haben wir nach dem Auftrag?« Phoenix hasste es, wenn Leute nur drum herum reden, statt auf den Punkt zu kommen. Für ihn war es Zeitschinderrei. »Einen Tag«, seufzte Niliana, »Dann brechen wir wieder auf. Mit oder ohne euch liegt bei euch.« »Einen Tag ist aber nicht viel Zeit, wenn man bedenkt, wen wir treffen wollen«, wandte Eevi ein. »Glaube mir, nachdem wir fertig sind, wird euch der Tag länger vorkommen, als er ist. Ihr werdet dankbar sein, wenn die Sonne untergegangen ist.« »Wieso? Ist es so illegal, was wir tun«, scherzte Phoenix. Doch wurde seine Frage unerwarteterweise sogar beantwortet. »Nicht direkt. Da wir aber unbemerkt alles tun müssen und somit niemand weiß, dass wir Kopfgeldjäger sind, ist es in dem Moment etwas illegal. Also lasst euch nicht erwischen. Alles zu erklären kostet zu viel Zeit. Zeit, die wir nicht haben.« »Also was genau hat er an Erinnerungen genommen und wie sollen wir ihn finden?« Etwas anderes wollte Eevi nicht wissen. Sie hoffte, dass es nützliche Informationen seien. Informationen, die ihr helfen könnten. »Er wird bei dem Treffen der Söldner sein, davon gehen wir aus. Aber wir müssen ihn vorher finden. Er könnte genauso gut im königlichen Palast sein.« »Also wissen wir nicht, wo er genau ist«, fügte Phoenix hinzu. Er zweifelte langsam an der Planung für dieses Unternehmen. »Ich muss mich nur mit unseren Kontaktpersonen in Verbindung setzen und wir wissen es. Was die Erinnerungen angeht. Ich weiß es nicht genau. Du erinnerst dich an die Schriften, die du übersetzen solltest für mich? Ich nehme an, er hat solche Erinnerungen gestohlen. Liam hatte die Vermutung, dass sie etwas der Verbindung zu Nat-Isa und Lae-Bai zu tun haben. Es ist nur eine Vermutung. Und letztendlich spielt es keine Rolle, denn Auftrag ist Auftrag.« »Was genau unterscheidet euch von Söldnern? Du hast keinerlei Informationen über die Dinge, die er weiß. Es interessiert dich nicht, solange die Kohle stimmt. Also was unterscheidet euch? Liam ...«, sprach Eevi, doch unterbrach Niliana sie sofort. »Liam redet viel, wenn der Tag lang ist. Ich habe nie gesagt, dass wir sehr anders sind. Söldner werden immer als sehr loyal dargestellt, doch sind sie das nicht. Sie geben ihre Nationalität auf. Kopfgeldjäger nicht. Wir sind loyal zu unseren Wurzeln. Das ist der Hauptunterschied.« »Auch Söldner bleiben ihren Wurzeln treu. Sie tun alles für die Leute. Auch ohne Geld. Die Anerkennung ist ihnen genug. Kopfgeldjäger denken nicht nach, sie tun es einfach.« »Wir denken sehr wohl nach. Warum seid ihr beide sonst hier? Wäre es, wie du es sagst, wärt ihr längst eingeschlossen. Denn vergiss nicht, auf euch ist auch ein Kopfgeld ausgesetzt.« »Für etwas, dass wir nicht getan haben!« »Soweit ich weiß, seid ihr aus dem Gebäude ausgebrochen. Du bist illegal hier und er hilft dir Informationen gegen Lae-Bai zu finden. Meiner Meinung nach ist jeder Punkt gerechtfertigt. Die Strafe vielleicht nicht, aber das spielt keine Rolle.« Niliana's Blick wich zu Phoenix. Dieser wollte gerade etwas erwidern, doch erwürgte es Niliana im Keim. »Und natürlich haben wir uns in den zwei Tagen, in den du geschlafen hast, über euch informiert. Oder glaubst du Liam, schickt euch mit, ohne auch nur ansatzweise etwas über euch zu wissen?« Niliana holte Luft. Sie hasste es, wenn man sie anzweifelte. Und Eevi zweifelte an Kopfgeldjägern und somit zweifelte sie an ihr. Für sie war die Sache gegessen. »Schon gut. Zurück zum Thema o. k.? Wie fangen wir den Typen, wenn wir wissen, wo er ist.« Phoenix wollte nicht weiter darauf eingehen. Es hätte nichts gebracht, selbst wenn er versucht hätte, sich zu rechtfertigen. Letztendlich wusste er, dass er ihr nicht half, Informationen gegen Lae-Bai zu finden, sondern für Lae-Bai. Doch beließ er es dabei. »Seine Magie funktioniert nicht gegen mich, aber gegen euch. Und wenn er mit euch in Kontakt kommt, erfährt er dann, wie wir ihn fassen wollen. Deswegen greift ihn an und überlasst den Rest mir. Es wäre zu fahrlässig euch mehr zu erzählen.« Allmählich verstand Phoenix, warum Niliana für diesen Job ausgewählt wurde. Er vergaß, dass sie Magie annullieren konnte. Sie war die Einzige, die ihn festnehmen konnte, ohne unfreiwillig Informationen preiszugeben. Dennoch könnte sie ihnen ruhig mehr erzählen. Anscheinend ging sie davon aus, dass Eevi und er seiner Magie zum Opfer fallen werden. Die restliche Fahrt schwiegen sie. Niliana schien es ihr echt übel zu nehmen, dachte sich Phoenix. Dennoch verging die Zeit schneller als gedacht. Phoenix und Eevi wechselten sich ab mit dem Schlafen, bis sie letztendlich die Stadtmauern ihres Zieles sehen konnten: Tenrouka, die Festungsstadt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)