Gin x Whiskey von Shoot_the_puppy (written by crazypark & me) ================================================================================ Kapitel 1: Hate me! ------------------- Was lange währt, wird endlich gut … Wir haben uns etwas zu wörtlich an dieses Sprichwort gehalten, aber nun ist es endlich soweit: We’re back!!! Als kleines Geschenk zu Weihnachten sozusagen. Was gibt es viel zu sagen … neue Akame AU Story mit jeder Menge Nebencharakteren. Wir haben uns einfach aus jedem Genre bedient XD Zum Posting: Extra zu Weihnachten kommt ein langes Kap, aber gewöhnt euch nicht daran :). Die nächsten werden definitiv etwas übersichtlicher. Des Weiteren möchten wir an dieser Stelle kein Versprechen abgeben, dass wir es schaffen, regelmäßig zu updaten. Wir werden unser möglichstes tun, einen 2-Wochen Rhythmus einzuhalten, aber verlasst euch nicht darauf XD Die Story macht doch mehr Arbeit, als wir anfangs gedacht hätten, zumal wir nun entschieden haben, sie auch auf Englisch zu übersetzen. Aber genug geredet. Viel Spaß mit dem ersten Kapitel Kapitel 1 - Hate me! Kame Tokyo zu Weihnachten war ein Erlebnis für sich. Auch wenn das Fest der Liebe oder was auch immer in Japan weniger eine religiöse Bedeutung hatte, so wurde jedoch etwas definitiv übernommen: der Shoppingwahn. Es war bereits nach 21 Uhr, aber die Shinjuku-Station war taghell erleuchtet. Überall blendeten einen die blauen LED-Lichterketten der schiefen, krüppligen Kunstbäume, sodass man leicht die Orientierung verlieren konnte. Als ob es nicht so schon schwer genug war, ohne Zusammenstöße voran zukommen. Die Straßen hier waren völlig überfüllt mit Menschen. Die meisten von ihnen waren mit großen Tüten bepackt, welche wahrscheinlich das eine oder andere Geschenk beinhalteten. In wenigen Tagen war es soweit, nur meine weihnachtliche Stimmung hielt sich noch in Grenzen. Vielleicht lag es an dem fehlenden Schnee, den milden Temperaturen oder den nervigen blickenden Lichtern, bei welchen jeder Epileptiker seine Freude hätte, oder daran, dass es mein erstes Weihnachten hier in Tokio war - alleine ohne meine Eltern. Diese verbrachten ihre Feiertage lieber im milden Italien auf einem Kongress über Denkmalschutz römischer Villen. Sie hatten mich natürlich gefragt, ob ich die Ferien bei ihnen verbringen wollte, aber mal ehrlich. Welcher 16-jährige wollte seine Freizeit in einem 100 Einwohner Kaff verbringen, wo es nichts anderes als Ziegen, Schafe und halb zerfallene Häuser gab? Ich für meinen Teil konnte da gut und gerne drauf verzichten, meine Eltern wohl nicht. Es war jetzt schon knapp neun Monate her, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Damals waren sie mit Sack und Pack gen Europa gezogen, um sich ihren Lebenstraum der Erforschung antiker Bauweisen in Verschmelzung mit der Moderne zu erfüllen. Schnarch! Ich stand damals vor der Entscheidung mitzufliegen, diese Sprache lernen zu müssen und mit irgendwelchen Hinterwäldlern auf eine stinkende Dorfschule gehen zu dürfen oder mich häuslich hier in Tokio bei meiner Großmutter niederzulassen. Ich musste wohl nicht erklären, warum ich mich für letzteres entschieden hatte. Damals wäre ich jede Wette eingegangen, dass die beiden es in dieser Einöde nicht einmal einen Monat aushalten würden. Nun war bald ein ganzes Jahr rum und sie immer noch glücklich. Sollte mal einer verstehen. Sie hatten mir Bilder ihres kleinen Gutes geschickt und ich war regelrecht entsetzt gewesen. Davor lebten wir in einer großen Villa in Osaka von der viele nur träumen konnten. Mein Vater hatte sie damals entworfen und meiner Mutter zu ihrer Hochzeit geschenkt. Ich liebte dieses Haus und vor allem die Vorzüge meines Lebens darin. Es mochte vielleicht etwas überheblich klingen, aber Menschen gewöhnten sich schnell an einen gewissen Standard und ich wollte diesen sicher nicht gegen ein klappriges Bett in einem undichten Hühnerstall eintauschen. Trotzdem fehlten sie mir und darüber tröstete mich auch nicht die aktuelle Armani-Kollektion aus Rom hinweg. Schick war sie trotzdem. Die Fußgängerampel schaltete auf rot und mir blieb nichts anderes übrig als stehen zu bleiben. Neben mir ertönte ein hohes Kichern, welches mich aus meinen Gedanken holte. Nicht weit entfernt erblickte ich eine Gruppe Mädchen, welche mich unverhohlen anstarrte. Scheinbar deuteten sie meine kurze Musterung als Einladung, denn zumindest eine der holden Weiblichkeiten kam auf mich zu marschiert. Sie war klein, zierlich, mit langen braunen Haaren. Wenigstens die Hübscheste aus der Runde, dachte ich zumindest, bis sie den Mund aufmachte und mir das Trümmerfeld entgegen stach, was wohl Zähne darstellen sollten. Oh Gott, mir blieben vor Schreck sämtliche Nettigkeiten im Halse stecken. „Hey, ich bin Keiko und du?“ „Definitiv nicht mehr interessiert“, antwortete ich schnell und achtete nicht mehr darauf, dass der Frau schier alles aus dem Gesicht fiel, denn leider blieben ihre Zähne an ihrem Platz. Die Ampel zeigte zum Glück rechtzeitig grün an und ich machte mich so schnell wie möglich aus dem Staub. Bitte, vielleicht war ich oberflächlich, aber man sollte die Sache einmal nüchtern betrachten. Es war wie in der Ökonomie. Warum sollte man bei ausreichendem Angebot minderwertige Ware anrühren? Vielleicht war sie nett, intelligent oder hilfsbereit, aber wen interessierten schon innere Werte, wenn man(n) Angst haben musste, dass sich der eigene Schwanz in ihrem Gebiss verhaken könnte? Reiner Selbstschutz also. Es dauerte nicht mehr lange, bis ich mein Ziel für den heutigen Abend erreichte und vor den Türen des „Godz“ ankam. Besagtes Godz war eine der besten Metalbars hier in Tokio. Die Anzahl der Besucher hielt sich in Grenzen, was an einem Sonntag nicht wirklich verwunderlich war. Gestern sah es hier schon ganz anders aus. Der Club war ein echter Geheimtipp in der Szene, nicht nur wegen der moderaten Getränkepreise sondern in erster Linie durch die ausgezeichnete Musikauswahl. Ich verbrachte meine Abende oder Nächte gern hier. In diesem Umfeld interessierte es keinen, wer oder was man war. Wie immer grüßte ich den Barmann, bestellte mir ein Bier und verzog mich mit diesem in den hinteren Teil der Räumlichkeiten, wo ich mich an einem der Tische niederließ. Im Hintergrund lief gerade Motörhead, während ich an meiner Flasche nippte und langsam anfing, mich zu entspannen, während ich auf meine Verabredung wartete. „Oi, Kazu.“ Ich erblickte meinen Kumpel, welcher nun zielgerichtet auf mich zusteuerte, natürlich ebenfalls mit einem Bier in der Hand. Meine Mundwinkel zogen sich bei seinem Anblick automatisch nach oben. Wenn man vom Teufel sprach beziehungsweise dachte. Taka sah immer ein wenig durch den Wind aus, was ihm eine sehr sympathische Ausstrahlung verlieh. Es war schwer, diesen Kerl nicht zu mögen. Wir trafen uns vor einigen Monaten durch Zufall in einer winzigen, rauchigen Kneipe. Es war einer dieser Tage gewesen, an denen man sich am liebsten den nächsten Strick genommen hätte. Ich brauchte einfach Abstand von allem und vor allem einen starken Drink. Ohne viel nachzudenken, stürzte ich mich an die erste Theke, welche endlich bereit war, mir Alkohol zu verkaufen, obwohl ich bei weitem noch nicht 21 war. Taka hatte mich damals angesprochen und wir stellten schnell fest, dass wir einen ähnlichen Musikgeschmack hatten. Keine zwei Tage später schleifte er mich das erste Mal ins „Godz“, welches einem Bekannten von ihm gehörte und somit waren alterstechnische Probleme schnell aus dem Weg geräumt. „Was geht, olles Bonzenkind?“, grinste er mich an und versuchte, seine widerspenstigen, schwarzen Locken aus seinem Gesicht zu streichen, nachdem er sich auf dem Barhocker mir gegenüber niedergelassen hatte. „Nicht mehr und nicht weniger als sonst“, antwortete ich schmunzelnd und prostete dem Älteren zu, bevor sich dieser seinem Getränk widmete. „Man, du weißt gar nicht, wie schön es ist, wieder hier zu sein“, ließ der 22-Jährige überschwänglich verlauten. „Hast du mich etwa so sehr vermisst?“ Mein Grinsen wurde breiter. Wir hatten uns die letzten Wochen kaum gesehen. Taka war Sänger in einer Rockband, welche gerade versuchte, richtig durchzustarten und die Kellerlöcher hinter sich zu lassen. Daher zogen sie durch irgendwelche kleinen Clubs als Vorband, während ich in der Schule versauerte. Das Leben war einfach ungerecht. „Mindestens so viel, wie du mich.“ Wo er recht hatte. „Und was ist mit mir?“, ertönte es plötzlich neben uns und ich konnte den Drummer der Band ausmachen, welcher sich scheinbar dazu entschieden hatte, uns heute ebenfalls Gesellschaft zu leisten. „Wem würdest du schon fehlen?“, frotzelte Taka sofort los. „Wer hat dich denn gefragt?“ „Und was machen die anderen?“, versuchte ich einfach das Thema umzulenken, damit die beiden sich nicht schon nach drei Sekunden an die Gurgel gingen. Es war mir schleierhaft, wie sie später eine komplette Tour überleben wollten. „Die genießen lieber die wenige freie Zeit alleine. Nur diese Klette hängt nach dem ganzen Aufeinandergehocke immer noch an meinem Arsch“. „Und dabei ist der viel zu knochig für meinen Geschmack“, konterte der andere grinsend. „Mein Arsch ist nicht knochig!“ „Ist er wohl.“ Und schon ging die Show los. Den beiden beim Streiten zuzusehen war besser als Kino. Es fehlte eigentlich nur noch das Popcorn, aber ich hatte ja mein Bier. „Was glotzt du eigentlich auf mein Hinterteil?“ „Glaubst du, das mach ich mit Absicht? Leider stehst du sehr selten mit dem Gesicht zu meinem Drums! Und ich bin auch nur ein Mann.“ „Daran zweifle ich ab und an.“ „Dazu schwul und bedürftig“, fügte der Brünette noch hinzu, ohne auf den Kommentar seines Kollegen einzugehen. „Das rechtfertigt nicht, dass du mir auf den Hintern starrst!“ „Kazuuu~, sag doch auch mal was!“ Ich musste mir schwerlich mein Kichern verkneifen, als mich Tomoya mit großen Augen anblickte und scheinbar auf meine Hilfe hoffte. „Was soll ich sagen? Ich starre ihm nie irgendwohin.“ Das war die Wahrheit. Ich liebte Taka abgöttisch, aber auf eine gänzlich unsexuelle Art. „Siehst du, der kann sich wenigstens benehmen“, triumphierte der Sänger über den kleinen Disput und freute sich darüber scheinbar ein Loch in sein Knie. „Ich stehe aber eigentlich auch nicht so auf Kerle.“ Grinsend nippte ich an meiner Flasche, was ich lieber hätte lassen sollen, denn Tomoyas nächster Kommentar ließ mich beinahe an meinem Bier ersticken. „Betonung auf 'eigentlich', Süßer. Du weißt es nur noch nicht, aber ich helfe dir gerne dabei, es herauszufinden.“ „Glaub ich dir aufs Wort“, röchelte ich hilflos und merkte, wie meine Wangen unangenehm zu glühen anfingen. „Verschwule mir den Jungen ja nicht!“, schob Taka zum Glück einen Riegel vor dieses Thema. Wenigstens auf einen war hier Verlass. Ich wäre ihm am liebsten vor Dankbarkeit um den Hals gefallen, was jedoch bei der derzeitigen Situation nicht sonderlich förderlich gewesen wäre. „Was haltet ihr von einer Runde mit ordentlichen Getränken?“, warf ich daher einen Vorschlag in die Runde und erntete wie erwartet breite Zustimmung. Immerhin hatten wir die erfolgreichen Konzerte der anderen beiden zu feiern, was wir auch ausgiebig taten. Am nächsten Morgen hielt sich meine Lust aufzustehen in Grenzen. Ich wusste nicht, was der Auslöser meiner schlechten Laune war, aber irgendetwas sorgte dafür, dass ich ein mulmiges Gefühl hatte. Vielleicht war der letzte Schnaps nicht mehr gut gewesen, aber ich hatte heute Nacht nicht das Gefühl gehabt, wirklich besoffen gewesen zu sein. Kopfschmerzen hatte ich auch keine. Sehr seltsam das alles. Es gab jedoch einfach Tage, an welchen man besser im Bett liegen bleiben sollte. Scheinbar gehörte dieser heute dazu. Es half jedoch alles nichts. Lehrer hatten meist wenig Verständnis, wenn man einfach so blau machte. Ein bis hundert Kaffee würden schon helfen. Zumindest zog der verführerische Duft schon bis in mein Zimmer. Zwanzig Minuten später betrat ich angezogen und mit gestylten Haaren die große Designerküche und schnappte mir sofort eine der bereitgestellten Tassen für mein schwarzes Gesöff. Schon nach dem ersten Schluck sah die Welt viel besser aus. „Guten Morgen, Kazuya“, begrüßte mich meine Oma, welche soeben mit einem Bündel undefinierbarer Kräuter den Raum betrat und mich fröhlich anstrahlte. „Morgen.“ „Du sollst nicht immer dieses schädliche Zeug trinken. Tee ist viel gesünder.“ Nur nicht ihrer. Ich schluckte lieber sämtliche Kommentare über das eigens hergestellte Gebräu herunter. Meine Großmutter war, nun ja, anders. Ihre große Liebe war ihr exotischer Kräutergarten, welcher sicher kein Polizist betreten sollte. Die Hälfte der Pflanzen durfte wahrscheinlich noch nicht einmal in Japan eingeführt werden. Von den verschieden Pilzen und ihren Wirkungen wollte ich lieber gar nicht erst anfangen. Natürliche Heilmittel nannte sie ihre Gewächse. Na dann. Den Fehler, auch nur ein Produkt davon vor der Schule zu mir zunehmen, hatte ich auch nur ein einziges Mal begangen. Es war keine schöne Erinnerung. Ansonsten war unser Zusammenleben ziemlich harmonisch. Sie versuchte erst gar nicht, mir irgendwelche Regeln aufzuerlegen. Solange ich keinen Ärger machte, gute Noten schrieb und mich zu benehmen wusste, hatte ich völlige Narrenfreiheit. Das war ein großer Pluspunkt bei den ganzen Entbehrungen, welche hier auf mich warteten. Nicht, dass dieses Haus klein wäre oder es an Luxus mangelte, aber alte Leute standen wohl nicht sonderlich auf Whirlpools, Billardtische und riesige Flachbildfernseher mit passenden Soundanlagen. „Es war ganz schön spät gestern“, startete meine Großmutter ein Gespräch, während sie an ihren Gräsern herum zupfte. „Ja. Hatte mir extra ein Taxi genommen.“ „Ich hoffe du hast auch ein Kondom benutzt.“ Ich hätte beinahe meinen Kaffee über dem Tisch verteilt „Oma! Ich habe gestern nicht DAS gemacht!“ „Solltest du aber. Du bist in der Blüte deiner Jahre. Das musst du ausnutzen, mein Junge. Der Verfall setzt bei euch Männern zeitig genug ein. Ich spreche da aus Erfahrung.“ Nach fünf überlebten Ehen tat sie das wirklich. Das änderte nur leider nichts daran, dass dieses Thema äußerst unangenehm war. „Darum musst du dir keine Sorgen machen“, „Also gibt es da jemanden?“ „Keine spezielle.“ „Keine oder Keinen?“ „KEINE!!!“ „Man wird ja wohl fragen dürfen. Bei der Jugend heutzutage weiß man ja nie so genau. Vergiss nie die Kondome, in Ordnung? Ich bin noch zu jung, um Urgroßmutter zu werden. Aber falls es doch passiert: Auch dagegen gibt es ein Kraut.“ „Was wird das eigentlich?“, lenkte ich lieber schnell vom Thema ab und zeigte auf die Zutaten, welche auf der Theke verteilt lagen. „Ich versuche mich an einem mongolischen Kräuterlikör. Er soll sehr belebend wirken. Genau das Richtige für diese Jahreszeit.“ Ähm ja, wie ich schon sagte, die Frau war halt irgendwie anders. Wie schon erwähnt gewöhnte man sich zu schnell an gewisse Privilegien, sodass man jene gar nicht mehr zu achten schien. Mein Schultag in Osaka begann meist mit einem riesigen Frühstück, welches von unserer Köchin zubereitet wurde. Danach fuhr mich entweder mein Vater oder ein Angestellter zur Schule. Ich brauchte mir nie um irgendetwas Gedanken zu machen. Jetzt hatte ich eine Tüte vom Kiosk in der Hand, meine Schultasche quetschte mir die Schulter ab und ich könnte schwören, dass gerade mal wieder eine fremde Hand meinen Arsch gestreift hatte. Ich hasste meinen Schulweg. Jeden Morgen musste ich mich in die volle U-Bahn zwängen und mich von irgendwelchen Perversen angrabschen lassen, nur weil meine Großmutter meinte, es sei eine gute Erziehungsmaßnahme, mich nicht zu sehr zu verhätscheln. 'Andere Kinder machten das auch jeden Tag' waren ihre Worte. Ja, andere Kinder hatten aber auch nicht mein Bankkonto und einen Chauffeur zu Hause sitzen, welcher sich zu Tode langweilen durfte. Das Gelände war noch völlig leer, da ich wie jeden Morgen zu früh dran war. Ich war der Erste der kam und der Letzte der ging. Die Kaisei Academy war eine private Jungenschule von der Grundschule bis zur Oberstufe mit der besten Verbindung zur Universität von Tokio. Jeder hier hatte Geld. Ansonsten unterschied sie sich nicht im Geringsten von meiner alten Schule. Das Leben hier war nach dem üblichen Prinzip einer Hierarchiepyramide angeordnet und ich wollte nicht zu der unbedeutenden Masse am Sockel gehören. Früher war ich Schulsprecher gewesen, Kapitän der Baseballmannschaft und Vorsitzender des Veranstaltungskomitees. Genau da wollte ich wieder hin und es war so einfach, es zu erreichen. Ich war weder hässlich noch gehirnamputiert und in wenigen Wochen des neuen Schuljahres so beliebt, dass ich direkt zum Schulsprecher ernannt wurde, da ihnen der alte irgendwie abhanden gekommen war und sein Stellvertreter den Job mehr schlecht als recht absolvierte. Hier und da ein wenig Schleimen und die richtigen Knöpfe drücken und schon hatte ich den Job. Viel zu leicht und die Konkurrenz war lächerlich. Einen Wermutstropfen gab es jedoch bei meinem Wechsel: Die Kaisei Acedemy rühmte sich mit ihrem ausgezeichneten Club. Es gab wirklich jeden Scheiß. Vom Kochen zu Othello bis hin zu Amateur Magie, nur ein Baseballteam fehlte. Bis jetzt! Ich wäre nicht Kamenashi Kazuya, wenn ich nicht auch für dieses Problem eine Lösung gefunden hätte. Angeregt durch eine kleine Spende meiner Eltern wurde dieses Jahr die erste Mannschaft - natürlich mit mir als Clubvorsitzenden - gegründet. Wir brauchten noch einiges an Training und vor allem ein paar mehr fähige Spieler, aber wenn alles gut ging, würden wir nächstes Jahr an den Schulmeisterschaften teilnehmen können. Ich war glücklich und alles lief perfekt nach meinem Plan. Als ich das Sekretariat verließ, füllten sich die Gänge allmählich mit Schülern. Die meisten grüßten mich mit einem freundlichen Lächeln, welches ich natürlich erwiderte, obwohl ich mich bei der Mehrzahl weder an ihr Gesicht, noch an ihren Namen erinnern konnte. Ich brauchte dringend eine neue Dosis Koffein. Mein Stundenplan für heute war vollgepackt, sodass ich erleichtert war, dass mir die Aufgabe abgenommen wurde, einen Rückkehrer zu begrüßen. Er kam wohl von einem Austauschjahr zurück. Ich hatte nicht genau zugehört, da mich die Informationen ab dem Zeitpunkt nicht mehr interessierten, als ich von meiner Pflicht entbunden wurde und lieber die Zeit nutzte, im Kopf die Formeln für den heutigen Mathematiktest zu wiederholen. Ich hatte schulisch nie große Probleme, aber dieses Fach gehörte wohl zu meinen Schwachpunkten. Zahlen mochten mich nicht und umgekehrt. Ich seufzte und wartete auf meinen Becher Kaffee, welcher gerade von dem großen Automaten zubereitet wurde. Ich wusste, dass er eklig schmecken würde und dass mein Magen spätestens ab dem dritten Schluck anfangen wurde zu rebellieren. Dennoch tat ich mir dieses Gift jeden Tag aufs Neue an. Ich hatte nicht viele Laster, aber Koffein gehörte definitiv dazu, Zigaretten wohl auch und vielleicht der übermäßige Genuss von alkoholhaltigen Getränken in meiner Freizeit. Okay, ich nahm das mit den wenigen Lastern zurück. Zum Glück war nur meine Kaffeesucht allgemein bekannt. „Moin, Kame.“ Yamapi, oder nur Pi oder auch alles andere, solange man ihn nicht mit seinem richtigen Namen ansprach, kam grinsend auf mich zu. Im Gepäck hatte er Ueda Tatsuya, ohne Zusatz, denn dieser mochte ausnahmsweise seinen Namen. Die beiden gingen in meine Klasse. Ich war damals keine zwei Sekunden in unserem Klassenraum, da hatte ich Pi schon wie eine Klette an mir hängen. Ich mochte seine aufgeweckte, naive Art. Er war nett - zu nett für diese Welt. Tatsuya war der Klassensprecher, wodurch wir auch nach dem Unterricht relativ viel zusammen zu tun hatten. Ueda war ein sehr offener Mensch - in jeglicher Hinsicht. Die typische Geschichte eines verzogenen Kindes, welches sich seine Aufmerksamkeit, welche es zuhause nicht bekam, woanders holte. In einer reinen Jungenschule war das auch nicht besonders schwierig, vor allem nicht mit seinem Äußeren. Jeder wusste es, keiner sprach darüber. Es war mir gleich. Ich verbrachte meine Zeit nicht aufgrund seiner oralen oder anderweitigen Fähigkeiten mit ihm, sondern weil ich seine Art schätzte. Es folgte der morgendliche Smalltalk, während ich an meinem Becher nippte. „Ihr werdet nicht glauben, wer wieder da ist", änderte Pi grinsend das Thema, welches sich bislang um den Test von heute drehte. „Bitte nicht dieser picklige Typ", kam die prompte Antwort von Ueda, welcher angeekelt das Gesicht verzog. „Nein igitt, besser." „Die heiße Referendarin?", war mein nächster Vorschlag, worauf Pi leider nur mit dem Kopf schüttelte. Schade aber auch. „Wer dann?", wollte ich daher wissen und nippte an der dunklen Flüssigkeit. Bah, immer noch widerlich. Da zahlte man schon ein Vermögen an Schulgeld und durfte diesen Spülwasserkaffee trinken. „Jin. Er ist wieder da." Seine Stimme überschlug sich fast vor Aufregung, während ich ihn nur mit großen Augen ansah. Wer? „Ist nicht wahr?!“ Scheinbar teilte Ueda die Begeisterung des anderen. Ich stand auf dem Schlauch oder hatte tatsächlich etwas Essentielles verpasst. Der Gedanke gefiel mir rein gar nicht. Das mulmige Gefühl von heute Morgen kam wieder zurück und ich fürchtete, dass es nicht nur an der ekligen Brühe lag, welche ich in mich hinein schüttete. Jin Weihnachten stand kurz vor der Tür und somit war es für mich höchste Zeit, mich von Amerika zu verpissen, bevor die selige, heilige und Leck mich am Arsch-Stimmung vollends einsetzte. Zwei Wochen vor dem eigentlichen Kasperletheater war es fast zu spät, da sie im Grunde schon seit September die Weihnachtsschokolade in den Supermärkten horteten und dich mit ihren Zuckerstangen liebend gern verprügelt hätten, nur damit du ihnen ihre dämlichen Zimtsterne abkaufst. Bei 24 Grad im Schatten wäre ich zwar auch äußerst abgefuckt, in einem Kostüm herumzulaufen, aber dadurch eben noch weniger geneigt, mir deren Plunder zuzulegen. Das Erste, was ich tat, als ich gegen 15 Uhr in Tokio ankam, war zu meinem Haarstylisten zu fahren. Die Matte musste dringend runter, sonst würde mich der Schulleiter Johnny ungespitzt in den Boden rammen. Außerdem war mir meine Reputation zu wichtig, als dass ich weiterhin wie ein Strauchdieb herumrennen konnte. Zumal das Pflegen der Haare eindeutig zu aufwändig wurde. Mit dem Ergebnis war ich wie immer höchst zufrieden, was auch der Grund war, dass ich meinem Stylisten treu geblieben war und den fettigen Wurstfingern der burgerfressenden Amerikaner sicher nicht erlaubt hatte, an meinen geschmeidigen Wunderlocken herumzugriffeln. Ich informierte noch alle, die es verdient hatten, dass ich wieder in Japan war, bevor ich zu meinen Eltern fuhr und der Jetlag einsetzen konnte. Zwar hatte ich auch nach einem Jahr Abwesenheit immer noch mein altes Apartment, aber eben jenes hatte meine Mutter in Schuss halten lassen und das allein war schon ein Grund für einen Besuch. Ich wusste, dass ich mich mit meiner Anwesenheit erkenntlicher zeigen konnte als mit Schnittblumen, die nach zwei Tagen anfingen in der Vase zu modern. Montag bestritt ich mit gemischten Gefühlen. Erst die Arbeit und dann das Vergnügen und das im wahrsten Sinne. Das gewohnte Schulgelände, in dem ich einen großen Teil meines bisherigen Daseins gefristet hatte, zu betreten, war seltsam. Ich kannte mich hier aus wie in meiner eigenen Westentasche und trotzdem hatte ich das Gefühl, fehl am Platz zu sein. So, als hätte ich längst meinen Abschluss gemacht und nicht nur ein Austauschjahr in Amerika verbracht. Die meisten Idioten kannten dich und ein paar neue Gesichter betrachteten dich neugierig von oben bis unten und wägten wohl ab, ob du entweder eine Gefahr für sie warst oder ein Trottel, der sich auf dem Weg zum Supermarkt verlaufen hatte. Die Kaisei Academy war schlimmer als ein katholisches Jungeninternat. Mindestens die Hälfte war schon vor Aufnahme schwul gewesen und der Rest wurde es nach spätestens zwei Jahren in diesem Knast. Natürlich durfte niemand zugeben, vom anderen Ufer zu sein, sonst würde einem Sugardaddy Johnny höchstpersönlich in den Hintern treten. Kopfschüttelnd enterte ich dessen Büro und versuchte, vorerst nicht mehr darüber nachzudenken. Der Gebieter saß wie gewohnt auf seinem Thron, blätterte vermutlich in den Unterlagen von bemitleidenswerten Neulingen und schaute nach einem Räuspern meinerseits garstig auf mich herab. „Was gibt’s?“, fragte er mich und vertiefte sich wieder in die Papiere. Genüsslich befeuchtete er sich Daumen und Zeigefinger mit der Zunge, um die nächste Seite umzublättern und mir kam glattweg das Kotzen bei diesem Anblick. „Ich hab gehört Miso-Ramen und Katsudon.“ Ich musste mir mein Grinsen verkneifen, als der alte Sack sein geschauspielertes Desinteresse einstellte und mich stattdessen anstarrte. Seine Gelassenheit begann zu bröckeln, das merkte ich sofort an seinen blitzenden Augen und freute mich ungemein. „Ich meinte mit meiner Frage den Grund deines Auftauchens“. Als ob er das nicht selbst wüsste. Dass man jedes mal in Schleimerei ertrinken musste, bevor man ein vernünftiges Gespräch mit dem Schlepparsch führen konnte, ging mir tierisch auf die Nüsse. Und ich hatte es nicht mehr nötig, mich so behandeln zu lassen, schon gar nicht nach dem ganzen Scheiß, den ich für ihn getan hatte. Alter Pfeffersack! „Ich dachte, wir spielen endlich mal zusammen Golf“, gab ich schulterzuckend von mir, bevor ich mich breitbeinig auf einem Stuhl vor seinem Schreibtisch niederließ und mich entspannt zurücklehnte. „Jin!“, kam es bedrohlich von ihm und ich unterdrückte die Antwort „So ist mein Name.“ Stattdessen fragte ich ihn nach den geplanten Auftritten und Veranstaltungen für mich. Wie nicht anders erwartet war die nächste Zeit vollgepackt mit allerlei unnützen Ansprachen für Weihnachten, Silvester, Neujahr und überhaupt. Ich musste ja nicht schon genug Interviews und Photoshoots für jede Menge Magazine über mich ergehen lassen. Mit meiner Laune am Tiefpunkt verließ ich das Büro wieder. Mich kotzten diese Besuche dermaßen an, aber seit ich vor drei Jahren beschlossen hatte, mein „Taschengeld“ aufzubessern, indem ich meine Eltern tatkräftig in ihrem Entertainmentbusiness unterstützte, wurde ich ständig genötigt, die glatt polierte Privatschule zu vermarkten und zu repräsentieren. Im Gegenzug erhielt Bestnoten, ohne viel dafür tun zu müssen. Bei meinen außerunterrichtlichen Aktivitäten war das auch bitter nötig. Aber wer brauchte schon Schulstunden, wenn man wusste, wie die Welt funktionierte? Seufzend machte ich mich auf den Weg zum Klassenzimmer. Ich hatte zwar noch gut 20 Minuten Zeit, bis die nächste Stunde begann, aber die wollte ich sicher nicht mit dem senilen Knacker verbringen. Unterwegs holte ich mir einen Kaffee in der Cafeteria, die natürlich gähnend leer war, da alle brav im Unterricht saßen. Dafür hatte ich Gelegenheit, mir das schwarze Brett anzusehen. Es wurden noch Mitglieder für das Baseballteam gesucht. Irritiert hob ich eine Augenbraue und fragte mich, seit wann die Schule diese Sportart anbot. Ich musste mich dringend auf den neuesten Stand bringen lassen. Die böse Vorahnung, dass ich dies kontinuierlich in den USA hätte tun sollen, nagte an mir. Aber ich hatte wahrlich andere Sorgen gehabt, als mich um die Belange der Schule zu kümmern. Auch wenn man das von mir als Schulsprecher hätte erwarten sollen. Ich fragte mich unwillkürlich, wer diesen Job nach mir übernommen hatte und ob ich mich sehr bemühen musste, meinen alten Posten wieder zu bekommen. Nicht, dass ich wirklich scharf darauf war, da ich seit Amerika mehr Angebote für Shootings bekam, als ich imstande war, anzunehmen. Die Lust, sich um die zum größten Teil unnötigen Bedürfnisse anderer kümmern zu müssen, verspürte ich nicht im Geringsten. Wichtiger war es auch, meine Macht schnell wieder herzustellen und wie ließ sich das besser umsetzen als in dieser Position? Die Schulklingel riss mich aus meinen Gedanken und ich legte hoch erhobenen Hauptes die letzten Meter zum Klassenzimmer zurück. Von vielen wurde ich ehrfürchtig betrachtet, jedoch wagte sich keiner, mich dumm von der Seite vollzulappen. Offenbar war meine Stellung doch noch recht akzeptabel. Das erste bedeutende Gesicht, was ich erblickte, war das von Junno, meinem besten Kumpel wenn es um Partys und ältere Frauen ging. „Du bist blond“, begrüßte ich ihn und betrachtete skeptisch seine aufgehellten, langen Haare. „Jin!“, strahlte er mich verzückt an und fiel mir doch allen ernstes um den Hals. „Nur nicht sentimental werden.“ Ich schob ihn schnell zurück, konnte jedoch ein Lächeln nicht verhindern. Es war einfach schon viel zu lange her, dass wir uns gesehen hatten. „Du glaubst gar nicht, wie gut die Haare bei den Frauen ankommen“, erklärte er mir seine Radikalkur. „Springt dabei auch für mich etwas raus?“, fragte ich noch immer grinsend. „Darauf kannst du wetten.“ Bevor er jedoch das Thema vertiefen konnte, wurden wir von Koki, unserem Drogendealer und selbsternannten Gangsterrapper, unterbrochen. „So braungebrannt wie du bist, hast du doch die ganze Zeit nur am Strand mit Weibern gelegen“, frotzelte er statt eines Willkommensgrußes. „Gar nicht wahr!“, protestierte ich und fügte dann mit einem dreckigen Grinsen hinzu: „Es waren auch ein paar Kerle darunter.“ „Es tut gut, zu wissen, dass sich wenigstens das nicht geändert hat.“ „Was soll das heißen?“, fragte ich misstrauisch geworden. „Es gibt einen Neuen, der dir den Rang ablaufen will“, antwortete Koki. „Etwas Ernstes?“, fragte ich noch nicht aus der Ruhe gebracht. Mich von meiner Position zu stoßen, bedurfte es schon einigen Könnens und seit meines Amerikaaufenthaltes konnte ich so ziemlich mit allem fertig werden. „Na ja, er ist der Schulsprecher.“ So konnte man auch meine Frage beantworten. Aber selbst das machte mich nicht nervös. Ich hatte mittlerweile andere Möglichkeiten, der Chef der Schule zu sein. Ein wichtiger Bonuspunkt ergab sich von ganz allein: Ich war bald im letzten Schuljahr. Das ließ einen automatisch in der Beliebtheitsskala aufsteigen und einem wurden völlig neue Türen geöffnet. Zwar hatte ich dieses Privileg bereits genossen, aber es ganz offiziell tun zu dürfen, war eine andere Sache. „Von mir aus kann er die Drecksarbeit erledigen“, erwiderte ich gelassen. „Er hat auch schon Pi und Tatsuya auf seine Seite gezogen“, brachte Junno ein Argument, was mich nicht kalt ließ. Den großen Macker heraushängen zu lassen war die eine Sache, aber mir meine Leute auszuspannen ein absolutes Tabu. Jetzt galt es ruhig zu bleiben und sich dieses Würstchen erst einmal von nahem zu betrachten. „Ihr müsst mir alles erzählen, was ihr wisst.“ Nach dem Unterricht hatte ich mehr über den Typen erfahren als mir lieb war. Mein neuer Erzfeind hörte auf den Namen Kamenashi Kazuya und war noch dazu ein Jahr jünger als ich und bei den meisten beliebt. Letzteres war nicht schwer zu erraten gewesen, wenn er sofort zum Schulsprecher gewählt wurde. Seine Macht erstreckte sich aber nur bis zu den Schulmauern. Auf Partys ließ er sich nie blicken und auch sonst war er verschlossen. Das Kind spielte also den Unnahbaren. Das war vielleicht mysteriös und wirkte auf Mädchen anziehend, allerdings würde er damit auf Dauer nicht bei einer reinen Jungenschule punkten können. Geheimnisse und Verschwiegenheit machten Kerle im Allgemeinen erst skeptisch und dann unsicher und Unsicherheit führte zwangsläufig zu Ablehnung. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis er sich von ganz allein ins Abseits kegeln würde und jetzt wo ich wieder da war, würde das nicht mehr lange dauern. Bis zur Mittagspause hatte ich mich seelisch und moralisch auf das unabwendbare Aufeinandertreffen mit meiner Konkurrenz vorbereitet. Ich betrat zusammen mit Junno und Koki den protzigen Speisesaal und spürte seine Präsenz schon auf hundert Metern Entfernung. Noch dazu war das neue Gesicht zwischen meinen anderen beiden Freunden auch nicht schwer auszumachen. Leider Gottes sah das Kerlchen nicht übel aus und dies änderte sich auch nicht, als ich direkt vor dem Tisch stand, an dem sie sich niedergelassen hatten. Yamapi erblickte mich als Erster und strahlte mich an, dass ich regelrecht geblendet war. „Hast du dir die Zähne bleichen lassen, Junge?“ „JIN?!?“, entdeckte mich nun auch Ueda, der mit dem Rücken zu mir saß und sich leicht zu mir umdrehen musste. „Ich freue mich wirklich, dass ihr alle noch meinen Namen wisst“, grinste ich und setzte mich neben Ueda, sodass ich direkt Kamenashi gegenüber saß. „Akanishi“, kam es mitsamt eines Nickens und sollte wohl einen Willkommensgruß darstellen. „Kamenashi nehme ich an“, wählte ich denselben Tonfall und tat so, als müsste ich das noch fragen. Wieder erntete ich ein Nicken und musste den Drang zu grinsen unterdrücken. Ich starrte meinem Gegenüber in die Augen und versuchte an ihnen seine Gefühlsregungen zu erkennen. Leider hatte der Junge ein echtes Pokerface und ich wusste nicht zu sagen, was sich in seinem Kopf abspielte. „Ich hab ihm schon einiges von dir erzählt“, mischte sich Pi ahnungslos in unser Blickduell ein. „Wie schön“, sagte ich und erwürgte meinen Kumpel dafür gerade in Gedanken. Ich wollte gar nicht wissen, was er alles preisgegeben hatte. Als ich plötzlich eine Hand auf meinem Oberschenkel spürte, die sich noch dazu viel zu nah an meiner Körpermitte befand, unterbrach ich den Blickkontakt und sah stattdessen dem Übeltäter in die Augen. „Ich hab dich vermisst“, strahlte mich Tatsuya unschuldig an. So unschuldig zumindest, wie man schauen konnte, wenn man sich vorstellte, gevögelt zu werden. Denn nichts anderes hatte diese Geste zu bedeuten. Dementsprechend fiel auch meine Antwort aus: „Mich oder einen speziellen Teil von mir?“ „Ich denke, die Antwort kennst du.“ Mir wurde gleich ganz anders zumute. Es war nicht unbedingt so, dass ich ein Jahr hätte auf Sex verzichten müssen. Aber die Gewissheit zu haben, dass sich die Lieblingshure nach einem verzehrt hatte, ließ mir das Blut in die Lenden schießen. Zu allem Überfluss lag mein letztes Mal auch schon drei Wochen zurück. Wäre mein Hunger auf Nahrung nicht größer gewesen, hätte ich ihn sofort in den nächsten leerstehenden Raum gezerrt. 'Später' formten daher meine Lippen die Worte und ich bekam ein dreckiges Grinsen als Resonanz und ein Augenrollen von Yamapi. Der kannte unsere Schäferstündchen bereits zum Erbrechen und hatte nie nachvollziehen können, warum wir kein Paar wurden. Dass nicht jeder Wert auf eine Beziehung legte, konnte er nicht verstehen. Daher hatten wir irgendwann aufgegeben, zu erklären, warum nur Sex zwischen uns stattfand. Kamenashi hatte die Szene mit undefinierbarer Miene beobachtet und schweigend in seinem Salat herumgestochert. Wenn dass Knochengerüst immer so wenig aß, wunderte mich gar nichts mehr. „Kame hat übrigens ein Baseballteam eingeführt“, informierte mich Pi und versuchte wohl so etwas wie normale Konversation am Mittagstisch zu führen. Erwähnte Person nickte wie ein Schluckspecht und meine Mimik hatte dank Ueda einen dreckigen Ausdruck angenommen. „Du interessierst dich also für harte Knüppel und Bälle?“ Meine beiläufige Stimme verharmloste meine zweideutigen Worte. „Nur im Sportbereich“, kam es unbeeindruckt zurückgepfeffert und ich erkannte gedanklich seine Schlagfertigkeit an. Das würde es nur interessanter machen. „Sicher?“, versuchte ich zu provozieren. „Absolut“, versicherte er mir mit seiner ausdruckslosen Maske. „Wird sich noch zeigen“, zwinkerte ich und machte ein wenig Platz, als sich Koki einen Stuhl heranzog, um sich neben mich zu quetschen. „Ich habe Curry-Rahmen und Katsudon für dich erkämpft, falls es Recht ist. Es war das Letzte.“ „Du bist mein Held.“ „Vom Erdbeerfeld, ich weiß.“ „Unter anderem“, gab ich noch von mir und begann zu essen, als sich auch Junno neben Kame gesellt hatte. „Aber wenn wir gerade beim Thema sind“, erwiderte Koki nach einer Weile, „meine Vorräte und Beziehungen haben sich fast verdoppelt.“ Ungläubig hielt ich mitten in der Bewegung inne und starrte meinen Kollegen einfach nur an. „Wie zum Teufel hast du das geschafft?“, ächzte ich und wusste erstens nicht so recht, ob ich das glauben sollte und zweitens, ob Drogengespräche in Kamenashis Anwesenheit so klug waren. „Blondi hatte einen guten Anteil daran“, erwiderte er gleichmütig und deutete mit seinen Stäbchen unmissverständlich auf Junno. Besagte Person lächelte mich nur verschwörerisch an und ich wusste damit, dass weder Kamenashi eine Idee vom Inhalt unseres Gespräch hatte, noch dass seine Haare nur auf sexueller Ebene für Erfolg bei Frauen gesorgt hatten. Junno war das, was man im gemeinen Fußvolk als Prostituierte bezeichnete. Für die etwas Verständigeren war er ein hochkarätiger Host und für eine handvoll Insider die Quelle jeglichen Vergnügens. In den letzten zwei Jahren hatte ich mich immer auf seine intimen Beziehungen verlassen können. Und die hatten mir diverse Vorteile verschafft. Problemlosen Zutritt zu VIP-Lounges in überteuerten Clubs waren nur Peanuts im Vergleich zu einigen Aufträgen für Modelabel. Alle Welt dachte, meine Eltern hätten mir den Zugang verschafft, in Wahrheit aber waren es Junnos, Kokis und meine Partnerschaft, die ihnen mehr Erfolg ermöglicht und damals sogar den Hintern gerettet hatte. Junno bespaßte nun mal keine normalen Weiber, sondern einflussreiche Geschäftsfrauen, die durch ihr fettes Bankkonto überhaupt erst in der Lage waren, sich seine Dienste finanzieren zu können. Und genau diese Schicksen brauchten manchmal nicht nur Sex zum Stressabbau sondern auch die ein oder andere Line, die Koki liebend gerne zur Verfügung stellte. In ihrem zugekoksten und befriedigten Zustand wurden sie dann auch recht spendabel und meinem kometenhaften Aufstieg stand nichts mehr im Wege. Ihre illegalen Machenschaften blieben geheim, weil sie uns im Gegenzug nicht an unsere Eltern oder die Polizei verpfiffen, da wir ja alle noch längst nicht volljährig waren. Das Leben machte Spaß und war auch nicht so weit hergeholt, wie manch Unwissende gerne behaupteten. Irgendwo mussten die Dailysoaps schließlich ihre Ideen her haben. „Du bist unglaublich“, lächelte ich meinen gebleichten Kumpel breit an. „Erzähl mir etwas Neues“, flötete er fröhlich zurück und widmete sich wieder seinem Essen. „Was macht ihr heute noch?“, krächzte sich Pi einen dran lang und bemühte sich offenbar immer noch, ein neutraleres Thema anzuschlagen. „Also ich wüsste da ja was“, wisperte es in mein Ohr und Uedas Hand legte sich nun endgültig auf meinen Schritt. Ich musste konzentrationshalber erst einmal meine Augen schließen und tief durchatmen, um mich nicht allzu sehr ablenken zu lassen. Mein Gesicht vor meiner Konkurrenz zu verlieren, konnte ich mir nicht leisten. Egal, ob ich den Job als Schulsprecher zurück wollte oder nicht. Als ich mich nach ein paar Sekunden wieder gesammelt hatte, flitschte ich seine Hand beiseite und erwiderte: „Wie ich schon sagte: später.“ Sein Schmollen ließ mich meine Aktion fast schon bereuen, aber es war eindeutig besser so und er ließ mich die restliche Pause zum Glück in Ruhe. „Ich wäre für eine Party, schließlich hatten wir ein Jahr lang keine Gelegenheit mehr dazu“, beantwortete ich letztlich Yamapis Frage und erhielt von allen Seiten Zustimmung – bis auf eine Person, versteht sich. „Kamenashi, wie sieht's bei dir aus? Scheinbar hast du dich ja gut mit meinen Leuten angefreundet.“ Ein Sticheln konnte ich nicht lassen. Natürlich wusste ich bereits, dass er sich von unseren Partys fern hielt, aber im Grunde konnte ich das nicht wissen und ich war wirklich gespannt auf seine Ausflüchte. TBC Kommentare sind Liebe :) Lasst uns wissen, was ihr von der Story haltet Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)