Der Fluch von Okkasion ================================================================================ Kapitel 2: II ------------- Keine drei Tage später machte sich Liviu, der aufgeregt wie ein Novize vor Schulanfang war, mit Lukas und achtzehn anderen ausgewählten Magiern auf den Weg zum Nordtor Elmenors, um von dort aus zum Lager der Jäger in der Nähe des Schwarzen Waldes zu kommen. Die Freude darüber, tatsächlich ausgewählt worden zu sein, verstärkte seine Vorfreude noch, sehr zum Leidwesen Lukas’. Er konnte diesem Einsatz nach wie vor nichts abgewinnen. So vertrieb er sich die Zeit damit, sich bei Liviu in seinem üblichen kühlen Tonfall, darüber zu beschweren, dass all ihre Mitstreiter eigentlich nicht geeignet waren und hier nichts verloren hatten. Liviu ließ Lukas Analyse über sich ergehen. Er war zu gut gelaunt, um sich wegen der anderen Magier mit Lukas zu argumentieren. Unter besagten Mitstreitern befanden sich neun weitere Krieger, sechs Beschwörer, sowie drei zusätzliche Heiler. Zu letztgenannten gehörte Arthurs einzige Schwester, eine Weißmagiern, die nicht wie Arthur mit reiner Magier, sondern wie Lukas mit Siegeln arbeitete. Sie galt als eine der besten Heilerinnen der Gilde. Überraschenderweise war kein weiterer der begabten Kirklands dabei, was wahrscheinlich daran lag, dass sie, wie Arthur als Lehrer, anderweitig eingebunden waren. Oder aber, weil der Gildenrat ein größeres Zusammentreffen der Kirklands vermeiden wollte. Schließlich würde sie später bei den Jägern auch noch auf den einzigen nicht-magisch begabten Kirkland, Allistor treffen. Wahrscheinlich hatte man wirklich ein Zusammentreffen der Kirkland-Brüder und einen daraus hervorgehenden Wettstreit vermeiden wollen. Was eigentlich recht schade war, denn Liviu hätte, für seinen Teil, eigentlich Arthur gerne dabei gehabt. Einerseits, weil er ein ziemlich talentierter Krieger war, andererseits, weil ihm diese Mission ideal erschien, um Arthur wegen irgendwelcher Nichtigkeiten aufzuziehen. Aber er war ja nicht da. Und sie würden ihr Ziel ohnehin bald erreicht haben. Dann musste Liviu seinen Kopf frei für die folgenden Instruktionen haben. Unaufmerksamkeit konnte er sich dann nicht erlauben. Schon bald erreichten sie das behelfsmäßig errichtete Lager der Jäger am Waldesrand. Das Lager bestand eigentlich nur aus ein paar aufgestellten Zelten, die meisten davon ziemlich groß, sodass viele Männer hineinpassen würden, und zwei kleinere Zelte, sowie eine Feuerstelle in der Mitte des Lagers. Vor einem der größeren Zelte hatte sich bereits die etwa fünfzig Mann starke Gruppe der in Elmenor gebliebenen Jäger versammelt. Liviu und die anderen Magier bahnten sich langsam den Weg durch die Zelte zu der Gruppe, wo sie auch gleich vom stellvertretenden Oberhaupt, Gilbert Beilschmidt, empfangen wurden. „Ah, da sind sie ja, die Magier. Willkommen auf dem Schlachtfeld!“ Liviu runzelte die Stirn aufgrund der theatralischen Begrüßung und erlaubte sich einen Blick hinüber zu Lukas. Er schien Gilbert mit seinen Blicken durchbohren zu wollen... Das konnte noch heiter werden. Liviu wandte seinen Blick wieder zu dem Anführer, der gerade die Magier durchzuzählen schien. Er musste zugeben, dass Gilbert wirklich irgendwie Eindruck auf ihn machte. Er war zwar nicht so eine große imposante Person wie Ivan, aber er trotzdem etwas einvernehmendes. Wie er da lässig stand, alle anderen Jäger hinter ihm, und von einem Kampf sprach, wie als wäre es ein Spaß. Das hatte Liviu irgendwie beeindruckt. Und er musste zugeben, dass er Gilbert auch irgendwie sympathisch fand, einfach weil er den Eindruck machte, das ganze nicht so ernst zu nehmen. Lukas wiederum missfiel das ganz offensichtlich. Bei solchen Sachen verstand er keinen Spaß. Doch Gilbert war noch aus einem anderen Grund eine sehr beeindruckende Person. Nun, da Liviu ihn einmal gesehen hatte, war er sich sicher, er würde Gilbert überall wieder erkennen. Er hatte ganz helle Haut, schlohweißes Haar und rote Augen, was einen interessanten Kontrast zum schwarzen Gewand und den grauen Rüstungselementen der Jäger abgab. So einen Menschen übersah man nicht so leicht. Gilbert schien fertig mit dem durchzählen zu sein und klatschte in die Hände. „Zwanzig Magier wie ich sehe. Krieger, Beschwörer und sogar ein paar Heiler. Das ist gut, wobei ich weit mehr erwartet hätte.“ „Dabei ist aber zu beachten, dass wir um ein vielfaches stärker als normale Soldaten und Jäger sind“, warf jemand aus der Gruppe der Magier ein. „Ja, ja“, meinte Gilbert daraufhin nur und winkte ab. „Das lässt sich nun wohl nicht mehr ändern. Wie dem auch sei. Ich werde euch nun auf den neuesten Stand der Dinge bringen. Hört zu, ich erzähle das nur einmal und wenn einer von euren Leuten das draußen verletzt wird oder stirbt, dann werde ich nicht dafür haften. Nun gut. Wie ihr wahrscheinlich wisst, kämpfen wir gegen eine Gruppe Dunkelelfen aus dem Schwarzen Wald. Die Ursache der Angriffe ist uns noch wie vor schleierhaft. Was wir allerdings wissen ist, dass die Gruppe scheinbar von Mal zu Mal stärker zu werden scheint. Beim ersten Angriff waren es vielleicht an die dreißig Elfen, jetzt müssten es bereits an die Hundert sein. Außerdem greifen nur nachts an, also macht euch darauf gefasst, hier ein paar Nachtschichten schieben zu müssen. So. Die Dunkelelfen sind ziemlich geschickt und schnell. Natürlich nicht besser als wir. Trotzdem ist es schwierig einen in die Finger zu bekommen. Selbst meine Männer haben erst ein paar verwunden oder ganz ausschalten können. Nicht, dass wir schwach wären. Die Waldläufer sind eben nur ein bisschen schneller. Verluste auf unserer Seite gab es ja nach wie vor nicht. Schließlich sind wir großartig. Gut. Gibt es noch Fragen?“ Die Magier antworteten mit einstimmigem Schweigen. „Großartig. Dann könnt ihr euch auf die Suche nach leeren Zelten machen und euch auf die Nacht vorbereiten.“ Gilbert verabschiedete die Magier mit einem Kopfnicken und einer Handbewegung, die ihnen bedeutete zu gehen. Sie taten wie ihnen gesagt wurde und entfernten sich von den Jägern. Gilbert hatte wieder begonnen, den Jägern neue Instruktionen zu geben. Liviu suchte währenddessen ein Zelt für sich und wahrscheinlich auch für Lukas, der mit blasiertem Gesichtausdruck neben ihm herlief. Nicht mal Lukas konnte Liviu nun noch herunterziehen. Er freute sich diebisch auf die Nacht und das Zusammentreffen mit den Dunkelelfen. Schnellen Schrittes lief der Schwarzmagier zur Feuerstelle ihres Lagers. Er war vorbereitet. Den schwarzen Langmantel, den er sonst zu tragen pflegte, hatte Liviu in seinem Quartier zurück gelassen und gegen ein paar dunkler Hosen und robustes, ebenfalls dunkles Hemd getauscht. Die Sachen, die er normalerweise unter seinem Mantel trug. Ein Jagdmesser hing an seinem Gürtel. Dazu ein paar Stiefel, sowie ein paar Arm- und Beinschienen. Mehr würde er nicht brauchen. Ein magischer Schild würde den Rest übernehmen. Kaum war Liviu an der Feuerstelle, an der sich bereits zahlreiche Magier und Jäger versammelt hatten, angekommen, kam auch schon Lukas, der ähnlich wie Liviu angezogen war, auf ihn zu. „Hey, Lukas!“, sagte Liviu und nickte Angesprochenem zu. „Liviu“, meinte Lukas kühl, wie so oft, und nickte ihm ebenfalls zu, bevor er einen Schritt näher an Liviu herantrat. „Ich werde dir deinen Schild anlegen… Achte darauf, dass du ihn dann noch einmal selbst mit deiner Magier verstärkst.“ Liviu nickte und wartete. Lukas hob seine rechte Hand. Sie glühte geradezu, ein Zeichen dafür, dass er seine Magie in ihr konzentrierte. Dann zeichnete er mit einer routinierten Bewegung seines Fingers ein kompliziertes Siegel auf den Brustkorb Livius. Als Lukas fertig war, begannen die imaginären Linien, die er gezeichnet hatte aufzuleuchten. Liviu spürte, wie Wärme seinen Körper durchströmte. Es fühlte sich an, als würde mit der Wärme, die sich immer weiter ausbreitete, sich eine weitere Hülle um Livius Körper bilden. Was, einfach gesagt, auch der Fall war. Liviu testete den Schild kurz mit seiner eigenen Magie aus, nachdem das Glühen aufgehört hatte und begann dann, den Schild zu verstärken. „Keine Probleme mit dem Schild?“, fragte Lukas. „Nein. Jedenfalls noch nicht“, grinste Liviu. „Schön. Ich habe nämlich nicht viel Zeit. Wir müssen noch die Jäger ausrüsten. Zu dumm, dass sie ihren Schild nicht weiter verstärken können. Wie dem auch sei. Die Beschwörer haben alle Hände voll zu tun. Du könnest dich ja mal nützlich machen und zu den Magiern gehen, die gerade den Schild um das Lager aufbauen. Die Beschwörer haben das Grundgerüst zwar bereits gelegt, es muss allerdings noch verstärkt werden…“ „Der Lager-Schild.“ Liviu zuckte die Schultern. „In Ordnung. Kannst du mir noch das Siegel für den Schild geben?“ Lukas nickte und zeichnete mit einer Schnellen Handbewegung ein Zeichen af Livius Hand, das kurz aufglühte und dann verschwand. Jetzt würde er den Schild immerhin ohne Probleme verlassen können. Und auch wieder hineinkommen. „Gut, dann lass ich euch mal wieder allein…“ Er entfernte sich wieder von der Feuerstelle und gesellte sich stattdessen zu ein paar Magiern, die einwenig außerhalb des Lagers standen und den unsichtbaren Energieschild zu verstärken. Liviu tat es ihnen gleich, legte eine Hand an den nicht sichtbaren, aber spürbaren Schild und ließ einen Teil seiner Energie hineinfließen. Er konnte spüren, wie die Energie des Schildes in der Luft zu vibrieren schien. Irgendwann entwickelte jeder Magier ein Gespür für solche Quellen von Energie. Nach einiger Zeit hörte Liviu einen lauten Pfiff über das Lager schallen. Sofort wandte er sich um. „Kommt her!“, hörte er die laute Stimme Gilberts rufen. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf Livius Lippen, als er von dem Schild abließ. Gleich würde es so weit sein. Er und die anderen Magier machten sich wieder auf den Weg ins Lager, dorthin wo sich die Jäger bereits versammelt hatten. „Hört zu!“, begann Gilbert seine Rede. „Ich werde euch nun in Gruppen einteilen, damit das Verhältnis zwischen Magiern und Jägern dann ausgeglichen ist. Wenn ihr eingeteilt, werden einige Gruppen sich am Waldrand postieren, um die Dunkelelfen dort abzufangen; andere Gruppen werden gleich in den Wald ausschwärmen. Sie haben dann die Möglichkeit diesen Waldläufern sofort den gar aus zu machen. Sollte das nicht gelingen, haben wir immer noch die Truppen am Waldrand. So viel dazu. Das Lager ist, wie ihr wisst, von einem Schutzschild umgeben, in den ihr euch zurückziehen könnt. Die Heiler bleiben hier, nur für den Fall.“ Er machte eine kurze Pause. „Und auch, wenn es hier einen Schild und so weiter gibt, will ich es nicht erleben, dass es sich einer von euch erlaubt, sich wie ein Feigling hier zu verstecken! Verstanden?“ Ein einstimmiges „Ja!“ kam von den Jägern, ein paar der Magier nickten stumm. „Großartig. Dann kommen wir nun zu den Gruppen…“ „Jetzt haltet doch mal eure Klappe…“, zischte Allistor dem Krieger und dem Jäger zu, die sich permanent über irgendwelche Nichtigkeiten belegen mussten. Die zwei Störenfriede verstummten und die Gruppe hüllte sich in Schweigen. Liviu war mit einer kleineren Gruppe von zehn Jägern unterwegs, an Magiern waren nur er, der andere Krieger und Lukas mit von der Partie. Unter den Jägern befand sich außerdem Allistor, Arthurs Bruder, der sich irgendwann selbst zum Gruppenführer ernannt hatte und seit sie durch den Wald stapften die Befehle gab. Sie liefen bereits seit einer ganzen Zeit durch den Schwarzen Wald, aber ihnen war noch kein Elf begegnet. Nicht mal irgendein wildes Tier. Einfach nichts. Sie gingen weiter, jegliches Fehlen von normalen nachtaktiven Tieren ignorierend. Langsam wurde es so düster, dass Liviu kaum noch die Männer, die vor ihm liefen, erkennen konnte. Er fragte sich, ob man bei so einer Dunkelheit überhaupt noch kämpfen konnte, begegnete man nun den Dunkelelfen. Allerdings wäre es genauso taktisch unklug gewesen, eine Laterne mitzunehmen, um den Weg zu erhellen. So war es schon besser… „Stopp“, flüsterte Allistor und die Gruppe erstarrte. „Da ist etwas…“ Plötzlich hört Liviu ein Knacken ganz in ihrer Nähe. Da war tatsächlich etwas. Die Spannung stieg. Die Jäger zückten ihre Waffen und die Magier begannen, sich auf ihren Schlag vorzubereiten. Livius Hände kribbelten, als er seine Energie in ihnen konzentrierte. Eine kurze Zeit blieb es still. Dann wieder dieses Geräusch. Das Knacken aus dem Unterholz. Und plötzlich sprangen die Elfen aus ihrem Versteck. Drei aus der vermuteten Richtung und zwei aus der entgegengesetzten. Der erste Jäger wurde niedergerissen, auf einen Angriff aus der anderen Richtung waren sie nicht vorbereitet gewesen. Mit dem Fall des ersten Jägers löste sich die Spannung, jeder ging zum Angriff über. Ohne groß nachzudenken feuerte Liviu einen Strahl dunkler Magie auf den Elf ab, der direkt auf ihn zusprintete. Dem ersten Schlag wich sein Ziel gekonnt aus, der zweite Schlag Livius saß. Sein Opfer wurde ein paar Meter zurück geschleudert, hielt sich aber nach wie vor auf den Füßen und setzte zum Gegenschlag an. Der Elf zückte die Sichel, die an seinem Gürtel gehangen hatte und stürmte direkt auf Liviu zu. Konzentration war gefragt. Der Schwarzmagier wartete ab, konzentrierte seine Energie. Verstärkte seinem Halt auf dem Boden. Dann, knapp bevor der Elf ihn erreicht hatte und bereits zum finalen Schlag mit seiner Sichel ausholte, machte Liviu einen Ausfallschritt nach vorn und stieß dem Elf mit aller Macht seine vor dunkler Energie glühenden Handflächen vor den Brustkorb. Mit einem Mal entlud er die ganze Energie. Liviu spürte, wie die fremde, zerstörerische Energie durch den Körper des anderen floss, ihn wegstieß und letztendlich zu Boden schickte. Er wartete, ob sich der Elf wieder aufrappeln würde. Er tat es nicht. Der Magier grinste. Der erste Elf war ein wirkliches Kinderspiel gewesen. Er sah sich um. Die anderen hatten es nicht ganz so leicht wie er. Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie ein einziger Dunkelelf gleich drei der Jäger in Schach hielt, während Lukas versuchte eine Dunkelelfe von sich fernzuhalten. Beschwörer waren einfach nicht für den Nahkampf gemacht. Liviu feuerte einen Schlag auf die Elfe ohne einen weiter zu überlegen und sprintete zu Lukas. Ihre geordnete Gruppe hatte sich über den Angriff immer weiter aufgeteilt, nur noch wenige standen noch an ihrer eigentlichen Position. Lukas schenkte Liviu einen kurzen Blick, dann flüsterte er: „Lenk’ sie noch weiter ab, ich brauche noch ein bisschen Zeit…“ Liviu nickte wissend. Er wusste, was Lukas vorhatte. Der Beschwörer ging in die Hocke und begann Runen auf den Boden unter ihnen zu zeichnen, während Liviu Ausschau nach Angreifern hielt. Der andere Magier war indessen den drei Jägern zu Hilfe gekommen und bekämpfte nun mit ihnen den Elf. Ansonsten war kein weiterer Angreifer zu erkennen. Der Rest der Jäger verfolgte sie vielleicht weiter in den Wald? „Eher nicht…“, knurrte Liviu, als plötzlich gleich zwei Elfen aus dem Gebüsch auf ihn und Lukas zusprangen. Eine davon war die Dunkelelfe, gegen die Lukas eben gekämpft hatte. Er sandte mehrere verhältnismäßig schwache Schockwellen aus, um sie aufzuhalten. Einer der Angreifer begann zu taumeln. „Mist…“ Liviu hatte eigentlich keine Lust, noch mehr Energie zu verschwenden. Lukas würde dann ohnehin den Rest erledigen. Aber er musste irgendetwas gegen diese Waldläufer tun. Liviu entschied sich dafür, eine Reihe kleinerer Angriffe auszusenden. Er würde nicht so viel Kraft verschwenden und die Elfen wären beschäftigt. Die Elfen hatten Lukas und ihn fast erreicht, so begann Liviu schnell, Kugeln voll dunkler Energie auszusenden, wie Geschosse. Erst wichen ihre Angreifer noch aus, doch es gab kein entkommen. Ein Schwall der Angriffe traf die Elfe am Arm, den Elf direkt am Brustkorb. Er taumelte zu Boden, die Elfe hingegen zischte nur und hielt sich den Arm, weiter auf Liviu zukommend. Da begann plötzlich der Boden unter und hinter Liviu hell aufzuleuchten und zu rumoren. Diesen Moment der Ablenkung nutze Liviu, um der Elfe einen weiteren Schlag zu versetzen. Er seufzte erleichtert. Jetzt konnte er sich eigentlich entspannt zurücklehnen, Lukas übernahm ab hier. Aus dem Beschwörungskreis, den Lukas gezeichnet hatte, bildete sich langsam aus der umliegenden Erde und den Steinen ein Golem, ein von einem Beschwörer aus umliegenden Material und seiner Magie erschaffenes Wesen. Lukas hatte ganze Arbeit geleistet; sein Golem wuchs zu einer Größe von über zwei Metern heran. Die Elfen sahen einfach nur wie paralysiert zu, wie der Golem aus dem Boden schoss und sich dann mit großen Schritten auf sie zubewegte. Liviu sah kurz zu dem Beschwörer. Er konzentrierte sich zwar eben auf das Steuern seines Golems, trotzdem meinte Liviu den Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht zu erkennen. Er würde sicher nun allein mit den beiden Elfen fertig werden. Der Golem holte nur einmal mit seinem langen Arm aus und ließ ihn auf die Elfen niedersausen. Plötzlich unterbrach ein lauter Schrei das Kampfgeschehen. Der Schrei kam allerdings von keinem Elf, sondern von einem der Jäger, der vollkommen verstört auf Lukas und Liviu zugerannt kam. Als er näher kam, sah Liviu, dass seine Rüstung mit Blut besudelt war. „Was ist passiert?“, fragte Liviu sofort. Der Mann schien zuerst selbst gar nicht zu wissen, was er eigentlich wollte, dann stammelte er: „Schnell, kommt mit, einer… einer unserer Männer… einer unserer Männer ist… Wir brauchen… Wir brauchen einen Heiler!“ Liviu sah kurz zu Lukas. „Du wirst mit den anderen Elfen fertig?“ Lukas nickte nur stumm und lenkte seinen Golem zu einer Gruppe Jäger, die allein gegen einen Elf antraten. „Gut, ich komme. Los, schnell, zeig mir, wo es lang geht!“ Sofort rannte der Jäger tiefer in den Wald hinein und Liviu folgte ihm. Nach ein paar Minuten kamen sie zu einer kleinen Lichtung. Dort auf dem Boden lagen drei der Jäger, die Liviu bei dem Kampf aus den Augen verloren hatte. Livius Augen weiteten sich bei dem Anblick. Jede der Gestalten lag in einer Blutlache. Das hier grenzte schon nicht mehr an einem bloßen Kampf gegen eine Randgruppe, das hier gleichte schon eher einem Krieg. Allistor stand neben ihnen und hielt sich seinen blutenden Schwertarm. Liviu beschleunigte seinen Schritt und kniete sich neben die am Boden liegenden Männer. „Sie sind tot“, sagte Allistor tonlos. „Wie…“, setzte Liviu an, doch Allistor schnitt ihm das Wort ab. „Das war ein Hinterhalt. Die Elfen wollten durch den Angriff unsere Gruppe aufspalten. Sie lockten uns weiter in den Wald. Hier warteten zehn weitere dieser Viecher auf uns. Wir hatten keine Chance.“ „Wo sind sie jetzt?“, fragte Liviu, als er die Lebenszeichen der Jäger prüfte. Sie waren wirklich tot. Allesamt. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. „Weiß nicht. Dachten wahrscheinlich, wir sind alle verreckt und sind wieder abgehauen. Wer weiß.“ Liviu seufzte. „Du hast Recht, sie sind tot. Das einzige, was ich noch tun kann ist eure Wunden zu heilen… Ich bin allerdings kein ausgebildeter Heiler, ihr müsstet später noch mal zu einem der richtigen Heiler…“ Allistor winkte ab. „Eine behelfsmäßige Heilung ist in Ordnung.“ „Gut.“ Liviu erhob sich noch selbst etwas benommen und ging zu Allistor, dessen Arm er sogleich begutachtete. Jetzt galt es zu retten, was noch zu retten war. Jemand hatte Allistors robusten Armschutz regelrecht durchgeschnitten, wahrscheinlich mit einem Messer oder Schwert und die Sehne durchtrennt. Es musste also ein sehr starker Jemand gewesen sein. Ein Wunder, dass Allistors Arm an seinem Platz war. Das Blut floss bereits in Strömen aus der Wunde. Liviu griff mit einigen anfänglichen Schwierigkeiten auf einen kleinen Teil seiner wenigen hellen Energie zurück. Die dunkle Energie, die er zum kämpfen verwendete war zum Heilen ungeeignet. Und es war schon ewig her, dass er das geheilt hatte. Er konnte nur hoffen, dass das gut ging. Liviu wollte gerade seine Hand auf die Wunde legen, da bemerkte er einen Widerstand. Der Schild, de die Beschwörer den Jägern angelegt hatten. Dank Lukas’ Siegel konnte er den Schild durchdringen und heilende Magie durch Allistors Körper fließen lassen, doch trotzdem stellte sich die Frage, wie die Elfen dies geschafft hatten. Ein normaler Schild hielt selbst starken physischen Angriffen stand, auch wenn dies dem Angegriffenen etwas Energie entzog. War der Angriff zu stark, fiel der Schild in sich zusammen. Aber so etwas… Wie hatten es die Dunkelelfen schaffen können, den Schild zu durchdringen, aber nicht zu zerbrechen? Liviu ließ den Kampf im Wald Revue passieren; soweit er sich erinnern konnte, hatte keiner der Jäger trotz des Kampfes irgendeinen Schaden davon getragen. Also waren nicht alle Dunkelelfen in der Lage, den Schild zu umgehen. „Hm…“, machte Liviu und ließ von Allistor ab. „Kannst du den Arm bewegen?“ Allistor bewegte seinen Arm probeweise und verzog das Gesicht. „Es zieht ein bisschen, aber es wird gehen.“ „Äh. Ja…“ Liviu hatte den Arm wohl doch nicht so perfekt geheilt wie er wollte. Aber es schien passabel zu sein. Er wandte sich dem anderen Jäger zu, der einige Meter von ihnen entfernt an einem Baum lehnte. Just in diesem Moment sah Liviu einen Schatten aus dem Gebüsch schnellen. Er konnte erst gar nicht erfassen, was überhaupt passiert war, das einzige, was er jetzt noch sah war, dass dem Jäger eine blutige Klinge aus der Brust ragte. Der Angreifer zog die Klinge wieder aus dem Brustkorb des Jägers, woraufhin dieser in sich zusammen sackte. Ohne zu zögern stürzten Liviu und Allistor auf den Verwundeten zu. Kaum angekommen, ging Allistor auf die Knie, um ihn auf den Rücken zu drehen, Liviu suchte verzweifelt nach seiner hellen Energie. Keine leichte Aufgabe für einen Schwarzmagier. Dann ließ er sich neben Allistor nieder und legte seine Hände auf die blutige Brust des anderen. Doch… „Es ist zu spät, nicht?“, fragte Allistor resigniert. „Ich befürchte es…“, murmelte Liviu und nahm seine blutbeschmierten Hände von dem toten Körper. Es bereitete ihm Sorgen, dass diesmal offensichtlich wieder das Schild irgendwie umgangen worden war. Es war einfach unklar. Er blickte sich um, vielleicht war noch jemand hier, der nicht hier sein sollte. Der Magier ließ seinen Blick durch den dichteren Wald vor sich schweifen. Und plötzlich erblickte er sie. Eine Dunkelelfe, die sie zu beobachten schien. „Da ist sie!“, rief er, sprang auf und sprintete in den Wald hinein. „Halt! Warte…!“, rief ihm Allistor hinterher, doch Liviu ignorierte ihn. Diese Elfe war gefährlich und er würde sie erledigen. Er sprang über eine Wurzel und sah, wie die Elfe sich herumdrehte und ebenfalls losrannte. Sie war schnell, das musste man ihr lassen. Doch Liviu ließ sich nicht abwimmeln. Er verfolgte sie eine ganze Weile, er glaubte ihr näher zu kommen. Doch dann wich sie plötzlich von ihrer sonst eher geraden Strecke durch den Wald ab und verschwand hinter einem Baum. Als Liviu jedoch ebenfalls abbog war sie verschwunden. „Verdammt!“ Er rannte weiter und sah sich um, in der Hoffnung sie noch irgendwo zwischen den hohen Bäumen zu erspähen. Doch da war nichts. Absolut nichts. Plötzlich raschelte es hinter ihm. Liviu blieb abrupt stehen und drehte sich ruckartig um. Und da stand sie. Keine zwei Meter von ihm entfernt. Eine große Frau mit gräulich weißer Haut und langen schwarzen Haaren, die zu einem Zopf gebunden waren. Ihr Gesicht schien ausdruckslos, doch ihre schwarzen Augen blitzten gefährlich auf. Es war die Dunkelelfe. „Hallo“, sagte sie mit starkem Akzent. „Ich bin Bian. Und ich habe auf dich gewartet.“ „Was?“, fragte Liviu und begann wieder, sich auf einen Angriff vorzubereiten. „Ich wollte, dass du kommst. Weil ich wusste, dass du verstehst.“ Sie machte einen Schritt auf ihn zu. Liviu reagierte sofort und schleuderte ihr einen machtvollen Angriff entgegen. Sie kümmerte sich gar nicht darum und schlenderte weiter auf Liviu zu. Der Krieger beobachtete mit großen Augen, wie der Schlag an einer unsichtbaren Wand abprallte. Ein magischer Schild, keine Frage. „Glaubt ihr Menschen denn wirklich, dass ihr die einzigen magisch begabten Geschöpfe seid?“ Liviu schluckte. Der Schild erschwerte die Sache maßgeblich. Zwar wusste er, wie man einen Schild brechen konnte, aber dazu musste er zum Nahkampf übergehen. Was ihm nun bei einer Magierin, die Schilde umgehen konnte nun wirklich keinen Vorteil einbrachte. Aber er hatte keine andere Wahl. Liviu zückte sein Messer, doch sein Gegenüber tat es ihm gleich und holte die blutbefleckte Klinge hervor. Vorsichtig machte Liviu einen Schritt nach rechts. Sie fast zeitgleich einen nach links. Ein weiterer Schritt nach rechts, während er einen Teil seiner Energie in der Klinge seines Jagdmessers konzentrierte. Die Elfe machte einen weiteren Schritt nach links. Liviu blieb stehen und holte Luft. Wartete einen Augenblick. Und stürmte dann auf die Dunkelelfe zu. Er holte mit seinem Messer aus und schlug zu. Doch die Elfe blockte seinen Frontalangriff ab und wich nach hinten, allerdings nur um Schwung zu nehmen und ihrerseits einen Angriff zu statten. Mit zwei Sätzen war sie bei ihm, hatte ausgeholt und stach zu. Liviu versuchte gar nicht erst den Schlag abzublocken, sondern duckte sich nur schnell weg. Die Elfe schlug ins Leere. Das war seine Chance. Er schnellte hinauf und versetzte dem Schild der Elfe einen heftigen Schlag mit seinem magisch verstärkten Messer. Sie schwankte zurück. Liviu legte mit zwei magischen Angriffen nach, die sie allerdings wieder abwehrte. Doch das war sowieso nur ein Ablenkungsmanöver gewesen. Während sie einen weiteren magischen Schlag abwerte, hieb er mit seinem Messer erneut auf den Schild ein. Besagter Schild flackerte auf, ein Zeichen dafür, dass er nicht mehr lange halten würde. Liviu erlaubte sich ein siegessicheres Grinsen. Er wollte mit seinem Messer nachsetzten, doch diesmal war die Elfe schneller und schlug ihm blitzschnell die Waffe aus der Hand. Das kam unerwartet. Diesen kurzen Moment der Verwirrung nutze die Elfe nun ihrerseits aus und schickte Liviu einen starken Angriff entgegen. Liviu schnappte nach Luft, als der Angriff gegen seinen Schild, der glücklicherweise standhielt, prallte. Die Wucht war so groß, dass er nach hinten stolperte und fiel. Er wollte sich aufraffen, doch die Elfe war schneller und sprang regelrecht auf ihn. Ihr Messer hielt sie gefährlich nah an Livius Hals. „Siehst du dieses Messer?“, fragte sie. „Es ist mit Runen versehen, damit es jedes Schild durchdringen kann. Siehst du?“ Das kalte Metall schabte an Livius Hals entlang. Er spürte, wie Blut aus der Wunde an seinem Hals quoll. Kalter Angstschweiß bildete sich auf seiner Stirn. „Was willst du?“, fragte er. Sie lächelte ihn an und entblößte dabei eine Reihe spitzer, weißer Zähne. „Ich will, dass du eine Warnung überbringst“, antwortete sie. „Eine Warnung?“ „Genau…“, hauchte sie und hob das Messer. „Sag ihnen, dass wenn sie weiter machen, ihnen dasselbe passiert wie dir.“ „Wie mir?“, fragte Liviu. Doch anstatt einer Antwort ließ die Elfe nur ihr Messer auf Liviu niedersausen. Liviu schrie auf, bis er merkte, wie um ihn herum langsam alles schwarz wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)