Chroniken der Ewigkeit - 零~月蝕 (Tsukihami) von Ran_Angel ================================================================================ Kapitel 8: Hachi ---------------- Laute Schluchzer verließen ihren Mund, erschütterten ihren Körper und sorgten für noch mehr Tränen. Xiao vergrub sich in ihre Decke, weinte und weinte, bis sie keine Tränen mehr vergießen konnte und schniefend langsam ihren Kopf unter der Decke hervor nahm um ihn erschöpft auf das Kopfkissen zu betten. "Idiot...", murmelte sie traurig und ein wenig trotzig, nicht mal wütend konnte sie auf ihn sein. Manchmal fragte sie sich wieso sie nicht mal richtig wütend auf ihn werden konnte, so oft wie er sie schon verletzt hatte. Die Antwort hatte er ihr gegeben, das was sie schon seit langer Zeit tief in sich verborgen hielt und nur nicht wahrhaben wollte. Sie hatte Angst. Angst davor ihn durch ihre Gefühle zu verlieren, ihre Freundschaft zu verlieren und auf Ablehnung zu stoßen. Jin war wahrlich kein einfacher Mensch und ihre Freundschaft zueinander bedeutete ihr so viel, es war etwas Besonderes, keine gewöhnliche Freundschaft. Da war mehr. Sie vertraute ihm wie keinen anderen und er... er beschützte sie wo er konnte, selbst aus der Entfernung, wenn er nicht bei ihr war. Der beste Beweis der ihr einfiel, war vor dem King of Iron Fist Tournament 4, als sie eine anonyme E-Mail erhalten hatte, in der drin stand, dass Heihachi ihre Ermordung plane und sie sich vorsehen solle. Wer außer ihm sollte diese Nachricht an sie geschrieben haben? Denn als sie versucht hatte darauf zu antworten, war die Adresse bereits ungültig, es passte einfach zu seinem Verhalten. Es gab keine Zweifel für sie, Jin hatte ihr damals diese E-Mail geschrieben. Wäre es nicht Jin gewesen, der ihr diese Nachricht geschrieben hat, hätte sie der Warnung keinerlei Beachtung geschenkt, denn das Heihachi sie töten wollen würde, war für sie absolut unvorstellbar gewesen, schier unmöglich und doch war es die Wahrheit gewesen. Den Grund dafür hatte sie niemals erfahren, aber fest stand, dass auch in diesem Moment Jin sie schützen wollte, auch wenn sie nicht verstand warum er sich immer von ihr Fern hielt. Sie dachte immer der Grund sei sein Teufels-Gen, war das nicht richtig?   Sein Verhalten von vorhin verwirrte sie nur umso mehr. Bedeutete das etwa, dass er über ihre wahren Gefühle für ihn, länger Bescheid wusste als sie selbst? Erneut spürte sie wie ihre Wangen sich erwärmten und sie verfluchte sich dafür. Wieso? Wieso wollte er, dass sie sich dessen bewusst wurde, wenn er sie doch nur abwies? Das ergab doch keinen Sinn! Wäre es nicht Jin, würde sie ihn für einen schlechten Menschen halten, aber sie kannte Jin zu gut um das zu glauben und dafür hatte er zu oft sie beschützt, da musste mehr hinter stecken und sie würde es herausfinden. So sehr seine Worte auch schmerzten, vielleicht hatte es auch etwas Gutes, das sie noch nicht erkennen konnte.   Seufzend wischte sie sich die restlichen Tränen weg. An den letzten Tournamenten hatte sie nur für ihn teilgenommen, wollte ihn wiedersehen und am liebsten an seiner Seite kämpfen. Jedes Mal wenn sie sich an die wenigen Momente erinnerte in denen sie aufeinander getroffen sind, schlug ihr Herz schneller und sie wünschte sich, sie würden ewig anhalten. Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen, so waren ihre Gefühle doch sehr offensichtlich gewesen und trotzdem hatte sie die Wahrheit verdrängt. Er war der gut herzigste Mensch den sie kannte. Er war anders, vielleicht auch kompliziert, aber nur weil er so viel durchmachen musste, letztendlich hatte er ein gutes Herz, auch wenn er es nicht offen zeigte, oft kalt und unnahbar war, sie wusste wie er wirklich war. Sie kannte Jin Kazama mehr als jeder andere und genau in diesen Mann hatte sie sich verliebt. Allein der Gedanke ließ sie die Röte in die Wangen steigen. "Ich... bin in ihn verliebt.", sprach sie zum ersten Mal das aus, was sie so lange in sich verborgen gehalten hatte. Doch seit wann fühlte sie so für ihn? Es mussten Jahre sein, aber wann hatte sie sich in ihn verliebt? Sie konnte es nicht genau fassen, es geschah langsam, Stück für Stück hatte er sich in ihr Herz geschlichen. Xiao dachte an viele Augenblicke zurück, die sie zusammen verbracht hatten, aber bei einem stockte sie. "Ich glaube an diesem Tag... wurde es mir bewusst was ich für ihn empfinde.", sprach sie leise zu sich selbst.   ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*   "Und? Was ist mit dir?", fragte Miharu, die erst seit 2 Monaten auf die Mishima Polytechnical High School ging, aber bereits jetzt ihre beste Freundin geworden war. Sie beide haben sich vom ersten Moment an super verstanden und wahren einfach auf einer Wellenlänge. "Hm? Was?", kam es von der Chinesin die gerade mit ihren Gedanken ganz wo anders gewesen zu sein schien. Seufzend rollte ihre Freundin mit den Augen, "Ich fragte, was mit dir ist?", wiederholte sie ihre Frage, doch als Xiao immer noch nicht zu verstehen schien um was es ging, schüttelte Miharu nur fassungslos den Kopf. "Tut mir Leid... die Prüfungen waren wirklich anstrengend gewesen, ich bin völlig fertig.", entschuldigte sie sich und sah Miharu mit einem Hundeblick an. "Na schön...", seufzte Miharu und fing an von vorne zu erzählen. "Es ist doch bald Valentinstag und viele Mädchen machen selbst Schokolade... ich habe niemanden dem ich die Schokolade geben könnte, aber was ist mit dir?", fragte sie neugierig und hatte bereits ein auffälliges Zucken um ihre Mundwinkel. "Ich habe auch niemanden.", antwortete Xiao während sie ihre Schulsachen vom Tisch langsam in ihre Tasche packte. "Sicher? Auch nicht, du weißt schon wen?", hackte Miharu nach und grinste nun viel sagend, als Xiao sie mit einem fragenden Gesichtsausdruck ansah. "Ich meine mich zu erinnern, das du fast jede Mittagspause mit dieser Person verbringst.".   Die junge Chinesin seufzte, als ihr klar wurde, wen Miharu meinte. "Fängst du schon wieder an, ich habe dir doch schon gesagt, wir sind nur Freunde! Wieso soll ich ihm also Schokolade schenken?", kam es leicht gereizt von ihr, als sie die letzten Utensilien einpackte. "Außerdem hat er bestimmt genug Verehrerinnen.", nuschelte sie hinterher. Miharu setzte sich auf Xiao's Tisch und beobachte ihre Freundin wie sie schon fast wütend das letzte Buch in ihre Tasche stopfte. Sie hatte es gewusst. Schon als sie Xiao und Jin das erste Mal zusammen erlebt hatte, konnte man es überhaupt nicht übersehen und jetzt das Verhalten ihrer chinesischen Freundin, sagte ihr nur, das sie mit ihrer Vermutung recht hatte. Xiao hatte nur Angst und wollte sich selbst gegenüber nicht zugeben was sie fühlte. "Woher willst du wissen, ob er die Schokolade von denen überhaupt annimmt? Vielleicht würde er sich freuen, wenn du ihm welche machst?", wies Miharu ihre Freundin darauf hin und lächelte sie liebevoll an, als sie sich zu ihr umdrehte und ihren überraschten Ausdruck im Gesicht sah. Xiao konnte ihren schnellen Herzschlag nicht leugnen, der Gedanke, ihm selbst gemachte Schokolade zu geben, machte sie nervös. "Aber...", kam es dann doch von der Chinesin, die zweifelnd auf den Boden blickte. "Aber?", fragte ihre Freundin nach und sprang vom Tisch runter um sich ihre Tasche über die Schulter zu hieven. "Ich will nicht, dass er denkt, ich sei einer seiner vielen Verehrerinnen.", murmelte sie leise, doch spürte sie bereits im nächsten Moment wie Miharu ihren Arm um ihre Schulter legte und sie mit sich zog. "Mach dir da mal keine Sorgen. Ich glaube nicht, dass er so von dir denkt. So wie du immer von ihm erzählst, glaube ich nicht, dass er der Typ ist, der so etwas denken würde. Aber wenn du dich besser fühlst, sag ihm doch einfach, du willst dich für die ganzen Mathe Nachhilfestunden bedanken.", meinte sie grinsend und lachte, als Xiao peinlich mit erröteten Wangen zur Seite blickte. Daraufhin boxte die Chinesin schmollend ihre Freundin in die Seite und löste ihre freundschaftliche Umarmung um mit schnellen Schritten aus dem Gebäude zu gelangen. "Hey! So war das doch nicht gemeint! Sei nicht wütend!", rief sie ihr hinterher und versuchte ihre Freundin einzuholen.   Die nächsten Tage verbrachte Xiao jede freie Minute mit dem Thema Schokolade. In der Schule las sie Bücher darüber wie man am leichtesten selbst Schokolade herstellen konnte und zu Hause übte sie bis spät abends in der Küche. Sie war eigentlich eine gute Köchin, aber was das Backen anging, war sie eine Niete. Beim Kochen machte sie oft alles nach Gefühl und es funktionierte einfach, aber hierbei schien sie einfach kein Gefühl für zu haben. Seufzend probierte sie ein Stück der fertigen Schokolade, sie schmeckte nicht schlecht, aber immer noch zu gewöhnlich, nicht das was sie wollte. An einigen Fingern hatte sie bereits Pflaster, weil sie sich entweder geschnitten oder fast verbrannt hatte, wirklich ansehnlich war das nicht. Doch so leicht gab sie nicht auf, alles zusammen räumend, machte sie sich erneut an die Arbeit. "Dann fangen wir nochmal von vorne an.", sprach sie zu sich selbst und krempelte ihre Ärmel hoch.   Der Tag war gekommen. Der 14. Februar. Valentinstag. Die Schokolade war einfach perfekt geworden, nachdem sie dafür auch bis spät in die Nacht in der Küche verbracht hatte, aber es hatte sich gelohnt. Die kleinen Schokoladenstückchen hatte sie in eine Art kleinen durchsichtigen Beutel aus Plastik getan, der genau für Plätzchen und solche Leckereien gedacht war. Die Schleife und Verzierungen hatte sie alle noch vorm Schlafen selbst gemacht. Es sah schlicht, aber nicht zu schlicht aus, keine Herzchen oder zu schrille Farben. Sie hatte sich für ein schönes Himmelblau als Farbe für die Schleife entschieden, die aus einem Kordel ähnlichem Band bestand. An den beiden Enden der Schleife hatte sie zwei selbst gemachte Anhänger angebracht, die jeweils Jins Gesicht darstellten mit typischer abstehender Frisur natürlich. Das eine Gesicht schaute grimmig wie immer, während das andere sein unwiderstehliches sanftes Lächeln zeigte. Sie hatte lange überlegt ob sie das überhaupt machen sollte, aber diese Idee hatte sie einfach nicht mehr aus ihrem Kopf bekommen. Hoffentlich würde er deswegen nicht sauer auf sie sein.   Die Schulglocke klingelte zur Mittagspause, schnell packte Xiao ihre Sachen zusammen und erntete noch ein leises "Viel Glück!", von Miharu, ehe sie sich auf den Weg zum Dach des Nachbargebäudes machte. Seltsamerweise war sie zum ersten Mal nicht die erste auf dem Dach, Jin stand mit dem Rücken zu ihr und blickte vom Gelände aus in die Ferne. "Du bist schon da?", fragte Xiao ihn neugierig, als sie neben ihn trat und es ihm gleich tat. "Ich hab den Unterricht etwas eher verlassen.", erklärte er ihr. "Oh... geht es dir nicht gut?", fragte sie besorgt und wandte sich ihm zu. "Nein. Ich wollte nur etwas Ruhe haben und... dem ganzen entgehen.", versuchte er ihr zu erklären, wunderte sich jedoch warum sie auf einmal so still geworden war und drehte sich ihr zu. Xiao hatte in ihren Händen den kleinen Beutel mit der Schokolade, blickte dabei nervös nach unten und biss sich auf ihre Unterlippe. Sie hatte genau verstanden, was er ihr sagen wollte, Jin war vor den ganzen anderen Mädchen geflohen. Er hatte sich eher aus dem Unterricht geschlichen um hier oben auf dem Dach seine Ruhe zu haben und nun kam sie mit Schokolade an. Unsicherheit breitete sich in ihr aus und sie merkte gar nicht, wie Jin die Süßigkeit in ihren Händen musterte und nachdenklich feststellte, dass ihre Finger überall Pflaster trugen.   Besorgt nahm er ihre linke Hand in die seine und berührte mit seinen Lippen sanft und nur ganz leicht einen ihrer verletzten Finger. Überrascht zuckte Xiao, sah auf, direkt in Jins Augen und spürte wie die Röte in ihre Wangen schoss. Dabei ließ sie fast den Beutel mit der Schokolade fallen, doch noch rechtzeitig fing er diesen mit seiner freien Hand auf. "Was machst du denn?", meinte er tadelnd und besorgt zugleich und deutete auf ihre Finger, ehe er ihre Hand wieder los ließ. "Ähm...", war das einzige was sie gerade heraus bekam, ihr Finger kribbelte noch immer von seiner Berührung. Er schien sich über die Auswirkung seiner Geste kein bisschen bewusst zu sein, das bewies sein fragender Gesichtsausdruck auf ihre Reaktion. Ihr Herz schlug wie verrückt und ihre Wangen glühten regelrecht. Wie konnte sie so eine kleine Berührung so sehr aus der Fassung bringen? "Nun ich... wollte mich bei dir bedanken.", erklärte sie und deutete auf die verpackte Schokolade in seinen Händen. Jin's Blick wanderte von der Schokolade hin zu den beiden Anhängern, worauf er eine Augenbraue hochzog und seine Schulfreundin kurz mit einem undefinierbaren Blick ansah, ehe seine Züge wieder sanfter wurden. "Wofür bedanken?", fragte er und begann die Schleife vorsichtig zu öffnen. Es bescherte ihr ein unbekanntes aber wohliges Gefühl, als sie sah, wie vorsichtig er mit ihrem Geschenk für ihn umging. "Für alles... Du hast mir geholfen besser japanisch zu sprechen und für die ganzen Nachhilfestunden in Mathe.", antwortete sie ihm und wurde immer nervöser während er die Schleife abmachte. Seltsam, das er nicht gleich antwortete, sondern nur ein leichtes Schmunzeln seine Lippen umgab. Es blieb dabei, er würde seine Gedanken wohl für sich behalten, aber sein leichtes Lächeln gefiel ihr und sorgte dafür, dass sie ihn verträumt beobachtete, wie er sich sein erstes Stück Schokolade nahm. Es herrschte Stille, selbst als er fertig war, sagte er kein Wort, sondern nahm sich einfach das nächste. Erleichtert musste sie lachen und schüttelte den Kopf als er sie fragend ansah, "Nichts.", meinte sie glücklich lächelnd und beobachtete ihn weiter wie er ihre selbst gemachte Schokolade aß.   ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*   "Wenn Jin schweigt, schmeckt es ihm besonders gut...", murmelte sie zu sich selbst und lächelte leicht. Seufzend schaute sie auf die einzige Uhr im Zimmer, es war bereits 10 Uhr Abends und ihr Magen signalisierte ihr sehr stark Nahrung zu wollen. Sie hatte außer ein Frühstück heute noch nichts gegessen, kein Wunder, das sie vor Hunger fast umkam. Sie konnte sich über Jin und das Medaillon später weitere Gedanken machen, zu erst brauchte sie dringend was zu Essen, bevor sie noch ihre Kraft verlor überhaupt aufzustehen. Xiao raffte sich auf, ging ins Badezimmer und wusch sich ihr Gesicht um die Spuren ihres Tränenausbruches zu beseitigen. Sich wieder halbwegs frisch fühlend, zog sie ihre Jacke und Schuhe an und machte sich mit ihrem kleinen Rucksack auf dem Rücken auf den Weg nach draußen. Zum Glück gab es in der Nähe ein Geschäft das mit einem Kiosk vergleichbar war und bis spät in die Nacht geöffnet hatte.   Auf dem Weg dorthin, spürte die junge Chinesin auf einmal ein paar Tropfen vom Himmel auf ihr Gesicht fallen. Nach oben schauend bemerkte sie, dass sich der Himmel in den letzten Minuten ganz schön zugezogen hatte und es nur noch eine Frage der Zeit war bis es erneut Regnen würde. "Das sieht nach einem Unwetter aus... ich sollte mich beeilen.", meinte sie leise zu sich selbst und beschleunigte ihr Tempo. Xiao bog in die nächste Gasse ein und konnte den Laden bereits am Ende des Weges schwach beleuchtet erkennen. Sie lächelte und war im Begriff los zu rennen, als wie aus dem Nichts sich ihr plötzlich eine Hand voll Soldaten in den wegstellten. Mit einer schnellen Bewegung, drehte sie sich um, doch standen hinter ihr auch schon Soldaten der G-Corporation. Sie war umzingelt. "Mist...", fluchte sie und begab sich sofort in Kampfposition. "Jetzt kann man sich nicht mal was zu essen kaufen gehen...", meckerte sie und wartete dass einer der Soldaten angriff, doch stattdessen lösten zwei von ihnen den Kreis indem sie zur Seite gingen und jemanden Platz machten. Ein groß gewachsener schlanker Mann in einem Anzug trat näher und es war kein anderer als der Chef der G-Corporation höchst persönlich. Kazuya kam mit langsamen Schritten auf sie zu, während hinter ihm sich die beiden Soldaten wieder in den Kreis eingliederten. Seine Ausstrahlung war gewaltig, voller Macht und Stärke und mit Hass durchzogen. Sein kalter Blick, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ, sorgte für einen kalten Schauer der ihr über den Rücken lief. Noch nie hatte sie so eiskalte Augen gesehen. Sie konnte keinen Funken von etwas guten in ihm erkennen, so ein Gefühl hatte sie nicht mal bei Heihachi gehabt. Kazuya schien wirklich sich komplett dem Bösen verschrieben zu haben, unvorstellbar und doch stand der nun ihr nur wenige Schritte entfernt gegenüber.   "Ein kleines Mädchen...", kam es verachtungsvoll aus seinem Mund. "Gib mir was ich will und ich lass dich am Leben.", erklang seine dunkle, von keinerlei Emotionen berührte Stimme. Wütend zog Xiao ihre Augenbrauen zusammen und hielt ihre Kampfhaltung aufrecht. "Niemals. Du musst es dir schon holen.", entgegnete sie ihm und konnte die aufkommende Wut in seinen Augen aufblitzen sehen. "Du scheinst den Tod herbeizusehnen, dummes Mädchen.". Kazuya hob seine Fäuste und fixierte mit seinen Augen die ihren. "Genug geredet.", knurrte er und stürmte auf sie zu. Xiao konnte ihm gerade so noch ausweichen, doch kam sein nächster Schlag schneller als erwartet, den sie zwar blockte, aber von deren Wucht zurück gedrückt wurde, dabei taumelte sie gegen Kisten die in der engen Gasse standen. Die junge Chinesin sah in sein fies grinsendes Gesicht, sie hatte keine Chance gegen ihn, das wusste er und auch sie, es war nur eine Frage der Zeit wie lange die gegen ihn durchhalten würde. Früher oder später würde er sich einfach das nehmen was er wollte, ohne Rücksicht auf Verluste. Seine Worte entsprachen mehr der Wahrheit als ihr lieb war, ihr tot war besiegelt. Zischend nahm sie eine der Kisten die hinter ihr standen und warf sie nach ihm. Kampflos würde sie jedoch nicht aufgeben, sie würde bis zum letzten Atemzug sich ihm widersetzen.   Xiao nutze die kurze Ablenkung, während Kazuya mit einem leicht genervten Schnaufen die Kiste zur Seite schlug, nahm sie Anlauf, lief auf die Mauer zu und lief diese mit einem gekonnten Schwung entlang, so dass sie hinter ihm landete. Schneller als er sich umdrehen konnte, attackierte sie ihn mit einem Tritt und sorgte dafür, dass er ein paar Schritte zurückwich. Xiao wartete nicht mal ab, sie begab sich in den Phoenix, während er sich zu ihr umdrehte und mit einem wütenden Gesichtsausdruck zu einem Gegenschlag ansetzte. Sie war zwar viel schwächer als er, aber sie war um einiges schneller als er, auch wenn sie dadurch etwas mehr Zeit erlangte, es zögerte das unvermeidliche nur heraus.   Sie schaffte es noch ein paar Mal im auszuweichen, ja sogar seine Angriffe zu blocken, doch hatte sie das Gefühl, er spielte nur mit ihr und als hätte sie es geahnt, erwischte sie der nächste Schlag von ihm mit voller Kraft in den Magen. Der Schlag beförderte sie gegen die Mauer, ihr Rücken prallte auf hartem Stein, der durch den Aufprall ein paar Risse erlangte. Durch die enorme Wucht, entwich die Luft kurz aus ihrer Lunge und sie musste schmerzhaft auf keuchen. Xiao war bereits im Begriff ein Stück nach unten zu sacken, da packte sie seine raue Hand am Hals, drückte sie wieder mit mehr Kraft als nötig wäre gegen die Wand und sah ihr dabei hasserfüllt in die Augen. Ein zufriedenes Schmunzeln huschte über seine Lippen, als sie mit schwachem Blick ihm entgegen blickte und er immer fester zudrückte. Xiao's Blick verschwamm, sie bekam kaum noch Luft, war das wirklich ihr Ende? Es durfte nicht sein! Alles wäre umsonst gewesen! Während Kazuyas andere Hand sich ihrem Medaillon näherte, das ihr beim Kämpfen hervor gerutscht war, spürte sie wie das Schmuckstück anfing zu pulsieren, genau wie im Haus von Wang. Es durfte nicht in seine Hände gelangen, auf keinen Fall! Er darf es nicht bekommen! Er darf es nicht bekommen! Sie schrie in Gedanken immer wieder dieselben Worte, wie ein Mantra. Kazuya hingegen hatte ein siegreiches Grinsen auf seinen Lippen, als seine Hand im Begriff war sich das Medaillon zu nehmen. Doch kurz bevor er es umfassen konnte, strömte eine dunkle Energie aus dem Stein und stieß den älteren Japaner von der jungen Chinesin weg. Keuchend Luft holend, sackte diese auf den Boden, hustete ein paar Mal und blickte dann mit zusammen gekniffenen Augen zu Kazuya, der sie mit geweiteten Augen ansah. Die Aura die ihn noch eben weg gestoßen hatte, hatte sich wie ein Schutzschild um sie gelegt. Es beschützte sie!   "Verdammt...", fluchte er und verzog sein Gesicht voller Wut. "Heute hast du vielleicht das Glück auf deiner Seite, aber ich werde einen Weg finden an das Medaillon zu gelangen, verlass dich drauf!", versprach er ihr als er auf sie herab blickte. Sie hatte keine Zweifel, dass er seine Worte wahr machen würde, so wie er sich etwas einfallen musste, musste sie einen Weg finden das zu verhindern. Erschöpft schloss sie ihre Augen, als Kazuya und seine Leute sich verzogen hatten. Ihre Kraft kehrte Stück für Stück zurück, Kazuya hatte einen ganz schönen Schlag drauf, hätte sie das Medaillon nicht beschützt, wäre dies heute definitiv ihr Ende gewesen. Warum musste sie auch alleine raus gehen? Wenn sie, das Jin erzählte, würde er bestimmt sauer auf sie sein. Seufzend raffte sie sich nach einiger Zeit auf und als wären eine ordentliche Portion Magenschmerzen nicht schon genug, fing es auch noch an wie aus Eimern zu schütten.   Triefend nass ging sie auf den Wohnkomplex zu, der Regen zeigte kein Erbarmen mit ihr, es regnete so stark, dass ihr sogar das sehen schwer viel. In der Entfernung erkannte sie eine Person die ihr entgegen kam oder war sie auch auf dem Weg zum Wohnkomplex? Denn dieser lag so gesehen genau zwischen ihnen und mit jedem Schritt dem sie sich näherten, konnte sie immer mehr von dieser Person erkennen. Ein Mann, der eine Kapuze über seinen Kopf trug, die nur bedingt half, denn auch seine Kleidung war komplett durchnässt. Kleidung die sie sofort wiedererkannte. Einen letzten Schritt von ihr, ein letzter Schritt von ihm und beide standen sich gegenüber vor dem Eingang des Wohnkomplexes. "Jin...", sagte sie zaghaft, denn sein Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes verheißen. Nasse Strähnen von seinem Pony hingen ihm im Gesicht und auch ihr hingen ein paar Strähnen im Gesicht die vom Regen nass geworden waren. Ihr Gesicht war feucht und wirkte als hätte sie gerade erst geweint. "Geh rein.", befahl er ihr in einem gereizten Ton, der keine Widerworte zuließ. Xiao tat wie befohlen und begab sich ins Innere des Gebäudes während Jin ihr stumm folgte. Er sagte zwar nichts weiter, aber sie konnte diese aufgewühlte Aura hinter sich spüren. Er war sauer.   Nicht mal im Fahrstuhl sagte er ein Wort, er war zu wütend und sie traute sich nicht. Das waren nicht die besten Voraussetzungen. Erst als sie die Wohnung betraten und Jin hinter sich die Tür schloss, sprach er wieder mit ihr. "Wieso bist du nicht in der Wohnung geblieben?", kam es wütend von ihm. "Ich hatte Hunger!", protestierte sie und beobachtete Jin wie er eine Plastiktüte unter seiner Jacke hervor holte, die er die ganze Zeit in der Hand getragen hatte. Während er die Tüte auf den Tisch stellte, näherte sie sich neugierig dieser, ihr Blick wanderte von Jin zu der Tüte und wieder zurück, hin und her, bis sie schließlich rein sah. Ihre Augen weiteten sich überrascht als sie die Schachtel mit der Aufschrift Dumplings entdeckte. "Jin! Wo hast du die denn her?", entwich es ihr verwundert und glücklich zu gleich. Es war überhaupt nicht leicht zu dieser späten Zeit noch an frische Dumplings zu kommen und dazu war das auch noch eines ihrer Lieblingsessen. War das seine Art sich bei ihr für vorhin zu entschuldigen? Ein Schmunzeln überkam ihre Lippen, das weiter zu einem Lächeln wurde bis hin sie ihren alten Schulfreund angrinste. Eine freudestrahlende Xiao blickte ihn mit funkelnden Augen an. Der junge Japaner fragte sich wirklich, wie solche Kleinigkeiten sie immer wieder so glücklich machen konnten. Es erinnerte ihn an früher, sie hatte schon immer so reagiert, wenn er ihr etwas mitgebracht hatte und wenn er ehrlich war, mochte er ihre Reaktion darauf, es machte ihn glücklich sie so zu sehen.   Jedoch würde er es ihr niemals offensichtlich zeigen, also bekam sie lediglich ein brummiges Geräusch von ihm zu hören, während er seine Jacke auf einen Bügel zum Trocknen hing. "Es ist zu gefährlich für dich alleine draußen zu sein.", kam immer noch ein wenig sauer von ihm, aber weitaus weniger als zuvor. Schuldbewusst biss sie sich auf ihre Unterlippe und sah ihn mit einem entschuldigenden Blick an, so dass er skeptisch eine Augenbraue hob. "Was ist passiert?". Er hatte sie sofort durchschaut. "Kazuya ist aufgetaucht...", gab sie leise zu und blickte in seine vor Schock geweiteten Augen. Seine Hand ballte sich zu einer Faust und sie spürte die aufkommende Wut in ihm. Allein das sie seinen Vater erwähnte, machte ihn schon wütend, aber die Tatsache, dass sie alleine draußen war und dann noch auf Kazuya getroffen war, steigerte seine Wut noch mal um das doppelte. Jin riss sich sichtlich zusammen, sah sie jedoch mit zusammengebissenen Zähnen an und erwartete eine Erklärung. "Beruhige dich, wie du siehst bin ich in Ordnung und das Medaillon ist auch noch bei mir.", versicherte sie ihm und hielt als Beweis das Schmuckstück in die Höhe, ehe sie es unter ihr Oberteil wieder versteckte. Jin schien sich tatsächlich ein wenig zu beruhigen, seufzte leise und nahm sich frische Kleidung aus seinem Seesack der als seine Reisetasche fungierte. "Am besten werden wir erst einmal die Nassen Klamotten los und beim Essen erzählst du mir alles ganz genau, von Anfang an.", meinte er, blickte kurz zu Xiao, die ihm mit einem Nicken signalisierte, dass sie einverstanden war worauf er dann in das Badezimmer verschwand um sich umzuziehen. Als Jin nach nur wenigen Minuten aus dem Badezimmer kam, trug er ein schwarzes T-Shirt und eine seiner schwarz-roten Trainingshosen, die sie noch von früher kannte. Es brachte sie zum Schmunzeln, aber ohne ein Wort zu verlieren, begab sie sich schnell in das Badezimmer um endlich auch ihre Nasse Kleidung auszuziehen. Sie brauchte nicht lange, sie wechselte ihre Jeans Hot-Pants mit einer rosa farbigen aus Baumwolle, die sie gerne zum Schlafen anzog und dazu ein weißes Tank Top. Als sie zurück in das Wohnzimmer ging, saß Jin schon am Esstisch und hatte für alles gesorgt, sogar kalter Tee stand bereit.   Xiao setzte sich Jin gegenüber und wollte sich eigentlich bei ihm bedanken, aber er sah sie immer noch so angespannt an, dass sie lieber gleich zur Sache kam. Sie fing mit ihrer Geschichte ganz von vorne an, wie sie auf dem Weg zum Laden war um sich etwas zu essen zu kaufen, dann aber von den Soldaten der G-Corporation plötzlich umzingelt war. Der Kampf mit Kazuya und auch der Moment als sie dachte, es wäre vorbei, auch wenn es ihr sehr schwer viel Jin davon zu erzählen, er wollte alles wissen und das war auch gut so. Erstaunlich das er bei ihrer Erzählung immer noch so ruhig blieb, er war angespannt, aber er ließ keine anderen Emotionen zu oder er zeigte sie nicht, was sie für wahrscheinlicher hielt. Typisch Jin. Aber sie musste zugeben, seine kühle und ruhige Art sorgte auch dafür, dass sie einfach weiter erzählen konnte. Aus irgendeinem Grund gab er ihr das Gefühl einen klaren Kopf zu haben und sich auf das wesentliche konzentrieren zu können. Es war verrückt. "Er kann das Medaillon mir nicht wegnehmen... als er es versuchte, wurde er von einer Aura zurückgestoßen und eine Art Schutzschild hatte sich um mich gebildet. Es scheint mich vor ihm zu schützen.", erklärte die junge Chinesin und berührte nachdenklich den dunklen Stein. "Allerdings versprach er einen Weg zu finden es mir wegzunehmen...". "So wie ich ihn kenne, wird er auch einen finden. Wir müssen schneller sein und vor ihm einen Weg finden das zu verhindern.", meinte Jin nun nach langem Schweigen. "Erzähl mir was in Wangs Haus passiert ist, vielleicht hilft uns das weiter.", schlug er vor und trank einen Schluck von dem kühlen Tee. Xiao nahm sich erst noch einen der Dumplings und genoss ihn sichtlich, ehe sie mit einem zufriedenen Seufzen auch einen Schluck Tee nahm und anschließend anfing ihre nächste Geschichte zu erzählen. "Es war als wäre ich in der Vergangenheit gewesen, nur als Zuschauer. Ich habe meine Eltern und Wang gesehen wie sie über das Medaillon gesprochen haben und von einem großen Fehler den sie begangen haben. Sie wollten mich vor etwas schützen, aber ich habe nicht verstanden wovor. Sie wussten sie würden wegen ihres Fehlers sterben und haben Wang das Medaillon gegeben und gebeten es vor mir zu verbergen, es stattdessen selbst zu beschützen, aber irgendetwas scheint schief gelaufen zu sein, sonst wäre Wang jetzt nicht tot!", kam es aufgewühlt von ihr, die Erinnerung an die Erlebnisse in Wangs Haus waren so stark. Jin davon zu erzählen, war fast so, als würde sie es erneut erleben. "Ich habe ihren tot gesehen... ich habe gesehen was sie umgebracht hat.", sprach sie leise, die Bilder die erneut auftauchten schmerzten, sie schmerzten so sehr, das sie nicht weiter sprach und sich versuchte zusammen zu reißen. Jin hingegen schwieg, beobachtete sie lediglich, er wusste was sie fühlen musste und genau deswegen überließ er sie ihren Schmerz. Niemand könnte ihr den abnehmen, sie musste dadurch so schwer das auch war. Sie hatte es noch gut, sie war zumindest nicht alleine, er hingegen war völlig auf sich alleine gestellt gewesen als seine Mutter gestorben war.   Die junge Chinesin sammelte sich wieder und fing an Jin zu erzählen was genau sie gesehen hatte, das Wesen, der Nebel der ihre Eltern vollkommen eingehüllt hatte und der Augenblick in dem das Wesen sie bemerkt hatte. "Ich dachte mit mir würde das selbe geschehen wie mit meinen Eltern, aber ich hörte deine Stimme, du hast mich gerufen und in dem Moment bin ich aufgewacht.", erklärte sie ihm und schüttelte sanft den Kopf. "Ich verstehe es nicht, wie kann das alles möglich sein? Und wieso konnte mich das Wesen sehen? Wollte es mich wirklich töten? Ich wünschte wir hätten mehr Antworten... mir schwirrt der Kopf vor den ganzen Fragen.", seufzte sie und sah ein wenig verzweifelt ihren alten Schulfreund an. Jin schien in Gedanken versunken zu sein, doch irgendwie wirkte er auf sie nicht nur nachdenklich sondern eher erschöpft. Seine Augen sahen müde und ein wenig glasig aus, ungewöhnlich für den Japaner, wodurch Xiao ihn genauer betrachtete und bemerkte dass seine Wangen etwas errötet waren. "Ich denke, wenn wir den Ort aus deiner Erinnerung finden, werden wir auf ein paar der Fragen Antworten finden.", meinte er mit leiser Stimme und stützte seinen Kopf mit seiner Hand ab wobei er seine Augen schloss und ziemlich müde auf die junge Chinesin wirkte. "Jin? Ist alles in Ordnung?", fragte sie besorgt und erhielt ein leises Brummen als Antwort. "Das sieht für mich aber nicht so aus...", meinte sie daraufhin und erntete einen genervten Blick von ihm, als er langsam seine Augen öffnete. "Mir geht es gut.", sprach er kühl wie eh und je und raffte sich mit wackligen Beinen auf, das er nicht umkippte war auch schon alles. Schnell stand auch Xiao auf und stellte sich ihm in den Weg. "Das glaubst du doch wohl selbst nicht! Lass mich mal fühlen.", sagte sie und ohne das er die Gelegenheit für Widerworte hatte, legte sie ihre Hand auf seine Stirn. "Du glühst ja! Jin, du hast Fieber!", kam es besorgt von ihr. "Ich habe kein Fieber...", widersprach er ihr grummelnd und schob ihre Hand sanft beiseite.   Jin startete den Versuch an ihr vorbei zu gehen, doch mit mäßigem Erfolg, er stockte, taumelte ein Stück und drohte das Gleichgewicht zu verlieren. Xiao packte ihn jedoch rechtzeitig, legte seinen Arm um ihre Schulter und brachte ihn stützend zu seinem Futonbett. "Du bist ganz schön schwer...", keuchte sie und half ihn sich in sein Bett zu legen. "Ja... du hast kein Fieber, sicher.", meinte sie ironisch und deckte ihn zu während ihr ernster Blick zu einem besorgten wechselte. "Ich hole etwas zum kühlen und du rührst dich nicht weg, verstanden?", sprach sie ihn ernst an, erhielt aber nur ein schwaches "Verstanden...", was so gar nicht seine Art war und das machte ihr erst recht Angst. Noch nie hatte sie erlebt das Jin krank war, erkältet mal, aber noch nie hatte sie ihn so schwach gesehen.   Als die junge Chinesin mit einer kleinen Schale, gefüllt mit kaltem Wasser und einem kleinen Tuch, zurückkam, schlief Jin bereits. Sein Brustkorb hob und senkte sich stark und es hatten sich deutlich Schweißperlen auf seiner Stirn gebildet. Seine Hände hatte er krampfhaft in die Bettdecke gekrallt, sein ganzer Körper wirkte angespannt und vom Fieber ziemlich mitgenommen. Leise stellte sie die Schale neben sich und kniete sich neben sein Futonbett, so dass sie das feuchte, kühle Tuch vorsichtig auf seine Stirn legen konnte. Ein leises Seufzen entwich ihr als sie ihn eine ganze Weile einfach nur beobachtet hatte, hoffentlich würde es ihm bald besser gehen. Viel konnte sie nicht tun, aber dank Wang kannte sie ein paar gute alte Heilmittel. Doch dafür musste er erst einmal wieder bei Bewusstsein sein, bis dahin, konnte sie nur seine Stirn kühlen und Schlaf war bekanntlich auch eine der besten Heilmittel, sie hoffte nur, das er nichts ernstes hatte. Es war ein merkwürdiges Gefühl Jin Krank zu erleben, wo er sonst immer so stark und unnahbar wirkte, gefiel ihr überhaupt nicht das Gefühl ihn jetzt so schwach zu erleben. "Werde wieder gesund... Jin.", sprach sie leise und drehte das Tuch auf seinen Kopf auf die noch kühlere Seite um.   Die nächsten Stunden verbrachte Xiao damit, immer wieder das Tuch auf seiner Stirn zu wechseln um dafür zu sorgen, das sein Fieber ein wenig runter ging oder es für ihn zumindest erträglicher zu machen. Es war mitten in der Nacht, sie hatte bereits ihr Futonbett dicht neben ihm ausgebreitet um für den Notfall sofort da zu sein. Die Schale hatte sie vor einer Stunde noch mit frischem, kühlem Wasser gefüllt und mit etwas Abstand an ihr Kopfende gestellt. Das Tuch, das sie zuletzt von Jins Stirn genommen hatte um es zu erneuern, lag fest in ihrer Hand neben seinem Gesicht auf dem Kopfkissen. Ihr fiel es in den letzten zwei Stunden immer schwerer ihre Augen offen zu halten, doch Jin alleine lassen wollte sie nicht, also zwang sie sich weiter zu machen, bis letztendlich die Müdigkeit sie doch übermannt hatte und sie mitten in ihrer Bewegung eingeschlafen war. Es hatte inzwischen aufgehört zu regnen, ein leichter Nebel hatte sich draußen gebildet und das Mondlicht erhellte schwach das Zimmer in den die beiden schliefen.   Jins Augen flackerten, langsam öffnete er sie und sah zu Erst verschlafen drein, ehe er irritiert die Hand neben sich bemerkte, die ein nasses Tuch festhielt. Sein Blick ging zu Xiao rüber, die seelenruhig neben ihm lag und ruhig schlief. Er betrachtete sie länger als gewohnt, doch als er sich versuchte ein wenig aufzurichten, zuckten ihre Finger um das Tuch und ihre Augenlider öffneten sich langsam. Verschlafen blickte sie ihn an, registrierte erst nicht, dass er wach war, sah das Tuch in ihrer Hand an und dann wieder Jin, bis sie realisierte, das sie eingeschlafen sein musste. Xiao richtete sich auf und meinte mit müder Stimme, "Bleib liegen, du hast sicher Durst, ich hole dir was...". Nichts sagend beobachtete er sie, wie sie sich aufraffte und in die kleine Küche ging. Er fühlte sich erschöpft wie schon lange nicht mehr, sein Kopf tat weh und er spürte wie sein Gesicht von dem Fieber glühte. Sein ganzer Körper war so warm, das er die Decke ein Stück zur Seite schob, doch nicht für lange, denn auf einmal wurde ihm wieder kalt und er zog murrend die Decke wieder hoch. In dem Moment kam Xiao mit einer Tasse Tee zurück und reichte sie ihm. "Hier, das wird dein Fieber senken, aber vorsichtig es könnte noch etwas heiß sein.", meinte sie mit einem sanften Lächeln auf den Lippen und setzte sich neben ihm auf ihr Futonbett. "Danke...", murmelte Jin leise und nahm die Tasse an. Dieses Wort aus seinem Mund zu hören, war selten, es musste ihm wirklich mies gehen, dachte sich die junge Chinesin und beobachtete ihn, wie er langsam immer wieder ein Schluck von dem Tee nahm. Es war ein einfacher Kräuter Tee, die wenigsten wussten, das man nicht viel brauchte um gesund zu werden, mit den richtigen Kräutern für Tee und etwas Reis und Wasser für Reisschleim konnte man die schlimmste Grippe bekämpfen.   Während Jin langsam seinen Tee trank, erneuerte sie das Wasser in der Schale und kam mit einem frischen Tuch wieder. Er hatte sich inzwischen wieder hingelegt und erschöpft seine Augen geschlossen. Wie in den letzten Stunden so oft, legte sie ein frisches und kühles Tuch auf seine Stirn, aber als sie gerade ihre Hände zurückzog, blickte sie in zwei gold-braun, schimmernde Augen, die vor Fieber etwas glänzten. Konnte er nicht einschlafen? Wundern würde es sie nicht, aber wieso sah er sie so intensiv an? Er blickte sie direkt an, seine Wangen waren noch immer gerötet vom Fieber, es fühlte sich an wie ein Sog dem sie nicht entkommen konnte. Einen längeren Moment sahen sich beide einfach nur an, bis sie auf einmal seine dunkle Stimme hörte, die etwas sagte, was sie nicht zu glauben wagte. "Du bist wunderschön...", erklang es dunkel, aber nicht rau oder kühl wie sonst, nein, seine Worte klangen fast sanft. Xiao konnte es gar nicht verhindern, das sich ihre Wangen erröteten als hätte sie nun auch Fieber. Die Hitze kam hin, sie fühlte sich sogar so als hätte sie welches! Verwirrt blinzelte sie ein paar Mal, starrte ihn überrascht und überfordert an, als könnte sie nicht glauben was er gerade gesagt hatte. "Du redest wirres Zeug...", kam es zögernd von ihr. So musste es sein. Das Fieber ließ Jin nicht klar denken. "Ich meine es ernst...", hörte sie seine Stimme erneut sanft sagen und sah wie er mit nun geschlossenen Augen keine Miene verzog. Er meinte das doch nicht wirklich ernst? Geschockt musterte sie ihn, hoffte auf ein Zeichen, das er spaßte oder vielleicht im Traum redete, aber Fehlanzeige. Jin war so wach wie sie, auch wenn sein Fieber ihn erschöpfte und er ab und zu seine Augen geschlossen hatte, er war wach. Doch ob ihm wirklich bewusst war, was er gerade laut ausgesprochen hatte, zweifelte sie noch immer sehr stark an.   "Jin... du solltest schlafen.", versuchte sie vom Thema abzukommen und wechselte nochmal sein Tuch auf dem Kopf, obwohl sie dies erst gerade getan hatte. Er machte sie wirklich nervös. Sanft legte sie das Tuch auf seine Stirn, als sich auf einmal seine Hand um ihr Handgelenk legte, nicht fest, aber kraftvoller als sie für einen Fieber kranken gedacht hätte. Sanft zog er ihre Hand von seiner Stirn runter und blickte ihr direkt in die Augen. Sie hatte das Gefühl er wollte etwas sagen, ihr zeigen, dass ihm die Worte sehr wohl ernst waren, aber wieso? Was sollte das jetzt auf einmal? Vorhin wollte er noch Abstand und signalisierte ihr mehr als deutlich, das nie mehr als Freundschaft zwischen ihnen sein würde und nun das? "Jin...", seufzte sie und zog sanft ihre Hand aus seinem Griff. "Du sagtest, ich soll mir meiner Gefühle bewusst werden...", kam es zögerlich von ihr, während er seine Hand zurückzog und seine Augen wieder vor Erschöpfung schloss. "Mhm...", war seine Antwort. Sie war sich nicht sicher ob er ihr wirklich zu hörte oder ob er wieder eingeschlafen war, aber anscheinend hatte dieser Fieberwahn bei ihm gesorgt, dass er zu mehr Antworten bereit war, ob nun bewusst oder nicht, konnte sie nicht einschätzen, sie hatte ihn noch nie so erlebt. "Das heißt...", fing sie nach einer kurzen Pause wieder an, stockte aber, ehe sie allen Mut zusammen nahm und weiter sprach, "... du weißt wie ich fühle?". "Ja...", kam es leise von ihm. Xiao starrte ihn an, war zu keiner Regung fähig obwohl sie es eigentlich schon gewusst hatte, sie kannte die Antwort, aber sie von ihm zu hören, war etwas ganz anderes. Da fiel ihr ein wichtiges Detail ein, das sie die ganze Zeit schon gestört hatte, etwas, was Jin vorhin erwähnt hatte und was ihr nicht mehr aus dem Kopf ging. "Du sagtest, es sei besser so.", zitierte sie ihn. "Das heißt doch... du handelst so, weil du denkst, es sei so richtig?", sprach sie nachdenklich weiter und bemerkte wie er seine Augen wieder öffnete, sie jedoch noch nicht ansah. "Aber... wie fühlst du wirklich?", entwich ihr die schwerste aller Fragen. Jin seufzte, sah sie nicht an, sondern an die Decke und verweigerte ihr eine Antwort. Xiao hätte es wissen müssen, niemals würde er ihr darauf eine Antwort geben. Enttäuscht und fast schon wütend zog sie ihre Augenbrauen zusammen. "Wieso soll ich mir dann über meine Gefühle im Klaren werden, wenn du deine mit Absicht zurückhältst? Das ist nicht fair!", sprach sie ihre Verzweiflung laut aus und beobachtete ihn, wie er seinen Kopf zu ihr drehte um sie direkt anzusehen. "Ich bin ein Monster...", kam es schwach von ihm, aber mit einer Überzeugung in seiner Stimme, das sie wusste, wie sehr er an das glaubte, was er sagte. "Nein, bist du nicht!", widersprach sie ihm. Fing das schon wieder an. "Ich bin zu gefährlich... in meiner Nähe zu sein bringt nur Unglück.", murmelte er leise und blickte wieder zur Decke. Langsam verstand sie warum er so handelte, wie er es tat. "Jin... das ist nicht wahr... du hast mir so oft das Leben gerettet, schon vergessen?", erinnerte sie ihn. "Xiao...", sprach er ihren Namen ernst und irgendwie traurig aus. "Ich will nicht, das dir etwas zustößt... deswegen... ist es besser so.", versuchte er ihr zu erklären und tat sich sichtlich schwer damit. "Ich verstehe dich ja, aber du irrst dich. Mir kann auch ohne dich etwas zustoßen und außerdem kann ich sehr gut auf mich selbst aufpassen. Ich bin nicht mehr das kleine Mädchen das du kennen gelernt hast.", meinte sie schon fast schmollend, weil er sie behandelte als könnte sie sich nicht verteidigen nur weil sie so unschuldig aussah, hieß das nicht, sie könnte sich nicht wären.   "Ich will dich nicht mit rein ziehen... das alles hat nichts mit dir zu tun.", versuchte er ihr begreiflich zu machen und legte seine Hand auf seine Stirn, die Kopfschmerzen machten es ihn sichtlich schwer, sich zu konzentrieren. "Zu spät. Dann hätten wir keine Freunde werden dürfen. Jin, ich will dir helfen. Versteh das doch...", kam es verzweifelt von ihr und mit einem Blick als wollte sie ihm sagen, er solle es endlich erkennen. "Mir kann niemand helfen.", entgegnete er ihr, fest davon überzeugt. Das konnte doch nicht wahr sein! "Weil du es nicht zu lässt!", gab sie gereizt von sich, riss sich aber zusammen. "Es wurden schon genügend Menschen verletzt...", meinte er erschöpft und zog das warm gewordene Tuch von seiner Stirn worauf Xiao es ihm abnahm und es in der Schale mit kühlem Wasser tränkte. "Du bist ein Dickkopf...", murmelte sie, wrang das Tuch aus und wandte sich Jin wieder zu, der sie aus fiebrig glänzenden Augen anblickte. "Es ist mir egal was du meinst, ich werde dir trotzdem zur Seite stehen. Egal was passiert.", versicherte sie ihm. Xiao war eigentlich gerade im Begriff ihre Hand zu seiner Stirn zu bewegen, aber sein Blick hatte sie erneut gefesselt. Wieder sah er sie mit diesem undefinierbaren Blick an, den sie nicht zu deuten vermag, aber sie war zu fasziniert um weg zu sehen. Sie hätte ewig so dasitzen und ihn ansehen können, wenn er nicht seine Hand plötzlich auf ihre Wange gelegt hätte. Zärtlich strich er über ihre Wange und holte sie zurück in die Realität oder träumte sie etwa wieder? Seine Hand war warm und ein wenig rau, aber es störte sie keinesfalls, im Gegenteil, seine Hand fühlte sich so gut an. Seine Finger streiften ihr Ohr als er mit seiner Hand sanft ihre Wange berührte und mit seinem Daumen über ihre Wange strich. Ihr Herz flatterte und sie schloss für einen Moment genießerisch ihre Augen. Bitte lass diesen Moment nie enden.   "Danke... Xiao.", hauchte er sanft, bevor er seine Hand wieder zurück nahm und seine Augen müde schloss. Verwundert öffnete sie ihre Augen, sah ihn irritiert an und spürte noch das warme Gefühl seiner Hand auf ihrer Haut. "Danke? Wofür?", fragte sie ihn, doch erhielt sie keine Antwort. "Jin?", fragte sie und ruckelte sanft mit ihrer Hand an seiner Schulter. Keine Reaktion. Er war tatsächlich eingeschlafen, unglaublich. Fassungslos beobachtete sie ihn, wie er ruhig atmete und tatsächlich zu schlafen schien. Das Gespräch musste für ihn anstrengend gewesen sein. Es war das erste Mal, dass er sie so angesehen hatte und sich auf so eine sanfte Art bedankt hatte, das ihr Herz immer noch wie wild gegen ihre Brust schlug und dieses Kribbeln in ihrem Bauch nicht aufhören wollte. Nur langsam wandte sie ihren Blick von ihm ab und kuschelte sich in ihre Decke ein, ihren Blick dabei an die Decke gerichtet. Mit einem leisen Seufzen versuchte sie ihren Herzschlag etwas zu beruhigen. Ich befürchte, das wird eine lange und schlaflose Nacht werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)